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26. Sonntag im Jahreskreis
Der selbstsüchtige Riese
Hinführung
Amos 6,1a.4–7: Das Fest der Faulenzer ist vorbei.
Lk 16,19–31 (hier: 19–21): Es kommt der Tag der Gerechtigkeit.
Alternativ:
Kurzgeschichte
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Lesungen
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Heute steigen wir auf den Kirchturm, schauen über N.N. (Ortsangabe)
hinweg, ja auch über die Grenzen unseres Landes hinaus und rufen:
Komm, wir teilen das Essen, mein Bruder! Fleisch für mich und Milch
und Wein und Obst! Und eine Handvoll Reis – wenn du Glück hast – für
dich!
Komm, wir teilen die Welt, meine Schwester: Bomben, Gewalt, Terror
und Krieg für dich und ein bisschen schlechtes Gewissen – so ein kleines Zwicken schon mal – für mich.
– Stille, ca. 1 Minute –
Einleitung: Statt einer Lesung hören wir von der ewigen Auseinandersetzung zwischen Arm und Reich:
Der Reiche zum Armen: »Ich möchte dir ja nicht zu nahe treten, aber
willst du nicht angesichts der Tatsache, dass fast neun Milliarden
Menschen die Erde bevölkern, den Kindersegen einschränken?«
Der Arme: »Die Kinder sind meine Altersvorsorge!«
Der Reiche: »Aber die Rohstoffe reichen bald nicht mehr aus!«
Der Arme: »Aha, es geht auch um Rohstoffe. Dann brauchen wir also
eine Geburten- und eine Rohstoffkontrolle.«
Der Reiche – verwirrt: »Ja – schön!«
Der Arme: »Ich möchte Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber ist Ihnen
klar, dass ein Prozent der Reichen in der Welt 90 Prozent der Rohstoffe
besitzen? Was wollen Sie dagegen tun?« (nach Terre des Hommes auf
den heutigen Stand gebracht)
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Ansprache
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Kennen Sie die Erzählung vom selbstsüchtigen Riesen? Oscar Wilde
hat sie vor gut hundert Jahren geschrieben und wohl nicht daran gedacht, dass sie auch heute noch auf unsere Welt zutrifft.
Der Riese sind wir! Ja, Deutschland ist ein Wirtschaftsriese, ExportWeltmeister. Wir sind dieser Reiche! Nun hat die Bibel nichts gegen
Reichtum an sich; sie ist aber dagegen, wenn er auf Kosten der Armen
erpresst wurde; sie ist nur gegen den Reichen, der nicht teilen kann;
dem die Augen zugewachsen sind!
Der Riese kam von einer Dienstreise zurück. Mürrisch beobachtete er, wie Kinder in seinem schönen Garten spielten. »Macht,
dass ihr wegkommt!«, schrie er, zog eine hohe Mauer um den
Garten und hängte das Warnschild auf: »Betreten bei Strafe verboten!«
Habt ihr den Ruf schon gehört, liebe Kinder: »Macht, dass ihr wegkommt!«? So ist das im Paradies des Reichen: Eine größere Kinderzahl
ist häufig unerwünscht. Familien finanziell benachteiligt. Der Reichtum hat blind gemacht! Und eine Mauer haben wir auch errichtet: die
Schutzzölle, die unsere Produkte vor der Konkurrenz aus den armen
Ländern schützen sollen. Ich weiß, die Mauer ist löchrig geworden: Die
Billigprodukte aus Ostasien, die oft unter menschenunwürdigen Zuständen produziert werden, setzen uns zu. Und manche, die hier Zuflucht suchen, buddeln sich unter der Mauer durch. Das macht es ja
auch so schwer, über das ganze Problem zu sprechen!
Es kam das nächste Frühjahr. Der Riese wunderte sich, dass es in
seinem Garten Winter blieb, immer noch Frost und Schnee zwischen den Bäumen tanzten.
Aber eines Morgens weckte ihn das Gezwitscher der Vögel. Was
sah der Riese?: Kinder waren über die Mauer geklettert. Deshalb
blühten die Bäume. Nur an einer Ecke noch nicht: Da stand ein
kleiner Junge und weinte, weil der Baum für ihn zu hoch war, um
darauf zu klettern.
Da trat der Riese in den Garten. Sofort rannten die Kinder davon.
Nur der kleine Junge nicht, weil so viele Tränen in seinen Augen
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waren, dass er den Riesen nicht hatte kommen sehen. Der Riese
setzte ihn auf den Baum. Sofort erstrahlte der in einem Blütenmeer. Der Junge aber streckte seine Arme aus und – küsste den
Riesen.
Als die anderen Kinder sahen, dass der Riese nicht mehr böse war,
kamen sie schnell zurück und mit ihnen der Frühling.
Eine unterkühlte, ja kalte Gesellschaft sind wir! Fragen Sie einmal die
ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, wie sie uns einschätzen. Sie sagen, wir sehen gehetzt und unzufrieden aus, obwohl wir im
Paradies leben. Wie kalt es manchmal zugeht, können wir ja in der
Warteschleife vor einer Kasse erleben. Da ist kaum Dankbarkeit darüber zu spüren, dass wir all diese Herrlichkeiten aus dem wunderbaren
Garten der Erde kaufen und wir sie uns leisten können.
Jetzt wusste der Riese, warum der Frühling so spät in seinen Garten gekommen war. Er riss die Mauer nieder und schaute zu, wie
die Kinder darin spielten. Manchmal sagte er: »Ich habe viele herrliche Blumen im Garten, aber die Kinder sind die schönsten von
allen.«
Liebe Großeltern: Das können Sie hoffentlich doch auch sagen!
Der Riese wurde alt und schwach. Er sehnte sich danach, noch
einmal diesen Jungen zu sehen, der ihn geküsst hatte. Eines Tages
im Winter rieb er sich die Augen: Da stand der kleine Junge, den er
so liebte, im Garten. Der Riese hastete zu ihm. Er sah entsetzt auf
die Handflächen und die Füße des Kindes: Da waren Wunden wie
von Nägeln. »Wer hat das getan?«, schrie der Riese schmerzvoll.
Aber das Kind lächelte ihn an und sagte: »Heute wirst du in meinem wunderschönen Garten sein!« Und am Nachmittag fanden ihn
die Kinder tot – über und über mit Blüten bedeckt.
Sie wissen, wer das Kind mit den Wunden ist! Dieser Jesus muss uns
immer wieder Ansporn sein, den Blick über all die Mauern zu heben
und uns für alle Kinder auf der Welt verantwortlich zu fühlen. Was
wollen wir denn dem Weltenrichter einmal sagen, wenn er wiederkommt?
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