20.09.2016, Probleme beim Providerwechsel - Kein

Manuskript
Beitrag: Probleme beim Providerwechsel Kein Anschluss unter dieser Nummer
Sendung vom 20. September 2016
von Andreas Baum und Stefan Gierer
Anmoderation:
Es soll Menschen geben, und vielleicht gehören Sie dazu, die
würden gerne ihren Telefon- und Internetanbieter wechseln,
trauen sich aber einfach nicht. Sie fürchten die zeit- und
nervenaufreibenden Probleme - und bleiben deshalb, wo sie sind.
Dabei müssen die Telekommunikationskonzerne ihre Kunden
unterstützen, wenn die zur Konkurrenz wollen, so verlangt es das
Gesetz. Und eigentlich darf die Umschaltung höchstens einen
Tag dauern. Eigentlich! Andreas Baum und Stefan Gierer über
Warteschleifen in der Wirklichkeit und Dienstleister, die auf der
Leitung stehen.
Text:
Eigentlich wollte Andreas Reinhardt nur von O2 zur Telekom
wechseln und seine Rufnummer mitnehmen. Abschalten,
anschalten, fertig – dachte er. Doch am Tag der geplanten
Umschaltung steht er ohne Festnetz und Internet da.
O-Ton Andreas Reinhardt, Telefon-Kunde:
Das kann eigentlich gar nicht sein! In der heutigen Zeit, wo
alles eigentlich geregelt ist. Dann sagt man sich, die müssen
doch einfach nur ´nen Häkchen setzen und irgendwo ´ne
Rufnummer eintragen, dann muss das doch funktionieren.
Doch es geht nichts mehr. Für den Journalisten ein großes
Problem:
O-Ton Andreas Reinhardt, Telefon-Kunde:
Ich muss Sachen zu Hause recherchieren und ich bin einfach
auf funktionierendes Internet angewiesen. Ich muss
telefonieren und ich war einfach nicht erreichbar.
Sein neuer Anbieter, die Telekom, behauptet: Der Kundenservice
habe sein „Anbieterwechselformular“ nicht rechtzeitig bekommen.
Für Reinhardt ist das nicht nachvollziehbar, denn er habe lange
vor dem Umschalttermin extra bei der Telekom angerufen. Dort
habe man ihm bestätigt, dass alle benötigten Unterlagen
vorhanden seien.
Weil sich der Wechsel verzögert, wendet er sich an seinen alten
Anbieter.
O-Ton Andreas Reinhardt, Telefon-Kunde:
Ich hab mich natürlich mit O2 in Verbindung gesetzt. Die
haben einfach gesagt: Wir haben die Leitung abgeschaltet,
sie ist weg, wir können da nichts weiter tun.
Was dann kommt, erleben in Deutschland jährlich Tausende:
„Hotline-Marathon“ - viele Anrufe, viele Ansprechpartner, aber
keine Lösung. Reinhardt bleibt schließlich elf Tage ohne
Festnetzanschluss. Und das, obwohl alle Anbieter nach dem
Telekommunikationsgesetz verpflichtet sind, ihre „Altkunden“ so
lange weiter zu versorgen, bis der Wechsel geklappt hat. Die
Kunden haben sogar einen Anspruch darauf, beim Wechsel nicht
länger als einen Tag ohne Anschluss zu sein. Doch damit gebe
es immer wieder massive Probleme, kritisieren
Verbraucherschützer.
O-Ton Ralf Reichertz, Verbraucherzentrale Thüringen:
Da ist insoweit die Ein-Tages-Frist natürlich eine schöne
Idee. Aber sobald irgendetwas nicht funktioniert, irgendein
Schreiben fehlt oder irgendwie ein technisches Problem
auftritt, dann kann man die Tagesfrist nicht einhalten. Der
Altanbieter und der Neuanbieter - man schiebt sich
gegenseitig die Schuld zu - und der Verbraucher steht jetzt
vor dem Dilemma: Er weiß nicht, wer´s war und wird da
zwischen den beiden aufgerieben.
Verhindern soll das die Bundesnetzagentur. Sie soll Verbrauchern
bei fehlgeschlagenen Anbieterwechseln helfen.
O-Ton Fiete Wulff, Bundesnetzagentur:
Wir nehmen uns jedem Einzelfall an. Wir leiten diese Fälle an
die Unternehmen weiter und drängen darauf, dass hier eine
schnelle Behebung der Probleme stattfindet. Wichtigstes Ziel
ist immer, dass der Telefonanschluss des Kunden so schnell
wie möglich wieder funktioniert.
Hermann Dopfer hat da andere Erfahrungen gemacht. Er wollte
von der Telekom zu Vodafone wechseln, wo ihm für Festnetz und
Internet ein schneller DSL-50-Anschluss zugesagt wurde.
O-Ton Hermann Dopfer, Telefon-Kunde:
Am Tag der Schaltung habe ich dann am späten Nachmittag
versucht, meinen Router zu programmieren, den ich auch
von Vodafone bekommen hatte. Das ging schief, daraufhin
habe ich dann angerufen.
Vodafone erklärt ihm: Laut Netzbetreiber Telekom könne nur ein
sehr viel langsamerer Anschluss freigeschaltet werden. Doch den
will der Lehrer nicht, sein Anschluss deshalb – tot! Denn auch bei
ihm kommt die vorgeschriebene schnelle Notversorgung durch
den bisherigen Anbieter, in seinem Fall durch die Telekom, nicht
zustande. Die erklärt dazu auf Nachfrage,
Zitat:
„Eine Bitte um Weiterversorgung seitens Vodafone lag uns
nicht vor.“
Vodafone bestreitet das.
Hilfesuchend wendet sich Dopfer an die Bundesnetzagentur:
O-Ton Hermann Dopfer, Telefon-Kunde:
Ich habe dieses Onlinebeschwerdeformular ausgefüllt. Was
nutzt es, wenn die Rede ist von einer maximalen Ausfallzeit
von einem Kalendertag, wenn die Bundesnetzagentur dieses
Beschwerdeformular tagelang gar nicht bearbeitet?
Tatsächlich schickt die Behörde nur eine kurze Zwischenmeldung
bevor es nach einer Woche ohne Anschluss heißt, man könne
ihm nicht helfen.
Frontal 21 fragt bei der Bundesnetzagentur nach. Zum konkreten
Fall will man sich nicht äußern. Die Mitarbeiter hätten aber schon
häufig helfen können. Außerdem verweist der Sprecher der
Behörde auf Sanktionsmöglichkeiten.
O-Ton Fiete Wulff Bundesnetzagentur:
Die Bundesnetzagentur kann gegen Unternehmen, die ihren
Pflichten, ihren gesetzlichen Pflichten zur Sicherstellung
eines reibungslosen Anbieterwechsels nicht in
ausreichendem Maße nachkommen, Bußgelder verhängen.
Passiert ist das bislang allerdings nur bei vier Unternehmen, die
wiederholt gegen ihre gesetzlichen Pflichten verstoßen haben.
Die Bußgelder: je 75.000 Euro - von maximal 100.000.
Für Verbraucherschützer viel zu wenig, um Konzerne
abzuschrecken:
O-Ton Ralf Reichertz, Verbraucherzentrale Thüringen
Wenn ein Telekommunikationsanbieter 75.000 Euro Bußgeld
bezahlen muss, wegen Verstößen im Zusammenhang mit
´nem Anbieterwechsel, dann sind das Summen, die sie bei
einem Jahresumsatz im Milliardenbereich aus der
Portokasse bezahlen.
Verbraucherschützer fordern deshalb: Der Gesetzgeber sollte die
Bußgelder deutlich erhöhen. Das zuständige
Bundeswirtschaftsministerium sieht dafür allerdings keinen
Anlass,
Zitat:
„Eine dahingehende Anpassung des
Telekommunikationsgesetzes erscheint derzeit nicht
erforderlich.“
Das sehen Verbraucherschützer anders:
O-Ton Ralf Reichertz, Verbraucherzentrale Thüringen:
Wir haben den Eindruck, dass so mancher Anbieter mit allen
möglichen Tricks versucht, den Wechsel seiner Kunden zu
verhindern. Dass man hier versucht, mit verschiedenen
Problemen, die man beim Anbieterwechsel aufbaut, den
Kunden davon abzubringen, zu ‘nem neuen Anbieter zu
wechseln.
Auf Nachfrage bestreitet der Netzbetreiber Telekom
Behinderungen beim Anbieterwechsel. Als Vodafone im Fall
Dopfer die Leitung buchen wollte, sei kein schnellerer InternetZugang mehr verfügbar gewesen. Erst später habe es einen
solchen Anschluss wieder gegeben.
Leidtragender Dritter ist auch hier der Kunde: Erst nach zehn
Tagen bekommt Dopfer doch noch den schnellen InternetZugang - von Vodafone!
Das Problem in solchen Fällen: Die Verbraucher haben praktisch
keine Chance auf Schadenersatz, denn die Schäden sind nur
schwer zu beziffern und schwer nachzuweisen. Rechtsexperten
fordern deshalb eine Besserstellung der Verbraucher im Gesetz.
O-Ton Prof. Gerald Spindler, Multimedia- und
Telekommunikationsrecht Universität Göttingen:
Das könnte zum Beispiel dahingehend geschehen, dass die
Bundesnetzagentur für die Verbraucher als Sammelkläger
eben tätig wird. Es könnten aber auch
Verbraucherschutzverbände sein und dabei gleichzeitig die
Schadensersatzforderungen entsprechend pauschalieren
und erhöhen, damit Anreize für die
Telekommunikationsunternehmen wirklich wirksam
entstehen, solche Sachen in Zukunft zu vermeiden.
Doch auch hier mauert das Bundeswirtschaftsministerium. Ein
pauschalierter Schadensersatz sei „nicht zielführend“,
Zitat:
„Es muss berücksichtigt werden, dass sämtliche Teilnehmer
am Anbieterwechselprozess, also (…) auch der Kunde selbst,
zu Problemen beim Wechselprozess beitragen können.“
Verbraucherschützer widersprechen:
O-Ton Ralf Reichertz, Verbraucherzentrale Thüringen:
Das sowas geht, kennen wir aus anderen Rechtsgebieten zum Beispiel im Reiserecht. Hier haben wir die
Fluggastrechteverordnung, die ganz konkret regelt, wenn´s
zu großen Verspätungen oder zu Annullierungen beim Flug
gekommen ist, dass der Verbraucher gegenüber der Airline
pauschal seine Ansprüche geltend machen kann.
Die Politik redet oft von den Vorteilen des Wettbewerbs. Doch fair
ist der nur mit klaren Regeln für die Anbieter - und
durchsetzbaren Ansprüchen für die Verbraucher.
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