Martin E. P. Seligman Erlernte Hilflosigkeit Über Depression, Entwicklung und Tod Aus dem Amerikanischen von Brigitte Rockstroh. Mit einem Anhang von Franz Petermann. 1999 Beltz Verlag. Weinheim und Basel © der deutschen Ausgabe: 1992 Psychologie Verlags Union. Weinheim ISBN 3-407-22016-2 Die amerikanische Originalausgabe erschien 1975 unter dem Titel HELPLESNESS. ON DEPRESSION, DEVELOPMENT AND DEATH bei W.H. Freeman and Company, San Francisco © 1975 Martin E. P. Seligman Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, hilflos zu sein, kann weitreichende Folgen haben: Depression, Angst und schließlich Apathie. Martin Seligmans bahnbrechende Untersuchung aus dem Jahre 1974 ist ein Standardwerk der Sozialwissenschaften. »Erlernte Hilflosigkeit ist ein vielseitig anwendbares Erklärungsmodell für die Entstehung psychischer Fehlentwicklungen und ihrer Bewältigung.« Zeitschrift für Heilpädagogik Über dieses Buch: HILFLOSIGKEIT. ÜBER DEPRESSION, ENTWICKLUNG UND TOD, wie der Titel der amerikanischen Originalausgabe lautet, ist 25 Jahre nach seinem Erscheinen bereits ein Klassiker, der Eingang in verschiedenste wissenschaftliche Disziplinen gefunden hat. Martin Seligmans bahnbrechender Erklärungsansatz, wie die Erfahrung von Unkontrollierbarkeit zu Hilflosigkeit und in Folge zu Depression, Angst und Apathie führt, war Ausgangspunkt unzähliger Untersuchungen und theoretischer Erklärungsmodelle sowohl in der Entwicklungspsychologie, Sozialpsychologie und Klinischen Psychologie wie auch in der Pädagogik und Soziologie. Die Bandbreite des Modells der »Erlernten Hilflosigkeit« reicht von der Erklärung psychopathologischer Symptome bis hin zur Erforschung gesellschaftlicher Zustände wie Armut und Arbeitslosigkeit. Das Buch von Seligman, der seine Theorie anhand von anschaulichen Beispielen entwickelt, ist ein Standardwerk der Sozialwissenschaften. Im Anhang stellt Franz Petermann neue Konzepte und Anwendungen der Theorie Seligmans vor. Der Autor: Martin E. P. Seligman ist Professor für Sozialpsychologie und Klinische Psychologie an der Universität von Pennsylvania. 2 Inhaltsverzeichnis Vorwort zur amerikanischen Originalausgabe ............................................................................. 5 1 Einführung ..................................................................................................................................... 8 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 Depression ......................................................................................................................... 8 Das Sonntagskind ............................................................................................................. 8 Angst und Unvorhersehbarkeit ....................................................................................... 9 Versagen in der Kindheit ................................................................................................. 9 Plötzlicher psychosomatischer Tod .............................................................................. 10 2 Kontrollierbarkeit ...................................................................................................................... 13 3 Experimentelle Untersuchungen ........................................................................................... 20 2.1 2.2 3.1 3.2 3.3 4 4.1 4.3 4.4 21 21 23 24 27 31 33 Darstellung der Theorie ................................................................................................. 4.1.1 Motivationale Störungen ..................................................................................... 4.1.2 Kognitive Störungen ............................................................................................ 4.1.3 Emotionale Störungen ......................................................................................... Behandlung und Prävention .......................................................................................... 4.2.1 Grenzen der Hilflosigkeit .................................................................................... Alternative Theorien ....................................................................................................... 4.3.1 Inkompatible motorische Reaktionen ................................................................. 4.3.2 Adaption, emotionale Erschöpfung und Sensibilisierung ................................. Physiologische Ansätze bei der Erklärung von Hilflosigkeit ................................... 36 38 39 41 43 45 47 47 49 51 Depression ................................................................................................................................... 56 5.1 5.2 5.3 6 Hilflosigkeit untergräbt die Motivation, Reaktionen auszuführen .......................... 3.1.1 Gelernte Hilflosigkeit beim Hund ...................................................................... 3.1.2 Der triadische Versuchsplan ............................................................................... 3.1.3 Mangelnde Motivation bei verschiedenen Tierarten ......................................... 3.1.4 Allgemeingültigkeit von Hilflosigkeit unter verschiedenen situativen Bedingungen ..................................................... Hilflosigkeit beeinträchtigt die Lernfähigkeit ............................................................. Hilflosigkeit führt zu emotionalen Störungen ............................................................ Die Theorie: Heilung und Prävention .................................................................................. 36 4.2 5 Willentliche Reaktionen ................................................................................................ 14 Reaktionsunabhängigkeit und Reaktionskontingenz ................................................. 15 2.2.1 Experimente zum abergläubischen Konditionieren ........................................... 18 Formen der Depression .................................................................................................. Gelernte Hilflosigkeit als Modell der Depression ...................................................... 5.2.1 Grundregeln ......................................................................................................... 5.2.2 Symptome der Depression und der gelernten Hilflosigkeit .............................. 5.2.3 Ätiologie von Depression und gelernter Hilflosigkeit ...................................... 5.2.4 Erfolg und Depression ......................................................................................... 5.2.5 Behandlung von Depression und gelernter Hilflosigkeit .................................. 5.2.6 Prävention von Depression und gelernter Hilflosigkeit .................................... Zusammenfassung .......................................................................................................... 57 58 59 60 67 70 72 75 76 Angst und Unvorhersehbarkeit .............................................................................................. 77 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 Definition von Unvorhersagbarkeit .............................................................................. Angst und die Sicherheitssignal-Hypothese ............................................................... 6.2.1 Die Sicherheitssignal-Hypothese ........................................................................ Unvorhersagbarkeit und der Warncharakter der Furcht ............................................ Magengeschwüre ............................................................................................................ Präferenz für Vorhersagbarkeit ..................................................................................... Der Zusammenhang zwischen Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit ............... 6.6.1 Selbstverabreichung aversiver Stimulation ........................................................ 6.6.2 Vermeintliche Kontrolle ...................................................................................... Systematische Desensibilisierung und Kontrollierbarkeit ........................................ Zusammenfassung .......................................................................................................... 3 77 80 80 81 83 86 87 88 90 91 93 7 Emotionale Entwicklung und Erziehung ............................................................................ 94 7.1 7.2 7.3 8 Tod ............................................................................................................................................... 115 8.1 8.2 8.3 9 Der Entwicklungsreigen ................................................................................................ 96 7.1.1 Reafferenz ............................................................................................................ 98 Trennung von der Mutter ............................................................................................. 100 Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit in Kindheit und Jugend ........................ 105 7.3.1 Das Klassenzimmer ........................................................................................... 106 7.3.2 Armut .................................................................................................................. 110 Tod durch Hilflosigkeit bei Tieren ............................................................................. Tod durch Hilflosigkeit bei Menschen ...................................................................... 8.2.1 Hilflosigkeit in Heimen und Kliniken .............................................................. 8.2.2 Tod durch Hilflosigkeit im Alter ...................................................................... 8.2.3 Frühkindliches Sterben und anaklitische Depression ...................................... Schluß ............................................................................................................................. 117 121 125 127 128 129 Erlernte Hilflosigkeit: Neue Konzepte und Anwendungen ......................................... 131 Nachwort von Franz Petermann 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 Einleitung ....................................................................................................................... Theoretische Entwicklungen ....................................................................................... 9.2.1 Die Reformulierung von Abramson, Seligman & Teasdale ........................... 9.2.2 Die Reformulierung von Miller & Norman ..................................................... 9.2.3 Die Reformulierung seitens der Wortman-Gruppe ......................................... 9.2.4 Die Reformulierung von Abramson, Alloy & Metalsky ................................. 9.2.5 Alternativerklärungen von Hilflosigkeit .......................................................... 9.2.6 Begriffliche Unschärfen als Problem der Theoriebildung .............................. Empirische Befunde ..................................................................................................... 9.3.1 Kann man erlernte Hilflosigkeit aufheben? ..................................................... 9.3.2 Kann man gegen Hilflosigkeit immunisieren? ................................................ 9.3.3 Gibt es einen Zusammenhang zwischen Attributionsstil und Depression? ... 9.3.4 Wodurch ist Hilflosigkeit im Kindesalter bedingt? ......................................... 9.3.5 Probleme empirischer Studien .......................................................................... Anwendung und Perspektiven des Konzepts »Erlernte Hilflosigkeit« ................. Literatur zum zweiten Teil .......................................................................................... 131 133 134 138 140 143 144 147 148 148 149 150 154 156 157 159 10 Anhang ....................................................................................................................................... 169 10.1 10.2 10.3 Anmerkungen ................................................................................................................ 169 Literatur .......................................................................................................................... 180 Fremdwörter .................................................................................................................. 199 4 Vorwort zur amerikanischen Originalausgabe Es gibt verschiedene Motive, um sich mit der Psychologie zu beschäftigen. Manche sind fasziniert von der Eleganz eines einfachen Systems, andere von den Verhaltensgewohnheiten einer bestimmten Tierart, und wieder andere von der erschreckenden Möglichkeit, das Verhalten anderer Menschen kontrollieren zu können. Ich selbst habe der Psychologie mein Lebenswerk gewidmet, um eine Spezies besser zu verstehen – den Menschen. Dies mag aus dem Munde eines Lerntheoretikers und vergleichenden Psychologen ein wenig altmodisch klingen, es entspricht aber der Wahrheit. Ich habe zwar einen großen Teil meiner Zeit damit verbracht, mit anderen Spezies als dem Menschen zu arbeiten und über einfache Prozesse nachzudenken, aber ich bin auch klinischer Psychologe, der andere Menschen – im experimentellen wie im therapeutischen Rahmen – beobachtet und mit ihnen umgeht. Diese beiden Seiten meiner Arbeit – die experimentelle und die klinische – sind aufs engste miteinander verknüpft, denn ich bin davon überzeugt, daß das Verständnis anderer Spezies und einfacher Prozesse für das Verständnis komplexer Prozesse beim Menschen bedeutsam ist. Nicht nur bedeutsam – entscheidend. Dies ist ein Weg, den Inhalt dieses Buches zu beschreiben. Dieses Buch ist ein Versuch, menschliche Hilflosigkeit unter Zuhilfenahme von theoretischen Überlegungen und relevanten experimentellen Befunden in ihren vielen Aspekten zu analysieren. Fünfundsiebzig Jahre lang haben Experimentalpsychologen aus der Abgeschiedenheit ihrer Laboratorien heraus viele Versprechungen abgegeben. Sie behaupteten, daß ein Verständnis einfacher Prozesse, niederer Tierarten und hochgradig kontrollierte Experimentalsituationen schließlich auch Licht auf reale Probleme, insbesondere der menschlichen Psychopathologie, werfen würden. Ich werde im folgenden versuchen, diese Versprechen in Raten einzulösen. Da der Stoff dieses Buches zum größten Teil aus Experimenten stammt, muß ich zunächst ein paar Worte über ethische Fragen sagen. Viele der Experimente, die ich beschreiben werde, mögen besonders Naturwissenschaftlern grausam vorkommen: Tauben erhalten kein Futter, Hunde bekommen elektrische Schläge, Ratten werden in kaltes Wasser geworfen, Affenkinder werden von ihren Müttern getrennt, und alle Experimentaltiere werden ihrer Freiheit beraubt und in Käfigen gefangen gehalten. Sind solche Manipulationen ethisch vertretbar? Meiner Ansicht nach sind sie nicht nur im großen und ganzen vertretbar, sondern es wäre vielmehr unvertretbar, wenn Wissenschaftler, deren grundsätzliche Verpflichtung darin besteht, menschliche Not zu lindern, derartige Experimente unterließen. Meiner Meinung nach sollte sich jeder Wissenschaftler, der ein Tierexperiment plant, eine Frage stellen: wie wahrscheinlich ist es, daß die Schmerzen und Entbehrungen, die dieses Tier erleiden wird, eindeutig durch die dadurch erreichbare Erleichterung menschlicher Schmerzen und Entbehrungen aufgewogen wird? Lautet die Antwort »sehr wahrscheinlich«, dann ist das Experiment gerechtfertigt. Jeder, der einige Zeit mit schwer depressiven Patienten oder erwachsenen Schizophrenen verbracht hat, kann das Ausmaß ihres Leidens einschätzen; sich der Forderung, auf Tierexperimente zu verzichten, anzuschließen, hieße, das Leiden von Mitmenschen zu ignorieren. Tierexperimentelle Forschung unterlassen bedeutet, Millionen Menschen ihrem Elend zu überlassen. Viele Menschen und viele Haustiere sind heute nur deshalb noch am Leben, weil Tierexperimente mit medizinischen Zielen durchgeführt wurden. Ohne derartige Untersuchungen würde die Kinderlähmung noch heute grassieren, wären die Pocken noch immer weit verbreitet und fast immer tödlich, wären Phobien unheilbar. Was die in diesem Buch diskutierten Untersuchungen anbetrifft, so bin ich davon überzeugt, daß die gewonnenen Erkenntnisse über Depression, Ängste, plötzlichen Tod und Heilung und Prävention dieser Störungen die ihnen zugrunde liegenden Tierexperimente rechtfertigen. 5 Dieses Buch ist in zehnjähriger Arbeit entstanden. Viele haben dazu beigetragen durch ihre Mitarbeit, durch Planungsdiskussionen, durch Lehre, Ratschläge und allgemeine Unterstützung. Am leichtesten läßt sich allen danken, wenn ich chronologisch vorgehe. Von 1964 bis 1966 studierte ich als höheres Semester und Stipendiat der National Science Foundation am Psychologischen Institut der Universität von Pennsylvania. Dort lenkten Richard L. Solomon und J. Bruce Overmier mein Interesse zum ersten Mal auf das Phänomen der Hilflosigkeit. Bruce führte zusammen mit Russell Leaf die ersten Experimente durch und arbeitete in meinem ersten und seinem letzten Hochschuljahr mit mir zusammen. Während dieses Jahres begannen Steven F. Maier und ich ein dreijähriges gemeinsames Forschungsprogramm über Hilflosigkeit; wir führten die ersten bescheidenen Untersuchungen zur Hilflosigkeit durch und formulierten die ersten Ansätze der in diesem Buch vorgestellten Theorie. James Geer arbeitete zusammen mit Steve und mir über die Behandlung von Hilflosigkeit. Während dieser drei Jahre bildeten uns so viele Menschen aus, lasen so viele unsere Manuskripte und erteilten uns Ratschläge, daß ich fürchte, einige Namen vergessen zu haben. Unter ihnen waren vor allem Francis Irwin, Robert Rescorla, J. Brooks Garder, Henry Gleitman, Vincent LoLordo, Frank Norman, Joseph Wolpe, Arnold Lazarus, Jack Catlin, Lynn Hammond, David Williams, Morris Viteles, Nicholas MacKintosh, Elijah Lovejoy, Phillip Teitelbaum, Larry Stein, J. Paul Brady, Julius Wishner, Martin Orne, Peter Madison, Joseph Bernheim, Lucy Turner, Jay Weiss, Vivian Paskal, Paul Rozin, Justin Aronfreed, Albert Pepitone, und dann vor allem Richard Solomon, der meine Dissertation betreute. Von 1967 bis 1969 lehrte ich an der Cornell Universität und führte weitere Experimente zur Hilflosigkeit durch. In dieser Phase waren vor allem Studenten meine wichtigsten Mitarbeiter und Anreger; unter ihnen Robert Radford, Dennis Groves, Suzanne Johnson Taffel, Bruce Taffel, James C. Johnston, Susan Mineka, Charles Ives, Dorothy Brown, Irving Faust, Leslie Schneider, Anne Roebuck, Bruce Meyer, Joanne Hager, Chris Risley, Charles Thomas, Marjoric Brandriss, Ron Hermann, Richard Rosinski und Martha Zaslow. Andere, die mit mir diskutierten, Ratschläge erteilten oder Manuskripte lasen, waren Steve Jones. Ulric Neisser, Harry Levon, Fred Stollnitz, Bruce Halpem, Carl Sagan. Steve Emlen, Randy Gallistel, Jerome Bruner, David Thomas, Henry Alker, Abe Black, F. Robert Brush, Russel Church, Byron Campbell, Eric Lenneberg und Neal Miller. Viele Gedanken für dieses Buch haben in Gesprächen mit diesen Mitarbeitern oder in gemeinsamer Arbeit ihren Ursprung gehabt. Bis 1970 wurden meine Untersuchungen vom Public Health Service, MH 16546, finanziell unterstützt. Meine Schüler überzeugten mich, daß unsere Experimente für klinische Probleme von sehr großer Bedeutung seien, vor allem für Depression und Ängste. Sie bedrängten mich sehr, aus erster Hand Erfahrungen mit Patienten und mit psychopathologischen Störungen zu sammeln. Also ließ ich mich 1970 von der Cornell Universität beurlauben, um an der psychiatrischen Abteilung der Universität von Pennsylvania zu arbeiten. Aaron T. Beck und Albert J. Stunkard haben mich am meisten unterstützt; sie waren aber auch Lehrer und Anreger. In diesem Jahr habe ich eine Menge über psychopathologische Störungen gelernt; und eigentlich habe ich damals auch richtig begonnen, dieses Buch zu schreiben. Zu meinen Lehrern und Ratgebern gehörten Dean Schuyler, James Stinnet, Igor Grant, Ellen Berman, J. Paul Brady, Burton Rosner, Reuben Krone, Joseph Mendels, Alan Frazer, Lester Luborsky, Tom Todd, Henry Bachrach, Rochel Gelman, Peter Brill und Stephanie und Jim Cavanaugh. Von 1970 an wurde meine Arbeit vom Public Health Service, HM 19604, unterstützt. Mein Dank gilt auch Louise Harper für ihre finanzielle Unterstützung in den Jahren 1970 und 1971. 1971 kehrte ich glücklich auf Dauer an das Psychologische Institut der Universität von Pennsylvania zurück. Hier erhält man praktisch dauernd Anregungen, so daß ich kein Mitglied des Instituts nennen könnte, von dem ich nicht profitiert hätte. Meine Studenten und Mitarbeiter während der letzten vier Jahre waren Glückstreffer: William Miller, 6 Yitzchak Binik, David Klein, Donald Hiroto, Robert Rosellini, Lyn Abramson, Linda Cook, Gwynneth Beagley, Robert Hannum, Peter Rapaport, James C. Johnston, Susan Mineka, Lisa Rosenthal, Michael Gurtman, Larry Clayton, Diana Strange, Michael Kozak, Harold Kurlander, Ellen Fencil, Martha Stout und Sherry Fine. Nützlichen Rat und Hilfe bei der Formulierung von Gedanken dieses Buches gaben Alan Kors, Judy Rodin, Jerre Levy, T. George Harris, Joyce Fleming, Ed Banfield, Robert Nozick, Mark Adams, Gerald Davison, Maj. F. Harold Kushner, Barry Schwartz, Elkan Gamzu, Michael Parrish, Kayla Friedman, Kate O’Hare, Janet Greenberg, David Rosenhan, Mike D’Amato, Perrin Cohen, Alan Teger und Debby Kemler. W. Hayward Rogers von W. H. FREEMAN UND CO. und Lawrence Erlbaum von Lawrence Erlbaum Associates sind die Verleger, die mich ermutigten, das Manuskript in der vorliegenden Form zu schreiben. Ich erhielt sehr hilfreiche Kommentare zum gesamten Manuskript von Barry Schwartz, Phil Zimbardo, Jonathan Freedman und Edward Banfield; ihnen gilt mein besonderer Dank. Großen Dank schulde ich auch Andrew Kudlacik von W. H. FREEMAN UND CO., der das Manuskript herausgab. Und nicht zuletzt haben Victoria Raybourne, Dorothy Lynn, Marguerite Wagner, Nancy Sawnhey, Lynn Brehm, Carolin Suplee und Deborah Muller in den letzten Jahren geduldig und sorgfältig die Schreibarbeiten erledigt. Ein Mensch – meine Frau Kerry – hat jedes Wort in diesem Buch mehrmals gelesen und vieles neu geschrieben. Ihre Unterstützung, ihre Anregungen und ihr Vertrauen während der zehn Jahre, in denen dieses Buch entstand, würdige ich mehr als ich sagen kann. Die Liebe meiner Mutter Irene und meiner Kinder Amy und David, die mich manchmal ganz schön ablenkte, machte das Ganze dennoch angenehmer. August 1974 Martin E. P. Seligman 7 1 Einführung 1.1 Depressionen Kürzlich bat mich eine Frau mittleren Alters um psychotherapeutische Behandlung. Jeder Tag, so sagte sie, sei ein einziger Kampf, nur um gerade so über die Runden zu kommen. An schlechten Tagen bringe sie es nicht einmal fertig, aus dem Bett aufzustehen, und wenn ihr Ehemann abends nach Hause komme, sei sie noch im Schlafanzug und habe kein Essen vorbereitet. Sie weine sehr viel; selbst Phasen besserer Stimmung würden von Gedanken an Versagen und Wertlosigkeit unterbrochen. Kleine, alltägliche Beschäftigungen wie Einkaufen oder Ankleiden kämen ihr sehr schwierig vor, und jedes kleinste Hindernis erscheine ihr wie eine unüberwindliche Barriere. Als ich sie darauf hinwies, daß sie eine gutaussehende Frau sei, und ihr vorschlug, sich ein neues Kleid zu kaufen, antwortete sie: »Das ist einfach viel zu schwer für mich. Ich müßte mit dem Bus durch die Stadt fahren und würde mich wahrscheinlich verirren. Selbst wenn ich tatsächlich zu dem Geschäft hinfände, so würde ich ja doch kein passendes Kleid finden. Was würde das Ganze letztlich auch bringen, ich bin doch wirklich so unattraktiv«. Sie geht und spricht langsam, und ihr Gesicht sieht traurig aus. Bis zum letzten Herbst war sie lebhaft und aktiv gewesen, war Vorsitzende des Elternbeirats in ihrem Vorort, eine charmante Gastgeberin, Tennisspielerin und Hobbydichterin. Dann geschah zweierlei: ihre Zwillingssöhne kamen aufs College und gingen damit zum ersten Mal von zu Hause fort, und ihr Mann wurde innerhalb seiner Firma auf eine Position mit größerem Verantwortungsbereich befördert, eine Position, die ihn häufiger von zu Hause fernhielt. Jetzt grübelt sie darüber nach, ob ihr Leben überhaupt noch lebenswert sei, und hat bereits mit dem Gedanken gespielt, den Inhalt ihrer Flasche Antidepressiva auf einmal zu schlucken. 1.2 Das Sonntagskind Nancy kam mit einem glänzenden Abgangszeugnis von der Oberschule an die Universität. Sie war Klassensprecherin gewesen und ein beliebter und hübscher Cheerleader. Alles was sie wollte, war ihr stets in den Schoß gefallen; sie erzielte ohne Mühe gute Noten, und die jungen Männer traten sich gegenseitig auf die Füße im Wettstreit um ihre Gunst. Sie war das einzige Kind ihrer Eltern; diese waren vernarrt in sie und beeilten sich, ihr jeden Wunsch zu erfüllen; Nancys Erfolge erlebten sie als ihren Triumph, Mißerfolge bereiteten ihnen Seelenqualen. Freunde gaben Nancy den Spitznamen »Sonntagskind«. Als ich Nancy in ihrem zweiten Studienjahr kennenlernte, war sie kein Sonntagskind mehr. Sie sagte, daß sie sich ganz leer fühle, daß sie alles unberührt lasse; ihre Kurse wären langweilig, und das ganze akademische System käme ihr wie eine tyrannische Verschwörung vor, um ihre Kreativität zu ersticken. Im vergangenen Semester hatte sie zweimal die Note »Sechs« bekommen. Sie hatte »es« mit einer ganzen Reihe von jungen Männern »gemacht« und lebte derzeit mit einem Gammler zusammen. Nach jedem sexuellen Kontakt fühlte sie sich ausgenutzt und wertlos; ihre derzeitige Beziehung hatte einen Tiefpunkt erreicht, und sie fühlte wenig mehr als Verachtung gegenüber ihrem Freund und gegenüber sich selbst. Sie hatte ausgiebig leichte Rauschmittel genommen und es anfangs auch genossen, von ihnen fortgetragen zu werden. Aber jetzt hatten selbst Drogen geringe Anziehungskraft. Sie hatte als Hauptfach Philosophie belegt und fühlte sich in stark emotional gefärbter Weise vom Existentialismus angezogen: sie war wie die Existentialisten davon über8 zeugt, daß das Leben absurd sei und daß die Menschen selbst ihrem Leben einen Sinn geben müßten. Diese Überzeugung erfüllte sie mit Verzweiflung. Ihre Verzweiflung wuchs noch, als sie ihre eigenen Bemühungen, ihrem Leben einen Sinn zu geben – durch die Teilnahme an den Aktionen für Frauenemanzipation und gegen den Vietnamkrieg – als fruchtlos wahrnahm. Als ich sie darauf hinwies, daß sie doch eine begabte Studentin gewesen war und immer noch ein attraktiver und wertvoller Mensch sei, brach sie in Tränen aus: »Also habe ich Sie auch getäuscht«. 1.3 Angst und Unvorhersagbarkeit Während ich diese Zeilen schreibe, ist zwischen den Leserzuschriften im Reiseteil der Sonntagsausgabe der New York Times eine Debatte in vollem Gange.1 Sie mag manchem wie ein Sturm im Wasserglas vorkommen, ist aber zufällig von beträchtlicher theoretischer und praktischer Bedeutung. Eine Mrs. Samuels war Passagier an Bord einer Boeing 747 gewesen, die von Los Angeles nach New York flog; sie wandte sich mit einer Klage an die Times. Über den Rocky Mountains – sie wartete gerade darauf, daß das Mittagessen serviert würde – wurde den Passagieren mitgeteilt, daß man aus »technischen Gründen« eine nicht eingeplante Zwischenlandung in Chicago einschieben müsse. Einige Minuten später meldete sich der Pilot noch einmal: »Einige der Passagiere möchten gerne darüber aufgeklärt werden, was ›technische Gründe‹ wirklich bedeutet. Einer der Motoren ist ausgefallen, so daß eine Zwischenlandung aus Sicherheitsgründen angezeigt ist. Natürlich könnte das Flugzeug auch mit nur zwei Motoren bis New York weiterfliegen«. Mrs. Samuels berichtete, daß die Aufregung beträchtlich gewesen sei und meinte, daß man die Passagiere, die ja nun einmal dafür bezahlten, Entscheidungen dem Piloten zu überlassen, über ihre Lage hätte im Dunkeln lassen sollen; sie konnten ohnehin nichts an der Situation ändern außer einen erhöhten Blutdruck zu bekommen. Mrs. Samuels schloß mit der Frage: »Wie viele Leser denken wie ich über die freiwillige Offenheit des Piloten – wenn das Flugzeug wirklich nicht in Schwierigkeiten war, wie behauptet wurde? Und wie viele meinen andererseits, daß ihre Grundrechte verletzt werden, wenn sie überhaupt nichts erfahren?«. Es ist interessant, daß die meisten Leser, die auf Mrs. Samuels Frage antworteten, die volle Wahrheit erfahren wollen, wenn es Schwierigkeiten gibt. 1.4 Versagen in der Kindheit Victor ist ein neunjähriger Junge von außergewöhnlicher Intelligenz – zumindest denken seine Mutter und seine Freunde so. Sein Lehrer – Victor geht in die dritte Klasse einer rein schwarzen Grundschule in Philadelphia – ist gänzlich anderer Meinung. Zu Hause ist Victor lebendig, schlagfertig, gesprächig und geht aus sich heraus. Bei seinen Spielkameraden auf der Straße ist er der anerkannte Führer. Er ist zwar etwas kleiner als seine Spielkameraden, doch machen sein Charme und seine Phantasie seine geringe Körpergröße mehr als wett. Im Klassenzimmer ist Victor jedoch ein Problem. Er tat sich bereits schwer, als im Kindergarten und in der ersten Klasse der Leseunterricht begann. Er bemühte sich zwar, war aber einfach nicht fähig, die Verbindung zwischen dem Wort auf dem Papier und dem gesprochenen Wort herzustellen. Zunächst übte er fleißig, machte aber keine Fortschritte; er meldete sich oft, aber seine Antworten waren durchweg falsch. Je häufiger er versagte, um so widerwilliger versuchte er es von neuem; er beteiligte sich immer weniger am Unterricht. Im zweiten Schuljahr machte er im Musikund Kunstunterricht lebhaft mit, verstummte aber stets, wenn es ans Lesen ging. Sein Lehrer erteilte ihm eine Weile zusätzlichen Unterricht, aber beide gaben bald auf. Zu diesem Zeitpunkt wäre Victor vielleicht fähig gewesen zu lesen, aber der bloße Anblick eines Wortkärtchens oder einer Fibel löste bei ihm trotziges Schweigen oder einen Wut9 anfall aus. Diese Haltung dehnte sich langsam auf den gesamten Schultag aus. In seinen Stimmungen schwankte er zwischen Mutlosigkeit und Widerspenstigkeit. Dann ereignete sich im vergangenen Sommer etwas Erstaunliches. Zwei Psychologen einer nahegelegenen Universität kamen in die Schule, um einigen »lernschwierigen« Kindern das Lesen beizubringen. Natürlich wurde Victor mit einbezogen; wie gewöhnlich machte er keine Fortschritte. Schon der Anblick eines an die Tafel geschriebenen Satzes versetzte ihn in eine seiner Launen. Daraufhin versuchten die Wissenschaftler etwas anderes: sie schrieben ein chinesisches Schriftzeichen an die Tafel und sagten dazu, dies heiße »Messer«. Victor lernte es sofort; dann schrieben sie das Zeichen für »scharf« auf. Auch das lernte er. Innerhalb von wenigen Stunden las Victor in chinesische Schriftzeichen »kodierte« englische Sätze und kurze Abschnitte. Inzwischen ist der Sommer vorüber, und die Wissenschaftler sind an die Universität zurückgekehrt. Victor verfügt über einen Wortschatz von 150 Schriftzeichen, kann aber weder Englisch lesen noch schreiben. Er macht noch mehr Schwierigkeiten in der Schule, und sein neuer Lehrer hält ihn für geistig behindert. 1.5 Plötzlicher psychosomatischer Tod 1967 kam eine Frau kurz vor ihrem 23. Geburtstag völlig aufgelöst ins Städtische Krankenhaus von Baltimore gelaufen und bat um Hilfe. Sie und zwei andere Mädchen hatten, wie es schien, verschiedene Mütter, waren aber bei derselben Hebamme an einem Freitag, dem 13., im Okefenokee-Sumpf zur Welt gekommen. Die Hebamme hatte alle drei Babys verflucht und prophezeit, daß die eine vor ihrem 16. Geburtstag, die zweite vor ihrem 21. Geburtstag und die dritte vor ihrem 23. Geburtstag sterben würde. Die erste war mit 15 Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen; die zweite war am Abend vor ihrem 21. Geburtstag bei einer Schlägerei in einem Nachtclub versehentlich erschossen worden. Nun wartete die dritte voller Entsetzen auf ihren eigenen Tod. Die Klinik nahm sie etwas skeptisch zur Beobachtung auf. Am nächsten Morgen, zwei Tage vor ihrem 23. Geburtstag, wurde sie tot in ihrem Klinikbett aufgefunden – ohne erkennbare organische Todesursache.2 Was haben nun alle diese Beispiele gemeinsam? Sie alle veranschaulichen Aspekte menschlicher Hilflosigkeit. Wenn der Leser sie nach der Lektüre dieses Buches besser versteht, habe ich mein Ziel erreicht. Um das Grundgerüst des Buches deutlich zu machen, folgt nun eine Zusammenfassung der Zielsetzung und Schlußfolgerungen der einzelnen Kapitel. Um sich mit Problemen wie dem plötzlichen Tod und Depression, mit Ängsten und mit der Vorhersagbarkeit von Gefahren, mit Mißerfolgserlebnissen in der Kindheit und mit der Entwicklung der Motivation auseinandersetzen zu können, muß der Leser zunächst jene Konzepte beherrschen, die zum Verständnis von Hilflosigkeit notwendig sind. Im nachfolgenden Kapitel werden die Begriffe der Hilflosigkeit und Unkontrollierbarkeit definiert, analysiert und zu lerntheoretischen Konzepten in Beziehung gesetzt. Wenn der zu behandelnde Gegenstand definiert ist, werden dem Leser im dritten Kapitel beispielhaft Experimente zur Hilflosigkeit vorgestellt. Laborexperimente zur Hilflosigkeit führen zu drei Störungen oder Defiziten: die Motivation zu reagieren wird untergraben, es wird langsamer gelernt, daß eigene Reaktionen Konsequenzen bewirken, und es kommt zu emotionalen Störungen, vor allem zu Depression und Ängsten. In Kapitel 4 stelle ich eine einheitliche Theorie vor, die die motivationalen, kognitiven und emotionalen Störungen integriert, die in den zugrunde liegenden Experimenten zur Hilflosigkeit beobachtet wurden. Darüber hinaus lassen sich aus dieser Theorie Ansätze 10 für Heilung und Prävention der Hilflosigkeit ableiten. Der Leser wird erfahren, auf welche Weise die Theorie bisher überprüft wurde und kann alternative psychologische Theorien der Hilflosigkeit sowie einige physiologische Ansätze durchdenken. Dieses Kapitel vervollständigt konzeptuelle und experimentelle Grundlagen, die es dem Leser ermöglichen, in der zweiten Hälfte des Buches Phänomene wie Depression, Ängste, die Entstehung motivierten Verhaltens und plötzlichen psychosomatischen Tod genau zu analysieren. Das fünfte Kapitel handelt von depressiven Reaktionen bei Menschen und diskutiert Parallelen zwischen diesen depressiven Reaktionen bei Menschen in ihrer natürlichen Umgebung und der im Laboratorium induzierten Hilflosigkeit, die sich sowohl aus Beobachtungen als auch aus experimentellen Ergebnissen zwingend ergeben. In diesem Kapitel wird eine Theorie der Depression vorgestellt und Möglichkeiten zu Heilung und Prävention von Depression aufgezeigt. Vor dem Hintergrund dieser Theorie drängen sich mir einige spekulative Überlegungen zu Depressionen bei unserer »jeunesse dorée« auf, und ich behaupte, daß eine Kindheit, in der man alle begehrenswerten Dinge im täglichen Leben unabhängig vom eigenen Verhalten erhält, zu depressiven Reaktionen im Erwachsenenalter führen kann, weil man weitgehend unfähig ist, Streß zu bewältigen. Angstreaktionen, die durch Unkontrollierbarkeit und Unvorhersagbarkeit verursacht werden, sind Thema des sechsten Kapitels. Unkontrollierbarbarkeit und Unvorhersagbarkeit sind unmittelbar miteinander verwandt. Unvorhersagbarkeit wird im sechsten Kapitel definiert und zu den vorausgegangenen Diskussionen über Hilflosigkeit in Beziehung gesetzt. Im allgemeinen wird Vorhersagbarkeit gegenüber Unvorhersagbarkeit vorgezogen. Streß und Angst sind beträchtlich größer, wenn Ereignisse unvorhersagbar eintreten, und geringer, wenn die Ereignisse vorhersagbar sind; und das Verhalten von Mensch und Tier kann durch Unvorhersagbarkeit ernsthaft gestört werden; z.B. kommt es unter Panik und Schrecken vermehrt zur Bildung von Magengeschwüren. In einem theoretischen Rahmen wird das Bedürfnis nach Sicherheit zu den Auswirkungen von Unvorhersagbarkeit in Beziehung gesetzt, und diese Theorie wird mit alternativen theoretischen Annahmen verglichen. Der Leser wird dann in der Lage sein, diese Theorie in Verbindung mit seinem Wissen über Hilflosigkeit auf die Frage anzuwenden, was bei der Behandlung von Angstreaktionen eigentlich abläuft. Die systematische Desensibilisierung ist eine überaus wirksame Methode zur Behandlung neurotischer Angstreaktionen; ich möchte diese Form der Verhaltenstherapie im Kontext einer »SicherheitssignalHilflosigkeit«-These erklären. In Kapitel 5 und 6 werden Unvorhersagbarkeit und Unkontrollierbarkeit zu Zuständen (states) reaktiver Depression und Angst in Beziehung gesetzt. Welches sind nun aber die langfristigen Auswirkungen von Hilflosigkeit, Auswirkungen also, die sich in Persönlichkeitsmerkmalen (traits) niederschlagen? Das Kind beginnt sein Leben in einem Zustand der Hilflosigkeit und lernt dann, die wichtigsten Ereignisse in seiner Welt zu kontrollieren. Kapitel 7 untersucht die Auswirkungen von Unvorhersagbarkeit und Unkontrollierbarkeit auf die emotionale und motivationale Entwicklung von Kindern. Der Leser wird angeleitet, aus der Perspektive der vorgeschlagenen Theorie der Hilflosigkeit eine Reihe von Phänomenen zu betrachten: den Hospitalismus, das Verhalten von jungen Affen, die von ihren Müttern getrennt werden, das Verhalten junger Katzen, die asynchrone Rückmeldung erfahren, die Entwicklung des Selbstwertgefühls, die Auswirkungen von Überbevölkerung und das Schulversagen. Begriffe wie Ich-Stärke und Kompetenz werden mit der Bewältigung bzw. Kontrolle von Ereignissen in Beziehung gesetzt; ich werde die Hypothese aufstellen, daß das Zusammentreffen, die Kontingenz von Reaktion und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für eine gesunde Entwicklung entscheidend ist. Ich werde ferner die Zusammenhänge zwischen Hilflosigkeit 11 und Armut untersuchen und spekulative Überlegungen über die Beziehung zwischen der Erfahrung eigener Kontrolle und dem Erleben von Freiheit formulieren. Hilflosigkeit spielt nicht nur bei mißerfolgsorientierter oder mangelnder Motivation in früher Kindheit eine Rolle, sondern entfaltet gerade am Lebensende einige ihrer dramatischsten Wirkungen. Durch Hilflosigkeit hervorgerufener, plötzlicher psychosomatischer Tod ist Thema des achten und letzten Kapitels. Ich werde dort die Hypothese aufstellen, daß Hilflosigkeit häufige Ursache plötzlichen, unerwarteten Sterbens bei Tier und Mensch ist. Der Leser wird in diesem Kapitel mit dem Voodoo-Tod bei Einwohnern der Karibischen Inseln bekannt gemacht, mit dem Tod von Kakerlaken durch Unterwerfung, mit Todesfällen, die die moderne Organisation in Altersheimen bedingt, mit anaklitischen Depressionen und durch Hospitalismus verursachten Tod von Kindern, mit dem plötzlichen Ertrinken wilder Ratten und der hohen Sterblichkeitsrate bei Tieren, die in Zoologischen Gärten leben. Unkontrollierbarkeit – wie in Kapitel 2 definiert – könnte den Kern dieser ebenso eigenartigen wie realen Phänomene darstellen. Die Theorie, die zuerst zur Erklärung der experimentellen Befunde und dann zum Verständnis von Erscheinungen im täglichen Leben herangezogen wird, entstand aufgrund tierexperimenteller Studien. Dieses Buch ist analog aufgebaut. Die zweite Hälfte des Buches bedient sich der Konzepte und Experimente, die in der ersten Hälfte entwickelt wurden, um alltägliche, wirklichkeitsnahe Probleme wie Depression, Angst, Motivationsverlust und plötzlichen Tod zu erklären. 12 2 Kontrollierbarkeit Hilflosigkeit ist der psychologische Zustand, der häufig hervorgerufen wird, wenn Ereignisse unkontrollierbar sind. Was heißt nun, ein Ereignis ist unkontrollierbar? Welchen Stellenwert hat Kontrolle im Leben von Organismen? Unsere spontanen Ideen sind ein guter Ausgangspunkt: ein Ereignis ist unkontrollierbar, wenn wir nichts daran ändern können, wenn nichts von dem, was wir tun, etwas bewirkt. Untersuchen wir unsere Idee anhand einiger Beispiele. Dies ermöglicht es mir, präzise zu definieren, was Unkontrollierbarkeit ist und eine Vielfalt von Phänomenen – einige zu unserer Überraschung – als Beispiele für Hilflosigkeit erkennen. Ihre fünfjährige Tochter kommt aus dem Hinterhof ins Haus. Sie weint, und Blut läuft ihr am Bein hinunter. Als erfahrene Eltern mit oberflächlichen Kenntnissen in erster Hilfe werden Sie sie zuerst einmal in den Arm nehmen und mit einigen tröstenden Worten beruhigen. Dann werden Sie den Schmutz vom Knie waschen und dabei eine mittelgroße Wunde freilegen; Sie werden die Wunde säubern und die Blutung mit einer Kompresse stillen. Während Sie damit beschäftigt sind, fängt Ihre Tochter wieder an zu schluchzen; also erzählen Sie, um ihre Ängste zu stillen, wie Sie sich selbst mit sechs Jahren in den Arm geschnitten haben. Das Schluchzen hört bald auf. Sie tragen etwas Antiseptikum auf und legen einen Verband an. Ihr kleines Mädchen ist wieder fröhlich, und die Blutung hat aufgehört. Beachten Sie bei diesem kleinen Beispiel, wie oft Sie aktiv Kontrolle über das Problem Ihres Kindes ausgeübt haben. Durch Ihre Aktionen haben Sie es beruhigt; durch Säubern und Verbinden der Wunde taten Sie alles für eine rasche Heilung. Bei alledem linderten Sie gekonnt die Ängste Ihres Kindes und linderten den Schmerz, indem Sie ihm eine Geschichte erzählten. Ohne Ihre Intervention wäre alles viel schlimmer gewesen. Nun stellen Sie sich vor, das Ganze hätte sich so entwickelt: Sie wachen in der Nacht vom lauten Weinen Ihrer Tochter auf: sie hat hohes Fieber, ihr Bein ist angeschwollen und rote Streifen gehen von der Wunde aus. Sie bringen sie sofort in die Ambulanz eines Krankenhauses, müssen dort aber drei Stunden lang warten, während Schwestern, Pfleger und Ärzte vorbeilaufen, ohne Sie zu beachten. Ihr kleines Mädchen wimmert und schwitzt. In Ihrer Verzweiflung halten Sie einen vorbeigehenden Medizinalassistenten fest und versuchen, ihm Ihr Problem zu schildern. Er hört Ihnen nicht zu und sagt nur, indem er weiter eilt, Sie müßten Geduld haben. Dann gehen Sie zur Anmeldung. Dort stellt sich heraus, daß die Formulare, die Sie gleich bei Ihrer Ankunft ausgefüllt hatten, verlegt worden sind; Sie müssen also neue ausfüllen. Um sieben Uhr morgens endlich holt ein Arzt Ihre kleine Tochter in den Untersuchungsraum; eine halbe Stunde später ist sie zurück. Der Arzt sagt Ihnen nur, er habe ihr eine Spritze gegeben und eilt ohne weitere Erklärung zu seinem nächsten Patienten. Nach wenigen Stunden erholt sich Ihr Kind. Bei dieser Variante des Beispiels waren die meisten Ihrer Aktionen ohne Belang. Das Klinikpersonal schenkte Ihrer Not keine Beachtung, verschlampte die Formulare und ignorierte Ihre Bitten um eine Erklärung; Ihr Kind erholte sich ohne Ihr Zutun. Der Verlauf der Ereignisse war unkontrollierbar, der Ausgang unabhängig von Ihren willentlichen Handlungen. In diesem letzten Satz steckt bereits eine klare Definition von Unkontrollierbarkeit. Die entscheidenden Begriffe sind willentliche Reaktionen (voluntary response) und Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz (response-outcome independence); beide Begriffe sind eng miteinander verknüpft. 13 2.1 Willentliche Reaktionen Pflanzen und die meisten niederen Tiere können über Dinge in ihrer Umgebung keine Kontrolle ausüben; sie reagieren nur auf sie. Die Wurzeln der Tulpe reagieren, indem sie vom Licht weg wachsen, der Stengel wächst zum Licht hin. Eine Amöbe reagiert auf ein Stück Nahrung, indem sie es mit ihren Pseudopodien einfängt und es umfließt. Warum bezeichne ich derartige Bewegungen als Reaktionen und nicht als willentliche Reaktionen? Warum kann man nicht sagen, daß diese Bewegungen bestimmte Ereignisse in der Umgebung des Organismus kontrollieren? Was diesen Bewegungen fehlt, ist die Fähigkeit zur Veränderung, ist Plastizität. Sie ändern sich nicht, wenn sich die Kontingenz, d.h. die Beziehung zwischen der Bewegung und ihren Konsequenzen ändert, denn sie sind an Stimuli gebunden, die sie hervorrufen. Würde man z.B. in einem Experiment die Kontingenzen umkehren, also eine Amöbe nur dann füttern, wenn sie die Nahrung nicht zu umfließen vermochte, so könnte die Amöbe ihr Verhalten doch nicht ändern, auch wenn sie wiederholt keine Nahrung erhielte. Ähnlich würde es in keinem Experiment gelingen, die Wurzeln einer Tulpe nach oben wachsen zu lassen, indem man ihr nur dann Wasser gibt, wenn sie nach oben wachsen. Kurz, ich möchte nur solche Reaktionen als willentliche Handlungen3 bezeichnen, die durch Belohnung oder Bestrafung modifiziert werden können. Kennzeichen dieser Reaktionen ist, daß wir sie häufiger ausführen, wenn wir für sie belohnt werden, und sie bleiben lassen, wenn wir für sie bestraft werden. Reaktionen, die wir unabhängig von Belohnung oder Bestrafung ausführen, werden als Reflexe, blinde Reaktionen, Instinkte oder Tropismen bezeichnet. Wenn ich im nächsten Satz das Wort »pickle« schreibe, dann tue ich das willentlich; wenn Sie mir eine Million Dollar dafür geben. daß ich das Wort »pickle« schreibe, so werde ich dies sicherlich tun – und ich könnte es noch zwei oder dreimal schreiben, damit das Maß voll wird. Wenn Sie mir einen starken elektrischen Schlag versetzen, wenn ich »pickle« schreibe, dann wird das Wort »pickle« nicht mehr erscheinen. Dagegen zieht sich die Pupille im Auge unwillkürlich zusammen, wenn Licht auf sie fällt. Auch wenn Sie mir eine Million Dollar für den Fall versprechen, daß sich meine Pupille bei Lichteinfall nicht verengt, wird sie sich kontrahieren.4 Willentliche Reaktionen stellen den zentralen Gegenstand eines bedeutenden Ansatzes der Lerntheorien dar, den E. L. Thorndike begründete und B. F. Skinner entwickelt und bekanntgemacht hat: den Ansatz der operanten Konditionierung. Auch wenn die Details dieses Forschungssektors dem Studenten mysteriös erscheinen mögen, so ist die der Theorie zugrundeliegende Prämisse doch einfach: die Vertreter der operanten Konditionierung glauben, daß sie die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten willentlichen Handelns aufdecken können, indem sie die Gesetzmäßigkeiten desjenigen Verhaltens erforschen, das sich durch Belohnung oder Bestrafung verändern läßt – instrumentell oder »operant« werden diese Verhaltensweisen genannt, weil sie auf ihre Umgebung wirken (i.e. »operate« on the environment). Der Begriff der operanten Reaktion ist für meine Definitionsansätze von Bedeutung, und zwar nicht nur, weil mich Ratten, die für Futter auf Hebel drücken, und Tauben, die für Körner auf Tasten picken, an sich schon faszinieren, sondern weil dieser Begriff sehr gut mit dem übereinstimmt, was ich unter willentlichem Handeln verstehe. Wenn ein Organismus keine operante Reaktion ausführen kann, die Einfluß auf ihre Konsequenz hat, so möchte ich diese Konsequenz als unkontrollierbar bezeichnen. Die Vertreter der operanten Konditionierung untersuchen also willentliche Reaktionen; der andere bedeutsame Ansatz innerhalb der Lerntheorien – die Pavlovsche oder klassische Konditionierung – befaßt sich dagegen ausschließlich mit Reaktionen, die nicht willentlich ausgeführt werden. In einem typischen Experiment zur Pavlovschen Konditionierung hört eine Versuchsperson einen Ton, dem ein kurzer, schmerzhafter elektri14 scher Schlag folgt. Der Ton wird als konditionierter Stimulus (CS), der Schlag als unkonditionierter Stimulus (US) bezeichnet. Die durch den Schlag ausgelöste Schmerzreaktion wird unkonditionierte Reaktion (UR) genannt. Wenn die Versuchsperson einmal gelernt hat, den Schlag zu antizipieren, wird sie schwitzen und Herzklopfen bekommen, sobald sie den Ton hört. Diese Erwartungsreaktion nennt man konditionierte Reaktion (CR). Nun sollte man unbedingt beachten, daß konditionierte Reaktionen keine Kontrolle auf den elektrischen Schlag ausüben können; das Individuum erhält ihn unabhängig davon, ob es schwitzt oder nicht. Was ein Pavlovsches Experiment zu einem Pavlovschen macht und es von einem Experiment zur operanten Konditionierung unterscheidet, ist genau genommen Hilflosigkeit. Keine Reaktion, sei sie konditioniert oder irgendwie anders gelernt, kann den CS oder den US verändern. In einem Experiment zur operanten Konditionierung muß dagegen stets eine Reaktion gegeben sein, die belohnt wird oder Bestrafung reduziert. Mit anderen Worten: das Individuum erlernt beim instrumentellen Lernen eine Reaktion, die die Konsequenzen kontrolliert; im Pavlovschen Experiment dagegen ist es hilflos. 2.2 Reaktionsunabhängigkeit und Reaktionskontingenz Eine willentliche Reaktion ist eine Reaktion, deren Auftretenswahrscheinlichkeit zunimmt, wenn sie belohnt wird, und sinkt, wenn sie bestraft wird. Wenn aber eine Reaktion explizit belohnt oder bestraft wird, dann liegt es auf der Hand, daß ihre Konsequenz von der Reaktion abhängig ist. Was Reaktionsunabhängigkeit und Reaktionsabhängigkeit aber genau bedeuten, ist eine der tiefgreifendsten Fragen der modernen Lerntheorie. Es liegt natürlich nahe, daß die Lerntheorie zunächst mit den einfachsten Prämissen über das Lernen begann. Welcher Art Beziehungen zwischen Handlungen und Effekten können Tier und Mensch erlernen? Die erste Antwort auf diese Frage war ziemlich unflexibel: Lernen findet nur dann statt, wenn ein Organismus eine Reaktion ausführt, der unmittelbar eine Belohnung oder eine Bestrafung folgen. Sie betreten z.B. jeden Tag um neun Uhr morgens die Eingangshalle Ihres Bürogebäudes; innerhalb der nächsten dreißig Sekunden drücken Sie auf den Fahrstuhlknopf, und der Fahrstuhl kommt, wenn die dreißig Sekunden abgelaufen sind. Dies läuft mit absoluter Sicherheit jeden Tag ab. Dieses einfache Zusammentreffen von Reaktion und Konsequenz – als kontinuierliche Verstärkung bezeichnet – ist nur eine der vielen möglichen Kontingenzen, die gelernt werden; Sie lernen auch, wenn auf eine Reaktion hin überhaupt nichts geschieht. Z.B. drücken Sie eines Tages auf den Fahrstuhlknopf, aber der Fahrstuhl kommt nicht (vielleicht ist der Strom ausgefallen). Natürlich bleiben Sie nicht ewig dort stehen und drükken immer weiter auf den Knopf. Sie werden es nach einer Weile aufgeben und Ihren Weg über die Treppen nehmen. Diese Form des Lernens wird als Extinktion bezeichnet: eine Reaktion, die einmal zu einer Konsequenz geführt hat, löst nun nichts mehr aus. Also räumten die Lerntheoretiker ein, daß reagierende Organismen zwei »magische Momente« (»magic moments«) erlernen können: die eindeutige Verknüpfung von Reaktion und Konsequenz und ihre explizite Unabhängigkeit. Ich nenne diese Kontingenzen »magische Momente«, um darauf aufmerksam zu machen, daß es sich um sehr kurze Augenblicke handelt; die Hauptbegründung, sie den fundamentalen Kontingenzen zuzurechnen, ist, daß sie fast schnappschußartig erfolgen; sie werden im Gedächtnis gespeichert und kodiert, ohne daß eine komplexe Integration über die Zeit hinweg notwendig ist. Aber dieses Schema beschreibt bei weitem noch nicht alle Möglichkeiten zu lernen. Ende der dreißiger Jahre entdeckten L. J. Humphreys und B. F. Skinner unabhängig voneinander die partielle oder intermittierende Verstärkung, wodurch das Ganze etwas komplizierter wurde.5 Z.B. drücken Sie am Montag- und am Dienstagmorgen auf den Fahrstuhlknopf, und der Fahrstuhl kommt; Mittwoch und Donnerstag drücken Sie eben15 falls, aber der Fahrstuhl kommt nicht, und am Freitag funktioniert er wieder. Wie viele Tage werden Sie wohl noch – wenn der Fahrstuhl schließlich seinen Geist endgültig aufgibt – auf den Knopf drücken, bevor Sie endgültig aufgeben und gleich die Treppen hinaufgehen? Wenn Sie zuerst intermittierend verstärkt worden sind, werden Sie noch einige Wochen auf den Knopf drücken, bevor Sie aufgeben; wenn Sie aber nur kontinuierlich verstärkt worden sind, werden Sie schon nach einigen Tagen aufgeben. Menschen und Tiere lernen leicht, daß ihre Reaktionen nur gelegentlich von einer Konsequenz gefolgt werden. Außerdem werden ihre Reaktionen außerordentlich löschungsresistent, wenn sie dies einmal gelernt haben. Um diese Phänomene einordnen zu können, muß man sich einen etwas komplizierteren Organismus vorstellen, der die beiden verschiedenen Momente – eindeutige Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz und eindeutige Koinzidenz von Reaktion und Konsequenz – zu einem Mittelwert verarbeiten kann. Organismen können mit anderen Worten »manchmal« und »vielleicht« genauso zu unterscheiden lernen wie »immer und »nie«. Abbildung 2.1 veranschaulicht diesen Zusammenhang in allgemeiner Form. Abb. 2.1: Wahrscheinlichkeit einer Konsequenz (K), wenn die Reaktion (R) ausgeführt wird. Was geschieht nun, wenn die Konsequenz eintritt, ohne daß man eine Reaktion ausgeführt hat? Bei intermittierenden Verstärkungsplänen und in einfacheren Beispielen kam es niemals vor, daß ein Organismus ohne vorausgegangene Reaktion verstärkt wurde. Lernfähige Organismen sind jedoch differenziert genug, um auch zu lernen, daß Konsequenzen eintreten, ohne daß sie vorher eine bestimmte Reaktion ausgeführt haben. In der Terminologie der operanten Konditionierung werden derartige Kontingenzen als DRO – differentielle Verstärkung anderer Verhaltensweisen (differential reinforcement of other reactions) – bezeichnet (vgl. dazu Abbildung 2.2).6 Um zu unserem Beispiel zurückzukehren: Sie stehen eines Morgens nur einfach dreißig Sekunden7 lang vor dem Fahrstuhl, ohne auf den Knopf zu drücken, und der Aufzug kommt trotzdem. Es mag eine Weile dauern, aber mit der Zeit lernen Sie, einfach nicht mehr auf den Knopf zu drücken, wenn der Aufzug seltsamerweise nur dann erscheint, wenn der Knopf nicht gedrückt wird. Abb. 2.2: Wahrscheinlichkeit einer Konsequenz (K), wenn die Reaktion (R) nicht ausgeführt wird. Das Ausbleiben der Reaktion wird mit R gekennzeichnet. 16 Dieses Beispiel beschreibt zwei andere »magische Momente« neben der expliziten Koinzidenz von Reaktion und Konsequenz und deren eindeutiger Unabhängigkeit: Sie werden verstärkt, obwohl Sie nicht reagiert haben; oder Sie reagieren nicht und werden auch nicht verstärkt. Diese Kontingenzen können ebenso in intermittierender Abfolge auftreten, wie dies bei eindeutiger Kontingenz und Inkontingenz von Reaktion und Konsequenz der Fall ist. Sie drücken z.B. an den folgenden zehn Tagen nicht auf den Fahrstuhlknopf; an sieben Tagen kommt der Aufzug, an den drei übrigen Tagen nicht. Diese Art Lernprozeß setzt noch immer einen ziemlich primitiven Lernapparat voraus: der Organismus lernt die Konsequenzen von ausgeführten und unterlassenen Reaktionen separat. Prinzipiell lernfähige Organismen können jedoch auch gleichzeitig Informationen über beide Dimensionen aufnehmen. Betrachten wir eine letzte, noch kompliziertere Variante unseres Beispiels: manchmal kommt der Aufzug auf Ihren Knopfdruck hin innerhalb von dreißig Sekunden, aber es ist ebenso möglich, daß er auch innerhalb von dreißig Sekunden eintrifft, ohne daß Sie auf den Knopf gedrückt haben. Alle vier »magischen Momente« können sich bei demselben Aufzug an verschiedenen Tagen ereignen: Knopfdruck → Aufzug, Knopfdruck → kein Aufzug, kein Knopfdruck → Aufzug, kein Knopfdruck → kein Aufzug. Was lernen Sie also über den Zusammenhang zwischen Ihren Reaktionen und dem Erscheinen des Aufzugs? Sie lernen, daß der Aufzug mit gleicher Wahrscheinlichkeit kommt, wenn Sie auf den Knopf drücken und wenn Sie nicht auf den Knopf drücken. Dies aber trifft den Kern dessen, was mit Reaktionsunabhängigkeit gemeint ist. Für jede gegebene Reaktion und deren Konsequenz lassen sich die Wahrscheinlichkeiten aller vier magischen Momente durch einen Punkt in einem Reaktions-KontingenzenRaum darstellen (vgl. Abb. 2.3): Abb. 2.3: Der ReaktionsKontingenzen-Raum. Die Abszisse oder x-Achse gibt die Wahrscheinlichkeit für K/R(p(K/R)) (d.h. Konsequenz/ Reaktion) an, die Ordinate oder y-Achse die Wahrscheinlichkeit für p(K/R) an (vgl. auch Abb. 2.1 und 2.2). Betrachten wir nun die 45º-Achse im Reaktions-Kontingenzen-Raum: für jeden Punkt dieser Linie ist die Wahrscheinlichkeit dafür, daß eine Konsequenz folgt, gleich, unabhängig davon, ob eine Reaktion ausgeführt wurde oder nicht. Ist aber die Wahrscheinlichkeit gleich, ob eine bestimmte Reaktion ausgeführt wird oder nicht, dann ist die Konsequenz unabhängig von dieser Reaktion. Und wenn dies für alle willentlichen Reaktionen gilt, so ist die Konsequenz unkontrollierbar. Dagegen ist eine Konsequenz von einer Reaktion abhängig, wenn sich die Wahrscheinlichkeit, daß diese Konsequenz eintrifft, wenn eine Reaktion ausgeführt wurde, von der Wahrscheinlichkeit, daß die Konsequenz eintrifft, wenn die betreffende Reaktion nicht ausgeführt wurde, unterscheidet: die Konsequenz ist dann kontrollierbar. Jeder Punkt, der nicht auf der 45º-Achse liegt, impliziert in irgendeinem Ausmaß Kontrollierbarkeit. 17 Wenn ich Ihnen z.B. jedesmal eins auf die Finger gebe, wenn Sie in die Keksbüchse greifen, können Sie den Schlag auf die Finger kontrollieren: die Wahrscheinlichkeit, einen Klaps zu bekommen, ist gleich 1, wenn Sie in die Keksbüchse greifen. Wenn Sie dies unterlassen, werden Sie auch keinen Klaps bekommen. Wenn ich Ihnen jedoch eins auf die Finger gebe, egal, ob Sie in die Keksbüchse greifen oder nicht, dann sind diese Schläge für Sie unkontrollierbar, und Sie sind hilflos. Wir haben nun – wie ich hoffe weitgehend mühelos – eine klare Definition der objektiven Bedingungen gegeben, unter denen Hilflosigkeit auftritt: ein Individuum oder ein Tier sind hilflos gegenüber einer Konsequenz, wenn diese unabhängig von allen ihren willentlichen Reaktionen eintrifft. Indem ich diese Definition ableitete, habe ich mich einem lerntheoretischen Standpunkt angenähert, der differenzierter ist als der früherer Lerntheoretiker. Ein Organismus kann nicht nur lernen, daß seine Reaktionen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Konsequenz herbeiführen und in gleicher Weise das Unterlassen der Reaktionen mit bestimmter Wahrscheinlichkeit bestimmte Konsequenzen nach sich zieht; er kann auch beide Möglichkeiten zusammen verarbeiten. Dies setzt voraus, daß ein Organismus das Auftreten der vier verschiedenen »magischen Momente« über die Zeit hinweg integrieren und daraus die Kontingenz einschätzen kann. Das Erlernen von Kontingenzen läßt sich zwar formal schwerer ausdrücken als das Erlernen von »magischen Momenten«, dies heißt jedoch nicht, daß dieser Lernprozeß auch psychologisch komplizierter ist. Zwischen formaler und psychologischer Komplexität muß keine Übereinstimmung bestehen. Im täglichen Leben von Mensch und Tier bedeutet es einen grundlegenden, einfachen und unerläßlichen Lernprozeß, daß Konsequenzen von den eigenen Reaktionen unabhängig sind. Dieser Lernprozeß muß nicht über einen bewußten oder gar kognitiven Prozeß erfolgen: als ich zwei Jahre alt war, wußte ich bereits, daß es nicht von meinen Wünschen abhing, ob es am nächsten Sonntag regnen würde oder nicht. Dies war mir völlig klar, auch wenn ich erst zwanzig Jahre später das Konzept der Reaktionsunabhängigkeit verstehen sollte. Wenn eine Ratte lernt, für Futter auf einen Hebel zu drücken, so muß sie auch lernen, daß diese Verstärkung unabhängig von irgendwelchen Bewegungen ihres Schwanzes gegeben wird. Wenn sie lernt, daß bestimmte Reaktionen eine Konsequenz kontrollieren, dann muß sie auch gelernt haben, daß andere Reaktionen keinen Einfluß auf diese Konsequenz haben. Es müßte schon ein ziemlich unangepaßtes Tier sein, das dies nicht lernen könnte. 2.2.1 Experimente zum abergläubischen Konditionieren Eine der grundlegenden Prämissen der Theorie und Forschungsarbeit, die ich hier beschreiben möchte, ist, daß ein Organismus lernen kann, wann Konsequenzen unkontrollierbar sind. Eine Reihe von Autoren schlägt dagegen andere Interpretationen vor. In seinen Experimenten im Jahre 1948 ließ Skinner in kurzen, regelmäßigen Abständen Getreidekörner neben hungrige Tauben fallen. Das Verhalten der Tauben hatte keinerlei Einfluß auf das Ausstreuen der Futterkörner; dieses war also unkontrollierbar. Skinner beobachtete, daß jede Taube am Ende des Trainings irgendeine Reaktion zuverlässig ausführte: ein Vogel pickte, ein anderer hüpfte in die Mitte des Käfigs. Skinner behauptete, daß es sich dabei um abergläubisches Verhalten handele – so wie man eher um Leitern herum- als unter ihnen hindurchgeht. Skinner argumentierte, daß genau das Verhalten verstärkt worden war, das die Taube zufällig in dem Moment ausführte, in dem ein Futterkorn neben sie fiel, was dann die Häufigkeit dieser Reaktion ansteigen ließ. Dies wiederum ließe auch die Wahrscheinlichkeit steigen, daß der Vogel die betreffende Reaktion gerade wieder ausführte, wenn das nächste Futterkorn fiele. Dies ist ein extremer Erklärungsansatz: nur jene Momente sind relevant, in denen auf eine Reaktion eine Verstärkung folgt; wird eine Verstärkung 18 ohne vorausgehende Reaktion erfahren, so wird die Wahrscheinlichkeit der Reaktion nicht reduziert. Einem solchen Ansatz liegt die Überzeugung zugrunde, daß Tiere (genauso wie Menschen) nicht imstande sind zu lernen, daß eine Reaktion von Verstärkung unabhängig sein kann. Ich werde viele Beispiele anführen, aus denen deutlich hervorgeht, daß Reaktionsunabhängigkeit nicht nur gelernt werden kann, sondern tatsächlich zuverlässig und mit verheerenden Konsequenzen gelernt wird. Wie aber können wir Skinners Ergebnisse erklären? Auch wenn echtes abergläubisches Verhalten bei Menschen zweifellos vorkommt, so glaube ich, daß sich die Ergebnisse der Taubenexperimente kaum verallgemeinern lassen, daß es sich dabei um Artefakte handelt, die mit der gewählten Spezies und dem gewählten Verstärkungsplan zusammenhängen. Skinners Experiment stellt wahrscheinlich ein Beispiel klassischer Konditionierung dar und weniger ein Beispiel für instrumentelle Konditionierung auf der Basis von Verstärkung. Nachweislich werden bei Tauben bestimmte unwillkürliche Reaktionen ausgelöst, wenn in kurzen, regelmäßigen Abständen Futter angeboten wird; diese Reaktionen sind weitgehend biologisch determiniert (prepared) und gebahnt.8 J. E. R. Staddon und V. L. Simmelhag haben die Ergebnisse der Taubenexperimente zum abergläubischen Verhalten noch einmal analysiert und fanden, daß die Tauben nur solche Verhaltensweisen zeigten, die jede Taube ausführt, wenn sie hungrig ist und auf Futter wartet.9 Diese Reaktionen sind also nicht abergläubisch; sie wurden nicht geprägt, weil eine glückliche Kontingenz von Reaktion und Verstärkung durch Futter bestand. Es handelte sich vielmehr um speziesspezifische, unwillkürliche Verhaltensweisen, so wie sich ein Hund das Maul leckt, wenn er auf das abendliche Futter wartet. Ich möchte daraus den Schluß ziehen, daß unter bestimmten Umständen die reaktionsunabhängige Darbietung einer Konsequenz zu einer klassischen Konditionierung solcher speziesspezifischen Verhaltensweisen führen kann, die gerade passend zu dieser Konsequenz ausgelöst wurden. Derartige Verhaltensweisen können leicht als »abergläubische« instrumentelle Reaktionen verkannt werden. Wie wir sehen werden, ist das Ergebnis im allgemeinen jedoch Hilflosigkeit. Hilflose Tiere und Menschen scheinen keinerlei abergläubische Beziehungen zwischen Reaktionen und Verstärkern gelernt zu haben; sie scheinen im Gegenteil vor allem gelernt zu haben, sich außerordentlich passiv zu verhalten. Wir haben jetzt die objektiven Bedingungen definiert, unter denen eine Konsequenz unkontrollierbar ist. Es gibt eine große Vielfalt von Verhaltensstörungen, Wahrnehmungsstörungen und emotionalen Störungen, die eine Folge von Unkontrollierbarkeit sind. Hunde, Ratten und Menschen werden angesichts traumatisierender Bedingungen passiv, sie können einfache Diskriminationsaufgaben nicht mehr lösen und entwickeln Magengeschwüre; Katzen lernen nur mit Mühe, ihre Bewegungen zu koordinieren, und Studenten höheren Semesters zeigen weniger Ehrgeiz. Im nächsten Kapitel werden wir die exemplarischen Studien zur Unkontrollierbarkeit, die zu meiner Formulierung des Hilflosigkeitskonzeptes führten, genauer betrachten. 19 3 Experimentelle Untersuchungen Als Steven F. Maier, J. Bruce Overmier und ich vor ungefähr zehn Jahren den Zusammenhang von Angstkonditionierung und instrumentellem Lernen untersuchten,10 machten wir eine unerwartete und verblüffende Entdeckung. Wir hatten Mischlingshunde im Pavlovschen Geschirr fixiert und sie klassisch konditioniert, indem wir ihnen Töne darboten, auf die elektrische Schläge folgten. Die Schläge waren mäßig schmerzhaft, konnten aber keine körperlichen Schäden verursachen. Was meine Kollegen und ich zunächst außer acht gelassen hatten, woran wir aber bald erinnert wurden, war das entscheidende Merkmal der Pavlovschen Konditionierung: der US, also der Schlag, war unvermeidbar. Keine willentliche Reaktion der Tiere – ob Schwanzwedeln, Bellen oder gegen das Geschirr Ankämpfen – konnte die Schläge beeinflussen. Ihr Einsatz und ihr Ende, ihre Dauer und Intensität waren ausschließlich vom Versuchsleiter bestimmt. (Diese Bedingungen entsprechen der Definition von Unkontrollierbarkeit). Nachdem die Hunde diese Erfahrung gemacht hatten, wurden sie in eine »shuttle box« gesetzt – ein Versuchskäfig mit zwei durch eine Barriere getrennten Abteilungen, deren Boden elektrisch aufgeladen werden kann. Springt der Hund von der einen Käfighälfte über die Barriere in die andere, so kann er den elektrischen Schlag abbrechen, ihm entfliehen. Der Hund kann dem Schock auch zuvorkommen, ihn also überhaupt vermeiden, wenn er über die Barriere springt, bevor der Schlag einsetzt. Unsere Absicht war, die Hunde zu zuverlässigen Vermeidern zu erziehen, so daß wir die Wirkung der klassisch konditionierten Töne auf ihr Vermeidungsverhalten untersuchen konnten. Was wir dann aber beobachteten, war höchst merkwürdig und läßt sich am besten beurteilen, wenn ich zunächst das typische Verhalten eines Hundes beschreibe, der nicht zuvor unkontrollierbaren Schlägen ausgesetzt war. Ein naiver Hund, der ohne experimentelle Vorerfahrung in eine shuttle box gesetzt wird, rast mit Beginn des ersten Schlages wie toll im Käfig hin und her, bis er mehr zufällig über die Barriere klettert und damit dem Schock entkommt. Im nächsten Durchgang rennt der Hund wieder wild hin und her, überspringt die Barriere aber bereits schneller als im vorausgegangenen Durchgang: innerhalb von wenigen Durchgängen wird sein Fluchtverhalten sehr effizient, und dann lernt er bald, den Schlag ganz zu vermeiden. Nach ungefähr fünfzig Durchgängen verhält sich der Hund ganz gelassen und bleibt vor der Barriere stehen; kommt das Signal für den Schock, so setzt er elegant über die Barriere und bekommt so keinen einzigen Schlag mehr. Ein Hund, der zuerst unvermeidbaren elektrischen Schlägen ausgesetzt worden war, zeigte ein in erstaunlichem Maße anderes Verhaltensmuster. Die ersten Reaktionen dieses Hundes auf die elektrischen Schläge in der shuttle box glichen weitgehend denen des naiven Hundes: er raste ungefähr eine halbe Minute lang wild hin und her. Dann aber blieb er stehen und legte sich zu unserer Überraschung hin und winselte leise vor sich hin. Als dieses Verhalten nach einer Minute immer noch anhielt, schalteten wir den elektrischen Strom aus; der Hund hatte es nicht geschafft, über die Barriere zu springen und dem Schock zu entfliehen. Im nächsten Durchgang reagierte der Hund genauso; zunächst tobte er kurz, schien dann aber nach wenigen Sekunden aufzugeben und ließ die elektrischen Schläge passiv über sich ergehen. Auch in allen folgenden Durchgängen schaffte es der Hund nicht zu entfliehen. Dies ist ein Musterbeispiel für gelernte Hilflosigkeit. Laborexperimente beweisen, daß ein Organismus, der traumatische Bedingungen erfahren mußte, die er nicht kontrollieren konnte, die Motivation zum Handeln verliert, wenn er später erneut mit traumatischen Bedingungen konfrontiert wird. Mehr noch, selbst wenn er reagiert und es ihm gelingt, durch seine Reaktion den Streß zu reduzieren, so hat er Schwierigkeiten zu lernen, wahrzunehmen und zu glauben, daß seine Reaktion 20 dies bewirkte. Schließlich wird sein emotionales Gleichgewicht gestört: Depression und Angst, auf verschiedene Weise erfaßt, werden vorherrschend. Der Mangel an Motivation, der durch Hilflosigkeit hervorgerufen wird, ist in vieler Hinsicht besonders schlagend, und ich werde mich ihm daher zuerst zuwenden, um ihn genauer zu analysieren. 3.1 Hilflosigkeit untergräbt die Motivation, Reaktionen auszuführen 3.1.1 Gelernte Hilflosigkeit beim Hund Das Verhalten hilfloser Hunde ist typisch für das Verhalten vieler anderer Tierarten, wenn sie mit Unkontrollierbarkeit konfrontiert werden. Folgendes Standardverfahren wandten wir an, um gelernte Hilflosigkeit bei Hunden hervorzurufen und nachzuweisen:11 Am ersten Tag wurde das Versuchstier im Pavlovschen Geschirr fixiert und erhielt 64 elektrische Schocks von jeweils fünf Sekunden Dauer und einer Intensität von 6.0 Milliampère (mäßig schmerzhaft). Diesen Schocks ging keinerlei Signal voraus, und sie waren zufällig über die Zeit verteilt. 24 Stunden später wurde das Versuchstier zehn Durchgänge lang einem Flucht-Vermeidungstraining mit Warnreiz in einer shuttle box, einem Versuchskäfig mit zwei Abteilen und elektrisch aufladbarem Boden, unterworfen: der Hund mußte über die Trennwand von einem Käfigabteil ins andere springen, um dem Schock zu entfliehen oder ihn zu vermeiden. Elektrische Schläge konnten in beiden Käfigabteilen verabreicht werden, so daß es keinen Ort gab, an dem das Tier immer sicher gewesen wäre, während die Reaktion des Hinüberwechselns oder Springens immer zu Sicherheit führte. Jeder Durchgang begann mit dem Einsatz des Warnreizes (Verringerung der Lichtintensität), und dieses Signal blieb bis zum Ende des Durchgangs bestehen. Zwischen dem Einsatz des Warnreizes und dem elektrischen Schlag lag ein Intervall von zehn Sekunden; sprang der Hund innerhalb dieses Intervalles über die schulterhohe Trennwand, so endete das Signal und der Schock blieb aus. Gelang es dem Tier nicht, innerhalb des Signal-Schock-Intervalles zu springen, so bekam es einen elektrischen Schlag von 4.5 Milliampère, der anhielt, bis der Hund über die Barriere sprang. Schaffte es der Hund nicht, innerhalb von 60 Sekunden nach Einsatz des Signals über die Barriere zu springen, so wurde der Durchgang automatisch abgebrochen. Von 1965 bis 1969 untersuchten wir das Verhalten von ungefähr 150 Hunden, die in dieser Weise unvermeidbaren elektrischen Schlägen ausgesetzt worden waren. Von diesen Tieren reagierten zwei Drittel (ungefähr 100) hilflos. Diese Tiere machten die von mir beschriebene eigenartige Verhaltenssequenz des Aufgebens durch. Das andere Drittel der Versuchstiere verhielt sich völlig normal; wie naive Hunde führten sie erfolgreich Fluchtreaktionen aus und lernten rasch, den elektrischen Schlag zu vermeiden, indem sie über die Trennwand sprangen, bevor der Schock einsetzte. Ein Mittelding zwischen diesen beiden Verhaltensweisen wurde nicht beobachtet. Gelegentlich sprangen hilflose Hunde zwischen den Durchgängen über die Trennwand. Außerdem kam es vor, daß ein Hund, der z.B. ganz still in der linken Kammer der shuttle box gesessen und einen Schock nach dem anderen über sich ergehen lassen hatte, oftmals mit gewaltigen Sätzen quer durch den ganzen Käfig sprang, um aus dem Versuchskäfig überhaupt zu entfliehen, wenn am Ende der Versuchssitzung die Tür zur rechten Kammer geöffnet wurde. Da die hilflosen Hunde körperlich in der Lage waren, über die Barriere zu springen, mußte ihr Problem psychologischer Natur gewesen sein. Es ist interessant, daß von den mehreren hundert Hunden, die dem Training in der shuttle box ausgesetzt wurden, ungefähr 5% hilflos reagierten, auch ohne zuvor unvermeidbare Schocks erfahren zu haben. Ich bin der Überzeugung, daß die Lerngeschichte dieser Hunde, bevor sie ins Laboratorium kamen, bestimmend dafür war, ob ein naiver 21 Hund hilflos wurde oder ob ein Hund, dem unvermeidbare elektrische Schläge versetzt wurden, gegen Hilflosigkeit immun war. Wenn ich im nächsten Kapitel Möglichkeiten zur Prävention von Hilflosigkeit diskutiere, werde ich genauer darauf eingehen, wie man gegen Hilflosigkeit immunisiert werden kann. Hilflosigkeit tritt bei Hunden unter einer Vielzahl unterschiedlicher Bedingungen auf und kann leicht induziert werden. Hilflosigkeit hängt nicht von irgendeinem spezifischen Parameter des elektrischen Schlages ab; wir haben Frequenz, Intensität, Häufigkeit, Dauer und zeitliche Verteilung der Schocks variiert und konnten den Effekt immer noch hervorrufen. Darüber hinaus spielt es überhaupt keine Rolle, ob dem unvermeidbaren Schock ein Warnsignal vorausgeht. Schließlich spielt es auch keine Rolle, mit welchen experimentellen Hilfsmitteln die Schocks appliziert werden oder wo das FluchtVermeidungs-Training stattfindet: shuttle box und Pavlovsches Geschirr sind austauschbar. Verabreicht man dem Hund zuerst unvermeidbare Schocks in der shuttle box und verlangt dann von ihm, mit seinem Kopf auf Pedale zu drücken, um im Pavlovschen Geschirr elektrischen Schlägen zu entfliehen, so reagiert er ebenso hilflos. Darüber hinaus sind Hunde nach der Erfahrung unkontrollierbarer Schocks nicht nur unfähig, dem Schock selbst zu entfliehen, sondern scheinen auch nicht imstande zu sein, ihn zu verhindern oder ihn zu vermeiden. Overmier (1968) verabreichte Hunden im Pavlovschen Geschirr unvermeidbare Schocks und setzte sie dann in die shuttle box: wenn der Hund nun sprang, nachdem das Signal abbrach, aber noch bevor der Schock einsetzte, konnte er diesen vermeiden. Ein Entfliehen war dagegen nicht möglich, denn wenn es dem Hund nicht gelang, während des Signal-Schock-Intervalles zu springen, so wurde die Trennwand geschlossen, und der Hund bekam einen unvermeidbaren elektrischen Schlag. Es gelang den hilflosen Hunden ebenso wenig zu vermeiden, wie es ihnen nicht gelungen war zu entfliehen. Demnach bewältigen hilflose Hunde die Signale, die den Schock ankündigen, ebenso schlecht wie den Schock selbst. Auch außerhalb der shuttle box verhalten sich hilflose Hunde anders als Hunde, die nicht hilflos sind. Wenn ein Forscher den Hundezwinger betritt und versucht, einen nicht-hilflosen Hund herauszuholen, so fügt sich dieser nicht bereitwillig: er bellt, läuft in den hinteren Teil des Käfigs und sträubt sich gegen jede Manipulation. Dagegen erscheinen hilflose Hunde völlig willfährig: sie strecken sich passiv auf dem Boden aus, rollen sich gelegentlich sogar auf den Rücken und nehmen eine unterwürfige Haltung ein: sie üben keinen Widerstand. 22 3.1.2 Der triadische Versuchsplan Was führt uns zu der Aussage, daß gelernte Hilflosigkeit aus der Unfähigkeit resultiert, ein physisches Trauma zu kontrollieren und nicht lediglich aus dem Erleben dieses Traumas? Anders ausgedrückt: wie können wir behaupten, daß Hilflosigkeit ein psychologisches Phänomen ist und nicht nur die Folge des erfahrenen körperlichen Stresses? Es gibt einen einfachen und eleganten experimentellen Versuchsplan, mit dessen Hilfe die Effekte von Kontrollierbarkeit von den Auswirkungen des Reizes, der kontrolliert wird, getrennt werden können. Bei diesem triadischen Versuchsplan werden drei Gruppen von Versuchspersonen bzw. Versuchstieren untersucht: eine Gruppe erfährt als Vortraining eine Konsequenz, die sie mit Hilfe irgendeiner Reaktion kontrollieren kann. Eine zweite Gruppe ist mit der ersten so verbunden (yoked), daß jede Versuchsperson bzw. jedes Versuchstier genau die gleichen physischen Konsequenzen erfährt wie sein Gegenüber aus der ersten Gruppe, jedoch führt keine Reaktion, die diese Kontrollpersonen oder -tiere ausführen, zu irgendeiner Modifikation dieser Konsequenz. Die dritte Gruppe erhält kein Vortraining. Anschließend werden alle Gruppen in einer neuen Aufgabe untersucht. Der triadische Versuchsplan erlaubt eine direkte Überprüfung der Hypothese, daß nicht der Schock selbst Hilflosigkeit verursacht, sondern die Erfahrung, daß der Schock unkontrollierbar ist.12 Es folgen zwei Beispiele für den triadischen Versuchsplan. Im ersten Beispiel wurden drei Gruppen von jeweils acht Hunden untersucht.13 Die Hunde der »Flucht«-Gruppe lernten im Pavlovschen Geschirr Schocks zu entfliehen, indem sie mit ihren Schnauzen auf eine Taste drückten. Die yoked-Kontrollgruppe erhielt Schocks in gleicher Anzahl, Dauer und Verteilung, wie sie der Flucht-Gruppe verabreicht wurden. Die yoked-Kontrollgruppe unterschied sich von der Flucht-Gruppe nur hinsichtlich der instrumentellen Kontrolle über den Schock: das Drücken der Taste beeinflußte die für die yoked-Kontrollgruppe vorprogrammierten Schocks nicht. Eine naive Vergleichsgruppe erhielt keine Schocks. 24 Stunden nach diesem Training wurden alle drei Gruppen einem Flucht-Vermeidungstraining in der shuttle box ausgesetzt. Die Tiere der Flucht-Gruppe und die naiven Kontrolltiere reagierten gut: sie sprangen leicht über die Barriere. Im Gegensatz dazu reagierten die Tiere der yoked-Kontrollgruppe signifikant langsamer. Sechs der acht Kontrolltiere versagten vollständig und führten keine einzige erfolgreiche Fluchtreaktion aus. Es war also nicht der Schock selbst, sondern die Unmöglichkeit, den Schock zu kontrollieren, die zu diesem Versagen führte. Maier (1970) lieferte eine noch schlagendere Bestätigung dieser Hypothese. Nachdem die Hunde im Pavlovschen Geschirr fixiert worden waren, wurde ihnen anstatt einer aktiven Reaktion wie Hebeldrücken eine passive Reaktion beigebracht, durch die sie den elektrischen Schlag beenden konnten. Die Hunde dieser Gruppe (passive Fluchtgruppe) wurden im Geschirr ganz festgebunden, und dann wurden über und neben ihren Köpfen Pedale in einem Abstand von ½ cm angebracht. Nur wenn sie den Kopf nicht bewegten, sich also ganz still verhielten, konnten diese Hunde den Schock beenden. Eine andere Gruppe von zehn Hunden war ebenfalls angeschirrt und erhielt die gleichen Schocks, jedoch unabhängig von jeder Reaktion, also unkontrollierbar. Eine dritte Gruppe bekam keine elektrischen Schläge verabreicht. Später, in der shuttle box, reagierten die Hunde der yoked-Kontrollgruppe überwiegend hilflos, während die naive Kontrollgruppe normale Fluchtreaktionen ausführte. Die Tiere der passiven-Fluchtgruppe bewegten sich zunächst kaum; sie schienen nach irgendeiner Möglichkeit zu suchen, um passiv den Schock im Versuchskäfig möglichst gering zu halten. Nachdem sie auf diese Weise keinen Erfolg hatten, fingen alle Tiere an, lebhaft zu entfliehen und zu vermeiden. Demnach ist nicht das traumatische Ereignis allein ausreichend, um bei der Fluchtreaktion zu 23 versagen, sondern die Erfahrung, daß überhaupt keine Reaktion – weder aktiv noch passiv – die traumatischen Bedingungen beeinflussen kann. 3.1.3 Mangelnde Motivation bei verschiedenen Tierarten Studenten, die einen Einführungskurs in Psychologie beginnen – oder besser gesagt Studenten, die diesen Kurs vermeiden –, sind sich in einem Punkt einig:. »Ratten! Was haben Ratten mit Menschen zu tun?«. Diese Reaktion ist nicht annähernd so naiv, wie sie sich für das geplagte Ohr des professionellen Psychologen anhört. Zu oft haben reine Laborforscher vorschnell angenommen, daß Gesetze, die für eine Tierart als gültig nachgewiesen wurden, generell für alle anderen Arten, vor allem auch für den Menschen zutreffen. Die Geschichte der vergleichenden Psychologie ist durchsetzt von schlecht validierten Experimenten und zweifelhaften Theorien, die diese Behauptung ohne Berechtigung machten. Neuere Entwicklungen haben uns jedoch gelehrt, sehr vorsichtig mit unbewiesenen Verallgemeinerungen von einer Tierart auf eine andere umzugehen.14 Die Art und Weise, wie eine Wachtel lernt, traumatische Ereignisse zu bewältigen, unterscheidet sich stark von dem, was eine Ratte oder ein Mensch lernen wird. Gibt man einer Wachtel vergiftetes Wasser von blauer Farbe und saurem Geschmack, so wird sie später blaues, nicht aber saures Wasser vermeiden; eine Ratte oder ein Mensch dagegen werden saures, nicht aber blaues Wasser vermeiden. Selbst innerhalb derselben Tierart gibt es sehr deutliche Unterschiede z.B. zwischen der Art, wie die Ratte lernt, Schocks zu bewältigen und der Art und Weise, wie sie Gift zu bewältigen lernt: bekommt eine Ratte einen elektrischen Schlag versetzt, nachdem sie blaues, saures Wasser getrunken hat, so wird sie später blaues Wasser vermeiden; wird sie durch das Wasser vergiftet, so wird sie saures Wasser vermeiden. Wenn wir gelernte Hilflosigkeit als Grundlage für die Erklärung solch bedeutsamer Phänomene wie Depression und psychosomatischen Tod heranziehen, so ist es unumgänglich herauszufinden, ob diese auch in einer Vielzahl verschiedener Tierarten, den Menschen eingeschlossen, auftritt. Anderenfalls können wir Hilflosigkeit als spezies-spezifisches Verhalten aufgeben, ähnlich dem eigenartigen Ritual eines männlichen Stichlings, der um das Weibchen wirbt. Mangelnde Motivation aktiv zu werden als Folge unkontrollierbarer Konsequenzen ist bei Katzen, Ratten, Mäusen, Vögeln, Primaten, Fischen, Küchenschaben und Menschen nachgewiesen worden. Gelernte Hilflosigkeit scheint ein allgemeines Merkmal lernfähiger Tierarten zu sein, so daß sie mit einiger Sicherheit als eine Erklärung für eine Vielfalt von Phänomenen herangezogen werden kann. 3.1.3.1 Katzen Earl Thomas berichtete über einen Effekt bei Katzen, der Hilflosigkeit bei Hunden gleichzukommen scheint.15 Er konstruierte ein Pavlovsches Geschirr für Katzen, in dem sie unvermeidbare elektrische Schläge verabreicht bekamen. Wurden die Tiere anschließend in eine shuttle box für Katzen gesetzt, so vermochten sie nicht zu entfliehen. Ähnlich wie Hunde blieben sie sitzen und ließen den Schock über sich ergehen. Thomas ist der physiologischen Basis von Hilflosigkeit nachgegangen; er vermutet im Septum, einer Hirnstruktur unterhalb des Kortex, eine zentral wirksame Struktur, da eine Blokkade der Septumaktivität Hilflosigkeit entgegenwirkt. Er berichtet auch, daß seine Katzen bei direkter elektrischer Stimulation des Septums hilflos wurden. Ich werde im nächsten Kapitel auf diese physiologische Beziehung zurückkommen, wenn ich die Theorie der Hilflosigkeit und ihrer Therapie diskutiere. 3.1.3.2 Fische Nach unvermeidbaren elektrischen Schlägen zeigen Fische ebenfalls schlechte Fluchtund Vermeidungsreaktionen. A. M. Padilla und seine Mitarbeiter verabreichten Goldfi24 schen unvermeidbare Schocks und beobachteten sie anschließend in einer shuttle box unter Wasser. Diese Fische waren langsamer im Vermeiden als naive Kontrolltiere. Es ist interessant, daß das Nachlassen der Hilflosigkeit beim Goldfisch den gleichen zeitlichen Verlauf nahm wie beim Hund.16 3.1.3.3 Primaten (Menschen ausgenommen) Meinem Wissensstand vom Jahre 1974 zufolge hat bisher noch niemand ein ausgesprochenes Hilflosigkeitsexperiment unter Verwendung des triadischen Versuchsplans mit Menschenaffen oder anderen Primaten durchgeführt. Jedoch werden in der Literatur die Auswirkungen andersartiger unkontrollierbarer Ereignisse auf Primaten in beträchtlichem Umfang beschrieben. In den Experimenten wurden die Primaten drei verschiedenen Arten unkontrollierbarer Bedingungen ausgesetzt: soziale Hilflosigkeit in früher Kindheit, Trennung von der Mutter und isolierte Aufzucht. Da die eindrucksvollen Ergebnisse dieser Experimente bisher nicht im Rahmen des Hilflosigkeits-Konzeptes interpretiert worden sind, möchte ich ihre Diskussion bis zum siebten Kapitel zurückstellen. 3.1.3.4 Ratten Weiße Ratten und Erstsemester sind die am häufigsten verwendeten Versuchsobjekte im psychologischen Experiment. Dies ist weniger auf irgendeine tiefergehende Überlegung zurückzuführen als auf den günstigen Umstand, daß so viel über ihr Verhalten und ihre physiologischen Reaktionen bekannt ist: wenngleich einige Forscher solange nicht an die Echtheit eines Phänomens glauben wollen, bis es an weißen Ratten demonstriert worden ist. Bis vor kurzem erwies es sich als problematisch, bei der Ratte Hilflosigkeit hervorzurufen. Eine Vielzahl von Experimenten wurde durchgeführt, in denen unvermeidbare Schocks verabreicht wurden; im großen und ganzen zeigten diese aber – wenn überhaupt – ziemlich geringe Auswirkungen auf die spätere Reaktionsbereitschaft.17 Im Gegensatz zu Hunden entflohen Ratten, denen zuerst unvermeidbare elektrische Schläge verabreicht worden waren, während der ersten paar Durchgänge dem Schock nur ein wenig langsamer oder lernten die Vermeidungsreaktion etwas zögernder – sie blieben aber niemals passiv sitzen und ließen Schocks über sich ergehen. Nach intensiver Forschungstätigkeit haben jedoch inzwischen verschiedene Forscher unabhängig voneinander eindeutig Hilflosigkeit bei Ratten hervorgerufen.18 Bei diesen Experimenten wurde ein entscheidender Faktor sichtbar – die gestellte Aufgabe mußte schwierig sein und durfte nicht mühelos von der Ratte bewältigt werden. Wenn z.B. Ratten erst unvermeidbaren Schocks ausgesetzt werden und dann in einfachen Fluchtaufgaben untersucht werden – wie z.B. einmal einen Hebel drücken oder ins andere Abteil der shuttle box fliehen – so werden keine Defizite gefunden. Wenn jedoch der Schwierigkeitsgrad der Reaktion gesteigert wird – so muß z.B. der Hebel dreimal gedrückt werden, damit der Schock abbricht, oder die Ratte muß einmal ins andere Käfigabteil und wieder zurück laufen –, dann reagiert eine Ratte, die unvermeidbare Schocks erfahren hat, sehr langsam. Im Gegensatz dazu bewältigen Ratten, die zunächst die Erfahrung vermeidbarer elektrischer Schläge gemacht haben oder überhaupt keine Schocks versetzt bekommen haben, die schwierigeren Reaktionen ohne aufzugeben. Solange eine Reaktion zum natürlichen oder automatischen Verhaltensrepertoire der Ratte gehört, wird unvermeidbarer Schock nicht interferieren. Wenn die Reaktion in gewisser Weise unnatürlich ist und daher »überlegt« ausgeführt werden muß, so wird die Ratte nach der Erfahrung unkontrollierbarer Schocks hilflos. 3.1.3.5 Menschen 25 Wie manifestiert sich experimentell induziertes, unvermeidbares Trauma nun beim »Homo sapiens«? Wie bei Hund, Katze, Fisch, Ratte und Affe wird, wenn ein Mensch schädigenden Ereignissen ausgesetzt ist, die er nicht kontrollieren kann, seine Motivation zur Reaktion drastisch beeinträchtigt. Donald Hiroto replizierte unsere Ergebnisse mit Hunden in analoger Weise bei Studenten.19 Seine »Flucht«-Gruppe bekam ein unangenehm lautes Geräusch dargeboten, das sie durch Knopfdruck abzustellen lernte; die yoked-Kontrollgruppe hörte das gleiche Geräusch, allerdings unabhängig von jeder Reaktion; eine dritte Gruppe bekam kein Geräusch dargeboten. Anschließend wurde jede Versuchsperson mit einer Fingershuttle-box untersucht: um dem Geräusch zu entgehen, mußte die Versuchsperson nur ihre Hand von der einen Seite der shuttle box zur anderen bewegen. Die Kontrollgruppe, die kein Geräusch gehört hatte, und die Flucht-Gruppe lernten die notwendige Handbewegung rasch. Wie bei anderen Arten beobachtet, gelang es der hilflosen yokedKontrollgruppe dagegen nicht, zu entfliehen oder zu vermeiden; die meisten Versuchspersonen saßen passiv da und ließen das unangenehme Geräusch über sich ergehen. Hirotos Versuchsplan war tatsächlich komplizierter und bezog zwei andere wichtige Faktoren mit ein. Jeweils einer Hälfte der Versuchspersonen in jeder der drei Gruppen wurde gesagt, daß mit ihren Reaktionen in der shuttle box ihre Geschicklichkeit geprüft werde; der jeweils anderen Hälfte wurde mitgeteilt, daß ihr Ergebnis vom Zufall abhänge. Diejenigen Versuchspersonen, die die Zufalls-Instruktion erhielten, neigten in allen Gruppen stärker zu hilflosen Reaktionen. Schließlich variierte Hiroto in seinem Versuchsplan die Persönlichkeitsdimension »extern versus intern attribuierte Kontrolle von Verstärkung«: jeweils die Hälfte aller Studenten einer Gruppe gehörte zu den »extern attribuierenden«, die andere Hälfte zu den »intern attribuierenden«.20 Als »extern attribuierend« wird ein Individuum bezeichnet, wenn es – seinen Antworten in einem Persönlichkeitsfragebogen zufolge – der Überzeugung ist, daß Verstärker in seinem Leben auf Zufall oder Glück beruhen und außerhalb seiner eigenen Kontrolle liegen. Ein »intern Attribuierender« glaubt dementsprechend, daß er seine eigenen Verstärker kontrollieren kann, und daß es nur eine Frage der Fähigkeiten und Fertigkeiten sei. Hiroto beobachtete, daß extern attribuierende Versuchspersonen in seinem Experiment schneller hilflos wurden als intern attribuierende. Demzufolge riefen also drei unabhängige Faktoren Hilflosigkeit hervor: das Erleben von Unkontrollierbarkeit in der experimentellen Situation, die kognitive Einstellung (cognitive set), die durch die Zufalls-Instruktion induziert wurde, und eine extern attribuierende Persönlichkeit. Diese Konvergenz ließ Hiroto zu dem Schluß kommen, daß diese drei Faktoren zusammen die Motivation, Fluchtreaktionen auszuführen, untergraben, da sie alle zu der Einstellung beitragen, daß das eigene aktive Verhalten und die Reduktion des Stresses unabhängig voneinander sind. D. C. Glass und J. E. Singer (1972) kamen in Experimenten, in denen sie den Streß der Großstadt zu simulieren versuchten, zu dem Ergebnis, daß unkontrollierbarer lauter Lärm dazu führt, daß Individuen schlechtere Leistungen beim Korrekturlesen erbrachten, den Lärm als sehr irritierend erlebten und beim Problemlösen eher aufgaben. Die bloße Überzeugung, daß sie den Lärm abstellen konnten, wenn sie wollten, ebenso wie die faktische Möglichkeit der Kontrolle über den Großstadtlärm ließen diese Defizite verschwinden. Darüber hinaus wirkte sich die schlichte Überzeugung, daß sie irgend jemanden erreichen könnten, der ihnen Erleichterung verschaffen würde, hilfreich auf die Versuchspersonen aus. Die Beziehung zwischen der Wahrnehmung möglicher Kontrolle und tatsächlicher Kontrolle, so wie wir sie definiert haben, ist bedeutsam und komplex; ich werde diese Beziehung im nächsten Kapitel noch umfassender diskutieren. 26 Dies beschließt den Überblick über mangelnde Motivation, die gelernte Hilflosigkeit bei verschiedenen Tierarten hervorruft. Generell scheint zu gelten, daß Unkontrollierbarkeit bei Hunden, Katzen, Ratten, Fischen, Primaten und Menschen die Bereitschaft senkt, auf traumatische Erlebnisse adäquat zu reagieren. 3.1.4 Allgemeingültigkeit von Hilflosigkeit unter verschiedenen situativen Bedingungen Protestiert ein Studienanfänger gegen den Einführungskurs in die Psychologie und behauptet, Ratten seien ihm egal, so erhebt er nicht nur den Vorwurf, daß viele psychologische Phänomene auf eine Tierart begrenzt sein sollen, sondern wendet auch ein, daß sie nur unter begrenzten Bedingungen hervorgerufen werden können. Hilflosigkeit ist ein allgemeines Merkmal bei einer Reihe von Tierarten einschließlich des Menschen. Wollen wir Hilflosigkeit jedoch ernsthaft als Modell zur Erklärung real auftretender Phänomene wie Depression, Ängste und plötzlichen Tod heranziehen, so darf sie nicht eine Eigentümlichkeit des Schocks, der shuttle box oder sogar nur des Traumas sein. Ruft Unkontrollierbarkeit eine Verhaltensgewohnheit hervor, die auf Bedingungen beschränkt bleibt, die jenen ähneln, unter denen Hilflosigkeit gelernt wird, oder erzeugt sie ein eher allgemeines Persönlichkeitsmerkmal? Anders ausgedrückt: ist Hilflosigkeit lediglich ein isolierter Komplex von Gewohnheiten oder schließt sie eine grundsätzlichere Veränderung der Persönlichkeit ein? Ich glaube, daß das, was in einer unkontrollierbaren Umgebung gelernt wird, tiefgreifende Konsequenzen für das gesamte Verhaltensrepertoire hat. Wir wissen bereits, daß Hilflosigkeit auf der untersten Stufe der Verallgemeinerung von einer experimentellen Bedingung auf die andere übertragen wird, falls unter beiden Bedingungen elektrische Schläge eingesetzt werden: Hunde, die unvermeidbare Schocks im Pavlovschen Geschirr verabreicht bekommen haben, sind später in der shuttle box nicht zu Fluchtreaktionen imstande. Aber überträgt sich das Gelernte auch auf traumatische Erfahrungen, wenn sie keinen Schock einschließen? Braud und seine Mitarbeiter untersuchten Mäuse in einem triadischen Versuchsplan.21 Eine Gruppe konnte dem Schock entgehen, indem sie auf ein Podest kletterte, eine zweite Gruppe war yoked, und die dritte Gruppe erhielt keine Schocks. Alle Tiere wurden anschließend in einen Laufgang gesetzt, der unter Wasser stand, und aus dem sie herausschwimmen mußten, um zu entfliehen. Die yoked-Kontrollgruppe schnitt bei dem Versuch, aus dem Wasser zu entfliehen, am schlechtesten ab. In einem anderen Experiment, in dem untersucht werden sollte, ob sich durch elektrische Schläge induzierte Hilflosigkeit unter anderen aversiven Bedingungen bemerkbar machen würde, erhielten drei Gruppen von Ratten vermeidbare, unvermeidbare oder keine Schocks.22 Allen Tieren war zuvor die Nahrung entzogen worden, und sie waren trainiert worden, einen Laufgang entlang zu laufen, um sich in einer Zielbox Futter zu holen, das in jedem Durchgang dort angeboten wurde. Nachdem die Tiere dies gelernt hatten, wurde kein Futter mehr in die Zielbox gelegt; während dieser Löschungsphase liefen die Ratten also den Laufgang entlang zur Zielbox, in der sie Futter erwarteten, fanden aber keines vor. Dies hat sich als eine frustrierende und aversive Erfahrung für eine Ratte erwiesen.23 Dann wurde den Ratten die Möglichkeit gegeben, aus der Zielbox herauszuspringen und der Frustration auf diese Weise zu entfliehen. Ratten, die im Vortraining vermeidbare oder keine elektrischen Schläge erfahren hatten, lernten diese Fluchtreaktion rasch; diejenigen Tiere, denen unvermeidbare Schläge verabreicht worden waren, blieben passiv in der frustrierenden Zielbox sitzen. Demnach generalisiert Hilflosigkeit von einer aversiven Erfahrung –Schock – auf eine andere – Frustration.24 Ein anderes Beispiel für den Transfer von Hilflosigkeit ist mit dem Phänomen der durch Schock ausgelösten Aggression verknüpft. Jeder, der sich schon einmal den Kopf an einer Autotür gestoßen hat, wütend wurde und die Mitfahrenden anschrie, kennt dieses 27 Phänomen. Bei Tieren zeigt es sich dadurch, daß eine Ratte, die in Anwesenheit einer anderen einen elektrischen Schlag erhält, diese wütend angreifen wird. In einem triadischen Versuchsplan wurden Ratten vermeidbare, unvermeidbare oder keine elektrischen Schläge versetzt; anschließend wurde schock-induzierte Aggression gegen eine andere Ratte provoziert.25 Diejenigen Ratten, die in der Lage gewesen waren zu entfliehen, griffen am häufigsten an, die naive Kontrollgruppe lag in der Mitte, und die hilflose Gruppe griff am wenigsten an. Eine ähnliche Studie, die in unserem Laboratorium durchgeführt wurde, ergab, daß Hunde, die als Welpen unvermeidbare Schocks erfahren hatten, beim Wettstreit um Futter mit Hunden, die entweder keine oder kontrollierbare Schocks verabreicht bekommen hatten, unterlagen (nur jeweils eine Schnauze paßte in eine Kaffeetasse mit Futter). Hilflosigkeit senkt die Motivation, aggressive wie defensive Reaktionen auszulösen. Macht sich Hilflosigkeit, die unter traumatischen Bedingungen erworben wurde, auch in nicht traumatischen Situationen bemerkbar? D. Hiroto und ich untersuchten vor kurzem systematisch, wie sich bei instrumentellen Aufgaben induzierte Hilflosigkeit auf kognitive Aufgaben auswirkt.26 Zwei Gruppen von Studenten wurde in einer ersten Phase ein unangenehmes lautes Geräusch über Kopfhörer dargeboten, dem eine Gruppe entfliehen konnte, während die andere ihm hilflos ausgeliefert war; eine dritte Gruppe hörte kein Geräusch. Anschließend sollten alle Versuchspersonen unter nicht aversiven Bedingungen Anagramme lösen, und es wurde die Zeit gestoppt, die sie benötigten, um Anagramme wie z.B. HICTL zu lösen. Studenten, die unvermeidbarem Lärm ausgesetzt gewesen waren, fanden die Lösung weniger häufig als Versuchspersonen, die dem Geräusch entfliehen konnten oder die kein Geräusch dargeboten bekommen hatten. Unter aversiven Bedingungen gelernte Hilflosigkeit behindert die Lösung neutraler kognitiver Aufgaben. Werden die hemmenden Auswirkungen von Unkontrollierbarkeit nur durch unkontrollierbare traumatische Erlebnisse hervorgerufen? Wie werden Verhaltensinitiativen beeinflußt, wenn ihnen eine Geschichte unkontrollierbarer, aber nicht traumatischer Ereignisse vorausgehen? D. Hiroto und ich versuchten Hilflosigkeit hervorzurufen, indem wir anstelle des unausweichbaren unangenehmen Lärmes unlösbare Diskriminationsaufgaben einsetzten.27 Bei einer typischen Diskriminationsaufgabe werden einer Versuchsperson oder einem Versuchstier zwei Stimuluskarten vorgehalten, eine weiße und eine schwarze. Hinter einer dieser Karten, sagen wir der schwarzen, befindet sich durchgängig die Belohnung: etwas Kleie für die Ratte, ein Mickymaus-Heft für ein Kind, ein Fünfzig-Pfennig-Stück oder ein »richtig« für einen Erwachsenen. In einigen Durchgängen liegt die schwarze Karte links und die weiße rechts, in den anderen Durchgängen ist es umgekehrt. Das Problem ist lösbar, denn das Aufnehmen der schwarzen Karte wird immer belohnt. Die Belohnung ist kontrollierbar, denn die Wahrscheinlichkeit, für das Aufnehmen der schwarzen Karte belohnt zu werden, ist 1.0 und die Wahrscheinlichkeit, für das Aufnehmen der weißen belohnt zu werden, ist 0. Kinder, Erwachsene und Ratten, ja sogar Regenwürmer lernen solche Probleme zu lösen. Eine unlösbare Diskriminationsaufgabe ist im gleichen Sinne unkontrollierbar wie ein unvermeidbarer elektrischer Schlag. Stellen wir uns vor, was geschieht, wenn eine Diskriminationsaufgabe keine Lösung hat. Rein technisch heißt das, daß sich die Belohnung in zufälliger Reihenfolge hinter der weißen und der schwarzen Karte verbirgt: während der einen Hälfte der Durchgänge, zufällig ausgewählt, wird schwarz belohnt, während der anderen Hälfte weiß. Dies impliziert auch, daß während der einen Hälfte der Durchgänge die linke Seite richtig ist und während der anderen Hälfte die rechte. Solch ein Versuchsplan ist kennzeichnend für ein Hilflosigkeitsexperiment: die Wahrscheinlichkeit, für die Wahl der schwarzen Karte belohnt zu werden, ist 0.5, die Wahrscheinlichkeit für links ist 0.5 und für weiß 28 ebenfalls 0.5. Die Belohnung ist unabhängig von der Reaktion; sie ist per definitionem unkontrollierbar.28 Die formale Ähnlichkeit von Unlösbarkeit und Unvermeidbarkeit vor Augen legten D. Hiroto und ich drei Gruppen von Studenten Serien lösbarer und unlösbarer Diskriminationsaufgaben vor.29 Danach wurden alle Versuchspersonen in der Finger-shuttle-box getestet, wobei es galt, einem unangenehm lauten Geräusch zu entfliehen. Versuchspersonen, die zuvor lösbare Diskriminationsaufgaben bekommen hatten oder keine Aufgaben lösen mußten, stellten das Geräusch rasch ab; die Versuchspersonen der Gruppe, die mit unlösbaren Diskriminationsaufgaben konfrontiert worden war, ließen das Geräusch passiv über sich ergehen. Die Initiative, Reaktionen auszuführen, die aversive Stimulation kontrollieren, kann also durch die Erfahrung unkontrollierbarer Belohnung gehemmt werden. Wir fanden auch, daß unkontrollierbare Verstärkung die Bereitschaft reduziert, Reaktionen auszuführen, die belohnt werden. Mehrere Gruppen hungriger Ratten erhielten Futterkügelchen, die unabhängig von ihren Reaktionen durch eine Öffnung im Käfigdach fielen; anschließend mußten diese Ratten lernen, sich das Futter durch Hebeldrükken zu verschaffen. Je mehr Futter die Tiere vor dem Hebeldrucktraining erhalten hatten, umso schlechter lernten sie die instrumentelle Reaktion, die ihnen Futter brachte. Einige Ratten saßen einfach tagelang herum und warteten darauf, daß wieder Futter in den Käfig fiel; sie drückten kein einziges Mal auf den Hebel.30 Die entscheidende Variable in diesem Versuch war, daß die Versuchstiere nach »verwöhnter Fratz«-Manier behandelt wurden – egal, was das Individuum tat, es wurde belohnt. Auf einer Tagung der »Psychonomic Society« wurde kürzlich ein hiermit zusammenhängender, aber kontroverser Vortrag mit dem Thema »Die Taube im Wohlfahrtsstaat« gehalten.31 Eine Gruppe hungriger Tauben lernte, für Futterkörner auf ein Pedal zu springen. Eine zweite, die »Wohlfahrtsstaat«-Gruppe, erhielt die gleiche Menge Körner, aber unabhängig von dem, was sie tat: Futter und Verhalten waren inkontingent. Eine dritte Gruppe erhielt keine Körner. Alle Tauben wurden anschließend einer »Selbstformungs«-Aufgabe (autoshaping) unterworfen, bei der sie lernten, gegen eine erleuchtete Taste zu picken, um Körner zu bekommen. Die Tauben, die zuvor die Futterkörner durch ihr Hebeldrücken kontrolliert hatten, machten die schnellsten Fortschritte bei dieser Selbstformung, dann folgte die Kontrollgruppe, während die »Wohlfahrtsstaat«-Gruppe am langsamsten lernte. Nachdem alle Gruppen die instrumentelle Aufgabe gelernt hatten, wurden sie einem Verstärkungsplan ausgesetzt, bei dem sie lernen mußten, das Picken zu unterlassen. Wieder lernte die Gruppe, die zuerst die Hebeldruckreaktion gelernt hatte, am schnellsten, wieder folgte die Kontrollgruppe, und wieder lernte die hilflose oder die – wie sie die Autoren nannten – »konditioniert träge« Gruppe am langsamsten. Diese Ergebnisse sind umstritten und können nur mit Vorsicht als »appetitive« Hilflosigkeit interpretiert werden: man ist inzwischen nicht mehr der Ansicht, daß die selbstgeformte Reaktion der Tauben eine instrumentelle Reaktion ist. B. Schwartz und D. R. Williams (1972) fanden, daß diese Pickreaktion nicht beibehalten wurde und daher den ausgelösten oder unwillkürlichen Reaktionen zuzuordnen sei. Wenn Selbstformung tatsächlich eine klassisch konditionierte Reaktion zum Ergebnis haben sollte, so glaube ich kaum, daß appetitive Hilflosigkeit sie verzögert, da ich der Überzeugung bin, daß Hilflosigkeit nur willentliche Reaktionen beeinträchtigt. Unkontrollierbare Belohnung hat ähnlich hemmende Auswirkungen auf das Wettbewerbsverhalten von Versuchspersonen in anschließenden experimentellen Spielen. H. Kurlander, W. Miller und ich stellten Studenten lösbare, unlösbare oder keine Diskriminationsaufgaben.32 Danach spielte jede Versuchsperson das »Gefangenen-Dilemma«Spiel. Bei diesem Spiel hat jeder Spieler die Aufgabe, mehr Punkte zu sammeln als sein Gegner. Der Spieler kann in jedem Durchgang zwischen drei Verhaltensalternativen wählen: er kann konkurrieren, kooperieren oder sich mit minimalen Verlusten aus dem 29 Spiel zurückziehen. Entscheidet sich der Spieler dafür zu konkurrieren, und sein Gegner kooperiert, so gewinnt er viel, während der Gegenspieler viel verliert; konkurriert der Gegner aber ebenfalls, so verlieren beide sehr viele Punkte. Entscheidet sich der Spieler dafür zu kooperieren, und sein Gegner konkurriert, so verliert der Spieler beträchtlich und sein Gegner gewinnt; wenn sich jedoch beide für Kooperation entscheiden, gewinnen beide ein wenig. Die letzte Alternative ist Rückzug: jedesmal, wenn ein Spieler sich aus dem Spieldurchgang zurückzieht, verlieren beide einige Punkte. Wenn nun der Spieler vor dem Gefangenen-Dilemma-Spiel lösbare Diskriminationsaufgaben gestellt bekam oder keine Aufgaben lösen mußte, so konkurrierte er häufiger und zog sich seltener aus dem Spiel zurück. War er dagegen zunächst mit unlösbaren Diskriminationsaufgaben konfrontiert worden, so zog er sich häufiger zurück und konkurrierte wenig. Durch unkontrollierbare Belohnung induzierte Hilflosigkeit reduziert also das Wetteiferverhalten. Ich bin der Überzeugung, daß der durch Unkontrollierbarkeit hervorgerufene psychische Zustand »Hilflosigkeit« die Initiative zu aktivem Handeln generell beeinträchtigt. Nach der Erfahrung unkontrollierbarer elektrischer Schläge machen Hunde, Ratten, Katzen, Fische und Menschen weniger Anstalten, weiteren Schock zu entgehen. Darüber hinaus bleiben diese motivationalen Defizite nicht auf Schocks, nicht einmal auf aversive Reize generell beschränkt. Aggressive Reaktionen, Flucht aus einer frustrierenden Situation und sogar die Fähigkeit, Anagramme zu lösen, werden durch unkontrollierbare aversive Erlebnisse gehemmt. Umgekehrt behindert unkontrollierbare Belohnung die Fähigkeit, lautem Lärm zu entfliehen, sich Zugang zu Nahrung zu verschaffen und im Spiel zu wetteifern. Menschen und Tiere sind geborene Generalisierer. Ich glaube, daß nur unter sehr außergewöhnlichen Bedingungen eine spezifische, punktuelle Reaktion oder Assoziation gelernt wird. Das Lernen von Hilflosigkeit macht dabei keine Ausnahme: wenn ein Organismus lernt, daß er in einer Situation hilflos ist, kann ein großer Teil seines adaptiven Verhaltensrepertoires untergraben werden. Andererseits muß der Organismus auch diejenigen Situationen, in denen er hilflos ist, von jenen diskriminieren, in denen er nicht hilflos ist, wenn er weiterhin ein angepaßtes Verhalten zeigen will. Würde es uns nicht gelingen, unsere Hilflosigkeit in Grenzen zu halten, und würden wir jedesmal gleich zusammenbrechen, wenn wir mit dem Flugzeug fliegen, so wäre das Leben ein Irrenhaus. Jene Prozesse, die der Generalisation von Hilflosigkeit Grenzen setzen – Immunisierung, diskriminative Kontrolle und die Relevanz des unkontrollierbaren Ereignisses – werden im nächsten Kapitel diskutiert werden. 30 3.2 Hilflosigkeit beeinträchtigt die Lernfähigkeit Wie wir sahen, wirkt sich die Erfahrung unkontrollierbarer Konsequenzen zum einen hauptsächlich auf die Motivation aus: unkontrollierbare Konsequenzen verringern die Motivation, willentlich Verhalten auszulösen, das wiederum andere Konsequenzen kontrollieren würden. Eine zweite wesentliche Konsequenz betrifft die Kognition: hat ein Mensch oder ein Tier einmal die Erfahrung von Unkontrollierbarkeit gemacht, so hat er bzw. es Schwierigkeiten zu lernen, daß seine Reaktion einen Einfluß hat, selbst wenn sie tatsächlich erfolgreich ist. Unkontrollierbarkeit verzerrt die Wahrnehmung eigener Kontrolle. Dies läßt sich bei hilflosen Hunden, Ratten und Menschen beobachten. Gelegentlich verharrt auch ein naiver Hund während der ersten drei, vier Durchgänge in der shuttle box und läßt die elektrischen Schläge über sich ergehen; aber beim nächsten Durchgang springt er dann über die Trennwand und entflieht damit erfolgreich dem Schock zum ersten Mal. Hat ein naiver Hund einmal eine Reaktion ausgeführt, die den Streß reduzierte, so behält er sie bei; in allen folgenden Durchgängen reagiert er energisch und lernt, den Schock völlig zu vermeiden. Hunde jedoch, die als erstes unvermeidbare elektrische Schläge erfahren haben, verhalten sich in dieser Hinsicht anders. Ungefähr ein Drittel von ihnen durchläuft zunächst ähnliche Stadien – sie bleiben während der ersten drei, vier Durchgänge reglos sitzen, um dann beim nächsten erfolgreich zu entfliehen. Jedoch kehren diese Hunde dann dahin zurück, den Schock passiv über sich ergehen zu lassen, und es gelingt ihnen in den weiteren Durchgängen keine Fluchtreaktion mehr. Es sieht so aus, als ob ein Erfolg nicht ausreicht, um einen hilflosen Hund lernen zu lassen, den Zusammenhang zwischen den eigenen Reaktionen und den sich dadurch einstellenden Erfolgen herzustellen. W. Miller und ich kamen zu dem Ergebnis, daß eine solche negative kognitive Struktur beim Menschen aus gelernter Hilflosigkeit resultiert.33 Von drei Gruppen von Studenten konnte eine ein lautes Geräusch abstellen, der zweiten wurde dieses Geräusch unvermeidbar dargeboten, während die dritte Gruppe kein Geräusch hörte. Anschließend wurden alle Versuchspersonen mit zwei neuen Aufgaben konfrontiert, einer Geschicklichkeits- und einer Zufallsaufgabe. Bei der Geschicklichkeitsaufgabe mußten die Versuchspersonen in zehn Durchgängen jeweils 15 Karten nach zehn Kategorien der äußeren Gestalt sortieren und versuchen, dies innerhalb von 15 Sekunden zu bewältigen. Sie wußten allerdings nicht, daß der Versuchsleiter es bestimmte, ob ein Durchgang mit oder ohne Erfolg abgeschlossen wurde, indem er den Versuchspersonen entweder bevor oder nachdem sie fertig geworden waren mitteilte, daß die Zeit abgelaufen sei; die Versuchspersonen durchliefen also eine vorher festgelegte Abfolge von Erfolgen und Mißerfolgen. Am Ende jedes Durchgangs stufte jede Versuchsperson auf einer zehnstufigen Skala ein, wie sie ihre Chancen für eine erfolgreiche Bewältigung des nächsten Durchgangs einschätzte. Diejenigen Versuchspersonen, die zuvor hilflos dem lauten Geräusch ausgeliefert gewesen waren, zeigten wenig Veränderungen in ihren Erfolgserwartungen für den folgenden Durchgang. Sie hatten Schwierigkeiten wahrzunehmen, daß ihr eigenes Verhalten Erfolg oder Mißerfolg beeinflussen konnte. Die Versuchspersonen der Kontrollgruppe und die Versuchspersonen, die das Geräusch hatten abstellen können, zeigten deutliche Schwankungen ihrer Erfolgserwartung nach jedem Erfolg oder Mißerfolg. Dies zeigt, daß sie der Überzeugung waren, daß die Konsequenzen von ihren Handlungen abhingen. Die drei Gruppen unterschieden sich nicht in Erwartungsänderungen nach Erfolg und Mißerfolg in einem »Glücksspiel«, welches sie als Ratespiel auffaßten. Gelernte Hilflosigkeit führt zu einer kognitiven Einstellung, die den Menschen glauben läßt, daß Erfolg und Mißerfolg unabhängig von seinem eigenen Können sind. D. Hiroto und ich34 haben auch von einer anderen Form der negativen kognitiven Einstellung berichtet. Wie sich der Leser erinnern wird, mußten Studenten Anagramme lösen, nachdem sie vermeidbaren oder unvermeidbaren bzw. keinen Lärm erfahren hatten. 31 Dabei kamen zwei unterschiedliche Arten kognitiver Störungen zum Vorschein: zum einen interferierte unvermeidbarer Lärm mit der Fähigkeit, irgendeines der gegebenen Anagramme zu lösen. Hinzu kommt, daß die zwanzig zu lösenden Anagramme nach einem bestimmten Prinzip verschlüsselt waren: in jedem Anagramm waren die Buchstaben in der Reihenfolge 34251 angeordnet (z.B. ISOEN, OCHKS, OURPG); Studenten, die unvermeidbarem Lärm ausgesetzt gewesen waren, hatten große Schwierigkeiten, dieses Prinzip zu entdecken. Unlösbare Diskriminationsaufgaben beeinträchtigten das Lösen der Anagramme in gleicher Weise. Die Tatsache einer negativen kognitiven Einstellung, hervorgerufen durch die Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz, muß in Bezug zu einem grundlegenden Problem in der Lerntheorie gesehen werden. Wenn zwei Stimuli unabhängig voneinander dargeboten werden, z.B. ein Ton und ein Schock, so stellt sich die Frage, ob das Individuum überhaupt nichts über den Ton lernt oder ob es den Ton nach und nach ignoriert. Aus unserer Perspektive heraus können Menschen und Tiere aktiv lernen, daß Reaktionen und Konsequenzen unabhängig voneinander sind, und eine Form, wie sich dieses Lernen manifestiert, ist die Schwierigkeit, die sie später haben, wenn sie lernen sollen, wann das Verhalten tatsächlich zu einer Konsequenz führt. Dies läßt vermuten, daß Organismen imstande sein sollten, aktiv zu lernen, daß ein Ton und ein Schock unabhängig voneinander sind, und dies dadurch zeigen, daß es ihnen später schwerfällt zu lernen, wann der Ton tatsächlich von einem Schock gefolgt wird. R. A. Rescorla (1967) hat die entgegengesetzte Ansicht vertreten: Unabhängigkeit zwischen einem Ton und einem Schock sei eine neutrale Bedingung, unter der nichts gelernt wird; tatsächlich ist dies die ideale Kontrollgruppe für klassische Konditionierung. Ich selbst (1969) habe argumentiert, daß diese »ideale Kontrollgruppe« selbst sehr wirksam lernt und daher keine angemessene Kontrolle darstellt. Wie wir im Kapitel über Angst sehen werden, entwickelt diese Gruppe Magengeschwüre und chronische Furcht. Darüber hinaus haben neuere Untersuchungen gezeigt, daß tatsächlich aktives Lernen stattfindet, wenn CS und US unabhängig voneinander dargeboten werden. R. L. Mellgren und J. W. P. Ost (1971) berichteten über eine Stichprobe von Ratten, denen konditionierte Stimuli unabhängig von Futter dargeboten wurden; diese Tiere brauchten später länger als naive Ratten und selbst länger als Ratten, für die die konditionierten Stimuli das Ausbleiben des Futters signalisiert hatten, um zu lernen, daß die CS mit dem Futter assoziiert waren. D. Kemler und B. Shepp zeigten, daß Kinder dann besonders langsam lernten, welche Stimuli für die Lösung einer Diskriminationsaufgabe relevant waren, wenn die entsprechenden Stimuli zuvor als irrelevant vorgestellt worden waren. D. R. Thomas und seine Mitarbeiter demonstrierten, daß Tauben, denen zwei verschiedene Farben unabhängig von Futter dargeboten worden waren, dazu neigten, nicht zwischen zwei Futterrohren zu diskriminieren, von denen eines Futter ankündigte und das andere nicht.35 N. J. MacKintosh (1973) berichtete ebenfalls, daß Konditionierung durch die vorausgegangene Erfahrung einer Unabhängigkeit von CS und US verzögert wurde. Die Unabhängigkeit von zwei Stimuli wird also aktiv verarbeitet, und dieser Lernprozeß verzögert bei Ratten, Tauben und Menschen später die Fähigkeit zu lernen, daß beide Stimuli voneinander abhängen. Die dafür vorliegenden Beweise sind in Einklang mit den beobachteten Auswirkungen einer Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz und bestärken uns in unserer Folgerung, daß die Erfahrung einer Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz die Einstellung hemmt, daß Verhalten kontingente Konsequenzen hat. 32 3.3 Hilflosigkeit führt zu emotionalen Störungen Der erste Hinweis darauf, daß Hilflosigkeit neben motivationalen und kognitiven auch emotionale Konsequenzen hat, war, daß die motivationalen Effekte mit der Zeit verschwanden. Traumatische Erlebnisse führen bei Tieren wie bei Menschen oft zu Störungen mit überraschenden zeitlichen Verläufen und werden daher vorschnell als emotionale Veränderungen mißdeutet. Wenn eine Gruppe von Individuen von einer Katastrophe heimgesucht wird, so kann man häufig ein vorübergehendes »KatastrophenSyndrom« beobachten: An einem Wintertag des Jahres 1659 zog eine Gruppe von Kriegern aus St. Jean, ein er Siedlung der Petun-Indianer südlich der Georgesbay, aus, um eine Invasion von Irokesen auf Kriegspfad abzufangen. Sie fanden den Feind nicht. Als sie vier Tage später in ihr Dorf zurückkehrten, fanden sie nur noch die Asche ihrer Häuser und die verkohlten und verstümmelten Leiber von vielen ihrer Frauen, Kinder und alten Männer vor. Keine lebende Seele war den Flammen entgangen. Die Petun-Krieger ließen sich im Schnee nieder, stumm und bewegungslos und keiner sprach oder bewegte sich einen halben Tag lang, und nicht ein einziger machte Anstalten, die Irokesen zu verfolgen, um wenigstens Gefangene zu retten oder Vergeltung zu üben.36 Es handelt sich hier nicht um eine kulturspezifische Reaktion, denn sie tritt generell nach Katastrophen auf. Wenn ein Tornado eine Stadt heimsucht, verhält sich die Bevölkerung während des Sturmes angemessen, aber nach seinem Abklingen verfallen die Opfer für ungefähr 24 Stunden in Stumpfsinn. Nach einem weiteren Tag fangen sie dann an, ihre Habseligkeiten zusammenzusuchen und gehen wieder ihrer Arbeit nach (vgl. S. 84). Wir haben einen ähnlichen zeitlichen Verlauf von gelernter Hilflosigkeit bei Hunden beobachtet.37 Wird ein Hund innerhalb von 24 Stunden nach der Erfahrung unkontrollierbarer Schocks im Geschirr in die shuttle box gebracht, so reagiert er hilflos. Wenn wir jedoch nach einer einmaligen Sitzung mit unvermeidbaren Schocks 72 Stunden oder eine Woche warten, so wird der Hund in der shuttle box normale Fluchtreaktionen zeigen. Eine einmalige Erfahrung unkontrollierbarer traumatischer Ereignisse hat also Auswirkungen, die mit der Zeit verschwinden. Was aber geschieht, wenn viele Erfahrungen von Unkontrollierbarkeit aufeinander folgen, bevor dem Hund die Möglichkeit zur Flucht gegeben wird? Wenn ein Hund innerhalb einer Woche vier Versuchssitzungen ausgesetzt wird, in denen er angeschirrt unvermeidbarem Schock ausgeliefert ist, so wird er noch Wochen später hilflos reagieren. Wiederholtes Erleben von Unkontrollierbarkeit führt zu chronischer Beeinträchtigung der Reaktionsbereitschaft. Andererseits muß erwähnt werden, daß bereits eine einzige Sitzung unvermeidbarer Schocks bei der Ratte Hilflosigkeit erzeugt, die nicht mit der Zeit zurückgeht.38 Wenn ich im nächsten Kapitel eine theoretische Darstellung von Hilflosigkeit gebe, werde ich diesen zeitlichen Verlauf unter kognitiver ebenso wie unter emotionaler Perspektive diskutieren. Auf den ersten Blick scheint es jedoch so, als ob Unkontrollierbarkeit einen bestimmten emotionalen Zustand induziert, der – wird er nicht verstärkt – mit der Zeit abklingt. Ein allgemein verwendeter Indikator für emotionale Reaktionen sind Magengeschwüre. 1958 erschien die berühmte » Manager-Affen«-Studie.39 Diese Untersuchung hängt sehr eng mit Hilflosigkeit und Unkontrollierbarkeit zusammen, doch scheinen ihre Ergebnisse weniger auf emotionale Reaktionen bei Unkontrollierbarkeit hinzuweisen. 33 Zwei Gruppen von jeweils vier Affen wurden elektrische Schläge verabreicht; die eine Gruppe – die »Manager-Tiere« – hatten Kontrolle über die Schocks und konnten sie durch Hebeldrücken vermeiden. Die anderen vier Tiere waren Partnertiere (yoked) und hilflos, da sie die Schläge nicht beeinflussen konnten. Die Manager-Tiere entwickelten Magengeschwüre und starben, während die hilflosen Affen keine Magengeschwüre bekamen. Diese Ergebnisse fanden viel Beachtung in der Presse und haben Eingang in die meisten Einführungslehrbücher der Psychologie gefunden. Unglücklicherweise sind sie ein Artefakt des Verfahrens, nach dem die Affen den beiden Gruppen zugeordnet wurden: alle acht Tiere wurden zunächst der »Manager-Bedingung« unterworfen, und dann wurden die ersten vier Tiere, die anfingen den Hebel zu drücken, zu den ManagerTieren, während die letzten vier Tiere zu den Partnertieren erklärt wurden. Inzwischen ist nachgewiesen worden, daß emotional stärker reagierende Tiere dazu neigen, rascher mit Hebeldrücken anzufangen, wenn sie elektrische Schläge erhalten,40 wodurch die vier emotionalsten Tiere zu den Manager-Tieren wurden und die vier phlegmatischsten zu den Partnern. Vor kurzem hat J. M. Weiss die Untersuchung in korrekter Form wiederholt.41 Er untersuchte drei Gruppen von Ratten nach dem triadischen Versuchsplan, wobei die Gruppen den einzelnen Bedingungen zufällig zugeordnet wurden. Die Manager-Tiere entwickelten weniger und weniger schwere Magengeschwüre als die Partnertiere, die stärker an Gewicht verloren, mehr defäkierten und weniger tranken als die Manager-Tiere. Gemessen an der Ulzerationsrate zeigen hilflose Ratten mehr Angst als Ratten, die den Schock kontrollieren können. Es liegen noch weitere Beweise vor, daß unkontrollierbarer Schock bei Ratten mehr Angstreaktionen auslöst als kontrollierbarer Schock. O. H. Mowrer und O. Viek (1948) verabreichten zwei Gruppen von Ratten elektrische Schläge, während diese fraßen. Die Tiere der einen Gruppe konnten den Schock kontrollieren, indem sie hochsprangen, während die Tiere der anderen Gruppe unkontrollierbare Schläge erhielten. Die Ratten, die unkontrollierbare Schocks bekamen, fraßen anschließend weniger als jene Tiere, die Kontrolle über die Schocks hatten.42 In einem analogen Experiment ließen I. E. Hokanson und seine Mitarbeiter Versuchspersonen Symbole zuordnen, während ihnen gleichzeitig elektrische Schläge verabreicht wurden. Die Versuchsbedingungen waren so individuell abgestimmt, daß jede Versuchsperson durchschnittlich alle 45 Sekunden einen Schlag erhielt. Eine Gruppe erhielt die Möglichkeit, so viele schockfreie Pausen zu wählen, wie sie wollte, wenn sie wollte. Die Auszeiten der Partnergruppe waren hinsichtlich Anzahl und Zeitpunkt durch die der ersten Gruppe bestimmt. Bei allen Versuchspersonen wurden in 30-Sekunden-Intervallen Blutdruckwerte erhoben, und es zeigte sich, daß die Partner durchweg einen höheren Blutdruck hatten.43 In einem Experiment mit Ratten kam E. Hearst (1965) zu dem Ergebnis, daß die Darbietung unkontrollierbarer elektrischer Schläge zu Ausfällen bei gut gelernten appetitiven Diskriminationsaufgaben führte. In Reaktion auf die Schocks diskriminierten die Ratten nicht mehr zwischen einem Reiz, der Futter signalisierte, und einem zweiten Reiz, der das Ausbleiben des Futters anzeigte. Während kontrollierbarer Schocks blieb die appetitive Diskriminationsleistung aufrechterhalten. Ein solches Versagen bei appetitiver Diskrimination erinnert an die bekannten Arbeiten über »experimentelle Neurosen«. Das Konzept der experimentellen Neurose ist weder einheitlich noch ist es exakt definiert. Z.B. wurde Kontrollierbarkeit nicht systematisch variiert, um experimentelle Neurosen zu induzieren; betrachten wir jedoch die experimentellen Verfahren, so können wir vermuten, daß der Mangel an oder der Verlust von Kontrolle bei der Ätiologie der Neurose eine wesentliche Rolle spielt. Typisch für ein solches Verfahren ist, daß ein Versuchstier in irgendeiner Weise so fixiert wird, daß es in seinen Reaktionsmöglichkeiten ernsthaft eingeschränkt wird. Häufig handelt es sich bei den Verfahren um klassische Konditionierung, bei der der Organismus per definitio34 nem keine Kontrolle über Beginn und Ende der dargebotenen Stimuli hat. In dem klassischen Experiment von Shenger-Krestnikova versagte das Versuchstier plötzlich bei einer appetitiven Diskriminationsaufgabe und zeigte Anzeichen von Erschöpfung, als es nicht mehr zwischen dem verstärkten und dem nicht verstärkten Reiz unterscheiden konnte.44 In den Studien von Liddell und Mitarbeitern entwickelten Schafe nach unkontrollierbaren elektrischen Schlägen eine Skala unangepaßter Verhaltensweisen.45 J. H. Masserman (1943) trainierte Affen, in Reaktion auf ein Signal zu fressen, und löste bei ihnen eine neurotische Reaktion aus, indem er ihnen dann während des Fressens angstauslösende Stimuli darbot. Ohne therapeutische Maßnahmen blieben die Affen nahezu unbegrenzt gestört. Masserman: Ganz anders verhielten sich Tiere, denen beigebracht worden war, verschiedene Vorrichtungen zu bedienen, die Signalreize für das Futter hervorriefen, weil sie auf diese Weise zumindest zum Teil Kontrolle über ihre Umgebung ausüben konnten. Dies kam ihnen, selbst nachdem sie neurotisiert worden waren, sehr zustatten, denn sie machten, wenn sie hungriger wurden, zögernde, aber spontane Versuche, die Wirkungsweise der Schalter, Signale und Futterkammern erneut zu erkunden, sie wurden mutiger und erfolgreicher, wenn dann wieder Futter erschien. In einer Studie an Affen mit schlagenden Ergebnissen lehrte C. F. Stroebel (1969) eine Gruppe Rhesusaffen, einen Hebel zu drücken, der die Klimaanlage in ihrem überhitzten Käfig in Gang setzte und außerdem ein lautes Geräusch, ein unangenehmes Licht oder leichte elektrische Schläge kontrollierte. Dann zog er den Hebel so zurück, daß er zwar noch sichtbar war, aber nicht mehr gedrückt werden konnte. Die Tiere reagierten zunächst wie toll, zeigten dann aber andere Störungen: In dem Maße, in dem sich eine Störung des zirkadianen Rhythmus entwickelte, zeigten die Tiere Mattigkeit und Schwäche; ihr Fell wurde zottig, gefleckt und ungepflegt; wenn überhaupt, dann führten sie unvorhersagbare Reaktionen in Richtung auf die Hebeldruckreaktion aus und machten viele Ruhe- und Schlafpausen. Die Verhaltensweisen dieser Tiere waren in ihrer Art eindeutig fehlangepaßt; so verbrachten zwei Versuchstiere Stunden damit, »imaginäre« fliegende Insekten zu fangen, ein Affe masturbierte nahezu ununterbrochen, drei zupften fast zwanghaft Haare aus, und alle neigten abwechselnd zu Bewegungsstereotypien und nahezu vollständigem Desinteresse an ihrer Umgebung. Es ist nicht klar, ob eine Theorie aufgestellt werden kann, die experimentelle Neurosen erklärt, noch ist geklärt, ob alle diese Phänomene im wesentlichen dasselbe ausdrücken. Aber Unkontrollierbarkeit ist vorherrschend beteiligt, und emotionale Zerrissenheit ist das universale Ergebnis. Zusammenfassend kann Hilflosigkeit als Unglück für jeden Organismus angesehen werden, der lernen kann, daß er hilflos ist. Im Experiment lassen sich drei Formen von Störungen durch Unkontrollierbarkeit herbeiführen: die Motivation zu aktivem Handeln wird erschöpft, die Fähigkeit, Erfolge wahrzunehmen, wird gestört und die Tendenz zu emotionalen Reaktionen wird gesteigert. Diese Auswirkungen treten bei einer Vielfalt von Tierarten auf und sind auch beim Homo sapiens auffällig. Im nächsten Kapitel werde ich eine vereinheitlichte Theorie vorstellen, die diese Befunde erklären kann. 35 4 Die Theorie: Heilung und Prävention Welchen Anforderungen muß eine adäquate Theorie der Hilflosigkeit genügen? Sie muß den drei Aspekten der Störung, den motivationalen, kognitiven und emotionalen Störungen, Rechnung tragen. Sie muß überprüfbar sein: es müssen Experimente durchgeführt werden können, die die Theorie bestätigen, wenn sie richtig ist, oder falsifizieren, wenn sie nicht richtig ist. Schließlich muß sie außerhalb des Laboratoriums anwendbar sein: sie muß zu einem besseren Verständnis von Hilflosigkeit im täglichen Leben beitragen können. Die Grundlage ist durch die Art und Weise vorbereitet worden, in der ich im letzten Kapitel die Daten dargestellt habe. Die Theorie, die ich nun vorstellen werde, erklärt direkt den Mangel an Motivation und die kognitive Störung und mit einer zusätzlichen Annahme auch die emotionale Störung. Sie ist mit verschiedenen Verfahren überprüft worden, von denen einige Methoden zur Heilung und Prävention von Hilflosigkeit ergaben. Darüber hinaus werde ich die Bedingungen abgrenzen, die Hilflosigkeit hervorrufen, um damit die Frage zu beantworten, warum nicht jeder immerzu hilflos ist, da doch jeder gelegentlich mit unkontrollierbaren Konsequenzen konfrontiert wird. Schließlich werde ich einen Überblick über alternative Theorien geben, die weniger angemessen erscheinen. Die folgenden Kapitel über Depression, kindliche Entwicklung und plötzlichen Tod sind Versuche, die Theorie der Hilflosigkeit auf das tägliche Leben anzuwenden. 4.1 Darstellung der Theorie Wenn ein Tier oder ein Mensch mit einer Konsequenz konfrontiert wird, die unabhängig von seinen Reaktionen ist, lernt es bzw. er, daß die Konsequenz von seinen Reaktionen unabhängig ist. Dies ist der Grundstein der Theorie und mag allen bis auf die besonders anspruchsvollen Lerntheoretiker so einleuchtend erscheinen, daß es nicht erst noch ausgesprochen werden müßte. Aber Sie werden sich vielleicht an unsere ausführliche Diskussion des Reaktions-Kontingenzen-Raumes erinnern (s. Abb. 2.3). Lerntheoretiker sähen es am liebsten, wenn die verschiedenen möglichen Kontingenzen, die gelernt werden können, so einfach wie möglich sind. Zunächst waren sie der Überzeugung, daß maximal die simple Verbindung von einer Reaktion und einer Konsequenz oder die Assoziation der Reaktion mit dem Ausbleiben der Konsequenz gelernt werden kann. Dies mußte aber erweitert werden, um das Prinzip der intermittierenden Verstärkung berücksichtigen zu können, bei der ein Individuum beide Formen von Verbindungen integrieren und zu einem »kann sein« verarbeiten kann. Was ein Organismus lernen kann, wurde also um die Wahrscheinlichkeit einer Konsequenz auf eine bestimmte Reaktion erweitert. Dann wurde nachgewiesen, daß ein Organismus etwas über die Wahrscheinlichkeit lernen kann, mit der eine Konsequenz erfolgt, wenn er die Reaktion nicht ausführt. Unsere Theorie geht noch einen Schritt weiter, indem sie behauptet, daß ein Organismus über beide genannten Wahrscheinlichkeiten zugleich lernen kann, so daß unterschiedliche Erfahrungen, denen die verschiedenen Punkte im Reaktions-Kontingenzen-Raum entsprechen, zu systematischen behavioralen und kognitiven Veränderungen führen.46 Im besonderen behaupte ich, daß ein Lernprozeß stattfindet, wenn Organismen Ereignisse erfahren, die der 45º-Linie entsprechen, für die also die Wahrscheinlichkeit der Konsequenz gleichbleibt, ob die interessierende Reaktion nun erfolgt oder nicht. Auf der Verhaltensebene wird dies die Initiative zu denjenigen Reaktionen, die Konsequenzen kontrollieren, verringern, kognitiv wird es eine Überzeugung in die Unwirksamkeit der eigenen Reaktionen hervorrufen und wird das Lernen erschweren, daß Reagieren zum Erfolg führt; und emotional wird dies, traumatisierende Konsequenzen vorausgesetzt, zu stärkeren Ängsten führen, die von Depression gefolgt werden. 36 Der allen Hilflosigkeitsexperimenten zugrundeliegende triadische Versuchsplan steht natürlich in direkter Beziehung zu der Annahme, daß Menschen und Tiere über die Unabhängigkeit von Konsequenz und Reaktion lernen können und dementsprechende Erwartungen bilden können. In der Untersuchung von Seligman und Maier (1967) z.B. waren nur die Tiere der yoked-Kontrollgruppe hilflos, während die Hunde, die die elektrischen Schläge durch Hebeldrücken abstellen konnten, und die Hunde, die überhaupt keine Schocks versetzt bekamen, nicht hilflos wurden. Mit den Hunden, die die elektrischen Schläge unabhängig von ihrem Verhalten erlebten, geschah also eindeutig etwas anderes. Ich bin davon überzeugt, daß sie lernten, daß Reagieren zwecklos war, und sie erwarteten infolgedessen, daß auch in Zukunft ihre Reaktionen keinen Einfluß auf die Schläge haben würden. In den Untersuchungen von Weiss (1968, 1971 a, b, c) entwikkelten nur die hilflosen Kontrolltiere massive Magengeschwüre; es ist eindeutig, daß diese Ratten etwas anderes lernten als jene, die in der Lage waren, dem Schock zu entfliehen, oder als jene, die keine Schocks erhalten hatten. Auch in diesem Fall glaube ich, daß die Ratten lernten, daß Reagieren zwecklos war. Die von mir vorgeschlagene Theorie baut auf drei grundlegenden Komponenten auf: Information über die Kontingenz → Kognitive Repräsentation der Kontingenz (Lernprozeß, Erwartung, Wahrnehmung, Überzeugung) → Verhalten Mensch und Tier müssen von der Information über die Kontingenz von Konsequenz und Reaktion ausgehen. Diese Information bestimmt sich aus der Umgebung des Organismus und nicht aus dem Wahrnehmenden selbst. Ich habe sorgfältig definiert, was als objektive Information über die Unabhängigkeit von einer Reaktion und einer Konsequenz bezeichnet werden kann. Die zweite Komponente dieser Sequenz ist entscheidend, wenn sie auch leicht übersehen wird, vor allem bei einer übereifrigen Beschäftigung mit operationalen Definitionen und objektiven Kontingenzen, die vielen Lerntheoretikern eigen ist. Die Information über die Kontingenz muß verarbeitet und in eine kognitive Repräsentation der Kontingenz transformiert werden.47 Eine derartige kognitive Repräsentation ist unterschiedlich bezeichnet worden als »lernen«, »wahrnehmen« oder »überzeugt sein«, daß Reaktion und Konsequenz unabhängig voneinander sind. Ich ziehe es vor, diese Repräsentation die Erwartung zu nennen, daß Verhalten und Konsequenz unabhängig voneinander sind. Diese Erwartung ist die ursächliche Bedingung für die motivationalen, kognitiven und emotionalen Störungen, die Hilflosigkeit begleiten. Die bloße Darbietung der Information allein reicht nicht aus; ein Individuum oder ein Tier können erfahren, daß Reaktion und Konsequenz unabhängig voneinander sind, ohne jedoch gleich eine solche Erwartung auszubilden. Immunisierung ist, wie im Verlauf dieses Kapitels deutlich werden wird, ein Beispiel dafür. Dagegen kann ein Individuum hilflos werden, ohne die Kontingenz direkt erfahren zu haben, wenn man ihm schlicht sagt, es sei hilflos. Im Jahre 1972 veröffentlichten D. C. Glass und J. E. Singer einen Bericht über eine ausgedehnte Serie von Untersuchungen zur Rolle von Kontrollierbarkeit beim Abbau von Streß; sie fanden, daß die Mitteilung potentieller Kontrollierbarkeit allein schon genügte, um die Effekte tatsächlich gegebener Kontrolle zu induzieren. Glass und Singer versuchten, urbanen Streß nachzuahmen, indem sie ihren Versuchspersonen – Studenten – ein sehr lautes Durcheinander von Geräuschen darboten: zwei Menschen unterhielten sich auf Spanisch, einer sprach Amerikanisch, zusätzlich liefen eine Vervielfältigungsmaschine, eine Rechenmaschine und eine Schreibmaschine. Wenn die Versuchspersonen den Lärm faktisch abstellen konnten, indem sie auf einen Knopf drückten, so gaben sie bei Problemlöseaufgaben weniger schnell auf, empfanden den Lärm als weniger störend und schnitten beim Korrekturlesen besser ab als ihre hilflosen Versuchspartner. 37 Tatsächliche Kontrolle hatte also günstige Auswirkungen der Art, wie wir im letzten Kapitel beschrieben hatten. Eine andere Gruppe von Versuchspersonen wurde dem gleichen Lärm ausgesetzt, mit dem Unterschied, daß der Lärm unkontrollierbar war. Diese Versuchspersonen hatten jedoch einen Alarmknopf vor sich, und es wurde ihnen gesagt: »Sie können den Lärm beenden, wenn Sie auf den Knopf drücken. Wir sähen es jedoch lieber, wenn Sie dies nicht täten.« Keine der Versuchspersonen versuchte tatsächlich, den Lärm abzuschalten. Sie hatten nur die – allerdings falsche – Überzeugung, daß sie den Lärm kontrollieren könnten, wenn sie wollten.48 Diese Versuchspersonen schnitten genauso gut ab wie jene, die den Lärm faktisch kontrollieren konnten. Real gegebene Kontrollierbarkeit und faktische Unkontrollierbarkeit können also identische Erwartungen hervorrufen. Dieses Experiment, bei dem die Erwartung ungerechtfertigt war, veranschaulicht, daß die subjektive Erwartung und nicht die objektiven Bedingungen von Kontrollierbarkeit die entscheidende Determinante für Hilflosigkeit ist. Wie bedingt diese Erwartung einer Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz nun die motivationalen, kognitiven und emotionalen Störungen, die mit Hilflosigkeit verknüpft sind? 4.1.1 Motivationale Störungen Der Antrieb zu willentlichen Reaktionen in einer traumatischen Situation hat eine wesentliche Quelle: die Erwartung, daß die Reaktion Erleichterung bringt.49 Ohne diesen Antrieb werden die Reaktionen wahrscheinlich seltener werden. Wenn ein Mensch oder ein Tier gelernt hat, daß die Erleichterung unabhängig von seinem willentlichen Reagieren ist, wird die Erwartung, daß Reagieren Erleichterung bringt, aufgehoben, und infolgedessen wird auch die Reaktionsbereitschaft geringer. Ganz allgemein ausgedrückt: der Antrieb zu willentlichen Reaktionen, um irgendeine Konsequenz zu kontrollieren (z.B. Nahrung, Sex, Beendigung elektrischer Schläge), erwächst aus der Erwartung, daß die eigenen Reaktionen diese Konsequenz bewirken. Wenn ein Mensch oder ein Tier gelernt hat, daß die Konsequenz unabhängig vom eigenen Verhalten ist, wird die Erwartung, daß das eigene Verhalten die Konsequenz hervorruft, schwächer; und deshalb wird auch die Reaktionsbereitschaft geringer. Mancher Theoretiker mag der Ansicht sein, daß dies ein ganz schön gewagtes »deshalb« ist. Warum auch sollten ein Mensch oder ein Tier aufhören zu reagieren, wenn sie der Überzeugung sind, daß ihre Reaktionen zwecklos sind? Diese Frage stürzt uns in eine grundsätzliche Auseinandersetzung innerhalb der Lerntheorien, die sich am besten anhand einer Analogie veranschaulichen läßt: »Warum bewegen sich Himmelskörper?« Diese Frage beschäftigte Physiker von Aristoteles bis Galilei. Aristoteles glaubte, daß der natürliche Zustand eines Körpers Ruhe war, und daß eine äußere Ursache oder eine bewegende Kraft notwendig war, um ihn in Bewegung zu versetzen. Galilei dagegen formulierte die radikale und nützliche These, daß der naturgegebene Zustand von Körpern Bewegung ist, und daß sie sich immerzu bewegen würden, solange nicht eine äußere Kraft wie z.B. Reibung sie bremsen würde. Innerhalb der Lerntheorien finden sich parallele und gewöhnlich nicht explizit formulierte Annahmen darüber, warum Organismen willentliche Reaktionen ausführen. Die Galileische Hypothese wäre, daß der naturgegebene Zustand von Tieren willentliches Reagieren ist, daß sie immerzu irgendwelche willentlichen Reaktionen ausführen. Es gibt keinen Zustand des Nicht-Reagierens: ein anscheinend passives Tier ist mit Absicht passiv. Es hat die Passivität »gewählt«, sich für Passivität »entschieden« oder ist dafür verstärkt worden. Unter dieser Perspektive wird ein Tier, das erwartet, daß sein Reagieren sinnlos ist, passiv, weil Passivität weniger kostet, weil sie unter diesen Umständen verstärkender wirkt. Es gibt jedoch wenig Grund zu der Annahme, daß Tiere wenig anstrengende Verhaltensweisen anstrengenden vorziehen.50 38 Ich neige eher zum entgegengesetzten, Aristotelischen Standpunkt, daß willentliches Verhalten Anreize voraussetzt, und daß ohne solche Anreize kein willentliches Verhalten auftritt. Demnach können sich Menschen und Tiere in einem von zwei möglichen Zuständen befinden: willentlich reagieren oder überhaupt nicht reagieren. Damit willentliche Verhaltensweisen auftreten können, muß ein Anreiz in Gestalt der Erwartung vorliegen, daß Reagieren zum Erfolg führt. Ohne eine solche Erwartung, d.h. dann, wenn ein Organismus überzeugt ist, daß Reagieren zwecklos ist, wird er keine willentlichen Reaktionen ausführen. Daraus folgt, daß Tiere nach der Erfahrung unkontrollierbarer Konsequenzen dazu neigen, später nicht mehr willentlich zu reagieren, um die Konsequenz zu kontrollieren. Diese Deduktion eines Mangels an Motivation muß nicht wesentlich mehr ausgearbeitet werden. Die Terminologie, in der sie formuliert ist, ausgenommen, dürften die meisten Lerntheoretiker sie akzeptieren; und selbst die Begriffe »Erwartung« und »Anreiz« lassen sich in mehr operationale Termini übersetzen, um stärker behavioral ausgerichtete Theoretiker zu überzeugen.51 Wie stark die Motivation untergraben wird, ist in einem Humanexperiment zur Hilflosigkeit deutlich geworden, in dem elektrische Schläge eingesetzt wurden:52 Nach der Erfahrung unvermeidbarer elektrischer Schläge blieben die Versuchspersonen völlig passiv sitzen und ließen vermeidbare Schocks über sich ergehen; als sie gefragt wurden, warum sie nicht angemessen reagierten, antworteten 60% der Versuchspersonen, daß sie ja doch keine Kontrolle über den Schock hätten, »warum es also noch versuchen?«. Diese subjektiven Berichte lassen stark annehmen, daß eine Überzeugung von Unkontrollierbarkeit dem Antrieb, aktiv zu handeln, entgegenwirkte. Noch lebensnaheres Beweismaterial wäre kaum vorstellbar. 4.1.2 Kognitive Störungen Lernt man, daß eine Konsequenz unabhängig von einer Reaktion ist, erkennt man später auch nur schwer, daß Reaktionen diese Konsequenz herbeiführen. Die Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz wird aktiv gelernt und behindert wie jede Form aktiven Lernens das Erfassen dem entgegengesetzter Kontingenzen. Hier ein Beispiel dafür, wie solche proaktive Hemmung beim verbalen Lernen wirkt: der Familienname meiner Frau ist Kerry Seligman, aber ihr Mädchenname war Kerry Müller. Alle, die meine Frau zuerst als »Kerry Müller« kennengelernt hatten, hatten Schwierigkeiten, sie »Seligman« zu nennen; noch Jahre nach unserer Hochzeit versprachen sie sich versehentlich. Da sie gewohnt waren, meine Frau Kerry Müller zu nennen, interferierte dies mit ihrer Erinnerung, daß sie nun Kerry Seligman war. Solchen Bekannten fiel es schwerer, sie Kerry Seligman zu nennen, als jemandem, der sie zum ersten Mal nach unserer Hochzeit kennengelernt hatte, der also ihren Namen ganz neu lernte. Dem entspricht der Fall des Hundes, der eine Reihe von Reaktionen im Pavlovschen Geschirr ausführte und herausfindet, daß keine einzige mit dem Ende des elektrischen Schlages zusammenhing. Dieser Hund könnte z.B. seinen Kopf wegdrehen, und der Schock könnte zufällig zu diesem Zeitpunkt abbrechen, aber er könnte auch genauso oft den Kopf wegdrehen, ohne daß der Schock gleichzeitig enden würde; andererseits würde der Schock auch abbrechen, ohne daß der Hund den Kopf bewegt hätte. Wird dieses Tier dann in die shuttle box gesetzt und springt über die Trennwand – was faktisch den Abbruch des elektrischen Schlages verursacht –, so fällt es dem Hund schwer, diesen Zusammenhang zu begreifen. Dies läßt sich damit erklären, daß er analog zur Bewegung des Kopfes immer noch erwartet, daß der Schock mit gleicher Wahrscheinlichkeit aufhört, wenn es ihm nicht gelingt, über die Trennwand zu springen. Solch ein Hund wird wieder anfangen, den Schock passiv zu ertragen, selbst wenn er ein- oder zweimal erfolgreich gesprungen ist. Im Gegensatz dazu wird ein naiver Hund nicht durch die 39 Erwartung behindert, daß das Ende des Schocks unabhängig von seinem Verhalten ist, so daß ein einziger Sprung über die Trennwand, der zum Abbruch des Schocks führt, ausreicht, um ihn bei dieser Reaktion bleiben zu lassen. Maier und Testa (1974) haben von drei Experimenten berichtet, die auf die entscheidende Rolle der kognitiven Störung für gelernte Hilflosigkeit bei Ratten hinweisen. Der Leser wird sich erinnern, daß Ratten, die unvermeidbare elektrische Schläge verabreicht bekamen, nicht hilflos wurden, wenn sie nur einmal bzw. in eine Richtung über die Trennwand der shuttle box springen mußten, um zu entfliehen (FR1: fixed ratio 1: feste Quotenverstärkung mit der Quote 1), daß sie aber hilflos wurden, wenn sie zuerst hin und dann wieder zurückspringen mußten (FR2: feste Quotenverstärkung mit der Quote 2) (s. S. 26). Um zu überprüfen, ob diese Unfähigkeit von der Schwierigkeit, die Beziehung zwischen Reaktion und Schockbeendigung überhaupt zu erkennen, abhing, oder von der Schwierigkeit, die FR2-Bedingungen auszuführen, kamen Maier und Testa auf eine kluge Idee. Sie ließen die Ratten unter FR1-Bedingungen die Fluchtreaktion erlernen, wobei der Schock aber erst nach kurzer Verzögerung endete: wenn eine Ratte ins andere Käfigabteil rannte, hörte der Schock zwar auf, aber nicht unmittelbar, sondern erst eine Sekunde, nachdem sie den Käfig durchquert hatte. Unter diesen Bedingungen war die Leistung identisch mit der unter den leichten FR1-Bedingungen, der Unterschied bestand jedoch darin, daß die Kontingenz schwer zu durchschauen war. In dem Maße, wie Hilflosigkeit die Wahrnehmung von Reaktions-Konsequenz-Kontingenzen erschwert, sollte unter FR1-Bedingungen mit verzögerter Konsequenz diese Wahrnehmung gehemmt werden; jedes Verständnis von Hilflosigkeit, das nur Schwierigkeiten beim Reagieren postuliert, wird hier keine Behinderung voraussagen. Wie Maier und Testa erwartet hatten, gelang es den Ratten, die unvermeidbaren Schocks ausgesetzt worden waren, nicht, die Reaktion unter FR1-Bedingungen mit verzögerter Konsequenz zu lernen, während Tiere, die keine Schocks erfahren hatten, gut lernten. Als die Kontingenz durch intermittierende Verstärkung der FR1-Reaktion (d.h. nur nach 50% der Reaktionen hörte der Schock auf) noch undurchschaubarer wurde, zeigten sich ähnliche Ergebnisse. Schließlich versuchten die Forscher, die FR2-Kontingenz für hilflose Ratten eindeutiger zu gestalten, während die Reaktionsanforderungen konstant gehalten wurden: wenn eine Ratte die shuttle box einmal durchquert hatte, brach der elektrische Schlag kurz ab, setzte aber unmittelbar darauf wieder ein und hörte nur dann endgültig auf, wenn das Tier die zweite Reaktion ausgeführt hatte. Auf diese Weise wurde die Kontingenz klarer durchschaubar, aber die Anforderungen an die Reaktion waren gleich schwierig. Wie erwartet reagierten Ratten, die unvermeidbare Schocks erfahren hatten, nicht hilflos. Eine Interferenz mit der Reaktion reicht also nicht aus, um Hilflosigkeit bei Ratten zu erklären. Die Annahme eines kognitiven Defizits – der Schwierigkeit wahrzunehmen, daß Reagieren bestimmte Auswirkungen hat – ist notwendig. Ich bin der Überzeugung, daß das Begreifen der Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz nur ein Spezialfall für den Lernprozeß ist, daß zwei beliebige Ereignisse voneinander unabhängig sind. D. Kemler und B. Shepp (1971) haben die eleganteste Studie über das Erlernen, daß Ereignisse voneinander unabhängig sind, durchgeführt, die ich kenne. Erinnern Sie sich kurz, was bei einer lösbaren Diskriminationsaufgabe mit der relevanten Dimension schwarz-weiß und der irrelevanten Dimension linksrechts zu lernen war. Weiß war immer mit Belohnung, schwarz mit deren Ausbleiben korreliert; bei der Hälfte der Durchgänge – zufällig verteilt – liegt die schwarze Karte links und die weiße rechts, während in den anderen Durchgängen die weiße Karte links und die schwarze rechts liegt. Links-rechts ist also unabhängig von oder irrelevant für die Belohnung: die Wahrscheinlichkeit einer Belohnung bei der Wahl der linken Karte ist gleich der Wahrscheinlichkeit, für die Wahl der rechten Karte, belohnt zu werden – nämlich 0.5. Was aber wird nun gelernt, wenn eine Dimension – wie links-rechts – unabhängig von Belohnung ist? Lernt ein Individuum aktiv, was irrelevant ist, oder igno40 riert es passiv irrelevante Stimuli? Für die kognitive Prämisse meiner Theorie der Hilflosigkeit ist es entscheidend, daß ein Individuum aktiv die Unabhängigkeit von linksrechts und der Konsequenz lernen kann. Ähnlich wie in dem bereits beschriebenen Experiment legten Kemler und Shepp Kindern, die die Dimension links-rechts bei früheren Aufgaben als irrelevante Dimension erfahren hatten, Aufgaben vor, bei denen nun links-rechts die relevante Dimension war. Die Fähigkeit dieser Kinder zu lernen, daß eine vorher irrelevante Dimension nun relevant war, wurde mit einer sorgfältig ausgewählten Reihe von Kontrollgruppen verglichen. Diese Kinder lernten am langsamsten, daß die Entscheidung für links-rechts richtig war, sie lernten sogar noch langsamer als Kinder, die diese Dimension zuvor überhaupt noch nicht kennengelernt hatten. Diese elegant geplante Studie zeigte, daß Kinder aktiv lernen, daß das Reagieren auf die irrelevante Dimension keine Konsequenzen hat, und daß sie, wenn sich die Regeln ändern, Mühe haben herauszufinden, daß diese Dimension nun die relevante ist. Dem muß wenig hinzugefügt werden; der Leser mag sich lediglich an die anderen Beweise erinnern, die im letzten Kapitel genannt worden waren und die ebenfalls zeigten, daß die Erfahrung von Unabhängigkeit mit späterem Erfassen von Abhängigkeit interferiert.53 4.1.3 Emotionale Störungen Ein zum ersten Male erlebtes traumatisches Ereignis verursacht einen Zustand gesteigerter emotionaler Erregung, den man grob als Furcht bezeichnen kann. Dieser Zustand dauert an, bis eine von zwei Möglichkeiten eintritt: wenn das Individuum lernt, daß es die traumatischen Bedingungen kontrollieren kann, wird die Furcht abgebaut und kann völlig verschwinden; oder wenn das Individuum auf die Dauer lernt, daß es die traumatischen Bedingungen nicht kontrollieren kann, wird die Furcht abnehmen und durch Depression ersetzt. Wenn z.B. eine Ratte, ein Hund oder ein Mensch eine unentrinnbare traumatische Situation erleben, so wehren sie sich zunächst heftig. Ich glaube, daß Furcht in diesem Zustand die dominierende emotionale Reaktion ist. Wenn das Individuum lernt, das Trauma zu kontrollieren, läßt die heftige Aktivität zugunsten von wirksamem und gelassenem Verhalten nach. Sind die traumatischen Bedingungen jedoch unkontrollierbar, weicht die akute Abwehr schließlich dem Zustand der Hilflosigkeit, den ich beschrieben habe. Die diesen Zustand begleitende Emotion ist meiner Meinung nach Depression. Ähnlich wird bei einem Affenkind, das von seiner Mutter getrennt wird, durch diese traumatische Erfahrung große Verzweiflung ausgelöst.54 Das Affenkind rennt wild herum und stößt verzweifelte Schreie aus. Zweierlei kann folgen: wenn die Mutter zurückkommt, kann das Kind sie wieder kontrollieren und seine Not läßt nach; kehrt die Mutter nicht zurück, wird das Kind schließlich lernen, daß es die Mutter nicht zurückholen kann und wird in Depression verfallen, die seine Furcht ersetzt. Das Kind rollt sich zu einem Knäuel zusammen und wimmert leise vor sich hin. Eine derartige Sequenz haben wir tatsächlich bei allen Primaten, die wir beobachtet haben, vorgefunden. Auch ein kürzlich von S. Roth und R. R. Bootzin (1974) durchgeführtes Humanexperiment zu Hilflosigkeit legt die Annahme einer solchen Sequenz nahe. Studenten erhielten lösbare und unlösbare Aufgaben und wurden anschließend in einen zweiten Raum geführt, wo eine weitere Serie von Aufgaben, die nun alle lösbar waren, auf dem Bildschirm erschien. Nach jedem zehnten Durchgang verschwamm das Bild kurz. Diejenigen Studenten, die zuvor unlösbare Aufgaben erhalten hatten, wandten sich als erste mit der Bitte an den Versuchsleiter, das Bild neu einzustellen; es schien, als ob diese Gruppe durch die Erfahrung von Unlösbarkeit eher ängstlich und frustriert als hilflos geworden war, zumindest gemessen an ihrer Bereitschaft, Hilfe zu suchen. Jedoch 41 schnitten diese Studenten tendenziell bei den neuen, über den Bildschirm dargebotenen Aufgaben schlechter ab. Die Autoren stellten die Hypothese auf, daß Unkontrollierbarkeit zunächst Frustration hervorruft, die dann, wenn weiterhin Unkontrollierbarkeit erlebt wird, Hilflosigkeit weicht. Dies wird bestätigt durch Roth und Kubal (1974), die Hilflosigkeit und nicht Erleichterung beobachteten, wenn sie mehr Unkontrollierbarkeit induzierten oder wenn die Versuchsperson ihre Mißerfolge als bedeutsamer einstufte. Furcht und Frustration können als motivierende Faktoren angesehen werden, die sich zur Aufrechterhaltung von Bewältigungsreaktionen herausgebildet haben und unter traumatischen Bedingungen zum Vorschein kommen. Die ersten Reaktionen zur Kontrolle der traumatischen Bedingungen werden durch diese Furcht ausgelöst. Sind die traumatischen Bedingungen einmal unter Kontrolle, haben die Furchtreaktionen wenig Sinn und nehmen ab. Solange das Individuum aber unsicher ist, ob es die traumatischen Bedingungen kontrollieren kann oder nicht, hat die Furcht noch nützliche Funktion, da sie die Suche nach einer effektiven Reaktion aufrechterhält. Wenn das Individuum schließlich überzeugt ist, daß das Trauma unkontrollierbar ist, schwindet die Furcht ebenfalls – sie ist nicht nur nutzlos, sondern schlimmer, da sie das Individuum viel Energie in einer hoffnungslosen Situation kostet. Dann kommt es zu Depressionen.55 Verschiedene Theoretiker haben über das Bedürfnis oder den Trieb gesprochen, Ereignisse in der Umgebung zu kontrollieren. In einer klassischen Arbeit schlug R. W. White (1959) den Begriff der Kompetenz vor. Er behauptete, daß sowohl Lerntheoretiker als auch psychoanalytische Denker einen fundamentalen Trieb zur Kontrolle übersehen hätten. Das Bedürfnis nach Bewältigung könne im Leben von Mensch und Tier durchdringender sein als Sex, Hunger und Durst. Das Spiel kleiner Kinder sei z.B. nicht durch »biologische« Triebe motiviert, sondern von einem Bedürfnis nach Kompetenz. Ähnlich behauptete J. L. Kavanau (1967), daß das Bedürfnis, Zwängen zu widerstehen, bei wilden Tieren wichtiger sei als Sex, Nahrung und Wasser. Er fand, daß gefangene Weißfuß-Mäuse übermäßig viel Zeit und Energie verwendeten, nur um sich gegen experimentelle Manipulationen zu wehren. Wenn der Forscher die Lichter einschaltete, verbrachte die Maus ihre Zeit damit, sie wieder auszuschalten. Drehte der Forscher die Lichter aus, drehte die Maus sie wieder an. Ein Bedürfnis nach Kompetenz oder nach Widerstand gegen Zwänge ist aus meiner Perspektive heraus ein Bedürfnis, Hilflosigkeit zu vermeiden. Die Existenz eines solchen Bedürfnisses folgt direkt aus der emotionalen Prämisse unserer Theorie. Da der Zustand der Hilflosigkeit Furcht und Depression auslöst, dient jede Aktivität, die Hilflosigkeit vermeidet, gleichzeitig der Vermeidung dieser unangenehmen emotionalen Zustände. Kompetenz kann also als Bedürfnis betrachtet werden, um die durch Hilflosigkeit induzierte Angst und Depression zu vermeiden.56 Damit haben wir unsere Theorie der Hilflosigkeit formuliert: die Erwartung, daß eine Konsequenz von den eigenen willentlichen Reaktionen unabhängig ist, senkt a) die Motivation, diese Konsequenz kontrollieren zu wollen, b) interferiert mit der Fähigkeit zu lernen, daß die eigenen Reaktionen die Konsequenz tatsächlich kontrollieren, und c) wenn die Konsequenz traumatisch ist, löst diese Erwartung solange Furcht aus, wie das Individuum sich der Unkontrollierbarkeit der Konsequenz nicht sicher ist; danach führt sie zu Depression. 42 4.2 Behandlung und Prävention Aus unserer Theorie läßt sich eine Möglichkeit ableiten, um Hilflosigkeit zu behandeln, wenn sie aufgebaut worden ist, und eine Möglichkeit, ihr Auftreten zu verhindern. Wenn das zentrale Problem des Mangels an Reaktionsbereitschaft in der Erwartung liegt, daß die eigenen Reaktionen zu nichts führen, dann sollte Heilung eintreten, wenn diese Erwartung aufgehoben wird. Meine Kollegen und ich haben lange Zeit erfolglos an diesem Problem gearbeitet: zunächst entfernten wir die Trennwand aus der shuttle box, so daß der hilflose Hund auf die sichere Seite laufen konnte, wenn er wollte; aber er blieb einfach liegen. Dann stieg ich in die sichere Käfighälfte und rief den Hund, aber der rührte sich nicht. Wir ließen den Hund hungern und legten dann eine von ihm bevorzugte Salami57 auf die sichere Seite, aber er rührte sich nicht. Wir versuchten mit allen Mitteln, den Hund dazu zu bringen, während der elektrischen Schläge zu reagieren, um ihn zu der Einsicht zu bringen, daß seine Reaktion den Schock beendete. Schließlich zeigten wir einen unserer hilflosen Hunde James Geer, einem Verhaltenstherapeuten, der sagte: »Wenn ich so einen Patienten hätte, würde ich ihm schnell und unvermittelt einen Tritt geben, um ihn in Bewegung zu setzen.« Geer hatte recht: diese Therapie führte bei allen hilflosen Hunden und Ratten immer zum Erfolg.58 Für uns bedeutete dies, den Hund zur Reaktion zu zwingen – wenn es sein mußte, immer und immer wieder – und ihn so nach und nach begreifen zu lassen, daß ein Überwechseln in die andere Käfighälfte den Schock beendete. Zu diesem Zweck banden wir lange Leinen um den Kopf des Hundes und fingen an, ihn während CS und elektrischem Schlag in der shuttle box, in der die Trennwand entfernt worden war, hin und her zu zerren. Wenn wir den Hund auf die andere Seite bekamen, hörte der Schock auf. Nach fünfundzwanzig- bis zweihundertmaligem Hin-und-her-Zerren fingen alle Hunde an, von sich aus zu reagieren. Hatten sie einmal angefangen zu reagieren, bauten wir die Trennwand stufenweise wieder auf, und die Hunde fuhren trotzdem fort zu entfliehen und zu vermeiden. Die Heilung von Hilflosigkeit war vollständig und dauerhaft, und wir haben dieses Verfahren bei ungefähr 25 Hunden und ebenso vielen hilflosen Ratten wiederholt. Die Hunde zeigten ein bemerkenswertes Verhalten, wenn wir an der Leine zogen: anfangs mußten wir eine ganze Menge Kraft aufwenden, um den Hund mitten durch die shuttle box zu zerren. Gewöhnlich hing der Hund mit seiner ganzen Schwere an der Leine; in manchen Fällen leistete der Hund auch Widerstand. Mit fortschreitendem Training war dann zunehmend weniger Kraftaufwand erforderlich. Normalerweise stellte sich ein Zustand ein, bei dem ein leichter Ruck an der Leine ausreichte, um den Hund in Bewegung zu setzen. Am Ende sprang jeder Hund von sich aus und konnte daher jedesmal mit Erfolg entfliehen. Hatte der Hund die richtige Reaktion erst einmal häufiger ausgeführt, so hatte er die Reaktion-Erleichterung Kontingenz begriffen. Es ist bedeutsam, daß so viel »direktive Therapie« notwendig war, bevor die Hunde von sich aus reagierten. Diese Beobachtung unterstützt eine Deutung der Effekte unvermeidbarer Schocks unter kognitiv-emotionaler Perspektive: Unkontrollierbarkeit senkt die Motivation, in Gegenwart des elektrischen Schlages zu reagieren, und beeinträchtigt die Fähigkeit, Reaktionen mit Erleichterung zu assoziieren. Durchschlagende Erfolge der Medizin sind häufiger auf präventive Maßnahmen zurückzuführen als auf Behandlung, und ich möchte die Vermutung wagen, daß Impfung und Immunisierung mehr Menschenleben gerettet haben als therapeutische Maßnahmen. In der Psychotherapie sind Maßnahmen fast ausnahmslos rehabilitativer Art und Prävention spielt kaum eine wichtige Rolle. Bei unseren Untersuchungen an Hunden und Ratten fanden wir, daß behaviorale Immunisierung, wie sie sich aus unserer Theorie ergibt, ein einfaches und effektives Mittel zur Prävention gelernter Hilflosigkeit darstellt. 43 Erste Erfahrungen mit Kontrolle über traumatische Bedingungen sollten mit der Ausbildung der Erwartung interferieren, daß Reaktion und Ende des elektrischen Schlages unabhängig voneinander sind, genauso wie die Unfähigkeit, Schocks zu kontrollieren, dem Lernen entgegensteht, daß Reagieren Erleichterung bringt. Um dies zu überprüfen, ließen wir eine Gruppe von Hunden in zehn Durchgängen in der shuttle box lernen, elektrischen Schlägen zu entfliehen, bevor sie im Pavlovschen Geschirr unvermeidbare Schocks verabreicht bekamen.59 Dadurch wurde die Beeinträchtigung nachfolgenden Flucht-Vermeidungsverhaltens reduziert. Immunisierte Hunde reagierten normal, wenn sie 24 Stunden nach der Erfahrung unvermeidbarer Schocks im Pavlovschen Geschirr in die shuttle box gebracht wurden. Gleichzeitig kam ein anderes interessantes Ergebnis zum Vorschein: diejenigen Hunde, die als erstes gelernt hatten, durch Springen den elektrischen Schlägen in der shuttle box zu entfliehen, drückten anschließend im Pavlovschen Geschirr während der unvermeidbaren Schocks das Pedal viermal so häufig wie naive Hunde, obwohl Hebeldrücken keinerlei Auswirkungen auf die Schocks hatte. Wahrscheinlich spiegelt dieses Hebeldrücken die Versuche der Hunde wider, den Schock zu kontrollieren. David Marques, Robert Radford und ich ergänzten diese Befunde, indem wir die Hunde zunächst elektrische Schläge im Pavlovschen Geschirr durch Hebeldrücken beenden ließen. Darauf folgten unvermeidbare Schocks in der gleichen Situation. Die Erfahrung von Kontrolle über das Ende der elektrischen Schläge bewahrte die Hunde davor, hilflos zu werden, als sie später in der shuttle box getestet wurden. Meines Wissens nach wurde bisher keine Parameterstudie zur Immunisierung durchgeführt. Wieviel Immunisierung ist notwendig, um ein gegebenes Maß an Unkontrollierbarkeit zu überwinden? Gibt es ein Ausmaß an Immunisierung, das einen Organismus unverwundbar gegenüber Hilflosigkeit macht? Gibt es ein Ausmaß an Unkontrollierbarkeit, das jede Immunisierung zunichte macht? Andere Ergebnisse aus unserem Laboratorium stützen die Überlegung, daß die Erfahrung kontrollierbarer traumatischer Bedingungen Organismen vor der Hilflosigkeit zu schützen vermag, die durch unvermeidbares Trauma ausgelöst wird. Erinnern Sie sich, daß bei Hunden mit uns unbekannter Lerngeschichte Hilflosigkeit mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auftrat: ungefähr zwei Drittel der Hunde, die unvermeidbare elektrische Schläge erhalten, werden hilflos, während ein Drittel normal reagiert. Von naiven Hunden ohne jede Vorerfahrung unvermeidbarer Schocks reagieren ungefähr 5% hilflos in der shuttle box. Warum werden manche Hunde hilflos und andere nicht? Könnte es möglich sein, daß jene Hunde, die selbst nach unvermeidbaren Schocks nicht hilflos reagieren, eine Lerngeschichte kontrollierbarer traumatischer Bedingungen hinter sich hatte, bevor sie in unser Laboratorium kamen – wenn sie z.B. ein Rudel anführten oder kleine Kinder einschüchterten. Wir überprüften diese Hypothese, indem wir Hunde isoliert in Laboratoriumskäfigen aufzogen.60 Im Vergleich zu Hunden mit unbekannter Lerngeschichte konnten diese Hunde nur sehr begrenzte Erfahrungen sammeln, was die Kontrolle irgendwelcher Konsequenzen anbetrifft, da ihnen Nahrung und Wasser gebracht wurden und ihr Kontakt zu anderen Hunden und Menschen sehr eingeschränkt war. Diese im Käfig aufgezogenen Hunde erwiesen sich als anfälliger für Hilflosigkeit: während bei Hunden mit unbekannter Lemgeschichte vier Sitzungen mit unvermeidbaren elektrischen Schlägen erforderlich waren, um in der eine Woche später folgenden Testphase Hilflosigkeit zu erzeugen, reichten nur zwei Sitzungen mit unvermeidbaren Schocks im Pavlovschen Geschirr, um bei den im Käfig aufgezogenen Hunden Hilflosigkeit zu verursachen. Es ist auch berichtet worden, daß es Hunden, die isoliert aufgezogen wurden, eher mißlingt, Schocks zu entfliehen.61 Es scheint so, als ob Hunde, die in ihrer Entwicklungsgeschichte der natürlichen Möglichkeiten, Verstärker zu kontrollieren, beraubt waren, anfälliger für Hilflosigkeit sein dürften als von Natur aus immunisierte Hunde. 44 In diesem Zusammenhang sollten wir C. P. Richters (1957) schlagende Ergebnisse über den plötzlichen Tod wilder Ratten erwähnen. Richter entdeckte, daß wilde Ratten, wenn er sie so lange fest an der Hand gehalten hatte, bis sie aufgehört hatten zu zappeln, und sie dann in einen Wasserbehälter ohne Fluchtmöglichkeit setzte, innerhalb von 30 Minuten ertranken, während Ratten, die nicht festgehalten worden waren, 60 Stunden schwimmen konnten, bevor sie ertranken. Richter konnte diesen plötzlichen Tod durch eine Behandlung verhindern, die unserem Immunisierungsverfahren ähnelte: wenn er die Ratte festhielt, sie dann kurz losließ, sie wieder festhielt und wieder losließ, trat kein plötzlicher Tod ein. Wenn er das Tier darüber hinaus, nachdem er es festgehalten hatte, in das Wasserbekken setzte, es dann wieder herausnahm, wieder hineinsetzte und abermals rettete, wurde ebenfalls der plötzliche Tod verhindert. Diese Prozeduren mögen wie unsere eigenen bei Hunden der Ratte ein Gefühl für potentielle Kontrolle über traumatische Bedingungen vermitteln und sie dadurch gegen plötzlichen Tod durch unvermeidbares Trauma immunisieren. Richter vermutete, daß die entscheidende Variable für den plötzlichen Tod »Hoffnungslosigkeit« war: für ein wildes Tier bedeutet es eine überwältigende Erfahrung von Kontrollverlust über seine Umgebung, wenn es von einem Gegner festgehalten und in seiner Bewegung behindert wird. Das Phänomen eines Todes aus Hilflosigkeit ist so wichtig, daß ich ihm das gesamte letzte Kapitel widmen möchte. 4.2.1 Grenzen der Hilflosigkeit Da wir alle in gewissem Maße Hilflosigkeit erfahren, warum sind wir dann nicht immer hilflos? Angenommen, ich nehme eines Morgens die Bahn, um zur Arbeit zu fahren. Ich sitze hilflos in einem Fahrzeug, dessen Funktionsweise ich nicht richtig verstehe, das von einem Fahrer gesteuert wird, den ich nicht kenne. Trotzdem verhalte ich mich hinterher ganz normal, ohne eine der drei Auswirkungen von Hilflosigkeit zu zeigen. Was hat diese Auswirkungen in Schranken gehalten? Der entscheidende Faktor ist der Übergang von der Erfahrung von Unkontrollierbarkeit zu der Ausbildung einer Erwartung, daß Konsequenzen unkontrollierbar sind. Unter welchen Bedingungen wird diese Erwartung, daß Ereignisse unkontrollierbar sind, nun aber nicht ausgebildet, selbst wenn das Individuum tatsächlich Unkontrollierbarkeit erfahren hat? Ich vermute, daß mindestens drei Faktoren eine Erwartung von Unkontrollierbarkeit nicht aufkommen lassen: Immunisierung durch eine inkompatible Erwartung, Immunisierung durch diskriminative Kontrolle und die relative Bedeutung der Konsequenzen. Eine vorausgegangene Geschichte von Erfahrungen, daß eine gegebene Konsequenz kontrollierbar ist, wird zu der Erwartung führen, daß die Konsequenz kontrollierbar ist. Wird das Individuum schließlich mit einer Situation konfrontiert, in der die Konsequenz tatsächlich unkontrollierbar ist, wird es nur schwer davon zu überzeugen sein, daß die Konsequenz nun unkontrollierbar ist. Dies ist der Kern des Immunisierungs-Konzeptes. Vorausgehende Erwartungen sind natürlich ein zweischneidiges Schwert. Nach vorausgegangenen Erfahrungen von Unkontrollierbarkeit gewinnt man nur schwer die Überzeugung, daß eine Konsequenz kontrollierbar ist, selbst wenn sie es tatsächlich ist; dies entspricht ja auch dem Ergebnis unseres grundlegenden Experimentes zur Hilflosigkeit: der Hund erwartet selbst angesichts kontrollierbarer Schocks weiterhin, daß der Schock unkontrollierbar ist. Immunisierung durch diskriminative Kontrolle stellt eine zweite Einschränkung der Allgemeingültigkeit von Hilflosigkeit dar. Wenn ein Mensch an einem Ort, z.B. seinem Büro, gelernt hat, daß er Kontrolle hat, und wird an einem anderen Ort, z.B. dem Zug, hilflos, so wird er zwischen der unterschiedlichen Kontrollierbarkeit der beiden Umgebungen diskriminieren. Ähnlich wie der Hund, der in der shuttle box Einfluß auf die elektrischen Schläge ausüben konnte, auch nach zwischenzeitlich erfahrener Unkon45 trollierbarkeit im Pavlovschen Geschirr fortfahren wird zu entfliehen, so sollte Hilflosigkeit in der Bahn nicht meine Leistung im Büro beeinflussen. C. S. Dweck und N. D. Repucci (1973) berichteten über diskriminative Kontrolle bei Hilflosigkeit bei Schulkindern: wenn ein Lehrer den Schülern zuerst unlösbare und dann lösbare Aufgaben stellte, so gelang es den Kindern nicht, diese zu lösen, selbst wenn sie identische Aufgaben, die ihnen von anderen Lehrern gestellt wurden, rasch lösten. Steven Maier berichtete dagegen in einer unveröffentlichten Untersuchung, daß Hunde nur mangelhafte diskriminative Kontrolle bei Hilflosigkeit ausüben. In Anwesenheit eines Tones konnten die Hunde, die angeschirrt waren, elektrischen Schlägen durch Hebeldrücken entfliehen, leuchtete ein Licht auf, so waren die Schocks unvermeidbar. Zu Maiers Überraschung reagierten die Hunde in der shuttle box sowohl während des Tones als auch während des Lichtes hilflos. Es müssen nicht gerade Töne oder Lichter zu Hilfe genommen werden, damit diskriminative Kontrolle bei Hilflosigkeit gelernt wird. Bereits der Hinweis, daß ein bestimmtes Ereignis unkontrollierbar ist – vor allem von jemanden, der »es wissen sollte« –, wird eine Erwartung erzeugen, daß dieses Ereignis unkontrollierbar ist, selbst wenn diese Kontingenz aktuell nicht erfahren wird. Andererseits wird auch der Hinweis, daß ein Geschehen kontrollierbar ist, eine Erfahrung dieser Kontingenz erübrigen. Erinnern wir uns daran, daß es genügte, eine Versuchsperson darauf hinzuweisen, daß ihr ein Alarmknopf zur Verfügung stehe, mit dem sie lauten Lärm abstellen könne, um viele der Auswirkungen von Hilflosigkeit zu vermeiden, selbst wenn die Versuchsperson keinen Gebrauch von dem Alarmknopf machte. Der letzte der drei Faktoren, die den Transfer der Hilflosigkeit von einer Situation auf die andere einschränken, ist die relative Bedeutsamkeit der beiden Situationen: Hilflosigkeit kann leicht von stärker traumatisierenden oder bedeutsamen Ereignissen auf weniger traumatische oder auf unbedeutsame Ereignisse übertragen werden, aber nicht umgekehrt. Ich habe das Gefühl, daß ich noch lange nicht in intellektuellen Auseinandersetzungen hilflos würde, wenn ich lernen würde, daß der Aufzug in meinem Bürogebäude unkontrollierbar ist; aber wenn ich mich plötzlich intellektuellen Anforderungen gegenüber hilflos sähe, könnte es sein, daß ich es aufgeben würde, auf den Knopf zu drücken, damit der Aufzug rascher kommt. Bob Rosellini und ich fanden heraus, daß Ratten sich weniger hilflos verhielten, wenn sie zuerst elektrische Schläge sehr schwacher Intensität verabreicht bekamen und dann auf ihre Fluchtreaktionen bei den gleichen schwachen Schocks untersucht wurden: sie entflohen den Schocks kaum schlechter als Ratten, die zuvor nicht geschockt worden waren. Wurden jedoch sowohl in der Vortrainingsphase als auch in der Testphase sehr starke elektrische Schläge verabreicht, so entflohen die hilflosen Tiere viel schlechter als Ratten, die zuvor keine elektrischen Schläge erhalten hatten. Mir ist zur Zeit kein Ergebnis experimenteller Untersuchungen bekannt, demzufolge die Erfahrung von Hilflosigkeit in einer irrelevanten Situation Hilflosigkeit in einer subjektiv bedeutsamen Situation hervorruft, während Hilflosigkeit in einer bedeutsamen Situation dazu führt, daß man auch in irrelevanten Situationen hilflos reagiert. 46 4.3 Alternative Theorien Die in Kapitel III vorgestellten Ergebnisse belegen die Theorie der Hilflosigkeit recht gut; tatsächlich hätte sie, historisch gesehen, viele dieser Ergebnisse voraussagen können. Außerdem lassen sich aus ihr erfolgversprechende Möglichkeiten zur Behandlung und Prävention von Hilflosigkeit ableiten. Während der letzten zehn Jahre sind eine Reihe alternativer Ansätze entwickelt worden.62 Beiläufig bemerkt erklärt keiner davon die vielfältigen Auswirkungen, die wir dargestellt haben; sie konzentrieren sich eher darauf, zu erklären, wie unvermeidbarer Schock mit späteren Fluchtreaktionen interferieren kann. 4.3.1 Inkompatible motorische Reaktionen Die traditionelle Lerntheorie dachte nicht nur konservativ darüber, wie einfach die Kontingenzen für Lernen sein müßten, sondern auch darüber, was gelernt werden könnte. So fiel es Lerntheoretikern leicht zu sagen, daß eine Taube eine Reaktion, wie z.B. für Futter auf eine Taste zu picken, gelernt habe, aber es brachte sie in Schwierigkeiten zu sagen, daß eine Taube gelernt habe, daß das Picken Futter herbeibrachte. Eine solche Erkenntnis wurde gewöhnlich aus dem Bereich dessen, was Tiere (und sogar Menschen!) lernen könnten, ausgeschlossen. Eine solche konservative Denkweise wird mit der Forderung nach Beobachtbarkeit und einfacher Darstellung begründet: das Lernen einer Reaktion ist beobachtbar, aber kognitive Prozesse können nur erschlossen werden. Darüber hinaus betrachtete man das Lernen einer Reaktion als einfach und fundamental, während Kognitionen als komplex und hergeleitet angesehen wurden. Obwohl diese Kontroverse in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend weniger hitzig geführt wird, sind die auf das Lernen von Reaktionen zentrierten Alternativen zu unserer kognitiven Theorie der Hilflosigkeit einer Betrachtung wert. Warum gelingt es den Hunden in der shuttle box nicht, elektrischen Schlägen zu entfliehen? Nicht weil sie gelernt haben, daß alle Reaktionen wirkungslos bleiben, sondern weil sie im Pavlovschen Geschirr eine motorische Reaktion gelernt haben, die sie nun in der shuttle box ausführen und die mit der Reaktion, über die Trennwand zu springen, inkompatibel ist. Eine solche inkompatible Reaktion kann auf drei unterschiedliche Arten gelernt werden. Eine Form basiert auf der Idee abergläubischer Verstärkung und geht davon aus, daß eine spezifische motorische Reaktion zufällig gerade in dem Moment ausgeführt wird, in dem der elektrische Schlag im Pavlovschen Geschirr aufhört. Dieses magische Moment verstärkt die spezifische Reaktion und erhöht die Wahrscheinlichkeit, daß sie auch im folgenden Durchgang wieder zufällig dann auftritt, wenn der Schock aufhört. Auf diese Weise wird die Reaktion sehr stabil. Wenn diese Reaktion unvereinbar mit dem Sprung über die Trennwand in der shuttle box ist und wenn sie in der shuttle box durch den elektrischen Schlag ausgelöst wird, dann wird der Hund nicht über die Trennwand springen. Diese Sichtweise hat eine dürftige empirische Basis: wir beobachteten Hunde und Ratten eingehend, fanden aber keinen Anhaltspunkt für abergläubische Reaktionen. Darüber hinaus ist das Argument logisch nicht stichhaltig: wenn irgendeine Reaktion abergläubisch durch die Beendigung des elektrischen Schlages verstärkt wird und daher mit größerer Wahrscheinlichkeit wieder auftritt, dann müßte sie mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit zufällig dann ausgeführt werden, wenn der Schock einsetzt, wie dann, wenn er aufhört. Diese Reaktion würde dann durch Beginn und Fortdauer des elektrischen Schlages ebenso bestraft wie durch seine Beendigung verstärkt und müßte daher in ihrer Auftrittswahrscheinlichkeit abnehmen. Und selbst wenn diese Reaktion im Vortraining erworben wurde, so fragt man sich, warum die spezifische Reaktion trotz hun47 derter, Sekunden dauernder elektrischer Schläge während der Testphase beibehalten werden sollte. Mir scheint, daß eine solche Reaktion eigentlich eher verschwinden sollte. Einer zweiten Hypothese zufolge werden aktive Reaktionen durch zufälliges Zusammentreffen mit dem Einsetzen des elektrischen Schlages bestraft. Eine derartige abergläubische Bestrafung senkt die Wahrscheinlichkeit aktiver Reaktionen im Pavlovschen Geschirr, was dann auf die shuttle box übertragen wird. Diese Hypothese birgt die gleichen logischen Probleme wie die Hypothese abergläubischer Verstärkung. Aktives Reagieren mag gelegentlich durch das Einsetzen des elektrischen Schlages bestraft werden, aber es wird dann ebenso durch die Beendigung des Schocks verstärkt. Außerdem wird passives Verhalten häufiger, wenn aktive Reaktionen durch Bestrafung abgebaut werden. Von da an wird Bestrafung passive Reaktionen auszuschalten beginnen und dadurch die Wahrscheinlichkeit aktiver Reaktionen erhöhen usw. Mehr noch, selbst wenn passives Verhalten durch abergläubische Bestrafung im Pavlovschen Geschirr erworben wurde, warum sollte es trotz der vielen hundert, Sekunden anhaltender Schocks in der shuttle box beibehalten werden? Der Leser sollte inzwischen abzuschätzen beginnen, wie viele Freiheitsgrade die Erklärungen abergläubisch konditionierter motorischer Reaktionen bergen und wie diese Erklärungen jedes beliebige Ergebnis scheinbar »erklären« können – nach dessen Ermittlung. Eine dritte Version der Erklärung inkompatibler motorischer Reaktionen geht davon aus, daß das Tier mit Hilfe irgendeiner spezifischen motorischen Reaktion die Intensität der elektrischen Schläge im Pavlovschen Geschirr vermindert. Eine so explizit verstärkte Reaktion könnte mit dem Sprung über die Trennwand interferieren. Da aber unvermeidbare Schocks im Pavlovschen Geschirr über durch Elktrodenpaste fest haftende Elektroden verabreicht werden, ist es unwahrscheinlich, daß der Hund die Schockintensität durch irgendeine bestimmte motorische Reaktion verändern kann. Es ist jedoch denkbar, daß irgendein unbekannter Bewegungsablauf den Schmerz reduziert. Overmier und Seligman (1967) schlossen diese Möglichkeit aus, indem sie die Hunde mit Hilfe von Curare vollständig paralysierten, so daß diese keinen einzigen Muskel bewegen konnten, während sie im Pavlovschen Geschirr unvermeidbare elektrische Schläge verabreicht bekamen. Diese Hunde schafften es anschließend genauso wenig, in der shuttle box elektrischen Schlägen zu entfliehen wie nichtparalysierte Hunde, die unvermeidbare Schocks erfahren hatten. Hunde, die nur paralysiert wurden, ohne elektrische Schläge zu bekommen, zeigten später normale Fluchtreaktionen. Wenn ein Hund unter Curare die Schockintensität reduzieren kann, dann schafft er dies sicherlich nicht über Muskelreaktionen. Egal wie das Zustandekommen der Reaktion gesehen werden mag, sind wir überzeugt davon, daß Hilflosigkeit nicht durch inkompatible motorische Reaktionen erklärt werden kann. Am nachdrücklichsten schließt S. F. Maiers (1970) Experiment diese Möglichkeit aus. Als Antwort auf die mögliche Kritik, daß das, was während traumatischer Bedingungen gelernt wird, nicht eine kognitive Einstellung von Hilflosigkeit ist, wie wir das vorgeschlagen haben, sondern irgendeine motorische Reaktion wie z.B. die Schreckstarre,63 die jeder Sprungreaktion entgegensteht, verstärkte Maier die am stärksten entgegengesetzten Reaktionen, die er finden konnte. Wie sich der Leser erinnern wird, waren bei einer Gruppe von Hunden (passive Fluchtgruppe) sowohl seitlich wie über den Köpfen der Versuchstiere Tasten im Abstand von ca. »2 cm angebracht. Nur wenn die Hunde ihre Köpfe nicht bewegten, also passiv und ruhig blieben, konnten sie den elektrischen Schlägen entfliehen. Eine zweite Gruppe (yoked-Kontrollgruppe) erhielt die gleichen elektrischen Schläge im Pavlovschen Geschirr, jedoch unabhängig von ihrem Verhalten. Eine dritte Gruppe erhielt keine Schocks. Der Hypothese vom Re48 aktionslernen zufolge würde man voraussagen, daß die passive Fluchtgruppe am hilflosesten reagieren würde, wenn sie später in der shuttle box getestet wurde, da sie gelernt habe, sich unter traumatischen Bedingungen gerade nicht zu bewegen. Die Hilflosigkeitshypothese macht die entgegengesetzte Voraussage: die Hunde der passiven Fluchtgruppe konnten den Schock kontrollieren, wenngleich sie dies durch Passivität erzielten; eine Reaktion, selbst wenn diese inkompatibel war, reduzierte den Streß, und daher war anzunehmen, daß die Hunde nicht lernten, daß jedes Reagieren zwecklos sei. Es war also zu erwarten, daß die passive Fluchtgruppe lernte, den elektrischen Schlägen durch den Sprung über die Trennwand zu entgehen, und genau dies geschah. Ähnliches beobachteten wir bei Ratten: es erscheint unwahrscheinlich, daß die Ratte nach der Erfahrung unvermeidbarer Schocks eine inkompatible Reaktion lernt; denn wie die im Kapitel 3 diskutierten Rattenexperimente zeigten, reagierten die Ratten in Versuchsplänen, die nur einen Hebeldruck oder einen Sprung vorsahen, angemessen und wurden erst hilflos, wenn zwei oder mehr Reaktionen verlangt wurden.64 Inkompatible Reaktionen würden mit der zuerst gelernten Reaktion mindestens genauso interferieren wie mit der zweiten und dritten. Wenn auch Erklärungen, die vom Reaktionslernen ausgehen, willkommene Hilfsmittel gewesen sind, so erfüllen sie doch nicht die Aufgabe, Hilflosigkeit zu erklären – Hilflosigkeit ist keine periphere Veränderung des Verhaltensrepertoires, sondern ein anderer Zustand, der den gesamten Organismus betrifft. 4.3.2 Adaptation, emotionale Erschöpfung und Sensibilisierung Mehrere Hypothesen, die den motivationalen Aspekt berücksichtigen, wurden aufgestellt, um zu erklären, warum Versuchstiere nach der Erfahrung unkontrollierbarer Schocks keine Fluchtreaktionen bewältigen. Theoretische Modelle der Adaptation wie der emotionalen Erschöpfung behaupten, daß sich Tiere, die unkontrollierbare elektrische Schläge erhalten haben, an die traumatischen Bedingungen gewöhnen und sie daher nicht mehr genug beachten, um zu reagieren. Sie sind so erschöpft oder so adaptiert, daß ihr Motivationsniveau nicht mehr ausreicht. Diese These ist aus verschiedenen Gründen nicht aufrechtzuerhalten: 1) Die Tiere machen nicht den Eindruck, adaptiert zu sein: während der ersten elektrischen Schläge im Flucht-Vermeidungs-Test reagieren sie heftig; in späteren Durchgängen werden sie passiv, aber selbst dann noch winseln sie, wenn sie einen elektrischen Schlag erhalten. 2) Eine Adaptation an wiederholte, elektrische Schläge starker Intensität ist bisher nie direkt demonstriert worden, wie aus der Literatur zu Schmerzreaktionen hervorgeht. 3) Selbst wenn es zur Adaptation kommt, ist es unwahrscheinlich, daß diese über die Zeitphasen zwischen Hilflosigkeitstraining und Flucht-Vermeidungstraining hinweg anhält. 4) Wir haben die Adaptationshypothese experimentell widerlegt: Bruce Overmier und ich verabreichten Versuchstieren in der shuttle box sehr starke elektrische Schläge, ohne daß dies die interferierenden Effekte vorausgegangener unvermeidbarer Schocks reduzierte; die Hunde waren erregter, aber sie versuchten nicht zu entfliehen. Wenn ein Hund es nicht schafft, zu entfliehen, oder wenn er in der shuttle box zu langsam reagiert, nur weil der Schock nicht motivierend genug ist, dann sollte eine Steigerung der Schockintensität zur Reaktion führen. 5) Eine Reihe im Pavlovschen Geschirr verabreichter vermeidbarer Schocks interferiert nicht mit dem Sprung über die Trennwand in der shuttle box, obwohl die gleichen Schocks, wenn sie unvermeidbar sind, zu Hilflosigkeit führen. Sowohl 49 vermeidbare wie unvermeidbare Schocks sollten im gleichen Maße zu Adaptation oder Erschöpfung führen, tatsächlich sind ihre Auswirkungen aber total verschieden. 6) Hunde, die zuerst in der shuttle box elektrischen Schlägen zu entfliehen lernten und dann im Pavlovschen Geschirr unvermeidbaren elektrischen Schlägen ausgesetzt wurden, reagierten weiterhin erfolgreich, wenn sie wieder zurück in die shuttle box kamen. Es gibt keinen Grund, warum vorausgehendes Fluchttraining die aus der Erfahrung einer Serie unvermeidbarer Schocks resultierende Adaptation oder Erschöpfung reduzieren sollte. 7) Die Unfähigkeit zu Fluchtreaktionen in der shuttle box wurde abgebaut, wenn wir den Hund über die Trennwand hin und her zerrten. Es gibt keinen Grund, warum ein Hund weniger adaptiert oder erschöpft sein sollte, wenn er den Flucht- und Vermeidungskontingenzen zwangsweise ausgesetzt wird. Die Hypothese zu motivationalen Ursachen wird ergänzt durch die Ursache der Sensibilisierung. Dieser Sichtweise zufolge versagten Hunde bei Fluchtreaktionen, weil die vorausgegangenen elektrischen Schläge sie so aufgeregt machten, daß die zu heftig reagierten, um eine adäquate Reaktion zu entwickeln. Dies ist mit unserer Prämisse erhöhter emotionaler Reaktivität als Folge unvermeidbarer Schocks vereinbar, erklärt jedoch nicht die grundlegenden Ergebnisse. Wenn vorausgegangene unvermeidbare elektrische Schläge den Hund übermäßig motiviert machten, dann sollte eine Herabsetzung der Schockintensität in der shuttle box den Hund veranlassen zu reagieren. Wir fanden aber, daß der störende Einfluß unvermeidbarer Schocks auch bei sehr geringer Schockintensität in der shuttle box nicht abgebaut wurde. Darüber hinaus sprechen die Argumente (5), (6) und (7) gegen die Gültigkeit der Sensibilisierungshypothese ebenso wie gegen die der Adaptationshypothese. Die Tatsache eines zeitlichen Verlaufes der Hilflosigkeit, wie er zumindest bei Hunden und Goldfischen beobachtet wurde, verführt zu einer Theorie emotionaler Erschöpfung. Warum ruft eine einzige Versuchssitzung unvermeidbarer elektrischer Schläge nach ungefähr 48 Stunden keine Hilflosigkeit mehr hervor? Warum bricht beim KatastrophenSyndrom das emotionale Gleichgewicht zusammen und erholt sich im Laufe von ungefähr 48 Stunden? Die einfachste Antwort ist die, daß irgendeine Substanz zuerst erschöpft und dann erneuert wird. Wie wir später in diesem Kapitel noch sehen werden, wurde behauptet, daß Noradrenalin (NA) unter unkontrollierbaren traumatischen Bedingungen vermehrt ausgeschüttet wird und es ungefähr 48 Stunden dauert, bis die Speicher wieder aufgefüllt sind.65 Aber auch eine lerntheoretische Erklärung ist möglich. Erinnern Sie sich, daß häufige Erfahrungen von Unkontrollierbarkeit den zeitlichen Verlauf veränderten. Die wiederholte Erfahrung von Unkontrollierbarkeit könnte also verhindern, daß die ausgeschüttete Substanz jemals wieder gespeichert wird; aber beachten wir auch, daß ein Tier oder ein Mensch, bevor sie unkontrollierbare traumatische Bedingungen erleben, gewöhnlich vielfach erfahren haben, daß sie für sie relevante Konsequenzen kontrollieren können. Wird zuerst etwas gelernt, wie z.B. die Assoziation von A und B, und dann etwas Entgegengesetztes wie die Assoziation von A und C, so wird die Erinnerung an die zweite Erfahrung (A↔C) mit der Zeit schwächer. Wenn ich Sie unmittelbar nach der zweiten Erfahrung prüfe, indem ich Sie frage, welcher Buchstabe auf A folgte, werden Sie sagen: »C«; frage ich Sie aber ein paar Tage später, was auf A folgte, so werden Sie wahrscheinlich »B« sagen. Dieses Phänomen wird als proaktive Hemmung (proactive inhibition, PI) bezeichnet und dient oft zur Erklärung des Vergessens.66 Da die Auswirkungen proaktiver Hemmung (und damit auch des Vergessens) sowohl bei Menschen als auch bei Tieren mit der Zeit zunehmen, könnte ein solcher Vergessensprozeß auch erklären, daß sich Hilflosigkeit mit der Zeit verringert. 24 Stunden nach unvermeidba50 rem Schock ist die Erinnerung an frühere Kontrolle nicht stark genug, um der neuen Erwartung entgegenzuwirken, daß Reaktionen keinen Einfluß auf den elektrischen Schlag haben; 48 Stunden später ist dies wieder der Fall. Zu andauernder Hilflosigkeit kommt es, weil zusätzliche Erfahrungen unvermeidbarer elektrischer Schläge die Hilflosigkeit zu mächtig werden läßt, daß frühere Erfahrungen von Kontrolle ihr nicht mehr entgegenwirken können. Zukünftige Experimente werden klären, ob der zeitliche Verlauf ein physiologisches oder ein gedächtnispsychologisches Phänomen ist. Am zutreffendsten erscheint mir meine Vermutung, daß – genau wie bei Hilflosigkeit selbst und Depression – Phänomene aufeinander abgestimmt auf beiden Ebenen der Analyse, der psychologischen und der physiologischen, wirken. 4.4 Physiologische Ansätze bei der Erklärung von Hilflosigkeit Ich habe das Schwergewicht auf eine behavioral-kognitive Erklärung der motivationalen, kognitiven und emotionalen Störungen gelegt, die mit Unkontrollierbarkeit einhergehen; dies bedeutet jedoch nicht den Ausschluß einer physiologischen Erklärung. Diese Gewichtung spiegelt eher die Tatsache wider, daß wir – wenigstens zu diesem Zeitpunkt – eine ganze Menge mehr über die kognitiven und behavioralen Grundlagen der Hilflosigkeit wissen als über die physiologische Basis. Aber Hilflosigkeit muß eine neurale und biochemische Basis haben, und zwei Forscher haben bereits interessante physiologische Theorien vorgeschlagen. J. M. Weiss und seine Mitarbeiter haben einige vorläufige Ergebnisse über die physiologischen Konsequenzen unkontrollierbarer elektrischer Schläge aufgedeckt: neben Magengeschwüren und Gewichtsverlust, die bei seinen Kontrolltieren (yoked control) (Ratten) hervorgerufen wurden, zeigte sich auch ein Mangel an Substanzen des Gehirns.67 Noradrenalin (NA), eine der chemischen Verbindungen, durch die im Zentralnervensystem Erregung von einem Neuron zum anderen geleitet wird, ist die hauptsächliche Transmittersubstanz des adrenergen Systems (der andere hauptsächliche Transmitter, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, sind cholinerge Substanzen). Weiss kam zu dem Ergebnis, daß bei Ratten, die elektrische Schläge kontrollieren können, im Vergleich zu Ratten, die keine Schocks verabreicht bekamen, der kortikale NA-Spiegel erhöht ist; bekommt eine Ratte aber unkontrollierbare Schocks versetzt, sinkt der NASpiegel. Auf dieser Basis schlug Weiss vor, daß die Erschöpfung der NA-Reserven eine Erklärung von Hilflosigkeit abgeben könnte. Weiss ist davon überzeugt, daß durch unvermeidbare elektrische Schläge hervorgerufene Verhaltensdefizite nicht durch Lern- oder Wahrnehmungsprozesse verursacht werden, sondern direkt durch den Mangel an NA. Unvermeidbarkeit verursacht Gewichtsverlust, Appetitmangel, Magengeschwüre und NA-Mangel. Diese Mangelzustände führen hinwiederum zu der Unfähigkeit, Fluchtreaktionen auszuführen und zu einem allgemein erniedrigten Aktivationsniveau. NA-Mangel ist zugleich notwendige und hinreichende Bedingung, um hilfloses Verhalten hervorzurufen; insofern ist es Weiss zufolge unnötig, eine Einstellung von Hilflosigkeit einzubeziehen. In einem Experiment zur Unterstüzung dieser These tauchte Weiss Ratten für sechs Minuten in Eiswasser. Unter anderem wird bei einem solchen Verfahren gespeichertes NA ausgeschüttet; die Ratten waren hilflos, als sie eine halbe Stunde später in der shuttle box getestet wurden. Ein sechs Minuten dauerndes Bad in warmem Wasser führte nicht zu NA-Mangel und Hilflosigkeit. Eine spezifische, den NA-Abbau beschleunigende Substanz, AMPT (Alpha-Methyl-Para-Tyrosin) ruft bei Ratten ebenfalls eine Unfähigkeit zu Fluchtreaktionen hervor.68 51 In seinem eindrucksvollsten Experiment versuchte Weiss, eine Entscheidung zwischen der kognitiven und der physiologischen Erklärung herbeizuführen. Dabei zeigte sich jedoch, daß – aus unbekannten Gründen – im Verlauf von 15 täglichen Versuchssitzungen mit unvermeidbaren Schocks sehr starker Intensität zu Anfang ein NA-Mangel auftrat, der aber am Ende der Experimentalreihe nicht mehr nachzuweisen war. Ein kognitiver Ansatz der Hilflosigkeit würde voraussagen, daß Ratten nach so vielen unvermeidbaren Schocks besonders hilflos erscheinen sollten; eine NA-Mangel-Hypothese, die die Wahrnehmung als irrelevant erachtet, würde keine Hilflosigkeit vermuten. In diesem Experiment zeigten die Ratten genauso Flucht- und Vermeidungsreaktionen wie Kontrolltiere, die keine elektrischen Schläge erhalten hatten. Dies ist ein wichtiger Beweis, aber bevor ich die NA-Hypothese kritisiere und ihre Folgerungen diskutiere, möchte ich Ihnen einen anderen, ebenso interessanten neuen Befund über das physiologische Substrat der Hilflosigkeit vorstellen. Gestatten Sie mir zuvor einige Bemerkungen über einige Nervenbahnen im Gehirn höherer Säugetiere. Ein bestimmtes, langgestrecktes Nervengewebe wird als mediales Vorderhirnbündel (MFB: median forebrain bundle) bezeichnet; man nimmt an, daß seine Stimulation die physiologische Grundlage für Wohlbefinden und positive Verstärkung darstellt.69 Das MFB ist übrigens adrenerg, d.h. NA ist die primäre Transmittersubstanz. Eine benachbarte Struktur, das Septum, inhibiert bei Stimulation das MFB. E. Thomas bemerkte, daß seine Katzen passiv und phlegmatisch wurden, wenn er das Septum direkt elektrisch stimulierte.70 Belohnungen wirkten nicht mehr so verstärkend und Bestrafungen nicht mehr so beeinträchtigend wie sonst. Dies brachte Thomas auf den Gedanken, daß septale Erregung, die das MFB inhibiert, Ursache für Hilflosigkeit war. Um dies zu überprüfen, induzierte Thomas bei Katzen gelernte Hilflosigkeit durch unvermeidbare elektrische Schläge. Jeder Katze wurde eine Kanüle, eine kleine subkutane Sonde, ins Septum eingepflanzt. Über sie injizierte Thomas Katzen, die unvermeidbare Schocks erfahren hatten, Atropin ins Septum. (Atropin ist ein Anticholinergikum und legt die Aktivität des Septums still). Die Katzen, die unter der Wirkung von Atropin standen, reagierten in der shuttle box nicht hilflos, wohl aber Katzen, die unvermeidbare elektrische Schläge erfahren, aber kein Atropin injiziert bekommen hatten. Anschließend verabreichte Thomas allen Katzen im Pavlovschen Geschirr weitere unvermeidbare elektrische Schläge und brachte sie danach wieder in die shuttle box. Diejenigen Katzen, die im ersten Versuchsteil der Hilflosigkeitsbedingung unterworfen waren, erhielten nun Atropin; dadurch wurden sie von ihrer Hilflosigkeit geheilt. Diejenigen Katzen, die zuvor Atropin injiziert bekommen hatten und daraufhin normale Fluchtreaktionen in der shuttle box gezeigt hatten, erhielten nun kein Atropin; sie wurden hilflos. Dieses Ergebnis bestätigte Thomas in seiner Ansicht, daß Hilflosigkeit mit der cholinergen Aktivität des Septums zu erklären ist, da die Blockade durch Atropin die Hilflosigkeit aufhob. Diese Befunde zu NA-Mangel und cholinerger Aktivität werden uns zweifellos helfen, die physiologische Basis von Hilflosigkeit und vielleicht auch von depressiven Reaktionen beim Menschen zu finden. Was aber bedeuten sie genau für die kognitive Theorie der Hilflosigkeit, wie ich sie vorgestellt habe? Es gibt zwei Möglichkeiten, dieser Frage nachzugehen: indem wir uns erstens fragen, welche Phänomene der NA-Mangel, nicht aber die kognitive Theorie erklären kann und zweitens, welche Phänomene die kognitive Theorie, nicht aber der NA-Mangel zu erklären vermag. Die kognitive Theorie wird durch die meisten der Ergebnisse über NA-Mangel nicht in Frage gestellt. Diese Ergebnisse können uns im Gegenteil sogar zu der neuralen und biochemischen Basis der kognitiven Struktur von Hilflosigkeit hinführen. Z.B. folgt der NA-Abbau bei Ratten einem ungefähr gleichen zeitlichen Verlauf wie Hilflosigkeit bei Hunden nach einer einzigen Versuchssitzung mit unvermeidbaren elektrischen Schlä52 gen. Mögliche Erklärungen dieses Phänomens wären: NA-Mangel wird verursacht durch Auftreten und Abklingen der Überzeugung, hilflos zu sein, oder NA-Mangel ist Korrelat dieser kognitiven Struktur. Daraus folgt nicht, daß diese Einstellung nicht existiert oder daß NA-Mangel selbst diese Einstellung der Hilflosigkeit hervorruft. Ähnlich mag Atropin dergestalt wirken, daß es die Einstellung, nicht hilflos zu sein, hervorruft, und diese kognitive Einstellung verursacht dann die Verhaltensänderung. Atropin scheint depressive Einstellungen beim Menschen umzukehren (s. Kap. 5). Wie läßt sich nun interpretieren, daß das erwähnte Schwimmen im kalten Wasser die Fähigkeit zur Fluchtreaktion behinderte? Die kognitive Theorie behauptet nicht, daß die Wahrnehmung von Unkontrollierbarkeit allein das Individuum unfähig macht, Schocks zu entfliehen. Auch wenn man einem Tier ein Bein abschneidet, kann es nicht mehr fliehen, aber das bedeutet noch nicht, daß unvermeidbarer Schock Fluchtreaktionen aufgrund von »Legotomie« behindert. Als wir Ratten für einige Minuten in so kaltes Wasser setzten, wie es Weiss verwendete, waren die Tiere erstarrt und halbtot, als wir sie wieder herausnahmen. Sportler, die im Main Kanu fahren, wissen genau, daß man, wenn man in kaltem Wasser kentert, nur wenige Minuten hat, um an Land zu kommen, bevor man erfriert; es kann gut sein, daß Weiss’ Ratten 30 Minuten nach dem Bad im Eiswasser nicht zu Fluchtreaktionen fähig waren, weil sie einfach dem Tode nahe waren, und nicht aufgrund eines NA-Mangels. Die Beobachtung bei 15 Tage lang wiederholtem Erleben unvermeidbarer Schocks bringt mehr Schwierigkeiten. Bei anderen Ergebnissen zu NA lassen sich anhand unseres kognitiven Ansatzes im voraus keine Vorhersagen treffen, welche chemischen Veränderungen im einzelnen mit der Wahrnehmung einhergehen; es besteht kein Widerspruch zu den Ergebnissen. Beim Beispiel der Ratten aber, die 15 Tage lang unvermeidbare elektrische Schläge verabreicht bekamen, sagt die kognitive Theorie ein Ergebnis voraus, das der Theorie vom NA-Mangel entgegensteht. Kürzlich versuchten Steven Maier und seine Mitarbeiter und Robert Rosellini und ich, die Ergebnisse von Weiss zu replizieren. Wir verabreichten Ratten entweder 10 oder 15 Tage lang hintereinander unvermeidbare elektrische Schläge; im Gegensatz zu den Ergebnissen von Weiss versagten unsere Ratten nach dieser Vorbehandlung vollständig bei Fluchtreaktionen. Es scheint, als bedürfe das 15-Tage-Ergebnis von Weiss noch weiterer empirischer Überprüfung. Auf der anderen Seite gibt es eine Menge Ergebnisse, die die Theorie des NA-Mangels im Gegensatz zur kognitiven Theorie nicht erklären kann. Hier sei an einige erinnert: es ist sehr unwahrscheinlich, daß Menschen oder hungrige Ratten, die vor unlösbare Diskriminationsaufgaben gestellt sind, dadurch vermehrt NA ausschütten; trotzdem versagen sie bei der Lösung anschließender Probleme. Es ist ebenso unwahrscheinlich, daß es bei Ratten zu einem NA-Mangel kommt, wenn sie inkontingent mit Futter verstärkt werden; trotzdem haben sie später Schwierigkeiten zu lernen, einen Hebel zu drücken, um Futter zu bekommen. Bei Ratten wird Hilflosigkeit nach der einmaligen Erfahrung unvermeidbarer elektrischer Schläge, bei Hunden nach mehreren Sitzungen aufrechterhalten; ein NA-Mangel ist jedoch vorübergehend. Ähnlich sind Ratten, die vor ihrer Entwöhnung unvermeidbare Schocks verabreicht bekommen haben, als Erwachsene unfähig, Schocks zu entfliehen; doch sollte der NA-Mangel lange vor ihrem Erwachsensein verschwunden sein. Ratten verhalten sich im offenen Raum (open field test) nicht weniger aktiv als Kontrolltiere, wenn sie zuvor unvermeidbare elektrische Schläge bekommen haben, sei es 24 Stunden oder eine Woche zuvor; trotzdem können sie in der shuttle box nicht mehr elektrischen Schlägen entfliehen. Die Theorie vom NA-Mangel würde voraussagen, daß diese Ratten weniger aktiv sind und 48 Stunden später noch nicht zu Fluchtreaktionen imstande sind, wohl aber eine Woche später. Ratten oder 53 Hunde, die durch frühere Erfahrung, Schocks entfliehen zu können, immunisiert worden sind, werden auf unvermeidbare elektrische Schläge hin nicht hilflos; warum sollte gerade das Lernen von Bewältigung NA-Mangel verhindern? Wenn NA-Mangel Verhalten nur dadurch beeinträchtigt, daß er das allgemeine Aktivierungsniveau senkt, warum sollten Ratten dann im FR1-Versuchsplan nur dann versagen, wenn die Kontingenz durch die Verzögerung der Schockbeendigung verschleiert wird? Und schließlich wird Hilflosigkeit abgebaut, wenn man einer Ratte oder einem Hund zeigt, wie man den Schock beendet, indem man die Reaktion erzwingt; allerdings genügen dafür keine zufälligen Erfahrungen. Es gibt jedoch keinen Grund anzunehmen, daß dies plötzlich die NA-Reserven wieder auffüllt. Tatsächlich wird Hilflosigkeit auch abgebaut, wenn man einer Ratte, deren NA-Reserven durch AMPT erschöpft wurden, die Fluchtreaktion demonstriert.71 Tatsächlich kann die Entdeckung des NA-Mangels bei der Erklärung der kognitiven Struktur bei Hilflosigkeit hilfreich sein. Jedoch gibt der NA-Mangel allein keine ausreichende Erklärungsbasis für die vielen Fakten ab, die die kognitive Theorie prophezeit, da NA-Mangel weder notwendig noch hinreichend zu sein scheint, um gelernte Hilflosigkeit hervorzurufen. Wenn zukünftige Forschungsergebnisse die Bedeutung von septaler Aktivität oder von NA-Mangel bei Hilflosigkeit erhärten, was werden wir dann als Ursache von Hilflosigkeit betrachten? Verursacht die Physiologie die kognitive Einstellung von Hilflosigkeit oder verursacht diese kognitive Einstellung physiologische Veränderungen? Dies ist ein sehr heikles Problem. Viele Laien glauben an eine Pyramide der Wissenschaften – die Physik erklärt die Chemie, diese wiederum die Biologie usw. bis zu Ökonomie und Politik. Eine ähnliche Überzeugung besteht auch innerhalb der Psychologie: physiologische Prozesse verursachen behaviorale und kognitive Zustände, aber andererseits bedingen Wahrnehmung und Verhalten keine physiologischen Veränderungen. Aber eine kausale Beziehung geht in beide Richtungen. Einerseits können die physiologischen Veränderungen, die durch einen Mangel an Blutzucker ausgelöst werden, Erschöpfungs- und Schwächegefühle verursachen. Wenn ich Ihnen aber andererseits sage, daß Ihr Haus brennt, wird diese Information kognitiv verarbeitet und verursacht eine Adrenalinausschüttung, Schweißausbrüche und einen trockenen Mund. Ähnlich verursachen Veränderungen des Vorzugszinssatzes, einem ökonomischen Ereignis, bei Leuten, die in der Wall Street ihr Geld anlegen, Veränderungen der Herzfrequenz. Auch bei der Beziehung von physiologischen und kognitiven Prozessen bei Hilflosigkeit zeigen sich beide Richtungen der Kausalität. Wie Thomas nachwies, vermindert die direkte Hemmung des Septums die Hilflosigkeit; da keine behavioralen oder kognitiven Manipulationen erfolgt waren, verursachten in diesem Falle physiologische Prozesse behaviorale und vielleicht auch kognitive Veränderungen. Wenn wir andererseits einen Hund in der shuttle box hin und her zerren und ihm so zeigen, daß Reagieren zu etwas führt, sprengt diese kognitive Information das hilflose Verhalten und verursacht sicherlich physiologische Veränderungen. Ferner sei an den triadischen Versuchsplan erinnert: der Unterschied zwischen Vermeidbarkeit und Unvermeidbarkeit ist nicht physikalischer Natur, er liegt in der unterschiedlichen Information, die nur kognitiv verarbeit werden kann. Es ist gerade diese kognitive Veränderung, bei der die Kette physiologischer, emotionaler und behavioraler Reaktionen beginnt und die in dem Zustand der Hilflosigkeit münden. Sowohl kognitive wie physiologische Prozesse beeinflussen Hilflosigkeit. Beide Ebenen der Veränderung wirken normalerweise zusammen, doch gibt es Hinweise darauf, daß jede allein Hilflosigkeit hervorrufen kann. Zukünftige Forschung wird uns zeigen, ob NA-Mangel oder septale Aktivierung auch ausreichen, um bei Tieren oder Menschen 54 Hilflosigkeit hervorzurufen, wenn diese glauben, daß Konsequenzen kontrollierbar sind. Würde sich dies tatsächlich ergeben, bliebe immer noch die Frage, ob die physiologischen Prozesse wirken, indem sie die Wahrnehmung verändern, oder ob sie direkt hilflose Verhaltensweisen auslösen. Reicht umgekehrt die Erfahrung von Unkontrollierbarkeit aus, um bei Tieren, bei denen NA künstlich erhöht oder das Septum künstlich inhibiert wird, Hilflosigkeit herbeizuführen? Wenn solche Individuen Fluchtreaktionen ausführen, glauben sie anschließend, daß elektrische Schläge kontrollierbar sind? Oder glauben sie weiterhin, daß Schocks unkontrollierbar sind, zeigen aber trotzdem Fluchtverhalten? Wir werden im nächsten Kapitel bei der Diskussion von Depression diese Frage noch einmal stellen: ist Depression primär eine physiologische, eine emotionale oder eine kognitive Störung? Die Antwort wird alle drei Komponenten einbeziehen: Einflüsse auf jeder der drei Ebenen scheinen Veränderungen auf jeder der beiden anderen zu verursachen, und alle drei münden schließlich in Depression. Ich habe eine Theorie der Hilflosigkeit vorgestellt, die postuliert, daß Organismen, wenn sie unkontrollierbaren Konsequenzen ausgesetzt werden, lernen, daß Reagieren zwecklos sei. Dieser Lernprozeß beeinträchtigt die Motivation zu reagieren und führt dadurch tiefgreifende Störungen der Motivation zu instrumentellem Verhalten herbei. Er interferiert auch pro-aktiv mit der Fähigkeit zu lernen, daß Reagieren zu Erfolg führt, wenn Konsequenzen kontrollierbar werden und führt dadurch zu kognitiven Störungen. Die Furcht, die ein Organismus angesichts traumatischer Bedingungen erlebt, wird reduziert, wenn er lernt, daß seine Reaktionen die traumatischen Bedingungen kontrollieren; die Furcht bleibt bestehen, wenn der Organismus unsicher bleibt, ob das Trauma kontrollierbar ist; lernt er, daß das Trauma unkontrollierbar ist, weicht die Furcht der Depression. Wir werden uns nun einer Analyse der Depression zuwenden, der häufigsten psychopathologischen Störung beim Menschen. 55 5 Depression Kürzlich suchte mich ein 42 Jahre alter, vorübergehend arbeitsloser Geschäftsmann auf, um sich von mir bezüglich seiner Berufseignung beraten zu lassen. In Wirklichkeit war es seine Frau gewesen, die zuerst mit mir Kontakt aufgenommen hatte; sie hatte einen feuilletonistischen Artikel von mir über Hilflosigkeit gelesen und bat mich nun, mit ihrem Mann, Mel, zu sprechen, weil dieser ihr hilflos vorkam. In den letzten zwanzig Jahren war Mel ein zunehmend erfolgreicher Manager gewesen; bis vor einem Jahr hatte er die Produktion einer am Raumfahrtprogramm beteiligten Gesellschaft mit Milliardenumsatz geleitet. Als die Regierung ihre finanzielle Unterstützung der Raumforschung einschränkte, verlor er seine Stellung und war gezwungen, in einer anderen Stadt eine Position als Manager bei einer Firma anzunehmen, die er als »verleumderisch« beschrieb. Nach sechs elenden und einsamen Monaten gab er auf. Einen Monat lang saß er teilnahmslos im Haus herum und machte keine Anstalten, Arbeit zu finden; die kleinste Störung versetzte ihn in Wut; er wurde ungesellig und zurückgezogen. Schließlich bewegte ihn seine Frau, sich einer Berufseignungsprüfung zu unterziehen, die ihm helfen könnte, eine befriedigende Stellung zu finden. Als Ergebnis der Tests wurde Mel mitgeteilt, daß er eine niedrige Frustrationstoleranz habe, daß er ungesellig sei, unfähig, Verantwortung zu übernehmen, und daß routinemäßige, festgelegte Tätigkeiten seiner Persönlichkeit am besten entsprechen würden. Die Berufsberatungsagentur empfahl ihm, Arbeiter auf einer Montagerampe zu werden. Diese Empfehlung wirkte auf Mel und seine Frau wie ein Schock, da er ja zwanzig Jahre verantwortungsvoller Tätigkeit als Manager hinter sich hatte, gewöhnlich zuvorkommend und überzeugend wirkte und viel intelligenter war als die meisten Fließbandarbeiter. Tatsächlich spiegelten die Tests aber seinen gegenwärtigen Geisteszustand wider: er hielt sich selbst für unfähig, empfand seine Karriere als Mißerfolg, sah in jedem kleinen Hindernis eine unüberwindliche Barriere, er interessierte sich nicht mehr für andere Menschen, und er konnte sich selbst kaum dazu zwingen, sich anzuziehen, geschweige denn, wichtige Entscheidungen für sein berufliches Fortkommen zu fällen. Aber dieses Profil gab kein wahres Bild von Mels Charakter ab; es spiegelte eher einen – möglicherweise vorübergehenden – Prozeß wider, der mit dem Verlust seiner Stellung eingesetzt hatte – die Entwicklung einer depressiven Störung. Depression ist wie ein Schnupfen in der Psychopathologie und hat sich im Leben eines jeden von uns bemerkbar gemacht; trotzdem ist sie wahrscheinlich die am wenigsten verstandene und am wenigsten befriedigend erforschte Störung von allen hauptsächlichen Formen psychopathologischer Störungen. Ich möchte in diesem Kapitel gelernte Hilflosigkeit als Modell der Depression vorstellen, ein Modell, das ein wenig Licht auf Ursachen, Behandlung und Prävention dieser Störung werfen mag. Was ist Depression? Mel, ebenso wie zwei der in der Einleitung vorgestellten Personen geben typische Beispiele für Depression ab: erinnern wir uns an die Frau mittleren Alters, die früher aktiv und lebhaft gewesen war und die nun den ganzen Tag im Bett liegt und weint; ihre Schwierigkeiten begannen. als ihre Söhne zum Studium gingen und ihr Ehemann befördert wurde. Ein zweites Beispiel ist Nancy, das »Sonntagskind«, die nach vielen Erfolgen in der Oberschule an die Universität kam und sich nun leer und wertlos fühlt; sie ist tatsächlich ein Versager. Wir können Mitgefühl für diese drei Menschen empfinden, weil jeder einzelne von uns von Zeit zu Zeit einmal eine depressive Stimmung erlebt hat: wir fühlen uns niedergeschlagen, kleine Anstrengungen machen uns todmüde, wir verlieren unseren Sinn für Humor und verlieren an allem die Lust – selbst an Dingen, die uns gewöhnlich am mei56 sten reizen. Bei den meisten Menschen sind solche Stimmungen gewöhnlich selten und vergehen nach kurzer Zeit; bei vielen anderen kehrt diese Stimmung jedoch immer wieder, durchdringt alles und kann von tödlicher Intensität sein. Wenn die Depression so schwer geworden ist, dann ist das, was die meisten Menschen einfach als eine Stimmung abtun, zum Syndrom oder dem Symptom einer psychischen Störung geworden. Mit Fortschreiten der Depression wird die Niedergeschlagenheit stärker und gleichzeitig bröckeln Motivationen und Interesse an der Umwelt ab. Der Depressive wird sich häufig starker Gefühle von Selbstverachtung bewußt; er fühlt sich wertlos und an seinen Unzulänglichkeiten schuldig. Er ist überzeugt davon, daß nichts, aber auch gar nichts seinen Zustand erleichtern wird, und sieht die Zukunft schwarz. Der Depressive hat Weinkrämpfe, verliert an Gewicht und kann nicht einschlafen oder nicht wieder einschlafen, wenn er sehr früh am Morgen aufwacht. Das Essen schmeckt ihm nicht mehr, Sex ist nicht mehr erregend, und andere Menschen, selbst Frau und Kinder, werden völlig uninteressant. Er mag sich nach und nach mit dem Gedanken beschäftigen, sich umzubringen. Wenn seine Absicht ernsthafter wird, werden die suizidalen Hirngespinste zu einem festen Wunsch; er wird einen Plan ausarbeiten und anfangen, ihn auszuführen. Es gibt wenige derart vollständige lähmende psychische Störungen und keine, die so viel Elend mit sich bringt wie schwere Depression. Es ist erschütternd, wie stark Depression in der modernen amerikanischen Gesellschaft verbreitet ist. Die leichten Depressionen, an denen wir alle gelegentlich leiden, ausgeschlossen, schätzt das National Institute of Mental Health, daß »vier bis acht Millionen Amerikaner wegen ihrer depressiven Störung professioneller Hilfe bedürfen«. Anders als die meisten anderen Formen psychopathologischer Störungen kann Depression tödlich sein. »Einer von Zweihundert, die unter Depression leiden, begeht Selbstmord.« Die Schätzung ist wahrscheinlich eher zu niedrig. Zu dem unermeßlichen persönlichen Elend kommen hohe ökonomische Kosten: Behandlung und Arbeitsausfall kosten jährlich zwischen 1,3 und 4 Milliarden Dollar.72 5.1 Formen der Depression In der Literatur über Depression nimmt die Verwirrung überhand, häufig verursacht durch ein Ausufern beschreibender Kategorien. Im Kontext der Diskussion von Klassifikationsproblemen zählte J. Mendels (1968) einige Unterformen der Depression auf: Eine kurze Liste würde psychotische, neurotische, reaktive, psychotisch-reaktive, Involutions-, agitierte, endogene, psychogene, symptomatische, präsenile, senile, akute, chronische Depression und natürlich manisch-depressive Psychose und Melancholie (groß und klein) einschließen; ebenso Depression bei sexueller Perversion, Alkohol und depressive Symptome, die aus organischen Störungen resultieren. Meiner Meinung nach haben alle diese genannten Formen depressiver Störungen etwas gemeinsam. Die am ehesten verwendbare und am besten fundierte Typologie der Depression ist die Dichotomisierung in endogen und reaktiv.73 Die reaktiven Depressionen sind weitaus am meisten verbreitet und in ihrer Erscheinungsform allen geläufig. Grob geschätzt sind 75% aller Depressionen Folge irgendeines äußeren Ereignisses wie z.B. dem Tod eines Kindes. Reaktive Depressionen folgen keinem zyklischen Verlauf und sprechen gewöhnlich nicht auf medikamentöse Therapie und Elektroschocktherapie (EST) an, sind nicht genetisch prädisponiert und sind in ihrer Symptomatik gewöhnlich etwas milder als endogene Depressionen. Endogene Depressionen sind Folge irgendeines unbekannten oder internen Prozesses. Diese Depressionen werden nicht durch irgendein äußeres Ereignis gesteuert; sie brechen einfach über den Kranken herein. Sie folgen gewöhnlich einem zyklischen Verlauf und können entweder bipolar oder unipolar ablaufen. Bipolare Depression wird als manisch-depressive Störung bezeichnet – das Individuum durchläuft regelmäßig zyklisch 57 Phasen der Verzweiflung, neutraler Stimmung, einen überaktiven, oberflächlich-euphorischen Zustand der Manie und sinkt dann wieder zurück über neutrale Stimmung in Verzweiflung. Zu Anfang dieses Jahrhunderts wurden alle Depressionen fälschlicherweise als manisch-depressive Störungen bezeichnet, aber inzwischen weiß man, daß Depression gelegentlich ohne Manie auftritt und umgekehrt Manie ohne Depression eintreten kann. Unipolare endogene Depression besteht aus einem regelmäßigen Wechsel zwischen Niedergeschlagenheit und neutraler Stimmung ohne manische Phasen. Endogene Depressionen sprechen häufig auf Pharmakotherapie und EST an und können hormonell bedingt sein. Sie können ebenfalls genetisch prädisponiert sein74 und sind in ihrer Symptomatik häufig schwerer als reaktive Depressionen. Zwar sind reaktive Depressionen zentraler Gegenstand des Modells gelernter Hilflosigkeit bei Depression, doch bin ich der Ansicht, daß endogene Depressionen psychologisch betrachtet viel mit reaktiven Depressionen gemeinsam haben. 5.2 Gelernte Hilflosigkeit als Modell der Depression Es ist mehr als einmal vorgekommen, daß Forscher in ihren Laboratorien erstaunlich unangepaßte Verhaltensweisen beobachteten und daraufhin annahmen, daß diese Verhaltensweisen irgendeine Form natürlich auftretender psychopathologischer Störungen widerspiegelten. Pavlov (1928) z.B. beobachtete, daß konditionierte Reflexe bei Hunden verschwanden, wenn die Diskriminationsaufgaben sehr schwierig wurden. H. Liddell (1953) fand, daß Schafe keine konditionierten Flexorreflexe mehr ausführten, wenn in sehr vielen Durchgängen hintereinander die konditionierten Stimuli (CS) mit Schocks gepaart wurden. Sowohl Pavlov wie Liddell behaupteten, experimentelle Neurosen induziert zu haben. J. H. Masserman (1943) konnte zeigen, daß hungrige Katzen in Käfigabteilen, in denen sie elektrische Schläge verabreicht bekommen hatten, nicht mehr fraßen; er behauptete, daß er experimentelle Phobien erzeugt habe. Diese Phänomene wurden natürlich sehr sorgfältig analysiert, aber die Behauptung, daß es sich um wirkliche psychopathologische Störungen handelte, war meist nicht überzeugend. Schlimmer noch, bei der Analyse wurden gewöhnlich »Plausibilitäts«-Annahmen eingesetzt, die nur sehr schwer zu bestätigen sind.75 Wie könnte man z.B. überprüfen, ob Pavlovs Hunde eher Angstneurosen als Zwangsneurosen oder Psychosen hatten? Ich bin davon überzeugt, daß psychopathologische Störungen beim Menschen genauso wie physiopathologische Veränderungen im Laboratorium ausgelöst und analysiert werden können. Dabei ist jedoch ein Argument oberflächlicher Validität wie z.B. »dies sieht aus wie eine Phobie« unzureichend. Ich möchte daher einige notwendige Grundregeln aufstellen, die als Test dafür geeignet sind, ob gewisse bei Menschen wie bei Tieren experimentell hervorrufbare Phänomene ein Modell für eine naturgegebene Form psychopathologischer Störungen beim Menschen darstellen. 58 5.2.1 Grundregeln Die Vergleichbarkeit von zwei Phänomenen läßt sich auf vier relevanten Ebenen absichern: 1. 2. 3. 4. Verhaltensweisen und physiologische Symptome, Ätiologie oder Ursachen, Therapie und Prävention. Wenn zwei Phänomene hinsichtlich eines oder zweier dieser Kriterien übereinstimmen, können wir das Modell überprüfen, indem wir nach daraus vorhergesagten Ähnlichkeiten der anderen Kriterien suchen. Nehmen wir an, daß gelernte Hilflosigkeit ähnliche Symptome und vergleichbare Ätiologie hat wie reaktive Depression, und nehmen wir weiter an, daß wir bei Hunden gelernte Hilflosigkeit abbauen können, indem wir sie zu Verhaltensweisen zwingen, die Erleichterung bringen. Daraus ergibt sich eine Vorhersage für die Behandlung von Depressionen beim Menschen: das zentrale Ziel einer erfolgreichen Therapie sollte die Wiederherstellung der Wahrnehmung des Patienten sein, daß sein Verhalten wirkungsvoll ist. Läßt sich diese Voraussage überprüfen und bestätigen, so wird das Modell erhärtet, im anderen Fall verliert das Modell an Aussagekraft. Auf diese Weise läßt also ein experimentell hervorgerufenes Phänomen vermuten, was bei psychopathologischen Störungen des täglichen Lebens zu beachten ist, aber es ist auch möglich, das Modell empirisch von der anderen Seite aus zu erhärten: wenn z.B. das Pharmakon Imipramin bei reaktiver Depression hilft, sollte es auch gelernte Hilflosigkeit bei Hunden abbauen. Ein geeignetes Modell verbessert nicht nur seine Überprüfbarkeit, sondern trägt auch dazu bei, klinische Phänomene eindeutiger zu definieren, da experimentell induzierte Phänomene genau definiert sind, während die Definition klinischer Phänomene fast immer recht diffus ist. Überlegen wir z.B., ob gelernte Hilflosigkeit und Depression ähnliche Symptome haben. Als experimentell induziertes Phänomen gehören zu Hilflosigkeit notwendigerweise Verhaltensweisen, anhand derer bestimmt werden kann, ob Hilflosigkeit vorliegt oder nicht. Auf der anderen Seite gibt es kein allen Depressiven gemeinsames Symptom, denn Depression ist eine bequeme diagnostische Etikettierung, die eine ganze Reihe von Symptomen umfaßt, von denen aber kein einziges notwendigerweise auftritt.76 Depressive fühlen sich oft traurig, aber eine Diagnose der Depression setzt keine Traurigkeit voraus; wenn ein Patient sich nicht traurig fühlt, aber sein verbales und motorisches Verhalten deutlich verlangsamt ist, wenn er viel weint, im letzten Monat zwanzig Pfund abgenommen hat und der Beginn der Symptomatik bis zum Tod seiner Frau zurückverfolgt werden kann, dann ist Depression die passende Diagnose. Nicht einmal motorische Verlangsamung ist notwendig, da ein Depressiver recht agitiert sein kann. Ein aus Laboratoriumsbefunden gewonnenes Modell besitzt nicht die unbestimmte Vielfalt eines klinischen Phänomens; indem bestimmte Eigenschaften vorausgesetzt werden, wird das klinische Konzept beschnitten. Wenn sich unser Modell der Depression als gültig erweist, müssen einige der früher als Depression bezeichneten Phänomene wahrscheinlich ausgeschlossen werden. Das Etikett »Depression« wird auf passive Individuen angewandt, die überzeugt sind, ihr Leiden durch nichts erleichtern zu können, die depressiv werden, wenn sie eine wichtige Quelle des Wohlbefindens verlieren – der Idealfall für ein Modell gelernter Hilflosigkeit; aber »Depression« etikettiert auch agitierte Patienten, die eine ganze Menge aktive Reaktionen ausführen und die ohne ersichtlichen äußeren Grund depressiv werden. Gelernte Hilflosigkeit muß nicht für das gesamte Spektrum von Depressionen gelten, sondern gilt primär für jene Formen, bei denen das Individuum Reaktionen nur schleppend ausführt, sich selbst für machtlos und 59 hoffnungslos hält und seine Zukunft öde sieht – eine Depression in Reaktion auf den Verlust seiner Kontrolle über Belohnungen und Erleichterung von unangenehmem Erleben. Definition und Klassifikation einer Krankheit werden im allgemeinen durch die Verifikation einer Theorie dieser Krankheit präzisiert. Das Auftreten kleiner Pocken am Körper war früher definierendes Charakteristikum für Blattern. Als eine Theorie der infektiösen Übertragung für Blattern vorgeschlagen und nachgewiesen wurde, wurde der Nachweis des Bazillus zum Teil der Definition. Ergebnis war, daß einige Fälle, die zuvor als Blattern diagnostiziert worden waren, von der Kategorie Blattern ausgeschlossen und andere, die man zuvor vernachlässigt hatte, aufgenommen werden mußten. Wenn gelernte Hilflosigkeit ein geeignetes Modell für Depression liefert, dann wird allein schon der Begriff der Depression umgeformt werden müssen: wenn gelernte Hilflosigkeit bestimmte Formen der Depression eindeutig erklärt, müssen andere Formen wie z.B. manisch-depressive Reaktionen möglicherweise als andere Störungsform betrachtet werden, und noch andere Phänomene wie das Katastrophensyndrom, die gewöhnlich nicht zur Depression gerechnet werden, müssen dann als Depression bezeichnet werden. 5.2.2 Symptome der Depression und der gelernten Hilflosigkeit In den vorausgegangenen Kapiteln sind sechs Symptome gelernter Hilflosigkeit deutlich geworden; jedes Symptom hat eine Parallele in der Depression: 1) Verringerte Motivation zu willentlichen Reaktionen – Tiere und Menschen, die Unkontrollierbarkeit erfahren haben, zeigen geringere Initiative zu willentlichen Reaktionen. 2) Negative kognitive Denkstruktur – hilflose Tiere und Menschen lernen nur schwer, daß Reaktionen Konsequenzen hervorrufen. 3) Der zeitliche Verlauf – Hilflosigkeit zerfällt mit der Zeit, wenn sie auf einer einzigen Sitzung mit unkontrollierbaren elektrischen Schlägen beruhte; nach mehreren Sitzungen bleibt Hilflosigkeit bestehen. 4) Verringerte Aggressivität – hilflose Tiere und Menschen zeigen weniger aggressive und konkurrierende Reaktionen, und ihr Status in der Hierarchie kann absinken. 5) Appetitverlust – hilflose Tiere fressen weniger, verlieren an Gewicht und zeigen Defizite im Sexual- und Sozialverhalten. 6) Physiologische Veränderungen – hilflose Ratten zeigen einen Mangel an Noradrenalin und hilflose Katzen cholinerge Hyperaktivität. 5.2.2.1 Mangelnde Motivation zu willentlichen Reaktionen Depressive Männer und Frauen leisten nicht viel; das Wort Depression selbst hat wahrscheinlich seine ethymologischen Wurzeln in der herabgesetzten Aktivität des Patienten. Ich legte kürzlich einer depressiven Patientin, die ihr Aussehen stark vernachlässigt hatte, nahe, in die Stadt zu fahren und sich ein neues Kleid zu kaufen. Ihre Antwort war typisch: »Oh, Herr Doktor, das ist einfach viel zu schwer für mich.« In systematischen Untersuchungen zur Symptomatik depressiver Störungen werden diese Verhaltensmerkmale ganz unterschiedlich beschrieben: Isoliert und zurückgezogen, bleibt am liebsten für sich, verbringt die meiste Zeit im Bett. Bewegung und allgemeines Verhalten schleppend und zögernd; leise Stimme, sitzt still und allein da. Fühlt sich unfähig zu handeln, fühlt sich unfähig, Entscheidungen zu treffen. Macht den Eindruck einer »leeren« Persönlichkeit, die »aufgegeben« hat.77 60 Ein auffälliges Zeichen schwerer Depression ist die Lähmung des Willens: In schweren Fällen findet sich häufig eine vollständige Lähmung des Willens. Der Patient verspürt kein Bedürfnis, irgend etwas zu tun, nicht einmal lebenswichtige Dinge. Folglich mag er relativ bewegungslos verharren, bis er durch andere zur Aktivität gedrängt oder gestoßen wird. Manchmal ist es notwendig, den Patienten aus dem Bett zu ziehen, ihn zu waschen, anzuziehen und zu füttern. In extremen Fällen kann die Stumpfsinnigkeit des Patienten sogar jede Kommunikation blockieren.78 Der Mangel an Motivation zu aktivem Verhalten wird durch experimentelle Untersuchungen über psychomotorische Retardation bei Depressiven ebenso bestätigt wie durch das klinische Bild. Werden Depressive mit einer Reihe psychomotorischer Aufgaben, wie z.B. Reaktionszeitaufgaben, getestet, so erweisen sie sich als langsamer als gesunde Versuchspersonen79 – nur chronisch Schizophrene reagieren so langsam wie Depressive. Darüber hinaus ergreifen Depressive weniger Initiative zu Aktivitäten, die sie gewöhnlich als angenehm empfinden.80 Dieser Mangel an Initiative kann auch die Ursache für eine Vielzahl anderer sogenannter intellektueller Störungen bei depressiven Patienten sein. Z.B. sinken in Tests erhobene IQ-Werte bei hospitalisierten Patienten während der Krankheit, und ihr Gedächtnis für neue Definitionen wird schlecht.81 Man sollte sich jedoch in Erinnerung rufen, daß ein Intelligenztest und das Behalten von Definitionen kein reiner Test der intellektuellen Fähigkeiten des Patienten unabhängig von seiner Motivation ist. Wenn jemand nicht daran glaubt, daß er seine Sache gut machen wird, oder wenn er sich hilflos fühlt, wird er sich nicht so anstrengen: er wird willentliche kognitive Prozesse – wie z.B. sein Gedächtnis abtasten oder Multiplizieren – nicht so schnell oder so gut in Gang setzen wie jemand, dessen Motivation nicht beeinträchtigt ist. Also kann eine Überzeugung von der eigenen Hilflosigkeit bei Depressiven indirekt, d.h. über eine Beeinträchtigung der Motivation, scheinbare intellektuelle Ausfälle herbeiführen. Übrigens gilt die gleiche Argumentation für die Kontroverse über rassenbedingte IQUnterschiede. Jensen (1969, 1973) hat ziemlich schlagende Ergebnisse überprüft, denen zufolge amerikanische Neger in Intelligenztests um 15 Punkte unter Weißen liegen, selbst in sogenannten nicht kulturspezifischen Tests. Auch wenn dies stimmt, so ist mir kein Beweismaterial bekannt, das eine Beeinträchtigung der Motivation als Erklärung eher ausschließt als »intellektuelle« Minderwertigkeit. Ich wäre nicht überrascht herauszufinden, daß sich Schwarze in Amerika von jeher weitaus hilfloser einschätzen als Weiße; ich werde dies in Kapitel 7 ausführlicher diskutieren. Mangelhafte Motivation bei Depressionen zeigt sich auch in mangelhaften sozialen Fertigkeiten. P. Ekman und W. V. Friesen (1974) führten eine faszinierende Serie von Filmstudien über die Handbewegungen von Depressiven während einer informellen Unterhaltung mit dem Interviewer durch. Gespräche werden im allgemeinen von zwei Klassen von Handbewegungen begleitet: Illustratoren sind Gesten, mit denen unterstrichen oder betont werden soll, was man gerade sagt. Diese Bewegungen sind willentlich, denn würden Sie den Sprecher unterbrechen und ihn fragen, was er gerade gemacht hat, kann er Ihnen dies genau sagen. Adaptoren sind winzige, tickartige Bewegungen wie z.B. an der Nase zupfen oder an den Haaren ziehen. Solche Bewegungen sind unwillkürlich und nicht bewußt; wenn Sie den Sprecher unterbrechen, kann er Ihnen gewöhnlich nicht berichten, was er gerade gemacht hat. Wenn ein Depressiver in die Klinik eingeliefert wird, führt er viele Adaptoren, aber wenige Illustratoren aus. Mit zunehmender Besserung überwiegen die Illustratoren, und die Adaptoren werden weniger, was auf eine Erholung der Motivation zu willentlichen Verhaltensweisen hinweist. Depressive führen auch andere soziale Reaktionen vermindert aus. Wenn irgend jemand zu einem Depressiven »Guten Morgen« sagt, wird dieser nur langsam antworten.82 Und es wird ihn darüber hinaus noch mehr Zeit kosten, um mit einer Höflichkeitsfloskel wie 61 »Und wie geht es Ihnen?« zu antworten. Der Leser kann sich davon bei jedem Telefongespräch mit einem Freund überzeugen, von dem er weiß, daß er depressiv ist. Zusammenfassend erscheint mangelnde Motivation zu willentlichen Reaktionen, die gelernte Hilflosigkeit kennzeichnet, auch für depressive Zustände typisch. Sie führt zu Passivität, psychomotorischer Retardation, verlangsamten Denkprozessen und verminderter sozialer Ansprechbarkeit; in extremer Depression führt sie zu stuporösem Verhalten. 5.2.2.2 Negative kognitive Denkstruktur (cognitive set) Nehmen wir an, daß es mir gelang, meine depressive Patientin davon zu überzeugen, daß es für sie nicht zu schwer wäre, in die Stadt zu fahren und sich ein neues Kleid zu kaufen. Ihr nächster Verteidigungszug wäre: »Aber ich würde wahrscheinlich den falschen Bus nehmen, und selbst wenn ich das richtige Geschäft finden würde, so würde ich ja doch die falsche Größe, den falschen Stil und die falsche Farbe erwischen. Wie auch immer, ich würde in einem neuen Kleid genauso schlecht aussehen wie in dem alten, weil ich einfach unattraktiv bin.« Depressive Menschen halten sich selbst sogar für noch unfähiger als sie tatsächlich sind; bereits kleine Hindernisse auf dem Weg zu einem Erfolg werden als unüberwindliche Barrieren wahrgenommen, Schwierigkeiten bei der Bewältigung eines Problems werden als völliges Versagen betrachtet, und sogar offensichtlicher Erfolg wird oft umgedeutet in einen Mißerfolg. A. T. Beck83 sieht diese negative kognitive Einstellung als Grundstein der Depression. Die Diskrepanz zwischen der objektiven Leistung des Depressiven, die, wie wir bereits sahen, für ein Weiterkommen nicht ausreicht, und seiner subjektiven Bewertung ist erstaunlich. A. S. Friedman (1964) beobachtete, daß depressive Patienten bei Aufgaben, in denen sie auf ein Lichtsignal reagieren sollten, schlechter abschnitten als normale Versuchspersonen und daß sie mehr Zeit benötigten, um alltägliche Gegenstände zu erkennen; aber noch erstaunlicher war ihre subjektive Einschätzung, wie schlecht sie abzuschneiden glaubten: Brachte der Versuchsleiter einen Patienten in den Versuchsraum, so wandte dieser sofort ein, er oder sie würde wahrscheinlich die Tests nicht schaffen, wäre unfähig zu allem oder fühle sich zu schlecht oder zu müde, wäre unfähig, hoffnungslos usw. ... Auch wenn er die Aufgaben adäquat bewältigte, wiederholte der Patient gelegentlich, wenn auch weniger häufig, den eingangs geäußerten Protest, indem er sagte »ich kann nicht«, »ich weiß nicht, wie« usw. Dies war auch unsere Erfahrung bei der Untersuchung depressiver Patienten. Wenn Sie einen Depressiven nach einem Test, bei dem es auf Schnelligkeit ankommt, fragen, wie langsam er wohl gewesen sei, so wird er sich als noch langsamer einschätzen, als er tatsächlich war. Dies beeindruckte mich am stärksten, als meine Kollegen und ich die Methode der gestuften Aufgaben, ein neues Verfahren zur Therapie der Depression, ausprobierten. Die Instruktion beginnt für den Patienten immer mit den Worten: »Ich habe hier ein paar Aufgaben, die ich Sie bitte auszuführen.« Eines Morgens brachte ich eine depressive Frau mittleren Alters in den Untersuchungsraum, nachdem wir uns lokker unterhalten hatten, und begann mit der Instruktion. Als ich das Wort »Aufgabe« aussprach, brach sie in Tränen aus und war unfähig weiterzumachen. Die bloße Tatsache einer Aufgabe wird von einem Depressiven als Herkulesarbeit wahrgenommen. William Miller und ich überprüften diesen Aspekt des Hilflosigkeits-Modells an depressiven Patienten und Studenten.84 Wenn gelernte Hilflosigkeit ein Modell für Depression ist, dann sollte durch unvermeidbaren Lärm oder unlösbare Probleme induzierte Hilflosigkeit die gleichen Symptome hervorrufen, die bei natürlich auftretender Depression zu beobachten sind. Wie Sie sich erinnern werden, erwähnte ich im dritten 62 Kapitel, daß die Erfahrung unvermeidbaren Lärms eine negative kognitive Denkstruktur zur Folge hatte: die Versuchspersonen zeigten anschließend geringere Veränderungen ihrer Erfolgs- bzw. Mißerfolgserwartungen in einem Geschicklichkeitstest (s. S. 35). Sie behandelten ihre Erfolge und Mißerfolge bei Geschicklichkeitsaufgaben genauso, als ob es Zufallsaufgaben wären, bei denen ihre Reaktionen nichts bewirkten. Dagegen zeigten Versuchspersonen, die vermeidbaren Lärm erfahren hatten oder gar keinem Lärm ausgesetzt worden waren, große Erwartungsänderungen, wenn sie bei Geschicklichkeitsaufgaben erfolgreich waren oder versagten, aber nur geringe Erwartungsänderungen bei Zufallsaufgaben. Keine dieser Versuchspersonen fühlte sich depressiv. Wir fragten uns daraufhin, ob Depression allein, ohne Vorerfahrung unvermeidbaren Lärms, mit der gleichen negativen Einstellung einhergehen würde, wie sie Hilflosigkeit bei nicht depressiven Versuchspersonen hervorrief. Unserem Modell zufolge ist Depression nicht genereller Pessimismus, sondern ein Pessimismus, der sich spezifisch auf das eigene Können bezieht. Wir gaben daher Gruppen depressiver und nicht depressiver Versuchspersonen Geschicklichkeits- und Glücksaufgaben; in beiden Tests erfuhren die Versuchspersonen die gleiche Abfolge von Erfolgen und Mißerfolgen. Wie sich zeigte, unterschieden sich depressive und nicht depressive Studenten nicht hinsichtlich ihrer anfänglichen Erfolgserwartungen. Nach jedem Erfolg und jedem Mißerfolg fragten wir die Versuchspersonen, wie gut sie im folgenden Durchgang abzuschneiden glaubten – genauso wie wir es zuvor die Versuchspersonen gefragt hatten, die Lärm ausgesetzt worden waren. Hatten die beiden Gruppen erst einmal Erfolg oder Mißerfolg erlebt, so unterschieden sich depressive und nicht depressive Versuchspersonen sehr deutlich voneinander: Die nicht depressiven Versuchspersonen, die überzeugt waren, daß ihr Erfolg von ihren Fertigkeiten abhinge, zeigten bei Geschicklichkeitsaufgaben viel größere Erwartungsschwankungen als bei Glücksaufgaben. Dagegen veränderte die depressive Gruppe ihre Erwartungen bei Geschicklichkeitsaufgaben nicht mehr als bei Zufallsaufgaben. Je depressiver darüber hinaus ein Individuum war, um so weniger veränderten sich seine Erwartungen bei Geschicklichkeitsaufgaben; es war offensichtlich davon überzeugt, daß seine Reaktionen bei Geschicklichkeitsaufgaben genauso wenig Auswirkungen hatten wie bei Zufallsaufgaben. Auch bei nach Ängstlichkeit parallelisierten Gruppen depressiver und nicht depressiver Versuchspersonen fand sich nur bei den Depressiven die negative kognitive Einstellung, was darauf hinweist, daß dieses Charakteristikum nicht auf Ängste zurückgeführt werden kann, sondern für Depression spezifisch ist.85 Diese Ergebnisse liefern die experimentelle Bestätigung, daß sowohl Depression, wie man sie aus der Alltagserfahrung kennt, als auch durch unkontrollierbare Konsequenzen induzierte Hilflosigkeit eine negative kognitive Einstellung bewirken, d.h. eine Überzeugung, daß Erfolg und Mißerfolg von den eigenen Anstrengungen unabhängig sind. Die Untersuchung von Miller und Seligman (1974b) zum Lösen von Anagrammen erbrachte weiteres Beweismaterial für die Symmetrie zwischen Depression und Hilflosigkeit. Ich erwähnte in Kapitel 3, daß vorausgehende Erfahrung unvermeidbaren Lärms die Fähigkeit, Anagramme zu lösen, herabsetzt (vgl. S. 31, 36). Unkontrollierbarkeit erhöhte die Zeit, um ein Anagramm zu lösen, die Zahl erfolgloser Lösungsversuche und die Zahl der Durchgänge, um das Muster, nach dem die Anagramme aufgebaut waren, zu entdecken. Diese Versuchspersonen waren jedoch nicht depressiv. Führt natürlich auftretende Depression zu der gleichen negativen Denkstruktur – gemessen an der Beeinträchtigung beim Lösen von Anagrammen – wie experimentell induzierte Hilflosigkeit? Um dies zu überprüfen, boten wir einer Gruppe studentischer Versuchspersonen ein aversives Geräusch dar, dem sie entfliehen konnten, während eine zweite Gruppe diesem Geräusch unvermeidbar ausgesetzt war und eine dritte Kontrollgruppe kein Geräusch hörte. Die Gruppen waren so gewählt, daß jeweils eine Hälfte der Versuchspersonen dem BDI (Beck’s Depression Inventory), einer Stimmungsskala, zufolge depres63 siv war. Wie erwartet schnitten depressive Versuchspersonen, die keinem Lärm ausgesetzt gewesen waren, ebenso wie nicht depressive Versuchspersonen, die unvermeidbaren Lärm erfahren hatten, beim Lösen der Anagramme sehr schlecht ab: sie bewältigten nur wenige Anagramme, brauchten länger für diejenigen Anagramme, die sie lösen konnten und hatten mehr Schwierigkeiten, das Muster des Anagramms zu entdecken. Wieder ging zunehmende Depressivität mit schlechterer Leistung einher. Wiederum rief Depression die gleichen Störungen hervor wie experimentell induzierte Hilflosigkeit.86 Wichtige Ergebnisse fanden wir auch bei einer anderen Gruppe, nämlich bei den depressiven Studenten, die dem Geräusch entfliehen konnten. Diese Erfahrung schien ihre negative kognitive Denkstruktur umzukehren, wie sich an ihrer Bewältigung der Anagramme ablesen ließ: diese Gruppe Depressiver schnitt wesentlich besser ab als die Gruppe Depressiver, die gar keinem Geräusch ausgesetzt worden war; tatsächlich waren ihre Leistungen genauso gut wie die der nicht depressiven Versuchspersonen, die keinen Lärm gehört hatten. Zusammenfassend zeigen Depressive eine negative kognitive Einstellung oder sind schwer davon zu überzeugen, daß ihre Reaktionen wirkungsvoll sind. Es ist uns gelungen, dies bei Depressiven experimentell nachzuweisen für die Wahrnehmung von Verstärkung, die Leistung beim Lösen von Anagrammen und Fluchtreaktionen bei aversiven Geräuschen: die Defizite, die Depressive bei diesen Aufgaben zeigen, sind genau parallel zu denen, die unkontrollierbare Ereignisse hervorrufen. Diese Ergebnisse bestätigen gelernte Hilflosigkeit als Modell der Depression. 5.2.2.3 Zeitverlauf Manchmal ist ein Mann nach dem Tod seiner Frau nur für wenige Stunden depressiv; andere sind wochenlang, monatelang oder sogar jahrelang depressiv. (Manch einer reagiert natürlich auch euphorisch). Aber Zeit heilt gewöhnlich Wunden. Bei Katastrophen findet man zeitliche Verläufe von Depressionen, die denen bei expenmentell induzierter Hilflosigkeit bei Hunden gleichen. Ein Forscherteam, das nach einem Tornado nach Worcester, Massachusetts, flog, stellte fest, daß die Bevölkerung während der Katastrophe gut reagiert hatte.87 Aber 24 bis 48 Stunden später folgte ein emotionaler Zusammenbruch – die Anwohner irrten ziellos umher oder saßen einfach im Regen herum. Diese Symptome verschwanden jedoch innerhalb weniger Tage. Die Zeit spielt bei fast allen Depressionen eine Rolle.88 Bei endogenen Depressionen findet man regelmäßige zyklische Stimmungsschwankungen. Bei reaktiven Depressionen reguliert sich die Stimmung selbst, und es wirkt therapeutisch auf depressive Patienten, wenn sie wissen, daß ihre Verzweiflung vergehen wird, wenn sie lange genug warten. Vor kurzem wurde viel über die Bürgerrechte von Menschen diskutiert, die Selbstmord begehen wollen. Die meisten amerikanischen Staaten haben Gesetze gegen Selbstmord, und fast überall werden Schritte unternommen, um ihn zu verhindern – z.B. mit der Einrichtung sogenannter Präventionszentren. Bürgerrechtler hielten dagegen, daß, wenn ein Individuum beschließt, sich das eigene Leben zu nehmen, keine Instanz in diese Entscheidung eingreifen sollte.89 Jeder hat ein Recht, über sich selbst zu verfügen, genauso wie er ein Recht hat, nach seinem Belieben über sein Eigentum zu verfügen. Ich halte dieses Argument für irreführend. Selbstmord hat seine Wurzeln gewöhnlich in Depression, und Depression vergeht mit der Zeit. Wenn ein Mensch depressiv ist, sieht er seine Zukunft grau in grau und sich selbst hilflos und hoffnungslos. Aber in vielen Fällen würde sich diese kognitive Einstellung allein aufgrund des Zeitfaktors verändern, wenn er einige Wochen abwarten würde; die Zukunft würde ihm weniger hoffnungslos vorkommen, selbst wenn die tatsächlichen Lebensumstände noch unverändert wären. Anders ausgedrückt würde die Intensität, mit der der Depressive sich umzubringen wünscht, nachlassen, auch wenn seine Gründe unverändert blieben. Einer der tragischsten Aspekte des Selbstmordes ist, daß ein Mensch oft nicht mehr das Verlangen hätte, sich umzubringen, wenn man ihn ein oder zwei Wochen davon abhalten könnte. 64 5.2.2.4 Mangelnde Aggressivität Depressive Menschen entbehren im Grunde genommen jeder offenen Feindseligkeit gegenüber anderen. Dieses Symptom ist so schlagend, daß Freud und seine Schüler es der psychoanalytischen Theorie der Depression zugrunde legten.90 Freud war der Überzeugung, daß der Depressive wütend auf den Verlust eines geliebten Objektes reagiert, aber diese ausbrechende Wut nach innen gegen sich selbst richtet, weil die Person, die ihn »verlassen« hat, seiner gesammelten Aggression entzogen ist. Diese nach innen gerichtete Feindseligkeit verursache Depression, Selbsthaß, Selbstmordabsichten und natürlich das charakterisierende Symptom, den Mangel an nach außen gerichteter Aggressivität. Leider wurden keine diese Annahme verifizierende Beweise vorgelegt; tatsächlich ist diese Theorie so weit von allem Beobachtbaren entfernt, daß es fast unmöglich ist, sie direkt zu überprüfen. Immerhin ließen sich einige Belege aus Traumstudien gewinnen. Die psychoanalytische Theorie geht davon aus, daß die unterdrückte Feindseligkeit des Depressiven im Traum frei wird; tatsächlich sind die Träume Depressiver jedoch so frei von Feindseligkeit wie ihr Wachzustand.91 Sogar im Traum sehen sie sich als passive Opfer und Verlierer. Sieht man von der Theorie ab, so stimmt die psychoanalytische Ansicht, daß Depressive alle offenen Aggressionen verloren zu haben scheinen, mit dem bei gelernter Hilflosigkeit beobachteten Mangel an Aggressivität überein. Ich betrachte dieses Symptom nicht wie der Psychoanalytiker als Ursache von Depression. sondern als Ergebnis der Überzeugung, hilflos zu sein, die Depression verursacht: Aggression ist lediglich ein weiterer Komplex willentlicher Reaktionen, der durch die Überzeugung von der eigenen Hilflosigkeit untergraben wird. Wir haben festgestellt, daß Depressive im Laborexperiment weniger konkurrierten. Ich erwähnte im Kapitel 3 das Ergebnis von Kurlander, Miller und mir, daß Studenten, die zuerst mit unlösbaren Diskriminationsaufgaben konfrontiert worden waren, im Gefangenen-Dilemma-Spiel etwas weniger konkurrierten und sich häufiger aus dem Spiel zurückzogen als nicht hilflose Versuchspersonen, die entweder keine oder lösbare Probleme vorgelegt bekommen hatten (s. S. 33). Wir wiederholten das Experiment mit depressiven Versuchspersonen und fanden, daß Depressive, die vor dem Spiel keine Diskriminationsaufgaben lösen mußten, im Spiel seltener konkurrierten und sich häufiger aus einem Durchgang zurückzogen als nicht depressive Versuchspersonen ohne Vortraining mit Diskriminationsaufgaben. Wieder senkte also natürlich auftretende Depression ebenso wie durch Unkontrollierbarkeit induzierte Hilflosigkeit Konkurrenzverhalten und steigerte die Passivität. In Untersuchungen zu depressivem Verhalten bei Primaten wurden junge Affen von ihren Müttern getrennt oder in einen dunklen, schachtartigen Käfig gesetzt; nachfolgend zeigten die Tiere Mangel an sozialem und aggresivem Verhalten ebenso wie mangelhafte Initiative zu willentlichen Verhaltensweisen. Diese Defizite stimmen mit denen überein, die durch Unkontrollierbarkeit hervorgerufen werden und die mit Depression beim Menschen einhergehen. Ich werde in Kapitel VII diese Untersuchungen zu frühkindlicher Trennung von der Mutter noch diskutieren, aber ich sollte die »SchachtStudie« hier kurz erwähnen. S. Suomi und H. Harlow setzten 45 Tage alte Rhesus-Affen in einen ½ Meter tiefen und 12 cm breiten, senkrechten Käfig, in dem sie 45 Tage lang ohne externe Eingriffe blieben; da der Schacht undurchsichtig war, erhielten die Affen ein Minimum an Stimulation.92 Am Ende dieser Phase wurden die Tiere auf soziale Reaktionen hin untersucht. Die Affen zeigten weitaus gravierendere Mängel im Sozialverhalten als Kontrolltiere, die isoliert aufgezogen oder Affen, die von ihren Müttern getrennt wurden; in freier Umgebung verhielten sie sich tief depressiv: sie nahmen sehr wenig sozialen 65 Kontakt zu anderen Affen auf und zeigten praktisch kein Spielverhalten; sie lagen vielmehr zusammengerollt in einer Ecke, die Arme um ihren Körper geschlungen. Die emotionale Entwicklung dieser im Schacht aufgewachsenen Affen schien dauerhaft verkümmert, da sie auch in der Folge fast keine soziale Interaktion mit Gleichaltrigen aufnahmen. Es ist möglich, daß die depressiven Verhaltensweisen durch das Aufwachsen in Isolation hervorgerufen wurden, weil diese Isolation wie unkontrollierbare elektrische Schläge oder unlösbare Probleme Hilflosigkeit induzierte. Denn der Affe ist im Schacht der Definition von Unkontrollierbarkeit entsprechend hilflos. Er hat überhaupt sehr wenig Kontrolle: er bekommt Futter und Wasser unabhängig von seinem Verhalten; es gibt im Schacht weder Gegenstände noch andere Affen, die er kontrollieren könnte; er kann nicht einmal hinaussehen, wann er will. Es fehlt fast alles, was im Leben eines jungen Affen attraktiv ist – diese Dinge sind daher unkontrollierbar; und selbst wenn diese Dinge vorhanden sind, dann ohne Bezug zu seinem Verhalten. 5.2.2.5 Libido- und Appetitverlust Einem Depressiven schmeckt alles gleich. Schwer depressive Menschen essen weniger und nehmen ab. Sexuelle Interessen schwinden und schwere Depression kann von Impotenz begleitet sein. Menschen, die der Depressive sonst aufregend und unterhaltsam fand, werden uninteressant; das Leben hat seine Würze verloren. Diese Symptome entsprechen den Defiziten im appetitiven, sexuellen und sozialen Repertoire hilfloser Tiere. 5.2.2.6 Noradrenalin-Mangel und cholinerge Dominanz Die hervorstechendste Hypothese über einen physiologischen Ursprung der Depression ist die sogenannte Katecholaminhypothese.93 Sie besagt, daß bei Depressiven die NAReserven in den entsprechenden zentralnervösen Strukturen entleert sind. Diese These wurde indirekt überprüft: zwei verschiedene Antidepressiva, Monoaminooxidase (MAO) Hemmer und Trizyklische Amine haben eine gemeinsame Eigenschaft, NA im Zentralnervensystem (ZNS) verfügbar zu halten.94 Ein anderes Pharmakon, Reserpin, ursprünglich eingesetzt, um bei Herz-Kreislauf-Patienten den Blutdruck zu senken, führt gelegentlich zu Depressionen und – neben anderen Effekten – zu NA-Mangel. AMPT, ein ziemlich spezifisches NA abbauendes Agens, bewirkt bei Affen soziale Isolierung und andere depressionsähnliche Verhaltensweisen und behindert bei Ratten die Fähigkeit, elektrischen Schlägen zu entfliehen.95 Diese Ergebnisse dürften den Befunden von Weiss und seinen Mitarbeitern (1970, 1974) bei hilflosen Ratten entsprechen. Ein neues Ergebnis unterstützt die Möglichkeit cholinerger Dominanz bei Depression. Injiziert man gesunden Versuchspersonen Physostigmin, ein Pharmakon, das das cholinerge System aktiviert, so werden sie innerhalb von Minuten depressiv.96 Die Versuchsperson wird überschwemmt von Gefühlen der Hilflosigkeit, von Suizidwünschen und Selbstverachtung. Marihuana verstärkt übrigens diese Effekte noch. Verabreicht man diesen Versuchspersonen Atropin, ein Anticholinergikum, verschwinden diese Symptome rasch und die Versuchspersonen reagieren wieder normal. Dies dürfte den Ergebnissen entsprechen, daß die Injektion von Atropin ins Septum von Katzen gelernte Hilflosigkeit bei diesen Tieren aufhob. Obwohl die Symptome gelernter Hilflosigkeit und Depression eine ganze Menge gemeinsam haben, gibt es zwei durch unkontrollierbare elektrische Schläge induzierbare Symptome, die nicht unbedingt mit Depression übereinstimmen. Erstens entwickeln Ratten, die unkontrollierbare Schocks erhalten, häufiger und gravierendere Magengeschwüre als Ratten, die kontrollierbare Schocks erfahren;97 mir ist jedoch keine Unter66 suchung zum Zusammenhang von Depression und Magengeschwüren bekannt. Zweitens ruft unkontrollierbarer Schock mehr Angst hervor als kontrollierbarer Schock, was sich auf subjektiver, behavioraler und physiologischer Ebene messen läßt; doch wurde die Frage bisher nicht eindeutig beantwortet, ob depressive Menschen ängstlicher sind als nicht depressive. Sowohl Angst wie Depression können bei einigen Menschen zur gleichen Zeit beobachtet werden, aber bei hospitalisierten Patienten besteht nur ein schwach positiver korrelativer Zusammenhang zwischen beiden Symptomen. W. Miller und seine Mitarbeiter fanden nur sehr wenige depressive Studenten, die nicht auch ängstlich waren; andererseits war es einfach, ängstliche, aber nicht depressive Studenten zu finden. Ich habe bereits behauptet, daß Angst und Depression in folgender Weise zusammenhängen: werden ein Mensch oder ein Tier mit einer Bedrohung oder einem Verlust konfrontiert, so reagieren sie zunächst mit Furcht; lernen sie dann, daß die Bedrohung vollständig kontrollierbar ist, verschwindet die Furcht, da sie ihre Funktion erfüllt hat; bleiben sie unsicher, was die Kontrollierbarkeit der Bedrohung anbelangt, bleibt die Furcht bestehen; lernen sie oder gelangen sie zu der Überzeugung, daß die Bedrohung gänzlich unkontrollierbar ist, weicht die Furcht der Depression. Eine Reihe von Merkmalen der Depression sind darüber hinaus bei gelernter Hilflosigkeit bisher nur unzureichend untersucht worden. In diesem Zusammenhang fallen vor allem Symptome auf, die bei Tieren nicht erforscht werden können: Niedergeschlagenheit, Schuldgefühle, Selbstverachtung, Verlust der Heiterkeit, Suizidgedanken und Weinkrämpfe. Nachdem nun Hilflosigkeit zuverlässig beim Menschen induziert worden ist, kann bestimmt werden, ob einer oder alle diese Zustände auch bei Hilflosigkeit vorkommen. Ein Forscher, der sich derartige Untersuchungen vornimmt, sollte jedoch mit großer Sorgfalt Effekte der experimentellen Manipulation auszuschalten versuchen. Diese Lücken gilt es also noch aufzufüllen. Ich kenne jedoch keinen Befund, der die Ähnlichkeit der Symptomatik bei Depression und gelernter Hilflosigkeit widerlegt. In der Tat nennen Depressive, wenn sie nach ihren Gefühlen gefragt werden, als vorherrschendste Empfindungen Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit.98 5.2.3 Ätiologie von Depression und gelernter Hilflosigkeit Gelernte Hilflosigkeit entsteht, wenn ein Individuum lernt, daß seine Reaktionen unabhängig von Verstärkungen sind; insofern legt das Modell nahe, als Ursache für Depression die Überzeugung anzusehen, daß Reagieren zwecklos ist. Unter welchen Bedingungen entsteht nun reaktive Depression? Versagen am Arbeitsplatz oder in der Schule, der Tod eines geliebten Menschen, Ablehnung oder Trennung von einem geliebten Partner, Krankheit, finanzielle Schwierigkeiten, die Konfrontation mit unlösbaren Problemen und das Altern.99 Es gibt noch viele andere Bedingungen, aber diese Aufstellung erfaßt das Wesentliche. Ich glaube, daß im Zentrum der Depression etwas Einheitliches, alle diese Erfahrungen verbindendes steht: der depressive Patient glaubt oder hat gelernt, daß er jene Aspekte seines Lebens, die Leiden erleichtern, Befriedigung verschaffen oder Nahrung sichern, nicht kontrollieren kann – er ist, kurz gesagt, überzeugt davon, daß er hilflos ist. Betrachten wir einige der genannten Bedingungen: was bedeutet es, in Beruf oder Schule zu versagen? Oft bedeutet es, daß alle Anstrengungen einer Person vergeblich waren, daß es ihr nicht gelang, ihre Ziele zu erreichen. Wenn jemand von einem anderen zurückgestoßen wird, den er liebt, hat er keine Kontrolle mehr über diese wichtige Quelle von Glück und Bestätigung. Wenn ein Elternteil oder ein Partner stirbt, kann der Trauernde durch nichts mehr bei dem Toten Zuwendungsreaktionen auslösen. Krankheit und Alter sind Bedingungen für Hilflosigkeit par excellence: das Individuum erlebt seine eigenen Reaktionen als unwirksam und ist auf die Pflege anderer angewiesen. 67 Auch bei endogenen Depressionen kann eine Überzeugung von der eigenen Hilflosigkeit eine Rolle spielen, auch wenn diese nicht in der Folge explizit Hilflosigkeit induzierender Bedingungen entsteht. Ich habe den Verdacht, daß ein Kontinuum der Empfänglichkeit für diese Überzeugung dem endogen-reaktiven Kontinuum der Depression zugrundeliegt. An dem extremen Ende der endogenen Depression wird das kleinste Hindernis beim Depressiven einen Teufelskreis von Überzeugungen in die eigene Unfähigkeit in Gang setzen. Am reaktiven Pol erzwingt erst eine Abfolge katastrophaler Ereignisse, denen das Individuum faktisch hilflos ausgeliefert ist, die Überzeugung, daß Reagieren zwecklos ist. Nehmen wir z.B. die prämenstruelle Anfälligkeit für Hilflosigkeitsgefühle. Kurz vor dem Beginn ihrer Menstruation kann eine Frau feststellen, daß es schon genügt, einen Teller zu zerbrechen, um sie in tiefe Depressionen zu stürzen, die mit Hilflosigkeitsgefühlen einhergehen. Zu anderen Zeiten während des Monats würde sie ein zerbrochener Teller nicht weiter aufregen; es müßten schon mehrere größere traumatische Erfahrungen aufeinander folgen, um Depressionen auszulösen. Ist Depression eine kognitive oder eine emotionale Störung? Weder-noch und sowohlals-auch. Die Erkenntnis eigener Hilflosigkeit senkt eindeutig die Stimmung, und eine gedrückte Stimmung, die physiologisch bedingt sein kann, steigert die Bereitschaft, sich als hilflos wahrzunehmen; dies ist in der Tat ein außerordentlich schwer zu durchbrechender Teufelskreis in der Depression. Schließlich glaube ich, daß die Differenzierung zwischen kognitiver und emotionaler Störung in der Depression unhaltbar ist. Kognition und Emotion müssen keine naturgegeben unabhängigen Einheiten sein, nur weil unsere Sprache zwischen beiden differenziert. Wenn man die Depression insgesamt betrachtet, so ist eine außergewöhnliche gegenseitige Abhängigkeit von Gefühlen und Gedanken unbestreitbar: man fühlt sich nicht depressiv ohne depressive Gedanken, und man hat keine depressiven Gedanken ohne depressive Gefühle.* Meiner Meinung nach beruht die Verwirrung, ob Depression nun eine kognitive oder eine emotionale Störung sei, eher auf unzutreffender Begriffsbildung als auf Verständnisschwierigkeiten. * Im buddhistischen System, das auf eine jahrtausendealte Tradition psychologischer Forschung zurückblicken kann, gibt es kein Wort für Emotion. Der buddhistische Philosoph geht davon aus, daß Gedanken und Emotionen immer zusammen auftreten und betrachtet sie daher als Gesamtphänomen. [A.d.S.] Ich bin nicht der einzige, der der Überzeugung ist, daß die Erkenntnis eigener Hilflosigkeit zentrale Ursache der Depression ist. E. Bibring (1953), ein psychodynamisch ausgerichteter Theoretiker, sieht die Dinge in ähnlicher Weise: Was als zugrundeliegender Mechanismus der Depression beschrieben worden ist, die erschreckende Erkenntnis des Ichs von seiner Hilflosigkeit gegenüber seinen Erwartungen, spiegelt vermutlich den Kern normaler, neurotischer und möglicherweise psychotischer Depression wider. F. T. Melges und J. Bowlby (1969) sehen eine ähnliche Ursache für Depression: Unserer These zufolge werden, während die Ziele eines depressiven Patienten relativ unverändert bleiben, seine Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, diese Ziele zu erreichen und sein Vertrauen in die Wirksamkeit seines eigenen Könnens reduziert ... der Depressive ist überzeugt, daß geplante Handlungen nicht mehr wirksam sind, um seine fortbestehenden und seine langfristigen Ziele zu erreichen ... Aus diesem Gemütszustand lassen sich unserer Meinung nach viele depressive Symptome ableiten, einschließlich Entschlußlosigkeit, Handlungsunfähigkeit, steigenden Anforderungen an andere und Gefühle der Wertlosigkeit und Schuld angesichts nicht erfüllter Pflichten.100 P. Lichtenberg (1957) sieht das definierende Charakteristikum der Depression in der Hoffnungslosigkeit: 68 Depression wird definiert durch eine Manifestation erlebter Hoffnungslosigkeit in Bezug auf das Erreichen von Zielen, wenn die Verantwortlichkeit für die Hoffnungslosigkeit den eigenen persönlichen Unvollkommenheiten zugeschrieben wird. In diesem Zustand wird Hoffnung als Funktion der wahrgenommenen Erfolgswahrscheinlichkeit in Bezug auf das Erreichen der Ziele betrachtet. Behavioral ausgerichtete Theoretiker sind davon überzeugt, daß Depression durch einen Verlust an Verstärkern oder durch Löschung von Verhaltensweisen verursacht wird.101 Eine Interpretation von Depression als Löschung steht jedoch nicht im Widerspruch zu einer Interpretation von Depression als Hilflosigkeit. Das Hilflosigkeits-Modell ist jedoch allgemeiner. Diese Unterscheidung bedarf einiger Erläuterungen: Löschung bezieht sich auf eine Kontingenz, in der jegliche Verstärkung entzogen wird, so daß weder die Reaktion des Individuums noch sein Nicht-Reagieren Verstärkung herbeiführen. Der Verlust von Verstärkern kann wie im Falle des Todes eines geliebten Menschen als Extinktion betrachtet werden. In den herkömmlichen Extinktionsverfahren ist die Wahrscheinlichkeit der Verstärkung gleich null, unabhängig davon, ob das Individuum nun reagiert oder nicht. Es handelt sich um einen Spezialfall einer Unabhängigkeit von Reaktion und Konsequenz (der Nullpunkt der 45º-Achse im ReaktionsKontingenzen-Raum; vgl. Abb. 2.3). Verstärkung kann jedoch auch mit einer Wahrscheinlichkeit größer Null erfolgen und trotzdem unabhängig vom Verhalten sein. Dies ist beim typischen Hilflosigkeitsparadigma der Fall; derartige Kontingenzen lassen die Auftrittswahrscheinlichkeit bereits erworbener Reaktionen geringer werden.102 Das Hilflosigkeits-Modell, das auf der Unabhängigkeit von Reaktion und Verstärkung aufbaut, schließt die Interpretation von Depression als Löschung mit ein und postuliert zusätzlich, daß sogar Bedingungen Depression verursachen, unter denen Verstärkung erfolgt, aber unabhängig von den eigenen Reaktionen ist. Kann Depression tatsächlich durch andere Kontingenzen als jene der Löschung verursacht werden, Kontingenzen, bei denen Verstärker zwar gegeben werden, aber nicht unter der Kontrolle des Individuums stehen? Ist der absolute Verlust von Verstärkern notwendige Bedingung für Depression oder kann Depression auch nur aufgrund des Verlustes von Kontrolle über Verstärker entstehen? Würde ein Casanova, der jede Woche mit sieben verschiedenen Frauen schläft, depressiv werden, wenn er entdecken müßte, daß sein Erfolg nicht auf seinen Künsten als Liebhaber beruhte, sondern auf seinem Reichtum oder darauf, daß seine Taufpatin eine gute Fee war? Theoretisch ist dies ein interessanter Fall, aber wir können nur spekulieren, was geschehen würde. Unserer Theorie der Hilflosigkeit zufolge verursacht nicht der Verlust von Verstärkern, sondern der Verlust der Kontrolle über die Verstärker Depression; Erfolgsdepression und verwandte Phänomene weisen darauf hin, daß diese Hypothese gerechtfertigt ist. 69 5.2.4 Erfolg und Depression Nun ist das lang ersehnte Zeichen erschienen. Wenn das Glück kommt, bringt es weniger Freude, als man erwartet hat. C. P. Cavafy Meine emotionale Reaktion auf umfassende metaphysische und politische Behauptungen hängt davon ab, welche Gefühle ich gerade mir gegenüber hege. Nehmen Sie z.B. die Aussage »Der Mensch muß seinem Leben selbst einen Sinn geben; kein größeres Ziel ist vorherbestimmt« – ein Satz, an den ich nun gerade glaube. Bin ich gerade uneins mit mir, weil ich eine schlechte Vorlesung gehalten habe oder weil ich festgestellt habe, daß jemand mich nicht mag, macht mich eine solche metaphysische Aussage traurig. »Das Leben ist absurd«, sage ich zu mir selbst, »meine Handlungen haben keinen größeren Sinn«. Wenn ich mich hingegen wohl in meiner Haut fühle, weil ich eine gute Vorlesung gehalten habe oder weil mir jemand seine Zuwendung geschenkt hat, macht mich diese Aussage euphorisch. »Der Mensch muß sich sein eigenes Schicksal gestalten«, denke ich mir »niemand kann meinem Leben die Ziele diktieren«. Generell glaube ich, daß unsere Einstellung umfassenden Aussagen gegenüber, die keine unmittelbare Einwirkung auf unser Leben haben, unsere momentanen Gefühle uns selbst gegenüber widerspiegeln. In den letzten paar Jahren haben sich viele meiner Studenten an mich gewandt, weil sie sich depressiv fühlten. Häufig führten sie ihre Depression auf die Überzeugung zurück, daß ihr Leben keinen tieferen Sinn habe, daß der Vietnamkrieg niemals enden würde, daß die Armen und Schwarzen unterdrückt werden oder daß unsere Regierung korrupt sei. Dies sind legitime Gründe, und es ist sicherlich gerechtfertigt, ihnen so viele Überlegungen und so viel Energie zu widmen. Aber wurden die Gefühle, die akute Depression direkt durch diese Geschehnisse verursacht? Sicherlich könnten solche Aussagen bei einem Schwarzen, einem Armen oder einem Studenten, der vermutlich eingezogen wird, direkt zu Depression führen. Aber die meisten jener Studenten, die zu mir kamen, waren weder schwarz noch arm, noch in der Gefahr eingezogen zu werden; sie wurden in ihrem täglichen Leben nicht von derartigen Problemen tangiert. Trotzdem sagten sie, daß sie durch sie depressiv wurden, nicht einfach betroffen oder ärgerlich sondern depressiv. Für mich hieß das, daß ihnen etwas Probleme machte, das ihnen viel näher war, daß sie Probleme mit ihrem Zuhause hatten, mit sich selbst, ihren Fähigkeiten und mit ihrem täglichen Leben. Solche existentiellen Depressionen nehmen heutzutage überhand, ich möchte sogar zu behaupten wagen, stärker als zu meiner Studienzeit vor zehn Jahren. Auf den ersten Blick erscheint dies paradox. Viele der Annehmlichkeiten des täglichen Lebens sind heute leichter zugänglich als je zuvor; mehr sexuelle Freiheiten, mehr Schallplatten, mehr intellektueller Anreiz, mehr Bücher, mehr Kaufkraft. Auf der anderen Seite hat es immer Kriege gegeben, Unterdrückung, Korruption und Absurditäten; und der Mensch hat sich dabei immer ganz gut gehalten. Warum sollte ausgerechnet diese außergewöhnlich vom Glück begünstigte Generation besonders depressiv sein? Ich denke, daß die Antwort in dem Mangel an Kontingenz zwischen dem Verhalten dieser Studenten und den genannten Annehmlichkeiten ebenso wie den unangenehmen Ereignissen, die sich ihnen bieten, liegt. Die Verstärker sind weniger durch die Anstrengungen der jungen Menschen, die von ihnen profitieren, bedingt als dadurch, daß sie in einer Überflußgesellschaft leben. Sie haben nur äußerst selten Belohnung als Folge harter Arbeit erlebt. Wie entwickelt man seinen Sinn für Macht, Wert und Selbstachtung? Nicht durch Besitzen, sondern durch häufige Erfahrung, daß die eigenen Aktivitäten die Welt verändern. 70 Ich behaupte daher, daß nicht nur traumatische Bedingungen, die unabhängig von den eigenen Reaktionen erfolgen, Hilflosigkeit und Depression verursachen können, sondern auch inkontingent positiv erlebte Ereignisse. Welche entwicklungsgeschichtliche Bedeutung kommt infolgedessen dem subjektiven Erleben, der Stimmung zu? Vermutlich können empfindungsfähige Organismen genauso gut ohne Stimmung gebaut sein – so wie es kompliziert gebaute Computer auch sind. Welcher Selektionsdruck rief Gefühle und Affekte hervor? Es kann sein, daß das hedonistische System entwickelt wurde, um instrumentelle Reaktionen anzuspornen und aufrechtzuerhalten. Ich nehme an, daß Freude effektives Reagieren begleitet und motiviert, und daß ohne wirksames Verhalten ein aversiver Zustand entsteht, den Organismen zu vermeiden suchen. Dieser Zustand wird Depression genannt. Es ist ganz eindeutig erwiesen, daß Ratten und Tauben, läßt man ihnen die Wahl, entweder einfach Futter so zu bekommen oder das gleiche Futter auf eine Reaktion hin zu bekommen, die Anstrengung vorziehen.103 Kleine Kinder lächeln ein Mobile an, dessen Bewegungen mit den eigenen kontingent sind, und nicht ein Mobile, das sich inkontingent bewegt.104 Jagen Jäger aus Lust am Töten und erstürmen Bergsteiger Gipfel des Ruhmes wegen? Wohl kaum. Diese Aktivitäten machen Freude, weil sie mit effektiven instrumentellen Verhaltensweisen verbunden sind. Die dysphorischen Stimmungen, die entstehen, wenn man diese effektiven Verhaltensweisen aufgibt, können die sogenannte »Erfolgsdepression« erklären. Nicht selten reagiert ein Individuum depressiv, wenn es schließlich ein jahrelang umkämpftes Ziel erreicht. Beamten des öffentlichen Dienstes, die nach mühsamen Wahlkampagnen in öffentliche Ämter gewählt werden, Präsidenten der Amerikanischen Psychologischen Gesellschaft, erfolgreiche Schriftsteller und selbst Astronauten, die auf dem Mond landen, werden kurz nach Erreichen solcher Gipfel schwer depressiv. Im Rahmen einer Theorie, die Depression mit dem Verlust von Verstärkern erklärt, erscheinen derartige Depressionen paradox, denn erfolgreiche Individuen erfahren Verstärker ja nicht nur kontinuierlich, sie erhalten zusätzlich auch mehr neue Verstärker als zuvor. Im Rahmen der Theorie gelernter Hilflosigkeit erscheint dieses Phänomen nicht widersinnig. Erfolgreiche depressive Menschen sagen Ihnen, daß sie nun nicht mehr für das verstärkt werden, was sie augenblicklich leisten, sondern dafür, wer sie sind oder was sie früher geleistet haben. Haben sie einmal das angestrebte Ziel erreicht, werden Verstärker für sie unabhängig von irgendwelchen laufenden instrumentellen Verhaltensweisen. Schöne Frauen sind häufiger depressiv und suizidal als man annehmen sollte. wenige Menschen erfahren mehr Verstärkung: Aufmerksamkeit, Autos, Liebe. Wenn man sie aber daran erinnert, wie glücklich sie doch sind, sagen sie angeekelt: »Ich bekomme das alles ja nur für mein Aussehen und nicht dafür, wie ich wirklich bin. Zusammenfassend habe ich die These aufgestellt, daß nicht nur die absolute Qualität der Erfahrung Selbstachtung und einen Sinn für die eigene Kompetenz schafft und gegen Depression schützt, sondern die Wahrnehmung, daß die eigenen Handlungen diese Erfahrung kontrollieren. In dem Maße, in dem Konsequenzen unkontrollierbar werden, seien sie traumatisch oder positiv, wird der Weg für Depressionen frei. In dem Maße, in dem kontrollierbare Konsequenzen erfahren werden, wird das Individuum ein Gefühl für Bewältigung entwickeln und Widerstand gegen Depression aufbauen. 71 5.2.5 Behandlung von Depression und gelernter Hilflosigkeit Die wirksamste Methode, um gelernte Hilflosigkeit aufzubrechen, ist die erzwungene Erfahrung, daß die eigenen Reaktionen Verstärkung herbeiführen. Hilflosigkeit vergeht außerdem mit der Zeit. Darüber hinaus scheinen zwei physiologische Therapieverfahren eine Wirkung zu haben: Elektroschocktherapie (EST) durchbrach Hilflosigkeit bei drei von sechs Hunden105 und septal injiziertes Atropin heilte Katzen von Hilflosigkeit. Es gibt kein wissenschaftlich überprüftes Allheilmittel gegen Depression. Sich selbst überlassen, klingt Depression oft innerhalb von wenigen Wochen oder Monaten ab; aber es gibt therapeutische Maßnahmen, von denen eine die Depression aufhellende Wirkung berichtet wird und die mit unserer Theorie der gelernten Hilflosigkeit in Einklang stehen. Dieser Sichtweise entsprechend sollte das zentrale Ziel einer erfolgreichen Therapie sein, dem Patienten die Überzeugung zu vermitteln, daß seine Reaktionen zur erwünschten Belohnung führen, daß er, kurz gesagt, ein Mensch ist, der etwas bewirken kann. Bibring (1953) sah dies ähnlich: Die gleichen Bedingungen, die Depression aufkommen lassen (Hilflosigkeit), tragen umgekehrt häufig zum Abbau der Depression bei. Generell kann man sagen, daß Depression häufig abflaut, wenn entweder a) die narzißtisch bedeutsamen Ziele oder Objekte wieder erreichbar zu sein scheinen (was häufig von vorübergehender Besserung gefolgt wird) oder b) sie ausreichend modifiziert oder reduziert werden, um sich verwirklichen zu lassen oder c) sie insgesamt aufgegeben werden oder d) sich das Ich von dem narzißtischen Schock erholt, indem es seine Selbstachtung mit Hilfe verschiedener Erholungsprozesse wiedererlangt (mit oder ohne Veränderung des Objektes oder Zieles).106 A. T. Becks (1970, 1971) kognitive Therapie hat ähnliche Ziele.107 Seiner Ansicht nach läßt sich die negative kognitive Einstellung durch erfolgreiche Manipulationen in eine positivere umwandeln: Beck argumentiert, daß die primäre Aufgabe des Therapeuten darin besteht, die negative Erwartungshaltung des depressiven Patienten in eine optimistischere umzuwandeln, unter der der Patient die Überzeugung gewinnt, daß seine Reaktionen zu den von ihm gewünschten Konsequenzen führen. Auch Melges und Bowlby (1969) sehen die Umwandlung der Hilflosigkeit als zentrales Ziel bei der Behandlung von Depression: Wenn sich das Argument, daß Hoffnungslosigkeit in der einen oder anderen Form eine zentrale Dynamik in bestimmten Erscheinungsformen psychopathologischer Störungen darstellt, als gültig erweist, wären Therapieerfolgskriterien zu entwickeln, die das Ausmaß bewerten, in dem die Therapie dem Patienten ermöglicht, seine Einstellungen gegenüber der Zukunft zu verändern ... Ein Hauptziel einsichtsorientierter Therapieverfahren ist es, einem Patienten zu helfen, sich einiger seiner archaischen und unerreichbaren Ziele, die er immer noch anstreben mag, bewußt zu werden, ebenso wie einiger seiner nicht praktisch realisierbaren Pläne, an deren Verwirklichung er immer noch hängen mag, Ziele, die vor allem dann besonders eindeutig sind, wenn ein Patient an einer pathologischen Form des Trauerns leidet. Es wird angenommen, daß psychoanalytische Techniken einen Patienten manchmal von den Bedingungen befreien können, die ihn hoffnungslos werden ließen, und ihm ermöglichen, sich sowohl eher erreichbare Ziele zu setzen als auch wirksamere Pläne zu deren Verwirklichung zu entwickeln. Auch auf Verhalten ausgerichtete Verfahren werden unter der Fragestellung untersucht, 72 wie erfolgreich sie sein können, um positivere Einstellungen gegenüber der Zukunft aufzubauen.108 Auch von anderen Therapieformen wird behauptet, daß sie Depression erfolgreich lindern und dem Patienten Kontrolle über bedeutsame Konsequenzen vermitteln. Nach dem »Tuscaloosa-Plan« einer Klinik (Veterans Administration Hospital) in Alabama werden schwer depressive Patienten in einen »Anti-Depressions-Raum« gesetzt.109 In diesem Raum wird der Patient mit einer Haltung freundlicher Bestimmtheit konfrontiert: er erhält die Anweisung, einen Klotz Holz zu zerhacken, wird aber getadelt, wenn er gegen die Maserung hackt. Daraufhin hackt er in Richtung der Maserung, nur um dafür ebenfalls einen Verweis zu erhalten. Alternierend wird er aufgefordert, ungefähr Tausende im Raum verstreute Seemuscheln zu zählen. Diese systematische Zermürbungstaktik geht solange weiter, bis der Depressive plötzlich den Wärter anschreit: »Rutsch mir den Buckel runter!« oder etwas in die Richtung von »Das war aber die letzte Muschel, die ich gezählt habe!«. Daraufhin wird er augenblicklich und unter Entschuldigungen aus dem Raum gelassen. Auf diese Weise wurde der Patient gezwungen, eine der wirksamsten Reaktionen auszuführen, mit denen Menschen andere kontrollieren können – Wut, und wenn diese Reaktion aus seinem verarmten Repertoire gepreßt worden ist, wird er intensiv verstärkt. Dies durchbricht die Depression – und zwar dauerhaft und nachhaltig. Beim Selbstbehauptungstraining übt der Patient aktiv assertive soziale Verhaltensweisen, während der Therapeut einmal den Chef spielt, der angeschnauzt werden soll, oder die Ehefrau, unter deren Pantoffel der Patient steht, die nun ihr Verhalten bereut und um Vergebung bittet. Auch hier führt der Patient Verhaltensweisen aus, die wirkungsvolle Konsequenzen haben.110 Es hilft wahrscheinlich leicht depressiven Patienten, fehlerhafte Ware umzutauschen oder am Fleischstand nach dem Metzger zu verlangen, um genau das Stück Fleisch zu bekommen, das sie wünschen. Eine schrittweise abgestufte Konfrontation mit Kontingenzen von Reaktion und Verstärkung bei einer Aufgabe verstärkt aktive Verhaltensweisen und kann Depressionen entgegenwirken. Bei der Methode der gestuften Aufgaben ließ E. P. Burgess (1968) ihre Patienten zunächst irgendeine minimale Verhaltenseinheit ausführen wie z.B. einen Telefonanruf. Sie betont, daß es entscheidend sei, daß der Patient diese Aufgabe erfolgreich bewältigt und nicht nur einfach anfängt und dann aufgibt. Anschließend wurden die Anforderungen erhöht, und der Patient wurde jedesmal durch die Aufmerksamkeit und Zuwendung des Therapeuten für die erfolgreiche Bewältigung der Aufgaben verstärkt. Burgess und andere haben auf die Bedeutung des sekundären Krankheitsgewinns bei Depressionen hingewiesen: angeblich nutzen Depressive häufig ihre Symptome instrumentell, um Sympathie, Mitleid und Aufmerksamkeit zu gewinnen. Indem er den ganzen Tag weinend im Bett liegt, anstatt zur Arbeit zu gehen, kann ein depressiver Ehemann seine mit anderen schäkernde Ehefrau dazu bringen, ihm mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden und sie so eventuell sogar zurückgewinnen. Für den Therapeuten ist sekundärer Krankheitsgewinn lästig, und man ist während der Therapie oft versucht, die ihn aufrechterhaltenden Verstärker zu unterbinden. Hierbei ist jedoch Vorsicht geboten: sekundärer Krankheitsgewinn kann die Dauerhaftigkeit oder Beständigkeit bestimmter depressiver Verhaltensweisen erklären, aber er erklärt nicht, wie Depression entstand. Die Theorie der Hilflosigkeit nimmt an, daß mangelnde Motivation zu aktivem Verhalten ihren Ursprung in der Wahrnehmung des Patienten hat, daß er keine Kontrolle über Konsequenzen hat. Also kann die Passivität eines depressiven Patienten zwei Quellen haben: (a) der Patient kann operant passiv sein, da ihm der depressive Zustand Sympathie, Liebe und Aufmerksamkeit einbringt; und 73 (b) Patienten können passiv sein, weil sie glauben, daß überhaupt keine Reaktion irgendeinen kontrollierenden Einfluß auf ihre Umgebung hat. Vergleicht man beide Quellen, so könnte man folgern, daß sekundärer Krankheitsgewinn, wenn er auch ein praktisches Hindernis für die Therapie darstellt, doch ein hoffnungsvolles Zeichen für eine Besserung der Depression darstellt: er bedeutet, daß der Patient auf jeden Fall über irgendeine Reaktion verfügt, (selbst wenn es eine passive ist), von der er glaubt, daß er sie wirkungsvoll einsetzen kann. Erinnern wir uns, daß Hunde, deren Passivität durch die Beendigung der elektrischen Schläge verstärkt wurde, nicht annähernd so beeinträchtigt waren wie Hunde, für die alle Reaktionen unabhängig vom Ende des Schocks waren (vgl. S. 23 f.). Ähnlich mögen Patienten, die ihre Depression als Möglichkeit nutzen, andere zu kontrollieren, eine bessere Prognose haben als jene Patienten, die endgültig aufgegeben haben. Meine Kollegen und ich haben 24 hospitalisierte Depressive mit einem Verfahren der schrittweisen Annäherung behandelt, das dem von Burgess ähnelte.111 Wir gaben diesen Patienten während einer einstündigen Sitzung sprachliche Aufgaben steigender Schwierigkeit und lobten sie für jede erfolgreiche Bewältigung einer Aufgabe. Zuerst wurden die Patienten aufgefordert, einen Abschnitt laut vorzulesen. Dann sollten sie einen anderen Abschnitt laut und mit Betonung vorlesen. Anschließend wurden sie gebeten, noch einen weiteren Abschnitt mit Betonung vorzulesen und ihn mit eigenen Worten zu interpretieren; dann folgte lautes Lesen mit Betonung und Interpretation und der Aufgabe, aus der Sichtweise des Autors zu argumentieren. Am Ende der Hierarchie wurden die Patienten aufgefordert, aus drei Themen eines auszuwählen und darüber aus dem Stegreif eine Rede zu halten. Alle Patienten erreichten und bewältigten diese Rede erfolgreich. (Jeder, der mit hospitalisierten Depressiven gearbeitet hat, weiß, daß sie im allgemeinen nicht so leicht eine unvorbereitete Rede halten). 19 der 24 Patienten zeigten grundlegende und unmittelbare Stimmungsaufhellung, wie sich aus ihrer Selbsteinschätzung auf einer Stimmungsskala ergab. Auch wenn wir nicht verfolgten, wie lange die Verbesserung anhielt, so war doch die lächelnd geäußerte Bemerkung eines Patienten aufschlußreich: »Wissen Sie, ich war auf der Hochschule eigentlich immer sehr diskutierfreudig, und ich hatte vergessen, wie gut ich dabei war«.112 Bei der Therapie von Depressionen finden sich noch andere Parallelen zur gelernten Hilflosigkeit. Elektroschocktherapie scheint bei ungefähr 60% der Depressionen zu wirken; dabei handelt es sich allerdings meistens um endogene Depressionen. Möglicherweise wirkt auch Atropin antidepressiv. Menschen entwickeln oft ihre eigenen Strategien, um mit ihren eigenen kleinen Depressionen fertigzuwerden. Um Hilfe bitten und sie bekommen oder irgend jemand anderem zu helfen (z.B. für ein Haustier sorgen) sind zwei Strategien, die wachsende Kontrolle beinhalten und bei leichten Depressionen helfen. Meine eigene Strategie ist, mich zum Arbeiten zu zwingen: mich hinsetzen und einen Artikel schreiben, einen schwierigen Text lesen oder einen Artikel aus einer wissenschaftlichen Zeitschrift, oder eine Mathematikaufgabe lösen. Gibt es für einen Intellektuellen einen besseren Weg, um zu erkennen, daß seine Anstrengungen immer noch effektiv sein können und Befriedigung verschaffen, als sich ins Schreiben, Verstehen schwerer Texte oder Problemlösen zu stürzen? Um sicher zu werden, ist es entscheidend durchzuhalten: wenn ich anfange, ein mathematisches Problem zu lösen, aber auf halbem Weg aufgebe, wird die Depression schlimmer. Viele Therapieverfahren, von der Psychoanalyse bis hin zu themenzentrierter Interaktion, nehmen für sich in Anspruch, Depression heilen zu können. Wir verfügen jedoch nicht über ausreichendes Beweismaterial aus ausreichend kontrollierten Untersuchungen, um die Wirksamkeit jedes psychotherapeutischen Verfahrens für die Behandlung von Depressionen beurteilen zu können. Das Beweismaterial, das ich vorgestellt habe, 74 ist ausgewählt: es wurden nur solche Verfahren diskutiert, die mit dem HilflosigkeitsModell vereinbar scheinen. Es ist möglich, daß auch andere Therapien zum Erfolg führen, weil sie ebenfalls das Empfinden des Patienten für seine Einflußmöglichkeiten wiederherstellen. Was jetzt noch fehlt, sind experimentelle Studien, die die entscheidend wirksame Variable bei der psychologischen Behandlung von Depression isolieren. Dabei ist entscheidend, daß unbehandelte Kontrollgruppen parallel untersucht werden, da Depression mit der Zeit von allein schwächer wird. 5.2.6 Prävention von Depression und gelernter Hilflosigkeit Gelernte Hilflosigkeit kann verhindert werden, wenn das Individuum zuerst Ereignisse meistert, bevor es deren Unkontrollierbarkeit erfährt. Kann auch Depression verhindert werden? Fast jeder verliert manchmal die Kontrolle über einige für ihn bedeutsame Konsequenzen: Eltern sterben, geliebte Menschen weisen einen zurück, man erlebt Mißerfolge. In der Folge solcher Ereignisse wird jeder wenigstens leicht und vorübergehend depressiv reagieren. Warum aber verbringen Menschen lange Zeit wegen ihrer Depression in Kliniken, während andere sich wieder erholen? Ich werde diese Frage in Kapitel 7 im Zusammenhang mit kindlicher Entwicklung noch ausführlich diskutieren; an dieser Stelle kann ich nur Vermutungen anstellen, die jedoch von den Ergebnissen über Immunisierung gegen Hilflosigkeit geleitet werden. Die Lerngeschichten derjenigen Individuen, die besonders resistent gegen Depressionen sind oder sich wieder erholen, dürften viele Erfahrungen von Bewältigung enthalten; Diese Menschen dürften immer wieder intensiv erlebt haben, daß sie Verstärkerquellen in ihrem Leben kontrollieren und manipulieren können und daher die Zukunft optimistisch beurteilen. Jene Menschen, die besonders anfällig für Depressionen sind, dürften dagegen in ihrem Leben weitgehend von Bewältigungserfahrungen depriviert worden sein; in ihrem Leben könnten viele Situationen aufgetreten sein, in denen sie den Quellen ihres Leidens und ihrer Befriedigung hilflos gegenüberstanden. Der Zusammenhang zwischen Depression im Erwachsenenalter und dem Verlust der Eltern in der Kindheit ist bedeutsam: es scheint wahrscheinlich, daß Kinder Hilflosigkeit erleben, wenn sie ihre Eltern verlieren und dadurch als Erwachsene für Depression anfälliger werden. Die Ergebnisse zu dieser Frage sind nicht eindeutig, aber sie weisen in die Richtung einer Bestätigung dafür, daß der Tod der Eltern als prädisponierender Faktor für Depression gewertet werden muß. Insgesamt ist statistisch die Wahrscheinlichkeit etwas größer, daß Kinder, die unter dem frühen Tod ihrer Eltern litten, häufiger depressiv werden und sogar häufiger Selbstmordversuche unternehmen.113 Hier ist jedoch ein Einwand geboten. Es scheint zwar logisch vernünftig, daß wiederholte Erfahrung kontrollierbarer Konsequenzen einen Menschen widerstandsfähig gegen Depression macht, wie aber wird derjenige reagieren, der immer nur auf Erfolg gestoßen ist? Ist ein Individuum, dessen Reaktionen immer zu Erfolg geführt haben, besonders anfällig für Depression, wenn es mit Situationen konfrontiert wird, die außerhalb seiner Kontrolle liegen? Wir alle kennen Menschen, die fabelhaft erfolgreich die Oberschule absolvierten, jedoch angesichts ihres ersten Mißerfolges auf der Universität zusammenbrachen. Jederman steht von Zeit zu Zeit Mißerfolg und Ängsten gegenüber; zuviel erfogreiche Kontrolle über Verstärker dürfte ebenso wie zu wenig Erfolg der Entwicklung und dem Einsatz von Verhaltensweisen zur Bewältigung des Mißerfolges entgegenstehen. Erfolgreiche Therapie sollte präventiv sein. Therapie darf sich nicht einfach nur darauf konzentrieren, vergangene Probleme aufzuarbeiten; sie sollte den Patienten auch gegen zukünftige Depressionen widerstandsfähiger machen. Würde eine Therapie von Depressionen erfolgreicher werden, wenn sie ausdrücklich darauf ausgerichtet wäre, den Pati75 enten mit einem breiten Repertoire von Bewältigungsreaktionen auszustatten, das er genau dann einsetzen könnte, wenn sich seine gewohnten Reaktionen als unwirksam erweisen würden? 5.3 Zusammenfassung Ich habe hier die Ergebnisse zweier konvergierender Ergebniskomplexe zusammengefaßt, die Ergebnisse zur Depression und die zu gelernter Hilflosigkeit. Wie in Tabelle 5.1 zusammengefaßt, haben alle hauptsächlichen Symptome der gelernten Hilflosigkeit alle Parallelen in Symptomen der Depression. Dies läßt vermuten, daß reaktive Depression wie gelernte Hilflosigkeit ihre Wurzeln in der Überzeugung haben, daß relevante Konsequenzen unkontrollierbar sind. Das zentrale Ziel einer Therapie der Depression ist daher, beim Patienten die Überzeugung wiederherzustellen, daß er für ihn wichtige Konsequenzen kontrollieren kann. Ausgewählte therapeutische Befunde verleihen dieser Behauptung einiges Gewicht. Abschließend habe ich die Vermutung ausgesprochen, daß frühe Erfahrung mit unkontrollierbaren Ereignissen einen Menschen für Depression prädisponieren, während frühe Erfahrung von Bewältigung ihn gegen Depression immunisieren. Tabelle 5.1: Zusammenfassung von gemeinsamen gelernter Hilflosigkeit und Depression. Hilflosigkeit Symptome Ursache Therapie Prävention Depression Passivität; Schwierigkeit zu lernen, daß Reagieren zu Erleichterung führt, verschwindet mit der Zeit; Mangel an Aggression Gewichtsverlust; Appetitverlust; Libidoverlust; soziale Defizite; NA-Mangel, cholinerge Dominanz; Magengeschwüre, Streß Lernen, daß Reagieren und Verstärkung unabhängig sind Direktive Therapie: erzwungene Reaktion, die Verstärkung herbeiführt; Elektroschocktherapie; Zeit; Anticholinergika; NA-Stimulantien (?) Immunisierung durch Kontrolle über Verstärker 76 Passivität, negative kognitive Einstellung Zeitverlauf; nach innen gerichtete Feindseligkeit; Gewichts- und Appetitverlust; Libidoverlust, soziale Defizite; NA-Mangel, cholinerge Dominanz; Magengeschwüre (?), Streß Hilflosigkeitsgefühle Überzeugung, daß Reagieren zwecklos ist. Wiederherstellung der Überzeugung, daß Reagieren Verstärkung herbeiführt; Elektroschocktherapie; Zeit; NA-Stimulantien; Anticholinergika (?) (?) 6 Angst und Unvorhersagbarkeit An einem Februartag des Jahres 1971 wurde Los Angeles in den frühen Morgenstunden von einem starken Erdbeben heimgesucht. Die Art und Weise, wie der kleine Marshall dieses Erdbeben erlebte, war typisch für das Erleben eines achtjährigen Kindes aus dem San-Fernando-Tal, dem Zentrum des Bebens. Er wachte um viertel vor sechs Uhr von einem Geräusch auf, als ob in einem Eisenbahntunnel ein Zug über ihn hinwegraste. Betäubt und erschreckt blickte er um sich; die Decke wackelte und Stücke des Verputzes fielen auf ihn herab. Der Fußboden hob und senkte sich; er schrie und hörte aus dem angrenzenden Zimmer die erschreckten Schreie seiner Eltern. Obwohl das Ganze nur 30 Sekunden dauerte, schien es ihm wie eine Ewigkeit des Schreckens, daß die Erde unter ihm schwankte. Noch drei Jahre später zeigte Marshall psychische Nachwirkungen dieses Morgens. Er war schüchtern und nervös; selbst bei leichten, unerwarteten Geräuschen schreckte er auf. Er konnte nicht einschlafen, und wenn er schließlich eingeschlafen war, war sein Schlaf leicht und ruhelos; gelegentlich wachte er schreiend auf. Erdbeben enthalten wie viele traumatische Ereignisse starke Elemente von Unkontrollierbarkeit. Es gibt nichts, was ein Mensch tun kann, um ein Erdbeben zu verhindern, auch wenn er Sicherheitsvorkehrungen treffen kann oder weiß, wie er sich im Falle des Bebens zu verhalten hat. Ein noch viel hervorstechenderes Merkmal von Erdbeben ist ihre absolute Unvorhersagbarkeit: Erdbeben kommen wie aus dem Nichts; der, erste Schlag erfolgt ohne jede Vorwarnung. Marshalls Symptome passen ins Bild von Angstreaktionen, die nicht mit Unkontrollierbarkeit, sondern mit dem damit verknüpften Konzept der Unvorhersagbarkeit in Zusammenhang stehen. 6.1 Definition von Unvorhersagbarkeit Wir können Vorhersagbarkeit und Unvorhersagbarkeit genau parallel zu Kontrollierbarkeit und Unkontrollierbarkeit definieren. Nehmen wir z.B. Astronauten, die auf dem Mars gelandet sind und nun vorherzusagen versuchen, wann Sandstürme aufkommen werden. Der Beginn eines Sandsturms ist natürlich unkontrollierbar; das Beste, was die Austronauten tun können, ist zu versuchen, die Sandstürme vorherzusagen und dann die Luken dicht zu machen. Nach drei Tagen stellen sie fest, daß an jedem Tag, an dem Staubwolken sichtbar waren, ein Sandsturm aufkam. Bis zu diesem Zeitpunkt haben sie beobachtet, daß die Wahrscheinlichkeit eines Sandsturms an einem bewölkten Tag (p [Sandsturm/Wolken]) gleich 1.0 ist, und sie stellen die Hypothese auf, daß Staubwolken ein zuverlässiges Anzeichen eines Sandsturms darstellen. Aber dann folgen zwei bewölkte Tage ohne Sandstürrne; nun ist die Wahrscheinlichkeit eines Sandsturms an einem bewölkten Tag nur noch 0.6. Wolken mahnen den Astronauten zwar immer noch zu erhöhter Alarmbereitschaft, aber sie geben kein zuverlässiges Zeichen mehr für Sandstürme ab. Abb. 6.1: Wahrscheinlichkeit eines Sandsturms an einem bewölkten Tag. 77 Vom sechsten bis zum zehnten Tag bilden sich keine Staubwolken; an drei dieser fünf Tage gibt es jedoch Sandstürme, an zwei Tagen dagegen nicht. Während dieser fünf Tage ist die Wahrscheinlichkeit eines Sandsturms ohne Wolkenbildung (p [Sandsturm/ Wolken]) 0.6. Läßt sich aus Wolkenbildung irgendeine Vorhersage über das Eintreffen von Sandstürmen ablesen? Die Antwort lautet »Nein«. Die Wahrscheinlichkeit eines Sandsturms bleibt 0.6, ob Wolken aufkommen oder nicht; Staubwolken liefern überhaupt keine Information über Sandstürme. Abb. 6.2: Wahrscheinlichkeit eines Sandsturms an einem bewölkten Tag und an einem klaren Tag. Wir können nun ganz allgemein Vorhersagbarkeit und Unvorhersagbarkeit definieren. Erinnern wir uns, daß ich mich bei meiner Definition von Kontrollierbarkeit auf instrumentelles Lernen oder die Beziehung einer willentlichen Reaktion zu einer Konsequenz bezog (vgl. S. 15). Vorhersagbarkeit steht in Beziehung zu den Kontingenzen klassischer oder Pavlovscher Konditionierung, bei denen eine Konsequenz oder ein unkonditionierter Stimulus (US) mit einem Signalreiz oder konditionierten Stimulus (CS) verknpüft ist. Ich möchte im Moment einmal davon ausgehen, daß der US unkontrollierbar ist und mich auf seine Vorhersagbarkeit durch den CS konzentrieren. Nehmen wir an, wir bieten einer Ratte Töne und kurze elektrische Schläge dar, ohne daß sie einen der beiden Stimuli beeinflussen kann. Abb. 6.3: Der Pavlovsche Konditionierungsraum. Wir können das Verhältnis von Tönen und Schocks in einer Reihe unterschiedlicher Versionen festsetzen. Z.B. können wir jedesmal einen Schock verabreichen, wenn wir einen Ton anbieten und niemals einen Schock ohne einen Ton – diese Beziehung wird durch Punkt A in Abb. 6.3 repräsentiert. Hier ist der Ton ein zuverlässiger Prädiktor für einen elektrischen Schlag, während das Ausbleiben des Tones ein zuverlässiger Prädiktor für den ausbleibenden Schock ist. Alternativ können wir immer dann elektrische Schläge verabreichen, 78 wenn kein Ton dargeboten wird, aber niemals einen Schock in Anwesenheit des Tones. Bei dieser Kontingenz (Punkt B) ist das Ausbleiben des Tones der beste Prädiktor für Schock, während der Ton das Ausbleiben des elektrischen Schlages zuverlässig voraussagt. Vorhersagbarkeit muß jedoch nicht »immer oder nie« heißen. Nehmen wir an, wir verabreichen in sieben von zehn Fällen, in denen wir den Ton darbieten, einen elektrischen Schlag und verabreichen außerdem in zwei Fällen einen Schlag ohne Ton (Punkt C). Im Fall von Punkt C vermittelt der Ton der Ratte eine gewisse Information – ein elektrischer Schlag während des Tones ist wahrscheinlicher als unter der Bedingung, daß der Ton ausbleibt. Schließlich können elektrische Schläge so dargeboten werden, daß aus dem Ton keine Vorhersage mehr über ihr Auftreten gemacht werden kann. Jeder Punkt auf der 45ºAchse repräsentiert die gleiche Auftrittswahrscheinlichkeit für einen elektrischen Schlag, unabhängig davon, ob ein Ton dargeboten wird oder nicht. Ganz allgemein wird daher ein US als unvorhersagbar in Hinsicht auf einen CS bezeichnet, wenn die Wahrscheinlichkeit des US in Anwesenheit des CS gleich der Wahrscheinlichkeit des US in Abwesenheit des CS ist: p(US/CS) = p(US/CS). Wenn diese Bedingung für alle CS zutrifft, dann ist der US unvorhersagbar. Umgekehrt sagt ein CS einen US voraus, wenn die Wahrscheinlichkeit des US in Anwesenheit des CS nicht gleich der Wahrscheinlichkeit des US in Abwesenheit des CS ist: p(US/CS) p(US/CS) Diese Definitionen stimmen mit unserer Definition von Kontrollierbarkeit überein, wenn der US für die Konsequenz (K) und der CS für die Reaktion (R) ersetzt wird. Dies wirft die Frage auf, welche Arten von Ereignissen als CS oder Signale für Konsequenzen in unserem Konditionierungsraum dienen können. Die Antwort lautet: jedes Ereignis, das der Organismus wahrnehmen kann. Der CS muß keine eindeutig externe Gegebenheit sein wie z.B. ein Ton. Er kann auch in einem internen Prozeß wie z.B. Sodbrennen bestehen. Er kann auch ein zeitliches Muster sein: wenn alle fünf Minuten ein elektrischer Schlag ohne äußeres Warnsignal erfolgt, dann dient das Verstreichen von vier Minuten und 59 Sekunden nach dem vorausgegangenen Schock als CS, der den nächsten Schock voraussagt. Der CS kann auch die Rückmeldung von einer ausgeführten Reaktion sein oder die Rückmeldung, daß diese Reaktion nicht ausgeführt wurde. Nehmen wir z.B. an, daß eine Ratte immer nur dann einen elektrischen Schlag erhält, wenn sie einen Hebel drückt; wenn sie den Hebel drückt, so kann sie den elektrischen Schlag vorhersagen, indem sie die Wahrnehmung der Tatsache, daß sie den Hebel gedrückt hat (Rückmeldung der ausgeführten Reaktion) als CS nutzt. Sie kann auch vorhersagen, daß sie keinen Schock bekommen wird, wenn sie wahrnimmt, daß sie den Hebel nicht gedrückt hat. Wenn also ein Tier ein Ereignis durch eine Reaktion kontrollieren kann, dann kann es auch die Rückmeldung von der Reaktion nutzen, um das Ereignis vorherzusagen. Allerdings gilt das Umgekehrte nicht immer: wenn das Tier ein Ereignis vorhersagen kann, muß es trotzdem nicht imstande sein, es zu kontrollieren. 79 6.2 Angst und die Sicherheitssignal-Hypothese Angst ist wie Depression ein umgangssprachlicher Terminus und hat als solcher keine notwendigen und hinreichenden Definitionskriterien.114 Dennoch wird in der psychoanalytischen Literatur eine nützliche Trennung zwischen Angst und Furcht getroffen: Furcht bezeichnet einen unangenehmen emotionalen Zustand mit einem Zielobjekt wie z.B. Furcht vor tollwütigen Hunden; Angst bezeichnet einen weniger spezifischen Zustand, eher chronisch und nicht an ein Objekt gebunden. Ich habe unter experimentellen Bedingungen zwei emotionale Zustände beobachtet, die dieser Differenzierung annähernd entsprechen und tatsächlich ein exakt definiertes Modell dieser Trennung abgeben können. Als Furcht möchte ich den akuten Zustand bezeichnen, der auftritt, wenn ein Signal ein bedrohliches Ereignis – wie z.B. einen elektrischen Schlag – ankündigt. Unter Angst möchte ich chronische Furcht verstehen, die sich einstellt, wenn ein bedrohliches Ereignis in der Luft liegt, aber unvorhersagbar ist. Vor dem Hintergrund einer solchen Definition, anhand derer wir derartige angstauslösende Situationen erkennen können, können wir die störenden emotionalen Konsequenzen von Unvorhersagbarkeit untersuchen. Befunde zur Unvorhersagbarkeit sind vielfältig und lassen sich am einfachsten mit Hilfe der sogenannten Sicherheitssignal-Hypothese strukturieren.115 6.2.1 Die Sicherheitssignal-Hypothese Auf welche Weise ruft die Unvorhersagbarkeit eines Erdbebens die Angst, Nervosität und Schlaflosigkeit hervor, unter denen Marshall leidet? Stellen wir uns eine Welt vor, in der Erdbeben zuverlässig durch einen zehnminütigen Ton angekündigt werden. In solch einer Welt bedeutet das Ausbleiben des Tones zuverlässig Sicherheit bzw. das Ausbleiben von Erdbeben. Solange der Ton nicht ausgestrahlt wird, können Sie sich entspannen und Ihrem Beruf nachgehen. Wenn der Ton ausgestrahlt wird, werden Sie erschrecken, aber Sie verfügen immerhin über brauchbare Sicherheitssignale. Wenn traumatische Ereignisse vorhersagbar sind, dann ist auch das Ausbleiben des traumatischen Ereignisses vorhersagbar – durch Ausbleiben des Warnsignales für das Trauma. Sind traumatische Situationen jedoch unvorhersagbar, dann ist auch Sicherheit unvorhersagbar: kein Stimulus sagt Ihnen zuverlässig, daß das traumatische Ereignis nicht eintreffen wird und Sie sich entspannen können.116 Der Gegensatz zwischen Erdbeben und Bombenangriffen auf London im Zweiten Weltkrieg veranschaulicht dies. Nach einer Weile arbeitete das britische Luftwarnsystem ganz gut: jeder Luftangriff wurde von minutenlangem Sirenengeheul angekündigt. Wenn keine Sirenen heulten, setzten die Londoner ihr tägliches Leben in bewundernswerter Weise fort, ohne übermäßige Spannung und gutgelaunt. Auf der anderen Seite gibt es keinen Stimulus, der Erdbeben voraussagt, und deshalb auch keinen Stimulus, dessen Abwesenheit das Ausbleiben von Erdbeben vorhersagt. Marshall verfügt über kein Sicherheitssignal, kein Ereignis, das ihn sicher macht, daß kein Erdbeben kommt. Die Angst, die er zeigt, seine Nervosität, sein mitternächtliches Aufschrecken, seine Einschlafstörungen weisen auf das Fehlen eines sicheren Ortes in seinem Leben hin, auf das Fehlen einer Zeit, in der er sich entspannen kann, in der er weiß, daß kein Erdbeben kommen wird. Dies ist der Kern der Sicherheitssignal-Hypothese: im Kielwasser traumatischer Erfahrungen werden Menschen und Tiere zu jeder Zeit Ängste erleben außer in Anwesenheit eines Stimulus, der zuverlässig Sicherheit voraussagt. Ohne Sicherheitssignal bleiben Organismen in Angst und chronischer Furcht. So gesehen sind Menschen und Tiere immer auf der Suche nach Sicherheitssignalen. Sie suchen Prädiktoren für unvermeidbare Gefahren, weil solches Wissen gleichzeitig auch Wissen um Sicherheit bedeutet. Viele Menschen möchten erfahren, wenn sie eine tödliche Krankheit haben. Ich glaube, daß diesem Wunsch zwei Motive zugrundeliegen: zum ersten kann ein Mensch, wenn er 80 weiß, daß er sterben wird, seine Hinterlassenschaften ordnen – seinen Beruf aufgeben, alte Fehden begraben, nach Paris fahren, seine Ersparnisse verschwenden. Wichtiger als das und häufig übersehen sind die Sicherheitssignale, die durch das Wissen gegeben sind. Nehmen wir an, daß Sie sich Sorgen um Ihr Herz machen und Ihr Arzt Sie untersucht hat. Wenn Sie nicht die Vereinbarung getroffen haben, über eine tödliche Krankheit informiert zu werden, bleiben Sie wahrscheinlich ängstlich, egal was Ihr Arzt Ihnen erzählt; Ihr Leben wird von der Angst vor dem Tod überschattet. Haben Sie aber die Vereinbarung getroffen, können Sie sich entspannen, solange Ihr Arzt Ihnen nicht mitteilt, daß Sie sterben müssen; Sie leben im Schutze eines Sicherheitssignales. Was Sie sich mit solch einer Vereinbarung erkaufen – unter der Bedingung, daß Sie Ihrem Arzt vertrauen – ist ein Leben voll Sicherheitssignale und wenig Angst – wenn Sie nicht tatsächlich sterben müssen. Was Sie aufgeben, ist die Wahrscheinlichkeit eines glückseligen, unerwarteten Todes. 6.3 Unvorhersagbarkeit und der Warncharakter der Furcht Furcht und Angst sind hypothetische Konstrukte, die heutzutage in der psychologischen Theorienbildung häufig verwendet werden. Wie Hunger können sie niemals direkt beobachtet werden, sondern werden aus der Beobachtung von physiologischen Reaktionen und subjektiven Berichten erschlossen. Die Zahl der Stunden unter Nahrungsentzug, die Intensität elektrischer Schläge, die eine Ratte toleriert, um Futter zu bekommen, oder die Intensität, mit der ein Mensch arbeitet, um an Nahrung zu kommen, und eine unbegrenzte Liste anderer Variablen definieren den Zustand des Hungers. Unter ähnlicher Perspektive werden Veränderungen des Hautwiderstandes (PGR, psychogalvanischer Hautreflex), Verkriechen und Zittern, Magengeschwüre, Veränderungen der Herzfrequenz und viele andere abhängige Variablen gemessen, um die Zustände Angst und Furcht zu erfassen. Der vielleicht am häufigsten verwendete Indikator ist die CER (conditioned emotional response, konditionierte emotionale Reaktion), wie sie zum ersten Mal von W. K. Estes und B. F. Skinner 1941 in ihrer klassischen Arbeit SOME QUANTITATIVE PROPERTIES OF ANXIETY beschrieben wurde. Bei ihrem Verfahren lernt eine Ratte zuerst, einen Hebel mit hoher und gleichmäßiger Frequenz zu drücken, um Futter zu bekommen. Dann wird während des Hebeldrückens irgendein Stimulus – z.B. ein Ton – mit einem elektrischen Schlag gepaart. Die Hebeldruckreaktion ist unabhängig von der Darbietung des elektrischen Schlages: der Schock ist unkontrollierbar. Die Ratte lernt durch klassische Konditionierung, den Ton zu fürchten und zeigt dies, indem sie sich in einer Ecke verkriecht und dadurch auch nicht mehr den Hebel für Futter drücken kann. Das Absinken der Hebeldruckfrequenz wird als konditionierte emotionale Reaktion auf den Ton bezeichnet und ist wahrscheinlich der zuverlässigste und am meisten verwendete Angstindikator. Dieses Verfahren gestattet eine ziemlich direkte Prüfung der Sicherheitssignal-Hypothese; und eine ganze Reihe von Untersuchungen sind bereits durchgeführt worden, in denen CER mittels vorhersagbarer und unvorhersagbarer elektrischer Schläge hervorgerufen wurden.117 Da diese Studien in ihren Ergebnissen übereinstimmen, will ich hier nur eine ausführlich darstellen (Seligman, 1968). Zwei Gruppen hungriger Ratten lernten zuerst, einen Hebel mit hoher Reaktionsrate zu drücken, um Futter zu erhalten. Eine Gruppe erhielt 15 Tage lang jeweils eine Sitzung von 50 Minuten Dauer, in denen drei jeweils einminütige Signale (CS) – vorhersagbar – mit einem elektrischen Schlag endeten. Eine zweite Gruppe erfuhr die gleichen Signale und elektrischen Schläge, doch waren diese – unvorhersagbar – zufällig über die Zeit verstreut, so daß die Wahrscheinlichkeit, einen Schock zu erhalten, gleich war, ob nun das Signal gesetzt wurde oder nicht. Unabhängig davon führte Hebeldrücken weiterhin zu Futter. Die Ergebnisse waren verblüffend. Zuerst hörten die Tiere der Gruppe mit vorhersagbaren Kontingenzen auf, den Hebel zu drücken und zwar unabhängig davon, ob ein Signal 81 gesetzt wurde oder nicht. Nach und nach lernten sie aber, zwischen den Kontingenzen Signal→Schock und kein Signal→kein Schock zu diskriminieren und unterdrückten ihre Reaktionen nur noch während des Signals und drückten den Hebel, wenn der CS aussetzte: sie zeigten also Furcht während des CS, aber keine Furcht, solange der CS ausblieb. Die Gruppe mit unvorhersagbaren Kontingenzen verfügte über kein Sicherheitssignal, in dessen Anwesenheit kein Schock erfolgen würde. Sie stellten die Hebeldruckreaktionen völlig ein, unabhängig von dem CS, und drückten den Hebel während der verbleibenden 15 Experimentalsitzungen kein einziges Mal mehr. Vielmehr lagen sie während der ganzen Sitzungen zusammengekauert in einer Ecke und zeigten deutliche Zeichen chronischer Furcht oder Angst. Im Gegensatz zu den Versuchstieren der Gruppe mit vorhersagbaren Kontingenzen entwickelten die Tiere mit unvorhersagbaren Kontingenzen massive Magengeschwüre. Davis und McIntire (1969) beobachteten in einem vergleichbaren Experiment bei der Gruppe mit unvorhersagbaren elektrischen Schlägen eine gewisse Erholung der Hebeldruckreaktion nach vielen Sitzungen. Seligman und Meyer (1970) vermuteten, daß dieser Erholungseffekt dadurch verursacht sein könnte, daß die Tiere in jeder Sitzung genau drei elektrische Schläge erhielten. Möglicherweise waren die Ratten in der Lage, bis drei zu zählen und zu lernen, daß nach dem dritten Schock kein weiterer folgen würde; demnach dürfte die Erholung erst nach dem dritten elektrischen Schlag eintreten, da die Ratten den dritten Schock als Sicherheitssignal nutzten. Eine Bestätigung dieser Vermutung würde die Sicherheitssignal-Hypothese nicht widerlegen, sondern im Gegenteil bekräftigen und ausweiten. Um dies zu überprüfen verabreichten Seligman und Meyer zwei Gruppen von Ratten an 70 aufeinander folgenden Tagen mit jeweils einer Sitzung pro Tag unvorhersagbare elektrische Schläge. Die Versuchstiere der einen Gruppe erhielten genau drei elektrische Schläge pro Tag, während die Versuchstiere der anderen Gruppe ein bis fünf – durchschnittlich drei – Schocks pro Tag erfuhren. Während der letzten 30 Sitzungen zeigten die Tiere der ersten Gruppe einen gewissen Erholungseffekt: sie führten 61,6% aller ihrer Hebeldruckreaktionen während des nach dem dritten Schock verbleibenden letzten Viertels einer Sitzung aus. Die Tiere der zweiten Gruppe führten nur 25% der ohnehin spärlichen Hebeldruckreaktionen während der nach dem dritten Schock verbleibenden 25% der Sitzung aus. Ratten können scheinbar bis drei zählen und das Eintreffen des dritten elektrischen Schlages dann als Sicherheitssignal wahrnehmen. Ebenso wurde der Psychogalvanische Hautreflex, ein Angstindikator, der in Beziehung zur Schweißdrüsenaktivität steht, während vorhersagbarer und unvorhersagbarer traumatischer Bedingungen gemessen.118 Price und Geer (1972) konfrontierten männliche Studienanfänger mit einer Reihe von Bildern blutüberströmter Leichen. Für die Gruppe mit vorhersagbaren Kontingenzen kündigte ein acht Sekunden dauernder Ton jedes Diapositiv an, so daß die Versuchspersonen wußten, daß ohne Ton keine Leichen vor ihnen erscheinen würden. Die Gruppe unter Unvorhersagbarkeitsbedingungen hörte keinen Ton: sowohl der Anblick der toten Körper als auch Sicherheit waren unvorhersagbar. Die Gruppe unter Vorhersagbarkeitsbedingungen zeigte während des Tones, nicht aber zwischen den Tönen, starke PGR-Ausschläge. Wie erwartet war bei der Gruppe unter Unvorhersagbarkeitsbedingungen während der gesamten Versuchsphase gleichbleibend erhöhte Schweißaktivität zu beobachten. Die Messung von CER und PGR läßt also annehmen, daß während unvorhersagbarer traumatischer Ereignisse chronische Furcht erlebt wird, weil kein Sicherheitssignal zur Verfügung steht. 82 6.4 Magengeschwüre Jim und George sind Brüder. Jim ist das Erfolgserlebnis der Familie: er hat sich aus dem Unterschichtsmilieu polnischer Emigranten zum Vizepräsidenten einer Bank beachtlicher Größe hochgearbeitet. Er ist ein sehr beschäftigter Mann: sein Tag beginnt um sieben Uhr morgens; um acht Uhr hat er bereits einige Telefonate erledigt – mit einer Bilanz jongliert, ein Geschäft abgeschlossen, für einige Kunden Darlehen arrangiert. Er kann zu jeder Zeit zwei Telefonate parallel führen, gleichzeitig noch einige Assistenten überwachen und einen Brief diktieren. So rackert er sich bis sechs Uhr abends ab – und sagt dabei noch, daß es ihm Spaß macht. Nach einem hastigen Abendessen findet man ihn normalerweise als Schatzmeister seines Landclubs oder mit der Organisation eines Treffens seines Kirchenkreises beschäftigt. George ist das schwarze Schaf der Familie; seit drei Monaten ist er arbeitslos. Er ist aus einer ganzen Reihe unterqualifizierter Stellungen herausgeflogen, von denen keine länger als ein Jahr dauerte, aber er versteht nicht, warum er dauernd gefeuert wird und schiebt es auf sein Pech. Seine Frau hat ihn verlassen. Er verbringt seine Tage mit Arbeitssuche und seine Nächte mit dem Kampf gegen die Einsamkeit. Einer der Brüder leidet unter Magengeschwüren. Vor zehn Jahren hätten die meisten Psychologen vorhergesagt, daß es Jim, der überarbeitete Manager, wäre. Sie würden dieser Vorhersage die berühmte Untersuchung von J. V. Brady über die »Manageraffen« zugrunde legen, die ich in Kapitel 3 bereits angesprochen habe.119 Um Ihr Gedächtnis aufzufrischen: Brady setzte acht Affen elektrischen Schlägen aus, gab ihnen aber die Möglichkeit, diese durch Hebeldrücken zu vermeiden. Die vier Affen, die diese Vermeidungsreaktion zuerst lernten, wurden zu den »Managern« erklärt, die langsamsten vier Affen bildeten die passive Kontrollgruppe (yoked control). Die Hebeldruckreaktionen der Manageraffen vermieden elektrische Schläge, sowohl für sie selbst als auch für die vier Partner, die hilflos waren, da die Schocks für sie unkontrollierbar und unvorhersagbar waren. Wie Manager im täglichen Leben trafen die Vermeider alle relevanten Entscheidungen: aufgrund ihrer Hebeldruckreaktionen konnten sie vorhersagen und kontrollieren, ob ein Schock erfolgte oder nicht. Wie allgemein bekannt ist, entwikkelten alle vier Manageraffen schwere Magengeschwüre, während die hilflosen Partner gesund blieben. Es folgte ein Jahrzehnt von Moralpredigten, wie schädlich das Managerdasein für die Gesundheit sei. Diese Moralpredigten erwiesen sowohl Psychologen wie der Allgemeinheit einen schlechten Dienst, da Bradys Ergebnisse wahrscheinlich ein Artefakt seines Versuchsplans darstellen. Beachten Sie, daß die Ergebnisse Bradys auffällig von denen abweichen, die in diesem Buch bisher dargestellt wurden: hier sind die Tiere, die Kontrolle über ihre Umgebung ausüben können, schlimmer dran als hilflose Tiere. Sie werden sich daran erinnern, daß Bradys Affen nicht zufällig zu Managern oder Partnern erklärt worden waren; vielmehr wurden die vier Affen, die als erste anfingen, auf den Hebel zu schlagen, wenn sie einen Schock erhielten, zu Managern, während die anderen vier Tiere der Hilflosigkeitsbedingung zugeordnet wurden. Tiere, die anfälliger für Magengeschwüre sind, lernen möglicherweise schneller eine Vermeidungsreaktion, weil sie stärker emotional reagieren oder weil sie den elektrischen Schlag schmerzhafter erleben.120 Insofern sind Bradys Ergebnisse möglicherweise weniger auf den Unterschied in der Kontrollierbarkeit zurückzuführen als darauf, daß sich die Gruppe der Manageraffen aus den stärker emotional reagierenden Tieren zusammensetzte. J. M. Weiss, der Bradys Experiment als erster in dieser Weise kritisierte, hat die ausführlichste Untersuchungsserie über den Zusammenhang von der Ausbildung von Magengeschwüren, Vorhersagbarkeit und Kontrolle durchgeführt.121 In seiner Studie von 1968 ordnete er Ratten zufällig den drei Bedingungen – Manager, Hilflosigkeit und schockfreie Kontrolle – zu; er fand, daß im Gegensatz zu der Manageraffen-Studie von 83 Brady die hilflosen Partnertiere die meisten Magengeschwüre bekamen. Dies stimmt mit der Ansicht überein, daß Hilflosigkeit im allgemeinen streßhafter erlebt wird als die Kontrollbedingung. Nachfolgende Untersuchungsserien von Weiss weisen darüber hinaus darauf hin, daß die unterschiedliche Ulzerationsrate, die offensichtlich durch unterschiedliche Kontrollierbarkeit der experimentellen Bedingungen verursacht wurde, faktisch auch Unterschiede in der Vorhersagbarkeit widerspiegeln kann: wenn ein Affe auf einen Hebel drückt und damit einen elektrischen Schlag vermeidet, so signalisiert ihm die Rückmeldung aus dem Hebeldrücken Sicherheit; das hilflose Partnertier kann den Schock nicht kontrollieren und hat auch keine Möglichkeit zur Vorhersage von Sicherheit. Weiss’ Ergebnisse heben die Bedeutung von Vorhersagbarkeit sehr scharfsinnig hervor, so daß es sich lohnt, sie ausführlicher zu diskutieren. Wenn keine Kontrolle möglich ist, führt unvorhersagbarer Schock eher zu Magengeschwüren als vorhersagbarer;122 z.B. erhielten drei Gruppen von Ratten, die festgebunden waren, angekündigte, unangekündigte bzw. keine Schocks (Weiss, 1970). Für alle Tiere war der elektrische Schlag unkontrollierbar. Ratten, für die die Schocks unvorhersagbar eintrafen, entwickelten viel mehr Magengeschwüre als Ratten, die vorhersagbare oder keine Schocks verabreicht bekamen. Zusätzlich gingen mit unvorhersagbaren elektrischen Schlägen – wenn auch in geringerem Ausprägungsgrad – gesteigerte Körpertemperatur und erhöhter Plasma-Kortikosteroid-Spiegel einher. In einer Nachuntersuchung variierte Weiss (1971 a) sowohl die Vorhersagbarkeit als auch die Kontrollierbarkeit der elektrischen Schläge. Wieder wurden jeweils drei Gruppen von Ratten unvermeidbaren oder vermeidbaren Schocks ausgesetzt oder erhielten keinen Schock; bei allen Versuchstieren befand sich in dem kleinen Untersuchungskäfig ein Rad, aber nur für die Flucht-Vermeidungsgruppe diente es der instrumentellen Reaktion. Die elektrischen Schläge trafen entweder völlig unangekündigt, teilweise angekündigt oder zuverlässig angekündigt ein; der Einfachheit halber werde ich die Gruppe mit den zunehmend exakter signalisierten Schocks außer acht lassen. Tabelle 6.1 faßt die Medianwerte für jede der verbleibenden Gruppen zusammen. Tabelle 6.1: Medianwerte der Ulzerabildung und der Radbetätigungen (nach Weiss, 1971 a). Magengeschwüre Radbetätigungen 2,0 3,5 3,717 13,992 3,5 6,0 1,404 4,357 1,0 1,0 6,060 0,051 Flucht-Vermeidung angekündigter Schock nicht angekündigter Schock hilflose Kontrolle angekündigter Schock nicht angekündigter Schock schockfreie Kontrolle Signal kein Signal Es ergaben sich vier grundsätzliche Befunde: a) Unterschiedliche Vorhersagbarkeit: sowohl hilflose Partnertiere als auch Vermeider entwickelten nach unangekündigten Schocks mehr Magengeschwüre als nach angekündigten Schocks; b) Unterschiedliche Kontrollierbarkeit: sowohl nach angekündigten als auch nach unangekündigten elektrischen Schlägen entwickelten Ratten unter der Hilflosigkeitsbedingung mehr Magengeschwüre als Ratten unter Flucht-Vermeidungsbedingungen; c) Häufigkeit der Radbetätigung: unter der Bedingung unangekündigter Schocks drehten sowohl hilflose Partnertiere als auch Vermeider häufiger am Rad als unter der Bedingung angekündigter Schocks; sowohl mit als auch ohne Signal drehten Ratten unter Flucht-Vermeidungsbedingungen häufiger als hilflose Partnertiere 84 am Rad (obwohl eine Betätigung des Rades nur für die Ratten der Flucht-Vermeidungsgruppe zur Beendigung des Schocks führte); d) Korrelation von instrumentellen Reaktionen und Ulzerationsrate: unter der Bedingung unangekündigter Schocks entwickelten Ratten mehr Magengeschwüre und drehten häufiger am Rad. Weiss behauptete darüber hinaus, daß in jeder Gruppe dasjenige Tier mehr Magengeschwüre entwickelte, das mehr Reaktionen ausführte. Weiss stellte die Hypothese auf, daß für diese Ergebnisse zwei Faktoren verantwortlich seien: weniger relevante Rückmeldung einerseits und mehr Bewältigungsreaktionen andererseits führen zur verstärkten Ausbildung von Magengeschwüren. Ich bin der Überzeugung, daß diese beiden Faktoren auf die Sicherheitssignal-Hypothese hinweisen. Betrachten wir zunächst das Konzept der relevanten Rückmeldung, das hypothetisch dafür verantwortlich gemacht wird, daß hilflose Ratten mehr Magengeschwüre entwickeln als Tiere, die entfliehen können. Weiss definiert relevante Rückmeldung als Stimulus, der aus der instrumentellen Reaktion erwächst und nicht mit dem Streßreiz assoziiert ist; anders ausgedrückt bezieht sich Weiss auf Stimuli, die mit der Abwesenheit des Stressors assoziiert sind, also Sicherheitssignale darstellen. Wenn eine Ratte lernt, dem Schock zu entgehen, so lernt sie gleichzeitig ein Sicherheitssignal, ein Signal für das Ausbleiben des Schocks, und sie entwickelt weniger Magengeschwüre, weil sie weniger Zeit in der Furcht lebt als eine hilflose Ratte, die über kein Sicherheitssignal verfügt. Vom zweiten Faktor – je mehr Bewältigungsreaktionen, umso mehr Magengeschwüre – wird angeno Beziehung (für die sich Weiss ausspricht) würde bedeuten, daß häufigeres Reagieren faktisch mehr Magengeschwüre erzeugt. Dies würde z.B. heißen, daß Sie keine Magengeschwüre bekommen würden, wenn Sie sich zwingen könnten, sich zurückzulehnen und alles passiv über sich ergehen zu lassen. Die zweite Interpretation ist oberflächlicher und deskriptiver, aber auch überzeugender: daß nämlich irgendein dritter Faktor sowohl heftiges Reagieren, wie es sich in der Betätigung des Rades ausdrückt, als auch die Ausbildung von Magengeschwüren verursacht. Einen ausgezeichneten Hinweis auf einen solchen dritten Faktor hat Weiss selbst geliefert, als er Bradys Experimente mit den Manageraffen kritisierte. Tiere, die stärker emotional reagieren, den elektrischen Schlag mehr fürchten und schmerzhafter erleben, werden heftiger reagieren und daher häufiger das Rad in Bewegung setzen; nicht weil sie häufiger am Rad drehen, bilden sie mehr Magengeschwüre aus, sondern weil sie mehr Furcht erleben. Halten wir fest, daß Ratten, die unvorhersagbare elektrische Schläge erhielten, mehr Magengeschwüre entwickelten und mehr instrumentelle Reaktionen ausführten als Ratten, die bei gleichem Maß an Kontrollierbarkeit vorhersagbare Schocks erfuhren. Weiss hatte uns in dem Glauben gelassen, daß sie Magengeschwüre entwickelten, weil sie häufiger reagierten. Im Gegensatz dazu erklärt die Sicherheitssignal-Hypothese, warum die Tiere mehr Magengeschwüre entwickelten und warum sie häufiger reagierten. Wenn die Betätigung eines Rades in einem die Bewegungsfreiheit einschränkenden Raum Furcht und emotionale Erregung widerspiegelt,123 dann werden Ratten, die unangekündigte Schocks erhalten, das Rad häufiger drehen; da sie über kein Sicherheitssignal verfügen, werden sie das Rad ununterbrochen drehen. Unter der Bedingung angekündigter Schocks werden Ratten nur während des Gefahrensignals das Rad in Bewegung setzen und können sich während des Sicherheitssignales entspannen. Also wird größere Furcht, die auf das bei unvorhersagbarem Schock fehlende Sicherheitssignal zurückzuführen ist, sowohl mehr Betätigungen des Rades als auch stärkere Ulzeration hervorrufen. Auch in diesem Zusammenhang scheint es, ähnlich wie bei der Korrelation von Reaktionsfrequenz und Ulzeration, sinnvoll anzunehmen, daß stärker emotional reagierende Individuen häufiger am Rad drehen und mehr Magengeschwüre ausbilden werden, weil sie 85 emotional erregbarer sind. Mit anderen Worten würde die Unterdrückung von Bewältigungsversuchen Magengeschwüre nicht verhindern. Zusammenfassend läßt sich die Theorie von Weiss auf die Sicherheitssignal-Hypothese reduzieren: relevante Rückmeldung ist gleichbedeutend mit dem exakten Wissen um ein Sicherheitssignal, und die hohe Reaktionsrate reflektiert den Mangel an Sicherheitssignalen. Es hat daher den Anschein, daß sich in der Tatsache, daß auf unkontrollierbare Schocks hin mehr Magengeschwüre gebildet werden, die Tatsache widerspiegelt, daß die Schocks auch unvorhersagbar sind, und unvorhersagbare Schocks führen zu stärkerer Ulzeration als vorhersagbare Schocks. 6.5 Präferenz für Vorhersagbarkeit Es ist nicht bekannt, ob der Zustand, den ich Angst genannt habe und der aufgrund unvorhersagbarer elektrischer Schläge entsteht, sich von der Furcht, wie sie während vorhersagbarer Schocks erlebt wird, unterscheidet oder ob er lediglich eine chronische Form dieses Zustandes darstellt. Sei es Angst oder Furcht, gemäß der SicherheitssignalHypothese wird diese Emotion auf jeden Fall intensiver, wenn traumatische Bedingungen unvorhersagbar sind. Dies gilt, weil das Individuum unter der Bedingung unvorhersagbarer Schocks andauernd Angst erlebt; auf der anderen Seite hat das Individuum bei vorhersagbaren Schocks nur während des den Schock ankündigenden Signales Angst und kann sich während der übrigen Zeit entspannen. Wir erwarten daher, daß vorhersagbare schädigende Bedingungen unvorhersagbaren vorgezogen werden. Abb. 6.4: Unter Bedingung (a) bedeutet das weiße Licht durchgehend Gefahr; unter Bedingung (b) bedeutet das Ausbleiben des weißen Lichtes Sicherheit, aber der Ton ist ein unmittelbares Gefahrensignal für den folgenden elektrischen Schlag. Eine solche Präferenz ist experimentell sowohl bei Menschen wie bei Tieren viele Male nachgewiesen worden.124 Ich will im folgenden eine Untersuchung ausführlich darstellen, da es die vielleicht brillanteste aller bislang ausgeführten ist. Badia und Culbertson (1972) stellten sieben Ratten vor die Wahl zwischen angekündigten und unangekündigten elektrischen Schlägen. Der Schock selbst war unkontrollierbar, aber die Ratte konnte kontrollieren, ob sie ihn mit oder ohne Warnsignal verabreicht bekam. Wenn ein weißes Licht aufleuchtete, folgten Schocks in zufälligen Intervallen und kein Warnreiz erlaubte die genaue Voraussage, wann ein elektrischer Schlag eintreffen würde. Es gab unter dieser Bedingung kein Sicherheitssignal. Drückte die Ratte auf einen Hebel, so erlosch das weiße Licht; während dieser Phase wurden ebenfalls elektrische Schläge verabreicht, aber sie wurden durch einen kurzen Ton angekündigt. Also bedeutete es Si86 cherheit, wenn das weiße Licht ausgeschaltet war und gleichzeitig der Ton ausblieb, während das Gefahrensignal darin bestand, daß die Ratte bei ausgeschaltetem Licht den Ton hörte. Anders ausgedrückt rief das weiße Licht permanente Angst hervor, während ohne das Licht nur kurzfristig Furcht aufkam. Alle Ratten drückten den Hebel, bevorzugten also deutlich die Phase, in der das weiße Licht ausgeschaltet war, selbst wenn sie in dieser Phase die gleiche Anzahl an elektrischen Schlägen erhielten wie bei Licht.125 Abbildung 6.4 faßt diesen Versuchsplan zusammen. Zusätzlich zu der Literatur über angekündigte versus unangekündigte elektrische Schläge wurde in Tier- und Humanexperimenten die Präferenz für unmittelbar gegenüber verzögert verabreichten Schocks untersucht. Eine Bevorzugung unmittelbarer Schocks ist zu erwarten, da das Einsetzen des Schocks bei unmittelbarer Verabreichung genauer vorherzusagen ist als bei verzögertem Schock. In allen Humanexperimenten fand sich eine Bevorzugung unmittelbarer vor verzögerten Schocks.126 Die tierexperimentelle Literatur ist eher uneinheitlich. R. K. Knapp und seine Mitarbeiter (1959) stellten fest, daß Ratten es vorzogen, elektrische Schläge sofort zu bekommen als zu warten. Dagegen fanden Renner und Houlihan (1969) diese Präferenz nur unter der Bedingung, daß Ratten die Möglichkeit erhielten, sofort nach dem Schock aus dem Versuchskäfig zu entfliehen. Generell bevorzugen Menschen und Tiere vorhersagbare aversive Ereignisse gegenüber unvorhersagbaren. Ich glaube, daß sich darin widerspiegelt, daß bei unvorhersagbaren Schocks keine Sicherheit gewonnen werden kann, während Sicherheit dann vorausgesagt werden kann, wenn das Signal für vorhersagbaren Schock ausbleibt. Demnach wird akute Furcht der Angst oder chronischen Furcht, wie sie Unvorhersagbarkeit hervorruft, vorgezogen. 6.6 Der Zusammenhang zwischen Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit127 Ein 65 Jahre alter Mann berichtet über anfallsartige Angstzustände. Er fürchtet, an einem Herzanfall zu sterben – sein Herz ist in gutem Zustand, aber seine andauernde Angst wirkt sich sicherlich schlecht auf sein Kreislaufsystem aus. Ein typischer Angstanfall sieht folgendermaßen aus: der Mann ist einen Augenblick lang über irgend etwas betroffen und hält inne, um an sein Herz zu denken. Nachdem er einen Augenblick lang intensiv nach innen geschaut hat, entdeckt er etwas, was seiner Meinung nach eine leichte Unregelmäßigkeit des Herzschlages sein könnte. Er sagt sich: »Dies könnte das erste Anzeichen für einen Herzanfall sein«. Daraufhin bricht ihm der Schweiß aus. Sein Blutdruck steigt und er konzentriert sich stärker darauf, was da in seiner Brust vor sich geht; der erhöhte Blutdruck und seine Herzfrequenz überzeugen ihn, daß er wirklich einem Herzanfall nahe sein könnte. Seine Panik steigt, sein Blutdruck geht in die Höhe, und sein Herz hämmert schneller. Nun weiß er, daß er aufhören muß, darüber nachzudenken, da allein schon das Nachdenken den Anfall schlimmer macht. Er ist klebrig feucht vor Schweiß. Er kann nicht mehr aufhören, an einen unmittelbar bevorstehenden Herzanfall zu denken; er ist nun von Panik gepackt, und der Teufelskreis geht so weiter. Als er einen Psychiater konsultiert, verschreibt dieser ihm ein Beruhigungsmittel. Der Psychiater erklärt, daß dieses Medikament ein sehr wirksames Pharmakon sei und die Angst selbst auf der Höhe eines Anfalls beenden wird. Der Mann trägt das Medikament in seiner Brusttasche mit sich, wohin auch immer er geht; zu einem Angstanfall kommt es nicht wieder. Das Medikament hat er nie eingenommen. Unser Hypochonder in diesem Beispiel glaubt, daß er potentielle Kontrolle über seine Angst hat; er ist davon überzeugt, daß seine Angst nachlassen würde, wenn er eine Pille einnehmen müßte. Welches ist hier nun die wirksame Variable, die Kontrollierbarkeit 87 der Angst oder die Vorhersagbarkeit, daß die Angst verschwindet, wenn er eine Tablette nimmt? Diese beiden Variablen lassen sich nur sehr mühsam trennen; denn wenn Kontrolle besteht, ist auch Vorhersage möglich. Im Zusammenhang mit den Ergebnissen von Weiss zur Entwicklung von Magengeschwüren habe ich behauptet, daß die Auswirkungen möglicher Kontrolle über elektrische Schläge deren möglicher Vorhersagbarkeit gleichkommen. Ich habe jedoch den Verdacht, daß Kontrolle mehr Auswirkungen hat als Vorhersagbarkeit. Übrigens bin ich davon überzeugt, daß sich Kontrolle nur in ihren Auswirkungen auf Furcht und Angst auf Vorhersagbarkeit reduzieren lassen könnte – die Auswirkungen von Unkontrollierbarkeit auf die Motivation zu willentlichen Reaktionen, auf plötzlichen Tod und auf Depression lassen sich nicht auf die Effekte von Unvorhersagbarkeit reduzieren. Selbst in ihren Auswirkungen auf Angst dürfte Kontrollierbarkeit mehr sein als einfach Vorhersagbarkeit. Vielleicht liegt der Schlüssel in Untersuchungen zur Selbstverabreichung aversiver Reize und potentieller Kontrolle. Nehmen wir zwei Personen, von denen eine sich den elektrischen Schlag selbst verabreicht, während die andere zwar Schocks in gleicher Abfolge erhält, aber keine Kontrolle über sie hat, jedoch vorhersagen kann, wann die Schocks eintreffen. Wenn die Schocks für die Person, die sie sich selbst verabreicht, genau gleich vorhersagbar und nicht modifizierbar sind, liegt der einzige Unterschied in ihrer Kontrollierbarkeit. Nehmen wir andererseits zwei Gruppen, von denen jede völlig unvorhersagbare Schocks erfährt; doch wird einer Gruppe – wie im Beispiel des Hypochonders – mitgeteilt, daß sie einen Alarmknopf zur Verfügung habe und dadurch die Experimentalsituation verlassen könnte. Betrachten wir nun die Versuchspersonen, die die Experimentalsituation nicht verlassen, dann gleichen sie sich hinsichtlich ihrer Unfähigkeit, den aversiven Reiz vorherzusagen, unterscheiden sich aber hinsichtlich der Kontrollierbarkeit. Bisher sind nur wenige derartiger Studien durchgeführt worden, in denen Selbstverabreichung und vermeintliche Kontrolle eingesetzt wurden. 6.6.1 Selbstverabreichung aversiver Stimulation L. A. Pervin (1963) verabreichte Studenten kontrollierbare, unkontrollierbare, vorhersagbare und unvorhersagbare elektrische Schläge in allen möglichen Variationen. Kontrollierbarkeit bedeutete in dieser Untersuchung Selbstverabreichung, denn die Versuchspersonen konnten die Schockintensität nicht faktisch modifizieren. Jede Versuchsperson wurde in drei jeweils einstündigen Sitzungen jeder Bedingung ausgesetzt; befragt, welcher Bedingung sie sich freiwillig noch einmal aussetzen würden, bevorzugten die Versuchspersonen eindeutig Vorhersagbarkeit gegenüber Unvorhersagbarkeit und Kontrolle gegenüber Unkontrollierbarkeit. Versuchspersonen, die Kontrolle über die elektrischen Schläge hatten, erlebten – wenn auch in nicht signifikantem Ausmaß – weniger Angst.128 E. Stotland und A. Blumenthal (1964) verwendeten die Schweißdrüsenaktivität der Handinnenfläche als Indikator für die Angst vor einer bevorstehenden Prüfung. Allen Versuchspersonen wurde mitgeteilt, daß sie Tests unterzogen würden, die relevante Fähigkeiten messen. Anschließend wurde der einen Hälfte der Versuchspersonen gesagt, daß sie die einzelnen Untertests in jeder beliebigen Reihenfolge absolvieren könnten, während die andere Hälfte der Versuchspersonen instruiert wurde, daß sie keine Entscheidung über die Reihenfolge der Aufgaben haben würden. Tatsächlich bekamen die Versuchspersonen die Aufgaben gar nicht mehr vorgelegt, aber unmittelbar nach der Instruktion wurde der Psychogalvanische Hautreflex (PGR) gemessen. Wurde den Versuchspersonen die Wahl bei der Reihenfolge der Untertests gelassen, so stieg die 88 Schweißdrüsenaktivität nicht, unter der anderen Bedingung zeigte sich dagegen ein Anstieg der PGR-Amplitude. Eine bedeutende Rolle spielte Selbstverabreichung auch in einem Tierexperiment über intrakranielle Selbstreizung. Positive intrakranielle Selbstreizung erfolgt durch einen sehr schwachen Strom, der über eine ins ZNS implantierte Elektrode appliziert wird; diese Stimulation wird als positiv oder angenehm bezeichnet, wenn das Tier sich anstrengt, um sie zu bekommen oder aufrechtzuerhalten. S. S. Steiner und seine Mitarbeiter (1969) verstärkten Ratten mit positiver Selbstreizung für Hebeldruckreaktionen. Anschließend verabreichten die Forscher den Ratten Stromstöße nach genau dem gleichen zeitlichen Muster, nach dem die Tiere sich zuvor selbst stimuliert hatten. Unter dieser Bedingung war die Stimulation für die Ratten deutlich aversiv, und sie lernten ihr zu entfliehen, obwohl sie die gleiche Stimulation angenehm empfunden hatten, als sie sie sich selbst appliziert hatten. Es ist jedoch unklar, ob der Tatsache der Selbstverabreichung die entscheidende Bedeutung zukommt oder der geringeren Vorhersagbarkeit, wenn die Stimulation nicht selbst verabreicht werden konnte. Diese Untersuchungen genügen nicht den Kriterien, um Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit definitiv differenzieren zu können, da Individuen, die einen Stimulus kontrollieren können, auch über eine feiner abgestimmte Vorhersagbarkeit verfügen mögen. Einen unkontrollierbaren Stimulus genauso vorhersagbar zu machen wie einen kontrollierbaren dürfte praktisch unmöglich sein. Möglicherweise besteht der Vorteil, den Kontrollierbarkeit bei Selbstverabreichung erhält, darin, daß Selbstverabreichung eine solche Feinabstimmung der Vorhersagbarkeit ermöglicht. Wenn Sie z.B. ein Auto steuern, hat jede kleinste Bewegung des Lenkrades ein vorhersagbares Ergebnis. Selbst ein Beifahrer, der jede kleinste Bewegung des Fahrers verfolgt, verfügt nicht über die exakte Vorhersagbarkeit, die der Fahrer hat. Ich werde in kleinen Hochseebooten leicht seekrank, aber ich werde nicht seekrank, wenn ich das Boot steuere, das Steuerrad drehe und das Boot kontrolliere, wenn es meterhohe Wellen durchpflügt. Was fehlt, ist der Vergleich mit Kontrollgruppen, bei denen Anfang und Ende der Stimulation exakt vorhergesagt werden können: eine Versuchsperson führt die Reaktion, die den Stimulus einsetzen läßt und beendet, selbst aus; die andere Versuchsperson ist hilflos, kann aber das Eintreffen des Stimulus vorhersagen. Meines Wissens zeigt nur die folgende Studie, daß Selbstverabreichung nicht die Vorhersagbarkeit, sondern nur die Kontrollierbarkeit beeinflußt. J. H. Geer und E. Maisel (1972) legten Studenten unter drei Bedingungen Farbdias von Opfern gewaltsamen Todes vor: a) eine Fluchtbedingung, unter der die Versuchspersonen die Darbietung des Diapositivs abbrechen konnten, wenn sie auf einen Knopf drückten; das Erscheinen jedes Lichtbildes wurde durch einen Ton von zehn Sekunden Dauer angekündigt. b) Eine Vorhersagbarkeitsbedingung, unter der die Versuchspersonen informiert wurden, daß sie jedes Bild für eine bestimmte Zeit sehen würden, unter der sie jedoch keine Kontrolle über das Ende der Darbietung hatten. Auch unter dieser Bedingung wurde das Erscheinen jedes Bildes durch einen zehn Sekunden langen Ton angekündigt. c) Eine Bedingung ohne Kontrolle und ohne Vorhersagbarkeit, unter der den Versuchspersonen in zufälliger Reihenfolge Lichtbilder und Töne dargeboten wurden, ohne jede Möglichkeit zu instrumenteller Kontrolle. Unter Bedingung (b) und (c) richtete sich die mittlere Darbietungszeit der Lichtbilder nach den entsprechenden Zeiten der Versuchspersonen, die die Dauer der Bilder kontrollieren konnten. 89 Die Versuchspersonen, die entfliehen konnten, reagierten auf die Lichtbilder mit signifikant niedrigeren PGR-Amplituden als die Versuchspersonen der anderen Gruppen. Darüber hinaus zeigten sich bei den Versuchspersonen unter Vorhersagbarkeitsbedingung höhere PGR-Ausschläge auf den Beginn des Tones als bei Versuchspersonen der Fluchtgruppe. Diese Ergebnisse lassen vermuten, daß Kontrollierbarkeit um ein gewisses Maß mehr zum Abbau von Angst beiträgt als Vorhersagbarkeit. Eine methodische Verbesserung, die in zukünftige Studien dieser Art aufgenommen werden sollte, ist der Einbau exakterer Vorhersagbarkeit für die Versuchspersonen unter Vorhersagbarkeitsbedingungen, z.B. über extern wahrnehmbare Dauer der aversiven Stimulation (z.B. mit Hilfe einer Uhr). Dies würde sicherstellen, daß Versuchspersonen unter Vorhersagbarkeitsbedingungen über eine genauso fein abgestimmte Vorhersagbarkeit des Reizendes verfügen wie Versuchspersonen unter Kontrollierbarkeitsbedingungen. 6.6.2 Vermeintliche Kontrolle Die zweite Argumentationskette, die zu der Annahme führt, daß Kontrollierbarkeit über die Wirkung von Vorhersagbarkeit hinaus zu Angstabbau beiträgt, entstammt Studien zu vermeintlicher, aber nicht faktischer Kontrolle.129 Es gibt für ein Individuum zwei Möglichkeiten, eine potentielle Kontrolle wahrzunehmen: entweder übt es niemals Kontrolle aus und glaubt nur, daß sie potentiell vorhanden ist wie z.B. im Falle unseres Herzpatienten; oder es reagiert faktisch und verhält sich anschließend in dem Glauben, Kontrolle zu haben, obwohl es in Wirklichkeit nicht darüber verfügt. D. C. Glass und J. E. Singer (1972) spielten zwei Gruppen von Studenten eine Mischung lauter Geräusche vor; dieser Lärm war für beide Gruppen unvorhersagbar. Einer Gruppe wurde mitgeteilt, daß sie potentiell Kontrolle habe: »Sie können das Geräusch ausschalten, wenn Sie auf diesen Knopf drücken; ein Knopfdruck wird den Lärm für den Rest der heutigen Versuchssitzung beenden. Es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie drücken oder nicht. Einige unserer Versuchspersonen drücken, andere nicht; wir würden es aber lieber sehen, wenn Sie den Alarmknopf nicht betätigen«. Keine der Versuchspersonen drückte den Knopf wirklich, so daß das Geräusch für alle Gruppen gleichermaßen vorhersagbar war. Glass und Singer stellten fest, daß subjektiv als kontrollierbar wahrgenommener Lärm keine Beeinträchtigung späterer Leistung verursachte; dagegen hatte die Gruppe ohne vermeintliche Kontrolle beim nachfolgenden Problemlösen Schwierigkeiten. Ein Vergleich der Gruppen aus verschiedenen derartigen Untersuchungen ließ Glass und Singer zu dem Schluß kommen, daß »wahrgenommene Kontrolle die Nachwirkungen unvorhersagbaren Lärms bis zu einem Punkt zu reduzieren scheint, wo sie denen vorhersagbaren Lärms oder überhaupt keinem Lärm gleichen«.130 J. H. Geer und seine Mitarbeiter führten eine Untersuchung durch, in der Versuchspersonen fälschlicherweise annahmen, Schocks kontrollieren zu können.131 Diese Versuchspersonen betätigten einen Schalter, sobald sie einen Schock verspürten, der sechs Sekunden andauerte und dem ein Warnsignal von zehn Sekunden vorausging. Im zweiten Teil des Experimentes wurde der einen Hälfte der Versuchspersonen mitgeteilt, daß sie den Schock verkürzen könnten, wenn sie rasch genug reagieren würden, während der anderen Hälfte der Versuchspersonen einfach gesagt wurde, daß sie nun kürzere Schocks erhalten würden. In Wirklichkeit erhielten alle Versuchspersonen elektrische Schläge von drei Sekunden Dauer. Die Ergebnisse wiesen darauf hin, daß Versuchspersonen, die glaubten, Kontrolle zu haben, in Reaktion auf den Schockbeginn weniger Spontanfluktuationen im PGR und geringere PGR-Ausschläge hatten als Versuchspersonen, die nicht an eine potentielle Kontrollmöglichkeit glaubten. Obwohl der Schock für beide Gruppen genau gleich vorhersagbar war, schien die Gruppe, die von ihrer Kontrollmöglichkeit überzeugt war, weniger ängstlich zu sein.132 Letzten Endes dürfte sich das Problem, die Auswirkungen der Kontrollierbarkeit von denen der Vorhersagbarkeit zu trennen, als logisch unmöglich erweisen; und selbst angesichts der geschil90 derten Ergebnisse über die Auswirkungen vermeintlicher Kontrolle kann noch eingewendet werden, daß die geringere Angst in Wirklichkeit aus der Überzeugung einer genaueren Vorhersagbarkeit des Schocks, die sich notwendigerweise aus potentieller Kontrollierbarkeit ergibt, resultierte. Nehmen wir also die Ergebnisse zur Kontrollierbarkeit für bare Münze, dann reduziert potentielle Kontrolle eines aversiven Reizes Angst; fügen Menschen sich selbst irgendwelche Konsequenzen oder Reize zu, so reagieren sie weniger aufgeregt als hilflose Partner. Aber es ist möglich, daß Selbstverabreichung dies durch eine sehr fein abgestimmte Vorhersagbarkeit bewirkt. Der Vorteil fein abgestimmter Vorhersagbarkeit kann möglicherweise in Untersuchungen zur subjektiven Erwartung potentieller Kontrolle ausgeschaltet werden. In diesen Untersuchungen verringert sich die Angst, wenn Versuchspersonen glauben, Ereignisse kontrollieren zu können, selbst wenn sie faktisch keine Kontrolle haben. Die Verringerung von Angst aufgrund vermeintlicher Kontrolle gibt uns Einsicht in die Wirkungsweise eines sehr erfolgreichen Verfahrens zur Therapie der Angst. 6.7 Systematische Desensibilisierung und Kontrollierbarkeit Da Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit eine derart bedeutende Rolle beim Abbau von Ängsten spielen, möchte ich die Hypothese aufstellen, daß diese Dimensionen ein aktiver Wirkungsparameter der Systematischen Desensibilisierung (SD) – des wohl effektivisten Therapieverfahrens zur Behandlung von Ängsten – sind.133 In der SD lernt der Patient, der über eine Angstneurose wie z.B. eine Hundephobie klagt, zunächst tiefe Muskelentspannung; unter Entspannung stellt er sich dann Szenen zunehmend angsterregenderer Ereignisse vor. Z.B. stellt er sich unter Entspannung vor, das Wort »Hund« aus »hundert« herauszuhören; in dieser Weise macht er die Stufen einer Angsthierarchie durch, bis er sich mit Gleichmut vorstellen kann, einen Hund zu streicheln. Diese Methode scheint in 80 bis 90% der Fälle zu rascher Remission umschriebener Phobien zu führen. J. Wolpe, der Begründer der SD, ist der Überzeugung, daß durch die Kontiguität von Entspannung und Angstreiz allein eine Gegenkonditionierung erzielt wird. Das gefürchtete Objekt wird durch die Assoziation mit einer angstinkompatiblen Reaktion – wie Entspannung – schließlich neutralisiert. Inzwischen wurde das Konzept der Gegenkonditionierung als unbefriedigende Erklärung der therapeutischen Wirksamkeit der SD scharf kritisiert.134 Eine Hauptkritik war, daß auch kognitive Faktoren von Bedeutung sind. Obwohl ich glaube, daß Gegenkonditionierung in der SD eine angstreduzierende Rolle spielt, glaube ich auch, daß der kognitive Faktor der Kontrollierbarkeit von Bedeutung ist. Entspannung scheint in der SD am besten zu wirken, wenn sie willentlich und aktiv herbeigeführt wird, wenn der Patient intensiv glaubt, daß er seine Angst kontrollieren kann. SD wirkt jedoch auch – wenigstens teilweise –, wenn die Entspannung passiv induziert wird und wenn die Betonung nicht auf aktiver Bewältigung liegt. Kontrolle ist offensichtlich noch nicht alles. Medikamentös induzierte Entspannung stellt eine Quelle von Hinweisen über die Bedeutung willentlicher Kontrolle über Angst dar. Da es manchmal schwer ist, Patienten dazu zu bringen, sich in der SD ausreichend zu entspannen, haben verschiedene Forscher versucht, Entspannung durch intravenöse Injektion eines chemischen Muskelrelaxans (Methohexiton) zu induzieren. Dabei wurde jedoch festgestellt, daß dieses Vorgehen zu einem Absinken der therapeutischen Effektivität führte. Der Beobachtung J. L. Reeds (1966) zufolge empfanden einige Patienten die Phase medikamentös induzierter Entspannung als sehr unangenehm. Ihre Hauptklage galt einem intensiven Gefühl von Kontrollverlust. Bei diesen Patienten wurde das Pharmakon abgesetzt und durch Entspannung auf der Basis reiner Muskelrelaxations- 91 techniken ersetzt; die Patienten fanden dieses Verfahren angenehmer und entspannten sich gut. Ähnlich behauptet J. P. Brady (1967), daß ein erfolgreicher Einsatz medikamentös induzierter Entspannung von verschiedenen verfahrenstechnischen Einzelheiten abhängt: Ich verlasse mich nicht mehr auf Methohexiton allein, um den gewünschten Zustand tiefer Muskelentspannung und emotionaler Beruhigung zu erzielen. Ich beginne jetzt eher die erste Sitzung mit Instruktionen und Übungen zur Muskelentspannung. Dies kann als kurzes Training (4 bis 5 Minuten) in progressiver Muskelrelaxation aufgefaßt werden. Wenn der Patient fortfährt sich zu entspannen, wird er darauf hingewiesen, daß das Pharmakon, das er erhalten wird, weitere Entspannung und Ruhe begünstigen wird, daß er aber auch »mitmachen« müsse. Sobald die Injektion begonnen hat, wird weitere Entspannung suggeriert wie etwa bei der Hypnose. Entspannung allein hemmt Angst nicht in dem Maße wie vom Individuum selbst initiierte Entspannung. Die Auswirkungen selbstinduzierter Kontrollierbarkeit haben einige Verhaltenstherapeuten dazu veranlaßt, ihren Patienten gegenüber zu betonen, daß SD ein aktiver Bewältigungsprozeß und keine passive Folge von Gegenkonditionierung ist. J. P. Lang betont die Kontrolle des Individuums in der SD (1969): Die Kontrolle des Individuums über den imaginierten Angstreiz – seine Dauer, Häufigkeit und die Abfolge seiner Darbietung – ist ein weiteres wichtiges kognitives Element im Prozeß der Desensibilisierung. Als dieses Element der Kontrolle im Experiment Davisons (1968) ausgeschaltet wurde, kam es nicht zum positiven Abbau der Angst. Es kann sein, daß der aversive Charakter phobischer Stimuli in der Hilflosigkeit des Individuums liegt, der Tatsache, daß es über keine anderen organisierten Verhaltensweisen außer Flucht und Vermeidung verfügt. Nicht nur faktische Kontrolle, sondern auch vermeintliche Kontrolle dürfte in der SD eine gewisse angstreduzierende Bedeutung haben. Phobiker geraten häufig bereits beim bloßen Gedanken an das gefürchtete Objekt oder eine angsterregende Situation in Panik. Diese durch Hilflosigkeit induzierte Panik schließt den Einsatz jeglicher ihnen verfügbarer Bewältigungsreaktionen aus. Die Wahrnehmung potentieller Kontrolle, die entsteht, wenn das Individuum gelernt hat, daß es sich in Gegenwart des phobischen Objektes entspannen kann, verhindert diese Panik. Stellen wir uns einen Klienten vor, der einen Verhaltenstherapeuten aufsucht, um seine Phobie behandeln zu lassen: nach dem Erstinterview entscheidet der Therapeut sich für eine SD und erklärt dem Klienten, daß er ein bewährtes Verfahren anzuwenden gedenke, das den Klienten befähigen werde, seine Furcht und seine Ängste zu bewältigen. Daraufhin wird eine Angsthierarchie aufgestellt, und der Klient beginnt, sich Schritt für Schritt hochzuarbeiten; auf jeder Stufe der Hierarchie wird die Erwartung des Klienten von einem therapeutischen Erfolg bestätigt, in dem Sinne, daß er nicht mehr erschreckt oder ängstlich reagiert. Mit der Zeit gerät der Klient angesichts des phobischen Reizes nicht mehr in Panik, sondern erwartet, in der Lage zu sein, seine Angst kontrollieren zu können. Zum ersten Mal in seinem Leben verfügt der Phobiker über Verhaltensweisen, um antizipatorische Panikreaktionen abzubrechen und gewinnt gleichzeitig Zeit, sein Bewältigungsrepertoire aufzubauen. Er stärkt diese Überzeugung dadurch, daß er seine neu erworbenen Bewältigungsfähigkeiten erfolgreich in realen Situationen einsetzt. Insofern kann die Erwartung, daß man Furcht kontrollieren kann, Panik zuvorkommen und effektiveres Bewältigungsverhalten bewirken. 92 Eine interessante Parallele zu dem letzten Beispiel liefert die Behandlung von Ejaculatio präcox. Männer, die unter Ejaculatio präcox leiden, sind nicht nur unfähig, ihre sexuelle Erregung zu kontrollieren, sondern erleben häufig Erwartungsängste angesichts sexueller Interaktion. Diese Erwartungsangst macht alle Versuche, die Ejakulation zu kontrollieren, zunichte und kann zu sekundärer Impotenz führen.135 Durch den Einsatz einer Drucktechnik (penile squeeze technique) und schrittweiser Konfrontation mit wirklichen Situationen lernen Patienten mit Ejaculatio präcox, daß sie ihre sexuelle Erregung kontrollieren und als Folge davon ihre antizipatorische Panikreaktion unterbrechen können. Dies steigert hinwiederum ihre Fähigkeit, die Ejakulation zu kontrollieren. Auch bei diesem Beispiel reduziert die subjektive Erwartung potentieller Kontrolle Ängste im Zusammenhang mit kompetentem Sexualverhalten und erlaubt dadurch angemessenere Bewältigung. 6.8 Zusammenfassung Ein US ist unvorhersagbar, wenn seine Wahrscheinlichkeit gleich bleibt, ob ein CS vorausgeht oder nicht. Wenn aversive Ereignisse unvorhersagbar sind, heißt das, daß keine Sicherheitssignale verfügbar sind und Angst erlebt wird. Die Beobachtung von Angst in Abhängigkeit von vorhersagbaren und unvorhersagbaren elektrischen Schlägen bestätigt die Sicherheitssignal-Hypothese: wenn Tiere und Menschen unvorhersagbare Schocks erhalten, zeigen sie anhaltend und wiederholt konditionierte emotionale Reaktionen und ausgeprägte psychogalvanische Hautreaktionen. Sowohl Unvorhersagbarkeit wie Unkontrollierbarkeit von Schocks führen zur Bildung von Magengeschwüren; die Ulzera induzierenden Effekte von Hilflosigkeit können durchaus aus dem Mangel an durch das eigene Verhalten begrenzten Sicherheitssignalen resultieren. Tiere und Menschen ziehen vorhersagbare Schocks unvorhersagbaren vor, wie es aufgrund der Sicherheitssignal-Hypothese zu erwarten ist. Da kontrollierbare Ereignisse durch Rückmeldung aus den Reaktionen, die sie kontrollieren, vorhersagbar sind, kann Kontrollierbarkeit angstreduzierende Auswirkungen zusätzlich zu dieser Vorhersagbarkeit haben – wahrgenommene potentielle Kontrolle und fälschlicherweise angenommene Kontrolle über aversive Stimulation reduzieren ebenfalls Angst. Schließlich nehme ich an, daß die Wahrnehmung von Kontrolle und Vorhersagbarkeit von entscheidender Bedeutung für die Wirkung der Systematischen Desensibilisierung ist. In den letzten beiden Kapiteln habe ich die Quellen zweier emotionaler Zustände untersucht – Depression und Angst. Einige Menschen sind anfälliger für Depression und Angst als andere. Einige glückliche Menschen erleben nur nach wiederholter qualvoller Härte Depressionen. Bei anderen wird das geringste Problem Depression auslösen; bei ihnen ist Depression mehr als ein Zustand, es ist ein Persönlichkeitsmerkmal. Was läßt einen Menschen so anfällig für Hilflosigkeitsgefühle und Depression werden? Die Erfahrungen aus Säuglingsalter, Kindheit und Jugend scheinen am geeignetsten, um nach dem Ursprung von Hilflosigkeit zu suchen. Im nächsten Kapitel werde ich die Entwicklung von Hilflosigkeit als Personlichkeitsmerkmal näher untersuchen. 93 7 Emotionale Entwicklung und Erziehung Vor zehn Jahren, zu Beginn meines zweiten Studienabschnittes, beschloß ich, emotionale und motivationale Entwicklungsprozesse einmal genauer zu untersuchen. Ich hatte festgestellt, daß die Entwicklung von Denken, Sprache, motorischen Fertigkeiten, Moral und Intelligenz bereits erforscht worden und durch wissenschaftlich fundierte Theorien repräsentiert waren, während zur Entwicklung von Motivationen nur Spekulationen und Falldarstellungen vorlagen. »Dies ist ein Gebiet, über das wir noch nicht viel wissen«, erklärte mir einer meiner Professoren, »kommen Sie in zehn Jahren wieder.« Die zehn Jahre sind inzwischen vergangen, aber der Stand unseres Wissens hat sich nicht verändert. Das Studium kognitiver Entwicklung in ihren vielen Formen blüht und gedeiht, aber kaum jemand scheint gewillt, das Problem motivationaler und emotionaler Entwicklung in Angriff zu nehmen. In diesem Kapitel möchte ich meine Überlegungen zur emotionalen und motivationalen Entwicklung vorstellen. Was ich dazu zu sagen habe, ist ziemlich grob, hat weniger experimentelle Grundlagen als mir lieb ist, aber ist ein Anfang. Amerikanische Psychologen waren immer – wahrscheinlich aus Gründen demokratischer und egalitärer Ideale – interessiert an Phänomenen, die formbar sind. Der Behaviorismus J. B. Watsons faßt dieses rühmliche Streben kurz zusammen: Man gebe mir ein Dutzend gesunder, wohlgestalteter Kinder und meine eigene spezifizierte Welt, um sie aufzuziehen, und ich versichere Ihnen, daß ich zufällig ein Kind herausgreifen kann und es zu einem Spezialisten in dem Beruf machen kann, den ich wähle – Arzt, Jurist, Künstler, Kaufmann, ja selbst Bettler und Dieb.136 Wir wollen einen Augenblick innehalten und mutmaßen, wie wohl die Zukunft solcher Begeisterung für formbare Prozesse aussehen mag. Formbarkeit und Umweltabhängigkeit werden von vielen Seiten angegriffen – tiefgreifende, fundierte, gelehrte Angriffe, und Umweltdeterminismus Watsonscher Prägung ist in der wissenschaftlichen Gesellschaft im Rückzug begriffen. Die Psychologie Piagets z.B. sieht die kognitive Entwicklung des Kindes nicht als so stark erfahrungsbestimmt an. Die kognitiven Fähigkeiten des Kindes werden im Gegenteil als wachsend und mit der Umwelt interagierend gesehen, so wie eine Muschel ihre Schale Lage für Lage aufbaut. Eine große Vielzahl von Befunden stützt diese Ansicht. Kinder lernen die Sprache nicht in der gleichen Weise, wie eine Ratte lernt, einen Hebel zu drücken, nämlich durch Belohnung und Bestrafung. So wenigstens lehren es uns die einflußreichen Arbeiten von Chomsky, Brown und Lenneberg. Unter allen Bedingungen, mit Ausnahme der stärksten Reizverarmung, lernen Kinder sprechen und ihre Muttersprache verstehen. Dies wird durch eine hochentwickelte Gehirnstruktur des Homo sapiens, die in der Sprache vorprogrammiert ist, gesichert; der Beweis dafür kann schwer in Frage gestellt werden. Intelligenz, wie sie der IQ erfaßt, kann durch die Manipulation der Umgebung nicht sehr viel gesteigert werden, wie Jensen, Hernstein, Eysenck und andere nachgewiesen haben. Die Hauptvarianz von IQ-Werten wird nicht durch langsame, systematische Veränderung durch die Umgebung erklärt, sondern nur durch den IQ der leiblichen Eltern. Wie man uns lehrt, sagt das Ausmaß wirtschaftlicher Entbehrungen schlecht voraus, wie tüchtig ein Kind werden wird; im Gegensatz dazu bestimmen dies seine Gene. Meine eigene Arbeit über Lernprozesse außerhalb meiner Forschung zur Hilflosigkeit stellt keine Ausnahme von dieser Tendenz dar, von der Formbarkeitshypothese Abstand zu nehmen. Ich habe kürzlich ein Buch mit herausgegeben, dessen Hauptthema war, daß evolutionsbedingte Zwänge dem, was ein Organismus lernen kann, strenge Grenzen setzen.137 Die unterschiedliche genetische Prädisposition (preparedness), so argumentierte 94 ich, macht es einer gegebenen Tierart leicht, bestimmte Kontingenzen zu lernen, und macht den Erwerb anderer praktisch unmöglich. So lernen z.B. Tauben mühelos, für Futterkörner nach Tasten zu picken, haben aber große Schwierigkeiten zu lernen, auf diese Taste zu picken, um elektrische Schläge zu vermeiden. Als aufmerksamer Leser der amerikanischen psychologischen Literatur war ich fast schon davon überzeugt gewesen. Die kognitive Entwicklung eines Kindes ist nicht annähernd so formbar, wie ich gehofft hatte. Doch ist diese Erkenntnis kein Grund zur Freude. Vor ein paar Jahren hörte ich den Vortrag eines berühmten alten deutschen Psychologen. Über vier Jahrzehnte hinweg, auch während der Nazi-Ära, hatte er Daten über verschiedene Persönlichkeitstypen gesammelt. Er beschrieb und definierte seine Typologie ausführlich. Am Ende des Vortrags fragte ich ihn: »Wie werden verschiedene Menschen so, wie sie sind?«. Seine Antwort war kurz und eindrucksvoll; zehn Jahre zuvor hätte ich sie höchstens als leichtfertig angesehen, aber im Lichte neuer Entwicklungen bekam sie einen tieferen Klang. »Das, junger Mann, hängt vom Charakter ab«, entgegnete er milde. Ich für meinen Teil bin noch nicht bereit, die Suche nach Formbarkeit ad acta zu legen. Die demokratischen Gleichheitsideale, die den amerikanischen und sowjetischen Umweltdeterminismus antrieben, gehen zu tief und bedeuten zu viel, um sie leichtfertig aufgeben zu können. Wenn Denk- und Wahrnehmungsprozesse beim Kind nicht willkürlich geformt werden können, müssen Psychologen herausfinden, was geformt werden kann. Ich glaube, daß Motivationen und Emotionen formbarer sind als Denkprozesse und auch mehr durch die Umwelt geformt werden. Ich bin nicht mehr überzeugt davon, daß intensives, gezieltes Training den IQ eines Kindes um zwanzig Punkte anheben wird oder es befähigen wird, wie Mozart mit fünf Jahren Klaviersonaten zu komponieren. Auf der anderen Seite bin ich davon überzeugt, daß bestimmte Anordnungen von Umweltkontingenzen ein Kind schaffen, das glaubt, hilflos zu sein – etwas nicht erfolgreich bewältigen zu können – und daß andere Kontingenzen ein Kind schaffen, das glaubt, durch eigene Verhaltensweisen etwas beeinflussen zu können – seine kleine Welt kontrollieren zu können. Wenn ein Kind glaubt, daß es hilflos ist, wird es nur schlechte Leistungen erbringen, unabhängig von seinem IQ. Wenn ein Kind sich für hilflos hält, wird es keine Klaviersonaten komponieren, unabhängig von seinem angeborenen musikalischen Genius. Auf der anderen Seite wird ein Kind, das glaubt, seine Welt kontrollieren und bewältigen zu können, begabtere Gleichaltrige, denen eine solche Überzeugung fehlt, in seinen Leistungen übertreffen. Was aber am wichtigsten ist: wie schnell ein Individuum von seiner eigenen Hilflosigkeit oder seinem Bewältigungsvermögen überzeugt wird, wird durch seine Erfahrung kontrollierbarer und unkontrollierbarer Ereignisse geformt. 95 7.1 Der Entwicklungsreigen Der Mensch beginnt sein Leben viel hilfloser als Neugeborene jeder anderen Tierart. Im Verlauf der nächsten ein oder zwei Jahrzehnte erwerben einige Menschen Bewältigungsmechanismen; andere erwerben ein tiefgreifendes Gefühl von Hilflosigkeit. Die Induktion vergangener Erfahrungen bestimmt, wie stark dieses Gefühl für Hilflosigkeit oder Bewältigung ist. Stellen wir uns einen Drittklässler vor, der bei jeder Prügelei auf dem Schulhof, die er bisher mitgemacht hat, unterlegen war. Beim ersten Kampf dürfte er sich erst dann als geschlagen erlebt haben, nachdem er restlos am Boden lag. Nach neun Niederlagen hintereinander fühlt er sich wahrscheinlich schon früh und schon beim ersten Anzeichen einer sich anbahnenden Niederlage geschlagen. Wie empfänglich er dafür ist, sich selbst für unterlegen zu halten, ist davon abhängig, wie regelmäßig er gewonnen oder verloren hat. Ähnlich ist es mit eher allgemeinen Überzeugungen wie Hilflosigkeit und Bewältigung. Wenn ein Kind wiederholt hilflos gewesen ist und selten die Erfahrung von Bewältigung gemacht hat, wird es sich in einer neuen Situation bereits bei den kleinsten Hinweisen für hilflos halten. Ein anderes Kind mit entgegengesetzten Erfahrungen könnte aufgrund derselben Anhaltspunkte davon überzeugt sein, Kontrolle zu besitzen. Wie früh, wie häufig und wie intensiv die Erfahrungen von Hilflosigkeit oder Bewältigung sind, wird die Ausprägung dieses motivationalen Merkmals bestimmen. Wird ein Neugeborenes nackt und schreiend von den bereiten Händen des Geburtshelfers aufgenommen, hat es praktisch keine Kontrolle über Konsequenzen. Die meisten Reaktionen eines Neugeborenen erscheinen reflexhaft; es bringt eine sehr begrenzte Skala willentlicher Reaktionen mit – Reaktionen, die instrumentell geformt werden können. So kann z.B. das Saugen eines Neugeborenen bereits geformt werden.138 Die Saugreaktion hat zwei Komponenten: Herauspressen der Milch, d.h. die Brustwarze zwischen Zunge und Gaumen pressen; und Saugen, d.h. ein Vakuum herstellen, um Milch aus der Brustwarze zu ziehen. A. J. Sameroff (1968) verstärkte entweder die eine oder die andere Komponente mit Milch. Folgte nur auf das Herauspressen Milch, hörte die Saugreaktion nach und nach auf. Zusätzlich veränderten die Neugeborenen die Intensität, mit der sie den Sauger zusammendrückten, dergestalt, daß sie sich auf einen minimal notwendigen Druck einstellten, bei dem sie Milch erhielten. Aber dies war eine wenig stabile Form des Lernens, die auch nicht von einer Mahlzeit zur anderen behalten wurde. Neugeborene können auch in der Lage sein, durch Kopfbewegung eine gewisse Kontrolle über Verstärker auszuüben, denn wenn sie für ein Hinwenden des Kopfes Zuckerwasser bekommen, steigt die Häufigkeit dieser Kopfbewegung.139 Mit zunehmender Reifung entwickeln sich mehr und mehr willentliche Reaktionen, die Konsequenzen kontrollieren. Das Kind schreit, und seine Mutter kommt; folglich nimmt sein Schreien an Häufigkeit zu, wenn die Mutter das nächste Mal nicht in der Nähe ist. Es findet mühsam eine angenehme Lage in seinem Bettchen; wenn es das nächste Mal hineingelegt wird, nimmt es diese Stellung schneller und mit weniger Anstrengung ein. Seine Augen können zunehmend besser Gegenständen folgen – zumindest dann, wenn diese sich langsam bewegen. An dieser Stelle ist es wichtig, den Leser an den Unterschied zwischen wirklicher Kontrolle und der Wahrnehmung von Kontrolle zu erinnern. Die willentlichen Reaktionen des Kindes haben per definitionem Kontrolle über bestimmte Konsequenzen. Dies bedeutet aber nicht notwendigerweise, daß das Kind in den frühen Entwicklungsstadien wahrnimmt, daß es diese Kontrolle hat, und ich will nicht behaupten, daß ein Neugeborenes über eine derartige Wahrnehmung verfügt.140 Irgendwann im Verlauf der Entwicklung prägen sich jedoch solche Wahrnehmungen aus – offen bleibt die Frage nach dem Wann. Nur zukünftige Forschung über die Generalisation von Hilflosigkeit und Bewältigung auf andere Situationen wird die Anfänge solcher Wahrnehmung klären. 96 Objektive Kontrolle ist jedoch eine notwendige Bedingung für die Entwicklung der Wahrnehmung von eigener Kontrolle. Das Kind beginnt eine spielerische Auseinandersetzung mit seiner Umgebung, die sich über die ganze Kindheit erstreckt. Ich glaube, daß das Ergebnis dieses Reigens sein Empfinden für Hilflosigkeit oder Bewältigung determiniert. Jede Verhaltensweise des Kindes kann entweder zu Veränderungen in seiner Umgebung führen, oder diese Veränderungen treten völlig unabhängig von der kindlichen Reaktion ein. Auf einem etwas primitiven Niveau berechnet das Kind die Beziehung zwischen Reaktion und Konsequenz. Ist der Zusammenhang gleich Null, entwickelt sich Hilflosigkeit. Besteht eine hoch positive oder hoch negative Korrelation, so bedeutet dies, daß die Reaktion eine Wirkung hat, und das Kind lernt entsprechend, diese Reaktion häufiger auszuführen oder sie zu unterlassen, je nachdem, ob die damit zusammenhängenden Konsequenzen angenehm oder aversiv sind. Vor allem aber lernt das Kind, daß Reagieren zu Konsequenzen führt, daß es ganz allgemein eine Synchronisation zwischen Reaktionen und Konsequenzen gibt. Sind Reaktionen und Konsequenzen asynchron, und das Kind ist hilflos, so hört es auf, die Reaktion auszuführen und lernt darüber hinaus, daß aktives Verhalten wirkungslos ist. Ein solcher Lernprozeß hat die gleichen Folgen wie die Erfahrung von Hilflosigkeit beim Erwachsenen: mangelnde Motivation zu willentlichen Reaktionen, eine negative kognitive Einstellung, Ängste und Depression. Für ein Kind mag dies aber viel verheerender sein, da es fundamental ist: diese Erfahrung bildet die Basis seiner Pyramide emotionaler und motivationaler Strukturen. Während ich diesen Abschnitt schreibe, trinkt mein drei Monate alter Sohn an der Brust seiner Mutter. Der Entwicklungsreigen ist bemerkenswert: er saugt, und die Welt antwortet mit warmer Milch. Er patscht auf die Brust, und seine Mutter drückt ihn sanft an sich. Er macht eine Pause und gurrt, und seine Mutter gurrt zurück. Er jauchzt glücklich auf, und seine Mutter versucht, ebenfalls aufzujauchzen. Jeder seiner Schritte geht einher mit einer Reaktion der Welt. J. S. Watsons Versuche mit zwei bis drei Monate alten Babys erfassen das Wesentliche dieses Reigens.141 Nach Watsons wie nach meiner Auffassung ergreift ein Kind jede Gelegenheit zu einer Analyse der Beziehung zwischen seinen Reaktionen und deren Konsequenzen. Während der ersten acht Wochen entbehrt das Kind der Kontingenzen, da es so wenige willentliche Reaktionen ausführt und seine Gedächtnisspanne so kurz ist, daß es ihm kaum möglich ist, sich an das letzte Zusammentreffen einer Reaktion mit einer Konsequenz zu erinnern. Aber ungefähr im Alter von acht Wochen entwickelt sich eine neue Fähigkeit. Watson und seine Mitarbeiter unterwarfen drei Gruppen von Säuglingen dieser Altersstufe zehn Minuten pro Tag einem speziellen Training – mit erstaunlichen Ergebnissen. Sie hatten ein sehr empfindliches luftgefülltes Kopfkissen entwickelt, das jedesmal einen Kontakt schloß, wenn das Kind mit seinem Kopf darauf drückte. Unter der Bedingung dieser Kontingenz drehte sich nach jedem Drücken eine Sekunde lang ein Mobile aus bunten Bällen über dem Bettchen. Auch die Kinder der Gruppe ohne kontingente Bedingungen sahen ein wirbelndes Mobile, doch war dies nicht unter ihrer Kontrolle. Die Kinder einer dritten Gruppe sahen unbewegliche Bälle. Die Kinder unter Kontingenz-Bedingungen steigerten im Unterschied zu den anderen Kindern im Laufe des Experiments ihre Aktivität beachtlich und zeigten so, daß sie die Kontingenz gelernt hatten. Nur die Mütter dieser Gruppe berichteten einstimmig, daß ihre Babys vom dritten oder vierten Tag des Experimentes an lebhaft lächelten und quietschten. Watson wandte dieses Verfahren bei einem schwer retardierten acht Monate alten Mädchen an, das auf der Entwicklungsstufe eines eineinhalb Monate alten Säuglings stand. Sie war als entwicklungsunfähig gekennzeichnet worden und hatte bisher niemals irgendeine instrumentelle Reaktion oder irgendein deutlicheres Lächeln oder Quietschen 97 gezeigt. Innerhalb von elf Tagen, in denen es mit dem kontingenten Mobile trainiert wurde, stieg ihre Aktivität auf das Zehnfache, und sie lachte und quietschte lebhaft, wenn sie das Mobile sah. Das Spiel der Kontingenzenanalyse ist beispielhaft für die frühesten Stadien des Entwicklungsreigens. Für ein Kind in der Entwicklung ist es besonders reizvoll, seine Umgebung zu kontrollieren. Mangelnde Kontrolle ruft kein Vergnügen hervor und kann sogar aversiv erlebt werden, selbst wenn die Umgebung »interessant« ist und sich bewegende Mobiles enthält. Warum gefällt einem Baby das Geräusch einer Rassel? Nicht wegen der physikalischen Qualität dieses Geräusches, seiner Neuheit oder seinem Bekanntheitsgrad, sondern weil das Kind selbst sie rasseln läßt. Die fundamentale Bedeutung von Vergnügen für die Entwicklung mag darin bestehen, daß es wirksame instrumentelle Verhaltensweisen begleitet und dadurch jene Aktivitäten ermutigt, die zu der Wahrnehmung von Kontrolle führen. Auf der anderen Seite kann Langeweile ein Kind von Reizen, die es nicht kontrollieren kann, wegtreiben und hinführen zu Spielen, bei denen es lernen kann, daß es ein menschliches Wesen ist, dessen Verhalten wirkungsvoll ist. 7.1.1 Reafferenz Was geschieht, wenn man ein Kind der Synchronisation zwischen seinen Reaktionen und deren Konsequenzen beraubt? Die früheste und vielleicht fundamentalste Synchronisation, die unterbrochen werden kann, ist Reafferenz. Reafferenz bezieht sich auf die Kontingenz zwischen Handlung und visueller Rückmeldung. Wenn Sie einen Schritt auf eine Wand zu machen, geht Ihre motorische Reaktion genau parallel zu der Wahrnehmung, daß die Wand näher rückt. Man kann jedes normale Kleinkind lernen sehen, daß der Akt, seine Hand in bestimmter Weise zu bewegen, zu der Wahrnehmung führt, daß sich die Hand bewegt. Reafferenz ist ein so grundsätzliches Phänomen, daß man sich kaum vorstellen kann, wie ein Kind ohne sie noch einen Unterschied zwischen sich und der übrigen Welt wahrnehmen könnte. Was unterscheidet letzten Endes das Selbst von der Welt? Alles, was Teil von mir ist, steht in engstem Zusammenhang mit meiner Wahrnehmung und Empfindung, wenn ich es willentlich bewege: ich komme zu dem Schluß, daß meine Hand ein Teil von mir und nicht ein Teil von anderem ist, weil bestimmte motorische Befehle fast unweigerlich mit der Wahrnehmung und dem Empfinden der sich ausstreckenden Hand einhergehen. Tatsächlich scheint eine Kontingenzenanalyse, die den Gleichlauf zwischen irgendeinem motorischen Befehl und einer gegebenen Rückmeldung aufdeckt, der wahrscheinlichste Weg für uns zu lernen, welcher motorische Befehl eine bestimmte Reaktion hervorruft. Zu seinem Kummer lernt jedes Kind, daß die Mutter kein Teil von ihm selbst, sondern Teil der Außenwelt ist: der Zusammenhang zwischen seinen motorischen Befehlen und der Wahrnehmung, daß die Mutter sich um das Kind herum bewegt, ist alles andere als perfekt, obwohl dieser Zusammenhang auch nicht gleich Null ist, es sei denn in einer extrem reizarmen Umgebung. Ich nehme an, daß diejenigen »Objekte« zum Selbst gehörig werden, die annähernd perfekte Korrelationen zwischen motorischem Befehl und visueller und kinästhetischer Rückmeldung haben; dagegen werden »Objekte« ohne entsprechende ideale Korrelation die Außenwelt. Danach beginnt natürlich der lebenslange Kampf, die Korrelation zwischen Veränderungen in der Außenwelt und den eigenen motorischen Befehlen zu heben – der Kampf um Kontrolle. R. Held, A. Hein und ihre Mitarbeiter am Massachusetts Institute of Technology haben eine eindrucksvolle Untersuchungsserie über die Folgen von Reafferenzentzug auf junge Organismen durchgeführt.142 Sieben Paare junger Katzen wurden in völliger Dunkelheit aufgezogen, bis sie acht bis zwölf Wochen alt waren. Danach wurde jedes Paar im wahrsten Sinne des Wortes aneinandergekettet; ein Kätzchen war aktiv, das andere wurde von ihm passiv in einer Gondel gezogen. Das aktive Kätzchen konnte mehr oder 98 weniger frei herumlaufen; motorische Reaktionen führten zu synchroner visueller Rückmeldung. Das passive Katzenjunge in der Gondel erhielt die gleiche visuelle Stimulation wie der aktive Partner. Alle Veränderungen in der wahrnehmbaren Welt des passiven Kätzchens waren unabhängig von seinen Verhaltensweisen; ob es seine Pfote bewegte (oder irgend etwas anderes), veränderte nicht die Wahrscheinlichkeit, daß sich seine visuell wahrnehmbare Welt verändern würde. Zwischen seinen motorischen Reaktionen und dem visuellen Reizeinfluß bestand keine Übereinstimmung. Die Kätzchen verbrachten täglich drei Stunden unter diesen Bedingungen; die übrige Zeit verbrachten sie im Dunkeln mit ihren Müttern und Geschwistern. Nach 30 Stunden dieses Trainings wurde jedes Paar getestet. Die aktiven Kätzchen wendeten sich den auf sie zubewegenden Objekten zu, streckten, wenn sie fallengelassen wurden, ihre Pfoten aus, um den Aufprall abzufangen, und vermieden steile Wände. Die passiven Kätzchen zeigten keine dieser Verhaltensweisen, obwohl sie, nachdem sie einige Tage frei im Hellen herumgelaufen waren, diese Verhaltensweisen schließlich auch zu entwickeln begannen. In diesem Fall war die Störung, die durch die Inkontingenz von motorischer Reaktion und visueller Rückmeldung verursacht worden war, reversibel. Dies mag darauf zurückzuführen sein, daß die Asynchronie nur relativ schwach war; denn selbst das passive Tier verfügte über Erfahrungen der Kontingenz zwischen motorischen Befehlen und taktiler oder akustischer Rückmeldung: wenn die Katze ein Bein bewegte und damit das andere berührte, konnte es die Berührung fühlen. Wenn es an den Zitzen seiner Mutter saugte, floß Milch; wenn es mit ausgefahrenen Krallen zupackte, quietschte das attakkierte Gegenüber. Bei radikalerer Inkontingenz könnte man ausgedehntere und vielleicht irreversible Störungen erwarten. L. B. Murphy (1972) zeichnet ein düsteres Bild der völligen Inkontingenz zwischen Verhaltensweisen eines Babys und den Reaktionen seiner Mutter in extrem reizverarmten amerikanischen Familien: Es ist genau dieser aktive Austausch von Signalen, ... der dem extrem deprivierten Baby mit seiner hilflosen, erschöpften Mutter genauso abgeht wie den Säuglingen in manchen Waisenhäusern. Die entmutigte, apathische Mutter sitzt einfach da, hält passiv ihr Baby im Arm, ohne Blickkontakt, viel inaktiver, ohne spielerische Antworten auf die Reaktionen des Kindes. Das deprivierte Baby macht keine der Erfahrungen, die ... es zu der realistischen Erwartung führen, daß Greifen, Erforschen der Außenwelt, neue Konfrontationen ausprobieren, angenehme Konsequenzen mit sich bringen würde. Hilflosigkeit kann eine der hauptsächlichen Folgen vom Entzug der mütterlichen Sorge und von institutionalisierter Kinderaufzucht sein, und diesen bedrückenden Umständen wollen wir uns nun zuwenden. 99 7.2 Trennung von der Mutter Menschliche Säuglinge scheinen schwere psychische Schäden zu erleiden, wenn sie in bestimmten Heimumgebungen aufwachsen. Ein Faktor ist allen diesen Umgebungen gemeinsam – der Mangel an Kontrolle über Konsequenzen. Die Beobachtungen von R. Spitz (1946) sind so charakteristisch wie bedrückend: In der zweiten Hälfte des ersten Jahres entwickelten einige dieser Kinder ein weinerliches Verhalten, das in deutlichem Gegensatz zu ihrem früher glücklichen und offenen Verhalten stand. Nach einiger Zeit wich diese weinerliche Haltung der Tendenz, sich in sich selbst zurückzuziehen. Die betreffenden Kinder lagen mit abgewandten Gesichtern in ihren Bettchen und verweigerten die Anteilnahme am Leben ihrer Umgebung. Wenn wir uns ihnen näherten, wurden wir ignoriert ... Wenn wir beharrlich blieben, begannen sie zu weinen und manchmal auch zu schreien ... Während dieser Phase verloren einige Kinder an Gewicht. Das Pflegepersonal berichtete, daß einige Kinder unter Schlafstörungen litten ... Alle Kinder zeigten verstärkte Anfälligkeit für zusätzliche Erkältungen oder Ekzeme ... Dieses Verhaltenssyndrom dauerte drei Monate lang. Dann ging das weinerliche Verhalten zurück und stärkere Provokation wurde notwendig, um es wieder auszulösen. Ein starrer Ausdruck erschien auf den Gesichtern dieser Kinder. Sie lagen oder saßen mit weit aufgerissenen, ausdruckslosen Augen, erfroren bewegungslosen Gesichtern und einem abwesenden Gesichtsausdruck wie in einem Dämmerzustand, schienen offensichtlich nicht wahrzunehmen, was um sie herum vor sich ging. Dieses Verhalten wurde in manchen Fällen von autoerotischen Aktivitäten begleitet ... Kontaktaufnahme mit Kindern, die in dieser Phase neu hinzukamen, wurde zunehmend schwieriger und schließlich unmöglich. Im besten Falle löste dies Weinen aus.143 Dieses Phänomen ist unterschiedlich bezeichnet worden als anaklitische Depression, Hospitalismus und Morasmus. Es kann unter zwei verschiedenen Umständen auftreten. Einer davon ist die Trennung zwischen dem sechsten und achten Monat von der Mutter, die eine gute Beziehung zu ihrem Kind aufgebaut hat. Es ist interessant, daß sich die geschilderten Konsequenzen nicht so leicht ausbilden, wenn die Mutter-Kind-Beziehung schwach oder negativ ist. Zum anderen tritt das genannte Bild auf, wenn Kinder in Waisenhäusern aufwachsen, in denen sie tagein, tagaus auf dem Rücken liegen, nur weiße Laken zum Anschauen haben und nur minimalen Berührungskontakt mit anderen Menschen haben. Wenn die Mutter bald zurückkehrt, geht das auffällige Verhalten bald zurück, manchmal geradezu dramatisch. Ohne Intervention ist die Prognose allerdings düster. 35 von 91 Waisenkindern, die Spitz beobachtete, starben innerhalb der ersten drei Lebensjahre; in anderen Fällen blieben stuporöse Depression und Schwachsinn zurück. Ein Kind, das der Stimulation entbehrt, ist ein Kind, das dadurch der Kontrolle über die Stimulation beraubt wird. Es kann nicht zum Entwicklungsreigen kommen, wenn kein Partner da ist. Wie kann eine Flasche, die unabhängig davon, was das Kind gerade tut, alle vier Stunden auftaucht, ein Gefühl für Kontingenz zwischen Reaktion und Konsequenz vermitteln? Sie werden sich an die Experimente von Suomi und Harlow (1972) erinnern, in denen junge Affen in einen schachtartigen, reizisolierten Käfig gesetzt wurden und dort 45 Tage verbrachten (vgl. S. 86). Wie anaklitisch depressive Kinder zeigten diese Affen schwer depressives Verhalten, selbst nachdem sie aus dem Schacht herausgenommen wurden. Sie spielten nicht; sie rollten sich in einer Ecke des Käfigs zusammen und wimmerten, wenn sich ihnen Artgenossen näherten. Ich nehme an, daß 100 nicht die Reizverarmung an sich, sondern der Mangel an Kontingenzerleben zu derartigen Auswirkungen führt. Ein Kind, das seine Mutter verliert, ist ein Kind, das nicht nur der Liebe entbehrt, sondern auch der Kontrolle über die wichtigsten Konsequenzen in seinem täglichen Leben. Der Entwicklungsreigen ist tatsächlich verarmt, wenn die Mutter nicht als primärer Partner erreichbar ist. Ohne Mutter ist oftmals niemand da, der zärtliche Liebkosungen erwidert, und zärtliche Laute bleiben ohne Echo. Schreien und Weinen stoßen auf die tauben Ohren eines Pflegepersonals, das zu beschäftigt ist, um zu reagieren und Kontrolle zu ermöglichen. Nahrung, Windelwechsel und Schmusen erfolgen gewöhnlich nicht in Reaktion auf die kindlichen Forderungen, sondern in Abhängigkeit von den Forderungen einer Uhr. Der größte Teil unseres systematischen Wissens über die Auswirkungen frühkindlichen Mutterentzuges stammen aus Untersuchungen an Affen. H. F. Harlow (1962) beschreibt das Verhalten mutterloser Rhesusaffen:144 Wir beobachteten die Affen, die wir direkt nach der Geburt von ihren Müttern getrennt hatten und unter verschiedenen Bedingungen mit und ohne Mutter aufzogen. Die ersten 47 Affenbabys wurden während ihres ersten Lebensjahres in Drahtkäfigen aufgezogen, die so eingerichtet waren, daß die kleinen Affen andere Affenkinder sehen, hören und anrufen, aber nicht berühren konnten. Nun sind sie zwischen fünf und sieben Jahre alt und geschlechtsreif. Mit jedem Monat und jedem Jahr, das verging, verhielten sich die Affen weniger und weniger normal. Wir haben sie in ihren Käfigen sitzen sehen, merkwürdig reglos, unbeweglich in den Raum starrend, relativ gleichgültig gegenüber Menschen und anderen Affen. Einige packen ihre Köpfe mit beiden Händen und schaukeln vor und zurück – das autistische Verhaltensmuster, das wir bei Affenbabys beobachtet haben, die mit Ersatzmüttern aus Drahtgeflecht aufgezogen wurden. Andere geraten, wenn man sich ihnen nähert und selbst, wenn sie allein sind, in heftige Anfälle von Raserei, packen und zerren an ihren Beinen mit solcher Wut herum, daß sie manchmal reif sind für ärztliche Behandlung. Das Verhalten von Affen, die ohne Mütter aufgezogen werden, ähnelt dem Verhalten von Affen, die mit einer »Drahtmutter« aufwachsen.145 Auch diese Affen erforschen und manipulieren ihre Umgebung nicht. Sowohl in Anwesenheit als in Abwesenheit ihrer »Mütter« ist der seltene Kontakt, den sie mit Objekten aufnehmen, heftig und sprunghaft. Sie zeigen kein aggressives Verhalten, wenn sie mit anderen Affen spielen. G. P. Sackett (1970) hat ähnliche Defizite bei Affen gefunden, die von Müttern und Altersgenossen isoliert aufwuchsen. Sie ergreifen nicht mehr die Initiative zu Körperkontakten, sie sind wenig aggressiv, und ihre motorische Aktivität sinkt drastisch. Wie hilflose Hunde zeigen diese isolierten Tiere auch verminderte Reaktionsbereitschaft auf elektrische Schläge: wenn sie beim Trinken aus einem elektrisch aufladbaren Schlauch einen Schlag versetzt bekommen, nehmen sie viel stärkere Schockintensitäten hin, bevor sie aufgeben und nicht mehr trinken als nicht-isolierte Kontrolltiere. Was fehlt hier? Die traditionelle Antwort lautet »Mutterliebe«. Meiner Meinung nach ist diese Antwort oberflächlich. In jeder Untersuchung zu Effekten von Deprivation oder Anreicherung wird leicht Deprivation oder Anreicherung von Kontrolle übersehen. Wenn ein Forscher die experimentelle Umgebung einer Ratte um Spielzeugblöcke und Irrgänge anreichert, fügt er nicht nur mehr Gegenstände hinzu, sondern auch mehr Kontrolle über die Gegenstände. Die Umgebung ist nicht angereichert, weil der Klotz da liegt, sondern weil sich das Tier mit ihm beschäftigt: es schnüffelt an ihm herum, stößt 101 ihn um, kaut an ihm herum. Ich bezweifle sehr, daß ein bloßes Hinzufügen von Objekten ohne gleichzeitige Kontrolle zu ermöglichen, irgendeinen der Anreicherungseffekte erbringen würde. Das Gegenteil trifft ebenso zu. Wenn ein Individuum irgend etwas dauernd entbehrt, entbehrt es auch der Kontrolle über dieses Objekt. In dieses Bild paßt, daß junge Affen, die lediglich unkontrollierbaren Schocks ausgesetzt werden, ähnliche Mängel zeigen, wie sie durch die Trennung von der Mutter hervorgerufen werden.146 Ich nehme an, daß die Trennung von der Mutter einen besonders entscheidenden Kontrollverlust darstellt. Die Mutter ist das primäre Gegenüber, die Quelle von Kontingenzen mit den Reaktionen des Säuglings und das Hauptobjekt seiner Kontingenzenanalyse. Sein Gefühl für Bewältigung oder Hilflosigkeit entwickelt sich aus der Information, die aus den Reaktionen der Mutter auf sein Verhalten erwächst. Wenn die Mutter fehlt, dürfte ein tiefgreifendes Gefühl von Hilflosigkeit entstehen – vor allem dann, wenn kein Mutterersatz zur Verfügung steht oder die Mutter passiv ist. Vermutlich würde selbst eine mechanische Mutter Hilflosigkeit verhindern helfen, wenn sie sich in den Entwicklungsreigen einfügte und das Kind Kontingenzen erfahren ließe. Die Mutter konfrontiert das Kind auch mit Frustration und Konflikt – aber Frustration und Konflikt, die gelöst werden können. B. L. White (1971) sieht einen wichtigen Frustrationseffekt der Mutter darin, daß sie Schwierigkeiten aufbaut, die das Kind nur durch Aktivität bwältigen kann: Mütter entwerfen vor allem zu Hause eine physikalische Welt, die besonders gut geeignet ist, um die keimende Neugier eines ein- bis dreijährigen Kindes zu nähren ... In dieser Weise bemühte Mütter lassen nicht immer gleich alles stehen und liegen, um den Wünschen des Kindes nachzukommen, sondern sie sagen es, wenn der Zeitpunkt offensichtlich unpassend ist, und geben dem Kind auf diese Weise wahrscheinlich einen kleinen Vorgeschmack davon, was realistisch ist. Obwohl solche Reaktionen im eigenen Interesse der Mutter erfolgen, so sind sie doch meist Reaktionen auf die Initiative des Kindes. Wenn der Entwicklungsreigen fortschreitet, wird er differenzierter und anspruchsvoller. Nicht mehr jede Reaktion des Kindes führt zu einer Konsequenz bei der Mutter. Probleme entstehen und Frustration. Wenn das Kind durch seine eigenen Verhaltensweisen Angst und Frustration bewältigt, wächst sein Gefühl für wirkungsvolles Handeln. Wenn entweder die Frustration unbewältigt bleibt oder die Eltern das Problem für das Kind lösen, besteht die Gefahr, daß Hilflosigkeit aufgebaut wird. Nicht nur Hilflosigkeit gegenüber der Mutter, sondern auch Hilflosigkeit gegenüber der Brutalität von Gleichaltrigen kann verheerende Folgen haben. J. B. Sidowski (1971) isolierte Rhesusaffen sowohl von ihrer Altersgruppe als auch von ihren Müttern, bis sie sechs Monate alt waren. Von diesem Alter an wurden sie eine Stunde täglich in Anwesenheit anderer junger Affen, die in ihrer Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt waren, festgebunden. Die bewegungsunfähigen Affen waren den unkontrollierbaren Übergriffen ihrer Kameraden ausgesetzt: diese drückten ihnen auf den Augen herum, öffneten ihnen gewaltsam den Mund oder zupften an Haaren und Haut. Die Reaktionen der auf diese Weise hilflos gemachten Affen waren verblüffend: Nach zwei oder drei Monaten, in denen die Affen verzweifelt und gequält geschrien und aktiv gegen die Fesseln angekämpft hatten, nahm die emotionale Reaktionsbereitschaft der restringierten Affen langsam ab, und sie schienen alles hoffnungslos über sich ergehen zu lassen. Sie kreischten noch und zogen Grimassen, wurden aber ignoriert, und sie nutzten keine der zahlreichen Gelegenheiten, den 102 Unterdrücker zu beißen, wenn dieser ihnen Finger oder Geschlechtsorgane in oder gegen den Mund drückte. Diese Auswirkungen hielten auch an, als die Affen nicht mehr festgebunden waren. Mit anderen Affen zusammengebracht, wurden sie von Panik ergriffen. Einer der Affen kreischte, sprang hoch und wand sich so heftig in Krämpfen, daß die sonst abgehärteten Versuchsleiter erwogen, den Versuch abzubrechen. Der andere zuvor festgebundene Affe kippte einfach um und fiel wie ein Klotz zu Boden, als er zum ersten Mal von einem anderen Tier berührt wurde. Er rührte sich erst, als sich der andere Affe in einen anderen Teil des Käfigs verzog. Die Entwicklung der Affen war dauerhaft verkümmert, da sie auch in der Folge praktisch keine soziale Interaktion mit Gleichaltrigen aufbauten. Mehrere andere neuere Tierexperimente erweitern unser Wissen über die Auswirkungen früher Hilflosigkeit auf die spätere Entwicklung. J. M. Joffe und seine Mitarbeiter (1973) zogen zwei Gruppen von Ratten in Umgebungen auf, in denen sie Kontingenz oder Inkontingenz erfuhren. In der »kontingenten« Umgebung brachte die Betätigung eines bestimmten Hebels Futter, drückte das Tier auf einen anderen Hebel, bekam es Wasser, und das Drücken eines dritten Hebels schaltete im Käfig das Licht an oder aus. Inkontingenz bedeutete, daß die Tiere im gleichen Ausmaß Nahrung, Wasser und Licht bekamen, jedoch unabhängig von ihrem Verhalten. Im Alter von ungefähr 60 Tagen wurde jedes Tier in freier Umgebung (open-field-test) getestet, einem Standardtest zur Messung von Angstreaktionen. Die unter Kontingenz-Bedingungen aufgezogenen Tiere zeigten mehr Explorationsverhalten und defäkierten weniger, was auf weniger Angst hinwies. Mit Bewältigungsmöglichkeiten aufzuwachsen, dürfte weniger Angst hervorrufen als die frühe Erfahrung von Hilflosigkeit. R. D. Hannum, R. A. Rosellini und ich (1974) weiteten diese Ergebnisse unlängst auf die Initiative zu aktivem Handeln aus. Drei Gruppen von Ratten erhielten kurz nach ihrer Entwöhnung vermeidbare, unvermeidbare oder keine elektrischen Schläge. Im Erwachsenenalter wurde ihr Verhalten in einer neuen Fluchtaufgabe untersucht. Ratten, die nach der Entwöhnung unvermeidbare Schocks erhalten hatten, reagierten hilflos; es gelang ihnen nicht, den Schocks zu entfliehen. Ratten, die vermeidbare Schocks oder keine Schocks erhalten hatten, lernten rasch zu entfliehen. Darüber hinaus wurde eine Ratte, wenn sie bei der Entwöhnung in größerem Ausmaß Erfahrung mit vermeidbaren elektrischen Schlägen hatte sammeln können, nicht hilflos, wenn sie als erwachsenes Tier unvermeidbare Schocks verabreicht bekam. Frühe Erfahrung von Kontrolle kann gegen Hilflosigkeit im Erwachsenenalter immunisieren. Kürzlich fragten Peter Rapaport und ich uns, ob eine hilflose Mutter – wie auch immer – ihrem Nachwuchs irgend etwas über Hilflosigkeit vermitteln könnte.147 Es war bereits nachgewiesen worden, daß der Nachwuchs einer Ratte ängstlicher war, wenn dieser Rattenmutter Angstreaktionen auf elektrische Schläge signalisierende Warnreize konditioniert wurden und der Warnreiz während der Schwangerschaft wiederholt dargeboten wurde.148 Unsere Frage richtete sich jedoch auf die subtileren Auswirkungen der Kontrolle über Schocks, wenn diese nur vor der Schwangerschaft verabreicht worden waren. Wir setzten daher drei Gruppen weiblicher Ratten 16 Tage, bevor sie trächtig wurden, einer einzigen Sitzung mit vermeidbaren, unvermeidbaren oder keinen elektrischen Schlägen aus. Danach wurden keine weiteren experimentellen Manipulationen mehr vorgenommen. Jene Ratten, die unvermeidbare elektrische Schläge erfahren hatten, hatten einen verlängerten Ovulationszyklus, was erwartungsgemäß auf größeren Streß bei Unvermeidbarkeit hinwies. Alle Ratten wurden trächtig, warfen Junge und nährten sie, bis diese mit 21 Tagen entwöhnt wurden. Zwei der fünf Rattenweibchen, die unvermeidbare elektrische Schläge erhalten hatten, starben während der Schwangerschaft, ei103 ne betrübliche, wenn auch nicht überraschende Tatsache, wie wir in Kapitel 8 sehen werden. Als die Jungen ausgewachsen waren, wurden alle in freier Umgebung getestet. Der Nachwuchs derjenigen Mütter, die unvermeidbare Schocks versetzt bekommen hatten, erforschte die freie Umgebung nicht, während die Jungen, deren Mütter vermeidbare oder keine Schocks erfahren hatten, ihre Umgebung lebhaft erkundeten. Als sie später Schocks durch Hebeldrücken zu entfliehen lernen sollten, schnitt der Nachwuchs – vor allem der männliche Nachwuchs – von Müttern, die unvermeidbare Bedingungen erfahren hatten, tendenziell schlechter ab. Mütter, die unvermeidbares Trauma erleben, selbst wenn dies vor ihrer Schwangerschaft liegt, können ihre Angst irgendwie auf die nächste Generation übertragen. Wir wissen nicht, wie dies vor sich geht, aber es gibt zwei mögliche Wirkungsfaktoren: (a) Intrauterine Faktoren: unvermeidbarer Schock kann zu Krankheit oder irgendwelchen minimalen und unbekannten, aber dauerhaften abnormen Veränderungen der Geschlechtshormone führen, die später den Fötus überschwemmen. Darauf weist auch die Verlängerung des weiblichen Zyklus hin; je stärker der mütterliche Zyklus ausgedehnt wurde, umso stärkere Schreckreaktionen zeigten die Jungen, wenn sie untersucht wurden. (b) Erziehungsfaktoren: Mütter, die unvermeidbare Schocks erfahren haben, mögen unfähig oder überängstlich sein und ziehen insofern ihren Nachwuchs schlecht auf. Diese Untersuchung wurde bisher nicht repliziert, so daß eine Verallgemeinerung der Ergebnisse verfrüht und etwas gewagt ist. In einer anderen Demonstration der störenden Auswirkungen von Unkontrollierbarkeit auf sich entwickelnde Organismen setzte P. L. Bainbridge (1973) zwei Gruppen von Ratten im Alter von ungefähr 50 Tagen der Erfahrung von Diskriminationsproblemen aus. Die eine Gruppe erhielt eine unlösbare Aufgabe – die Belohnung, Futter, war unabhängig von Reaktionen und Stimuli. Die Diskriminationsaufgabe der zweiten Gruppe war lösbar – eine Reaktion auf einen angemessenen Reiz führte immer zu Futter, d.h. zu Verstärkung. Eine dritte Gruppe erhielt keine Diskriminationsaufgaben. Später schnitten die hilflosen Tiere bei dem Versuch, neue Diskriminationsaufgaben zu lösen und den Weg durch Labyrinthe zu finden, schlechter ab. Diese Art von Entwicklungsstudien bei Tieren befinden sich in den Kinderschuhen. Obwohl eine Fülle von Literatur über die Auswirkungen von Schock, Manipulation, Nahrungsentzug und Trennung von der Mutter auf Tiere vorliegt, so hat man doch weitgehend die Dimension der Kontrollierbarkeit übersehen. Wenn meine Argumentationskette stimmt, ist der Verlust der Kontrolle über Konsequenzen die entscheidende Manipulation. Jene wenigen Studien, in denen Kontrolle direkt variiert wurde, beschränken sich nur auf eine begrenzte Kategorie von Konsequenzen. Wenn wir die Auswirkungen chronischer Hilflosigkeit auf die motivationale Entwicklung aufdecken wollen, müssen wir vollständig unkontrollierbare mit vollständig kontrollierbaren Umgebungen vergleichen.149 Damit habe ich meine Sichtweise der Entwicklung der Motivation im Kindesalter dargelegt. Die Einstellung eines Kindes oder eines Erwachsenen gegenüber seiner eigenen Hilflosigkeit oder Kompetenz hat seine Wurzeln in der frühkindlichen Entwicklung. Wenn ein Kind über einen reichen Vorrat an Erfahrungen effektiver Kontingenzen von seinen Handlungen und deren Konsequenzen verfügt, entwickelt sich ein Sinn für Bewältigung. Reaktives mütterliches Verhalten ist von grundlegender Bedeutung für den Aufbau von Kompetenz. Auf der anderen Seite werden die Wurzeln für Hilflosigkeit gelegt, wenn das Kind die Unabhängigkeit von seinen willentlichen Reaktionen und Konsequenzen erfahren muß. Die Trennung von der Mutter, Reizverarmung und 104 nichtreaktives mütterliches Verhalten tragen zum Lernen von Unkontrollierbarkeit bei. Hilflosigkeit hat auf den kindlichen Organismus die gleichen Auswirkungen wie auf den erwachsenen Organismus: herabgesetzte Motivation zu willentlichem Handeln, die Schwierigkeit, die Effektivität der eigenen Reaktionen zu erkennen, Ängste und Depression. Da Hilflosigkeit bei einem Kind jedoch eine grundlegende motivationale Einstellung ist, um die sich späteres motivationales Lernen ansiedeln wird, dürfte sie sich noch viel verheerender auswirken. Gibt es nun irgendeine praktische Empfehlung für die Kindererziehung, die sich aus diesen Ergebnissen ableiten ließe? Ich denke ja. Als meine Tochter Amy acht Monate alt war, gingen meine Frau und ich mit einer Gruppe Studenten auf ein Bier und eine Pizza in ein kleines Restaurant. Amy saß in ihrem Kinderstühlchen und gluckste vor sich hin, während wir Erwachsenen über Hilflosigkeit diskutierten. Mitten in der Unterhaltung schlug Amy, offensichtlich gelangweilt, mit beiden Händen auf die metallene Oberfläche des Kinderstühlchens. Da wir über die Bedeutung von Kontrolle für die kindliche Entwicklung gesprochen hatten, veranschaulichte ich diesen Punkt, indem ich in Reaktion auf Amy mit beiden Händen auf die Tischplatte vor mir schlug. Ein strahlendes Lächeln erhellte Amys Gesicht, und sie schlug wieder auf ihren Tisch. Daraufhin schlugen wir alle auf den Tisch. Amy schlug zurück, herzerfrischend lachend. Wir schlugen entsprechend auch alle zurück. Dies ging eine halbe Stunde lang so weiter; der Anblick von acht Erwachsenen und einem Kind, die alle auf den Tisch schlugen, muß Wirt und Kellnerin sehr verwundert haben. Wenn das, was gewöhnlich mit Selbstbewußtsein bezeichnet wird, aus einem kindlichen Sinn für Bewältigung seiner Umgebung erwächst, dann sollten Eltern sich bemühen, mit ihren Kindern »Kontingenzspiele« dieser Art zu spielen. Warten Sie lieber darauf, daß das Kind irgendeine willentliche Reaktion ausführt und reagieren sie dann darauf, als daß sie etwas, was ihr Kind mag, dann anfangen, wenn Sie gerade Lust dazu haben. Wenn das Kind seine Verhaltensweisen wiederholt und verstärkt, wiederholen und verstärken Sie Ihre. Wenn die hier vertretene Ansicht falsch ist und frühkindliche Erfahrung von Kontingenz unwichtig ist, ist wenig verloren – ein paar Stunden eines bestimmten Spieles mit einem entzückten Kind. Wenn ich jedoch recht habe, werden Eltern, die sich bemühen, sich in den Entwicklungsreigen einzufügen, auf diese Weise das Gefühl für Bewältigung bei ihrem Kind stärken. 7.3 Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit in Kindheit und Jugend Als meine Frau und ich anfingen, unsere Tochter während ihres ersten Lebensjahres unter der Obhut eines Babysitters allein zu lassen, bemerkten wir, daß Amy, die sonst immer friedlich gewesen war, zunehmend reizbarer wurde. Wir hatten uns folgende Strategie angewöhnt: wenn ein Babysitter zum ersten Mal kam, brachte ich ihn mit Amy zusammen; dann, wenn beide intensiv ins Spiel verstrickt waren, schlichen meine Frau und ich uns aus dem Haus. Unser Verschwinden würde, wie wir hofften, ein traumatisches Erleben der Trennung vermeiden, bei dem Amy jammerte und protestierte, wie wir es schon erlebt hatten. Dies schien sicherlich der Weg des geringsten Widerstandes und ist ein Weg, den viele Eltern beschreiten. Nachdem wir mehrere Male so verfahren hatten, bemerkten wir bei Amy zunehmende Ängstlichkeit. Kerry erhob daraufhin Einwände gegen unsere Strategie: »Die Sicherheitssignal-Hypothese macht definitive Vorhersagen in bezug auf das Wegschleichen.« »Wie das?« fragte ich. »Wenn wir Amy ohne eindeutiges Warnsignal zurücklassen, ist das wie unvorhersagbarer Schock«, antwortete Kerry. »Amy fängt an, eine ganze Menge Zeit in Angst über eine mögliche Trennung zu verbringen, nachdem sie gelernt hat, daß es kein Signal für unser Weggehen gibt, daher also auch kein Signal für unsere An105 wesenheit. Wenn wir auf der anderen Seite ein ausführliches und explizites Abschiedsritual durchmachen, wird Amy lernen, daß sie sich ohne das Ritual nicht zu ängstigen braucht«. Dies leuchtete mir ein, so daß wir Amy beim nächsten Mal lang und breit erzählten, daß wir für einige Stunden ausgehen würden, nahmen sie und den Babysitter mit zum Auto, winkten, tauschten Küsse und Zärtlichkeiten aus und ließen sie das Auto wegfahren sehen. Amy verstand genug, um zu weinen und zu protestieren, aber wir fuhren trotzdem und haben dieses Ritual seither immer eingehalten. Übrigens ist Amy jetzt, im Alter von fünf Jahren, ein ruhiges Kind, das sich überhaupt keine Sorgen darüber macht, daß ihre Eltern sie verlassen könnten. Der Leser mag sich fragen, wie wir dieses Ergebnis experimentell absichern wollen. Faktisch könnten wir, da wir inzwischen ein zweites Kind im entsprechenden Alter haben, zur Kontrolle das »Wegschleich«-Verfahren durchführen. Aber da unsere Methode so gut zu funktionieren schien, werden wir darauf wohl verzichten. Kleine Kinder machen alle möglichen traumatischen Erfahrungen – zum Zahnarzt gehen, Abreise der Eltern, subkutane Injektionen. Ich würde erwarten, daß das Kind in dem Maße Ängste entwickelt, in dem diese Erfahrungen unangekündigt erfolgen, weil das Kind durch nichts erfährt, wann es sicher ist. In dem Maße, in dem das Ereignis angekündigt wird und auch tatsächlich eintritt (»Das wird jetzt weh tun«), wird das Kind lernen, daß es sicher ist, wenn die Mutter sagt »das tut nicht weh« oder gar nichts sagt. Ich werde darauf noch zurückkommen, wenn ich zur Frage der Selbsteinschätzung Stellung nehme. 7.3.1 Das Klassenzimmer Kontrollierbarkeit und Hilflosigkeit spielen in den Begegnungen des Kindes mit unserem Erziehungssystem eine Hauptrolle. Die Schule stellt fast für jedes Kind eine mühsame Erfahrung dar, und gleichzeitig mit Lesen, Schreiben und Rechnen lernt das Schulkind, wie ich glaube, genau, wie hilflos oder wie effektiv es ist. J. Kozol hat in einem der bewegendsten Bücher über die Erziehung in den sechziger Jahren DEATH AT AN EARLY AGE Hilflosigkeit im Klassenzimmer beschrieben: Der Junge war als Sonderschüler etikettiert worden, aufgrund seines gemessenen IQ, und er war infolgedessen nach der Erwartung der meisten Lehrer nicht innerhalb eines normal großen Klassenverbandes zu unterrichten. Auf der anderen Seite gab es angesichts der Überfüllung der Schule und des Mangels an Sonderschullehrern keinen Platz für ihn in einer unserer Sonderschulklassen. Außerdem – aufgrund der fehlenden Bereitschaft unseres Schulsystems, Negerkinder in andere Schuldistrikte zu fahren – konnte er nicht in eine Klasse einer anderen Schule gehen, in der Platz gewesen wäre. Die Konsequenz all dessen – entsprechend den Gegebenheiten des Systems – war, daß er ein volles Jahr meist ungesehen und praktisch vergessen in seiner Klasse bleiben mußte, mit nichts anderem beschäftigt als dahin zu vegetieren, Unruhe zu stiften, zu tagträumen oder einfach still zu verfallen. Er fühlte sich nicht wohl. Seine Verhaltensstörung war offensichtlich, und es war unmöglich, sie zu übersehen. Er lachte über unvorstellbare Kleinigkeiten bis zu Tränen. Wenn man nicht genau hinsah, schien es oft, als lachte er über rein gar nichts. Manchmal lächelte er verklärt, mit einem Ausdruck reiner Ekstase. Gewöhnlich galt dies irgendeiner Nichtigkeit: einem kleinen Punkt auf seinem Finger oder einer imaginären Wanze auf dem Fußboden. Der Junge hatte einen großen Kopf und sehr glasige, 106 rollende Augen. Eines Tages brachte ich ihm ein Buch mit über die Geschichte eines kleinen französischen Jungen, dem auf dem Schulweg ein roter Luftballon folgte. Er saß da und schaukelte mit dem Kopf vor und zurück und lächelte darüber. Häufiger schien er zu schmollen oder wimmerte und weinte. Er weinte beim Schreiben, weil ihm Schreiben einfach nicht beizubringen war. Er weinte beim Lesen, weil er einfach nicht lesen lernen konnte. Er weinte, weil er keine Wörter mit mehreren Silben aussprechen konnte. Er kannte das Einmaleins nicht. Er konnte nicht subtrahieren und nicht dividieren. Er war, wie ich weiterhin glaubte, durch einen Verwaltungsfehler solchen Ausmaßes in dieser vierten Klasse, daß es manchmal wie ein schlechter Scherz schien. Er war selbst ein Witz, das war so offensichtlich, daß es schwer war, ihn nicht komisch zu finden. Die Kinder in seiner Klasse fanden ihn lustig. Sie lachten den ganzen Tag über ihn. Manchmal lachte er mit ihnen, da es durchaus möglich ist, selbst über unser eigenes Elend als eine Art verzweifelten Witz zu lachen, wenn wir keine andere Wahl haben. Oder aber er fing an zu schreien. Sein Lehrer wandte sich einmal an mich und sagte sehr offen und ehrlich: »Es ist ganz einfach unmöglich, ihn zu unterrichten.« Und die Wahrheit ist in diesem Falle natürlich, daß der Lehrer ihn nicht unterrichtete; er war ja nie richtig unterrichtet worden.150 Kozol gelang es, ihn zu unterrichten, indem er ihn unter seine Fittiche nahm und ihm Sonderschulunterricht erteilte. Was oft als Retardation oder Intelligenzdefizit weitergeführt wird, kann das Ergebnis gelernter Hilflosigkeit sein. Das Kind hat gelernt, daß es mit keiner einzigen Verhaltensweise Erfolg haben wird, wenn englische Vokabeln an der Tafel erscheinen. Wenn es weiter zurückfällt, vertieft sich die Hilflosigkeit. Seine Intelligenz, egal wie hoch sie ist, kann sich nicht auswirken, wenn das Kind glaubt, daß seine eigenen Handlungen ohne Wirkung bleiben. Mit zwei Hilfosigkeitsexperimenten an Schulkindern wurde das Problem im Laboratorium angegangen. Das erste Experiment machte deutlich, daß bei Schulkindern eine von Hilflosigkeit geprägte Lerneinstellung induziert werden kann. Der Begriff der Lerneinstellung wird in der vergleichenden Psychologie häufig verwendet, um den Erwerb von Lernstrategien zu erfassen.151 In einem typischen Experiment stehen ein junger Affe oder ein Kind den Bedingungen einer Diskriminationsaufgabe mit zwei Alternativen gegenüber. Auf der einen Seite liegt irgendein alter Plunder – z.B. ein Löffel –, auf der anderen Seite irgendein anderer wertloser Gegenstand – z.B. ein Taschentuch. Das Kind nimmt dann einen Gegenstand auf – z.B. den Löffel. Ist diese Wahl richtig, bekommt es ein Micky Maus-Heft. War die Entscheidung falsch, bekommt es nichts. Durch Versuch und Irrtum lernt das Kind im Verlauf von zehn oder zwanzig Durchgängen, immer nach dem Löffel zu greifen. Danach folgt die zweite Aufgabengruppe: die Wahl einer Büchse wird belohnt, die eines Glases nicht. Schließlich lernt das Kind, immer nach der Büchse zu greifen. Nach vielen derartigen Aufgabengruppen wird das Kind etwas generelleres als »Büchsen und Löffel sind richtig« lernen. Es wird eine kognitive Strategie lernen: wenn der Gegenstand, der beim ersten Mal ergriffen wurde, verstärkt wird, bleib dabei; wenn er falsch ist, wechsle sofort zum anderen über und bleib dabei.152 Wenn das Kind einmal diese Strategie gelernt hat, wird es nach dem ersten Durchgang jeder neuen Aufgabe immer richtig reagieren und ist nicht mehr auf Versuch-und-Irrtum-Lernen angewiesen. R. A. O’Brien (1967) fügte diesem Versuchsplan zur Untersuchung der Lerneinstellung eine Hilflosigkeitskontingenz hinzu. Eine Gruppe von Kindergartenkindern erhielt eine Serie lösbarer Objektwahlaufgaben. Eine andere, hilflose Gruppe bekam eine lange 107 Reihe von Aufgabengruppen vorgelegt, bei denen die Verstärkung unabhängig von der Reaktion des Kindes erfolgte; infolgedessen konnte als einzige kognitive Strategie gelernt werden, daß »Reagieren ohne Wirkung ist«. Eine dritte Gruppe erhielt keine Aufgaben. Anschließend wurden alle Gruppen mit einer Reihe lösbarer Aufgaben konfrontiert, um die Lerneinstellung zu testen. Die hilflose Gruppe lernte mit Abstand am langsamsten, dann folgte die Gruppe ohne Vorerfahrung, während die Gruppe, die bereits die Erfahrung lösbarer Aufgaben gemacht hatte, die neuen Aufgaben am schnellsten bewältigte. Dies weist darauf hin, daß der Erwerb kognitiver Strategien in der Art, wie sie für akademischen Erfolg notwendig sind, ernsthaft verzögert werden kann, wenn man lernt, daß eigene Reaktionen keine Lösung herbeiführen. Wenn ein Kind in der Schule versagt, mag es die Erkenntnis ausbilden, daß seine Antworten generell unwirksam sind. Glücklicherweise sieht man gewöhnlich eher Kinder, die zwar in der Schule versagen, aber nicht in anderen Lebensbereichen. Kinder können zwischen Hilflosigkeitsbedingungen diskriminieren: das Kind fühlt sich im Klassenzimmer, bei einem bestimmten Lehrer oder in bezug auf ein bestimmtes Fach hilflos. Viele meiner in anderer Hinsicht ausgezeichneten Studenten werden beim Anblick einer mathematischen Gleichung wie gelähmt. Außerhalb des Klassenzimmers, unter anderen Lehrern oder in einem anderen Fach als Mathematik kann sich der Schüler wieder kompetent fühlen. C. S. Dweck und N. D. Repucci (1973) haben solche diskriminative Hilflosigkeit im Klassenzimmer nachgewiesen. 40 Fünftklässler bekamen von zwei verschiedenen Lehrern lösbare und unlösbare Wahrnehmungsaufgaben gestellt. Zuerst gab der eine Lehrer nur lösbare Aufgaben und der andere nur unlösbare. Anschließend erhielten die Kinder lösbare Probleme von dem Lehrer gestellt, der zuvor unlösbare Aufgaben gestellt hatte. Es gelang ihnen nicht, diese Aufgaben zu bewältigen – selbst wenn sie mit jenen identisch waren, die sie kurz zuvor bei dem anderen Lehrer gelöst hatten. Ein Kind kann also zwischen Bedingungen diskriminieren lernen und lernt zu glauben, daß es unter bestimmten Bedingungen hilflos ist, aber nicht unter anderen. Wird es unter der falschen Bedingungskonstellation mit einem lösbaren Problem konfrontiert, wird es weit unter seiner Leistung abschneiden. Diese diskriminative Hilflosigkeit kann mit gewissen (wenn auch nicht allen) Formen von Leseschwäche in Beziehung stehen. P. Rozin übernahm mit einigen Studenten eine Klasse von Kindern aus städtischem Milieu mit schweren Leseschwächen.153 Als er ihnen Englischlesen beizubringen versuchte, versagten die Kinder durchweg in gleicher Weise wie bei ihren regulären Englischlehrern. Eines Tages brachte Dr. Rozin einen Satz chinesischer Schriftzeichen mit in die Klasse und sagte den Kindern, daß jedes Schriftzeichen für ein gesprochenes englisches Wort stehe. Innerhalb von Stunden konnten die Kinder ganze Abschnitte auf »chinesisch« lesen. Die Fähigkeit zum Lesen war offensichtlich vorhanden, aber durch irgendetwas blockiert. Rozin vermutete, daß die Assoziation eines ganzen Wortes mit einem Schriftzeichen für die Kinder kognitiv leichter aufzunehmen war als die übliche Assoziation eines Lautes mit einem Buchstaben oder einer Buchstabengruppe. Wenn das jedoch bereits das ganze Geheimnis war, warum hatten dann die Kinder solche Schwierigkeiten, ganze geschriebene englische Worte mit gesprochenen Worten zu assoziieren? Ich fürchte, daß hier diskriminative Hilflosigkeit eine wichtige Rolle spielte. Die Kinder hatten durch wiederholte Mißerfolge gelernt, daß sie nicht englisch lesen konnten. Das geschriebene englische Wort kontrollierte wie die mathematische Gleichung bei meinen eloquenten Studenten diskriminativ ihre Hilflosigkeit. Als geschriebenes »Chinesisch« das geschriebene englische Wort ersetzte, wußten die Kinder nicht, daß sie gerade Leseunterricht hatten. Ihre natürlichen Fähigkeiten konnten sich daher unbeeinträchtigt von gelernter Hilflosigkeit entfalten. 108 C. S. Dweck (1973) gelang es, gelernte Hilflosigkeit abzubauen, die zehn- bis dreizehnjährige Schüler beim Rechnen zeigten. Sie wählte von den 750 Schülern zweier Volksschulen in New Haven zwölf Schulversager aus, die ihr am hilflosesten erschienen. Diese Kinder waren bekannt dafür, wie rasch sie aufgaben und in den Raum starrten, wenn sie bei Rechenaufgaben versagten. Dweck verteilte die Kinder auf zwei Behandlungsgruppen, eine Gruppe, die nur Erfolge erlebte (NE: Nur-Erfolg) und eine Gruppe, die ihre Attribution verändern sollte (AT: Attributionstraining). Dann unterwarf sie beide Gruppen 25 Tage lang einem speziellen Training. Die NE-Gruppe erhielt immer nur Rechenaufgaben, die sie erfolgreich bewältigen konnte – Mißerfolge wurden vermieden oder durch die Aufgabenwahl verschleiert. Die Kinder der AT-Gruppe erhielten die gleichen einfachen Aufgaben, aber zweimal pro Tag auch Aufgaben, die über ihren Fähigkeiten lagen. Wenn sie versagten, wurde ihnen gesagt: »Die Zeit ist um. Du bist nicht rechtzeitig fertig geworden. Du solltest drei Aufgaben schaffen, aber du hast nur zwei gelöst. Das heißt, daß du dich mehr hättest anstrengen müssen.« Die Kinder wurden mit anderen Worten geschult, Mißerfolge ihren eigenen ungenügenden Anstrengungen zuzuschreiben. Nach diesem Attributionstraining wurden beide Gruppen auf ihre Reaktion auf Mißerfolg bei neuen Rechenaufgaben untersucht. Die NE-Gruppe gab weiterhin völlig auf, wenn sie einen Mißerfolg erlebte. Die Schüler der AT-Gruppe zeigten in deutlichem Gegensatz dazu keine Beeinträchtigung nach einem Mißerfolg, sondern verbesserten sogar ihre Leistungen und zeigten weniger Prüfungsangst. Dies ist ein wichtiges Experiment. Es weist darauf hin, daß durch Schulversagen verursachte Hilflosigkeit selbst in scheinbar aussichtslosen Fällen rückgängig gemacht werden kann. Die entscheidende Manipulation bestand darin, den Schulkindern beizubringen, Mißerfolg dadurch zu bewältigen, daß sie ihn der eigenen unzureichenden Anstrengung zuschrieben. Eine derartige Attribution ersetzt die Überzeugung des hilflosen Kindes, daß es versagt, weil es einfach nichts tun kann. Auf der anderen Seite bleibt das Kind bei der Erfahrung wiederholten Erfolges, durch den Mißerfolg vermieden oder verschleiert wird, in seiner Hilflosigkeit oder wird noch darin verstärkt. Um Hilflosigkeit im Klassenzimmer rückgängig zu machen, ist es notwendig, einige Mißerfolge zu erfahren und dann eine Methode zu entwickeln, diese zu bewältigen. Der Mangel an Erfahrung, mit Mißerfolgen fertig zu werden, führt nicht nur in Volksschulklassen zu Hilflosigkeit, sondern auch auf höherer Ebene des Bildungssystems. Wenn ein junger Erwachsener keine Erfahrung mit der Bewältigung von Angst und Frustration sammeln konnte, wenn er niemals versagte und damit fertig wurde, wird er nicht fähig sein, Mißerfolg, Langeweile und Frustration in entscheidenden Situationen zu bewältigen. Zu viel Erfolg, zu viel Verwöhnung machen ein Kind hilflos, wenn es schließlich mit seinem ersten Mißerfolg konfrontiert wird. Erinnern Sie sich an das »Sonntagskind«, das auf der Universität zurückfiel, als es feststellen mußte, daß ihm Erfolge nicht so selbstverständlich in den Schoß fielen wie auf der Oberschule. Jedes Jahr entschließen sich einige gute Studenten im zweiten Semester, in meinem Laboratorium ein Projekt durchzuführen. Jedes Jahr warne ich jeden einzelnen, daß Experimentieren nicht so faszinierend ist wie sie vielleicht glauben: Experimentieren heißt sieben Tage in der Woche, über endlose Monate hinweg zu kommen, endlose, langweilige Datenlisten durchzuschauen; es heißt zu erleben, daß die Anlage mitten im Versuchsdurchgang ausfällt. Jedes Jahr gibt die Hälfte der Studenten mitten in ihrem Experiment auf. Es mangelt ihnen nicht an Intelligenz, Vorstellungskraft oder Denkvermögen. Was ihnen fehlt, und zwar grundsätzlich fehlt, ist ein Sinn für das Ziel. Sie verfügen über eine »Sesamstraßen«-ähnliche Perspektive von Erziehung, die sie unangemessen auf Hochschulebene übertragen: »wenn etwas nicht prickelnd, aufregend, farbig ist, mache ich es nicht.« Das Gefühl für ein Ziel, das für wissenschaftliche Forschung ebenso notwendig ist wie für einen kreativen Akt, besteht in einer Fähigkeit, Mißerfolge, Frustration und vor allem Monotonie zu tolerieren. Wenn eine Forschung leicht, schil109 lernd und prickelnd wäre, hätte sie längst ein anderer gemacht. Die einzige wirkliche innere Befriedigung tritt erst am Ende des Experimentes ein. Ich bin überzeugt, daß viele meiner »Versager« aufgrund zu vieler Erfolge unzureichende Bewältigungsmechanismen entwickelt haben. Ihre Eltern und ihre Lehrer machten ihnen die Dinge aus einem falschverstandenen Gefühl von Liebe heraus viel zu leicht. Wenn eine Literaturliste zu lang war und der Student dagegen protestierte, kürzte sie der Lehrer – anstatt den Studenten zusätzliche Arbeitsstunden aufwenden zu lassen. Wenn der Teenager wegen mutwilliger Zerstörung aufgegriffen wurde, bürgten die Eltern für ihn – anstatt ihr Kind selbst herausfinden zulassen, daß seine Handlungen ernste Konsequenzen haben. Solange ein junger Mensch nicht mit Angst, Monotonie, Schmerz und Schwierigkeiten konfrontiert wird und diese durch sein Verhalten bewältigt, wird er nur ein sehr dürftiges Gefühl für seine eigene Kompetenz entwickeln. Selbst auf hedonistischer Ebene tut man Kindern keinen Gefallen damit, sie um Schwierigkeiten herumzuführen. Aus Hilflosigkeit resultiert Depression. Auch für das Selbstbewußtsein hat es verheerende Folgen, den Weg zu sehr zu ebnen. Ich bin kein schrulliger alter Erzieher, aber ich möchte für einige Richtlinien plädieren. Zu einer Zeit, da Studenten gegen Noten, lange Literaturlisten und Konkurrenzkampf protestieren, möchte ich die Hypothese aufstellen, daß nur dann Selbstbewußtsein entsteht, wenn ein Individuum seinen Fähigkeiten einen hohen Maßstab setzt und diesen erreicht. Wenn solche Maßstäbe verschwinden, werden die Studenten verlieren, was sie selbst am meisten wünschen – einen Sinn für ihren eigenen Wert. S. Cooper-Smith (1967) folgerte aus einer ausgedehnten statistischen Untersuchung über Selbsteinschätzung und deren Antezedenzien, daß Kinder mit hohem Selbstwertgefühl aus einem Milieu mit klaren und eindeutig explizierten Normen kamen, während Kinder mit niedrigem Selbstwertgefühl nicht über solche Normen verfügten, an denen sie sich selbst messen konnten.154 Ein Gefühl für Wert, Bewältigung oder Selbstwert wird nicht geschenkt. Es kann nur verdient werden. Wird es geschenkt, verliert es seinen Wert und hört auf, zur Würde des Individuums beizutragen. Wenn wir die Hindernisse, Schwierigkeiten, Ängste und Konkurrenzkämpfe dem Leben unserer jungen Menschen fernhalten, werden wir keine Generationen junger Menschen mehr sehen können, die ein Gefühl für Würde, Macht und Wert haben. 7.3.2 Armut Abschließend möchte ich noch Überlegungen über die Beziehung zwischen Hilflosigkeit und Armut anstellen. Es wäre zu einfach, Armut mit Hilflosigkeit gleichzusetzen. Ein jährliches Einkommen von 6000 Dollar anstatt 12.000 Dollar ruft noch nicht automatisch Hilflosigkeit hervor. Das Leben armer Menschen ist voller Momente von Mut, Überzeugung in die Wirksamkeit ihrer Handlungen und persönlicher Würde. Aber ein niedriges Einkommen schränkt die Entscheidungsfreiheit ein und setzt einen armen Menschen häufig der Unabhängigkeit von Konsequenz und eigenem Bemühen aus. Extreme, erdrückende Armut ruft Hilflosigkeit hervor, und es ist selten der Fall, daß jemand trotz dieser Armut ein Gefühl für Kompetenz bewahren kann. Ein Kind, das in solcher Armut aufwächst, wird in beträchtlichem Ausmaß Unkontrollierbarkeit ausgesetzt. Wenn es schreit, damit man ihm die Windel wechselt, ist seine Mutter möglicherweise nicht da – oder ist, wenn sie da ist, möglicherweise zu erschöpft oder zu ausgelaugt, um zu reagieren. Wenn es hungrig ist und nach Nahrung verlangt, kann es ignoriert oder sogar geschlagen werden. In der Schule wird es sich oft hintenan finden, verwirrt und sogar von seinen Kameraden gehänselt. E. C. Banfield (1958) beschreibt in eindringlicher Schärfe das unkontrollierbare Los süditalienischer Bauern: 110 Was für andere ein Mißgeschick ist, bedeutet für sie Elend. Als ihr Schwein sich in seiner Leine erhängte, waren der Bauer und seine Frau verzweifelt. Die Frau raufte sich die Haare und schlug ihren Kopf gegen die Hauswand, während ihr Mann stumm und niedergeschmettert in einer Ecke saß. Der Verlust des Schweins bedeutete, daß sie im Winter kein Fleisch haben würden, kein Fett, um es aufs Brot zu streichen, nichts, was sie verkaufen könnten, um Steuern und Miete zu zahlen und keine Chance, im nächsten Frühling ein Ferkel zu erwerben. Solche Schläge können jederzeit fallen. Felder können bei einer Überschwemmung weggewaschen werden, Hagel kann die Saat zerschlagen, Krankheit kann zuschlagen. Ein Bauer zu sein heißt, diesen Möglichkeiten hilflos gegenüber zu stehen. Diese Bedingungen objektiver Hilflosigkeit haben ihre kognitiven Konsequenzen, die hinwiederum die Motivation zu willentlichem Handeln verringern: Die Vorstellung, daß das eigene Wohlergehen entscheidend von Bedingungen außerhalb der eigenen Kontrolle abhängt – von Glück oder der Laune eines Heiligen – ... diese Vorstellung dürfte sicherlich die eigene Initiative hemmen. Ihr Einfluß auf das Wirtschaftsleben ist offensichtlich: ein Mensch, der in einer so launenhaften Welt lebt, wird wahrscheinlich nichts in der Erwartung späteren Gewinns sparen oder investieren. Auch auf die Politik dürfte sich eine solche Einstellung auswirken. Wenn alles von Glück und göttlicher Fügung abhängt, gibt es keinen Anlaß zu gesellschaftspolitischen Initiativen. Die Gemeinschaft wie das Individuum mag hoffen oder beten, aber wird wahrscheinlich ihr Schicksal nicht in die eigenen Hände nehmen.155 K. A. Clark (1964) beschreibt in ähnlicher Weise Hilflosigkeit, Machtlosigkeit und Armut in Harlem: Kurz gesagt, ist das Ghetto Harlem die institutionalisierte Ohnmacht. Harlem setzt sich zusammen aus dem gärenden Ferment sozialer Zustände, Verdruß, Stagnation und potentiell explosiver Reaktionen auf Ohnmacht und kontinuierliche Mißstände. Die Ohnmacht des Individuums und der Gemeinschaft spiegelt sich in steigender Abhängigkeit und der Schwierigkeit, auch die versteckte Macht zu mobilisieren, um gegen den schamlosesten Mißbrauch vorzugehen, wider. Unbeweglichkeit, Stagnation, Apathie, Gleichgültigkeit und Fatalismus gehören zu den offensichtlichen Konsequenzen individueller und gesellschaftlicher Unfähigkeit. Zufallsgerichtete Feindseligkeit, Aggressivität, Selbsthaß, Mißtrauen, brodelnde Unruhe und chronische individuelle und soziale Spannungen reflektieren ebenfalls selbstzerstörerische und unangepaßte Reaktionen auf ein durchdringendes subjektives Gefühl und die objektive Tatsache der Ohnmacht. Es ist banal, darauf hinzuweisen, daß Armut sich negativ auf Kinder und andere Lebewesen auswirkt. Leicht übersehen wird jedoch die Möglichkeit, daß viele Aspekte von Armut durch ihre Auswirkungen beitragen, Hilflosigkeit hervorzurufen. Psychologische Erklärungen werden häufig vernachlässigt, solange auf ökonomische und politische Erklärungen zurückgegriffen werden kann. Ökonomische und politische Faktoren können jedoch ihre Wirkungen nur über Vermittlungsprozesse entfalten. Wirtschaftshistoriker weisen gewöhnlich darauf hin, daß die Inflation der dreißiger Jahre zu Selbstmorden 111 veranlaßte. Eine derartige Erklärung ist notwendigerweise unvollständig: Kapital oder Kapitalmangel können keine unmittelbare Ursache für Selbstmord darstellen; es muß einen psychischen Zustand – wie z. B. Depression – geben, der hinwiederum zu Selbstmordabsichten führt. Ähnlich ist Armut allein keine ausreichende Erklärung für gesetzwidriges Verhalten. Wie wirkt sich Armut psychologisch aus, um Stagnation, Feindseligkeit und Bindungsunfähigkeit herbeizuführen? Ich vermute, daß Armut neben allen anderen Auswirkungen die häufige und intensive Erfahrung von Unkontrollierbarkeit bedeutet; Unkontrollierbarkeit verursacht Hilflosigkeit, und diese führt zu der Depression, der Passivität und dem Defätismus, die so oft mit Armut ein hergehen. Der Wohlfahrtsstaat jedoch fügt in bester Absicht der durch Armut hervorgerufenen Unkontrollierbarkeit noch Unkontrollierbarkeit hinzu; dieses System untergräbt die Würde seiner Empfänger, da deren Handlungen nicht mehr Quellen des eigenen Lebensunterhaltes sind. Ein kleines Kind, das man zu früh allein auf die Straße läßt, entwickelt manchmal starke Bewältigungsgefühle, indem es seine Situation meistert; aber weit öfter findet es sich in Situationen außerhalb seiner Kontrolle wieder. Ein anderer, Unkontrollierbarkeit steigernder Faktor, der auch häufig mit Armut assoziiert wird, ist Überbevölkerung.156 J. Rodin spekuliert, daß eine Konsequenz von Überbevölkerung und dadurch von urbaner Verarmung in gelernter Hilflosigkeit besteht. Um dies zu überprüfen, wählte sie 32 schwarze Jungen zwischen sechs und neun Jahren aus einem New Yorker Wohnprojekt aus. Diese Kinder unterschieden sich hinsichtlich der Anzahl der Menschen, mit denen sie identische Dreizimmerwohnungen teilten – es waren zwischen drei und zehn Menschen, die in jeder Einheit lebten. Die Kinder unterschieden sich nicht hinsichtlich ihres IQ, der näheren Umgebung, ihrer Schicht bzw. des Einkommensstandes ihrer Eltern. Sie wurden einem Plan operanter Verstärkung ausgesetzt, nach dem sie unmittelbar mit Murmeln belohnt wurden, die sie später in Süßigkeiten verschiedener Marken eintauschen konnten. In der entscheidenden Phase der Untersuchung konnten die Jungen, die genug Murmeln verdient hatten, die Süßigkeit, die sie wollten, entweder selbst aussuchen oder den Versuchsleiter bitten, für sie zu wählen. Kinder, die nur mit einem oder zwei anderen Menschen zusammenlebten, wollten sich durchweg die Süßigkeiten selbst aussuchen. Je mehr Menschen mit dem Kind zusammenlebten, desto eher überließ es die Entscheidung dem Versuchsleiter. Rodin stellte die Hypothese auf, daß Überbevölkerung ein Gefühl der Hilflosigkeit erzeugt, das den Wunsch oder die Fähigkeit des Kindes untergräbt, aktiv Entscheidungen zu fällen. Um das Verhältnis zwischen Überbevölkerung und Hilflosigkeit weiter zu untersuchen, führte Rodin ein Experiment durch, dessen Versuchsplan unserem Experiment über das Verhältnis zwischen Depression und Hilflosigkeit gleicht (vgl. S. 82). Wie bei der ersten Studie wurden vier Gruppen von Kindern aus vergleichbaren Lebensbedingungen ausgewählt; die eine Hälfte lebte mit vielen anderen Menschen zusammen in einer Wohnung, die andere Hälfte mit wenigen. Jeweils einer Hälfte dieser Gruppen wurden lösbare, der anderen Hälfte unlösbare Aufgaben vorgelegt. Anschließend wurden alle Kinder mit einem neuen, lösbaren Problem getestet. Kinder, die in überfüllten Wohnungen lebten und mit unlösbaren Aufgaben konfrontiert worden waren, schnitten bei der neuen Aufgabe bei weitem am schlechtesten ab; dann folgten die Kinder, die in nicht überfüllten Wohnungen lebten und zuvor unlösbare Aufgaben erhalten hatten. Interessant ist, daß dann, wenn die ersten Aufgaben lösbar gewesen waren, sowohl Kinder aus überfüllten als auch aus nicht überfüllten Wohnungen gute Leistungen zeigten. Die Erfahrung einer Bewältigung hob – zumindest vorübergehend – die Auswirkungen des Lebens in überfüllten Wohnungen auf. Es scheint, als ob sich das Aufwachsen von Kindern in überfüllten Wohnungen, wie Rodin es erfaßte, in der gleichen Art und Weise auswirkt wie Depression bei Erwachsenen: es setzt die kognitive Leistungsfähigkeit herab, kann aber durch die Erfahrung von Bewältigung rückgängig gemacht werden. In 112 diesem Zusammenhang ist wahrscheinlich das Ergebnis von D. J. Goeckner und seinen Mitarbeitern (1973) von Bedeutung, daß Ratten, die in überfüllten Käfigen aufgezogen wurden, versagten, wenn sie elektrischen Schlägen entfliehen oder diese vermeiden sollten.157 Diese Ergebnisse lassen zusammen mit denen von Rodin und Miller158 annehmen, daß Überbevölkerung Depression und Hilflosigkeit hervorruft. Die intellektuellen Leistungen armer schwarzer amerikanischer Kinder liegen unter der Norm. Häufig ist behauptet worden, daß dies auf einen genetisch bedingt niedrigen IQ zurückzuführen sei.159 Meine Vermutung ist, daß damit nicht alles gesagt ist und daß die Defizite stärker umgebungsabhängig sind als manche gegenwärtig meinen. Sowohl der IQ als auch schulische Leistungen können durch Hilflosigkeit gesenkt werden. Wie ich in meiner Diskussion über bei Depressiven erniedrigte IQ-Werte erwähnte, ist erfolgreiche kognitive Leistung von zwei Bedingungen abhängig: angemessene kognitive Fähigkeiten und Leistungsmotivation. In dem Maße, in dem ein Kind davon überzeugt ist, daß es hilflos ist und daß Erfolg unabhängig von seinen willentlichen Reaktionen ist, wird es weniger zu solchen kognitiven Leistungen – wie z.B. sein Gedächtnis abtasten oder im Geiste addieren – bereit sein, was zu hohen IQ-Werten und erfolgreichen schulischen Leistungen führen würde. Keine mir bekannte Untersuchung hat eine solche Überzeugung in die eigene Hilflosigkeit als eine Ursache für die niedrigeren IQ-Werte und die schlechteren schulischen Leistungen schwarzer amerikanischer Unterschichtskinder widerlegt. Uri Bronfenbrenner (1970) konzentrierte sich auf eine ähnliche Variable: Die Beobachtungen von Deutsch weisen darauf hin, daß der Mangel an Ausdauer nicht nur eine Unfähigkeit zur Konzentration widerspiegelt, sondern auch ein Motivationsdefizit und eine Einstellung von Fatalismus bei der Wahrnehmung von Schwierigkeiten. Er berichtet in diesem Zusammenhang (Deutsch, 1960, S. 9): »Immer wieder wird das Kind unter Experimentalbedingungen bei Aufgaben, die ihm der Lehrer stellt, aufgeben, sobald es bei dem Versuch, diese Aufgaben zu lösen, auf irgendeine Schwierigkeit stößt. Nachträglich befragt, wird das Kind typischerweise antworten: ›was soll’s‹ oder ›wen kümmert’s‹ oder ›was macht’s schon‹. In der Kontrollgruppe (weiße Kinder aus ›ähnlichem sozioökonomischem Milieu‹) herrschte ein offensichtlicher Wettbewerbsgeist, und die Kinder drückten explizit die Erwartung aus, daß eine richtige Antwort ›belohnt‹ wurde. Im allgemeinen war diese Erwartung in der Experimentalgruppe nur selten vorzufinden und wurde nicht durchgängig oder verständlich von den Lehrern verstärkt«. Deutschs Beobachtungen werden durch eine Reihe von Untersuchungen, die T. F. Pettigrew (1964) zitiert, bestätigt; diese Studien zeigen, daß »Negerkinder der Unterschicht im Schulalter typischerweise ›den Kampf aufgeben‹ und ungewöhnlich schwache Leistungsmotivation zeigen.« In einem nüchternen und bewegenden Bericht über die Erziehung schwarzer Kinder kommt T. Sowell (1972), ein bekannter Wirtschaftswissenschaftler, genau diesem Argument nahe. Er skizziert seinen eigenen akademischen Werdegang als schwarzes Kind in den Südstaaten und in New York. Nahezu täglich wurde ihm vermittelt, daß er dumm sei und wenig Erfolg zu erwarten habe. Er war eine selten rebellische Persönlichkeit, die diese Überzeugung von der eigenen Hilflosigkeit nicht annahm. Aber er argumentiert, daß viele andere Schwarze diese Überzeugung übernehmen und daß aufgrund dieser Überzeugung von der eigenen Hilflosigkeit Schwarze angesichts akademischer Probleme nicht die gleiche Ausdauer bewiesen wie Weiße. Ein solcher Prozeß könnte leicht zur Erklärung der IQ-Unterschiede herangezogen werden. Wenn eine Überzeugung von 113 der eigenen Hilflosigkeit in der heutigen Zeit ein zentrales Problem von Rassenzugehörigkeit und Armut darstellt, ergeben sich daraus Implikationen für das Unterbrechen dieses Circulus vitiosus der Armut. G. Gurin und P. Gurin (1970) führen die allgemein vertretene Hoffnung an, daß wir inzwischen in einer Phase wachsender Möglichkeiten für die Armen und die Schwarzen leben. Ihrer Warnung nach könnte es jedoch sein, daß schwarze Unterschichtsangehörige nicht in der Lage sind, von den steigenden wirtschaftlichen Möglichkeiten zu profitieren, weil sie durchweg überzeugt sind, daß Konsequenzen nicht unter ihrer Kontrolle sind. Dies entspricht genau den paradigmatischen Experimenten zur gelernten Hilflosigkeit: Menschen, Hunde und Ratten lernen zuerst, daß Erleichterung unkontrollierbar ist. Anschließend wird diese Erleichterung faktisch erreichbar, weil der Forscher die Bedingungen verändert hat; aber aufgrund ihrer Erwartungen, daß Erleichterung und Reaktion unabhängig voneinander sind, haben Versuchspersonen bzw. Versuchstiere Schwierigkeiten, eine neue, optimistischere Erwartungshaltung auszubilden. Wenn sich diese Argumentation als richtig erweist, wird wiederholte Erfahrung von Erfolg zusammen mit wirklichen Veränderungen der Möglichkeiten notwendig, um den Circulus vitiosus der Armut zu durchbrechen. Es ist entscheidend, daß diese Erfolge von den Armen als Konsequenz ihrer eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen wahrgenommen werden und nicht als Konsequenz des Wohlwollens anderer. Historiker haben uns auf die »Revolutionen wachsender Erwartungen« aufmerksam gemacht.160 Wenn die unteren Bevölkerungsschichten niedergeworfen werden, besteht eine geringe Tendenz zu revolutionären Handlungen; wenn Menschen jedoch zu glauben beginnen, daß ihre eigenen Handlungen zum Erfolg führen könnten, ist die Zeit für Revolutionen reif. Eine Überzeugung von Unkontrollierbarkeit dürfte natürlich die Initiative zu revolutionären Akten unmöglich machen. Wenn unterdrückte und verarmte Menschen um sich herum überall die Möglichkeit von Macht und Überfluß sehen, wird ihre Überzeugung von Unkontrollierbarkeit abbröckeln, und die Revolution wird für sie zu einer Möglichkeit. Weder die Anziehungskraft noch die Selbstwert steigernde Natur sozialer Handlungen sind schwer zu verstehen.161 Wenn Armut Hilflosigkeit erzeugt, dann sollte wirkungsvoller Protest – die eigenen Lebensbedingungen durch eigene Handlungen verändern – zu einem Gefühl für Bewältigung führen. Das Mißtrauen der schwarzen Bevölkerung gegenüber Liberalen und Sozialarbeitern, die versuchen, die Probleme der Schwarzen abzubauen, ist verständlich, da Armut nicht nur ein finanzielles Problem ist, sondern – und das ist bedeutsamer – ein Problem individueller Bewältigung, Würde und Selbstachtung. 114 8 Tod Als der Militärarzt Major F. Harold Kushner 1973 nach fünfeinhalbjähriger Kriegsgefangenschaft aus Südvietnam zurückkehrte erzählte er mir eine grauenhafte und niederschmetternde Geschichte. Seine Geschichte ist eines der wenigen auf Tonband dokumentierten Zeugnisse eines medizinisch geschulten Beobachters, der von Anfang bis Ende das miterlebte, was ich nicht anders als Tod aus Hilflosigkeit nennen kann. Major Kushner wurde im November 1967 mit dem Hubschrauber über Nordvietnam abgeschossen. Er wurde schwer verwundet von den Vietcong gefangengenommen. Die nächsten drei Jahre verbrachte er in der Hölle des Lagers I. 27 Amerikaner gingen durch dieses Lager: fünf wurden vom Vietcong entlassen, zehn starben im Lager und zwölf überlebten, bis sie 1973 von Hanoi entlassen wurden. Die Lebensbedingungen im Lager spotten jeder Beschreibung. Gewöhnlich lebten ungefähr elf Männer zusammen in einer Bambushütte, in der sie auf einem überfüllten Bambuslager von ungefähr fünf Meter Breite schliefen. Die Hauptnahrung bestand aus drei kleinen Tassen mit rotem, schimmeligem und mit Ungeziefer durchsetztem Reis pro Tag. Innerhalb des ersten Jahres verloren die Gefangenen im Durchschnitt 40 bis 50% ihres Körpergewichtes und bekamen offene, nässende Geschwüre und Muskelatrophien. Es gab vor allem zwei Mörder im Lager: Unterernährung und Hilflosigkeit. Zuerst, als Kushner gefangen genommen wurde, wurde er aufgefordert, sich öffentlich gegen den Krieg zu erklären. Er erwiderte, daß er lieber sterben würde, und der Offizier, der ihn gefangengenommen hatte, antwortete mit Worten, an die sich Kushner an jedem Tag seiner Gefangenschaft erinnerte: »Sterben ist leicht; es ist gerade das Überleben, was schwer ist«. Der Wille zum Überleben und die verheerenden Konsequenzen der Aufgabe jeder Hoffnung sind Gegenstand Kushners Erzählung und dieses Kapitels. Als Major Kushner im Januar 1968 im Lager I eintraf, war Robert bereits seit zwei Jahren in Gefangenschaft. Er war ein rauher und intelligenter Obergefreiter einer Eliteeinheit von Marineinfanteristen, nüchtern, gelassen und blind gegenüber Schmerz und Leiden. Er war 24 Jahre alt und als Fallschirmspringer und Taucher ausgebildet. Wie alle übrigen Männer war er auf ein Gewicht von 90 Pfund abgemagert und wurde gezwungen, täglich barfuß lange Märsche mit 90 Pfund Maniokwurzeln auf dem Rücken zurückzulegen. Er jammerte nie: »Beiß die Zähne zusammen und schnall den Gürtel enger«, war sein Motto. Trotz Unterernährung und einer scheußlichen Hauterkrankung blieb er in sehr guter körperlicher und seelischer Verfassung. Die Ursache seiner relativ guten Widerstandskraft war Kushner klar. Robert war überzeugt davon, daß er bald entlassen würde. Der Vietcong hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, beispielhaft einige Männer zu entlassen, die mit ihm kooperiert und die richtigen Einstellungen übernommen hatten. Robert hatte dies mitgemacht, und der Lagerkommandant hatte angedeutet, daß er als nächster dran sein würde und innerhalb der nächsten sechs Monate rauskommen würde. Wie erwartet, trat sechs Monate später genau das ein, was bei früheren Gelegenheiten solchen Entlassungsködern vorausgegangen war. Ein ranghoher Vietcong-Kader erschien, um den Gefangenen eine politische Lektion zu erteilen; dabei wurde zu verstehen gegeben, daß der gelehrigste Schüler entlassen würde. Robert wurde zum Führer der Indoktrinationsgruppe gewählt. Er machte die gewünschten Aussagen und bekam mitgeteilt, daß er im Laufe des Monats mit seiner Entlassung rechnen könne. Der Monat kam und ging, und Robert fing an zu spüren, wie sich die Haltung der Aufseher ihm gegenüber veränderte. Schließlich dämmerte ihm, daß er getäuscht worden war, daß er für den Vietcong längst seine Funktion erfüllt hatte und gar nicht entlassen werden würde. Er hörte auf zu arbeiten und zeigte Anzeichen tiefer Depression: er ver115 weigerte die Nahrung und kauerte in embryonaler Stellung, am Daumen lutschend auf dem Bett. Seine Kameraden versuchten, ihn darüber hinwegzubringen; sie streichelten ihn und behandelten ihn wie ein Baby, und als das nichts half, versuchten sie, ihn mit ihren Fäusten aus der Erstarrung zu boxen. Er machte ins Bett. Nach ein paar Wochen war es Kushner klar, daß Robert im Sterben lag: obwohl sein körperlicher Allgemeinzustand immer noch besser war als der der meisten anderen, dämmerte er dahin. In den frühen Morgenstunden eines Novembertages lag er sterbend in Kushners Armen. Zum ersten Mal seit Tagen richtete er seinen Blick auf ein Ziel und sprach: »Doktor, Postfach 161, Texarkana, Texas. Papa, Mama, ich liebe Euch sehr. Barbara, ich verzeihe Dir«. Sekunden später war er tot. Der Tod von Robert war typisch für eine ganze Reihe solcher Todesfälle, die Major Kushner sah. Was brachte ihn um? Kushner konnte keine Autopsie durchführen, da der Vietcong ihm keine Instrumente zur Verfügung stellte. In Kushners Augen war die unmittelbare Todesursache eine sehr starke Verschiebung im Elektrolythaushalt. Aber angesichts von Roberts relativ gutem körperlichen Zustand scheinen psychologische Antezedenzien eher als spezifizierbare Todesursache in Frage zu kommen. Die Hoffnung auf Entlassung hatte Robert aufrecht gehalten. Als er diese Hoffnung aufgab, als er zu der Überzeugung gelangte, daß alle seine Anstrengungen umsonst gewesen waren und weiterhin umsonst bleiben würden, starb er. Kann ein psychischer Zustand zum Tode führen? Ich glaube ja. Wenn Tiere und Menschen lernen, daß ihre Handlungen vergebens sind und daß keine Hoffnung besteht, werden sie anfälliger für den Tod. Im Gegensatz dazu kann die Überzeugung, Kontrolle über die Umgebung zu haben, das Leben verlängern. Beweismaterial für diese Hypothese, wie ich es im folgenden darstellen möchte, entstammt einer breiten Skala von Quellen und ist noch niemals zuvor integriert worden. Im Unterschied zu vorausgehenden Kapiteln wird dieser Überblick nicht theoretisch, sondern deskriptiv sein; ich hoffe jedoch, eine Behauptung einleuchtend machen zu können: der psychische Zustand der Hilflosigkeit erhöht die Gefahr zu sterben. Ich habe zwar keine physikalischen Erklärungen dafür, aber ich werde auf einige Spekulationen über physikalische Ursachen eingehen. Aufgrund unseres mangelhaften Wissens werden wir die Frage körperlicher Ursachen beiseite lassen müssen und uns auf die Tatsache konzentrieren, daß diese Todesfälle reale und verheerende psychologische Hintergründe haben. Fälle von Tod aus Hilflosigkeit sind keineswegs selten, und sie sind häufig von ähnlicher Dramatik wie der Fall von Robert. Ich werde dieses Phänomen zuerst bei einer Reihe verschiedener Tierarten aufzeigen, dann bei jungen Menschen und Erwachsenen mittleren Alters, dann bei alten Menschen und schließlich bei kleinen Kindern. Nebenbei werde ich meine Vermutungen darüber aussprechen, wie diese Tragödien hätten verhindert werden können und wie sie in Zukunft verhindert werden könnten. 116 8.1 Tod durch Hilflosigkeit bei Tieren Die Beobachtung des plötzlichen Todes aus Hilflosigkeit ist nicht auf Menschen beschränkt; es existiert wenig, aber bedeutsame Literatur über Tiere. Die wilde Ratte (Rattus norwegicus) ist ein wildes und mißtrauisches Tier. Wilde Ratten reagieren mit erstaunlicher Heftigkeit, wenn man versucht, sie zu fangen, und sie bleiben ständig wachsam für Fluchtwege. C. P. Richter beobachtete plötzlichen Tod bei diesen Tieren und führte ihn auf »Hoffnungslosigkeit« zurück.162 Wie er herausgefunden hatte, schwamm eine wilde Ratte bis zu 60 Stunden in einem mit warmem Wasser gefüllten Behälter, aus dem es keine Fluchtmöglichkeit gab, bis sie vor Erschöpfung ertrank. Richter nahm einige Ratten solange fest in die Hand, bis sie aufhörten zu zappeln und setzte sie dann in den Wasserbehälter. Diese Ratten schwammen einige Minuten lang aufgeregt herum, sanken dann plötzlich auf den Grund des Behälters und ertranken, ohne noch einmal an die Oberfläche zu kommen. Ein paar Ratten starben sogar noch früher – in der Hand des Forschers. Wurden diese Restriktionsmaßnahmen noch damit kombiniert, daß man den Ratten die Schnurrhaare – bei der Ratte ein primäres sensorisches Organ –, stutzte, so starben alle diese Tiere. Richter vermutete, daß alle diese Erfahrungen – in der Hand eines Räubers wie dem Menschen festgehalten zu werden, die Schnurrhaare gestutzt zu bekommen, in ein Wasserbassin gesetzt zu werden, aus dem es keinen Ausweg gibt – bei der Ratte ein Gefühl der Hilflosigkeit auslösen. Dies muß für die kritischen Leser Richters wie eine radikale Spekulation geklungen haben, aber dieser erhärtete sie: er nahm zuerst Ratten in die Hand, bis sie aufhörten zu zappeln und ließ sie dann wieder frei. Dann hielt er sie wieder fest und ließ sie wieder laufen. Schließlich hielt er sie erst wieder fest und setzte sie dann ins Wasser. »Auf diese Weise lernen Ratten schnell, daß die Situation nicht hoffnungslos ist; nach einer solchen Behandlung werden sie wieder aggressiv, versuchen zu entfliehen und zeigen keine Anzeichen dafür aufzugeben«. Diese immunisierten wilden Ratten schwammen 60 Stunden lang. Ähnlich schwamm eine Ratte auch dann 60 Stunden lang, wenn Richter das hilflose Tier aus dem Wasser nahm, bevor es ertrank und es dann mehrere Male wieder hineinsetzte. Plötzlicher Tod konnte grundsätzlich verhindert werden, indem man den Ratten zeigte, daß eine Flucht möglich war. Diese beiden Verfahren ähneln unseren therapeutischen und immunisierenden Verfahren, mit denen wir gelernte Hilflosigkeit bei Ratten und Hunden durchbrachen (vgl. S. 53). Der physiologische Zustand der wilden Ratten während des plötzlichen Todes war merkwürdig. Bei den meisten bei Säugetieren bekannten Formen des Sterbens steigt kurz vor dem Tod die Herzfrequenz (Tachykardie). Man bezeichnet diese Form als Sympathikustod nach dem aktivierenden Zweig des sympathischen Nervensystems: Tachykardie und erhöhter Blutdruck pumpen das Blut schnell aus dem Herzen in die Extremitäten – es handelt sich kurz gesagt um einen »Alarmbereitschafts-« oder »Notstandstod«. Dagegen starben Richters wilde Ratten einen parasympathischen Tod oder einen Tod aus übermäßiger Ruhigstellung, übermäßigem Nachlassen der Aktivierung: ihre Herzfrequenz verlangsamte sich (Bradykardie) und ihre Herzen waren, wie die Autopsie ergab, mit Blut angefüllt. Richter verabreichte einigen Ratten als Vorbehandlung Atropin, was das parasympathische (und cholinerge) System hemmt. Dies verhinderte den Tod bei einer kleinen, aber signifikanten Gruppe von Versuchstieren. Das Raster unseres Bildes wird feiner, wenn wir uns erinnern, daß Thomas und Balter Atropin einsetzten, um gelernter Hilflosigkeit bei Katzen zuvorzukommen (vgl. S. 66) und daß Janowsky und seine Mitarbeiter Atropin verwendeten, um Depressionen aufzuhellen (vgl. S. 88).163 Richter kam zu dem Schluß, daß er den Tod aus Hoffnungslosigkeit entdeckt hatte, einen Tod durch Aufgabe aller Anstrengungen. Bennet Galef und ich fragten uns, ob unvermeidbarer Schock in Hilflosigkeitsexperimenten auf die gleichen Mechanismen wirkt, die Richter auslöste, wenn er wilde Ratten in ihrer Bewegungsfreiheit behinderte.164 Wir konstruierten daher eine Skinner box aus 117 Stahl, kauften gepanzerte Handschuhe und fingen an, eine Kolonie wilder Ratten aufzuziehen. Wir untersuchten zwei Gruppen erwachsener Weibchen. Die eine Gruppe wurde mit vermeidbaren elektrischen Schlägen immunisiert, denen dann langanhaltende unvermeidbare Schocks schwacher Intensität folgten. Die zweite Gruppe war hilflos (yoked): sie erhielt die gleiche Abfolge von Schocks, die aber alle unvermeidbar waren. Wir hatten beabsichtigt, beide Gruppen in das Wasserbassin zu setzen, in der Erwartung, daß die Gruppe mit der Erfahrung vermeidbarer Schocks 60 Stunden schwimmen würde, während die Partnertiere einen plötzlichen Tod sterben würden. Zu unserer Überraschung legten sich jedoch sechs der zwölf Partnertiere hin, steckten die Pfoten durch die Gitterstäbe und starben noch im Versuchskäfig während der langanhaltenden schwachen Schocks. Ihre Herzen waren voll Blut. Kein Tier aus der anderen Gruppe starb. Kürzlich untersuchten Robert Rosellini, Yitzchak Binik, Robert Hannum und ich Laborratten in der Versuchsanordnung zum plötzlichen Ertrinken. Wir verwendeten weiße Ratten, die zur Zeit der Entwöhnung vermeidbare, unvermeidbare oder keine elektrischen Schläge erfahren hatten. Nur jene Tiere, die bei der Entwöhnung unvermeidbare elektrische Schläge erhalten hatten, reagierten als erwachsene Tiere hilflos, wenn sie Schocks entfliehen sollten. Bei dieser Gruppe trat signifikant häufiger der plötzliche Tod ein als in den beiden anderen Gruppen. Diese Ergebnisse sind fraglich, da die hilflosen Ratten als erwachsene Tiere absolut gesehen mehr Schocks verabreicht bekamen, weil es ihnen nicht gelang zu fliehen. Dennoch legen sie die Hypothese nahe, daß unvermeidbarer Schock und die Einschränkung der Bewegungsfreiheit bei wilden Ratten ähnliche Auswirkungen hervorrufen. Wieder steht damit eher ein Tod durch Aktivierungsrückgang und Aufgabe in Beziehung als ein Tod in Alarmbereitschaft.165 Man beobachtet bei gezähmten und unterdrückten Tieren noch ein anderes Phänomen, das mit Tod durch Hilflosigkeit in Beziehung gesetzt werden kann. Wenn ein Räuber wie z.B. ein Hühnerhabicht ein Küken angreift und es dann losläßt, so kann das Küken noch viele Minuten oder sogar Stunden lang in völliger Erstarrung verharren. Diese katatone Reaktion ist als »Tierhypnose«, »Totstellreflex«, »Starrkrampf« und »tierischer Magnetismus« bezeichnet worden.166 In der Umgangssprache wird dieses Phänomen z.B. als »einen Frosch einschlafen lassen« beschrieben, indem man ihn auf den Rücken legt und über seinen Bauch streicht, oder als Alligatoren immobilisieren durch den sogenannten Alligatoren-Ringkampf. Menschen, die Vögel zähmen wollen, werden gewarnt, sie nicht in die Hand zu nehmen, da dies einen todähnlichen Zustand auslösen kann. Im Laborexperiment wird dieser Effekt gewöhnlich dadurch hervorgerufen, daß man ein Tier ergreift und es für ungefähr 15 Sekunden auf die Seite gedreht festhält. Zuerst wehrt sich das Tier, danach wird es starr. Es entsteht ein anhaltender Zustand völliger Unempfindlichkeit, und immobilisierte Tiere reagieren manchmal nicht einmal auf Nadelstiche. Mit der Zeit kommt das Tier wieder aus diesem Zustand heraus, im allgemeinen ziemlich unvermittelt, und läuft davon. Dieses Phänomen wird gewöhnlich als Schreckstarre interpretiert, aber es hat Merkmale, die es mit Hilflosigkeit und plötzlichem Tod verbinden. M. A. Hofer (1970) setzte eine Vielzahl verschiedener Nagetiere (Streifenhörnchen, Känguruhratten und andere) einem freien Raum, einem erschreckenden Geräusch, der Silhouette eines Habichts und einer Schlange aus – alles auf einmal. Die Tiere verfielen augenblicklich in Schreckstarre, und diese dauerte bis zu 30 Minuten an. Sie war so tief, daß man nicht die winzigste Bewegung wahrnehmen konnte, nicht einmal dann, wenn die Schlange unter und zwischen den Leibern der Tiere herumkroch. Hofers Hauptinteresse galt der Variable Herzfrequenz. Wie in der Untersuchung Richters zum plötzlichen Tod verlangsamte sich der Herzschlag während der Schreckstarre stark. Während dieser Bradykardie wurden häufige Arrhythmien beobachtet. Trotzdem starb keines der Nagetiere während der Untersuchung, obwohl 26% der Tiere, die in Fallen gefangen worden waren, während der ersten Woche im Laboratonum mit unbekannter Todesursache starben. Einige der Nager, bei denen Arrhythmien beobachtet worden waren, starben wenig 118 später, aber keines der Tiere, die keine Arrhythmien gezeigt hatten, starb. Entscheidend wirkten hier: ein unkontrollierbarer Stressor, eine Reaktion der Passivität und gesteigerte Anfälligkeit für plötzlichen Tod. J. Maser und G. Gallup führten bei gezähmten Junghühnern den Totstellreflex herbei, indem sie sie in Rückenlage festhielten; sie berichten, daß diese Schreckstarre durch elektrische Schläge noch verlängert wurde.167 Um zu überprüfen, ob an diesem Phänomen Hilflosigkeit beteiligt war, verabreichten die Forscher drei Gruppen von Tieren vor der Immobilisierung vermeidbare, unvermeidbare oder keine elektrischen Schläge. Junghühner, die unvermeidbare Schocks erhalten hatten, blieben bis zu fünfmal länger in der Erstarrung als Hühner, die vermeidbare Schocks erfahren hatten. Gallup erwähnte auch, daß einige seiner Hühner überhaupt nicht mehr aus der Erstarrung herauskamen, sondern in ihr starben. H. J. Ginsberg (1974) versetzte Küken in Schreckstarre und testete sie anschließend unter den Bedingungen des plötzlichen Todes durch Ertrinken. Eine Gruppe von Hühnern konnte selbst aus ihrer Schreckstarre herauskommen, wenn ihre Lebensgeister wieder erwachten. Für eine andere Gruppe war das Ende der Schreckstarre unkontrollierbar: der Forscher klopfte ihnen solange auf die Brust, bis sie wieder zu sich kamen. Eine dritte Gruppe wurde nicht in Schreckstarre versetzt. Dann wurden alle Tiere im Wasserbassin untersucht. Die hilflosen Tiere starben am schnellsten, dann folgte die naive Gruppe, und die Hühner, die den Ablauf ihrer Schreckstarre selbst kontrollierten, ertranken zuletzt. Dies erinnert mich an Vögel, die bei Ölkatastrophen gefangen werden: als der Tanker Torrey Canyon vor England auf Grund lief und seine Ladung in die Küstengewässer strömte, wurden viele Seevögel vom Rohöl gefangen. Wohlmeinende Menschen, die die Tiere aufnahmen und anfingen, ihnen das Öl abzuwaschen, waren bestürzt, als viele Vögel unter ihren Händen starben. Es wurde behauptet, daß das Reinigungsmittel sie umbrachte. Ich kann jedoch nicht umhin zu vermuten, daß sie durch Hilflosigkeit starben, Hilflosigkeit durch die motorische Einschränkung, die noch verstärkt wurde durch die Hilflosigkeit, die durch die Unfähigkeit der Vögel, fortzufliegen, verursacht wurde. Handbücher empfehlen sehr vorsichtiges und rasches Reinigen: vielleicht wäre die Reinigung weniger tödlich verlaufen, wenn man die Vögel wie Richters immunisierte Ratten wiederholt freigelassen und wieder ergriffen hätte.168 Die meisten der Tierarten, bei denen plötzlicher Tod beobachtet worden ist, sind wild.169 Kontrollierbarkeit mag für ein wildes Tier eine besonders wichtige Dimension im Leben darstellen. Wenn es in einen Zoo gebracht und in einen Käfig gesperrt wird, wird es nicht nur seiner Steppe, seiner Feigenbäume und seiner Ameisen beraubt, sondern der Kontrolle. Wenn sich das hier dargelegte Argument bestätigen läßt, so wird die erstaunlich hohe Todesrate wilder Tiere, die von Zoologischen Gärten neu erworben werden, verständlich.170 Ich habe gehört, daß 50% der Tiger, die aus Indien kommen, noch auf dem Transport sterben. Besondere Vorgehensweisen könnten eine solche Sterblichkeitsrate senken, wenn man z.B. die Tiere in Käfigen voller Gegenstände, die die Tiere beeinflussen können, transportiert, so daß das gefangene Tier instrumentelle Kontrolle ausüben kann. Kürzlich berichtete die Washington Post, daß Dr. Hal Markowitz, der Leiter des Zoologischen Gartens in Portland (Oregon), derartige Verfahren offiziell für seine Primaten und Menschenaffen eingerichtet hat.171 Vorher hatten die Tiere zur Fütterungszeit fast wie tot ausgesehen, wenn sie neben dem welk werdenden Futter auf dem Boden hockten. Markowitz stellte die Fütterung unter die Kontrolle der Tiere: auf ein Lichtsignal hin rannten sie nun los, drückten Hebel 1, rasten quer durch den Käfig und drückten Hebel 2 und bekamen daraufhin einen Futterhappen. Experten sagen, daß sie nie gesündere Zooaffen gesehen hätten, und die Tiere sind frei von ständigen Krankheiten, die oft weniger aktive Tiere im Zoo quälen. 119 Nicht nur beim Menschen, auch bei anderen Primaten tritt Tod durch Hilflosigkeit auf. Dr. I. Charles Kaufman berichtete mir, daß zwei der elf jungen Rhesusaffen, die er von ihren Müttern trennte, während der Rückzugsphase der Trauerreaktion starben:172 Der erste Todesfall trat bei einem der erstgeborenen Kinder ein, das fünf Monate und sieben Tage alt war. Es starb am neunten Tag der Trennung von der Mutter. Eine Autopsie ergab keine pathologischen Prozesse, die seinen Tod erklärt hätten. Der Ernähungszustand war ausgezeichnet. Das Kind zeigte die übliche Abfolge von Erregung und Depression, die mit einem steilen Absinken der Spielaktivität einherging. In der zweiten Woche der Trennung jedoch zog sich das Tier sehr deutlich von allen anderen Tieren zurück, und dann folgte der plötzliche Tod. Das andere Affenkind starb am sechsten Tag der Trennung von der Mutter im Alter von fünf Monaten. Es zeigte ebenfalls die typische Erregung, der Depression folgte. Die Bewegungsaktivität nahm vom ersten Tag an stetig ab. Seine Haltung verfiel vom zweiten und dritten Tag an stärker, als es bei jedem anderen jungen Affen zu beobachten war. Seine Spielaktivität sank auf null. Es wurde ebenfalls eines Morgens tot aufgefunden. Wie bei dem anderen Affenkind ergab die Autopsie keine Erklärung für seinen Tod, und der Ernährungszustand war ausgezeichnet. Jane Goodall beschrieb den Tod von Flint, einem jungen Schimpansenmännchen, der kurz nach seiner Mutter Flo starb: Flo legte sich auf einen Felsen am Flußufer nieder und hauchte einfach ihr Leben aus. Sie war recht alt. Flint blieb neben ihrem toten Körper: er ergriff einen ihrer Arme und versuchte, sie an der Hand hochzuziehen. Die Nacht nach ihrem Tod schlief er nahe bei ihrem Körper, und am folgenden Morgen zeigte er Anzeichen tiefster Depression. Danach kehrte er immer wieder zum Leichnam der Mutter zurück, egal wie weit er irrte. Es waren die Würmer, die ihn letzten Endes vertrieben; als er versucht hatte, die Würmer von seiner Mutter abzuschütteln, waren sie auf ihn gekrochen. Schließlich kam er nicht mehr zurück. Aber er blieb innerhalb eines Bereichs von 50 Quadratmetern; und er würde sich kein bißchen weiter von dem Platz entfernen, an dem Flo gestorben war. Innerhalb von zehn Tagen hatte er ungefähr ein Drittel seines Körpergewichtes verloren. Sein Blick wurde merkwürdig glasig. Schließlich starb auch Flint; er starb ganz in der Nähe des Platzes, an dem seine Mutter gestorben war. Tatsächlich war er am Tage zuvor zurückgekehrt, um sich auf dem gleichen Felsen niederzulassen, auf dem Flo sich hingelegt hatte (wir hatten ihren Körper inzwischen entfernt und sie begraben). Die Ergebnisse der Autopsie sind negativ ausgefallen. Sie wiesen darauf hin, daß, obwohl Flint einige Parasiten und ein oder zwei Wanzen hatte, nichts allein ausreichend war, um zum Tode173zu führen. Und daher mußte die Haupttodesursache Trauer gewesen sein. Trauer vielleicht, aber wieder sind die folgenden Bestandteile vorhanden: eine unkontrollierbare Situation – der Tod der Mutter; eine passive, depressive Reaktion; keine offenbare Krankheit (könnte Bradykardie bestanden haben?); ein unerwarteter Tod. 120 8.2 Tod durch Hilflosigkeit bei Menschen Ein gesunder Mann mittleren Alters hatte die meiste Zeit seines Lebens im Schatten seiner Mutter verbracht.174 Ohne Vater aufgewachsen, beschrieb er sie als »eine wundervolle Frau, die alle familiären Entscheidungen richtig traf und die niemals einer Situation begegnete, die sie nicht kontrollieren konnte«. Mit 31 Jahren kaufte er mit der finanziellen Unterstützung seiner Mutter einen Nachtclub, und sie half ihm auch, ihn zu führen. Mit 38 Jahren heiratete er, und seine Frau begann, gegen seine Abhängigkeit von seiner Mutter aufzubegehren – was nicht weiter verwunderlich ist. Als er ein einträgliches Angebot bekam, den Nachtclub zu verkaufen, erzählte er seiner Mutter, daß er sich mit dem Gedanken eines Verkaufs beschäftigte, und sie wurde sehr aufgeregt. Schließlich entschloß er sich, zu verkaufen. Seine Mutter sagte zu ihm: »Mach’s nur, und es wird dir etwas Schreckliches zustoßen«. Zwei Tage später hatte er zum ersten Mal einen Asthmaanfall; er hatte noch nie zuvor an Krankheiten der Atemwege gelitten und hatte in den vergangenen zehn Jahren nicht einmal eine Erkältung gehabt. Am Tage, nachdem er den Handel abgeschlossen hatte, verschlimmerten sich seine Asthmaattacken sehr, als seine Mutter ihm ärgerlich mitteilte, daß »dich etwas treffen wird.« Nun wurde er depressiv und beklagte sich häufig, daß er ihr gegenüber hilflos sei. Mit psychotherapeutischer Hilfe begann er, die Beziehung zwischen seinen Asthmaanfällen und dem »Fluch« seiner Mutter zu erkennen; daraufhin besserte sich sein Zustand erheblich. Sein Psychiater sah ihn am 23. August 1960 um 17 Uhr für eine halbstündige Sitzung und fand ihn in ausgezeichneter körperlicher und seelischer Verfassung vor. Um 17.30 Uhr rief er seine Mutter an, um ihr zu erzählen, daß er beabsichtige, ohne ihre Hilfe in ein neues Geschäft einzusteigen. Sie erinnerte ihn an ihren Fluch und sagte ihm, er solle sich auf die »schrecklichen Konsequenzen« gefaßt machen. Um 18.35 wurde er nach Luft ringend und im Koma aufgefunden. Er starb um 18.55. Wenn ein Mensch davon überzeugt ist, verdammt zu sein – wie z.B. die vom Fluch getroffene junge Frau im ersten Kapitel, die an ihrem 23. Geburtstag starb –, tritt häufig der Tod ein. Solche Todesfälle kommen in vielen Kulturen vor. Der große amerikanische Physiologe W. B. Cannon war der erste Wissenschaftler, der solchem »Hexentod« oder »Voodoo Tod« Aufmerksamkeit widmete.175 Er sammelte viele Beispiele für psychogenen plötzlichen und mysteriösen Tod: Ein brasilianischer Indianer, der von einem sogenannten Medizinmann verdammt und verurteilt wird, steht seinen eigenen emotionalen Reaktionen auf diesen Fluch hilflos gegenüber – und stirbt innerhalb von Stunden. In Afrika ißt ein junger Neger unwissentlich von einer für tabu erklärten wilden Henne. Als er bemerkt, welches Verbrechen er begangen hat, zittert er, wird von Furcht überwältigt und stirbt innerhalb von 24 Stunden. In Neuseeland ißt eine MaoriFrau Früchte, von denen sie erst später erfährt, daß sie an einem tabuisierten Ort gewachsen sind. Ihr Häuptling wird dadurch geschändet. Am Nachmittag des nächsten Tages ist sie tot. In Australien zeigt ein Medizinmann mit einem Knochen auf einen Mann. In der Überzeugung, daß ihn nun nichts mehr retten kann, sinkt der Mann in tiefer Verzweiflung zusammen und bereitet sich darauf vor, zu sterben. Er wird erst im letzten Augenblick gerettet, als der Hexendoktor gezwungen wird, den Zauber wieder von ihm zu nehmen. Der Mensch, der entdeckt, daß er von einem Feind beherrscht wird, ist in der Tat eine bedauernswerte Erscheinung. Er steht entsetzt da, auf den verräterischen Zeigenden starrend und mit erhobenen Händen, um das tödliche Medium abzuwehren, daß sich in seiner Vor121 stellung in seinen Körper ergießt. Seine Wangen werden blaß und seine Augen glasig, und sein Gesichtsausdruck wird furchtbar entstellt. Er versucht zu schreien, aber gewöhnlich bleibt ihm der Laut im Halse stecken, und alles, was man sehen könnte, ist Schaum vor dem Mund. Sein Körper beginnt zu zittern, und seine Muskeln zukken unwillkürlich. Er schwankt, fällt zu Boden und scheint kurze Zeit später in Ohnmacht zu liegen. Schließlich faßt er sich, geht zu seiner Hütte und grämt sich dort zu Tode.176 R. J. W. Burrell, ein südafrikanischer Arzt, war in sechs Fällen Zeuge, als Bantunegern mittleren Alters ein Fluch ins Gesicht geschleudert wurde.177 Jedem wurde gesagt: »Du wirst bei Sonnenaufgang sterben.« Alle sechs starben. Die Autopsie ergab keine Todesursache. Es kommt der Moment, an dem groteske Anekdoten so viel Gewicht anhäufen, daß sie von der Wissenschaft nicht länger ignoriert werden können. Hexentod ist ein solches Phänomen. Obwohl wir bis jetzt noch über keine physiologische Erklärung für diese Todesfälle verfügen, sind zumindest seine psychologischen Vorläufer eindeutig. Eine Botschaft trifft ein, die ein Urteil in Gestalt eines Fluches oder einer Prophezeiung verkündet. Das Opfer glaubt an diese Botschaft und ist überzeugt, daß es hilflos ist und nichts dagegen unternehmen kann. Es reagiert mit Passivität, Depression und Schicksalsergebenheit. Der Tod folgt innerhalb von Stunden oder Tagen. Dieses Phänomen bleibt nicht auf südafrikanische Bantuneger, australische Ureinwohner oder amerikanische Männer mittleren Alters mit dominierenden Müttern beschränkt. Jeder ernsthafte Verlust kann zu Krankheit und Tod führen. G. L. Engel, A. S. Schmale, W. A. Greene und ihre Mitarbeiter an der Universität von Rochester haben während der letzten zwei Jahrzehnte die Konsequenzen psychologischen Verlustes für körperliche Krankheit untersucht. Ihren Studien zufolge schien Hilflosigkeit die Widerstandskraft des Individuums gegen körperliche Krankheitserreger herabzusetzen, die bis dahin abgewehrt worden waren. Engel führt 170 Fälle plötzlichen Todes unter psychischem Streß an, die er innerhalb eines Zeitraumes von sechs Jahren gesammelt hatte. Er teilt die psychologischen Bedingungen solcher Todesfälle in acht Kategorien ein. Die ersten fünf schließen Hilflosigkeit ein: 1. Zusammenbruch oder Tod eines geliebten Menschen: Ein 88 Jahre alter Mann ohne kardiovaskuläre Störungen wurde sehr erregt und rang die Hände, als er von dem plötzlichen Tod seiner Tochter erfuhr. Er weinte nicht, sondern fragte nur immerzu: »Warum mußte mir das widerfahren?« Während er noch mit seinem Sohn telefonierte, entwickelte er ein akutes Lungenödem und starb im gleichen Augenblick, als der Arzt das Haus betrat. 2. Akute Trauer: Ein 22jähriges Mädchen mit bösartigen Wucherungen war bereits in sehr schlechtem Zustand, konnte aber immer noch mit ihrer Mutter im Auto spazieren fahren. Bei einer solchen Ausfahrt wurde die Mutter getötet, als sie bei einem Autounfall aus dem Wagen geschleudert wurde; das Mädchen blieb unverletzt. Innerhalb von wenigen Stunden fiel sie ins Koma und starb. Eine Autopsie ergab zwar weitverzweigte Metastasen, aber kein Anzeichen für ein Trauma. 3. Drohender Verlust eines geliebten Menschen: Ein 43 Jahre alter Mann starb vier Stunden nachdem sein 15 Jahre alter Sohn ihm im Zuge einer vorgetäuschten Entführung am Telefon sagte: »Wenn Sie Ihren Sohn lebendig wiedersehen wollen, rufen Sie nicht die Polizei.« 4. Trauer oder Jahrestag des Verlustes: Ein besonders erschütternder Fall ist der eines 70jährigen Mannes, der während der ersten Takte eines Konzertes tot zusammenbrach, das anläßlich des fünften Todestages seiner Frau gegeben wurde. Sie war eine bekannte Klavierlehrerin gewesen, und er hatte zu ihrem Gedächtnis 122 ein Konservatorium gegründet. Das Konzert wurde von Schülern des Konservatoriums veranstaltet. 5. Verlust von Status und Selbstachtung: Ein Zeitungsreporter, der sich über Jahre hinweg für den Namen eines hochgestellten Beamten im öffentlichen Dienst eingesetzt hatte, weit über dessen Tod hinaus, starb plötzlich während eines Festessens zu Ehren des 101. Geburtstages dieses Mannes. Einer der eingeladenen Redner hatte die Zuhörer damit verblüfft, daß er die Gelegenheit ergriff, um belastendes Material aus dem Privatleben des Geehrten ans Licht zu bringen. Der Reporter sprang auf und setzte zu einer heftigen Verteidigung des Mannes an, den er so bewundert hatte, in der sich starke Gefühle und Empörung ausdrückten. Als die Richtigkeit der Belastungen öffentlich eingestanden wurden, antwortete der Reporter traurig: »Mit Adams Fall sündigten wir alle.« Ein paar Minuten später starb er.178 Plötzlicher Tod tritt außerdem bei Gefahr, der Erlösung aus der Gefahr und bei glücklichen Ausgängen ein. Es wäre zu einfach, nur zu sagen, daß diese Menschen emotional überreizt und überregt waren. In einigen Fällen, vor allem jenen, in denen persönliche Gefahr bestand, ist es durchaus möglich, daß das Individuum »vor Schreck« gestorben ist. In den meisten anderen Fällen sind aber nicht Furcht, sondern Depression, Hilflosigkeit und Schicksalsergebenheit die vorherrschenden Stimmungen. Die unmittelbare Todesursache in den von Engel berichteten Fällen war gewöhnlich Herzversagen. Wir haben aber gesehen, daß einem Herzversagen sowohl Schicksalsergebenheit als auch Erregung vorausgegangen sein kann. Engel bringt einige Berichte, die sehr genau und ausführlich die psychischen Zustände der Individuen zum Zeitpunkt ihres Todes beschreiben. Aus diesen Berichten können wir ersehen, daß Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit die durchdringenden Emotionen darstellen. Ein 45 Jahre alter Mann empfand seine Situation als völlig unerträglich und sah sich gezwungen, in eine andere Stadt zu ziehen. Als er sich gerade anschickte umzuziehen, entwickelten sich in der anderen Stadt Schwierigkeiten, die seinen Umzug unmöglich machten. In seiner verzweifelten Lage bestieg er dennoch den Zug in die neue Stadt. Auf halbem Wege zu seinem Bestimmungsort stieg er bei einer Station aus, um auf dem Bahnsteig auf und ab zu gehen. Als der Schaffner »Alles einsteigen« rief, hatte er plötzlich das Gefühl, daß er weder weiterfahren noch nach Hause zurückkehren konnte; er brach auf der Stelle tot zusammen. Er reiste mit einem Freund, einem Berufskollegen, mit dem er sein trauriges Schicksal teilte. Die Autopsie ergab einen Herzinfarkt.179 Eine 27jährige asthmatische Frau starb offensichtlich an einem Herzstillstand und hatte weder vor noch während des Interviews einen Asthmaanfall erlitten. Sie hatte sich nur widerstrebend in eine Diskussion über ihre psychischen Probleme hineinziehen lassen, bei der die Demütigung einer Verführung, ein außereheliches Kind und ein Vergewaltigungsversuch durch ihren Bruder zur Sprache kamen. Als sie erzählte, wie sie zunehmend von ihrer Familie zurückgewiesen und abgeschnitten worden war, wie sie die Universität bereits im ersten Jahr hatte verlassen müssen und wie sie schlecht bezahlte Stellungen annehmen mußte, die sie wegen ihrer Asthmaanfälle doch bald wieder verlor, wurde sie immer aufgeregter, weinte, hyperventilierte und brach schließlich bewußtlos zusammen, als sie sagte: »Natürlich verlor ich immer meinen Job und hatte keine Hoffnung mehr, mich zu erholen. Deshalb wollte ich sterben und will eigentlich immer sterben, weil ich zu überhaupt nichts tauge«.180 123 Die Ergebnisse aus Rochester bleiben nicht auf Falldarstellungen beschränkt. 51 Frauen, die sich regelmäßig Krebsvorsorgeuntersuchungen unterzogen, wurden ausführlich befragt.181 Bei jeder waren »verdächtige« Zellen im Gebärmutterhals festgestellt worden, die aber nicht als bösartig diagnostiziert wurden. Es ergab sich aus den Interviews, daß 18 der Frauen in den vergangenen sechs Monaten einen bedeutsamen Verlust hatten hinnehmen müssen, der zu Gefühlen von Hoffnungslosigkeit geführt hatte. Die anderen Frauen hatten kein derartiges Ereignis in ihrem Leben erfahren. Die Forscher sagten voraus, daß gerade diese 18 Frauen mit Gefühlen der Hoffnungslosigkeit für die Entwicklung von Karzinomen prädisponiert sein würden, auch wenn beide Gruppen gleichermaßen gesund schienen. 11 von den 18 Patientinnen, die Hoffnungslosigkeit erlebt hatten, bekamen später Krebs. Von den übrigen 33 Patientinnen bekamen nur acht Krebs. Auch der Tod aus Trauer, wie ihn Flint nach dem Tod Flos starb, ist bei Menschen statistisch nachgewiesen worden. 4500 Witwer, 55 Jahre und älter, wurden vom British Medical Records erfaßt. Während der ersten sechs Monate ihrer Trauer starben 231.182 Diese Todesrate liegt um 40% über der für diese Altersgruppe erwarteten. Nach den ersten sechs Monaten sank die Todesrate auf das normale Niveau. Der Hauptanteil dieser gesteigerten Todesrate ging wahrscheinlich auf Herz-Kreislaufkrankheiten zurück. Der plötzliche Tod von 26 Arbeitern der Eastman Kodakwerke wurde genau untersucht.183 Der vorherrschende prämorbide Zustand schien Depression zu sein. Wenn diese depressiven Männer in Wut oder Angst versetzt wurden, starben sie an HerzKreislaufversagen. D. S. Krantz und seine Mitarbeiter untersuchten mit Hilfe einer von R. H. Rosenman und Mitarbeitern entwickelten Skala184 die Anfälligkeit für Herzanfälle und Reaktionen auf Hilflosigkeit. Zunächst wurden Studenten danach eingeteilt, ob sie den sogenannten Verhaltenstyp A zeigten, einen Lebensstil, der durch Ehrgeiz, Ungeduld, Wettbewerbsorientiertheit und Zwanghaftigkeit charakterisiert wird. Dann wurden die Versuchspersonen vermeidbarem oder unvermeidbarem Lärm ausgesetzt und später in der von Hiroto entwickelten Finger-shuttle box getestet. Das Geräusch war entweder mittelmäßig oder sehr laut. Hilflosigkeit wurde nach unvermeidbarem Lärm unabhängig von seiner Intensität beobachtet; besonders interessant erscheint aber, daß Studenten mit dem Verhaltenstyp A besser abschnitten, wenn das unvermeidbare Geräusch von mittlerer Lautstärke war. Wenn das unvermeidbare Geräusch sehr laut wurde, reagierten diese Studenten noch hilfloser als normale Versuchspersonen. Es scheint also möglich, daß die Verbindung von Verhaltenstyp A und Hilflosigkeit unter starkem Streß besonders tödlich wirkt. Da ich die Behauptung aufgestellt habe, daß Depression und Hilflosigkeit aneinander gebunden sind, ist es nicht erstaunlich, Depression in enger Verbindung mit plötzlichem Tod zu finden. Depression verzögert auch die Genesung bei verschiedenen Infektionskrankheiten.185 600 Angestellte beim Bodenpersonal der Luftwaffe füllten eine Batterie von Persönlichkeitsfragebögen aus. Einige Monate später brach in dieser Region eine Grippeepidemie aus. 26 der Getesteten erkrankten an Grippe; von diesen zeigten zwölf drei Wochen später immer noch Symptome. Diese zwölf Personen waren bei der Persönlichkeitsbefragung sechs Monate zuvor bei den signifikant stärker depressiven gewesen. Bei fast allen der bisher dargelegten Untersuchungen über Tod stößt man auf methodische Probleme. Doch obwohl die vorliegenden Daten zu diesem Zeitpunkt kaum eindeutig zu interpretieren sind, sollte uns die Vorsicht dennoch eines gelehrt haben: Hilflosigkeit scheint Menschen anfälliger für die z.T. auch tödlichen Krankheitserreger, die ununterbrochen um uns herum sind, zu machen. Wenn ein Elternteil von uns stirbt (oder wenn unser Ehepartner stirbt), müssen wir besonders vorsichtig sein. Ich würde eine 124 gründliche medizinische Durchuntersuchung in zweimonatigem Abstand während des ersten Jahres nach dem Verlust empfehlen. Ein derartiges Vorgehen scheint mir nach jeder einschneidenden Veränderung im Leben umsichtig.186 8.2.1 Hilflosigkeit in Heimen und Kliniken Institutionen berücksichtigen viel zu wenig die Bedürfnisse ihrer Insassen nach Kontrolle über wichtige Lebensumstände. Die Arzt-Patient-Beziehung ist gewöhnlich nicht so angelegt, daß sie dem Patienten ein Gefühl für Kontrolle vermitteln würde. Der Arzt weiß alles und sagt im allgemeinen wenig; vom Patienten wird erwartet, daß er sich »geduldig« zurücklehnt und auf die professionelle Hilfe vertraut. Obwohl solch extreme Abhängigkeit für bestimmte Patienten unter bestimmten Umständen hilfreich sein mag, würde anderen ein größeres Maß an Kontrolle helfen. In eine Klinik eingeliefert zu werden und dann der Kontrolle über selbst einfache Dinge beraubt zu werden – z.B. wann man aufwacht und welchen Schlafanzug man tragen darf –, mag einem effizienten Arbeitsablauf in der Klinik förderlich sein, beschleunigt aber nicht die Genesung. Dieser Verlust an Kontrolle kann darüber hinaus einen organisch kranken Menschen weiter schwächen und seinen Tod verursachen. R. Schulz und D. Aderman (1974) verglichen zwei Gruppen von Patienten, die an Krebs im Endstadium litten, und parallelisierten sie nach dem Schweregrad der Krankheit. Alle Patienten waren kurz zuvor auf die Intensivstation verlegt worden. Eine Gruppe war aus anderen Kliniken gekommen, während die Patienten der anderen Gruppe direkt von zu Hause kamen. Die Patienten, die von zu Hause kamen, starben früher. Die Autoren nehmen an, daß der plötzliche Bruch in ihrem Lebensrhythmus und der Verlust von Kontrolle, der mit dem Verlassen ihres Hauses eintrat, Hilflosigkeit verursachte und zum baldigen Tod beitrug.187 H. M. Lefcourt (1973) berichtet von einem schlagenden Beispiel eines plötzlichen Todes in einer Anstalt: Der Autor war Zeuge eines solchen Todesfalles, der auf einen Verlust des Lebenswillens innerhalb einer psychiatrischen Klinik zurückzuführen war. Eine Patientin, die sich seit beinahe zehn Jahren in einem Zustand völliger Stumpfheit befand, wurde zusammen mit den anderen Kranken ihres Stockwerks auf ein anderes Stockwerk im gleichen Haus verlegt, während ihre Station renoviert wurde. Der dritte Stock dieser psychiatrischen Anstalt, in dem die betreffende Patientin gelebt hatte, galt bei den Patienten als Abteilung der Hoffnungslosen. Im Gegensatz dazu war das erste Stockwerk im allgemeinen mit Patienten belegt, die noch gewisse Privilegien hatten – dazu gehörte z.B. die Freiheit, sich auf dem Gelände der Anstalt und in den angrenzenden Straßen frei zu bewegen. Kurz, der erste Stock war eine offene Station, auf der die Patienten zuverlässig ihre baldige Entlassung erwarten konnten. Alle Patienten, die vorübergehend aus dem dritten Stock in den ersten verlegt wurden, wurden vorher ärztlich untersucht, und der fraglichen Patientin wurde trotz ihrer Stumpfheit und ihres Mutismus ein ausgezeichneter gesundheitlicher Zustand bescheinigt. Kurz nach ihrer Verlegung in den ersten Stock überraschte diese chronische Patientin das Pflegepersonal dadurch, daß sie zugänglich wurde und binnen zwei Wochen aus ihrer Stumpfheit herauskam und tatsächlich ganz gesellig wurde. Wie das Schicksal es wollte, war die Renovierung der Station im dritten Stock bald abgeschlossen, und alle früheren Insassen wurden wieder zurückverlegt. Innerhalb einer Woche, nachdem sie auf die hoffnungs125 lose Station zurückgekehrt war, brach diese Patientin, die wie das legendäre Schneewittchen aus einem Dasein als wandelnder Leichnam auferweckt worden war, zusammen und starb. Die anschließende Autopsie ergab keine nennenswerten pathologischen Veränderungen, und es wurde zu diesem Zeitpunkt angenommen, daß die Patientin an Verzweiflung gestorben war. Patienten in Anstalten – ob auf Stationen mit Krebspatienten im Endstadium, auf Stationen leukämischer Kinder oder in Altersheimen – sollten ein Maximum an Kontrolle über Bereiche ihres täglichen Lebens erhalten: z.B. die Wahl zwischen Omelett oder Rührei zum Frühstück, zwischen roten oder blauen Vorhängen, oder ob sie lieber mittwochs oder donnerstags ins Kino gehen wollen, oder ob sie früh aufstehen oder lange schlafen wollen. Wenn die hier vorgestellte Theorie der Hilflosigkeit irgendeine Gültigkeit hat, sollten diese Menschen länger leben, mehr Spontanremissionen zeigen und sicherlich glücklicher sein. Es gibt auch weniger zum Wohle des Menschen eingerichtete Institutionen, die Hilflosigkeit fördern und zu psychogenem Tod führen. Dabei stehen Gefängnisse und Konzentrationslager oder Kriegsgefangenenlager obenan. Die außergewöhnliche Erfahrung von Major Kushner belegt dies. Ähnlich kann die Todesrate amerikanischer Kriegsgefangener in japanischen Lagern nicht ganz uneingeschränkt auf körperliche Ursachen zurückgeführt werden. Während des Philippinen-Feldzugs starben 4000 von 30.000 amerikanischen Kriegsgefangenen innerhalb der ersten paar Monate ihrer Gefangenschaft. J. E. Nardini berichtet: Die Mitglieder dieser Gruppe fanden sich plötzlich ihres Namens, ihres Ranges, ihrer Identität, der Gerechtigkeit und jedes Anspruches darauf, wie ein menschliches Wesen behandelt zu werden, beraubt. Obwohl organische Krankheiten und der Mangel an Nahrung, Wasser und Medikamenten in dieser Zeit am stärksten waren, spielten die emotionalen Belastungen und reaktive Depression eine große Rolle bei der Unfähigkeit des Individuums, mit körperlichen Symptomen und Krankheiten fertig zu werden, und trugen ohne Zweifel viel zu der massiven Todesrate bei.188 Was befähigt unter diesen Umständen zum Überleben? Die bedeutendste Rolle unter den Faktoren, die nach Ansicht Nardinis das Überleben begünstigten, spielten »starker Lebenswille und kontinuierliche Willensanstrengungen.« Die psychosomatischen Auswirkungen von Willensakten – aktive Kontrolle über Konsequenzen – und Lebenswillen können nicht überschätzt werden. Von allen psychosomatischen Variablen mag diese die wirksamste sein. Wenn ein Gefangener aufgibt, kann der Tod bald folgen. Bruno Bettelheim beschreibt solche eigenartigen Insassen, die »Muselmänner«, die in nationalsozialistischen Konzentrationslagern rasch aufgaben und ohne offensichtliche körperliche Ursache starben: Gefangene, die anfingen, den wiederholten Äußerungen der Wachen zu glauben, daß es für sie keine Hoffnung gebe, daß sie das Lager niemals verlassen würden, es sei denn als Tote, Gefangene, die das Gefühl entwickelten, daß sie auf ihre Umwelt keinerlei Einfluß ausüben konnten, diese Gefangenen waren im wahrsten Sinne des Wortes wandelnde Leichname. In den Lagern wurden sie »Moslems« (Muselmänner) genannt, da man ihnen eine fatalistische Schicksalsergebenheit zusprach, so wie man von Mohammedanern gemeinhin annimmt, daß sie ihr Schicksal blind annehmen. 126 ... sie waren so sehr jeder Gefühlsregung, jeder Selbstachtung und jeder Form der Stimulation beraubt, so völlig erschöpft, sowohl körperlich als auch emotional, daß sie der Umgebung totale Macht über sich gegeben hatten.189 Kurz nach Beginn ihrer Gefangenschaft hörten diese Männer auf zu essen, saßen stumpfsinnig und bewegungslos in der Ecke herum und hauchten einfach ihr Leben aus. 8.2.2 Tod durch Hilflosigkeit im Alter Wenn ein Mensch oder ein Tier mit seinen Körperkräften am Ende ist, geschwächt durch Unterernährung oder Herzkrankheit, kann ein Gefühl von Kontrolle das Zünglein an der Waage zwischen Leben und Tod bedeuten. Es gibt ein Phänomen im menschlichen Leben, das unweigerlich körperliche Schwächung mit sich bringt – das Altern. Der alte Mensch ist besonders anfällig für den Verlust von Kontrolle, vor allem in der amerikanischen Gesellschaft; keine Gruppe, weder Schwarze noch Indianer, noch Einwanderer südamerikanischer Herkunft befinden sich in vergleichbar hilflosem Zustand wie unsere Alten. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Amerikaners – verglichen mit anderen Wohlstandsnationen – dürfte weniger ein Zeugnis mittelmäßiger medizinischer Versorgung sein als ein Zeugnis der Art und Weise, wie wir unsere Alten psychologisch behandeln. Wir zwingen sie, sich mit 65 Jahren pensionieren zu lassen, wir stecken sie in Altersheime. Wir ignorieren unsere Großeltern, wir rangieren sie aus – wir sind eine Nation, die alte Menschen der Kontrolle über die für sie bedeutsamsten Ereignisse ihres täglichen Lebens beraubt. Wir töten sie.190 N. A. Ferrari (1962) hat eine – zwar vernachlässigte, aber sehr bedeutsame – Doktorarbeit über die wahrgenommene Entscheidungsfreiheit in einem Altersheim geschrieben. Ihr Hauptinteresse galt der Einstellungsänderung in diesem Heim, aber im Laufe der Arbeit kristallisierte sich als neuer Hauptschwerpunkt das Überleben heraus. 55 Frauen über 65 (Durchschnittsalter 82 Jahre) hatten sich für die Aufnahme in ein Altersheim im mittleren Westen der USA beworben. Ferrari fragte sie bei der Aufnahme in das Heim, wie frei sie sich bei der Entscheidung, in dieses Haus zu ziehen, gefühlt hätten, wieviele andere Möglichkeiten ihnen offengestanden hätten, und wieviel Druck ihre Anverwandten auf sie ausgeübt hätten, in das Heim zu ziehen. Von den 17 Frauen, die aussagten, daß sie keine andere Alternative gehabt hätten als in dieses Heim zu ziehen, starben acht nach vier Wochen ihres Aufenthaltes, und nach zehn Wochen waren insgesamt 16 gestorben. Auffällig war, daß während dieser Anfangsphase nur eine von den 38 Frauen starb, die eine Alternative gesehen hatten. Das Heimpersonal bezeichnete diese Todesfälle als »unerwartet«. Eine andere Stichprobe von 40 Frauen bewarb sich zwar um die Aufnahme, starb aber bereits vor ihrem Einzug. Von den 22 Frauen, deren Familien den Aufnahmeantrag gestellt hatten, starben 19 innerhalb eines Monats, nachdem sie die Zusage erhalten hatten. Von den 18 Frauen, die sich selbst beworben hatten, waren nur vier bis zum Ende dieses Monats gestorben. Es ist möglich, daß bei diesen Ergebnissen unterschiedliche körperliche Gesundheitszustände eine Rolle spielten – je kränker man ist, umso intensiver werden die Familienangehörigen versuchen, einen außer Sichtweite zu bringen. Dies läßt sich aus der ursprünglichen Doktorarbeit schwer sagen. Auf der anderen Seite mögen die Ergebnisse direkt die tödliche Auswirkung von Hilflosigkeit auf alte Menschen widerspiegeln. Meines Erachtens nach hätte diese Studie ein Fanfarensignal zum Handeln oder wenigstens zu weiterer Forschung sein müssen, aber sie stieß auf taube Ohren. D. R. Aleksandrowicz beobachtete die tödlichen psychogenen Auswirkungen, die ein Feuer auf einer geriatrischen Station auf die Patienten hatte. Keiner der Patienten wurde von den Flammen verletzt, aber die Station war so verwüstet, daß die Patienten für mehrere Wochen verlegt wurden, bis die Reparaturen abgeschlossen waren. Innerhalb eines 127 Monats nach dem Brand starben fünf der 40 Patienten. Diese Todesrate von 20% lag wesentlich höher als die Todesrate der vorangegangenen drei Monate mit 7,5%. Auch diese Todesfälle waren wieder weitgehend »unerwartet«. Hier ein typischer Fall: Ein 76 Jahre alter ehemaliger Pferdehändler, Spieler und Abenteurer war 1957 in einem Zustand extremer Abmagerung und mit Anzeichen von Schwindsucht in die Klinik eingeliefert worden. Sein körperlicher Zustand verbesserte sich mit der Behandlung, aber er blieb an Stuhl oder Rollstuhl gebunden. Er litt außerdem unter einer chronischen Harnwegsinfektion, die sich als resistent gegen jede Behandlung erwies. Sein verdrießliches, quengeliges Verhalten, dauernde Forderungen, Konkurrenzkämpfe mit und Provokationen von anderen Patienten und hinterhältige Versuche, das Personal herauszufordern, machten ihn auf der Station zum Problem. Gleichzeitig entwickelten einige Mitglieder des Teams eine gewisse Zuneigung zu diesem ungewöhnlichen Patienten. Er zeigte eine starke, wenn auch ambivalente Bindung zur Krankenschwester, zu einer Aushilfskraft und zum Arzt. Mithilfe eines starren, gut koordinierten Systems von Privilegien und Kontrollen konnte man mit ihm umgehen. Nach dem Brand wurde dieser Patient auf die neurologische Station verlegt, auf der seine früheren Privilegien (ihn z.B. jeden Tag zu bestimmten Stunden mit Milchkartons zu versorgen) und Kontrollen nicht beibehalten werden konnten. Der Patient machte einen niedergeschlagenen und traurigen Eindruck. Er drückte nicht wie sonst seinen bitteren Zorn aus und pflegte zu antworten, wenn er angesprochen wurde. Zwei Wochen nach dem Brand wurde er tot aufgefunden, und die Diagnose war wahrscheinlich Herzinfarkt. Eine Autopsie wurde nicht durchgeführt. Obwohl der Patient unterernährt und schwach gewesen war, wies nichts auf einen kritischen Zustand hin, und sein Tod kam völlig überraschend. Der Tod wurde als »unerwartet« klassifiziert.191 Ich möchte nahelegen, derartige Todesfälle nicht länger als unerwartet anzusehen. Wir sollten erwarten, daß wir ein körperlich bereits geschwächtes menschliches Wesen umbringen, wenn wir die Reste möglicher Kontrolle über seine Umgebung entfernen. Erzwungene Pensionierung ist ein Beispiel dafür. Die gleichen Überlegungen, die dagegen sprechen, keine Schwarzen und keine Frauen einzustellen, sollten auch dafür gelten, einen Menschen nicht einfach zu entlassen, nur weil er 65 Jahre alt geworden ist. Dies wirkt nicht nur diskriminierend, weil der Verdienst des einzelnen nicht berücksichtigt wird, es kann auch tödlich wirken – nimm einem Mann seine Arbeit, und du entfernst die für ihn bedeutsamste Quelle instrumenteller Kontrolle. 8.2.3 Frühkindliches Sterben und anaklitische Depression So wie alte Menschen können auch Kinder wahrscheinlich wahrnehmen, wie hilflos sie sind. R. Spitz (1946) berichtete als erster über das Phänomen der anaklitischen Depression oder des Hospitalismus. Wie im vorausgegangenen Kapitel (vgl. S. 136 ff.) erwähnt wurde, entsteht dieses Phänomen unter zwei Bedingungen: wenn Kinder in Waisenhäusern aufwachsen, in denen sie nur einem Minimum an Umweltreizen ausgesetzt werden, werden sie stumpf und unansprechbar; und wenn Kinder zwischen dem sechsten und dem achtzehnten Lebensmonat von ihren Müttern getrennt werden – die z.B. im Gefängnis sitzen –, entwickeln die Kinder ebenfalls Depressionen.192 Von den 91 Kindern eines Waisenhauses, die Zeichen von Hospitalismus zeigten, starben 34 im Verlauf der folgenden zwei Jahre. Der Tod wurde verursacht durch Erkrankungen der 128 Atemwege, Masern und Verdauungsstörungen. Es ist unwahrscheinlich, daß die objektiven Bedingungen im Waisenhaus so schlecht waren, daß sie eine Todesrate von 40% verursachten. Aber was bedeuten der Mangel an Stimulation und die Trennung von der Mutter für ein Kind in einem Alter, in dem es instrumentelle Kontrolle entwickelt? Hilflosigkeit. Wir sollten mittlerweile nicht mehr überrascht sein, eine erhöhte Anfälligkeit für den Tod als Konsequenz von Hilflosigkeit zu erkennen. 8.3 Schluß Ich bitte den wissenschaftlich gebildeten Leser um Verzeihung (wenn auch nicht allzu nachdrücklich), wenn meine Argumente in diesem Kapitel eher impressionistischen Charakter haben. Was ich zusammengetragen habe, ist eine gewichtige Reihe von Anekdoten und einige experimentelle Untersuchungen, von denen nur wenige besonders genau geplant und durchgeführt worden sind. Aber vielleicht tröstet die Bedeutung der Problematik darüber hinweg. Wenn plötzlicher Tod durch Hilflosigkeit eine Tatsache ist, ist er eine Tatsache von ausreichender Brisanz, um einen kurzen Appell an Wissenschaftler zu verdienen, sich ernsthaft mit ihm zu beschäftigen. Ich hoffe, daß ich einen überzeugenden Anlaß zu kontrollierten Untersuchungen auf diesem Gebiet gegeben habe. Eine Vielfalt von Spezies, von der Kakerlake bis zur wilden Ratte, von Hühnern bis zu Schimpansen, von Säuglingen bis zu Greisen, scheinen Tod durch Hilflosigkeit erleiden zu können. Im Verlauf eines solchen Sterbens verliert das Individuum Kontrolle über Dinge, die für es bedeutsam sind. Auf Verhaltensebene reagiert es mit Depression, Passivität und Unterwerfung. Subjektiv fühlt es sich hilflos und hoffnungslos. In der Folge tritt unerwarteter Tod ein. Was verursacht diesen Tod? Im letzten Stadium tritt eine ganze Skala körperlicher Reaktionen auf: Herzversagen, Asthma, Lungenentzündung, Krebs, Infektionen, Unterernährung. Bisher konnte kein einzelner organischer Grund angegeben werden, doch steht der Tod mit einer Verlangsamung des Herzens in Zusammenhang. Medizinische Forscher nahmen hypothetisch unter anderem eine vagale Inhibition des Herzrhythmus, einen Tauchreflex und parasympathische Übererregung als mögliche Ursachen an.193 Ich bin nicht sachverständig genug, um diese Hypothesen beurteilen zu können, aber ich habe den Verdacht, daß kein organisches Substrat gefunden wird. Das Fehlen physiologischer Einheitlichkeit sollte uns jedoch nicht blind machen für die Realität des Phänomens oder für seine regelmäßige psychologische Ursache, die einzige Ursache, die wir beim derzeitigen Stand unseres Wissens spezifizieren können: Hilflosigkeit, die Wahrnehmung von Unkontrollierbarkeit. Nur eine psychologische Ursache anzugeben, bedeutet nicht notwendigerweise, daß ein Phänomen eher metaphysischer oder parapsychologischer Natur ist. Sterben aus Hilflosigkeit ist real genug. Ein Verständnis der psychologischen Grundlage gestattet uns vielleicht, einige dieser Todesfälle dadurch zu verhindern, daß man instrumentelle Kontrolle in das tägliche Leben gefährdeter Menschen einbaut. 129 Ich nehme an, daß dies bereits früher gesagt worden ist. Aber keine Aussage dazu bewegt mich mehr als Dylan Thomas’ Verse: Do not go gentle into that good night, Old age should burn and rave at close of day; Rage, rage against the dying of the light. ... And you, my father, there on the sad height, Curse, bless, me now with your fierce tears, I pray. Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. Übersetzung: Geh nicht gelassen in die gute Nacht, Brenn, Alter, rase wenn die Dämmerung lauert; Im Sterbelicht sei doppelt zornentfacht. ... Und du mein Vater dort auf der Todeswacht, Fluch segne mich, von Tränenwut vermauert. Geh nicht gelassen in die gute Nacht. Im Sterbelicht sei doppelt zornentfacht.* * aus: Geh nicht gelassen in die gute Nacht entnommen aus: Dylan Thomas, WINDABGEWORFENES LICHT Herausgegeben von Klaus Martens © 1992 Carl Hanser Verlag, München – Wien 130 9 Erlernte Hilflosigkeit: Neue Konzepte und Anwendungen Nachwort von Franz Petermann 9.1 Einleitung Der Ursprung der Hilflosigkeitsforschung geht auf Studien von Martin E. P. Seligman, Steven F. Maier und J. Bruce Overmier zurück, die vor knapp 30 Jahren (von 1964 bis 1967) durchgeführt wurden. Gegenstand ihrer tierexperimentellen Studien war der Zusammenhang zwischen Angstkonditionierung und Vermeidungslernen (vgl. Brunstein, 1990). Das Resultat der Bemühungen führte zu unerwarteten und überraschenden Befunden. Nach de Jong (1992, S. 137) kommt der schnell expandierenden Hilflosigkeitsforschung das Verdienst zu, »im Bereich der psychologischen Grundlagenforschung zur Depression wissenschaftliche Standards eingeführt und den Aspekt der Unkontrollierbarkeit von Erfahrungen in seiner Bedeutung für affektive Störungen herausgearbeitet zu haben«. Die Theorie der erlernten Hilflosigkeit – und das gestehen auch die Kritiker ein – hat Eingang in die Entwicklungs- und Sozialpsychologie, aber auch in die Klinische und Pädagogische Psychologie gefunden. Das Konzept erwies sich vielfach als nützlich, wenn es darum ging, praktisches Handeln psychologisch zu fundieren. Die Theorie der erlernten Hilflosigkeit stützte in ihrem Hauptanwendungsfeld, nämlich der Klinischen Psychologie, die Position der Lerntheorie und führte zugleich die Attributionstheorien in diesen Bereich ein (vgl. Försterling, 1986). Solche Bestrebungen dürfen als positiv angesehen werden, da sie zur Fundierung klinischen Handelns führen können. Jedes psychologische Konzept, das populär wird und in immer neue Felder Eingang findet, muß sich mit kritischen Bemerkungen auseinandersetzen und an Alternativkonzepten messen lassen. Dies ist auch bei der Theorie der erlernten Hilflosigkeit der Fall. Von 1975 an kam es ständig zu Reformulierungen, alternativen Entwürfen, integrierenden Ansätzen u.ä. Ich setze mich mit diesen Weiterentwicklungen auseinander und berücksichtige besonders die Literatur von 1978 bis heute (1992). Zunächst wird über theoretische Entwicklungen und begriffliche Unschärfen berichtet, dann auf neuere empirische Befunde und deren Bewertung eingegangen und abschließend die Anwendungen und Perspektiven der Theorie der erlernten Hilflosigkeit diskutiert. Die Hilflosigkeitstheorie spiegelt sicherlich auch den Zeitgeist wider. Zwar scheinen Unkontrollierbarkeit, Nichtplanbares und Unverhofftes nicht in eine hochtechnisierte Welt zu passen; trotzdem findet man heute immer häufiger Erscheinungsformen der Macht-, Hilf- oder Hoffnungslosigkeit. Zur Erklärung dieser Zustände zieht die Psychologie u.a. Variablen aus den Bereichen »Handlungskontrolle« und »Selbstkonzept« heran und setzt ihnen Variablen aus der Vertrauensforschung entgegen (vgl. Petermann, 1992). Der vielleicht umfassendste Versuch, kognitive Variablen und Aspekte von Hilflosigkeit zu verbinden, stammt von Martin Seligman und seinen Mitarbeitern. Erlernte Hilflosigkeit war bislang Gegenstand einiger hundert psychologischer Untersuchungen, vor allem im anglo-amerikanischen und ansatzweise im deutschsprachigen Raum. Das Konzept der erlernten Hilflosigkeit wurde auf viele Bereiche übertragen, von denen Tabelle 9.1 eine Auswahl darstellt. Vor diesem Hintergrund erscheint das Konzept der erlernten Hilflosigkeit als ein allgemeines, überall anwendbares Modell zur Beschreibung der Herausbildung psychischer Fehlentwicklungen und des Bewältigungsprozesses in kritischen Lebensphasen (Lebenssituationen). Anscheinend sind die Symptome psychischer Fehlentwicklungen bzw. die Bewältigungsprozesse in kritischen Lebensphasen so ähnlich, daß die große Viel131 zahl der untersuchten Erscheinungsformen durch das Modell der erlernten Hilflosigkeit abgedeckt werden kann. Tabelle 9.1: Übertragung des Konzepts der erlernten Hilflosigkeit auf nichtdepressives Verhalten Erklärungsbereiche Autoren Affektive Stimmungen Aggression Alkoholismus Angst Arbeitslosigkeit Arbeitsverhalten (Jugendliche) Aufmerksamkeitsstörungen Drogenmißbrauch Epilepsie Geistige Behinderung Herz-Kreislauf-Erkrankungen Herzinfarkt Hospitalismus Intergenerative Erziehung Krebs- und Tumorerkrankungen Leseschwäche Mutter-Kind-Interaktion Organisationspsychologische Fragen Pädgogisches Handeln Pessimismus Psychosomatische Erkrankungen Schulische Leistungsfähigkeit Schulversagen Selbstmordversuche Soziale Unsicherheit bei Kindern Sozialverhalten bei Jugendlichen Taubheit Unfallpatienten Vertrauen Verwitwung Hunsley, 1989 Geen, 1978 Donovan & O’Leary, 1979 Schwarzer, 1989; Schwarzer & Walschburger, 1985 Frese, 1979; Klein-Moddenburg, 1984 Petermann & Petermann, 1992a Milich & Okazaki, 1991 Berglas & Jones, 1978 De Vellis et al., 1980 De Vellis & McCauley, 1979 Brunson & Mathews, 1981 Bar-On, 1987 Seligman, in diesem Buch über erlernte Hilflosigkeit Greger, 1992 Visintainer et al., 1983; Lakomy, 1988 Butkowsky & Willows, 1980; Fowler & Peterson, 1981 Donovan & Leavitt, 1984; Papousek, 1985 Rüttinger & Klein-Moddenburg, 1980 Ulich, 1980 Seligman, 1990 Kastner, 1981 Balk, 1983; Jerusalem, 1984; Nolen-Hoecksema et al., 1986 Roles et al., 1980 Kazdin et al., 1983 Petermann & Petermann, 1992b Monien, 1985; U. Petermann, 1992 McCrone, 1979 Rogner et al., 1987 Petermann, 1992 Schneider, 1979 Diese rasante Verbreitung mag verwundern, wenn man sich die massive Kritik an der Theorie der erlernten Hilflosigkeit vor Augen hält. Allein die tierexperimentelle Basis der Theorie kann man unter ethischen und methodischen Überlegungen bezweifeln. Ob man tierexpenmentelle Befunde überhaupt auf menschliches Verhalten übertragen kann, wird vehement diskutiert und die Stimmigkeit der Befunde an sich kritisiert. Schon Klosterhalfen & Klosterhalfen (1983) stellen in Frage, ob man mit Tierexperimenten tatsächlich den Kernbefund der Theorie der erlernten Hilflosigkeit, nämlich die Unfähigkeit, neue Kontingenzen zu erlernen, belegen kann. In der Übersichtsarbeit trat bei 92 Tierexperimenten der Effekt nur zweimal auf. Klosterhalfen & Klosterhalfen gehen soweit, daß man die in Tierexperimenten auftretenden Effekte nicht auf die spezifische experimentelle Anordnung zurückführen kann, sondern oft ausschließlich aus dem Schock per se erklärt werden kann. 132 9.2 Theoretische Entwicklungen Die ursprüngliche Theorie von Seligman geht davon aus, daß Hilflosigkeit in einem Drei-Stufen-Prozeß zu erklären ist. Dieser Prozeß umfaßt die drei Schritte: 1. Bewertung der eigenen Kontrollmöglichkeiten aufgrund der bisherigen Erfahrung, Einfluß auf das Geschehen ausüben zu können; 2. Erwartung an zukünftige Ereignisse (Kompetenzerwartungen) und 3. das gezeigte Verhalten. Man geht dabei von objektiven Informationen über die Kontrollmöglichkeiten aus, die bewertet werden und zu spezifischen Erwartungen an zukünftige Ereignisse führen. Es wird vielfach belegt, daß Depressive im Vergleich zu Nicht-Depressiven sich weit weniger zutrauen, Kontrolle über eine Situation ausüben zu können (Peterson & Seligman, 1984b; Martin et al. 1984). In diesem Modell stehen die genannten drei Stufen in Beziehung miteinander. Tabelle 9.2 gibt an, in welcher Form mögliche Diskrepanzen von realen Kontrollmöglichkeiten und Kompetenzerwartungen denkbar sind und wie sie sich auf das Handeln auswirken. Tabelle 9.2: Verknüpfung von Kontrollmöglichkeiten, Kompetenzerwartungen und Verhalten. Kontrollmöglichkeiten Gering Kompetenzerwartungen Hoch Gering keine Handlungskompetenz Kontrollillusion (Selbstüberschätzung) Hoch Hilflosigkeit hohe Handlungskompetenz Tabelle 9.2 verdeutlicht auch, daß die Ursachen für die negativen Auswirkungen ausschließlich in der geringen Kompetenzerwartung liegen, Dinge beeinflussen zu können. Von Seligman werden keine Aussagen darüber gemacht, unter welchen Bedingungen eine Diskrepanz vorliegt, die zur Kontrollillusion und damit zu einer maßlosen Selbstüberschätzung führt (vgl. Langer, 1975). Nach Seligman bewirkt nur die Zelle der Tabelle 9.2 mit dem Etikett »Hilflosigkeit« Depression; die übrigen scheinen zu »gesunden Verhaltensweisen« beizutragen. Die Weiterentwicklung der Seligmanschen Theorie besteht im wesentlichen darin, neue kognitive Variablen einzuführen, die darauf hinauslaufen, die problematischen Schlüsse von Tierexperimenten auf menschliches Verhalten zu relativieren. Erste Versuche in diese Richtung stammen von Abramson et al. (1978) und Miller & Norman (1979). Im Rahmen der Theoriendiskussion muß auch die kritische und integrierende Position der Arbeitsgruppen um Wortman (Wortman & Brehm, 1975; Wortman & Dintzer, 1978) dargestellt werden. Wortmans Arbeiten beziehen sich auf die ursprüngliche Theorie sowie die Reformulierung von Abramson et al. (1978). 133 9.2.1 Die Reformulierung von Abramson, Seligman & Teasdale 9.2.1.1 Annahmen Ergänzend zu der ursprünglichen Theorie von Seligman wird von Abramson et al. ein Bewertungsprozeß (Attributionsprozeß) eingeführt, der das Ausmaß der Hilflosigkeit mitbestimmen soll. Diese Überlegungen gehen von dem Konzept des »locus of control« von Rotter (1972) aus. Es wird dabei angenommen, daß hilflose Menschen Mißerfolge ihrem persönlichen Geschick und ihren Fähigkeiten zuschreiben (= internal) sowie Erfolge eher durch Glück oder Zufall erklären (= external). Hingegen suchen nicht-hilflose Menschen bei Mißerfolgen die Ursache eher in den äußeren Umständen (Pech, Zufall) und bei Erfolgen sind sie stolz auf ihre Leistung, d.h. sie erklären sie internal. Die auf diesem Ansatz basierende Untersuchung (vgl. Klein & Seligman, 1976) spricht aber nicht für diese einfache Gleichsetzung. Der Befund führt Abramson et al. (1978) zu dem Schluß, daß external/internal und hilflos/nicht-hilflos in jeder Kombination auftreten können. Dies bedeutet also, daß es external wie internal attribuierende hilflose Personen gibt. In dem Konzept von Abramson et al. bestimmen die Attributionsprozesse, wie Nichtkontrolle verarbeitet wird. Die Formen der Hilflosigkeit hängen von den nachfolgend darzustellenden Arten der Attributionsmuster ab, die eine Person zur Erklärung erfahrener Nichtkontrolle heranzieht. Das jeweilige Attributionsmuster bestimmt die Erwartungen über den zukünftigen Erfolg eigenen Handelns. Folgende Attributionsstile lassen sich nach Abramson et al. trennen: 1. 2. 3. internal vs. external; global vs. spezifisch; stabil vs. variabel. 9.2.1.1.1 Internal vs. external Zunächst unterscheiden Abramson et al. (1978) zwischen persönlicher und universeller Hilflosigkeit. Von persönlicher Hilflosigkeit spricht man, wenn ein Individuum glaubt, daß die Konsequenzen des eigenen Verhaltens nur von der eigenen Person nicht – dagegen von allen anderen Personen sehr wohl – kontrolliert werden können. Bei universeller Hilflosigkeit vertritt das Individuum die Ansicht, weder es selbst noch andere seien in der Lage, Kontrolle über bestimmte Ereignisse auszuüben, da diese Ereignisse sich generell menschlicher Einflußnahme entzögen. Durch diese Gegenüberstellung lassen sich die Begriffe »internale« und »externale« Attribution definieren, wobei diese Unterteilung auf einem sozialen Vergleichsprozeß basiert, d.h. es wird gefragt, ob andere Personen derselben Nichtkontrolle ausgesetzt sind oder nicht. Universelle Hilflosigkeit resultiert aus externaler Attribution, d.h. nicht nur die eigene Person, sondern auch andere für das Individuum bedeutsame Personen erfahren aus seiner Sicht nichtkontrollierbare Bedingungen. Bei persönlicher Hilflosigkeit wird die Ursache beim Individuum selbst angenommen (= internale Attribution). Die Auswirkungen von persönlicher und universeller Hilflosigkeit sind unterschiedlich. So führt persönliche Hilflosigkeit – im Gegensatz zu universeller Hilflosigkeit – zum Verlust des Selbstwertgefühles. Brunstein (1990) weist darauf hin, daß mit der Einführung der Unterscheidung von persönlicher und universeller Hilflosigkeit Abramson et al. (1978) das Selbstwirksamkeitskonzept von Bandura (1977) aufgegriffen und sich damit vom Konzept des »Locus of control« von Rotter (1972) verabschiedet haben; demnach hätten Personen, die internal hilflos sind, eine zu geringe Selbstwirksamkeit. 134 9.2.1.1.2 Global vs. spezifisch Eine weitere Attributionsdimension ergibt sich aus dem Begriffspaar »GlobalitätSpezifität«. Bei globalem Attributionsstil werden die Ursachen von nichtkontrollierbaren Bedingungen sehr weit und allgemein gefaßt; dadurch treffen die Ursachen für sehr viele Lebenssituationen zu, und somit kann ein einzelner Reiz umfassend Hilflosigkeit auslösen. Eine globale Attnbution hat demnach zur Folge, daß Hilflosigkeit auf andere Verhaltensbereiche generalisiert. Bei spezifischer Attribution dagegen bleibt die Hilflosigkeit auf die speziellen Reize der Situation beschränkt. 9.2.1.1.3 Stabil vs. variabel Die dritte Attributionsdimension »stabil – variabel« bezieht sich darauf, wie sich die Nichtkontrollbedingungen zeitlich erstrecken. Es wird dabei unterschieden zwischen stabilen Ursachen, die als langlebig und wiederkehrend erlebt werden und chronische Hilflosigkeit bewirken, und solchen, die kurzlebig und vorübergehend sind. Die insgesamt sehr wichtige Reformulierung von Abramson et al. läßt sich anhand der Attributionen eines in einer Prüfung durchgefallenen Studenten und einer zurückgewiesenen Frau erläutern (siehe Tabelle 9.3; vgl. Abramson et al., 1978, S. 57). In dem dargestellten 16-Felder-Schema weisen sich globale, stabile und internale Attributionen als ungünstig für die Herausbildung neuer Erwartungsmuster aus. Dieses problematische Attributionsmuster liegt bei den Beispielen in Tabelle 9.3 vor, wenn der durchgefallene Student das Prüfüngsergebnis auf mangelnde Intelligenz zurückführt und zudem diesen Zustand für unbeeinflußbar hält; im Falle der zurückgewiesenen Frau geht diese davon aus, daß sie generell für Männer unattraktiv ist. Nach der Argumentation von Abramson et al. dürfte es sehr wahrscheinlich sein, daß diese Attributionsmuster zu krankhaftem Verhalten und stark beeinträchtigenden Folgen führen. Tabelle 9.3: Formale Charakteristika von Attributionen und einige Beispiele (leicht verändert aus Abramson et al., 1978, S. 57). Dimension Internal stabil External variabel stabil variabel global durchgefallener Student Fehlen der Intelligenz Erschöpfung zurückgewiesene Frau ich bin für Männer unattraktiv meine Konversation ist manchmal für Männer langweilig das Testinstitut wählt unfaire Tests aus Männer müssen mit intelligenten Frauen sofort konkurrieren heute ist Freitag, der 13. das Testinstitut wählt unfaire Mathematiktests aus er muß sofort mit intelligenten Frauen konkurrieren es war der 13. Mathematiktest Männer haben manchmal zurückweisende Launen spezifisch durchgefallener Student Fehlen von mathematischen Fähigkeiten Mathematikaufgaben kotzen mich an zurückgewiesene Frau ich bin für ihn unattraktiv meine Konversation langweilt ihn 135 er war in zurückweisender Laune 9.2.1.2 Experimentelles Vorgehen Das experimentelle Vorgehen, das in diesem Buch beschrieben wurde, hat sich bei den Tierexperimenten seit Mitte der 60er Jahre bewährt und wurde 1974 von Hiroto zum ersten Mal für ein Experiment mit menschlichen Versuchspersonen übernommen (vgl. Hiroto, 1980). In einem Nachfolgeexperiment von Hiroto & Seligman (1976) wurde dieses Vorgehen ausgeweitet. Jetzt bekamen die Versuchspersonen in einer ersten Versuchsphase unlösbare Begriffsbildungsaufgaben vorgelegt und in der anschließenden Phase Anagrammaufgaben (= Buchstabenkombinationen, bei denen durch das Umstellen von Buchstaben sinnvolle Wörter entstehen). Obwohl alle Anagrammaufgaben nach demselben Muster lösbar waren, stellte man fest, daß hilflos gemachte Versuchspersonen länger zur Lösung der Aufgaben brauchten und auch insgesamt weniger Aufgaben lösten als die Kontrollgruppe. Mit diesem noch relativ einfachen Vorgehen kann man jedoch nicht die reformulierte Theorie von Abramson et al. überprüfen. Im folgenden soll das typische, experimentelle Vorgehen geschildert werden, mit dem man die Aussagekraft der reformulierten Theorie der erlernten Hilflosigkeit überprüft. Wir wählen dazu eine neue Arbeit von Alloy et al. (1984) aus, in der über zwei Experimente berichtet wird. In den Experimenten wurden zwei Faktoren systematisch untersucht, die entscheidenden Einfluß auf das Ausmaß der Hilflosigkeit haben: 1. die Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit der Situation von Vortrainings- und der eigentlichen Testphase; bekanntlich wird in der Vortrainingsphase Hilflosigkeit experimentell hergestellt; und 2. der Einfluß von globaler bzw. spezifischer Attribution für negative Ereignisse. Die Autoren sagten voraus, daß Personen, die negative Ergebnisse auf globale Faktoren zurückführen, ihr Hilflosigkeitserleben generalisieren. Solche ungünstig attribuierende Personen werden sich in vielen Situationen hilflos verhalten, gleichgültig, ob sie der ursprünglichen Situation, in der sie sich hilflos fühlten, ähnlich sind oder nicht. Im Gegensatz dazu werden sich Personen, die von ihrem Attributionsstil her gesehen, negative Ereignisse ausschließlich auf spezifische Faktoren zurückführen, nur in solchen Situationen hilflos fühlen, die der ursprünglich als hilflos erlebten Situation gleichen. Zunächst wurden anhand des Hilflosigkeitsfragebogens von Seligman et al. (1979) die zu untersuchenden Studenten in eine Gruppe mit globalem und eine mit spezifischem Attributionsstil unterteilt. Bei einem Hilflosigkeitsfragebogen werden positive und negative Ereignisse aus dem Sozial- und Leistungsbereich mit der Bitte vorgegeben, die Hauptursache anzugeben, die zu dem jeweiligen Ereignis führten. Positive Ereignisse wären Aussagen wie: »Sie ernten für Ihre Arbeit hohes Lob« und negative Ereignisse etwa: »Sie treffen einen Freund, der sich jedoch Ihnen gegenüber feindselig verhält«. Dieser Fragebogen enthält 12 hypothetische Situationen, von denen je sechs ungünstige und günstige Ereignisse darstellen. Den Studenten wurde eine Anweisung des folgenden Wortlautes gegeben (vgl. Peterson & Seligman, 1984a, S. 172): »Bitte versuchen Sie, sich in folgende Situationen lebhaft einzudenken. Wenn Sie in eine solche Situation kommen, was wäre Ihrer Meinung nach der Grund dafür? Ereignisse können zwar viele Ursachen haben, wir bitten Sie aber, nur eine einzige auszuwählen – die Hauptursache für den Fall, daß dieses Ereignis Ihnen zustieße. Schreiben Sie bitte die Ursache in die Leerzeile nach der Schilderung jedes Ereignisses. Beantworten Sie danach bitte einige anschließende Fragen über die von Ihnen genannte Ursache.« 136 Die Einschätzung der Hauptursache erfolgt auf den drei folgenden Dimensionen: 1. Internal vs. external: »Ausschließlich von mir verschuldet – Gänzlich verschuldet von anderen oder den Umständen« 2. Global vs. spezifisch: »Beeinflußt alle Situationen in meinem Leben – Beeinflußt nur diese Situation« 3. Stabil vs. variabel: »Wird immer wieder vorkommen – Wird niemals wieder vorkommen« Weitere, ähnliche Hilflosigkeitsfragebögen liegen heute von Anderson (1983), Peterson et al. (1982) und eine deutschsprachige Fassung von Stiensmeier et al. (1985), Stiensmeier (1988a,b) und Brunstein (1986) vor. Eine zweite Möglichkeit, Attributionsstile zu erfassen, stellt seit kurzem die sogenannte CAVE-Technik dar. Es handelt sich um eine Inhaltsanalyse verbaler Äußerungen (content analysis of verbatim explanations). Das Verfahren wurde von Schulman et al. (1989) beschrieben und von Burus & Seligman (1989) angewandt. Mit dieser Technik möchte man Attributionsmuster bei Personen herausfiltern, die nicht in der Lage oder bereit sind, einen Fragebogen auszufüllen. In der Arbeit von Schulman et al. (1989) sind die Richtlinien für die Auswahl und Beurteilung spontaner Erklärungen abgedruckt. Zunächst werden Regeln angegeben, wie man ereigniserklärende Texteinheiten auswählt und wie diese Attributionen anhand von drei kausalen Dimensionen »internal – external«, »stabil – variabel« und »global – spezifisch« analysiert werden. Idealerweise sind vier oder fünf vom Gesprächspartner negativ bewertete Ereignisse und ihre Erklärungen notwendig, um den Attributionsstil zu erheben. Negative Ereignisse werden deshalb bevorzugt, da man eher über negativ bewertete als über positive nachdenkt und somit auch mehr Attributionen vornimmt (Zautra et al. 1985). Außerdem zeigen fast alle Studien (vgl. Robins, 1988), daß negative Ereignisse bessere Prädikatoren für depressive Defizite sind als positive. Für die Auswahl müssen Ereignis und Erklärung folgenden Kriterien genügen: ) Das Ereignis muß eindeutig als gut oder schlecht bewertet werden – und zwar vom Gesprächspartner selbst. ) Der Gesprächspartner muß seine eigene Erklärung zu diesem Ereignis abgeben und nicht nur jemand anderem zustimmen. ) Es muß eine klare kausale Beziehung zwischen Ereignis und Erklärung ersichtlich sein. Der Auswertungsprozeß beginnt mit der Durchsicht des Materials nach EreignisErklärungs-Einheiten. Hierbei kann es sich um verbale Äußerungen handeln, die auf Ton- oder Videokassette vorliegen. Im Idealfall sollten Ereignis und Erklärung genug Informationen enthalten, die es dem Beurteiler gestatten, die Einheit auf alle drei Kausaldimensionen hin zu analysieren. Die oben genannten Annahmen prüften Alloy et al. (1984) mit dem bekannten DreiGruppen-Versuchsplan, wobei eine Gruppe in der Vortrainingsphase kontrollierbaren, eine zweite unkontrollierbaren Lärm erfuhr, und eine Kontrollgruppe von allem verschont blieb. Wie Tabelle 9.4 zeigt, lag zwischen Experiment 1 und 2 ein erheblicher Unterschied vor. Im ersten Experiment glichen sich Vortrainings- u. Testphase, d.h. in beiden Abschnitten des Versuches wurden die Studenten mit unangenehmem Lärm belästigt, im zweiten Experiment wurde lediglich in der Vortrainingsphase Lärm eingesetzt, in der Testphase jedoch Anagrammaufgaben vorgegeben. 137 Tabelle 9.4: Typisches experimentelles Vorgehen nach dem Drei-Gruppen-Versuchsplan zur Überprüfung der Einflüsse von Attributionsstilen auf hilfloses Verhalten (aus Alloy et al., 1984). Experiment 1: Ähnlichkeit Attributionsstil global global Vortraining vermeidbarer Lärm vermeidbarer Lärm unvermeidbarer Lärm unvermeidbarer Lärm kein Lärm spezifisch kein Lärm spezifisch global spezifisch Testphase abstellbarer Lärm abstellbarer Lärm abstellbarer Lärm abstellbarer Lärm abstellbarer Lärm abstellbarer Lärm Experiment 2: Unähnlichkeit Attributionsstil global global Vortraining vermeidbarer Lärm vermeidbarer Lärm unvermeidbarer Lärm unvermeidbarer Lärm kein Lärm spezifisch kein Lärm spezifisch global spezifisch Testphase AnagrammAufgaben AnagrammAufgaben AnagrammAufgaben AnagrammAufgaben AnagrammAufgaben AnagrammAufgaben Die von Alloy et al. (1984) erzielten Ergebnisse stimmen mit den Vorhersagen des reformulierten Modells der Hilflosigkeitstheorie überein. In der Tat sind Personen, die negative Ereignisse auf spezifische Faktoren zurückführen, nur in solchen Situationen hilflos, die der ursprünglich als hilflos erlebten Situation gleichen. In einer Studie von Klaus von Bassewitz et al. (1989) konnte die reformulierte Theorie nicht bestätigt werden. Nach den Ergebnissen von Alloy & Abramson (1979) führt die Erwartung der Nichtkontrolle dazu, daß Depressive ) die reale Kontingenz einer Handlung nicht erkennen (= kognitives Defizit), ) wenig effektive Handlungen ausführen (= motivationales Defizit) und ) die Kontingenz unterschätzen. Nach Alloy & Abramson (1979) können Depressive die Kontingenz genauer abschätzen als Nichtdepressive. In der Studie von Klaus von Bassewitz et al. (1989) unterschieden sich die Kontingenzschätzungen Depressiver und Nichtdepressiver nicht. Das Motivationsdefizit konnte ebenfalls nicht bestätigt werden, da Depressive genauso häufig aktive Reaktionen initiierten wie Nichtdepressive. Die Art der Verstärkung (Bestrafen und Belohnen) wirkte sich nicht auf die Kontingenzschätzungen aus, dagegen erhöhte sich bei allen Personen mit der Verstärkerhäufigkeit der Glaube, die Situation sei kontrollierbar, obwohl die Versuchspersonen objektiv keinen Einfluß hatten. 9.2.2 Die Reformulierung von Miller & Norman Miller & Norman versuchen, die Kritik zu berücksichtigen, die sich an der Durchführung von Humanexperimenten im Rahmen der erlernten Hilflosigkeit festgemacht hat. Für sie ist v.a. wichtig, daß kognitive und motivationale Defizite experimentell bislang nicht getrennt wurden. Diese Autoren glauben, daß das Modell von Seligman durch Situationsfaktoren präziser gefaßt werden kann, die die Bedingungen, unter denen Hilflosigkeit entsteht, aufdecken sollen. Sicherlich ist die zentrale Grundannahme, daß sowohl positive als auch negative Verstärkung Hilflosigkeit hervorrufe, als Situationsfaktor zu global. Miller & Norman weisen darauf hin, daß bei positiver, nonkontingenter Verstärkung sowohl Leistungsverbesserungen als auch Leistungsverschlechterungen auftreten. Anscheinend spielt das Ausmaß und die Art der Verstärkung eine Rolle. Obwohl erlernte Hilflosigkeit als situationales Konzept formuliert wurde, wird nach Meinung der Autoren oft vernachlässigt, wie situationale Erfahrungen in kognitive Elemente übersetzt werden, welche Kennzeichen diese Elemente besitzen und wie sie zukünftiges Verhalten beeinflussen. 138 Miller & Norman empfehlen zur Reformulierung der Theorie der erlernten Hilflosigkeit ebenfalls ein attributionstheoretisches Konzept. Zur Kennzeichnung der erlernten Hilflosigkeit unterscheiden sie zwischen affektiven und Leistungsdefiziten, die unabhängig voneinander auftreten können und mit der Attribution variieren. Für die Entstehung von erlernter Hilflosigkeit sind Nichtkontrollierbarkeitsbedingungen und Mißerfolge bedeutsam; die attributionstheoretische Sicht wird unterstrichen. Die wesentliche Spezifizierung gegenüber Abramson et al. (1978) sollen Situationsfaktoren erbringen, die sich auf die Instruktion bei der Versuchsdurchführung, die Dauer der Hilflosigkeit oder auf Hinweise bezüglich real vorhandener Kontingenzen beziehen (siehe Abb. 9.1). Ferner spielen für eine situationale Betrachtung soziale Normen, Beobachtung anderer bei der Leistungsausführung und der Aufgabentyp eine Rolle. Abb. 9.1: Bedingungen der Hilflosigkeit nach Miller & Norman (1979). In diesem modifizierten Modell besitzen auch Persönlichkeitsfaktoren ihren Stellenwert. So etwa die Leistungsmotivation, das Geschlecht oder bestimmte Vorerfahrungen, die als Dispositionen die Bewertung und Verarbeitung gegenwärtiger und zukünftiger Ereignisse beeinflussen. Die Attributionsprozesse werden durch die Bewertung eines Ereignisses auf der Dimension »unwichtig – wichtig« gegenüber dem Ansatz von Abramson et al. noch weiter spezifiziert (siehe Abb. 9.1). Das Modell von Miller & Norman zwingt die Frage auf, ob es angesichts der Vielzahl der Variablen noch nachprüfbar ist. Ein von Miller & Norman im Jahre 1981 unternommener Versuch der experimentellen Überprüfung brachte folgende Ergebnisse: In der Studie werden unterschiedliche Attributionsprozesse (internal vs. external; global vs. spezifisch; stabil vs. variabel; wichtig vs. unwichtig) und der erlebte Erfolg eigenen 139 Handelns erfaßt. Es konnte gezeigt werden, daß Attributionsprozesse Einfluß auf die Qualität der erlebten Gefühle ausüben, internale Erfolgsattribution depressive Stimmung verringert und Kontrollerwartungen nicht so bedeutsam für das gezeigte Verhalten sind. Diese Ergebnisse stützen die theoretische Position von Miller & Norman (1979), obwohl mit diesem Experiment nicht geklärt werden kann, ob Attributionsprozesse langfristigen Einfluß auf Stimmung, Kognition und Verhalten depressiver Personen haben. Die Kontextbedingungen der Entstehung erlernter Hilflosigkeit können zweifellos durch die Berücksichtigung der Situations- und Persönlichkeitsfaktoren von Miller & Norman spezifiziert werden. Auf jeden Fall wird die von Miller & Norman empfohlene Beachtung von Situationsvariablen im Rahmen der Erklärung von erlernter Hilflosigkeit in letzter Zeit von verschiedenen Autoren unterstrichen (vgl. Goetz & Dweck, 1980; Sauer & Müller, 1980; Snyder et al., 1981). 9.2.3 Die Reformulierung seitens der Wortman-Gruppe 9.2.3.1 Überlegungen von Wortman & Brehm Für die Theoriebildung von entscheidender Bedeutung ist schließlich die Überlegung von Wortman & Brehm (1975) gewesen, die verschiedene Phasen der Entstehung von erlernter Hilflosigkeit unterscheiden. Das Wortman-Brehm-Modell hatte zum Ziel, Reaktanz und erlernte Hilflosigkeit zu integrieren. Unter Reaktanz versteht man dabei den unmittelbar nach einer Unkontrollierbarkeitsbedingung eintretenden Zustand, der mit einer Einschränkung von Entscheidungsmöglichkeiten einhergeht und eine Art »Widerstand« bzw. Ärger, Wut und vermehrte Anstrengung zur Folge hat. Erst nachdem diese Widerstandsphase durchlaufen ist und die Unkontrollierbarkeitsbedingung weiter besteht, tritt Hilflosigkeit, d.h. Passivität, Resignation und eventuell Depression auf. Das Wortman-Brehm-Modell wurde durch mehrere Experimente gestützt (vgl. Brockner et al., 1983; Roth & Kubal, 1975; Tennen & Eller, 1977). So waren in einem Experiment, das Tennen & Eller durchführten, die Versuchspersonen nach einem kurzen Hilflosigkeitstraining verärgert und nach einem langen eher niedergeschlagen und traurig. Das Wortman-Brehm-Modell kann in verschiedener Weise präzisiert und bewertet werden. Eine wichtige Überlegung ergibt sich, wenn man die Phase der Reaktanz mit einer erhöhten Leistungsbereitschaft und die der Hilflosigkeit mit Leistungsverschlechterung gleichsetzt. Diese Zusammenhänge klären die Experimente von Williams & Teasdale (1982), die die Bedingungen von Leistungsverbesserung und -verschlechterung näher bestimmen. Die Autoren belegen, daß 1. mit steigender Wichtigkeit einer schwierigen Aufgabe auch die Anstrengung bei der Aufgabenbewältigung steigt. Stellt sich die Aufgabe dann aber als leicht heraus, so resultiert Leistungssteigerung; 2. mit sinkendem positiven Anreiz das Anstrengungsniveau bei schwierigen Aufgaben abnimmt; 3. die Versuchspersonen eine Skala von Erfolgserwartungen in Verbindung mit verschiedenen Anstrengungsniveaus haben (und nicht nur eine einzige Erfolgserwartung); 4. die Anstrengung mit Kosten verbunden ist, die die aufgebrachte Anstrengungsstärke steigern. Bei schwierigen Aufgaben können schon geringfügige Unterschiede in der wahrgenommenen Wichtigkeit zu großen Änderungen im gewählten Anstrengungsniveau führen. 140 9.2.3.2 Überlegungen von Wortman & Dintzer Wortman & Dintzer (1978) unterstellen nach der Hilflosigkeitsphase einen Problembewältigungsprozeß, d.h. den Versuch, sich auf die unkontrollierbare Situation einzustellen. Diese Überlegungen von Wortman & Dintzer gehen insofern über das Modell von Abramson et al. hinaus, da sie miteinbeziehen wollen, wie Effekte und Folgen von Hilflosigkeit zu beheben sind. Wortman & Dintzer unterstreichen die Fähigkeit einer Person, mit unkontrollierbaren Ereignissen fertig zu werden. Sie verdeutlichen dies an folgendem Beispiel: Zwei Krebspatienten können beide davon überzeugt sein, daß ihre Krankheit durch Umwelteinflüsse entstanden ist, die sie nicht beeinflussen können. Der eine mag nun davon ausgehen, daß die Effekte seiner Reaktion auf seine Krankheit ebenfalls außerhalb seiner Kontrolle liegen. Der andere dagegen geht davon aus, daß es an ihm selbst liegt, wieder gesund zu werden. Für diesen Patienten mit der positiven Bewältigungsstrategie ist die Annahme kennzeichnend, daß er noch Fähigkeiten besitzt, die ihn in die Lage versetzen, ein neues Leben zu beginnen. Die Überlegungen von Wortman & Dintzer bieten uns – formalisiert – ein Drei-Phasen-Modell der Entstehung und Bewältigung von erlernter Hilflosigkeit, das von Reaktanz über eigentliche Hilflosigkeit bis zur Bewältigung reicht. In den Phasen, so Wortman & Dintzer, variiert die Motivation, Kontrolle auszuüben. In der Reaktanzphase steigt diese Motivation an, in der Hilflosigkeit ist ein starker Abfall zu verzeichnen, und erst in der Anpassungsphase (bei gelungener Anpassung), in dem Sich-Einrichten mit der Situation, wird die Motivation auf ein mittleres Niveau ansteigen. Die letzten Ausführungen lassen sich auch graphisch verdeutlichen (vgl. Abb. 9.2). Abb. 9.2: Integrationsversuch von Reaktanz, erlernter Hilflosigkeit und anschließender Anpassung an unkontrollierbare Ereignisse. Neben diesen grundlegenden Überlegungen nehmen Wortman & Dintzer kritisch zu den Bemühungen von Abramson et al. (1978) Stellung. Ihre Hauptkritik richtet sich gegen die Unbestimmtheit der eingeführten Attributionsdimensionen. So scheint es gar nicht sicher, daß Versuchspersonen spontan Attributionsprozesse zur Erklärung ihres Verhaltens heranziehen. Es ist nicht auszuschließen, daß nur bei sehr wichtigen Ereignissen Attributionsprozesse einsetzen oder sogar der Punkt eintritt, an dem Menschen es aufgeben, noch nach Ursachen zu fragen, also attributionsscheu werden. Weitgehend ungeklärt ist die Beziehung zwischen Attribution und nachfolgendem Verhalten. Wortman & Dintzer (1978) weisen darauf hin, daß offen erkennbares Verhalten und Selbsteinschätzungen (Attributionen) nur gering miteinander korrelieren; somit bleibt es unklar, welche Informationen Personen in unkontrollierbaren Situationen suchen und wie diese Erklärungen langfristig wirken. 141 Wortman & Dintzer geben zu bedenken, daß neben den von Abramson et al. genannten Attributionsstilen noch weitere möglich sind (z.B. philosophische oder religiöse Begründungen; Zurückführung auf weit in der Vergangenheit liegende Faktoren). Es ist prinzipiell nicht auszuschließen, daß neben Attributionen und zukünftigen Kontrollerwartungen noch andere Faktoren für die Größe der Defizite nach Unkontrollierbarkeitserfahrungen verantwortlich sind (vgl. u.a. Ergebniserwartungen, Kosten-Nutzen-Überlegungen bzgl. des Beeinflussungsaufwandes). Wortman & Dintzer glauben, daß es unbedingt notwendig sei, die von Abramson et al. angenommenen Attributionsstile empirisch zu erfassen, zu kontrollieren und in Experimenten zu variieren. Die Autoren verweisen in diesem Zusammenhang auf das folgende Beispiel: Ein Student, der durch eine Prüfung fällt und dies auf seine Faulheit zurückführt, d.h. internal, stabil und global attribuiert, würde nach Abramson et al. relativ große kognitive und motivationale, auf andere Settings generalisierende Defizite aufweisen. Wenn er aber die Faulheit als durch sich selber kontrollierbar betrachtet, treten im Gegensatz zur Vorhersage von Abramson et al. nur minimale nachfolgende Defizite auf. Wortman & Dintzer und Abramson et al. stimmen darin überein, daß beide bei der Attribution auf mangelnde Anstrengung geringere Defizite vorhersagen als bei der Attribution auf mangelnde Fähigkeiten, was eine nicht so eindeutige Beziehung zwischen Attribution und Verhalten nahelegt. Wortman & Dintzer stellen auch Spekulationen über weitere Faktoren an, die außer der Attribution und Kontrollerwartung die Reaktion auf unkontrollierbare Ereignisse beeinflussen. So ist anzunehmen, daß Vorahnungen hinsichtlich unkontrollierbarer Ereignisse zu einem geringeren Defizit führen. Eine Sinnattribution (z.B. »der Unfall war Gottes Wille«) kann Einfluß haben auf die Anpassung an das unkontrollierbare Ereignis. Hinsichtlich der Anpassung an ein Ereignis brauchen globale und/oder stabile Attributionen nicht unbedingt bedeuten, daß die Defizite größer sind. Wenn man optimistisch über den zukünftigen Verlauf von Ereignissen denkt (z.B. »die Operation wird schon helfen, den Lungenkrebs zu stoppen«), so kann dies den Anpassungsprozeß verbessern. Fraglich bleibt, wie unrealistisch eine Hoffnung sein darf, damit sie sich positiv auf die Anpassung auswirkt. Die Annahme darüber, inwieweit Ergebnisse zu beeinflussen sind, wird sicherlich auch vom vermuteten Aufwand der Anstrengungen abhängen. Weiterhin ist plausibel, daß die Beziehung zwischen der Ereignisattribution und der sich anschließenden Anpassung von der Wahrscheinlichkeit mitbeeinlußt wird, mit der ein solches Ereignis wieder auftritt. Positiv gegenüber dem reformulierten Modell der erlernten Hilflosigkeit von Abramson et al. heben Wortman & Dintzer hervor, daß es Schlüsse darüber zuläßt, wieso Depression oft mit geringem Selbstwertgefühl verbunden ist. Weiterhin gibt die Unterscheidung zwischen persönlicher und universeller Hilflosigkeit Hinweise, warum Depressive Mißerfolg oft internal attribuieren. Die Generalität und Chronizität der Depression könnte durch stabile und globale Attribution der Hilflosigkeit bedingt sein. Wortman & Dintzer geben auch Vorschläge für die Therapie hilflosen Verhaltens. Sie weisen darauf hin, daß in Selbsthilfegruppen gelernt werden kann, daß die eigene Lebenskrise gar nicht so außergewöhnlich ist und sich damit allmählich günstigere Attributionsstile herausbilden. Es bleibt zu hoffen, daß ein solches Vorgehen zu psychischer Erleichterung führt. In der Regel können jedoch stark verändernde Attributionsmuster nur durch eine gezielte Therapie verändert werden (vgl. Försterling, 1986). 142 9.2.4 Die Reformulierung von Abramson, Alloy & Metalsky Abramson, Alloy & Metalsky (1989) versuchen, durch die Formulierung einer Hoffnungslosigkeitstheorie die attributionstheoretische Sicht der Theorie der erlernten Hilflosigkeit zu erweitern. Es soll damit ein Modell für eine Unterform der Depression, die Hoffnungslosigkeits-Depression, vorgestellt werden. Im Gegensatz zu früheren Konzepten werden kausale Attributionen weniger betont. Internale Attributionen werden nicht mehr generell als Ursache für ein vermindertes Selbstwertgefühl angesehen, sondern nur, wenn sie zu einem negativen Selbstkonzept beitragen, das als weitgehend unveränderlich angesehen wird. Zudem wird bei der Erklärung der Depression von einem Diathese-Streß-Modell mit einer großen Anzahl von Einflußfaktoren ausgegangen. Entscheidend für diese Reformulierung ist die Klassifikation der Ursachenfaktoren in (vgl. auch Halberstadt et al., 1984): ) ) ) ) ) notwendige, hinreichende, zusätzliche, distale und proximale Ursachen. Unter notwendigen Ursachen sind ätiologische Faktoren zu verstehen, die vorliegen müssen, damit eine Depression entsteht. Hinreichende Ursachen weisen nicht diesen Spezifikationsgrad auf und durch ihn bedingte ätiologische Faktoren können auch andere Ursachen haben. Eine zusätzliche Ursache repräsentiert ebenfalls einen ätiologischen Faktor, der die Auftretenswahrscheinlichkeit von Symptomen erhöhen kann. Die Begriffe proximale und distale Ursachen beziehen sich auf den Platz, den eine Ursache in einer Kausalkette einnimmt. Proximale Ursachen stehen am Ende einer ätiologischen Kette – nahe bei den Symptomen –, distale am Anfang einer solchen Kette (vgl. Alloy et al., 1988). In dem beschriebenen Modell wäre Hoffnungslosigkeit (vgl. Abb. 9.3) die proximale hinreichende Ursache für die Hoffnungslosigkeits-Depression. Es liegt die Erwartung vor, daß ) ) ersehnte Ergebnisse nicht oder stark aversive eintreten und man an der Auftretenswahrscheinlichkeit des Ergebnisses nichts ändern kann. Auf welchem Weg generalisierte Hoffnungslosigkeit zur Depression führen kann, illustriert Abbildung 9.3. Die in Abbildung 9.3 dargestellte Kausalkette beginnt mit der Wahrnehmung eines negativen Lebensereignisses bzw. dem Nichteintreten eines negativen Lebensereignisses bzw. dem Nichteintreten eines positiven Ereignisses. Im Gegensatz zu Abramson et al. (1978) steht also nicht mehr ein unkontrollierbares Ereignis im Vordergrund. Nach dem Vorhersagen der Hoffnungslosigkeits-Theorie wird man beim Vorliegen bestimmter Erklärungsmuster bei negativen Ereignissen hoffnungslos. Als distale zusätzliche Faktoren nennen die Autoren einen depressogenen Attributionsstil, der in der Tendenz besteht, negative Ereignisse stabil und global zu erklären und sie stark zu gewichten. Menschen, die in dieser Form mit negativen Ereignissen umgehen, werden bei Eintreten solcher Ergebnisse depressiv. Bleiben stabile Ereignisse aus, dann sind depressive Symptome unwahrscheinlich; damit folgt die Theorie einem Diathese-Streß-Konzept (vgl. Metalsky et al., 1982). Als weitere distale Faktoren werden interpersonale (z.B. fehlende soziale Unterstützung) und unter Umständen genetische Aspekte angeführt. 143 Abb. 9.3: Kausalmodell der Hoffnungslosigkeits-Depression (erheblich modifiziert aus Abramson et al., 1989, S. 360). Proximale zusätzliche Ursachen sind: ) stabile, globale Ursachenzuschreibung für besonders negative Lebensereignisse, wenn diese als wichtig bewertet werden; ) negative Konsequenzen eines negativen Lebensereignisses und ) negative Merkmale, die dem Selbst angesichts eines negativen Lebensereignisses zugeschrieben werden. Die Hoffnungslosigkeits-Theorie liefert einige Aussagen dazu, wie es gelingt, einen positiven emotionalen Zustand aufrechtzuerhalten. Bei der Bewertung eines negativen Ereignisses müßten die drei depressogenen Erklärungsstile (Ursache, Konsequenz, Selbstbild; vgl. Abb. 9.3) umgangen werden. Das Konzept legt auch nahe, daß man mit positiven Lebensereignissen, den emotionalen Zustand verbessern kann. Hoffnung kann nach Abramson et al. (1989) gestärkt und wiederhergestellt werden, indem man ) positive Ereignisse stabil und global attribuiert, ) mit positiven Konsequenzen verknüpft und ) in ein positives Selbstbild integriert. 9.2.5 Alternativerklärungen von Hilflosigkeit Es wurde eine Vielzahl von Versuchen unternommen, Phänomene der Hilflosigkeit außerhalb des Konzeptes von Seligman zu interpretieren. Die Hilflosigkeitsdiskussion wurde mit der Erforschung der Leistungsmotivation in Bezug gesetzt (z.B. im Konzept der Handlungskontrolle; Kuhl, 1984a, b). Des weiteren bestehen Bestrebungen, das Hilflosigkeitskonzept noch differenzierter attributionstheoretisch zu reformulieren (vgl. Jackson & Lawrance, 1979; Roth, 1980; Pasahow et al., 1982). Diskutiert werden auch Bemühungen, Seligmans Theorie als Spezialfall der sozialen Lerntheorie von Bandura bzw. Rotter zu begreifen (vgl. Garber & Hollon, 1980; Zuroff, 1980). Ich möchte auf drei Diskussionsbeiträge eingehen, die mir besonders erfolgversprechend erscheinen: 1. Die Einbettung in die soziale Lerntheorie von Bandura: Dieser Ansatz gibt Aufschlüsse über die Entstehung von Hilflosigkeit. 144 2. Das Konzept der Ich-Bedrohung von Frankel & Snyder, das uns zeigt, daß durch eine Einengung des Gültigkeitsbereiches der erlernten Hilflosigkeit ganz unerwartete Betrachtungsweisen möglich werden; dieser Ansatz ermöglicht Querbezüge zur Leistungsmotivationsforschung. 3. Die Einbettung in das Konzept der Handlungskontrolle von Kuhl, der in der erlernten Hilflosigkeitstheorie einen Spezialfall sieht und ebenfalls eine Verknüpfung zur Leistungsmotivationsforschung unternimmt. 9.2.5.1 Muß man Hilflosigkeit immer am eigenen Leib erfahren? In der Regel wird in empirischen Studien des vorliegenden Gebietes davon ausgegangen, daß Hilflosigkeit durch direkte Erfahrung (unmittelbare Verstärkung) entsteht. Kontrollverlust kann jedoch auch durch indirekte Erfahrung, d.h. durch stellvertretende und symbolische Verstärkung hervorgerufen werden. Unter symbolischer Verstärkung versteht man mit Schwarzer (1981) verbale Beeinflussungen, Informationen und die Verwendung von Argumentationsketten. Unter lerntheoretischer Perspektive ist jedoch vor allem Kontrollverlust durch stellvertretende Erfahrung interessant (vgl. De Vellis et al., 1978). In einem Experiment von Brown (1979) wird Schülern ein Modell dargeboten, das hilfloses Verhalten zeigt. Dieses hilflose Modell bewirkt durch das gezeigte passive Verhalten, daß die Schüler sehr viel weniger den Versuch unternehmen, sich gegen ungünstige Bedingungen zu wehren und gegen diese anzugehen. Es läßt sich vielfach in Experimenten bestätigen, daß direkte Erfahrungen das beste Mittel sind, um Hilflosigkeitseffekte abzubauen. Es dürfte dennoch in der Praxis nicht von geringer Bedeutung sein, daß Hilflosigkeit – wenn man an das familiäre oder schulische Bezugssystem denkt – durch Modelle hervorgerufen werden kann. Vergleichbare Ergebnisse konnten Brown & Inouye (1978) vorlegen, wobei sich zeigt, daß sich durch stellvertretende und symbolisch vermittelte Kompetenzerwartungen die Leistungen beim Lösen von schwierigen Aufgaben beeinflussen lassen. So wirkt ein entmutigter, verzweifelt vor sich hin murmelnder Teilnehmer eines Experimentes auf seine ihn beobachtenden Mitstreiter demoralisierend. Man kann damit feststellen, daß neben direkten Kontrollerfahrungen auch Kompetenzerwartungen, die nicht auf dem eigenen Erfahrungsschatz aufbauen, zur Hilflosigkeit führen. Entsprechend können sich positive Kontrollerfahrungen mindernd auf Hilflosigkeit auswirken und gegenüber hilflosem Verhalten immun machen (vgl. Brown, 1979). So belegte Brown, daß Personen, die im Vorversuch viele Aufgaben richtig lösten, bei anschließenden Hilfiosigkeitserfahrungen ausdauernder arbeiten als solche, die zuvor wenige Aufgaben lösen konnten. Betrachtet man die von Seligman vernachlässigten Lernformen von Hilflosigkeit, so kann man drei Ansätze unterscheiden, wie Kompetenzerwartungen (bei Bandura, 1977, als Selbstwirksamkeit bezeichnet) aufgebaut werden können: 1. Soziale Vergleiche ) Beobachtung anderer Hilfloser ) Sprachliche Mitteilung über die Hilflosigkeit anderer (vgl. Brown & Inouye, 1978) 2. Sprachliche Beeinflussung durch andere ) Informationen, Meinungen über bevorstehende Aufgaben (vgl. Hiroto, 1980) 3. Selbstinstruktionen ) Selbstverstärkende Instruktionen 145 ) Erfolgszuschreibungen ) Veränderungen der erlebten Wichtigkeit einer Situation (Hiroto, 1980; Roth & Kubal, 1975) 9.2.5.2 Hilflosigkeit als Selbstschutz? Frankel & Snyder (1978) und Snyder et al. (1978; 1981) knüpfen an der Annahme an, daß Menschen große Angst vor Mißerfolg haben und alles tun, um solche Erlebnisse zu vermeiden. Die Autoren nehmen weiter an, daß die Erwartung von Unkontrollierbarkeit eine Form von Ich-Bedrohung darstellt. Die Erfahrung von Mißerfolg (als eine mögliche Form von Unkontrollierbarkeit) führt zu Angst vor Mißerfolgen, denen man konsequenterweise nur aus dem Weg gehen kann, wenn man jede weitere Anstrengung vermeidet. Dieser Selbstschutz verhindert einen Selbstwertzerfall, da immer noch die Illusion bestehen bleibt, daß man erfolgreich hätte sein können, wenn man sich nur angestrengt hätte. Diese Aussage trifft jedoch nur auf mittelschwere Aufgaben zu, da bei solchen die Versagensängste am größten sind. In der Tat konnte man auch belegen, daß Mißerfolgsmotivierte sich eher leichten und schweren Aufgaben zuwandten als mittelschweren. Erfolgsorientierte Personen bevorzugen dagegen mittelschwere Aufgaben. Im Rahmen der Betrachtung von Frankel & Snyder (1978) spielen also mittelschwere Aufgaben die zentrale Rolle. Mittelschwere Aufgaben werden als lösbar angesehen und bedeuten deshalb eine starke Ich-Bedrohung. Denn strengt man sich bei einer solchen Aufgabe besonders an und versagt trotzdem, dann kommen massive Zweifel an den eigenen Fähigkeiten auf. Konsequenterweise strengt man sich kaum an, um Mißerfolge durch Mangel an Anstrengung und nicht durch unzureichende Fähigkeiten erklären zu müssen. Die dadurch entstehende Passivität ist also ausschließlich ein Selbstschutz, um die Bedrohung des Selbstwertes abzuwehren (vgl. auch Weiner & Litman-Adizes, 1980). Bei schweren Aufgaben gibt man hingegen sein Bestes, da man nur gewinnen kann. 9.2.5.3 Macht zuviel Grübeln über die aktuelle Lage hilflos? Ähnlich wie Frankel & Snyder (1978) knüpft auch Kuhl (1981; 1984a; 1984b) an die Leistungsmotivationsforschung an und faßt das Seligmansche Konzept als Spezialfall einer Theorie der Handlungskontrolle auf, die von zwei Kernvariablen – der Lage- und der Handlungsorientierung – ausgeht. Eine Lageorientierung besteht immer dann, wenn man seine Energie (z.B. die Problemlösefähigkeit) in einer ungünstigen Situation auf den mißlichen Zustand lenkt und dabei ängstlich verharrt, anstatt aktiv gegen ihn anzugehen. Lageorientierte reagieren auf eine belastende Situation (z.B. bei unlösbaren Aufgaben oder Gefahrensituationen) mit Hilflosigkeit. Die Lageorientierung führt zu einem Überwältigtsein durch die Situation mit den verheerenden Folgen des Sich-im-KreiseDrehens und des irritierenden Nachgrübelns. Der Lageorientierte setzt seine Problemlösefähigkeit falsch ein und erfährt nach einem Mißerfolg eine Leistungsverschlechterung, da er ausschließlich nach Ursachen für den Mißerfolg sucht und den eigenen emotionalen Zustand analysiert. Die Studien von Kuhl (1984b) legen nahe, daß Leistungsverschlechterungen als Folge erlebter Mißerfolge nicht mit dem Glauben an Unkontrollierbarkeit verbunden ist, der von einer Übungsaufgabe (Vortrainingsphase) auf eine Testphase generalisiert worden wäre. Zu einem solchen Schluß kam das ausführlich dargestellte Experiment von Alloy et al. (1984). Die Leistungsverschlechterung, die zur Hilflosigkeit im Sinne von Seligman führen kann, ist das Kennzeichen einer Form von Handlungskontrolle, die man deutlich an der Diskrepanz zwischen einer hohen Motivation, eine Handlung auszuführen, und dem geringen Effekt (der geringen Leistung) erkennen kann. Der zweite Typ – der Handlungsorientierte – kann demzufolge Motivation und Leistung zur Deckung bringen, d.h. aktiv 146 und situationsangemessen handeln. Anders ausgedrückt: Der Handlungsorientierte behindert sich bei der Problemlösung nicht selbst durch ablenkende Gedanken (vgl. auch Bossong, 1984). Für die Position von Kuhl gibt es eine Reihe von Belegen, die aus der Erforschung der erlernten Hilflosigkeit resultieren. Es soll zur Illustration auf eine Studie von Brockner et al. eingegangen werden. Brockner et al. (1983) beschäftigten sich damit inwieweit die Höhe des Selbstwertgefühls (erfaßt mittels des Fragebogens von Fenigstein et al.) und die Art der Selbstwahrnehmung Einfluß auf das Lösen von Anagrammaufgaben besitzt. Die Autoren wollen mit ihrer Studie das integrierte Modell von Wortman & Brehm (1975) spezifizieren und führten hierzu zwei Experimente durch. Es konnten in beiden Experimenten Auswirkungen im Sinne von Reaktanz – also Frustration, Ärger und Aufregung – gefunden werden. Ebenso traten die üblichen Hilfiosigkeitseffekte beim Lösen der Anagrammaufgaben auf. Personen mit hohem Selbstwertgefühl arbeiten schneller (bezogen auf die Anzahl der richtigen Aufgaben), waren zuversichtlicher und weniger niedergeschlagen als solche mit niedrigem Selbstwertgefühl. Bei Versuchspersonen mit niedrigem Selbstwertgefühl ergab sich eine Wechselwirkung zwischen Selbstwahrnehmung und Reaktanz. Demnach tritt bei Personen mit einer starken Tendenz zur Selbstwahrnehmung kaum Reaktanz auf, d.h. sie sind frustriert, niedergeschlagen und in sich gefangen. Sie konzentrieren sich auf sich selbst und nicht auf die Aufgabe, wie es Kuhl in seinem Konzept der Lageonentierung beschreibt. Eine geringe Tendenz zur Selbstwahrnehmung bewirkt einen rationalen Umgang mit den Aufgaben, der sich darin äußert, daß die Problemlösefähigkeit uneingeschränkt und zielgerichtet zur Geltung kommt. Als Folge hiervon ist eine erhöhte Leistungsfähigkeit zu beobachten. 9.2.6 Begriffliche Unschärfen als Problem der Theoriebildung Nach Wortman & Dintzer beziehen sich die Hauptkritikpunkte an dem Konzept der erlernten Hilflosigkeit auf seine attributionstheoretische Reformulierung. Die Attributionsstile sind nur ansatzweise voneinander trennbar, und es bestehen große Probleme, sie zu erfassen (vgl. Donovan et al., 1979). Die theoretische Frage, ob erlernt Hilflose anders attribuieren als andere Personen, ist ungeklärt. Wortman & Dintzer ist zuzustimmen, daß aus einer ursprünglich präzise formulierten Theorie, nach der attributionstheoretischen Reformulierung und der Differenzierung in Formen der Hilflosigkeit, eine nicht mehr falsifizierbare Theorie entstanden ist. Attributionen sind verdeckte Bewertungs- und Erklärungsprozesse, die präzisieren sollen, wie objektivierbare Erfahrungen von Nichtkontrolle verarbeitet werden. Man kennt nun diese Verarbeitungsprozesse so ungenau, daß man bei unzureichenden Verhaltensvorhersagen die Befunde derart umdeuten kann, daß sie mit der Theorie übereinstimmen. Die widersprüchlichen Ergebnisse der Depressionsforschung belegen diesen Zustand eindrucksvoll (siehe Tab. 9.5). Insgesamt ergibt sich der Tatbestand, daß durch die Hinzunahme der attributionstheoretischen Aspekte sich auch nicht eindeutige Befunde als Stütze der Hilflosigkeitstheorie uminterpretieren lassen. Die begrifflichen Unklarheiten werden auch nicht durch einen Versuch von Donovan et al. (1979) gelöst, die mit Hilfe von Selbsteinschätzungsskalen eine »subjektive Hilflosigkeit« operationalisierten und erfaßten. Die Autoren konnten in einer empirischen Studie zur Validierung dieses Konzeptes nur eine unzureichende Differenzierung zwischen Alkoholikern und Depressiven erreichen. Weitere begriffliche Unschärfen ergaben sich am Ausdruck »Kontrolle« und dem dazugehörigen Bedeutungsumfeld. So beschäftigen sich Alloy & Abramson (1982) mit dem Zustand, der sich ergibt, wenn von der Versuchsperson Kontrolle angenommen wird, aber in der Realität keine vorliegt (Illusion der Kontrolle). Kontrollillusion bewirkt, wie dies auch Seligman in dem vorliegenden Buch berichtete, daß experimentell hervorge147 rufene Hilflosigkeit nicht oder verringert auftritt. Es wird damit ein weiterer moderierender kognitiver Prozeß angenommen, der Verhaltensvorhersagen letztlich nicht mehr ermöglicht. Anders formuliert: Bei allen Personen, bei denen man Hilflosigkeit vorhersagt, jedoch keine beobachtet wird, liegt Kontrollillusion vor. Damit schließt sich wieder der Kreis und es ergibt sich ein nicht falsifizierbares Theoriengebilde. Ein für die Theoriebildung und Integration der Überlegungen interessantes Modell von wahrgenommener Kontrolle beschreiben Rothbaum et al. (1982); diese Autoren gehen von einem zweistufigen Prozeß aus, in dem Kontrolle sich aus der gelungenen Synthese des Eingreifens des Menschen in die Umwelt und dem Anpassungsprozeß an die gegebene Realität ergibt. Ich vermute, daß vor dem Hintergrund der Überlegungen von Rothbaum et al. sich der Kontrollbegriff präzisieren läßt. 9.3 Empirische Befunde Die empirischen Studien zur Überprüfung von erlernter Hilflosigkeit seit 1978 betreffen vor allem ) die Aufhebung von Hilflosigkeit; ) die Immunisierung gegenüber Hilflosigkeit; ) den Zusammenhang zwischen Attributionsstil und Depression bzw. Hilflosigkeit; ) die Hilflosigkeit im Kindesalter. 9.3.1 Kann man erlernte Hilflosigkeit aufheben? In Experimenten werden vier Wege beschritten, Hilflosigkeit aufzulösen (vgl. auch Altmaier & Happ, 1985): 1. Stimmungserhöhungstraining; 2. Entspannungsaufgaben; 3. Beobachtung (Modellernen) zur Änderung der Attribution (universell-persönlich); 4. intermittierende (vs. kontinuierliche) Verstärkung. Auf diese Prozeduren wird im folgenden eingegangen. 1. Raps et al. (1980) setzten ihre Versuchspersonen in der ersten Versuchsphase nichtkontrollierbarem Lärm aus und führten danach ein Stimmungserhöhungstraining mit ihnen durch (zum Stimmungserhöhungstraining vgl. Velten, 1968). In der zweiten Versuchsphase (Anagrammaufgaben) zeigten sich sowohl bei depressiven als auch bei hilflosen Versuchspersonen zumindest kurzfristige Leistungsund Stimmungsverbesserungen. 2. Coyne et al. (1980) konnten nachweisen, daß Entspannungsaufgaben nach unkontrollierbarem Lärm in der ersten Versuchsphase die Motivation bei der Lösung von Anagrammaufgaben (zweiten Versuchsphase) erhöhen, wenn die Entspannungsaufgaben den Versuchspersonen als streßreduzierend dargestellt werden. Nach diesen Autoren können Leistungsdefizite nach erfahrener Hilflosigkeit durch Effekte der Ablenkung bzw. des Grübelns (vgl. auch Kuhl, 1984b) und der Testangst erklärt werden. 3. In der Studie von Garber & Hollon (1980) wurde gezeigt, daß die Beobachtung anderer bei der Lösung von Geschicklichkeitsaufgaben (mit intermittierender Verstärkung) die Hilflosigkeitseffekte der Beobachter mildern kann. Auf dieses Experiment wird weiter unten noch einmal eingegangen. 148 4. Verschiedene Studien untersuchen den Einfluß von Verstärkungsschemata auf die Aufhebung von Hilflosigkeitseffekten: Nation & Massad (1978) legten ihren Versuchspersonen in der ersten Versuchsphase unlösbare Konzeptidentifikationsaufgaben vor. Danach wurden die Versuchspersonen bei der Lösung von Aufgaben entweder kontinuierlich oder intermittierend verstärkt. In der anschließenden Löschungsphase, in der der Lärm nicht abzustellen war, zeichnete sich eine erhöhte Löschungsresistenz nach intermittierender Verstärkung ab. Nach diesem Ergebnis stellten die Autoren einen Vorschlag vor, der vor Hilflosigkeitseffekten schützen soll, indem aktives Verhalten stabilisiert wird. Insgesamt sollen ungünstige motivationale Muster abgebaut und durch neue, realistische ersetzt werden. Ein solches Vorgehen umfaßt somit die folgenden vier Phasen: ) Identifikation von Bewältigungsstrategien; ) Akquisitionstraining (= Erwerb neuer Verhaltensweisen) mit kontinuierlicher Verstärkung; ) Akquisitionstraining mit intermittierender Verstärkung; ) Periodische Modifikation und Anpassung: ¾ Schätzen des gegenwärtigen emotionalen Zustandes des Klienten; ¾ Anpassung der Behandlung an die individuellen Bedürfnisse des Klienten. In einem Nachfolgeexperiment von Nation & Cooney (1980) konnten die Ergebnisse der Arbeit von Nation & Massad (1978) bestätigt werden; sowohl kontinuierliche als auch intermittierende Verstärkung verbessern depressive Symptome; jedoch führt die intermittierende Verstärkung zu einer höheren Lösungsresistenz. Fowler & Peterson (1981) untersuchten die Auswirkung von intermittierender Verstärkung und Training zur Attributionsveränderung nach vorausgegangener Hilflosigkeit auf die Leseleistung bei Kindern mit Leseschwierigkeiten. Dabei ergab sich, daß das Training zur Attributionsveränderung der intermittierenden Verstärkung überlegen war, wenn bei der intermittierenden Verstärkung sich nach den Erfolgen immer nur ein einziger Mißerfolg einstellte (= einzelne Mißerfolgslänge, im Gegensatz zu multiplen Mißerfolgslängen). Bei intermittierender Verstärkung konnte die Leseleistung allein durch intermittierende Verstärkung verbessert werden. Die Kombination eines Trainings zur Attributionsveränderung mit intermittierender Verstärkung bewirkte in diesem Kontext lediglich eine leichte, aber nicht bedeutsame Verbesserung der Leseleistung. 9.3.2 Kann man gegen Hilflosigkeit immunisieren? Prindaville & Stein (1978) trennen genau zwischen Vorhersagbarkeit und Kontrollierbarkeit. Vorhersagbarkeit bezieht sich auf die Korrelation zwischen zwei Reizen, z.B. einem unkonditionierten und konditionierten Reiz; Kontrollierbarkeit bezeichnet die Korrelation zwischen Verstärkung und Reaktion. Demzufolge ist bei Festintervallverstärkung (z.B.: nach jeder dritten richtigen Reaktion erfolgt eine Verstärkung) sowohl Kontrolle als auch Vorhersagbarkeit gegeben; bei Variabelintervallverstärkung (z.B.: nach durchschnittlich jeder dritten richtigen Reaktion erfolgt eine Verstärkung) liegt zwar Kontrolle, aber keine Vorhersagbarkeit vor. In ihrem Experiment legen Prindaville & Stein (1978) ihren Versuchspersonen zunächst Aufgaben zur Immunisierung gegenüber erlernter Hilflosigkeit (»Inokulationsaufgaben«) vor; dies sind Aufgaben aus dem APM (Advanced Progressive Matrices von Raven), bei denen aber die richtige Lösung unter den Alternativantworten nicht vorkommt. In dieser Phase werden die Versuchspersonen entweder nach variablen oder festgesetzten Intervallen verstärkt. Daraufhin erfolgte die Hilfiosigkeitserzeugung aufgrund von unlösbaren Konzeptidentifikationen. Im Anschluß daran wurde die Testaufgabe vorgegeben: die Versuchspersonen 149 konnten einen Ton auf ein Lichtsignal hin abstellen. Die Ergebnisse verdeutlichen, daß die Immunisierung wirksam war und daß die Versuchspersonen mit Variabelintervallverstärkung signifikant mehr erfolglose Versuche in der Testphase hatten als die Versuchspersonen mit Festintervallverstärkung. In einer weiteren Studie (Stein, 1980) konnte durch intermittierende Verstärkung mit multiplen Mißerfolgen in Kombination mit einem Training zur Anstrengungsattribution eine signifikante Immunisierungswirkung erzielt werden. Diese Effekte zeigten sich gegenüber den Kontrollgruppen ohne Immunisierung, ohne Attributionstraining und mit intermittierender Verstärkung mit einzelnen Mißerfolgslängen. 9.3.3 Gibt es einen Zusammenhang zwischen Attributionsstil und Depression? In der Tabelle 9.5 werden die Ergebnisse zur Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Attributionsstil und Depression bzw. Hilflosigkeit dargestellt; auf einige wird detaillierter eingegangen. In einer Studie von Garber & Hollon (1980) konnte die Unterscheidung zwischen universeller und persönlicher Hilflosigkeit bestätigt werden. Sie verdeutlichte aber auch, daß sich Depressive von Nicht-Depressiven nicht per se in ihrer Wahrnehmung von Aufgaben unterscheiden, sondern nur in ihren Annahmen über ihre eigene Aufgabenbewältigung. Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zur Annahme der Theorie der erlernten Hilflosigkeit, da Depressive sich selbst zwar als hilflos ansehen (= persönliche Hilflosigkeit), die Situation als solche aber nicht als unkontrollierbar erleben (= universelle Hilflosigkeit). Harvey (1981) ließ depressive und nicht-depressive Studentinnen persönlich wichtige Erlebnisse berichten, für deren Ursachen sie dann (unstrukturierte) Erklärungen geben mußten. Danach mußten sie die Wichtigkeit von bestimmten Ursachen dieser Ereignisse einschätzen. Das Ergebnis legt nahe, daß demnach Depressive Mißerfolge internal, nicht aber stabil attribuieren, und daß die Mißerfolge stärker als kontrollierbar beurteilt werden als die Erfolge. Miller & Norman (1981) untersuchten depressive und nicht mehr ganz hilflose Patienten. Die nicht mehr ganz Hilflosen wurden einer Hilfiosigkeitsinduktion unterzogen. Bei einer Aufgabe, die angeblich soziale Intelligenz erfassen sollte, erhielten alle Versuchspersonen zu 80% positives Feedback. Danach wurden die Attributionsstile (internal vs. external, kombiniert mit generell vs. spezifisch) induziert, um dann die Erwartungen, Stimmungen und Leistung beim Lösen von Anagrammaufgaben der Versuchspersonen zu bestimmen. Bei internalem Attributionsstil wurden weniger depressive Stimmungen berichtet als bei externalem Attributionsstil. Außerdem bewirkte ein genereller Attributionsstil höhere Erfolgserwartungen und bessere Leistung als ein spezifischer Attributionsstil. Nach Zemore & Johansen (1980) fühlten sich depressive Patienten sehr viel stärker für negative Ergebnisse verantwortlich als nicht-depressive. Die Autoren interpretieren den Zusammenhang zwischen Attribution und destruktiver Stimmung wie folgt: Je größer das wahrgenommene Fähigkeitsdefizit und je größer die wahrgenommene Wichtigkeit der Fähigkeit, desto wahrscheinlicher nimmt ein Depressiver sehr attraktive Ziele als unerreichbar wahr. 150 Tabelle 9.5: Zusammenstellung von Studien zur Beziehung von Attributionsstil und Depression Autoren Versuchspersonen Ergebnis Cochran & Hammen (1985) Curry & Craighead (1990) depressive Patienten Follette & Jacobson (1987) Studenten im Zeitraum ihres Zwischenexamens Furnham & Brewin (1986) Studenten Garber & Hollon (1980) depressive vs. nichtdepressive Studenten Golin et al. (1981) depressive Studenten Hammen & De Mayo (1982) Gymnasiallehrer Harvey (1981) depressive vs. nichtdepressive Studenten Hautzinger (1983) depressive Patienten und Gesunde Hunsley (1989) Studenten Metalsky et al. (1982) Studenten im Zeitraum ihres Zwischenexamens Miller & Norman (1981) depressive Patienten Pillow et al. (1991) Psychologiestudenten im Anfangssemester Lediglich zwischen globaler Attribution und Depression besteht eine Beziehung Ein Summenwert für den Attributionsstil »internal, stabil und global« korreliert nicht mit negativen Ereignissen 1. Ein unerwartetes negatives Prüfungsergebnis begründet keinen depressogenen Attributionsstil. 2. Ein internaler stabiler und globaler Attributionsstil für schlechte Prüfungen führt zu dem Vorsatz, zukünftig mehr zu lernen. 1. Globale Attributionen liegen bei negativen Ereignissen vor. 2. Internale Attribution korreliert mit Selbstwertgefühl. Depressive und Hilflose zeigen persönliche, nicht aber universelle Hilflosigkeit. Dies konnte anhand der Änderungen der Erfolgserwartung nach Beobachtung von Modellen gezeigt werden. 1. Stabile, globale Atribution als mögliche Ursache für Depression. 2. Es besteht zwar ein Zusammenhang zwischen internalem Attributionsstil und Depressen, es fehlt jedoch der Nachweis, daß internale Attribution eine Ursache für Depression darstellt. 1. Es besteht kein Zusammenhang zwischen internal-stabiler Attribution des Schulstresses und depressiven Symptomen. 2. Signifikante Korrelation zwischen Depressivität einerseits und berichtetem Schulstreß bzw. der wahrgenommenen Fähigkeit, mit dem Schulstreß umgehen zu können, andererseits. Depressive attribuieren Mißerfolg internal, nicht aber stabil, sie attribuieren Mißerfolge stärker kontrollierbar als Erfole. 1. Depressive beziehen die Verantwortung für negative Ereignisse auf sich. 2. Generell sind verzerrte Kognitionen nur depressionsbegleitende Symptome. Aus der Wechselwirkung zwischen depressivem Attributionsstil und subjektivem Streß lassen sich Veränderungen bei depressiven Stimmungen vorhersagen. 1. Über den Zeitverlauf besteht kein Zusammenhang zwischen dem Attributionsstil »stabil« und Depression. 2. Es besteht ein Zusammenhang zwischen internalglobaler Attribution für negative Ereignisse und Depression. Akut depressive und nicht mehr ganz hilflose Patienten, denen für eine Aufgabe internale Attribution nahegelegt wird, berichten weniger depressive Stimmungen. Außerdem bewirkt generelle Attribution höhere Erfolgserwartungen und bessere Leistung als spezifische Attribution. 1. Keine Beziehung zwischen dem AttributionsStil »stabil« und Depression 2. Korrelation zwischen dem Attributions-Stil »global« und Selbstwert. depressive Patienten 151 Steinmeyer (1984) Steinmeyer (1988) depressive Patienten, nicht-depressive Psychiatriepatienten und Gesunde drei Subgruppen depressiver Patienten Stiensmeyer et al. (1988) Depressive, Schizophrene, Chirurgiepatienten Zemore & Johansen (1980) depressive vs. nichtdepressive Studenten Depressive zeichnen sich lediglich durch den internalen Attributionsstil aus. 1. Es liegen für die drei Gruppen depressionstypische Attributionsstile vor. 2. Bei Mißerfolgen liegen internale und eher labile Ursachenbeschreibungen vor. 1. Depressive attribuieren negative Ereignisse »internal, stabil, global«. 2. Bei Schizophrenen und Chirurgiepatienten trifft (1) nicht zu. 1. Geringe, signifikante Korrelation zwischen Depressivität einerseits und internaler Attribution und der Wichtigkeit der geforderten Fähigkeit in anderen Situationen andererseits. 2. Vorhersage, daß mit zunehmender Globalität und Stabilität der internalen Attribution die Hilflosigkeit wächst, wird nicht bestätigt. In einer Studie von Steinmeyer (1984) lassen sich im Hinblick auf den Attributionsstil »external vs. internal« depressive Patienten, die ein vermindertes Selbstwertgefühl aufweisen, sowohl von nicht-depressiven psychiatrischen Patienten als auch von Gesunden unterscheiden. Die Attributionsstile »global vs. spezifisch« und »stabil vs. variabel« zeigen jedoch keinen eindeutigen Erklärungswert für Depression auf. Steinmeyer folgert aus diesem Befund, daß die reformulierte Hilflosigkeitstheorie nicht ausreicht, die unterschiedlichen depressiven Symptomverläufe zu erklären. In der Studie von Steinmeyer ist auch auffällig, daß bestimmte Attributionsstile bei endogener Depression krankheitsphasenspezifisch auftreten. Reaktiv-Depressive unterschieden sich in keiner Krankheitsphase von Gesunden und nicht-depressiven psychiatrischen Patienten bezüglich ihres Attributionsverhaltens. Erste Wege in eine interessante Richtung gehen Hammen & De Mayo (1982), die die reformulierte Theorie der erlernten Hilflosigkeit nach Abramson et al. in natürlichen Situationen untersuchen. Sie beschäftigen sich dabei mit dem Zusammenhang zwischen Streß und Hilflosigkeit bei 75 Gymnasiallehrern im Unterricht. Die Lehrer betrachten sich als einerseits universell hilflos, mit ihrem Berufsstreß umzugehen (unabhängig von der Streßursache); andererseits attribuieren sie – im Gegensatz zu den Vorhersagen von Abramson et al. – nicht external und zeigen kein mangelndes Selbstwertgefühl. Hammen & De Mayo bezeichnen diesen Zustand als Demoralisierung, der durch vorübergehende Symptome gekennzeichnet ist. Die Autoren unterscheiden Demoralisierung von Depression dadurch, daß sie den Begriff »Demoralisierung« auf Kontextbedingungen von stressenden Ereignis- und Bewältigungskognitionen beziehen, die im Zusammenhang mit dem Entstehen und Andauern von depressiven Symptomatiken gesehen werden können. Solche Kontextfaktoren werden von Abramson et al. vernachlässigt. Die Untersuchung zeigte weiter, daß der Attributionsstil ein schlechterer Prädiktor für Depression ist als die Konsequenzen von streßreichen Situationen sowie die Bewältigungsstrategien. Die Autoren fordern auf diesem Hintergrund die Untersuchung depressionsbezogener Kognitionen in natürlicher Umgebung, in der erkennbar streßreiche Ereignisse auftreten (vgl. auch Perrez, 1983a). Trotz der Heterogenität der Streßsituationen in der vorliegenden Studie verdeutlichen die Ergebnisse, daß ein Mangel an Kontrollierbarkeit von Problemlösungen (unabhängig von den Problemursachen) die psychologische Schlüsseldimension bei depressiver Symptomatik darstellt. In eine vergleichbare Richtung gehen die Überlegungen Kastners (1981), der eine Beziehung zwischen Streß und reaktiver Depression im Rahmen eines Beanspruchungsmodells angibt. Eine weitere, methodisch interessante Untersuchung stammt von Golin et al. (1981). Diese Autoren wenden die Cross-Lagged-Panel-Analysis an (eine Methode zur Analyse 152 von Meßwiederholungen aus Feldstudien; vgl. Petermann, 1989) und legen ihrer Untersuchung ein Zeitintervall von einem Monat zugrunde; sie analysieren auf der Basis von 180 Versuchspersonen, inwieweit globale und stabile Attributionen Depression hervorrufen. Nach dieser Studie bewirken stabile und globale Attributionen bei negativen Ereignissen Depression, wobei die gefundene Korrelation allerdings gering war. Externale und spezifische Attributionen verursachten keine Depression. Es soll allerdings auch bei dieser Studie nicht in Abrede gestellt werden, daß die angegebenen Attributionsmuster auch bei anderen Symptomen (z.B. Aggression) bedeutungsvoll sein könnten. Zumindest muß dieses Ergebnis auf dem Hintergrund der Studie von Harvey diskutiert werden, da sie verdeutlicht, daß depressive Collegestudenten internal und global, nicht aber stabil attribuierten (s.o.). Auch die weiteren Studien wenden sich einer längsschnittlichen Betrachtung der Entwicklung der Depression zu. So untersuchten Metalsky et al. (1982) Studenten vor und nach ihrem Zwischenexamen und wollten damit prüfen, ob eine schlechte Prüfung Einfluß auf depressive Stimmungen besitzt. Eindeutig ist dabei, daß zwischen einem stabilen Attributionsstil und der Chance, depressiv verstimmt auf einen Mißerfolg zu reagieren, keine Beziehung besteht. Liegt ein schlechtes Prüfungsergebnis vor, dann kann man von einem Zusammenhang zwischen einem internal-globalen Attributionsstil für negative Ereignisse und der depressiven Verstimmung ausgehen. In einer Replikationsstudie zu der Arbeit von Metalsky et al. (1982) untersuchten Follette & Jacobson (1987) den Attributionsstil von Studenten und verglichen dies damit, wie sie ihre Prüfungsleistungen erklärten. Um von den Studenten unaufgeforderte Attributionen zu erhalten, fragte man sie nach einem enttäuschenden Prüfungsergebnis, welche Pläne sie für die Vorbereitung ihrer nächsten Prüfung hätten. Von den befragten Studenten geben 31% indirekte Attributionen ab, wobei die Vorhersage, daß unerwartete negative Ereignisse einen depressiven Attributionsstil bedingen, nicht bestätigt werden konnte. Der gefundene Attributionsstil läßt keine Schlüsse auf eine depressive Stimmung zu. Internale, stabile und globale Attributionen für schlechte Prüfungsleistungen führten bei den Studenten zu dem Vorsatz, für die nächste Prüfung mehr zu lernen, was dem reformulierten Modell der erlernten Hilflosigkeit von Abramson et al. (1978) widerspricht. Stiensmeyer-Pelster et al. (1988) untersuchten Attributionsstile für negative und positive Ereignisse bei Depressiven (endogen, reaktiv), Schizophrenen und nicht-depressiven Chirurgiepatienten. Die Befunde bestätigten das von Abramson et al. (1978) reformulierte Modell der erlernten Hilflosigkeit. So führten depressive Patienten negative Ereignisse stärker auf internale, stabile und globale Ursachen zurück als Schizophrene und nicht depressive Chirurgiepatienten; zudem maßen sie den Ereignissen eine höhere Bedeutung bei. In ihren Ursachenzuschreibungen unterschieden sich reaktiv und endogen Depressive sowie die beiden nicht-depressiven Gruppen nicht; für positive Ereignisse zeigten sich zwischen den beiden Gruppen keinerlei Unterschiede. Cochran & Hammen (1985) prüften, ob bestimmte Attributionsmuster Depression verursachen oder zumindest stabilisieren. Diese Studie konnte lediglich Belege dafür finden, daß der Aspekt der Globalität mit Depression in Beziehung steht. Die übrigen Attributionsstile wirkten somit bestenfalls indirekt über den Aspekt der globalen Ursachenzuschreibung auf Depression. Somit scheinen nach dieser Studie kognitive Variablen weder als Ursache noch als prädisponierende Aspekte der Depression in Frage zu kommen. Hautzinger (1983) verglich depressive Patienten, die zu verschiedenen Zeitpunkten an Depression erkrankten, mit Gesunden. Er fand, daß depressive Patienten während ihrer Erkrankung deutlich erkennbare kognitive Veränderungen zeigen, indem sie sich u.a. selbst die Verantwortung für negative Ereignisse zuschreiben und Erfolge als external verursacht erleben. Depressive fühlen sich hilflos und ihrer Umwelt ausge153 liefert. Verzerrte Kognitionen sind damit depressionsbegleitende Symptome, jedoch nicht ihre Ursache. Die berichteten Ergebnisse sind nicht eindeutig und dies allein spricht schon gegen einen klaren Zusammenhang zwischen einem bestimmten Attributionsstil und Depression. Dieser Tatbestand bewegte einige Autoren wie Schuch (1982) dazu, emotionale Reaktionen und Attributionsprozesse als weitgehend unabhängig voneinander zu begreifen. Dieser Schlußfolgerung braucht man sich jedoch nicht zwingend anzuschließen, da die uneinheitlichen Ergebnisse auch durch die unterschiedlichen Depressionskonzepte, die den Studien zugrunde lagen, bedingt sein können. Bedenkt man zudem, daß die Ergebnisse an völlig unvergleichbaren Stichproben (Patienten, Psychologiestudenten, Lehrer u.a.) gewonnen wurden, kann man zu keinem einheitlichen Schluß kommen (vgl. Brunstein, 1990). Abschließend soll noch auf zwei Meta-Analysen hingewiesen werden, die sich lediglich mit dem Zusammenhang zwischen Attributionsstilen und Depressivität beschäftigten. Sweeney et al. (1986) bezogen 104 Studien in ihre Betrachtung ein. Internale, stabile und globale Ursachenzuschreibungen für negative Ereignisse sowie Attributionen, die Fähigkeit und Glück miteinbeziehen, stehen danach eindeutig mit Depression in Beziehung; eine solche klare Aussage läßt sich jedoch nicht für positive Ereignisse treffen. Robin (1988) analysierte 87 Studien, wobei nur acht von hoher statistischer Aussagekraft waren; diese exakt geplanten Studien belegten die Relation zwischen Depression und stabiler sowie globaler Attribution. In der aktuellen Situation kann man die von Abramson et al. (1978) reformulierte Theorie der erlernten Hilflosigkeit als keine hinreichende Bedingung zur Erklärung von Depression ansehen, da Depression nicht nur aus der Überzeugung resultiert, Probleme nicht selbst bewältigen zu können, sondern auch darin besteht, daß man u.a. keinen Zugriff auf fremde Ressourcen besitzt. Das unter 9.2.4 diskutierte neue Konzept der Hoffnungslosigkeits-Depression kann an dieser Stelle als weiterführende Perspektive angeführt werden. 9.3.4 Wodurch ist Hilflosigkeit im Kindesalter bedingt? Da das Konzept von Seligman auch als Entwicklungstheorie verstanden werden kann, ist es naheliegend, daß auch entwicklungspsychologische Studien zur erlernten Hilflosigkeit durchgeführt werden (Coyne & Gottlib, 1983; Hofmann, 1991; Petermann, 1992). Solche Studien untersuchen die Entwicklung und zeitliche Stabilität depressiver Attributionsstile bei Kindern. So stellten Peterson & Seligman (1984b) bei neun- bis 13jährigen Kindern über einen Zeitraum von sechs Monaten fest, daß der Attributionsstil der Mutter – bezogen auf ungünstige Ereignisse – mit dem entsprechenden des Kindes und den depressiven Symptomen des Kindes in Beziehung stand. Zudem lagen bei Müttern und Kindern vergleichbar ausgeprägte depressive Symptome vor. Die Analysen zeigten, daß die Ausprägungen der Depression stabiler waren als die Attributionsstile. Seligman & Peterson (1986) belegten, daß die Attributionsstile von Müttern mit denen ihrer Kinder sowie dieses Ergebnis mit dem Vorliegen von depressiven Symptomen korrelierte. Im Hinblick zu den Attributionsstilen der Väter bestanden keinerlei Beziehungen. Seligman & Peterson (1986) vermuten, daß die Kinder durch gemeinsame Erfahrungen mit den Müttern oder Imitationslernen von den Müttern diesen Attributionsstil übernehmen. Über eine weitere Studie zur Entwicklung der Hilflosigkeit berichten Rholes et al. (1980). Diese Autoren untersuchten fünf- bis zehnjährige Kinder, indem sie ihnen Gemälde vorlegten, auf denen angeblich eine bestimmte Anzahl von Figuren versteckt sei. Nach diesen Ergebnissen weisen jüngere Kinder im Gegensatz zu den älteren keine De154 fizite in Leistung und Durchhaltevermögen auf. Die Autoren führen dies auf die Verwendung eines »Hab-Schemas« bei jüngeren Kindern und eines »kompensatorischen Schemas« bei älteren Kindern zurück. Bei Verwendung des Hab-Schemas werden positive Ergebnisse auf hohe Fähigkeit und hohe Anstrengung zurückgeführt, negative Ergebnisse auf geringe Fähigkeit und geringe Anstrengung; bei Verwendung des kompensatorischen Schemas wird ein positives Ergebnis erklärt durch geringe Fähigkeit bei hoher Anstrengung oder umgekehrt. Anders formuliert: Beim Hab-Schema besteht eine positive Korrelation zwischen Anstrengung und Fähigkeit, beim kompensatorischen Schema eine negative Korrelation zwischen Anstrengung und Fähigkeit. Kritisch anzumerken bei dieser Untersuchung ist, daß zumindest für die jüngeren Kinder die Attributionsfragen umschrieben werden mußten (wie die Autoren auch selbst aufführen) und es nicht sicher ist, ob das gewählte Aufgabenmaterial für die verschiedenaltrigen Kinder wirklich gleich schwierig war. Zu erwähnen ist auch die Studie von Donovan (1981), die sich mit der Mutter-KindInteraktion beschäftigte. Der Autor analysierte Reaktionen der Mutter auf das Schreien des Kindes und sammelte anhand von Verhaltensstrategien und Korrelationen zum EKG-Muster der Mutter Belege für das Auftreten von erlernter Hilflosigkeit. Auch klinische Studien zur Entstehung der Depression im Kindesalter geben Aufschluß zum Konzept der erlernten Hilflosigkeit. Im Jahre 1984 untersuchten Kaslow und Mitarbeiter bei sechs- bis 14jährigen Kindern, die unterschiedlich ausgeprägte depressive Symptome aufwiesen, den Zusammenhang zwischen Selbstwertgefühl, Attributionsstil, kognitiven Fähigkeiten, Erfolgserwartungen und sozialer Kompetenz. Es zeigte sich, daß Kinder mit einer stärker ausgeprägten depressiven Symptomatik ein niedrigeres Selbstwertgefühl und weniger Erfolgserwartungen sowie einen depressiveren Attributionsstil aufweisen. Kadzin und Mitarbeiter (1983) fanden eindeutige Zusammenhänge zwischen Hilflosigkeit, geringem Sebbstwert, gehäufter auftretenden depressiven Symptomen und Sebbstmordabsichten. Zu vergleichbaren Ergebnissen kamen McCauley und Mitarbeiter (1988) bei psychiatrisch behandelten Kindern und Jugendlichen der Altersgruppe von sieben bis 17 Jahren. Kinder mit depressiven Symptomen erklärten Erfolge mit externalen Ursachen; sie wiesen damit einen spezifischen Attributionsstil auf. Eine erste Längsschnittstudie in diesem Kontext legten Nolen-Hoeksema et al. (1986) vor; diese Autoren untersuchten über einen Zeitraum von einem Jahr den Zusammenhang zwischen Depression, Leistung und Attributionsstil bei 168 acht- bis elfjährigen. Die Schulbeistungen wurden einmal gemessen, depressive Symptome, Lebensereignisse und Attributionsstile fünfmal erhoben. Es stellte sich heraus, daß die depressive Symptomatik sowie der Attributionsstil im Verlauf eines Jahres relativ stabil waren. Die zentrale Hypothese war, daß Kinder mit einem ungünstigen Attributionsstil mehr depressive Störungen sowie Leistungsprobleme haben; die Ergebnisse stützen diese Hypothese. Kinder, die dazu tendierten, negative Ereignisse internal, stabil und global zu attribuieren und die für positive Ereignisse externale, instabibe und spezifische Ursachen angaben, waren depressiver und hatten mehr Leistungsprobleme. Auf der anderen Seite wurde bei den Kindern ohne depressive Symptome und Leistungsstörungen der genau entgegengesetzte Attributionsstil gemessen. Der ungünstige Attributionsstil korrelierte nicht nur mit aktuellen depressiven Symptomen, es ließen sich auch Vorhersagen über eine später auftretende Depression machen. Aber auch durch die gemessenen Depressionswerte konnte man spätere Attributionsmuster vorhersagen. Diese Längsschnittstudie belegt – nach Meinung Nolen-Hoeksema et al. (1986) – die Bedeutung von Attributionsmustern für die Erklärung und Behandlung von Depression und Leistungsstörungen. 155 9.3.5 Probleme empirischer Studien Das Konzept der erlernten Hilflosigkeit ist in meinen Augen ein Paradebeispiel dafür, wie schwer psychologische Theorien, nachdem man ihren Anwendungsbereich ausgeweitet hat, zu prüfen sind. So erscheint der Anspruch der Theorie, die Herausbildung klinischen oder sozialen Verhaltens über die Lebensspanne zu erklären, kaum experimentell prüfbar. Die bislang unternommenen Versuche, Hilflosigkeitsbedingungen herzustellen, dürften kaum Aussagen über eine längerfristige Beeinflussung des Entwicklungsverlaufes zulassen. So ist die Vorgabe von unlösbaren Aufgaben, Diskriminationsaufgaben (Konzeptidentifikationen) und kurzfristige Streßerzeugung (Shuttlebox) nur eingeschränkt dafür geeignet. Die Begrenzung des klassischen Hilflosigkeitsexperiments auf wenige Minuten kann wohl kaum ausreichend sein, um nachhaltig wirksame Hilflosigkeit zu erzeugen; allerdings wären nachhaltige Effekte auch aus ethischen Gründen nicht verantwortbar. Neben diesen Schwierigkeiten ergeben sich immense Meßprobleme im Hinblick auf die verschiedenen Attributionsstile. Zunächst kann generell bezweifelt werden, ob die Attributionsstile überhaupt in reiner Form auftreten (vgl. hierzu Abschnitt 9.2.3.2). Leider unterstellen fast alle Autoren die Unabhängigkeit der Attributionsstile und ordnen Mißerfolge in sehr globale Kategorien ein (vgl. Zemore & Johansen, 1980). Auch neuere Versuche, sogenannte »Attributionsfragebögen« einzusetzen, sind reichlich problematisch. Die meist vordergründig formulierten Fragen unterliegen sehr stark Beantwortungstendenzen (z.B. der Tendenz, nach den Vorstellungen des Versuchleiters zu antworten). Unter methodischen Gesichtspunkten ist sehr unbefriedigend, daß bei der immensen Forschungsproduktivität, die sich in einigen hundert Experimenten niederschlägt, nur wenige Replikationsstudien durchgeführt wurden. Findet man doch einmal eine Replikationsstudie, wie z.B. die von Krautzig et al. (1981), so kommt diese zu anderen Ergebnissen als das Ursprungsexperiment (hier von Seligman & Klein, 1976). Des weiteren wären die Durchführungsbedingungen der Experimente systematischer zu variieren. So wiesen z.B. erst kürzlich Grabitz & Hammerl (1985) darauf hin, daß durch Signalreize, die mehr oder weniger lösbare Aufgaben ankündigen, hilfloses Verhalten verhindert wird. Interessante Überlegungen zur Optimierung der experimentellen Untersuchung der erlernten Hilflosigkeit stellt Heckhausen (1980) an. Er weist darauf hin, daß im Gegensatz zu tierexperimentellen Untersuchungen in den Humanexperimenten die Hilflosigkeitseffekte sehr gering sind. Für Heckhausen ist es deshalb wichtig, daß unterschieden wird zwischen Kompetenzerleben und der manipulierten Inkompetenz durch das Experiment. Vorbildlich erscheint Heckhausen das experimentelle Vorgehen von Koller & Kaplan (1978), die präzise die Unterschiede im Kompetenzerleben variierten. Es wird dabei von vier Rückmeldungsarten (kontingent, nonkontingent, fast ausschließlich Erfolg und Mißerfolg) ausgegangen. Heckhausen sieht in erlernter Hilflosigkeit einen mehrphasigen Prozeß, der dann beschleunigt wird, wenn die Person glaubt, daß sie erhebliche Fähigkeitsmängel besitzt. Diese Personen werden dann schnell hilflos. Heckhausen bezweifelt, daß bislang über die Generalisierung von Hilflosigkeit bezogen auf Handlungsbereiche und Zeiten ausreichend gestützte Ergebnisse vorliegen und betont, wie wichtig die Erforschung individueller Unterschiede im Erfahren und Erleben von Hilflosigkeit sei. 156 9.4 Anwendung und Perspektiven des Konzeptes »Erlernte Hilflosigkeit« Neben der eher sozialpsychobogisch geprägten experimentellen Erforschung des Phänomens »erlernte Hilflosigkeit« hat im deutschsprachigen Raum vorwiegend die eher angewandte Forschung um das Depressionskonzept Eingang gefünden (vgl. Försterling, 1986). Die reformulierte Fassung der Theorie der erlernten Hilflosigkeit nach Abramson et al. hat auch zu einem neuen Depressionskonzept geführt, das über das in diesem Buch dargestellte hinausgeht. Depression ist nach Abramson et al. durch motivationale, kognitive und emotionale Defizite sowie durch ein vermindertes Sebbstwertgefühl gekennzeichnet. Abramson et al. (1978, S. 68) folgern, daß die Generalisierung des depressiven Defizits von der Globalität der Hilflosigkeitsattribution und die Chronizität von der Stabilität der Hilflosigkeitsattribution abhängt (vgl. Wortman & Dintzer, 1978; Abschnitt 2.3). Die Verminderung des Sebbstwertgefühbes beruht auf der internalen Erklärung der Hilflosigkeit. In der Reformulierung gelangt man von einer lerntheoretischen Sicht eines Defizits zu der Auffassung, es handele sich um eine »Attributionskrankheit« mit Namen »Depression«. Ob diese Wende eine zum Guten war, wurde ja schon in Frage gestellt, wobei vor allem die klinisch-psychologische Depressionsforschung den Erklärungsanspruch des Konzepts der erlernten Hilflosigkeit in Frage stellte (vgl. Wolpe, 1979), da der Begriff »Depression« zu global verwendet wird und kaum mit dem Diagnoseschema der klinisch-psychologischen Praxis in Einklang zu bringen ist. Die Kritik am Konzept der erlernten Hilflosigkeit richtet sich auch gegen die mangelnde Differenziertheit des Depressionsbegriffes, der in dieser Form für die psychiatrisch-diagnostische Praxis unzureichend zu sein scheint (vgl. Linden, 1983). Das Konzept der erlernten Hilflosigkeit wirkte befruchtend auf die Entwicklung systematischer Interventionsprogramme, die auf einem umfassenderen theoretischen Bezugsrahmen basieren als traditionelle Verhaltenstherapieprogramme. So entwickelten Rodin & Langer (1980), vgl. Herkner, 1980) vor diesem Hintergrund Möglichkeiten, wie bei alten Menschen Kontrollbedingungen wiederhergestellt werden können. Für selbstunsichere acht- bis zwölfjährige Kinder stellen Petermann & Petermann (1992b) ein Modifikationsverfahren vor, das aus der Seligmanschen Theorie entwickelt wurde (vgl. »Sonntagskinder« und »deprivierte Kinder« im vorliegenden Buch). Weitere Anregungen der Theorie der erlernten Hilflosigkeit für den pädagogischen Anwendungsbereich zeigt Ulrich (1980) auf. Er folgert für die Prophylaxe ängstlichen und selbstunsicheren Verhaltens bei Schülern folgendes: ) Das Unterrichtsverhalten muß möglichst frei von Zufälligkeiten und Mehrdeutigkeiten sein, d.h., es dürfen keine unvorhersagbaren und unbegründeten Bewertungen bzw. Sanktionen auftreten. ) Mißverhältnisse zwischen Anforderungen und individuellen Leistungsmöglichkeiten müssen für den Schüler zu bewältigen sein. ) Erfolge müssen planbar für den Schüler sein; hierzu müssen Anforderungen transparent und der Zusammenhang zwischen Zielen, Leistungen und Bewertungskriterien erkennbar sein. ) Schüler sollen aufgrund der Überwindung von Frustrationen und eigenen Unzulänglichkeiten durch aktive Erfahrung Bewältigungskompetenzen aufbauen und dadurch ein Bewußtsein der Kontrolle entwickeln. Die empirische Überprüfung dieser Verhaltensprinzipien im pädagogischen Feld wäre wünschenswert. Die Anwendungsaufgeschlossenheit des Konzeptes der erlernten Hilflosigkeit ergibt sich sicherlich auch aus der hohen Selbstevidenz bzw. der Plausibilität der theoretischen 157 Annahmen. Das Konzept der erlernten Hilflosigkeit muß präziser gefaßt werden, was m. E. weg von den nicht eindeutig prüfbaren attributionstheoretischen Annahmen und hin zu den Ursprüngen der Theorie von Seligman führen müßte. Eine Einschränkung des Aussagebereichs der Theorie könnte sich zunächst einmal auf aversive nonkontingente Ereignisse beziehen. In einem zweiten Schritt müssen die Prädikatoren abgeleitet werden, die über längere Zeiträume Aussagen über die Entwicklung von erlernter Hilflosigkeit zulassen. Solche Prädikatoren sollten in entwicklungspsychobogischen oder längsschnittlich angelegten klinischen Untersuchungen geprüft werden. Durch diesen Schritt würde der ursprüngliche Ätiologiecharakter der Theorie wieder in den Vordergrund gerückt, was einer Präzisierung des Verlaufsaspektes von Hilflosigkeit dient. Diese Überlegungen sind nicht neu, sondern wurden bereits in dem integrierten Modell von Wortman & Brehm (1975) formuliert. Wortman & Brehm konnten durch die Beobachtung des Entwicklungsaspektes Unklarheiten und Widersprüche auflösen (s.o.). Diese bislang vornehmlich hypothetischen Überlegungen sollten in einer umfassenden Längsschnittbetrachtung untersucht werden. Obwohl die attributionstheoretische Aufbereitung von Hilflosigkeitsphänomenen zur Immunisierung des Theoriegebäudes führte, könnte auch hier eine längsschnittliche Betrachtung helfen. So dürfte die Vorhersage von Attributionsmustern im Zeitverlauf – unter Betrachtung situationaler Bezugsgrößen – präzise Aussagen über Stabilität und Globalität zulassen, die nicht im Nachhinein dem Versuchsleiter bzw. der Versuchsperson untergeschoben werden. Auch die Genese klinischer Phänomene (z.B. abgegrenzter Formen der Depression) ist nur durch Längsschnittbetrachtungen beantwortbar. Wichtig bei Längsschnittstudien wird sein, daß sich die zu untersuchenden Stichproben im Altersbereich homogen zusammensetzen. So dürfte die Altersvariable (= chronologisches Alter) entscheidend für die Herausbildung von Hilflosigkeit verantwortlich sein, was nicht bedeutet, daß ältere Menschen hilfloser sein müssen als jüngere, sondern nur besagt, daß Hilflosigkeitsphänomene mit der Altersvariable konfundiert sind (vgl. Rholes et ab., 1980). Auf diesem Hintergrund dürften Untersuchungen, die ansonsten methodisch exakt durchgeführt wurden, wie z.B. von Miller & Norman (1981), bei Zugrundelegung einer Altersspanne von 19 bis 60 Jahren und der anschließend durchgeführten Mittelung der Effekte kaum glaubhaft wirken. Längsschnittbetrachtungen haben vielleicht zudem noch den Vorteil, daß man sich auf wenige Variablen mit einem hohen Präzisionsgrad beschränken muß, um die Erhebungsökonomie zu wahren. Diese Tatsache würde zunächst einmal dem Einführen weiterer intervenierender und moderierender Variablen in das Bezugssystem des Konstruktes entgegenwirken und dadurch sein weiteres Durchlöchern verhindern. 158 9.5 Literatur zum zweiten Teil Abramson, L. Y., Seligman, M. E. P. & Teasdale, J. D. (1978). LEARNED HELPLESSNESS IN HUMANS: CRITIQUE AND REFORMULATION. Journal of Abnormal Psychology, 87, 49-74. Abramson, L. Y., Metalsky, G. I. & Alloy, L. B. (1989). HOPELESSNESS DEPRESSION: A THEORY-BASED SUBTYPE OF DEPRESSION. Psychological Review, 96, 358-372. Alloy, L. B. (1982). THE ROLE OF PERCEPTIONS AND ATTRIBUTIONS FOR RESPONSE-OUTCOME NONCONTINGENCY IN LEARNED HELPLESSNESS: A COMMENTARY AND DISCUSSION. Journal of Personality, 50, 443-479. Alloy, L. B. & Abramson, L. Y. (1979). 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Irwin (1971) und Teitelbaum (1964) für weitere Ausführungen zum Verhältnis zwischen Willkürverhalten und instrumentellem oder Konsequenzorientiertem Verhalten. 004 Die Literatur zu der Frage, welche Reaktionen genau in diesem Sinne willentlich sind, ist faszinierend und wächst zunehmend. Die Liste derartiger Reaktionen scheint sich immer weiter auszudehnen, da Grund zu der Annahme besteht, daß Herzfrequenz, Urinexkretion und Alpha-Wellen des EEG (unter anderen) durch bestimmte Trainingsverfahren unter willentliche Kontrolle gebracht werden können. Eine Zusammenfassung gibt Miller (1969). Diese Befunde mögen die ursprüngliche Trennung zwischen willentlich und unwillkürlich verwischen, aber für meine Definition, ob irgendeine Reaktion willentlich ist, ist lediglich von Bedeutung, ob sie durch Belohnung oder Bestrafung verändert werden kann. 005 Humphreys (1939 a, b, c) und Skinner (1938). 006 Die Taube bekommt nur dann ein Futterkorn, wenn sie nicht auf die Taste pickt. Es ist wissenschaftlich umstritten, ob es einem Organismus wirklich möglich ist, nicht zu reagieren. Es wird behauptet, daß Organismen letzten Endes immer irgend etwas tun, auch wenn man es nicht beobachten kann, und daß dieses Irgend-Etwas verstärkt wird. Obwohl eine derartige Sichtweise a priori gerechtfertigt werden kann, ist das Beweismaterial, das ich durch das gesamte Buch hindurch diskutieren werde, mit ihr total unvereinbar. 007 Der scharfsinnige Leser mag sich fragen, warum ich mir die Mühe gemacht habe, während des ganzen Beispiels die zeitliche Limitierung von 30 Sekunden ausdrücklich hinzuzufügen. Hätte ich mich nicht einfach auf Knopfdruck und unterbliebenen Knopfdruck beschränken können? Der Grund ist einfach der, daß – genau genommen –Knopfdruck ein Ereignis eines einzigen Momentes ist, nicht aber unterbliebener Knopfdruck. Damit aber p(R/K) und p(R/K) (x- und y-Achse im Reaktions-Kontingenzen-Raum) auch hinsichtlich des Zeitintervalles vergleichbar sind, wird R als das Auftreten einer Reaktion innerhalb eines Zeitintervalles von 30 Sekunden definiert und R als das Ausbleiben dieser Reaktion während dieses Zeitintervalles. Schoenfeld, Cole, Lang und Mankoff (1973) verwenden dieses Verfahren extensiv. Der konzeptuelle Rahmen dieses Kapitels verallgemeinert auch auf Bedingungen ohne zeitliche Limitierung; der interessierte Leser wird in Hinsicht auf Einzelheiten der Deduktion an Seligman, Maier und Solomon (1971) und in Hinsicht auf eine formale Diskussion des Reaktions-Kontingenzen-Raumes an Gibbon, Berryman und Thompson (1974) verwiesen. 008 Seligman und Hager (1972). 009 Staddon und Simmelhag (1971). Zur speziesspezifischen Analyse von Hilflosigkeit siehe auch Staddon (1974). 010 Overmier und Seligman (1967), Seligman und Maier(1967). 011 Overmier (1968), Overmier und Seligman (1967), Seligman und Groves (1970), Seligman und Maier (1967), Seligman, Maier und Geer (1968). 012 Maier (1970), Maier, Albin und Testa (1973), Seligman und Beagley (1974), Seligman und Maier (1967). Es sollte erwähnt werden, daß sich Church (1964) gegen den Einsatz von yoked Gruppen als Kontrollgruppen für instrumentelles Lernen wandte. Sein Argument spielt jedoch für Hilflosigkeitsexperimente keine Rolle, da in diesen Experimenten die Partnergruppe (yoked group) Experimentalgruppe ist, während die beiden anderen Gruppen die Kontrollgruppen darstellen. 169 013 Seligman und Maier (1967). 014 Vgl. z.B. die Beiträge aus dem von Seligman und Hager (1972) herausgegebenen Buch. 015 Thomas und Balter (1974). Ferner geben Masserman (1943, 1971), Seward und Humphrey (1967) und Zielinski und Soltysik (1964) weitere Berichte über Beeinträchtigungen, die unvermeidbare elektrische Schläge bei Katzen hervorrufen. 016 Padilla, Padilla, Ketterer und Giacalone (1970). Ähnliche Ergebnisse aus Experimenten mit Goldfischen berichten Bintz (1971), Behrend und Bitterman (1963), Frumkin und Brookshire (1969) und Padilla (1969). 017 Maier, Seligman und Solomon (1969) sowie Seligman (1971) geben einen Überblick über diese komplizierte Literatur; dort findet der interessierte Leser weitere Details. Repräsentative Untersuchungen finden sich auch bei Anderson, Cole und McVaugh (1968), DeToledo und Black (1967), Dinsmoor und Campbell (1956 a und b), Looney und Cohen (1972), Mullin und Morgenson (1963) und Weiss, Krieckhaus und Conte (1968). 018 Maier et al. (1973), Seligman und Beagley (1974), Seligman, Rosellini und Kozak (1974 b). Beiläufig sollte erwähnt werden, daß Mäuse (Braud, Wepman und Russo 1969) und sogar niedere Küchenschaben (Horridge, 1962) nach unvermeidbaren elektrischen Schlägen Verhaltensmängel aufweisen. 019 Hiroto (1974), Hiroto und Seligman (1974), Krantz, Glass und Snyder (1974). Andere Experimente zur gelernten Hilflosigkeit beim Menschen, die zu ähnlichen Ergebnissen führten, finden sich bei Fosco und Geer (1971), Miller und Seligman (1974 a), Racinskas (1971), Roth und Kubal (1974) und Thornton und Jacobs (1971). 020 James (1963), Lefcourt (1966) und Rotter (1966) beschreiben die aktuellen Persönlichkeitstests und fassen die ausgedehnte und kontroverse Literatur zusammen. 021 Braud et al. (1969). McCulloch und Bruner (1939) berichten ähnliche Befunde aus Rattenexperimenten und vermutlich die früheste Untersuchung zu Hilflosigkeit in der Literatur. 022 Rosellini und Seligman (1974). A. Amsel (1974, persönliche Mitteilung). 023 Amsel, Rashotte und MacKinnon (1966) fassen die Ergebnisse von Frustration bei Ratten zusammen. 024 Brookshire, Littman und Stewart (1961) verabreichten 30 Tage alten Ratten unvermeidbare elektrische Schläge, während sie die Kontrolltiere lediglich normal behandelten. Hundert Tage später, im Erwachsenenalter, wurden die Ratten in einem Laufgang untersucht, an dessen Ende Futter lag. Wenn die Ratten nur leicht hungrig waren, schnitten hilflose Ratten faktisch besser ab als die Kontrolltiere. Bei mittelmäßigem Hunger rannten alle Gruppen mit dem gleichen Erfolg nach dem Futter. Wenn der Hunger zum traumatischen Erlebnis wurde (nach 96 Stunden Nahrungsentzug), rannten nur die normal behandelten Ratten den Laufgang entlang, während die zuvor geschockten Tiere aufgaben und einfach passiv in der Startkiste sitzenblieben. 025 Maier, Anderson und Lieberman (1972). Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Powell und Creer (1969). Weitere Beweise für den Transfer zwischen aversiven Ereignissen liefern Anderson und Paden (1966). 026 Hiroto und Seligman (1974). Vgl. auch Miller und Seligman (1974 b) zu einer Replikation und Ausweitung der Ergebnisse auf Depression. 027 Hiroto und Seligman (1974). 028 Maier (1949) hat dieses Verfahren sehr intensiv bei Rattenexperimenten eingesetzt. Die beeinträchtigenden Konsequenzen dieses Verfahrens für Ratten werden in Kapitel 8 diskutiert. 029 Hiroto und Seligman (1974). 030 Seligman, Meyer und Testa (unveröffentlicht). Vgl. auch Hulse (1974). 170 031 Engberg, Hansen, Welker und Thomas (1973) – die veröffentlichte Version hatte den Titel »›Acquisition of keypecking via autoshaping as a function of prior experience: Learned laziness?‹« Ähnliche Ergebnisse aus Taubenexperimenten finden sich bei Gamzu und Williams (1971) und bei Gamzu, Williams und Schwartz (1973) und Welker, Hansen, Engberg und Thomas (1973), die in eine lebhafte Kontroverse über die Erklärung dieser Ergebnisse einsteigen. 032 Kurlander, Miller und Seligman (1974). 033 Miller und Seligman (1974 b). 034 Hiroto und Seligman (1974). 035 Thomas, Freeman, Svinicki, Burr und Lyons (1970). 036 Wallace (1956 a). 037 Overmier (1968), Overmier und Seligman (1967), Seligman und Groves (1970). 038 Seligman et al. (1974 b). Diese Ratten wurden von Geburt an in Käfigen aufgezogen, so wie Hunde in Käfigen aufgezogen werden (vgl. S. 55) und keinen Zeitverlauf der Hilflosigkeitsreaktion zeigten. Die Aufzucht in Käfigen beschränkt die Möglichkeiten, durch die Erfahrung kontrollierbarer Ereignisse immunisiert zu werden. 039 Brady, Porter, Conrad und Mason (1958). Diese Untersuchung wird in Kapitel 6 ausführlicher diskutiert. 040 Sines, Cleeland und Adkins (1963). 041 Weiss (1968, 1971 a, b und c). Vgl. auch Moot, Cebulla und Crabtree (1970); mehr über Magengeschwüre, Angst und Unvorhersagbarkeit wird auch in Kapitel 6 berichtet. 042 Eine laufende Kontroverse bezüglich dieser Daten findet sich bei Brimer und Kamin (1963), Lindner (1968), Desiderato und Newman (1971) und Payne (1972). 043 Hokanson, DeGood, Forrest und Brittain (1971). Ähnliche Humanexperimente mit verschiedenen anderen Angstmaßen führten Averill und Rosenn (1972), Bandler, Madaras und Bem (1968), Corah und Boffa (1970) und Elliot (1969) durch. Die Literatur in dieser Hinsicht ist komplex und uneinheitlich; sie wird aus verschiedenen Blickwinkeln heraus von Averill (1973) und Binik und Seligman (1974) überprüft. 044 Pavlov (1927, 1928). 045 Liddell, James und Anderson (1934). 046 Bei der heutigen Generation von Lerntheoretikern besteht eine erstaunliche Übereinstimmung von Meinung und Beweismaterial darüber, daß Organismen über Kontingenzen innerhalb dieses Reaktions-Kontingenzen-Raumes einschließlich der 45º Linie lernen und Information speichern können: Catania (1971), Church (1969), Gibbon et al. (1974), Maier et al. (1968), Seligman et al. (1971), Wagner (1969), Watson (1967) und Weiss (1968, 1971 a). 047 Wenn der interessierte Leser die Beziehung zwischen der Information über die Kontingenz und deren kognitiver Repräsentanz genauer auszubuchstabieren versucht, sei er an Kelley (1967) und Weiner, Frieze, Kukla, Reed, Rest und Rosenbaum (1971) verwiesen, die einen attributionstheoretischen Standpunkt vertreten; Irwin (1971) und Seligman und Johnston (1973) vertreten den Standpunkt der kognitiven Lerntheorie; ferner sei auf Lazarus (1966) und Stotland (1969) verwiesen. 048 Langer (1974) führte ebenfalls eine Experimentalserie zu Faktoren, die die Illusion von Kontrolle hervorrufen, durch. Ihren Ergebnissen zufolge erliegen Menschen der Illusion von Kontrolle in Glücksspielen, wenn ihre Gegenüber ihnen inkompetent erscheinen, wenn sie ein Lotterielos auswählen können und wenn sie mehr Zeit mit einem Spiel verbringen. 049 Es sollte auch darauf hingewiesen werden, daß angeboren respondentes, also unwillkürliches Kampfverhalten eine andere Quelle darstellt, um in traumatischen Situationen zu reagieren, jedoch interessiert uns hier vor allem der Aufbau und Abbau willentlicher 171 Reaktionen. Damit soll auch nicht bestritten werden, daß angeborene Reaktionen in willentliche umgeformt werden können (Schwartz und Williams, 1972). 050 Solomon (1948) gelangt nach der Durchsicht der umfassenden Literatur zu dem Ergebnis, daß von extremen Bedingungen abgesehen ein Reduzieren der Anstrengungen kein effektiver Verstärker ist. 051 Vgl. Irwin (1971) und Seligman und Johnston (1973) in Hinsicht auf operational definierte Erwartungen bezüglich der Konsequenzen auf eine Reaktion. 052 Thornton und Jacobs (1971). 053 Hiroto und Seligman (1974), MacKintosh (1973), Maier (1949), Meligren und Ost (1972), Miller und Seligman (1974 a), Thomas et al. (1970). 054 Bowlby (1973), Hinde, Spencer-Booth und Bruce (1966), Kaufman und Rosenblum (1967) und Sackett (1970) beschreiben Details der Protest-Verzweiflungssequenz. Diese Abfolge wird in sehr allgemeiner Form auch von Selye (1956) beschrieben. 055 Solomon und Corbit (1974) stellten die Theorie auf, daß sich Emotionen antagonistisch zueinander verhalten könnten, wie sich im optischen System rot und grün antagonistisch zueinander verhalten. Aus einer derartigen Perspektive heraus ist es möglich, daß Furcht und Depression entgegengesetzte Prozesse darstellen: mit wiederholter Erfahrung unkontrollierbarer, furchterregender Erfahrungen wird während der Furcht Depression aufgebaut. Die Depression hemmt die Furcht und hält sie in ertragbaren Grenzen. Sobald das traumatische Ereignis verschwindet, verschwindet auch die Furcht; der entgegengesetzte Prozeß der Depression, der sich langsamer abbaut, bleibt. 056 Nicht jedes Spiel und jede Übung in Kompetenz haben ihren Ursprung in einem Trieb, die aversiven Zustände Furcht und Depression zu vermeiden, da auch der scheinbar entspannte Organismus spielt und exploriert, und Spiel und Explorationsverhalten durch Furcht gehemmt werden können (White, 1959). Auf der anderen Seite muß berücksichtigt werden, daß aversive Zustände wie Weinen oder Sich-Wehren entstehen, wenn Spiel oder Explorationsverhalten eingeschränkt oder zwangsweise beendet werden. 057 Bevorzugtes Futter der Hunde in Philadelphia, Pennsylvania und Ithaca, New York. Die Salami ist ein Werbegeschenk von KELLY & COHEN’S, Philadelphia. 058 Vgl. Seligman et al. (1968). Ähnliche Befunde zum »Durchzerren« als Trainingsverfahren werden von Black (1958), Maier (1949) und Tolman und Gleitman (1948) berichtet. Details der Heilungsprozedur bei Ratten werden bei Seligman et al. (1974b) beschrieben. 059 Seligman und Maier (1967). Analoge Immunisierungsverfahren und deren Ergebnisse bei Ratten werden bei Seligman et al. (1974 b) beschrieben. 060 Seligman und Groves (1970). 061 Lessac und Solomon (1969). 062 Kritiken und alternative Ansätze zu Hilflosigkeit finden sich bei Anderson et al. (1968), Bracewell und Black (1974), Gamzu et al. (1973), Hineline (1973), Maier et al. (1969), Miller und Weiss (1969), Staddon (1974), Weiss, Stone und Harrell (1970) und Weiss, Glazer und Poherecky (1974). 063 Schreckstarre (freezing) beschreibt eine Klasse von Verhaltensweisen, die von Ratten ausgeführt werden, wenn sie erschreckt sind: sie umklammern die Gitterstäbe fest mit ihren Pfoten, kauern sich zusammen und zittern. Aus diesem Phänomen der Schreckstarre bei Ratten ist viel gemacht worden, und es wurde behauptet, daß gelernte Hilflosigkeit nichts anderes als Schreckstarre sei (Anisman und Waller, 1973). Z.B. beeinträchtigt starker elektrischer Schock, der auch stärkere Schreckstarre bei Ratten auslöst als schwacher elektrischer Schock, auch das Fluchtverhalten in der shuttle box mehr (Anisman und Waller, 1972); ferner fördert Scopolamin, ein die Schreckstarre abbauendes Pharmakon, Vermeidungsverhalten (Anisman, 1973). Derartiges Beweismaterial hat jedoch für Hilflosigkeit wenig Bedeutung. Ich bestreite nicht, daß es eine ganze Reihe von Möglichkeiten gibt, Flucht- oder Vermeidungsverhalten zu beeinträchtigen – man kann dem Tier z.B. ein Bein abschneiden oder Schreckstarre auslösen. Aber die Tatsache, daß Schreckstarre 172 mit Fluchtverhalten interferiert, impliziert nicht, daß unvermeidbare elektrische Schläge Fluchtverhalten aufgrund von Schreckstarre beeinträchtigen, genauso wenig wie sie impliziert, daß unvermeidbare elektrische Schläge dadurch Fluchtverhalten beeinträchtigen, daß man dem Tier ein Bein abschneidet. Darüber hinaus verfallen weder Hunde in Schreckstarre noch Menschen, die mit unlösbaren Diskriminationsaufgaben konfrontiert werden, noch Ratten, die inkontingent Futter erhalten; aber alle diese Bedingungen verursachen Hilflosigkeit. Schließlich haben die Apostel der Schreckstarre sich eine Frage nicht ernsthaft gestellt: warum löst nur unvermeidbarer, aber nicht vermeidbarer Schock bei der Ratte Schreckstarre aus? Jede Antwort müßte wahrscheinlich implizieren, daß die Ratte gelernt hat, daß der Schock unvermeidbar ist – was den Kern unserer Theorie der Hilflosigkeit trifft. 064 Maier et al. (1973), Seligman und Beagley (1974). Die Ergebnisse von Maier und Testa (1974) zu verzögerter FR1-Verstärkung, intermittierender Verstärkung und Verdeutlichung der FR2-Kontingenz lassen sich nicht leicht bei irgendeiner Sichtweise berücksichtigen, die nur Verhalten und keine Lerndefizite vertritt. 065 Miller und Weiss (1969) und Weiss et al. (1970, 1974) haben derartige Spekulationen formuliert. 066 Untersuchungen über die Effekte auf Menschen und Tiere werden von Maier und Gleitman (1967) und Underwood (1948) berichtet. 067 Miller und Weiss (1969), Weiss (1968, 1970, 1971 a, b, c), Weiss et al. (1970, 1974). 068 Abramson und Seligman (1974). 069 Eine Ausführung der Theorie finden Sie bei Stein (1964). 070 Thomas und Balter (1974). 071 Abramson und Seligman (1974). 072 Williams, Friedman und Secunda (1970). 073 Carney, Roth und Garside (1965), Kiloh und Garside (1963), Mendels (1970) und Schuyler (1975) diskutieren diese Dichotomie. 074 Wenn z.B. die Mutter depressiv und der Vater Alkoholiker ist, kann der Nachwuchs sehr wohl depressiv werden (vgl. Winokur, 1973). Übrigens wurde die Behauptung aufgestellt, daß Alkoholismus das männliche Äquivalent zu weiblicher Depression sei. 075 Eine wichtige Ausnahme nennt Wolpe (1967), der Kriterien für eine sich durchsetzende Übereinstimmung zwischen Neurosen bei Tieren und bei Menschen diskutiert. 076 Vgl. Wittgenstein (1953, Abschnitt 66 bis 77), der eine allgemeine Aussage zum Argument bringt, daß Worte aus dem Umgangssprachenenglisch wie »game« oder »depression« keine notwendigen Charakteristika implizieren. 077 Grinker, Miller, Sabshin, Nunn und Nunnally (1961). 078 Beck (1967, S. 28). 079 Repräsentative Untersuchungen führten Friedman (1964), Martin und Rees (1966) und Shapiro und Nelson (1955) durch. Seligman, Klein und Miller (1974) geben einen Überblick über die Literatur. 080 Vgl. Lewinsohn und Libet (1972). 081 Vgl. repräsentative Untersuchungen bei Payne (1961) und Walton, White, Black und Young (1959). 082 Lewinsohn (1974). 083 Das Buch von Beck (1967) gibt das vollständigste und umfassendste aller derzeit verfügbaren Bilder über Geisteszustände bei depressiven Menschen. 084 Miller und Seligman (1973, 1974 a, b), Miller, Seligman und Kurlander (1974). 085 Milleret al. (1974). 173 086 David Klein, Ellen Fencil-Morse und ich (1975) kamen zu entsprechenden Ergebnissen, als wir unlösbare Diskriminationsaufgaben anstelle von unvermeidbarem Lärm einsetzten. Darüber hinaus fanden wir, daß der Depressive beim Lösen von Anagrammen besser abschnitt, wenn ihm bei unlösbaren Aufgaben nahegelegt wurde, seinen Mißerfolg der Schwierigkeit der Aufgabe und nicht seiner eigenen Unfähigkeit zuzuschreiben. Klein (1975) konnte ebenfalls zeigen, daß Depressive ohne Vorbehandlung Lärm ebenso wenig entfliehen konnten wie nicht depressive Versuchspersonen, die zuvor unvermeidbaren Lärm erfahren hatten. 087 Wallace (1956 b). 088 Die Bedeutung der Zeit in der Depression wird bei Kraines (1957), Lundquist (1945) und Paskind (1929, 1930) diskutiert. 089 Vgl. z.B. Szasz (1963). Obwohl ich mit Szasz hinsichtlich der Problematik zwangsweiser Einweisung generell übereinstimme, bin ich in bezug auf Selbstmord anderer Ansicht als er. 090 Abraham (1911, 1916), Freud (1917), Jacobson (1971), Klein (1968) und Rado (1928) formulieren die psychoanalytische Theorie der Depression in repräsentativer Weise. 091 Beck und Hurvich (1972) und Beck und Ward (1961). 092 Suomi und Harlow (1972). Vgl. auch den Überblick über die Beziehungen zwischen Depressionen beim Menschen und Ergebnissen aus Untersuchungen zur frühkindlichen Trennung von der Mutter bei Affen bei Akiskal und McKinney (1973). 093 Schildkraut (1965). Akiskal und McKinney (1973) geben ebenfalls einen Überblick über neuere Befunde zu biogenen Aminen und versuchen, diese Daten mit Verhaltensdaten zu integrieren. Sie kommen zu dem Schluß, daß das vorliegendes Beweismaterial uns noch nicht gestattet, irgendein Amin als für Depression verantwortlich zu kennzeichnen. 094 Ergebnisse über die Wirksamkeit dieser Mittel bei Depression berichten Cole (1964), Davis (1965) und Klerman und Cole (1965). 095 Redmond, Maas, Kling und DeKirmenjian (1971) und Abramson und Seligman (1974). 096 Janowsky, El-Yousef, Davis, Hubbard und Sekerke (1972). 097 Weiss (1968, 1971 a, b, c). 098 Vgl. die faktorenanalytische Studie von Grinker et al. (1961) über subjektive Phänomene in der Depression. 099 Eine gut kontrollierte Untersuchung über Lebensumstände, die der Depression vorausgehen, führten Paykel, Myers, Dienelt, Klerman, Lindenthal und Pepper (1969) durch. l00 Copyright 1969 der American Medical Association. 101 Ferster (1966, 1973), Kaufman und Rosenblum (1967), Lewinsohn (1974), Liberman und Raskin (1971) und McKinney und Bunney (1969). 102 Verschlechterung der Reaktion nach dem Erwerb wird durch dieses Verfahren bei appetitiven Verhaltensweisen (z.B. Rescorla und Skucy, 1969) und unter aversiven Bedingungen (z.B. Kadden, 1973« hervorgerufen. 103 Carder und Berkowitz (1970), Jensen (1963), Neuringer (1969), Singh (1970) und Stolz und Lott (1964). 104 Watson (1971). 105 Dorworth (1971). 106 Bibring (1953). 107 Vgl. auch Dorworth (1973) und Ellis (1962). 108 Copyright 1969 der American Medical Association. 109 Taulbee und Wright (1971). 174 110 Fagan (1974) und Lazarus (1968). 111 Beck, Seligman, Binik, Schuyler und Brill (unveröffentlicht). 112 Klein (1975) fand, daß der Erfolg bei Diskriminationsaufgaben die durch unvermeidbaren Lärm induzierten Symptome vollständig aufhob, ebenso wie Symptome natürlich auftretender Depression. Nicht depressive Studenten, die zuerst unvermeidbarem Lärm ausgesetzt worden waren, und depressive Studenten erhielten als Therapie eine Reihe lösbarer Diskriminationsaufgaben. Im Gegensatz zu unbehandelten Kontrollgruppen lernten diese Versuchspersonen später rasch, Lärm zu entfliehen und waren davon überzeugt, daß Erfolg und Mißerfolg mit ihren eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten korreliert waren. Meines Wissens nach ist dies das erste gut kontrollierte Laboratoriumsexperiment zur Behandlung von Depression, und es zeigt, daß die gleichen Verfahren, die gelernte Hilflosigkeit bessern, auch Depression heilen. 113 Hierzu existiert eine ausgedehnte, widersprüchliche und komplexe Literatur. Vgl. Beck, Sethi und Tuthill (1963) und Birtchnell (1970 a, b, c, d) in bezug auf repräsentative positive Ergebnisse, aber auch Granville-Grossman (1967) in bezug auf eine negative Sichtweise. 114 Vgl. Wittgenstein (1953, Abschnitt 66-77). 115 Eine umfassende Formulierung dieser Hypothese findet sich bei Seligman (1968), Seligman und Binik (1974) und Seligman et al. (1971). 116 Im letzten Jahrzehnt ist deutlich geworden, daß Tiere in Experimenten zur klassischen Konditionierung nicht nur lernen, daß ein Reiz einen US ankündigt (Erregung), sondern auch lernen, daß ein mit der Abwesenheit des US gepaarter Reiz das Ausbleiben eines US signalisiert. Pavlov nannte dies differentielle Hemmung (differential inhibition). Vgl. dazu z.B. Boakes und Halliday (1972), Bolles (1970), Denny (1971), Maier et al. (1969) und Rescorla (1967). Reize, die mit dem Ausbleiben von elektrischen Schlägen gepaart sind (d.h. Sicherheitssignale), können Vermeidungsverhalten hemmen (vgl. Rescorla und LoLordo (1965)) und können als positive Verstärker dienen (vgl. Weisman und Litner, 1969). 117 Azrin (1956), Brimer und Kamin (1963), Byrum und Jackson (1971), Davis und McIntire (1969), Imada und Soga (1971), Seligman (1968), Seligman und Meyer (1970), Shimoff, Schoenfeld und Snapper (1969) und Weiss und Strongman (1969). 118 Averill und Rosenn (1972), Geer (1968), Glass und Singer (1972), Glass, Snyder und Singer (1974) und Price und Geer (1972). Andere abhängige Variablen, die Angst unter unvorhersagbaren traumatischen Bedingungen widerspiegeln, nennen Badia und Culbertson (1970) und Park und Livingston (1973). 119 Brady (1958), Brady et al. (1958), Porter, Brady, Conrad, Mason, Galambos und Rioch (1958). 120 Sines et al. (1963). 121 Weiss (1968, 1970, 1971 a, b, c). 122 Caul, Buchanan und Hays (1972), Mezinskis; Gliner und Shemberg (1971), Price (1970), Seligman (1968), Seligman und Meyer (1970), Weiss (1970). 123 Badia und Culbertson (1970) stellen Beweismaterial vor, das dies deutlich bestätigt: die Ratten hielten den Hebel bei unvorhersagbaren elektrischen Schlägen durchweg fest, ließen ihn aber los, wenn Sicherheitssignale auftraten. 124 Zu Ratten: Lockard (1963, 1965). Zu Humanergebnissen: Badia, Suter und Lewis (1967), Jones, Bentler und Petry (1966), Lanzetta und Driscoll (1966), Pervin (1963). Vgl. aber auch entgegengesetzte Ergebnisse, wie sie Averill und Rosenn (1972) und Furedy und Doob (1971, 1972) berichten. 125 Badia und Culbertson fuhren fort, den Unterschied zwischen der SicherheitssignalHypothese und einer anderen Erklärung für eine Bevorzugung angekündigter elektrischer Schläge, der Vorbereitungsreaktion-Hypothese, zu überprüfen. Dieser Hypothese zufolge kann ein Individuum, wenn Ereignisse vorhersagbar sind, während des Signales eine 175 instrumentelle Reaktion ausführen, die die Intensität des US verändert (vorgeschlagen von Perkins, 1955). Eine umfassendere Diskussion von Ergebnissen, die die beiden Hypothesen trennen, geben Seligman et al. (1971) und Seligman und Binik (1974)). Die Vorbereitungsreaktion läßt angeblich aversive US weniger schmerzhaft und appetitive US angenehmer werden. Z.B. kann sich eine Versuchsperson vor einem Schock anspannen, wodurch dieser weniger schmerzhaft erlebt wird, und vor angekündigter Nahrung Speichel sezernieren, wodurch die Nahrung besser schmeckt. Die hauptsächlichen Vorzüge der Vorbereitungsreaktion-Hypothese sind: 1. manchmal wird berichtet, daß der US selbst weniger intensiv erlebt wird, wenn er angekündigt erfolgt (Hare und Petrusic, 1967), und daß die PGR auf den Schock selbst niedriger ist (Kimmel (1965), Lykken (1962), Kimmel und Pennypacker (1962) und Morrow (1966); vgl. aber auch eine unterschiedliche Erklärung bei Seligman et al. (1971)); 2. angekündigte positive Ereignisse werden unangekündigten vorgezogen: z.B. Cantor und LoLordo (1970) und Prokasy (1956); dagegen stellen jedoch Hershisher und Trapold (1971) und Seligman et al. eine andere Sichtweise. Die SicherheitssignalHypothese trägt keinem dieser beiden Datensätze direkt Rechnung. Es sei darauf hingewiesen, daß es keine logische Unvereinbarkeit zwischen der Sicherheitssignal- und der Vorbereitungsreaktion-Hypothese gibt; beide können sich als richtig erweisen: ein Tier könnte unter Bedingungen unvorhersagbarer elektrischer Schläge sowohl chronische Furcht erleben als sich auch während eines Signals auf den Schock vorbereiten. Beide Hypothesen sagen direkt eine Präferenz für vorhersagbare aversive Ereignisse voraus. Anders als die Sicherheitssignal-Hypothese verlangt die VorbereitungsreaktionHypothese jedoch eine grundsätzliche zusätzliche Annahme, die vermehrter Furcht bei unvorhersagbaren elektrischen Schlägen Rechnung trägt. Etwas mehr generelle Furcht mag auftreten, wenn der Schock unvorhersagbar ist, weil der Schock intensiver erlebt wird; es ist jedoch wenig wahrscheinlich, daß eine Vorbereitungsreaktion einen vorhersagbaren elektrischen Schlag sehr viel weniger aversiv macht als einen unvorhersagbaren: Ratten bevorzugen vorhersagbaren Schock jedoch gegenüber unvorhersagbarem, selbst wenn jener viermal so lang anhält und dreimal intensiver ist (Badia, Culbertson und Harsh, 1973). Es müßte schon eine außergewöhnlich wirksame – und bisher noch nicht beobachtete (Perkins, Seymann, Levis und Spencer, 1966) – Vorbereitungsreaktion sein, die eine derart mächtige Wirkung hätte. Darüber hinaus trägt die Vorbereitungsreaktion-Hypothese nicht dem Zeitfaktor bei Angst, wie er mit Hilfe von CER und PGR erfaßt werden kann, Rechnung. Badia und Culbertson konnten diese beiden Hypothesen voneinander trennen, indem sie drei Löschungsverfahren anwendeten. Im ersten Verfahren veränderte Hebeldrücken nicht mehr die Reizanordnung, so daß die Ratte unabhängig von ihren Reaktionen unter der Bedingung unangekündigter elektrischer Schläge blieb. Alle Ratten hörten auf, den Hebel zu betätigen. Im zweiten, dem interessantesten Verfahren führte Hebeldruck zu dem Reiz (Licht aus), der zuvor mit angekündigtem Schock gepaart worden war, es erfolgte aber dennoch ein unangekündigter Schock. Die Ratten hatten also ein Sicherheitssignal, konnten sich aber nicht auf den Schock vorbereiten, da das Signal, ein Ton, nicht gegeben wurde. Dieses Verfahren spielt die Bedeutung des Sicherheitssignales gegen die Bedeutung der Vorbereitungsreaktion aus. Alle Ratten zeigten immer noch eine starke Präferenz für das frühere Sicherheitssignal, selbst ohne das Tonsignal. Diese Präferenz kann nicht einer Vorbereitungsreaktion zugeschrieben werden, da derartige Vorbereitungsreaktionen bei einem Ausbleiben des Tonsignales ja ausgeschlossen waren. Im dritten Löschungsverfahren führte Hebeldrücken einen durch Ton angekündigten elektrischen Schlag herbei, führte jedoch nicht zum Ausschalten des Lichts. Bei diesem Verfahren fehlte also das Sicherheitssignal (Licht aus), doch gingen den Schocks Gefahrensignale (Ton) voraus. Wieder wurden Vorbereitungsreaktionen gegen Sicherheitssignale ausgespielt, da sich nun die Ratte auf den elektrischen Schlag vorbereiten konnte, als sie den Hebel betätigte, aber sie verfügte über kein Sicherheitssignal. Unter dieser Bedingung drückten die Ratten nicht auf den Hebel. Also ist das Herbeiführen eines Sicherheitssignales notwendige (Verfahren 3) und hinreichende (Verfahren 2) Bedingung für die Präferenz für signalisierten Schock, während die Möglichkeit zu Vorbereitungsreaktionen weder notwendig (Verfahren 2) noch hinreichend (Verfahren 3) ist. 176 126 Badia, McBane, Suter und Lewis (1966)), Badia et al. (1967), Cook und Barnes (1964), D’Amato und Gumenik (1960). 127 Mein Dank gilt Yitzchak M. Binik für seine Hilfe bei diesem und den folgenden Abschnitten dieses Kapitels. 128 Vgl. auch Staub, Tursky und Schwartz (1971). 129 Lazarus (1966) diskutiert die Bedeutung dcr Wahrnehmung von Kontrolle in bedrohlichen Situationen. Lazarus überprüft Untersuchungen, die nahelegen, daß ein Individuum, wenn es bedroht wird, die Bedrohung in zweierlei Hinsicht abschätzt. Seine erste Beurteilung lautet: »wie gefährlich ist die Bedrohung?«, seine zweite Beurteilung: »was kann ich gegen sie tun?« 130 Vgl. auch Bowers (1968), Corah und Boffa (1970) und Houston (1972) zu ähnlich hilfreichen Auswirkungen vermeintlicher Kontrolle. 131 Geer, Davison und Gatchel (1970). 132 Vgl. auch Champion (1950). 133 Einzelheiten dieser Therapie bei Wolpe und Lazarus (1969). 134 Davison (1966), Goldfried (1971), Jacobs und Wolpin (1971) und Wilkins (1971) nennen Einzelheiten derartiger Kritiken. 135 Masters und Johnson (1966). 136 Watson (1924, S. 104). 137 Seligman und Hager(1972). 138 Vgl. Lipsitt, Kaye und Bosack (1966) und Sameroff (1968, 1971). 139 Siqueland (1968) und Siqueland und Lipsitt (1968). 140 Watson (1967) argumentiert, daß eine wirkungsvolle Kontingenzenanalyse nicht vor dem dritten Lebensmonat einsetzt. 141 Watson (1971). Vgl. auch Hunt und Uzgiris (1964), Rovee und Rovee (1969) und Vietze, Watson und Dorman (1973). Piaget nennt ein Konstrukt, das dem der Kontingenzenanalyse im Entwicklungsreigen vergleichbar ist. Auf seiner primitivsten Stufe wird es Effizienz (efficacy) genannt, eine dunkle Ahnung des Kindes, daß seine Handlungen seine Außenwelt verändern. Wenn das Kind wächst, reift das Effizienzgefühl zu psychologischer Kausalität oder dem Bewußtsein, seine eigenen Handlungen zu verursachen (Flavell, 1963, S. 142-147). 142 Hein und Held (1967), Held (1965), Held und Bauer (1967), Held und Bossom (1961) Held und Hein (1963). 143 Vgl. auch Bowlby (1969, 1973) und Goldfarb (1945). Diese Beobachtungen wurden aus methodischen Gründen überzeugend kritisiert (Pinneau (1955) und Casler (1961)), aber keine der Kritiken behält die Behauptung bei, daß eine Aufzucht von Kindern in Heimen gut für die Kinder sei. 144 Ähnliche Beschreibungen von jungen Primaten, die von ihren Müttern getrennt wurden, liefern Hinde et al. (1966), Kaufman (1973) und Kaufman und Rosenblum (1967 a, b). 145 Harlow und Zimmerman (1959). 146 Redmond, Maas, DeKirmenjian und Schlemmer (1973). 147 Rapaport und Seligman (1974). 148 Thompson (1957). Ähnliche Ergebnisse bei Denenberg und Rosenberg (1967), Denenberg und Whimbey (1963), Gauron (1966), Joffe (1965), Ressler und Anderson (1973 a, b) und Thompson, Watson und Charlesworth (1962). 149 Raymond Miles von der Universität von Colorado und Hardy Wileoxon vom George Peabody College haben derartige Umgebungen für junge Ratten und Affen entworfen. 150 Kozol (1967). 177 151 Harlow (1949) führte die erste von vielen Untersuchungen zur Lerneinstellung durch. 152 Levine (1966) entwickelte diese »bleib bei Gewinn«, »wechsle bei Verlust« Theorie weiter. 153 Rozin, Poritsky und Sotsky (1971). 154 Higgins (1968) beschreibt ebenfalls die schädlichen Auswirkungen inkonsistenter Erziehung. 155 Banfield (1958, S. 109). 156 Die Literatur zu Überbevölkerung ist widersprüchlich. Calhouns ersten Ergebnissen (1962) über den sozialen Zusammenbruch von Ratten, die in überfüllten Käfigen aufwachsen, folgten statistische Ansätze, um die Beziehung zwischen Überbevölkerung und sozialem Zusammenbruch bei Menschen zu bestimmen. Wenn man Armut, Rasse, mangelhafte Ausbildung kontrolliert, scheint die Bevölkerungsdichte nicht mit pathologischem Sozialverhalten zu korrelieren (Freedman, Klevansky und Erlich, 1971). Spezifischere Faktoren als die Einwohnerzahl pro Quadratkilometer – z.B. die Anzahl von Menschen, die sich einen Raum teilen – mögen jedoch bessere Indikatoren für das Ausmaß an Unkontrollierbarkeit abgeben (Galle, Gove und McPherson, 1972). 157 Goeckner, Greenough und Mead (1973). 158 Miller und Seligman (1974 b). 159 Jensen (1973). 160 Z.B. Brinton (1965). 161 Die therapeutische Wirkung sozialer Handlungen bei Armen beschreibt Ryan (1967). 162 Richter (1957). 163 Thomas und Balter (1974) und Janowsky et al. (1972). 164 Galef und Seligman (unveröffentlichte Ergebnisse, 1967). 165 Solche Todesfälle sind experimentell bei so »niederen« Arten wie Küchenschaben nachgewiesen worden. Küchenschaben leben in klaren hierarchischen Ordnungen. Wenn sich eine untergeordnete Küchenschabe einer übergeordneten nähert, senkt sie ihre Fühler zu Boden. Eine solche Begrüßungsgebärde stoppt im allgemeinen den Angriff der übergeordneten Küchenschabe. Nach wiederholten Attacken von dominanten Küchenschaben sterben untergeordnete Küchenschaben (Ewing, 1967). Charakteristisch für diesen Tod ist, daß sich kein Zeichen äußerer Gewaltanwendung finden läßt, und daß die organische Todesursache unbekannt bleibt. Aber solchermaßen wiederholte Verteidigungen führen möglicherweise zu Hilflosigkeit mit der Konsequenz des Todes. 166 Vgl. als Überblick Ratner (1967). 167 Maser und Gallup (1974). 168 Die Anweisungen für die Behandlung ölverklebter Vögel finden sich bei den Rettungsanweisungen des American Petroleum Institute. 169 Romanes (1886) berichtet anekdotisch über den plötzlichen Tod von Elefanten und anderen Tierarten, wenn deren Partner getötet werden – Tod an gebrochenem Herzen. 170 Vgl. Mathis (1964). 171 Washington Post, 9. Dezember 1973. 172 Persönliche Mitteilung. 173 Scarf (1973). Alle Rechte auch Rechte des Nachdrucks 1973 der New York Times Company. Goodall berichtete, daß dieser plötzliche Tod von Schimpansen, die jünger als fünf Jahre waren, in Reaktion auf den Tod der Mutter inzwischen fünfmal beobachtet wurde (Psychosomatic Society meeting, Philadelphia, April 1974). 174 Diesen Fall berichtet Mathis (1964). 175 Cannon (1942). Vgl. auch Wintrob (1973). 178 176 Cannon (1942), zitiert bei Richter (1957). Wiederabgedruckt mit Genehmigung der American Anthropology Association. 177 Burrell (1963). 178 Engel (1971). 179 Von Saul (1966), zitiert von Engel. 180 Von Bauer (1957), zitiert von Engel. 181 Schmale und Iker (1966). 182 Parkes, Benjamin und Fitzgerald (1969). Vgl. auch bei Rahe und Lind (1971) eine Untersuchung zum Ausmaß der Lebensveränderungen, die Herzattacken vorausgehen. 183 Greene, Goldstein und Moss (1972) 184 Rosenman, Friedman, Straus, Wurm, Kositchek, Hahn und Werthessen (1964) und Rosenman, Friedman, Straus. Wurm, Jenkins und Messinger (1966). Krantz et al. (1974). 185 Imboden, Cantor und Cluff (1961). 186 Informationen über Lebensveränderungen und die Anfälligkeit für eine Reihe organischer Krankheiten gibt Rahe (1969). 187 Vgl. auch Davies, Quinlan, McKegney und Kimbel (1973), Kubler-Ross (1969) und Stavraky, Buck, Lott und Wanklin (1968) zur Erhebung der Bedeutung psychologischer Faktoren beim Tod durch Krebs. 188 Tod durch Hilflosigkeit bei amerikanischen Gefangenen im Korea-Krieg wird auch von Strassman, Thaler und Schein (1956) beschrieben. Vgl. auch die schlagende Beschreibung der Hilflosigkeit induzierenden Auswirkungen von Gefangenschaft auf Studenten bei Zimbardo, Haney, Banks und Jaffe (1974). 189 Bettelheim (1960). 190 Eine Diskussion des Lebenswillens und des Überlebens bei alten Menschen geben Kastenbaum und Schaberg (1971). Vgl. auch Weisman und Kastenbaum (1968). 191 Aleksandrowicz (1961). Wiederabgedruckt mit Genehmigung des Bulletin of the Menninger Clinic. Band 25, S. 23-32. Copyright 1961 der Menninger Foundation. 192 Vergleichbare Ergebnisse und deren Diskussion bei Bowlby (1969, 1973), Kaufman und Rosenblum (1967 a, b) und Suomi und Harlow (1972). 193 Spekulationen zu physiologischen Variablen siehe Cannon (1942), Engel (1971), Richter (1957) und Wolf (1967). 179 10.2 Literatur zu Seligman Abraham, K.: THE FIRST PREGENITAL STAGE OF THE LIBIDO (1916). In: SELECTED PAPERS ON PSYCHOANALYSIS. New York: Basic Books, 1960. Pp. 243-279. Abraham, K.: NOTES ON THE PSYCHOANALYTIC INVESTIGATION AND TREATMENT OF MANICDEPRESSIVE INSANITY AND ALLIED CONDITIONS (1911). In: SELECTED PAPERS ON PSYCHOANALYSIS. New York: Basic Books, 1960. Pp. 137-156. Abramson, L. and Seligman, M. E. P.: THE EFFECTS OF AMPT ON LEARNED HELPLESSNESS IN THE RAT. Submitted, 1974. Akiskal, H. S. and McKinney, W. T.: DEPRESSIVE DISORDERS: TOWARD A UNIFIED HYPOTHESIS. Science, 1973, 182, 20-28. Aleksandrowicz, D. R.: FIRE AND ITS AFTERMATH ON A GERIATRIC WARD. 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Merkmal, Eigenschaft; 2. bestimmter Gegenstand als Kennzeichen einer Person, z.B. der Schlüssel für den hl. Petrus; 3. Gramm.: nähere Bestimmung eines Substantivs, Adjektivs oder Adverbs, Beifügung Aversion Abneigung, Widerwille aversiv Aversion hervorrufend behavioral auf das Verhalten bezogen bipolar zweipolig, mit zwei Polen versehen Cholin Spaltprodukt der Lecithine; weit verbreiteter Naturstoff, der besonders in der Gehirnsubstanz und in Eigelb enthalten ist; wirkt gefäßerweiternd, blutdrucksenkend, regelt die Darmbewegung und vermindert die Fettablagerung besonders in der Leber cholinerg durch den Wirkstoff Cholin angeregt, auf ihn ansprechend 199 Determinante 1. spezieller Ausdruck der Algebra zur Lösung von Gleichungen; 2. umstrittener (ungeklärter) physiologischer Entwicklungsfaktor Dichotomie Zweiteilung; (griechisch dĭchŏtŏmos entzweigeschnitten aus dicha zweigeteilt, getrennt und tome Schnitt) bedeutet die Aufteilung in zwei Strukturen oder Begriffe. differentiell einen Unterschied darlegend Diskrimination 1. unterschiedl. Behandlung; 2. Herabsetzung zur sozialen Diskriminierung siehe Wikipedia Ejaculatio präcox vorzeitiger Samenerguß Evidenz Augenschein, einleuchtende Klarheit, Offenkundigkeit; etwas in E. halten [österr.], etwas im Auge behalten, vormerken Existentialismus französische philosophische Strömung der Existenzphilosophie. Im engeren Sinne werden hierunter neben der Existenzphilosophie Jean Paul Sartres auch Strömungen aus der Literatur (Kafka, Rilke, Benn), der Theologie (Bultmann) und der Pädagogik (Bollnow) verstanden. Des Weiteren ist der Begriff des Existentialismus im Gebrauch als Bezeichnung für eine allgemeine Geisteshaltung, die den Menschen als Existenz im Sinne der Existenzphilosophie auffaßt (»Der Mensch ist seine Existenz.«). Siehe Wikipedia Extinktion 1. veraltet: Tilgung, Auslöschung; 2. Abschwächung einer Strahlung beim Durchgang durch einen trüben Stoff, z.B. des Sonnen- und Sternenlichtes durch die Erdatmosphäre siehe auch Wikipedia Flexorreflex Reflex des Beugemuskels Genese Entstehung, Entwicklung Hospitalismus 1. Sammelbez. für körperliche, geistige und seelische Schäden durch längeren Krankenhaus- oder (bei Kindern) Heimaufenthalt; 2. zusätzl. Erkrankung eines Patienten im Krankenhaus durch Infektion siehe auch Medizinlexikon und Wikipedia induzieren 1. vom Einzelnen auf das Allgemeine schließen; 2. durch Induktion erzeugen (Strom) inhibieren veraltet für: verbieten, verhindern Inhibition Verbot Inkontingenz Gegensatz zu Kontingenz Instruktion Anweisung, Vorschrift, Verhaltensmaßregel; Lehrmethode zur Initiierung und Steuerung von Lernaktivitäten für Lehrinhalte und -ziele. – Verb: instruieren 200 interferieren sich überlagern, aufeinander einwirken intermittieren (für einen begrenzten Zeitraum) aussetzen, unterbrechen, zurücktreten (von Krankheitssymptomen) intrakraniell (auch: intrakranial) [Med.] innerhalb des Schädels (liegend) jeunesse dorée französisch = »goldene Jugend« – die politisch reaktionären jungen Männer des französischen Bürgertums, die seit 1795 als Gegner der Jakobiner auftraten; später allgemein die reiche, genußsüchtige Großstadtjugend. konfundieren verwirren, verwechseln Kontiguität Berührung, zeitliches Zusammentreffen von Erlebnissen Kontingenz Zufälligkeit, Nichtnotwendigkeit, das Auch-anders-sein-Können. Die Kontingenz gilt in der älteren Ontologie besonders vom Sein der Welt: Dieses ist nicht notwendig, setzt vielmehr ein notwendiges Wesen voraus, das die Welt geschaffen hat (kosmologischer Gottesbeweis). In der neueren Philosophie ist Kontingenz meist Systemkontingenz: In der Stufenordnung der Welt ist jede höhere Stufe aus der niederen unableitbar, enthält ein Moment des Neuen (z.B. die Lebenswelt gegenüber der Welt des Anorganischen). In der englischen Philosophie wird das diese Stufenordnung verursachende Prinzip als Emergenz bezeichnet. kontrahieren 1. zusammenziehen; 2. zum Duell fordern; 3. vereinbaren Korrelation Wechselbeziehung Kortex Rinde; die äußere Schicht eines Organs, besonders die Großhirnrinde der Wirbeltiere Lecithine zu den Phopholipiden zählende Gruppe fettähnlicher Verbindungen; sie bestehen aus Fettsäuren, Glycerin, Phosphorsäure und Cholin. Lecithine finden sich in allen pflanzlichen und tierischen Zellen; sie sind von Bedeutung für die Protoplasmastruktur und für die Permeabilität der Zellwände; sie stehen in Beziehung zum Stoffwechsel der Kohlenhydrate, Fette und Proteine, sind am Stoffwechsel des Nervensystems beteiligt und wirken als Medikament und Kräftigungsmittel leistungssteigernd motivational motivierend, anregend Muskelrelaxan Mittel zur Entspannung der Muskeln Mutismus seelisch bedingte Stummheit Noradrenalin als Neurotransmitter u. Hormon wirksames Catecholamin. Wird aus Dopamin in den noradrenergen Neuronen u. chromaffinen Zellen des Nebennierenmarks gebildet. Als neuraler Transmitter sowie als Nebennierenmarkhormon durch cholinerge, postganglionäre sympathische Nervenimpulse freigesetzt. Wirkung: stimuliert überwiegend Alpha-1-Rezeptoren u. Beta-1Rezeptoren am Herzen u. besitzt nur eine schwache Beta-2-Wirkung auf die glatte Muskulatur. N. ist für die physiol. Aufrechterhaltung des Gefäßtonus verantwortlich. Es erhöht durch Vasokonstriktion den Tonus aller Gefäße, mit Ausnahme der Koronargefäße. Durch Erhöhung des 201 peripheren Widerstands steigen systol. u. diastol. Blutdruck; die Nierendurchblutung sinkt; trotz Beta-1-Stimulation bewirkt es reflektorisch Bradykardie. Siehe auch Eintrag bei Wikipedia operant [Psych.] auf bestimmte Weise wirkend, eine bestimmte Wirkungsweise in sich habend Psychopathologie die Wissenschaft von den seelischen Störungen, Abnormitäten und Funktionsstörungen. Die Ergebnisse der Psychopathologie, die methodisch von K. Jaspers in seinem Buch ALLGEMEINE PSYCHOPATHOLOGIE (1913) begründet wurde, sind von prinzipieller Bedeutung für die psychiatrische Krankheitslehre. Reafferenz Rückkopplungsmechanismus im Nervensystem. Bei der Auslösung einer Bewegung durch eine efferente Nervenbahn wird dieser geplante Bewegungsablauf als Efferenz-Kopie im Gehirn gespeichert. Über die Reafferenz, also afferente Rückkopplung, wird das Ergebnis der Bewegung mit dieser Efferenz-Kopie abgeglichen und gegebenenfalls eine Korrekturbewegung ausgelöst. Reafferenzen spielen eine Rolle beim Erlernen von Bewegungsmustern, aber auch beim Erkennen von Bewegungen, da die Reafferenzen ermöglichen, die Augenbewegungen gegen Objektbewegungen gegenzurechnen. reaktiv auf etwas zurückwirkend Remission 1. Rückgabe, Rücksendung; 2. vorübergehendes Nachlassen (von Krankheitserscheinungen); 3. Zurückwerfen (von Licht an undurchsichtigen Flächen); 4.veraltet für Milderung, Strafnachlaß responder antworten, erwidern Restriktion 1. Beschränkung, Einschränkung; 2. Vorbehalt Retardation Verzögerung (bes. der körperl. oder geistigen Entwicklung) Septum Scheidewand (in einem Organ, z.B. im Herzen) Skinner box ein äußerst reizarmer Käfig für ein Testtier, in dem es standardisiert und weitgehend automatisiert ein neuartiges Verhalten erlernen kann. Die Bezeichnung geht zurück auf Burrhus Frederic Skinner. Siehe auch Eintrag bei Wikipedia. Stupor körperliche und seelische Regungslosigkeit bei wachem Bewußtsein; tritt auf bei Schizophrenie, endogener Depression, Epilepsie oder Vergiftungen. Tauchreflex Schutzmechanismus, der bei allen lungenatmenden Lebewesen beim Eintauchen (Immersion) in Wasser beobachtet werden kann. Rezeptoren auf der Haut geben dem Gehirn die Information, daß sich die Atemwege unter der Wasseroberfläche befinden. Das bewirkt zum einen ein Verschließen der Stimmbänder. Ein Einatmen von Wasser und damit die Beschädigung der Lunge wird somit verhindert. Zum anderem verlangsamt sich der Herzschlag und zentralisiert sich der Blutkreislauf. Damit wird der Sauerstoffverbrauch auf die überlebenswichtigen Organe reduziert. Siehe auch Eintrag bei Wikipedia. Triade Dreiheit, Dreizahl, drei zusammengehörige, gleichartige Dinge oder Wesen Tropismus 1. in der Botanik die reizbedingte Orientierung eines Pflanzenorgans zum Reiz hin (positiv) 202 oder von diesem weg (negativ) (Pflanzenbewegung) 2. in der Zoologie die reizbedingte Orientierung eines sessilen Tieres zum Reiz hin (positiv) oder von diesem weg (negativ) 3. in der Virologie die Spezies- oder Organspezifität eines Erregers und die damit zusammenhängenden Mechanismen einer Infektion – somit die Fähigkeit eines Virus, in ein bestimmtes Gewebe einzudringen und sich dort zu vermehren – siehe Tropismus (Virologie) Ulzeration Entwicklung eines Geschwürs (Ulcus) aus einem nicht heilenden Haut- oder Schleimhautepitheldefekt; i.w.S. auch das Ulkus selbst unipolar einpolig vagal den Nervus vagus betreffend validieren 1. die Wichtigkeit, den Wert von etwas feststellen 2. für gültig erklären, rechtskräftig machen voluntary response voluntary [engl] = freiwillig; response: 1. [Verhaltensforschung] Anwort, Reaktion im Verhalten (auf äußere Veränderungen hin) 2. [Markt-, Meinungsforschung] Rücksendung von Testfragen mit den Antworten ZNS Zentralnervensystem 203
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