„Und jedermann erwartet sich ein Fest“

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OKTOBER 2016
Andreas Anke, neu im Schweriner Schauspielensemble, als Faust – auf dem Balkon lauert schon Mephisto.
FOTO: SILKE WINKLER
„Und jedermann erwartet sich ein Fest“
Drei Schauspielpremieren an drei Abenden hintereinander.
Mit drei literarischen Schwergewichten: Goethe, Bulgakow,
Kleist. „Faust – Der Tragödie erster Teil“, „Hundeherz“ – ein
russischer Faust – und der unsterbliche „Zerbrochne Krug“.
Inszeniert von drei Regisseuren, die zum ersten Mal am
Mecklenburgischen Staatstheater arbeiten: Martin Nimz,
Mina Salehpur, Mareike Mikat. Und natürlich werden auch
sie sich herumgeplagt haben mit der Frage des Direktors aus
dem „Vorspiel auf dem Theater“: „Wie machen wir’s, daß
alles frisch und neu / Und mit Bedeutung auch gefällig sei?“
Ein Rezept des alten Geheimrates aus Weimar schien auch
den neuen Künstlern am Schweriner Theater als probates
Mittel tauglich: „Die Masse könnt ihr nur durch Masse
zwingen.“ Erwarten wir uns also ein Fest – mit drei Schauspielpremieren an drei Abenden hintereinander.
IM PREMIERENFIEBER
Mephisto und der
sprechende Spiegel
„Von Zeit zu Zeit seh’ ich den Alten gern.“ Die
kleine Mephisto-Frechheit, mit der er am Ende
des Prologs im Himmel despektierlich von
Gott spricht, trifft für mich auf den ganzen ersten Teil des „Faust“ zu. Mit allem, was in ihm
steckt an Ideen, Poesie und Bildungshuberei,
an Theaterhokuspokus, Volksbuch, Grausamkeit, Unterhaltung, Verrat und Witz. Wenn er
gut gemacht ist, kann ich ihn gar nicht oft
genugsehen.SchauspieldirektorMartinNimz,
der mit dem „Faust I“ die neue Spielzeit des
neuen Schweriner Leitungsteams eröffnet,
findet im Interview (Seite II) sogar, man könne
aneinemschönenHauswiedemMecklenburgischen Staatstheater jedes Jahr einen neuen
„Faust“ auf die Bühne bringen. „Faust“-Festspiele in der„Faust“-Stadt Schwerin? Warum
nicht.
Es muss ja nicht bei Goethes„Hauptgeschäft“
bleiben, für das er in über 60 Jahren an die
12000Versedrechselte.DerStoffseisovieler
Auffassungsweisenfähig,soGoethesZeitgenosse Nikolaus Lenau 1833, „dass gar
keine
Kollision
herauskommt“.
Obwohl man da leise Zweifel anmeldendarf.AberesgibtjanochGrabbes „Don Juan und Faust“. Auch
Lessing und Klinger, Brecht und
Thomas Mann haben sich an der „mythologischen Hauptfigur“ der Deutschen abgearbeitet. Und in Heinrich Heines„Faust“-Ballett tritt
sogar eine weibliche Teufelsgestalt auf.
Natürlich heißt sie „Mephistophela“.
Wie überhaupt der Teufel eine ebenso spannende, wenn nicht die interessantere Figur
neben dem nicht nur nach Wissen strebenden
Schwerenöter Faust ist. Viele der heute so
geflügelten Worte aus dem „Faust“, der „dem
Deutschen wie Blei auf den Schultern“ sitzen soll, werden übrigens von Mephisto gesprochen. Vielleicht hat sie auch
das so tauglich für Reklamesprüche
aller Art gemacht – vom Hühneraugenmittel bis zum Toilettenpapier.
Davon abgesehen wäre auch noch zu klären,
auf welcher Hierarchie-Ebene sich unser
Theaterteufelchen abrackert. Ein Arzt namens
JohannWeilerhatim16.Jahrhundertversucht,
die Stammbelegschaft des Fegefeuers zu errechnen. 72 Höllenfürsten werden demnach
von genau 7 405 926 Teufelshelfern unterstützt. Mephistopheles wird wohl eher diesem
Kollektiv zuzurechnen sein.
Lassen wir uns also überraschen, in welchem
Teufelskostüm und in welchem Geschlecht
uns der jüngste Schweriner Mephisto
entgegentreten wird. Wie wär’s mal mit einem
sprechenden Spiegel?
HOLGER KANKEL
II
OKTOBER 2016
Theater-Magazin
Am liebsten jedes Jahr einen „Faust“
Warum Martin Nimz als Schauspieldirektor nach Schwerin gekommen ist und was er am Theater verändern will
Martin Nimz kommt direkt von einer Probe
zu„FaustI“aufdenBalkondesTheaters.Schiebermütze, verschmitztes Lächeln, Brandenburger Dialekt. Der erste Eindruck: ein großer
grauhaariger Junge. Sympathisch. Als Student
an der Rostocker Schauspielschule hat er vom
Schweriner Theater geschwärmt. Das Mecklenburgische Staatstheater hat bis heute, so der
Regisseur, deutschlandweit einen guten Ruf. Er
habe eine große Bereitschaft vieler Künstler
erfahren, an diesem Haus zu arbeiten. Nun ist
der Regisseur, 60-jährig, als Schauspieldirektor
sozusagen zurückgekehrt an das damals so bewunderte Theater. Holger Kankel sprach mit
Martin Nimz.
Wie ist es dem Intendanten Lars Tietje
gelungen, Sie nach Schwerin zu holen?
Nimz: Wir kennen uns schon lange, haben in
Kassel gemeinsam am Theater gearbeitet. Lars
Tietje hat meine Inszenierungen gesehen.
Irgendwannhatermichscheinheiligangerufen
und gefragt, ob ich nicht jemanden wüsste, der
hier das Schauspiel übernehmen könnte.
Und warum haben Sie sich dann entschieden, es selbst zu machen?
Für Schwerin haben viele Dinge gesprochen.
Bis auf die zwei Jahre als Schauspieldirektor in
Kassel habe ich immer als freier Regisseur gearbeitet. Ich wollte für meine Frau, unser Kind
und mich einen festen Ort zum Leben finden.
Dafür ist Schwerin mit seinen Seen ideal, ich
bin in Zeuthen am Wasser aufgewachsen. Mir
gefällt auch der Menschenschlag im Norden.
Und dann hat mich die Chance gereizt, ein
neues Ensemble aufzubauen mit Leuten, mit
denen ich gerne zusammengearbeitet habe. Es
ist natürlich schade, dass so viele Kollegen gehen mussten, ich habe ihnen aber gesagt, dass
das kein Werturteil war. Auch die große Tradition des Theaters spielte eine Rolle. Mit Schwerin verbinden wir eine große Qualität.
Wie haben Sie Ihren ersten Spielplan
entwickelt?
Ich habe mir alte Spielpläne angesehen, und da
ist mir aufgefallen, dass das Schauspiel immer
mehr in eine musikalische Richtung gegangen
ist. Das hatte großen Erfolg und war ja auch
wichtig, um als Theater zu überleben. Da kann
man nur den Hut ziehen. Aber ich glaube, man
kann auch unterhalten, indem man das Schauspiel wieder zu seinen Ursprüngen zurückführt. Wieder auf die Kunst des Schauspielers
Martin Nimz
FOTO: SILKE WINKLER
setzt, auf die Auseinandersetzung mit dem
Text. Zu versuchen, das Publikum dazu zu verführen, zuzuhören – ohne musikalische Untermalung. Das wollen wir mit einer großen Palette an Schauspielern und Regisseuren versuchen,mitvielenkünstlerischenHandschriften.
Das wird ein langer Weg sein, auf dem wir das
Publikum mitnehmen müssen. Darum setzen
wir eben auf Klassiker wie „Faust I“ oder „Der
zerbrochne Krug“, übrigens das meistgespielte
Stück in der Schweriner Theatergeschichte.
Aber die neue Spielzeit als neuer Schauspieldirektor in Schwerin ausgerechnet mit
dem „Faust“ zu beginnen, ist doch schon
eine Botschaft?
An so einem Theater kann man den „Faust“
immer spielen. Am liebsten jedes Jahr einen in
einerneuenInszenierung.Abgesehendavonist
das Stück ein Superstoff für Schauspieler, ein
großer Titel, der Publikum anzieht, nicht zuletzt junge Leute. Die Schulen sind unsere
wichtigsten Partner.
Der „Faust“ wurde schon mit zwei, vier, gar
mit zwölf„Fäusten“ gespielt oder mit einem
Mephisto als Frau. Was haben Sie sich
einfallen lassen?
Ich hatte natürlich schon Schroths „Faust“ im
Kopf, die Inszenierung war für uns als
StudentendamalseinMeilenstein.Wirmüssen
uns eben auch mit früheren Inszenierungen
vergleichen lassen.
Also ein männlicher Faust und ein männlicher Mephisto?
Ein Faust – Andreas Anke – und ein sehr
androgyner Mephisto.
Und die Inszenierung klassisch beim Wort
genommen?
IchbinkeinStückezertrümmerer,erstarreaber
auch nicht in Ehrfurcht. Wir wollen frisch auf
dieFaust-Geschichteschauen.Im„FaustI“stecken ja zwei Geschichten. Erstens die eines Besessenen, der immer mehr wissen will mit dem
Ziel, gottgleich zu werden, Macht über die
Menschheit zu erringen, der sich mit finsteren
Kräften einlässt und ein schlechter Mensch
wird. Das ist die eine Tragödie. Dann die Gretchen-Tragödie, die Geschichte eines sehr religiösen Menschen, der einmal seine Grenzen
überschreitet und danach an der eigenen
Schuld zerbricht.
Können Sie gut mit Kritik umgehen?
Ach,ichbineinigesgewöhnt.SollenunsdieKritiker zerreißen, Hauptsache, wir sind im Gespräch. Außerdem sind gute Kritiken ja immer
ein Blick von außen, dessen Wahrheit sich aus
Eitelkeit oft erst später erschließt.
„Faust I“, Premiere am Freitag, d. 23. September,
19.30 Uhr, Großes Haus, ausverkauft. Weitere Vorstellungen am 30. 9., 21.10., 12. und 18.11., 6. (ausverkauft)
und 18.12., 5. und 30.1. (ausverkauft), jeweils 19.30 Uhr
VORHANG AUF
Ich freue
mich auf Sie!
JedemAnfangwohnteinZauberinne:Die
Theater in Schwerin und Parchim starten
als „Mecklenburgisches Staatstheater“
in die erste gemeinsame Spielzeit! Das
Land hat damit als neuer Hauptgesellschafter sein erstes„echtes“ Staatstheaterbekommen.Diesbringtnunhoffentlich
Ruhe in die jahrelangen Diskussionen um
Finanzierung und Strukturen, damit wir
zusammen mit unseren Künstlern den
Blick wieder auf das Wesentliche lenken
können: für Sie – unser Publikum – Theater und Konzerte zu spielen.
Viele Theaterkolleginnen und -kollegen
sind – teilweise, wie ich, mit ihren Familien
– dafür nach Schwerin gezogen. Wir
haben diese attraktive Stadt, die wunderschöne Landschaft und die Menschen
sehr schätzen gelernt. Umso mehr wünschen wir uns, dass auch Sie Lust und
Neugier verspüren, uns und unseren neu
aufgestellten Spielplan kennenzulernen
oder auch bekannte Gesichter wiederzuentdecken.
Endlichgehtesalsolos:Schauspieldirektor Martin Nimz startet mit gleich drei Premieren an einem Wochenende. Das Junge Staatstheater Parchim hat mit dem anrührend-unterhaltenden musikalischen
Abend„AufeinBieramKlavier“bereitserfolgreich Premiere gefeiert. Im Oktober
folgt in Schwerin Jutta Ebnothers Ballettpremiere„Ravel“. Die Staatskapelle spielt
dazu live u. a. den berühmten „Bolero“.
Kurz darauf beginnt das Musiktheater mit
„Hoffmanns Erzählungen“, dem Schweriner Debüt des neuen Operndirektors Toni
Burkhardt. Mit allen Schweriner Sparten
gemeinsambringenwirimNovemberden
Musical-Klassiker „My Fair Lady“ auf die
Bühne und die Fritz-Reuter-Bühne feiert
ihren 90. Geburtstag
mit „Kein
Hüsung“.
Freuen Sie sich
mit uns auf ein tolles Theater- und
Konzertjahr, das
2017 mit der „West
Side Story“ abgerundet wird. Ich
freue mich
auf Sie!
LARS TIETJE
Generalintendant und Geschäftsführer
des Mecklenburgischen Staatstheaters
Parchimer Rüsselnase erobert das Schweriner E-Werk
Es hat rote Haare, blaue Punkte im Gesicht
und eine Rüsselnase: Das Sams, ein kleines
vorlautes Fabelwesen, will zusammen mit
Herrn Taschenbier, Herrn Mon und all den
anderen Figuren aus Paul Maars Kinderbüchern vom 1. Oktober an auch im Schweriner
E-Werk kleine und große Theaterbesucher in
seinen Bann ziehen.
Auf den Bühnen in und um Parchim ist
„Am Samstag kam das Sams zurück“ schon
seit vier Jahren ein Garant für gute Laune
und volle Säle. Auch deshalb haben der
Intendant des Jungen Staatstheaters, Thomas Ott-Albrecht, und Generalintendant
Lars Tietje dieses Stück für die erste Parchimer Premiere in der Landeshauptstadt ausgewählt. „Es ist uns wichtig, in Schwerin mit
einer unserer besonderen Stärken anzutreten, nämlich Theater für die ganze Familie zu
machen“, erläutert Ott-Albrecht.
Theater für Familien – darunter versteht
der junge Ableger des Staatstheaters sowohl
Kinder- und Jugendtheater für verschiedene
Alters- und Bildungsgruppen als auch kleinere Theaterformen für Erwachsene.
In Schwerin wird das Parchimer Ensemble
in diesem Jahr mit insgesamt vier Inszenierungen zu erleben sein, darunter – quasi als
Einsteigerangebot für alle, denen der „richtige Faust“ zu schwer ist – „Faust – ein Solo“.
Das Einpersonenstück, das auch gerne von
Schulen zur Aufführung im Klassenzimmer
gebucht wird, hat im Schweriner E-Werk am
13. Oktober Premiere.
Auf „Die Geschichte von Lena“, in der die
junge Titelheldin Mobbing in Reinkultur ertragen muss, darf das Schweriner Publikum
ebenso gespannt sein wie auf die Tragikomödie „Emmas Glück“. „Die ,Emma‘ haben wir
zum Ende der letzten Spielzeit schon dreimal vor jungen Leuten im E-Werk gespielt“,
so Ott-Albrecht. Damals sei das Stück mit
viel Applaus aufgenommen worden.
Spätestens im Januar, nach dem Weihnachtsmärchen – das Parchimer Ensemble
zeigt in diesem Jahr „Die Bremer Stadtmusikanten“ – will das Junge Staatstheater monatlich mit mindestens vier Vorstellungen in
Schwerin vertreten sein, versichert dessen
Intendant. Für die Schauspieler, aber auch
für die Mitarbeiter hinter der Bühne sei es
Marlene
Eiberger
als Sams
FOTO:
SILKE
WINKLER
seit langem Alltag, sich sehr schnell auf
wechselnde Spielstätten einzustellen. „Die
Hälfte unserer Zuschauer haben wir schon
immer im Gastspielbetrieb gezählt“, so OttAlbrecht. Seit Anfang 2014 die Hauptspielstätte in der Blutstraße aus Sicherheitsgründen gesperrt werden musste, sei der Anteil
sogar noch deutlich größer geworden.
In Parchim wird dennoch regelmäßig gespielt: in der von der Sperrung ausgenommenen Theatergaststätte, in der Remise des
Landratsamtes und in der Stadthalle. Insgesamt acht Premieren plant das junge Ensemble für die aktuelle Spielzeit, je eine weitere
steuern der Theaterjugendclub und die Laienbühne „Pütter Bretter“ bei, die von zwei
Profi-Schauspielerinnen geleitet wird.
Eine Premiere für Parchim wird es auch
sein, wenn am 18. Dezember die Mecklenburgische Staatskapelle in der Stadthalle ein
Weihnachtskonzert gibt. „Konzertante
Musik und Musiktheater werden hier sehr
stark nachgefragt“, weiß Ott-Albrecht. Allerdings gebe es momentan nur sehr begrenzte
Möglichkeit für entsprechende Vorstellungen des Schweriner Ensembles. Nach Fertigstellung der neuen Spielstätte in der Eldemühle – der Intendant des Jungen Staatstheaters Parchim rechnet „im optimistischsten Fall“ Ende 2018 damit – werde sich das
aber ändern.
Karin Koslik
IV
OKTOBER 2016
Theater-Magazin
DREI FRAGEN AN
Martin Neuhaus
Wieder im
Ensemble, spielt
den Dorfrichter
Adam in „Der
zerbrochne Krug“
Jutta Ebnother,
die neue BallettDirektorin,
am Rande der
Proben zu „Ravel“
FOTO: R. KLAWITTER
Faszination des Tanzes
Schwerins neue Ballett-Direktorin Jutta Ebnother probt „Ravel“
EinTänzerdrehtsichmithochverwundenen
Armen, dann kommt die Gruppe in Bewegung,
gleichsam figuriert der Klang eines Streichquartetts körperliche Duette, Trios, Quartette,
Ensembles. Musikalische Erregung wird bildhaft, wird zu pulsierendem Tanz. Die Akteure
mit konzentrierter Miene im Ballettsaal.
Jutta Ebnother probt „Ravel“. Schwerins
neueBallett-Chefinstammtausdembadischen
Breisach, studierte Tanz in Amsterdam, tanzte
in Detmold und Kassel, leitete zuletzt das
Ballett in Nordhausen, wo sie mit dem Theaterpreis ausgezeichnet wurde.
Ravel, entsteht da ein tänzerisches Porträt
des Komponisten? „Der erste Teil wird eine
Skizze dieses unruhigen Geistes, der sich ständig neu erfunden hat, sie gestaltet die Facetten
des Franzosen. Da wird der Tanz erzählend
sein“, erläutert die Choreografin, „und natürlich kommt man bei Ravel nicht am ‚Bolero‘
vorbei. Zusammen mit der Rhapsodie ‚Tzigane‘
wird dann die Musik interpretiert, der Rhythmus aufgenommen, da spricht der reine Tanz.“
Der treibt in der Probe das Ensemble am Ende
zum vernehmbaren Atmen.
Ihr Credo beschreibt Jutta Ebnother so:
„Mich bewegt die Musik, sie ist der Impuls für
meine choreografische Arbeit. Die Basis ist der
klassische Tanz. Darauf baue ich die Bewegungen und die müssen kreativ etwas ausdrücken,
mit Emotion, von einer Idee erfüllt sein. Wenn
das gelingt, erreicht der Tanz auch das Publikum. Ballett soll ästhetisch sein, ein Erlebnis,
es soll faszinieren und Spaß machen.“ Gibt es
dafür ein Stil-Stichwort? Ohne Zögern: „Im 21.
Jahrhundert ist schon alles gemacht worden,
also, mein Stil ist zeitgenössisch, eine Mischung, die offen ist für verschiedene Bewegungssequenzen. Ich bin ständig auf der
Suche.“
Die Compagnie ist klein, was lässt sich damit
erreichen? Jutta Ebnother kennt sich mit einer
Zwölfer-Truppe aus: „Mit kleinem Ensemble
kann man auch große Sachen machen, mit dem
richtigenKonzept.IchwerdeHandlungsballette bringen, weil ich weiß, das Publikum möchte
sie. Wir wollen ein Repertoire aufbauen, das
Handlungsstücke und die Moderne bedient“.
DieVielfalt,dieSchwerinsBallettbislangauszeichnete, soll bleiben, betont die neue Chefin.
Für andere Handschriften wird sie auch Gastchoreografen einladen. So wird die Uraufführung „Apropos Liebe“ im November im
E-Werk von dem Franzosen Martin Chaix
kreiert. „Abwechslung“, weiß die Choreografin, „hält die Tänzer und ebenso das Publikum
wach.“.
Jutta Ebnother eröffnet ihre Direktion mit
einer Ballettgala am 2. Oktober im Großen
Haus. „Wir geben einen Ausblick auf unsere
Arbeit, zeigen auch kurze Rückblicke auf die
vergangene Spielzeit. Es gibt choreografische
StückevonTänzernextrafürdieseGala.Esgibt
klassische Spitze und Moderne. Und die Compagnie wird in Interviews vorgestellt, ich
möchte menschliche Nähe zum Publikum pflegen.“ZwölfTänzerauswievielenNationen?Da
muss die aufgeschlossene Frau, deren künstlerische Energie spürbar ist, kurz überlegen: „Italien, Spanien, Holland, Österreich… also acht.
Ballett ist auf der ganzen Welt international, da
fragt man nicht, wer woher kommt, da funktioniert die Völkerverständigung.“ Lachender
Nachsatz: „Man sollte alle mal in eine Ballettcompagnie stecken.“
Manfred Zelt
Von 2005 bis 2008 waren Sie schon mal
im Schauspielensemble. Wie fühlt es
sich an, nun zurückzukehren?
Nun, Umwege erhöhen die Ortskenntnis.
Schwerin hab ich immer sehr gemocht,
und auch ein paar Freundschaften haben
sich gehalten. Von einer Rückkehr möchte
ich aber weniger sprechen, denn es geht
ja bei uns gerade um einen Neuanfang.
Unddabinichnatürlichneugierigundgern
dabei!
Sie haben viel für Film und Fernsehen
gearbeitet,werdenSiejetztwenigervor
Kameras stehen?
Es ist ja heute ganz normal, dass Theaterschauspieler auch vor der Kamera stehen.
Das ist gut für die Schauspieler und gut
fürs Theater. Aber natürlich hat die Bühne
jetzt Vorrang. Ich bin mit einer festen Rolle
in einer internationalen Serie besetzt – als
Bruder von Thorsten Merten, der ja den
Schwerinern gut bekannt ist –, und das
geht hoffentlich auch weiter. Diese Woche
ist das Kammerspiel „Das Geständnis“ in
den Kinos angelaufen. Am Beispiel der
Mordkommission vom Berliner Alex geht
es darum, wie sich die Agonie der DDR in
ein Betriebskollektiv frisst. Aber jetzt geht’s
erstmal um den „Zerbrochnen Krug“, und
der fordert mich grad konditionell in jeder
Hinsicht. Ich hab fünf Kilo abgenommen.
Der Dorfrichter Adam ist ja ein Unsympath, wie spielen Sie ihn, ohne die Figur
zu verraten?
Na, ich muss ihn lieben, weil er ungeliebt
ist. Vielleicht war er das schon immer, vielleicht schon als Kind. Und weil er ungeliebt
ist, liebt er sich selbst am meisten. Dazu
kommt, dass er blitzgescheit ist und nie
aufgibt, sich aus den selbstgebauten Fettnäpfchen zu befreien. Das ist doch gar
nicht so unsympathisch…
„Der zerbrochne Krug“, Premiere am Sonntag,
d. 25. 9., 18 Uhr, Großes Haus, Restkarten
So, wie dieses kurze Gespräch mit der
RegisseurinMinaSalehpour,könnte,nachallem,
was man über ihre bisherigen Arbeiten gehört
hat, auch ihre Inszenierung von Michail Bulgakows „Hundeherz“ werden: schnell, mit schnellenIdeen-undTempowechseln.Salehpour,1985
in Teheran geboren, ist die junge Regisseurin der
Stunde. Das Internet ist sehr auskunftsfreudig,
wenn man ihren Namen eingibt. Interviews, der
Theaterpreis„Faust“,Inszenierungenangroßen
deutschen Theatern, euphorische Kritiken. Die
Künstlerin bekennt auch nach einer Probe im
Schweriner E-Werk, „ein bisschen workaholickrank“ zu sein. Anfangs habe sie alle Angebote
angenommen, jetzt könne sie sich aussuchen,
was sie mache, will weniger arbeiten. Warum Sie
FOTO: SARAH NERLICH
„Ich wüsste nicht, was ich mit Emilia Galotti erzählen sollte“
in Schwerin inszeniere? Schauspieldirektor
Martin Nimz ist schuld. Bei dem hat sie 2007 in
Frankfurt/M. hospitiert. Später wurde sie Regieassistentin und schließlich kam ihre erste eigene
Inszenierung, die Uraufführung von „Heute bin
ich blond“. Da waren Pläne, Politikerin oder
Schauspielerin zu werden, endgültig zu den
Akten gelegt.
Warum ihre Inszenierungen oft so schnell
sind? „Weil ich ein schneller Mensch bin.“ Eine
Spezialität der seit 1996 in Deutschland lebenden Iranerin sind Romanadaptionen, bevorzugt
Werke von Jonas Hassen Khemiri. „Adaptionen
lassen mir viel Platz für eigenes Erzählen. Ich
wüsste nicht, was ich mit ,Emilia Galotti‘ erzählen sollte.“ Salehpour ist ein Fernsehjunkie, liebt
Serien. Diese Ästhetiken finden ebenso wie
Musicalelemente oder Slapstick Widerhall in
ihren Arbeiten. Ihr Humor? „Einer, der aus der
Verzweiflung kommt, wie bei Tabori oder
Chaplin.“
„Hundeherz“ in Schwerin zu inszenieren war
ihre Idee. „Ich mag Parabeln und nehme es nicht
so gern mit der Realität auf, da zieht man immer
den Kürzeren.“ Ein Gedanke hat sie in Bulgakows Erzählung aus dem Jahr 1925 besonders
interessiert: „Was passiert, wenn Menschen
nicht so funktionieren, wie ich mir das vorgeHolger Kankel
stellt habe?“
„Hundeherz“, Premiere am Sonnabend, d. 24. 9,
19.30 Uhr, E-Werk, ausverkauft. Weitere Vorstellungen am 8., 14. und 22. Oktober jeweils um 19.30 Uhr
PREISFRAGE
NICHT VERPASSEN
Tanzworkshop für alle
Sinfoniekonzertsaison beginnt
Ein szenischer Rundgang
Anlässlich ihrer ersten Schweriner Premiere
mit „Ravel“ lädt die neue Ballettdirektorin Jutta
Ebnother zu einem öffentlichen Tanzworkshop
am 9. Oktober auf die Ballettprobenbühne ein.
Teilnehmen kann jeder, der sich für das Thema
Tanz interessiert und Lust hat, sich auszuprobieren.
Es gilt, den Künstler Ravel zu entdecken:
nicht nur in der Musik und der Biografie dieser
schillernden Persönlichkeit, sondern auch
über die Arbeit der Choreographin und der
Tänzerinnen und Tänzer. Anmeldungen per
Mail unter: [email protected]
Generalmusikdirektor Daniel Huppert eröffnet
die Konzertsaison mit dem 1. Sinfoniekonzert
am 17., 18. und 19. Oktober. Auf dem Programm stehen Ludwig van Beethovens Ouvertüre der Bühnenmusik zu Goethes „Egmont“,
die Sinfonie Nr. 3 „Eroica“ und Béla Bartóks
Konzert für Viola und Orchester. Wie gewohnt
wird das jeweils erste Konzert an den Montagsterminen moderiert. Zu den Konzerten dienstags und mittwochs wird eine Einführung im
Konzertfoyer angeboten. Wie GMD Daniel
Huppert verspricht, liegt seine besondere Aufmerksamkeit in dieser Saison bei mehreren
Programmen für Kinder und Familien.
Mit „Ankommen (AT)“ wird dem Publikum ein
szenischer Rundgang von und mit dem neu
aufgestellten Schauspielensemble geboten:
eine Entdeckungstour durch das Theater am
Alten Garten. Die Besucher haben die Gelegenheit, die Schauspieler des neuen Ensembles kennenzulernen, das Haus vom Keller bis
zum Kuppeldach zu erkunden und zwischen
Kabeln, Kostümen und Kulissen danach zu
fragen, woher die Künstler kommen und wohin
sie wollen – Texte und Lieder frei nach dem
„Wir sind Helden“-Motto „Wir sind angekommen, um zu bleiben“.
Einmalig am 3. Oktober um 18 und 20 Uhr
Freikarten für
die große Operngala
Zu einem Fest der Stimmen lädt das
Musiktheater mit seiner „Operngala“ zu
gleich fünf Vorstellungen ins Große Haus
ein. Generalintendant Lars Tietje führt
durch das Programm am 8., 14., 22. und
23. Oktober sowie am 4. November. Wir
verlosen 2 x 2 Karten für die Vorstellung am
8. Oktober. Sie müssen nur diese Frage
richtig beantworten: Mit welcher Oper
startet das Musiktheater in die neue
Spielzeit? Die Antwort schicken Sie bitte
bis zum 25. 9. 2016 an folgende MailAdresse: [email protected]