Alle brauchen Krippenplätze - Bezahlbare Kinderbetreuung für alle

In einem Punkt sind sich Befürworter und Gegner einig: «Alle brauchen Krippenplätze» - Zürich - Limmattal - az Limmattaler Zeitung
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In einem Punkt sind sich
Befürworter und Gegner
einig: «Alle brauchen
Krippenplätze»
von Matthias Scharrer — az Limmattaler Zeitung • 12.9.2016 um 13:24 Uhr
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KANTON ZÜRICH
Falscher Ansatz:
Überparteiliches Komitee sagt
Nein zur «KrippenSteuer» 25.8.2016
KANTON ZÜRICH
Fonds für Kinderbetreuung
soll Eltern finanziell
entlasten 24.8.2016
BETREUUNG
Markus Notter und Nicole Barandun trafen sich in der Redaktion der
Limmattaler Zeitung zum Streitgespräch. Sandra Ardizzone
Uitikon investiert in die
Kinderbetreuung:
Kinderkrippe Löwenzahn soll
ausgebaut werden 9.8.2016
© Sandra Ardizzone
KINDERKRIPPEN
Am 25. September entscheidet der Kanton Zürich
über «bezahlbare Kinderbetreuung für alle».
Eltern in der Schweiz zahlen
am meisten 4.3.2016
Frau Barandun, warum sollten Firmen nicht
Kinderkrippen und andere KinderbetreuungsAngebote mitfinanzieren? Was ist der Hauptgrund
für Ihr Nein?
Nicole Barandun: Es sollte kein Zwang sein. Grössere
Unternehmen bieten heute schon Kinderbetreuungsplätze an
oder bezahlen ihren Angestellten einen Teil der
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oder bezahlen ihren Angestellten einen Teil der
Krippenkosten. Doch ich finde, diese Aufgabe, die bis jetzt
den Gemeinden obliegt, hat in erster Linie durch die
Gemeinden wahrgenommen zu werden. Nur weil manche
Gemeinden ihre Aufgaben nicht machen, sollte man sie nicht
den Unternehmen au"alsen.
Herr Notter, was spricht vor allem für eine
Unternehmens-Krippensteuer?
Markus Notter
Alt Regierungsrat Markus Notter
(55) gehört dem Komitee
«Bezahlbare Kinderbetreuung für
alle» an. Der SP-Politiker und Jurist
stand von 1996 bis 2011 der
Kantonalzürcher Direktion der
Justiz und des Innern vor. Zuvor war
er von 1990 bis 1996 Stadtpräsident
von Dietikon. Gegenwärtig ist Notter
in verschiedenen öffentlichen und
gemeinnützigen Organisationen
tätig. Er präsidiert unter anderem
das Europa-Institut in Zürich, den
Museumsrat des Schweizerischen
Nationalmuseums und das Zürcher
Opernhaus. Notter ist verheiratet
und lebt in Dietikon. (mts)
Markus Notter: Alle reden
von der Vereinbarkeit von
Beruf und Familie. Wir
müssen jetzt auch mal
etwas Konkretes dafür
tun. Die Krippenplätze
sind für einen grossen
Teil der Leute zu teuer.
Jetzt ist eine Finanzierung
vorgeschlagen, die ich fair
finde, weil alle dazu
beitragen, die auch davon
profitieren: die Eltern, die
öffentliche Hand, aber
auch die Unternehmen.
Doch es ist klar: Wenn
man etwas bezahlen
muss, macht man das nicht gerne.
Barandun:Die Lohnkosten in der Schweiz sind sehr hoch,
verglichen mit den umliegenden Ländern — und zwar nicht
erst seit der Frankenstärke. Natürlich ist es nur ein kleiner
Betrag, der mit dieser Initiative dazukäme. Doch es wäre ein
weiterer Schritt. Da muss man sehr vorsichtig sein.
Nicole Barandun
Die Präsidentin der CVP Kanton
Zürich ist Mitglied im Co-Präsidium
des Komitees «Krippensteuer
Nein». Zudem präsidiert sie den
Gewerbeverband der Stadt Zürich
und das Berufsbildungsforum
Zürich.
Des Weiteren ist Barandun auch
Mitglied der
Gleichstellungskommission des
Kantons Zürich und Stiftungsrätin
der Stiftung Bauen und Wohnen
Zürich. Von 2008 bis 2011 gehörte
die heute 48-jährigeRechtsanwältin
Notter: Wir sind uns einig,
es ist ein kleiner Betrag.
Auf der anderen Seite
profitiert die Wirtschaft
enorm davon, wenn
ausgebildete Frauen —
meistens sind es ja die
Mütter, die ihr
Arbeitspensum stark
reduzieren — nach dem
Mutterschaftsurlaub ohne
Unterbruch weiter
arbeiten können. Denn
diese Unterbrüche, das
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diese Unterbrüche, das
Wiedereinarbeiten, das
Barandun ist verheiratet,hat drei
kostet die Wirtschaft auch
Kinder und lebt in Zürich. (mts)
Geld. Sie sagten zu Recht,
viele Unternehmen bieten
freiwillig
Betreuungsplätze an. Die Initiative sieht vor, dass solche
Eigenleistungen von der zu leistenden Abgabe abgezogen
werden können. Es ist auch unter den Unternehmen fair,
wenn man sagt: Wir haben alle eine Verantwortung. Es kann
doch nicht sein, dass nur die, die blöd genug sind, bezahlen,
und die anderen nicht.
die heute 48-jährigeRechtsanwältin
dem Zürcher Kantonsrat an. Nicole
Barandun:Diese Firmen sind eben nicht blöd, sondern
merken, dass sie solche Betreuungsangebote brauchen.
Notter: Richtig!
Barandun: Kleinere Unternehmen haben vielleicht diese
Möglichkeit nicht. Sie machen dafür andere Sachen: Zum
Beispiel stellen sie Arbeitsplätze zur Verfügung, die auf die
Arbeitnehmer zugeschnitten sind, die sie halten wollen, mit
Home Office und anderen Möglichkeiten. Vereinbarkeit von
Beruf und Familie ist für die Arbeitgeber ein grosses Thema,
und sie tun auch viel dafür. Aber ich bezweifle, dass man
tatsächlich mit günstigeren Kinderbetreuungsplätzen weitere
Frauen in den Arbeitsmarkt bringt. Wir haben bereits eine
Frauen-Beschäftigungsquote von 76 Prozent, sie liegt in der
Höhe, die auch Länder aufweisen, in denen Kinderbetreuung
fast oder ganz gratis ist.
Abstimmungsvorlage: Nicht
nur Linke wollen Firmen zur
Kasse bitten
Firmen sollen sich mit 0,2 bis 0,5
Prozent der von ihnen bezahlten
AHV-pflichtigen Lohnsumme an der
Finanzierung familienergänzender
Tagesstrukturen für Vorschul- und
Schulkinder beteiligen. Das fordert
die Alternative Liste mit ihrer
Volksinitiative «Bezahlbare
Kinderbetreuung für alle», über die
im Kanton Zürich am 25.
September abgestimmt wird. Die
AL peilt damit vor allem günstigere
Krippentarife an. Zudem soll der
Ausbau des Betreuungsangebots
vorangetrieben werden, ebenso
Investitionen in die Ausbildung des
Betreuungspersonals. Die AL hat
mit ihrer Initiative Unterstützung
Notter: Mit dieser Ansicht
stehen Sie ziemlich allein
da, würde ich behaupten.
Geld spielt sehr wohl eine
Rolle. In der FachkräfteInitiative des Bundes geht
es beim Stichwort
Vereinbarkeit von Beruf
und Familie zu einem
grossen Teil um
finanzielle Fragen. Es ist
ein Hinderungsfaktor,
wenn
Kinderbetreuungsplätze
zu teuer sind.
Barandun: Es gibt
tatsächlich negative
Anreize ...
über das linke Lager hinaus: Die Jahttp://www.limmattalerzeitung.ch/limmattal/zuerich/in-einem-punk…rworter-und-gegner-einig-alle-brauchen-krippenplaetze-130561921
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Parole geben nebst AL, SP und
Grünen auch die EVP und die BDP
aus. Die GLP hat Stimmfreigabe
beschlossen. Im Ja-Komitee sitzt
mit Ursula Fehr,
Gemeindepräsidentin von Eglisau
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... gemeint ist, dass
Frauen sich aus dem
Berufsleben
zurückziehen, weil die
und mit alt Nationalrat Hans Fehr
verheiratet, auch eine bekannte
Vertreterin der SVP. Alt
Nationalrätin Rosmarie Zapfl (CVP)
gehört dem Ja-Komitee ebenfalls
an. Die Nein-Parole geben SVP, FDP,
CVP und EDU aus. Sie finden, das
bestehende Betreuungssystem, bei
dem die Eltern und die Gemeinden
bezahlen, genüge. Zudem sei es
nicht angezeigt, im heutigen
Umfeld Firmen mit weiteren
Abgaben zu belasten. (mts)
Kinderbetreuungskosten einen Grossteil des Lohns
aufzehren ...
Barandun: Genau. Doch in erster Linie ist der Staat in der
Pflicht, diese negativen Anreize auszuschalten.
Notter: Einverstanden. Aber jetzt liegt ein Vorschlag auf dem
Tisch, der uns nicht daran hindert, alle anderen
Massnahmen ebenfalls zu treffen.
Barandun: Was mir an diesem Vorschlag auch nicht gefällt
ist, ist die Finanzierung über einen Fonds. Ein Fonds ist nicht
dazu geeignet, eine schlanke Organisation zu haben, die das
Geld auf einfache Art dahin bringt, wo man es braucht.
Bevor wir darüber sprechen, möchte ich in einem
Punkt nachhaken: Herr Notter hat gesagt, es sei
nichts als fair, wenn nebst dem Staat und den
Familien auch die Firmen einen Beitrag zur
Finanzierung der Kinderbetreuung leisten müssen ...
Barandun: Das machen sie ja, über das allgemeine
Steuerau'ommen.
Notter: Aber die Eltern, die Krippenplätze finanzieren,
bezahlen auch Steuern!
Barandun: Die brauchen eben die Krippenplätze.
Notter: Aber die Wirtschaft braucht sie auch.
Barandun: Alle brauchen sie!
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Notter: Da sind wir uns einig.
Ist es unfair, wenn Firmen auch bezahlen müssen?
Barandun: Ich frage mich, ob es sinnvoll ist und ob es den
gewünschten Effekt hat, oder ob es nicht einfach Effekte hat,
die wir nicht wollen, nämlich steigende Lohnkosten. Zuerst
müssen wir dort ansetzen, wo man Geld sparen kann. Zum
Beispiel bei den Ausbaustandards von Krippen. Müssen
Krippen unbedingt Industrieküchen haben oder getrennte
WCs für Buben und Mädchen im Vorschulalter? Und es
kommt noch etwas hinzu: Die ganz hohen Kosten liegen im
Vorschulbereich. Sobald die Kinder in die Schule kommen,
entschärft sich die Situation. Doch wenn man einen neuen
staatlichen Topf schafft, schwindet der Anreiz, alternative
Betreuungsmodelle zu finden, zum Beispiel mit
Tagesmüttern, Mittagstischen, Hilfe zur Selbsthilfe.
Notter: Das ist ja der Charme dieser Initiative, dass sie auch
Betreuungsangebote wie Mittagstische und Tagesmütter
unterstützen soll.
Mit dem von den Initianten geforderten
Betreuungsfonds sollen nicht nur Krippenplätze
verbilligt werden, sondern auch neue
Betreuungseinrichtungen geschaffen und
Betreuungspersonal ausgebildet werden. Das klingt
nach grossem administrativen Aufwand. Wer
entscheidet, was mit den jährlich 120 Millionen
Franken aus dem Fonds gemacht wird?
Notter: Solche Aufgaben sind das Kerngeschäft der
kantonalen Verwaltung.
Barandun: Aber diese Aufgabe organisiert sie bis jetzt nicht,
das ist Sache der Gemeinden.
Notter: Die Fondsverwaltung wäre Aufgabe der
Bildungsdirektion, und ich habe vollstes Vertrauen, dass sie
das brillant machen wird.
Barandun: Trotzdem: Diese Zweispurigkeit ergäbe neue
Schnittstellen, die dann wieder etwas kosten. Das finde ich
ordnungspolitisch nicht gut.
Heute haben wir ein System, in dem einige
Krippenplätze subventioniert sind, andere nicht. Ob
man als Subventionsberechtigter einen
subventionierten Platz erwischt, ist ein Stück weit
Lotterie. Ist das gerecht?
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Barandun: Nein. Wer Anspruch auf einen subventionierten
Platz hat, sollte einen bekommen. Eigentlich sollte das mit
der Gesetzgebung, die wir seit 2011 haben, geregelt sein.
Gemeinden, die das nicht anbieten können, machen einfach
ihre Hausaufgaben nicht. Aber das kann ja dann nicht
zulasten der Unternehmer gehen.
Notter: Es ist nicht unfair, wenn Firmen sich mit zwei bis fünf
Promille der Lohnsumme daran beteiligen. Es geht auch um
eine Haltung der Gesellschaft: Ist uns das Thema wichtig,
dann bezahlen wir auch dafür. Die Firmen sollen einen
Beitrag im Umfang von 30 Prozent der Leistungen der
öffentlichen Hand an die Kinderbetreuung bezahlen. Das
muss es uns wert sein. Der Kanton Zürich wird dadurch als
Standort attraktiver.
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