Hausaufgabenstress – und dann noch üben?

www.bvl-legasthenie.de, 01/07
Hausaufgabenstress – und dann noch üben?
„Carola kommt jeden Tag ziemlich platt aus der Schule. Ich sehe in ihrem Gesicht die
Anspannung des Tages und zugleich die Freude, endlich daheim zu sein. Die Frage „Wie
war es in der Schule?“ habe ich mir schon längst abgewöhnt, wenn ich vorhabe, auch
beim Mittagessen noch ein paar Worte mit ihr zu wechseln. Nach dem Essen habe ich
das Gefühl, dass sie sich etwas entspannt hat und sie mit den Hausaufgaben loslegen
kann. Meist dauern die dann eine Ewigkeit. Selbst einfache Aufgaben überfordern sie und
es kommt zu Tränen. Ich spüre ihre Erleichterung, wenn sie endlich damit fertig ist. Wie
soll ich sie dann noch zum Üben motivieren? Ich weiß, dass es wichtig ist, aber habe
keine Ahnung, wie ich gegen ihre Unlust ankämpfen soll.“, so die Mutter von Carola.
Übung macht den Meister!
Viele Eltern sind verunsichert. Die Lehrerin sagt schon seit vielen Jahren „Ihr Kind muss
mehr üben“. Trotzdem blieben die Erfolge aus. Und jetzt heißt es schon wieder „Übung
macht den Meister!“. Das ist auch richtig und scheint dennoch nicht zu helfen. Wenn sich
kein Erfolg einstellt, kann dies verschiedene Gründe haben.
Was soll geübt werden?
Geübt werden kann eigentlich nur das, was auch bereits verstanden wurde. Stellen Sie
sich vor, Sie sollten das Einradfahren mit bestimmten Kunststücken für eine Vorführung
üben. „Ich kann doch gar nicht Einradfahren“ werden Sie sagen. Genau, Sie müssen es
erst mal lernen, erfahren, wie es geht, was man beachten muss. Sie müssen es
ausprobieren, Sie brauchen Anleitung, Sie müssen aus den Fehlern lernen. Erst wenn Sie
wissen, wie es funktioniert, können Sie üben, um auf dem Einrad sicherer zu werden.
Ähnlich ist es mit dem Lernen von anderen Dingen oder Mathe oder Deutsch. Ihr Kind
kann nur das üben, was es bereits verstanden hat. Wählen Sie also Themen oder
Aufgaben, von denen Sie sicher sind, dass Ihr Kind den Lerninhalt erfasst hat und es jetzt
noch auf die Übung und auf die Festigung ankommt. Sprechen Sie sich über die
Lerninhalte mit der Lehrkraft und/oder dem Therapeuten ab. Wählen Sie Inhalte, bei
denen es keine Fragen mehr gibt.
Wie oft und wie lange soll geübt werden?
Hier gibt es ganz viele unterschiedliche Meinungen. Es ist auch abhängig vom Kind.
Manche Kinder sind nach der Schule und den Hausaufgaben so ausgepowert, dass erst
mal gar nichts mehr geht. Sie brauchen ihre Ruhe, wollen sich zurückziehen oder mit
Freunden spielen. Wenn sich keine Konzentration mehr aufbauen kann, ist es sinnvoller
dem Kind erst einmal eine „Auszeit“ zu geben. Die meisten SchülerInnen haben einen
vollen Terminkalender: Sport, Flöte, Therapie – da sind schon drei Nachmittage
ausgebucht. Der Nachmittag ist häufig auch sehr kurz. Die Hausaufgaben dauern oft
ewig. Alle sind froh, wenn sie fertig sind. Keiner hat so richtig Lust auch noch zu üben.
Regelmäßige Termine sollten in einem Übungsplan berücksichtigt werden. Es ist wichtig
regelmäßig für ein paar Minuten bestimmte Lerninhalte zu wiederholen und zu festigen.
Dabei genügen schon 5 Minuten konzentriertes Arbeiten. 5 Minuten Rechenaufgaben, 5
Minuten laut lesen oder 5 Minuten Wortdiktat sind genug. Bei regelmäßigem täglichem
Üben oder fest vereinbarten Wochentagen werden sich die Erfolge bald einstellen.
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Übungszeitpunkt, Übungsdauer und Übungstage können mit dem Kind abgesprochen
werden. So kann das Kind sich darauf einstellen und weiß, an welchen Tagen es wie
lange üben muss.
Wie bringen Sie ihr Kind zum Üben?
Ein Lernvertrag kann helfen. Setzen Sie sich gemeinsam mit Ihrem Kind zusammen und
überlegen Sie, an welchen Tagen, wie lange geübt wird. Halten Sie Ihre Vereinbarungen fest.
Die Bemühungen Ihres Kindes sollten dann auch belohnt werden. Vereinbaren Sie, was es
bei vollständiger Erfüllung des Vertrages geben wird. Das muss kein Gameboy oder riesen
Geschenk sein. Wie wäre es mit einem Kinobesuch, einem Sammelaufkleber oder ein
gemeinsamer Schwimmbadbesuch mit der ganzen Familie? Die Kinder haben häufig tolle
Ideen. Es sollte bei einem Lernvertrag auch immer verabredet werden, was passiert, wenn
der Vertrag nicht eingehalten wird. Dabei geht es nicht um „Bestrafen“. Müll raustragen,
Zimmer aufräumen, Papiermüll wegbringen – es gibt viele kleine Dinge, die Kinder überhaupt
nicht mögen, die sie aber bereit sind zu erfüllen, falls sie sich nicht an den Vertrag halten.
Den Lernvertrag finden Sie auch zum Download im Mitgliederbereich der BVL-Homepage
unter www.bvl-legasthenie.de / Hilfen Legasthenie und Hilfen Dyskalkulie
Als Vertragspartner sind aber auch Sie verpflichtet, die Regeln einzuhalten. „Warte, ich muss
noch schnell mit der Nachbarin was besprechen“, „ich wische erst noch durch“, „gleich nach
dem Einkaufen“! Schnell kommt etwas dazwischen. Das Kind verlässt sich aber darauf, dass
mit dem Üben begonnen wird. Es hält sich an die Vereinbarungen, darum ist es wichtig, dass
wir dies als Eltern auch tun. Kinder spornt es an, wenn Eltern auch mal Fehler machen und
dafür „bestraft“ werden. Vereinbaren Sie daher, was Sie machen werden, wenn Sie sich nicht
an den Vertrag halten. Und Sie werden sehen, Ihr Kind wird schon bald seinen Teil der
Vereinbarungen halten.
Was gibt es beim Lernvertrag zu beachten?
Denken Sie daran, den Zeitrahmen eines Vertrages nicht zu lange zu wählen. Am Anfang
genügt sicherlich eine Woche. Später können Sie die Vereinbarungen auch für einen
längeren Zeitraum aushandeln. Für die Kleinen ist es wichtig, dass sie sehen, wie fleißig sie
schon waren. Auf dem beiliegenden Lernvertrag haben wir am Rand unten kleine Kreise
gemacht. Für jede eingehaltene Übungszeit kann das Kind einen Kreis ausmalen oder einen
Stern reinmalen. Wenn Sie die Gesamtlänge des Vertrages ausrechnen, können Sie
festhalten, wie viele Kreise insgesamt ausgemalt werden müssen, bis der Vertrag eingelöst
werden kann. Sollten die Kreise nicht ausreichen, können Sie jederzeit weitere Kreise am
Rand des Lernvertrages hinzufügen.
So, nun viel Spaß damit!
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