Die Schatzkammer St. Servatius Der Ausstellungsbegleiter ist ein Geschenk der Freunde und Förderer an die Besucherinnen und Besucher der Schatzkammer St. Servatius Ausstellungsbegleiter DIE SCHATZKAMMER ST. SERVATIUS AUSSTELLUNGSBEGLEITER Text Stefanie Kemp M.A. Lektorat und redaktionelle Bearbeitung Dr. Anna Pawlik und Dr. Andrea Korte-Böger Foto Sebastian Felske Gestaltung Edition Blattwelt, Niederhofen Der Ausstellungsbegleiter ist kein Katalog, die Bebilderung muss deshalb nicht mit dem Text korrelieren. Herausgegeben durch den Verein der Freunde und Förderer des Michaelsberges e.V. www.förderverein-michaelsberg.de www.schatzkammer-servatius.de Siegburg 2016 DIE SCHATZKAMMER ST. SERVATIUS AUSSTELLUNGSBEGLEITER 4 LIEBE BESUCHERINNEN, LIEBE BESUCHER! Es gibt Orte, an denen sich Himmel und Erde berühren. Ein solcher Ort ist hier. Auf der Südempore der Siegburger Servatiuskirche und in den angrenzenden Räumen der Schatzkammer bewahren wir in kostbaren Schreinen und Reliquiaren die Gebeine der Heiligen. Menschen, die wie wir in dieser Welt lebten und die nun im Himmel, bei Gott ihre Heimat gefunden haben. In den Heiligen wird uns Menschen eine Perspektive für unser Erdenleben gezeigt. nen und Gefäßen verwahrte. Vor allem die Klöster gründeten ihren wahren Reichtum in der Fülle der Reliquien, die sie in ihren Mauern verwahren durften. Der Siegburger Abteischatz, der nach einer wechselvollen Geschichte der Siegburger Servatiuspfarrei anvertraut ist, legt davon ein beredtes Zeugnis ab. Ich lade Sie ein, hier an diesem Ort einem Stück Himmel auf dieser Erde zu begegnen. Betrachten Sie die hier ausgestellten Dinge als Zeugnis eines unerschütterlichen Glaubens, dass wir Menschen in Gott mehr Zukunft als Gegenwart und Vergangenheit zusammen haben. Wir Christen dürfen darauf vertrauen, dass auch wir einmal im Himmel, bei Gott zu Hause sein dürfen. Der mittelalterliche Mensch hat diesem Glauben Ausdruck verliehen, in dem er Reliquien und alles, was ihn an die Heiligen erinnerte in kostbaren Schrei- Ihr Pfarrer Thomas Jablonka, Kreisdechant 5 Die große Zahl von Reliquien und Reliquiaren belegt den wirtschaftlichen Reichtum, die weitläufigen Beziehungen und den allgemein hohen kulturellen Anspruch der Abtei. DER SIEGBURGER KIRCHENSCHATZ – SEINE GESCHICHTE Der Siegburger Kirchenschatz ist einer der bedeutendsten erhaltenen Kirchenschätzen des Mittelalters. Dabei ist es nicht die Anzahl der erhaltenen Objekte, sondern ihre außerordentliche Qualität, die diese Bedeutung ausmachen. In diesem Schatz manifestierte sich der Anspruch der Abtei als bedeutender Ort religiösen Wirkens und Hort bedeutender Heiligtümer, deren Kraft und Bedeutung auch zahlreiche Pilger anlocken sollte. Dieser Anspruch lässt sich nicht allein am Siegburger Kirchenschatz ablesen. Auch die erhaltenen Reste der Abteikirche St. Michael, wie die romanischen Kapitelle und die im Skriptorium der Abtei gefertigte Handschriften (Annolied, Siegburger Lektionar, Vita Annonis Minor) geben davon Zeugnis. Den Grundstock legte der Kölner Erzbischof Anno II. (amt. 1056-1075), indem er dem von ihm gegründeten Kloster St. Michael zahlreiche bedeutende Reliquien schenkte. Seine Gebeine wurden mit seiner Heiligsprechung im Jahre 1183 selbst Teil des Schatzes und fortan im prachtvollen Annoschrein aufbewahrt. Gleichzeitig wurden weitere Schreine und Reliquiare für die Siegburger Heiltümer in Auftrag gegeben. Mit der Auflösung der Abtei im Jahr 1803 im Zuge der Säkularisation ge- 6 riet dieser Schatz in Gefahr. Nur dem mutigen Eingreifen Siegburger Bürgerinnen und Bürger ist es zu verdanken, dass der Schatz heute nicht in der Pfarrkirche in (Lohmar-) Birk zu finden ist. In dieser Zeit des Umbruchs wurden die großen Schreine fast des gesamten Bildprogramms beraubt. Im Jahr 1819 beginnt dann mit einer Öffnung der Schreine und ersten Restaurierungsmaßnahmen die wissenschaftliche Erforschung des Siegburger Kirchenschatzes, die bis heute andauert. Jahren 1994 bis 2016 umfassend konserviert und ihr Erhalt so auf lange Zeit gesichert. Die wechselvolle Geschichte der kostbaren Reliquiare hat ihre Spuren hinterlassen. Unter wissenschaftlicher Leitung der Beraterkommission zur Sicherung und Konservierung der mittelalterlichen Reliquienschreine im Erzbistum Köln wurden die großen Reliquienschreine aus Siegburg in den 7 Der Schrein steht in der Tradition der mittelalterlichen Schreine im Kirchenschatz. Der Kasten mit Satteldach ist auf beiden Langseiten durch Arkadenböden gegliedert. Die beiden Giebelseiten sind in zwei Arkaden und ein darüber liegendes Zwickelfeld geteilt. Der plastische Schmuck des Schreins ist spätestens nach der Säkularisierung der Abtei 1803 verloren gegangen. Im Gegensatz zu den älteren Schreinen beschränkte sich dieser Schmuck auf die beiden Giebelseiten und die Arkaden. Dort waren neben den Zwölf Aposteln, der hl. Anno und ein heiliger Abt (Benedikt oder Wunibald?), die hll. Apollinaris und Alexius, sowie Christus seine Mutter segnend abgebildet. Heute sind alle Felder mit gestanzten Im Hochaltar Apollinaris(Alexius- und Wunibaldus-) Schrein Meister Hermann von Aldendorp, Köln, um 1446 Eichenholz, Silber, vergoldet, Bergkristall Der Apollinarisschrein entstand unter Abt Wilhelm I. Spies von Büllesheim (amt. 1419-1462) für die Gebeine des hl. Apollinaris, die 1394 in die Siegburger Abtei gelangten. Stifter des Schreins war den Quellen zufolge sein Vorgänger Pilgrim von Drachenfels (amt. 1387-1415/16), der die Reliquien aus der Apollinariskirche in Remagen, einer Propstei der Siegburger Abtei, nach Siegburg bringen ließ. 8 Wappen in Rautenfeldern ausgefüllt, die ursprünglich nur die Dachflächen des Schreins schmückten. Die Reliquien des hl. Benignus brachte Erzbischof Anno II. am 26. Februar 1073 aus Ellwangen in die Siegburger Abtei. Quellen beschreiben, dass sie für eine Nacht in der Servatiuskirche aufbewahrt wurden, bevor sie in die Abtei auf dem Michaelsberg weiter reisten. Der Apollinarisschrein steht im Altaraufsatz des Hochaltars der Pfarrkirche. Der Altaraufsatz wurde in Form mittelalterlicher Prozessionsältare 1904 errichtet, um den Annoschrein aufzunehmen. In der Prozession zog man darunter durch um so den Segen des Heiligen zu erhalten. 1955 wurde der Annoschrein als Leihgabe in die Abteikirche St. Michael auf dem Michaelsberg gegeben. Seit 1987 nimmt der Apollinarisschrein diesen Platz ein. Der Annoschrein ist heute in der Schatzkammer auf der Südempore der Pfarrkirche zu finden. (Vitrine 4) Der Benignusschrein hat seinen plastischen Schmuck vermutlich nach der Auflösung der Abtei 1803 verloren. Seine Gestaltung war einfacher als die der großen Schreine aus dem Kirchenschatz, das Bildprogramm war regionaler aufgebaut. Die erhaltenen Inschriften der Arkadenbögen und der Giebelseite lassen auf Darstellungen von Heiligen schließen, deren Reliquien in der Siegburger Abtei aufbe- Vitrine 1 Benignusschrein Köln, um 1190 Eichholzolz, Kupfer und Silber, vergoldet, Email, Filigran, Bergkristall, Edelstein, Gemmen Schon kurz nach der Gründung der Abtei beschenkte Anno II. „sein“ Kloster mit bedeutenden Reliquien, wie denjenigen des frühchristlichen Missionars und Märtyrers Benignus. Die Schreine für die wertvollen Reliquien entstanden etwa 100 Jahre später, nachdem Anno dank der Bemühungen der Siegburger Benediktiner heiliggesprochen worden war. 9 wahrt wurden. Auf den Giebelseiten sieht man neben dem hl. Benignus und dem Erzengel Michael unter anderem der hl. Anno sowie die hll. Pantaleon, Servatius, Dionysius, Erasmus und Georg. gräfin Adelheid von Savoyen (+ 1091) durch Erzbischof Anno II. in die Siegburger Abtei. Der Schrein entstand erst nach der Heiligsprechung des Klostergründers Anno. Den erhaltenen Inschriften auf dem hinteren Giebel des Schreins zufolge war hier der hl. Anno gemeinsam mit dem Schutzpatron der Siegburger Abtei, dem Erzengel Michael, zu sehen. Die leeren Felder an den Seiten und den Dachflächen wurden bei einer Restaurierung 1901-02 durch Kupferbleche gefüllt. Bei den Öffnungen des Schreins 1819 und 1901 wurden die Reliquien verschiedener Heiliger aufgefunden, die in mehrere Säckchen aus kostbaren Stoffen eingenäht waren. Vitrine 2 Mauritius- und Innocentiusschrein Köln, um 1185 Eichenholz, Kupfer, vergoldet, Email, Filigran, Bergkristall, Edelstein, Gemmen Der wenige Jahre nach dem Annoschrein entstandene Mauritius- und Innocentiusschrein ist etwas kleiner und in seinem architektonischen Aufbau schlichter. Nur an den Giebelseiten bilden Kleeblattbögen den oberen Abschluss der heute leeren Bildfelder. Die Felder der Seitenteile sind nahezu quadratisch und werden durch fast freistehende emaillierte Säulen begrenzt. Bemerkenswert ist der reiche Steinbesatz, in dem sich auch antike Gemmen und wiederverwendete Stücke aus ottonischer Zeit finden. Die Reliquien der Märtyrer Mauritius und Innocentius der Thebäischen Legion kamen als Geschenk der Mark10 gen werden, sind noch fünf der ursprünglich Zwölf Apostel zu sehen. Sie sind durch die Inschriften in den Bögen als (v.l.n.r.) Petrus, Johannes, Andreas, Thomas und Simon benannt. Über den Säulen den Arkadenzwickeln sind insgesamt zehn Brustbilder von Heiligen in Treibarbeit zu sehen. Auch sie sind durch Inschriften benannt. Seitlich werden sie von Engeln flankiert. Vitrine 3 Honoratusschrein Anfang 13. Jahrhundert Eichenholz, Kupfer und Silber, vergoldet, Bergkristall, Filigran, Braunfirnis Der deutlich jüngere und kleinste Schrein orientiert sich mit den zwei Dreiecksgiebeln in der Mitte des Satteldaches u.a. an dem Aachener Marienschrein (1220-1238) und dem Marburger Elisabethschrein (1235-1249). Die Giebelseiten des Schreins zeigten einst unter Kleeblattbögen vorne Honoratus zwischen den hll. Quirin und Pankratius und hinten Maria, der Mutter Christi, zwischen den hll. Katharina und Balbina. Vom ursprünglichen Bildprogramm sind noch einige Teile erhalten. In den Arkaden der Seitenteile, die wie beim Annoschrein von Doppelsäulen getra- Die Szenen auf den Dachflächen sind aus dem Leben Christi und zeigen: Verkündigung, Geburt, Kreuzigung und Auferstehung Christi. Im rechten Dreiecksgiebel ist Christus als Pantokrator (Weltenherrscher) erhalten, der andere ist heute leer. Den oberen Abschluss des Schreins bilden Kämme aus ornamentalen Pflanzenformen, mit insgesamt fünf Knäufen aus Bergkristall. Der namensgebende hl. Honoratus war ein gebildeter römischer Bürger und wurde im Jahre 426 n. Chr. Bischof der französischen Stadt Arles. 11 Vitrine 4 Annoschrein Werkstatt des Nikolaus von Verdun und Köln, um 1183 Eichenholz, Kupfer und Bronze, vergoldet, Filigran, Email, Bergkristall, Edelsteine Der Annoschrein ist das bedeutendste Objekt des Siegburger Kirchenschatzes. Angefertigt wurde der größte der Siegburger Schreine in der Werkstatt des Nikolaus von Verdun in Köln, der 20 Jahre später den Dreikönigsschrein im Hohen Dom zu Köln schuf. die Figuren in den Kämmen gehen auf antike Vorbilder (z.B. Merkur mit Hut) zurück und verweisen auf die lasterhafte heidnische Welt, die durch das Christentum überwunden wurde. Die Seiten des Schreins werden von jeweils sechs Kleeblattbögen gegliedert, die auf den Längsseiten von Doppel- An den erhaltenen Figuren der Längsseiten lassen sich Unterschiede feststellen, die auf zwei Meister schließen lassen, die am Schrein tätig waren. Als Vorbild für die Figuren der Heiligen, Apostel und Propheten wurden u.a. antike Bildwerke genutzt. Besonders 12 säulen getragen werden. Die Dachflächen sind in jeweils fünf rechteckige Felder aufgeteilt. Die getriebenen Reliefs der Dachflächen und die nahezu vollplastisch getriebenen sitzenden Figuren der Längsseiten sind seit Beginn des 19. Jahrhunderts verloren. An ihrer Stelle sind seit 1902 Bronzeplatten angebracht. Das Bildprogramm lässt sich dank zweier Gemälde in der ehemaligen Siegburger Propstei Belecke rekonstruieren (Vitrine 11, 14). Auf den Dachflächen waren Szenen aus dem Leben des Heiligen und Wundertaten dargestellt sowie die Stifter des Schreins. Auf den Seiten waren Kölner Bischöfe und Heilige zu sehen, deren Gebeine in Siegburg aufbewahrt werden. Die Darstellung des hl. Anno und des Siegburger Patrons Michael auf den Stirnseiten des Schreins sind ebenfalls verloren. tos Heinrich gestiftet, nachdem Erzbischof Anno II. im Jahr 1183 in Rom heiliggesprochen worden war. Beide Stifter waren auf dem Schrein dargestellt. Sein Bildprogramm war somit auf die Siegburger Abtei mit ihrem heiliggesprochenen Gründer Anno und andere in Siegburg verehrte Heiligen ausgerichtet, deren Reliquien in der Abtei aufbewahrt wurden. Heute fällt besonders die ausgewogene Architektur des Annoschreins auf. So tritt die Vielfalt der Gestaltung der Säulen, die plastischen Kapitelle mit Tieren und Pflanzen, und die Email- und Filigranarbeiten in den Vordergrund. Einzigartig ist die Verwendung eines durchsichtigen Emails u.a. an den Säulen, das, bedingt durch den Materialuntergrund, violett erscheint. An den Ecken sind die vier Evangelistensymbole zu sehen. Sie werden von jeweils fünf Aposteln in den Zwickeln der Kleeblattbögen gerahmt. Die Figuren sind fast vollplastisch und lehnen sich aus ihren Nischen, die mit goldenen Ranken in blauem Email gestaltet sind. Bemerkenswert ist die Vielfalt der Muster und Motive, die in den Emails erscheinen. Der Schrein wurde von Abt Gerhard (amt. 1174-1184/85) und einem Kus13 Auf dem Holzkern dokumentieren die Versatzzeichen und Vorrisse die Arbeit des Goldschmieds. Da der Holzkern nach Fertigstellung des Schreins vollständig von Metall- und Emailarbeiten bedeckt wurde, konnte der Goldschmied seine Planungen völlig frei darauf auftragen; denn nach Fertigstellung, das heißt dem Aufbringen aller Besatzstücke war der Holzkasten völlig überdeckt. Vitrine 5 Holzkern des Apollinarischreins Köln, um 1446 Eichenholz Der äußerst fragile originale Holzkern des Apollinarisschreins wurde bei einer Restaurierung 1902/03 durch einen neuen ersetzt. Der alte Holzkasten verblieb als wertlos in der Werkstatt des Goldschmiedes, der ihn allerdings restaurierte und aufbewahrte. Dort erwarb ihn 1926 der Kölner Sammler Kasimir Hagen, der ihn seinerseits 1960 an die Kirchengemeinde zurückschenkte. So kehrte der einst als wertlos zu entsorgende Holzkern des Apollinarisschreins wieder zu seinem ursprünglichen Bestimmungsort zurück. Der Kern selber wurde nur grob bearbeitet. Ohne den Besatz dient der Holzkern als hervorragende Quelle zur Konstruktion und Herstellung eines spätmittelalterlichen Reliquienschreins. 14 Vitrine 6 Arca Quadrata minor (Reliquiar) wahrscheinlich 17./18. Jahrhundert aus verschiedenen mittelalterlichen Fragmenten (12./13. Jahrhundert) zusammengesetzt Bronze, teilvergoldet, Silber, getriebene Email, Kupfer, vergoldet Die so genannte Arca Quadrata zeugt davon, dass die Reliquienschreine des Siegburger Kirchenschatzes schon vor der Auflösung des Klosters 1803 und der damit einhergehenden Beraubung der Schreine Verluste erlitten hatte. Jeder Transport, jede Prozession bildete eine Gefahr für die empfindlichen Goldschmiedearbeiten. Insbesondere der Transport zur Bergung des Schatzes in den Siegburger Hof nach Köln (1632-1750) während des Dreißigjährigen Krieges führte vermutlich zu größeren Schäden. Gleichzeitig wird deutlich, wie wertvoll und wertgeschätzt der Schatz war. So wurde im Barock aus mittelalterlichen Fragmenten ein neues Reliquiar angefertigt, vergleichbar zum Vorgehen in den 1950er Jahren beim sogenannten Jaekel-Kreuz (Vitrine 8). Heribert. U.a. wurde früher das Annopallium (Vitrine 27) in der Arca Quadrata aufbewahrt. Auf der Vorderseite sind zwölf Apostelfiguren unter Rundbogenarkaden um eine zentrale Figur gruppiert. Die Figur, wahrscheinlich ein thronender Christus, ist verloren gegangen. Zu sehen ist noch die kupferne Unterlage auf der die Figur befestigt war. Die rechte und linke Seite des Reliquiars bestehen jeweils aus zwei Platten mit graviertem und durchbrochenem Rankenornament. In der Mitte links eine Emailplatte mit Rautenmuster und Lilien, rechts zwei Reihen offene Arkadenbögen, deren Zwickel mit Email gefüllt sind. Die rechte Seite ist als Tür des Reliquiars eingerichtet. Die Rückseite ist mit einem schmucklosen Kupferblech geschlossen. Im Dach der Arca Quadrata sind weitere qualitativ hochwertige Emailplatten verarbeitet, die gekonnt auf den Dachflächen angeordnet sind und dem Reliquiar ein harmonisches Äußeres verleihen, obwohl es „nur“ aus Fragmenten besteht. Der würfelförmige Kasten mit pyramidenförmigem Dach ist durchbrochen gearbeitet und erlaubt einen Blick ins Innere des Reliquiars. Es wurde vermutlich als Schaureliquiar eingesetzt und enthält Primär- und Sekundärreliquien der hll. Anno und 15 den sie wie der restliche Besitz zerstreut. Vitrine 7 Prachtornat von Abt Georg Christoph von Hagen Der Ornat war sicherlich besonderen Feiertagen vorbehalten. Die liturgische Farbe ist nicht zuzuordnen, jedoch feierlicher Messen und Prozessionen angemessen. Alle Teile bestehen aus einem hellblauen Gewebe mit üppigem Blumendekor. An einigen Stücken ist ein hellbeiger Stoff mit Blumendekor eingesetzt. Die Säume sind mit goldenen Borten, Fransen und Troddeln besetzt. zwischen 1735-1762 Leinen, Seide, Goldfäden Der Prachtornat ist der einzige erhaltene vollständige Ornat aus dem Bestand der ehemaligen Abtei Michaelsberg. Durch die Wappenapplikation auf der Rückseite der Kasel lässt sich der Auftraggeber dieses Ornats als Abt Georg Christoph von Hagen identifizieren, der die Abtei von 1735 bis 1762 leitete. Es ist davon auszugehen, dass die Abtei zahlreiche liturgische Gewänder in ihrem Besitz hatte, die über die Jahrhunderte von Äbten und anderen Stiftern geschenkt wurden. Bei Aufhebung der Abtei 1803 wur- Die Erhaltung des Ornates ist dem beherzten Eingreifen der Ehefrau des Küsters zu verdanken, die in den 1960er Jahren die Entsorgung des Ornates verhinderte. Es besteht aus: 16 Chormantel (Pluviale) Mitra Der Chormantel ist ein halbkreisförmig geschnittener und vorne geöffneter Mantel mit einem Zierschild im Nacken und einem breiten Zierbesatz vorne. Der Mantel ist aus dem hellblau-grundigen Stoff mit Blumenmuster gearbeitet. Das Zierschild und der Besatz vorne am Mantel sind aus dem beigefarbenen Blumenstoff gefertigt. Der Zierschild ist zusätzlich mit einer breiten Goldborte und goldenen Fransen besetzt. Die Mitra ist eine feierliche Kopfbedeckung und sie zu tragen ist das Privileg von Geistlichen im Range eines Bischofs. Die Siegburger Äbte hatten, wie auch andere Äbten großer Klöster, ebenfalls dieses Privileg. Bei der Mitra aus dem Prachtornat handelt es sich um ein besonders ausgezeichnetes Stück, da sie dem Ornat entsprechend mit einem mit Blumen gemusterten Stoff bezogen ist und die Kanten mit einer goldenen Borte besetzt sind. Der Chormantel wird von allen Geistlichen zu Gottesdiensten außerhalb der Hl. Messe getragen. Stola, Diakonstola und Manipel Über dem Schultertuch (Amikt) und dem Untergewand (Albe) trägt der zelebrierende Priester die Stola (gerade herab hängend), der Diakon entsprechend die Diakonstola (diagonal über 17 den Körper). Beide bestehen aus einem schmalen Streifen, der mit goldener Borte besetzt ist, die Enden der Stola laufen trapezförmig aus und sind mit einem Kreuz bestickt. Der Manipel ist eine liturgische Insignie des Priesters und Diakons. Er besteht aus einem kurzen streifenförmigen Textil mit erweiterten, schaufelförmigen Enden, die mit einem Kreuz geziert sind. Er ist in der Mitte geheftet. Er wurde über dem linken Unterarm getragen. Kelchvelum Das quadratische Tuch diente zum Verhüllen von Kelch und Patene während der Hl. Messe. Vitrine 8 Jaekel-Kreuz Zusammenstellung: Joseph Jaekel, Köln, um 1950 Emailfragmente: 12. Jahrhundert, Kupfer, vergoldet, Email Dieses Kreuz zeigt, ähnlich wie die Arca Quadrata, die anhaltende Wertschätzung mittelalterlicher Emailarbeiten bis heute. Durch viele Instandsetzungen über die Jahrhunderte und nicht zuletzt durch die Beraubung der Schreine zwischen 1803 und 1812 sind im Siegburger Kirchenschatz zahlreiche Fragmente von Schreinen und Reliquiaren 18 erhalten, die den erhaltenen Schreine bislang nicht zugeordnet werden konnten. Auf dem Kreuz verwendete der Kölner Goldschmied Joseph Jaekel einige dieser Fragmente. Er band die mittelalterlichen Stücke als Nimbus des Gekreuzigten, an den Enden der Kreuzbalken und am Fuß des Kreuzes würdevoll in eine dem Zeitgeschmack der 1950er Jahre entsprechende Gestaltung ein. Sechs Nimben Köln (?), 12./13. Jahrhundert Kupfer, vergoldet, Email Fünf Inschriften Köln (?), 12./13. Jahrhundert Kupfer, vergoldet, Email Bereits im Jahr 1819 wurden gemeinsam mit der Öffnung der Schreine und Reliquiare erste Restaurierungsmaßnahmen durchgeführt, die heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen und bis heute nachwirken. Zahlreiche der abgenommenen Emailplatten wurden an falschen Stellen wieder montiert, andere durch Rekonstruktionen ersetzt. Ebenso hat die Beraubung des Kirchenschatzes zwischen 1803 und 1812 ihre Spuren hinterlassen (siehe Vitrine 11). So lassen sich die vorliegenden Fragmente bislang keinem Reliquiar zuordnen, werden sorgfältig aufbewahrt und können vielleicht irgendwann durch die Forschung identifiziert und zugeordnet werden. 19 Vitrine 9 hohen Feiertagen im Hochamt vom Diakon bei der Hl. Messe getragen. Prachtornat von Abt Georg von Hagen zwischen 1735-1762 Leinen, Seide, Goldfäden Liturgische Geräte Kasel (Messgewand) Die liturgischen Geräte im Siegburger Kirchenschatz stammen wohl aus dem Bestand von St. Servatius, wohingegen die mittelalterlichen Textilien (Vitrinen 18 - 28) und Reliquiare 1812 aus dem Schatz der ehemaligen Benediktinerabtei St. Michael auf dem Michaelsberg in die Pfarrkirche gelangten. oben von links nach rechts: Die Kasel des Prachtornats wird vom zelebrierenden Priester während der Hl. Messe getragen. Es hat auf der Vorderseite die für den Barock typische geschwungene Form einer Bassgeige. Der hellblau-grundige Blumenstoff ist auf Vorder- und Rückseite mit Einsätzen aus einem weiteren Blumenstoff mit beigefarbenem Grund ergänzt. Am Rücken ist ein Kreuz eingesetzt, an dessen unteren Ende das Wappen von Abt Georg von Hagen appliziert ist. Im Gegensatz zu mittelalterlichen Kaseln wird auf eine gewebte, figürliche Darstellung verzichtet. Der üppige Blumendekor des Stoffes bestimmt den Eindruck des Ornats. Dalmatik Die Dalmatik zeichnet sich durch die gerade geschnittenen breiten Ärmel aus, sie ist das Obergewand des Diakons. Sie ist aus dem gleichen hellblau-grundigen und reich mit Blumen gemusterten Stoff, wie die Kasel gefertigt. Auf Brust und Rücken sind hochrechteckige Einsätze aus dem zweiten Stoff mit Blumenmuster eingesetzt und mit einer Goldborte gesäumt. Die Dalmatik wurde wahrscheinlich zu 20 Über einem aus stilisierten Blättern gebildeten Fuß erhebt sich der schlanke Schaft mit einem Knauf, der den zentralen Glaszylinder trägt. Er wird von zwei seitlichen Fialen flankiert, in denen kleine Heiligenfiguren stehen. Der obere Abschluss des Reliquiars besteht aus gotischer Mikroarchitektur. Der hl. Petrus steht unter dem zentralen Baldachin, eine Madonnenfigur bekrönt das Ostensorium. Auf dem Fuß ist ein Wappen mit einem Pfeil und die Buchstaben J. M. S. eingraviert. Ostensorium mit Kreuz Köln, Anfang 16. Jahrhundert Silber, getrieben, graviert Ein Ostensorium (lat. ostendere: entgegenhalten, zeigen) ist ein Schaugefäß, in dem eine Reliquie oder ein anderer Gegenstand zur religiösen Verehrung gezeigt oder bei einer Prozession mitgeführt werden kann. Im Glaszylinder befindet sich eine Reliquie vom Wahren Kreuz Christi. Eine ursprünglich dort befindliche Statuette des hl. Petrus wurde 1907 ersetzt. Monstranz Köln, 1699 Silber, teilvergoldet, graviert, Glas Über dem vasenförmigen Unterbau mit getriebenen geflügelten Engelsköpfen auf dem Vierpassfuß erhebt sich das zentrale Schaugefäß, flankiert von Statuetten der wichtigsten Siegburger Heiligen, Anno und Servatius. Die Statuetten stehen auf geflügelten Engelsköpfen zwischen zwei gedrehten Säulen, umgeben von fein und reich gegliedertem Rankenwerk. Die Überdachung ist kronenartig ausgebildet. Darauf ist eine getriebene und nach oben strebende Taube als Symbol des Hl. Geistes zu sehen. Eine Darstellung Gottvaters mit Segensgestus im goldenen Strahlenkranz bekrönt die Monstranz. Zusammen mit der im Zentrum ausgesetzten Hostie als Zeichen des Leibes Christi findet sich hier die Dreifaltigkeit dargestellt. 21 Monstranzen in der beliebten Form der spätgotischen Turmmonstranz fertigte. Den oberen Abschluss der Monstranz bildet eine von zwei seitlich schwebenden Putten gehaltene Bügelkrone mit Kreuz. Am Rankenwerk sind auf beiden Seiten gegossene Medaillen angebracht. Sie nehmen mit ihren Inschriften Bezug auf den Opfertod Christi und die Eucharistie. Zusätzlich klingeln sie, wenn die Monstranz getragen wird, z.B. während der Fronleichnamsprozession. Die Mikroarchitektur neben dem Glaszylinder zeigt noch gotische Maßwerkgitter und Fialen mit eingestellten Heiligenfiguren. Die Wölbungen des Vierpassfußes sind von vier verschiedenen gravierten und getriebenen Blüten, Knospen und Blätter bedeckt, die bereits barock anmuten. Die Statuette einer weiblichen Heiligen auf der Spitze des Ostensoriums und der Glaszylinder werden von geschwungenen Rankenvoluten gestützt. Eine gotische Grundform wird hier von der neuen Formensprache überlagert. Ostensorium Köln, 1. Hälfte 17. Jahrhundert Silber, getrieben, graviert, Glas Dieses Schaugefäß aus dem frühen 17. Jahrhundert mit seiner Mischung aus barocken und gotischen Formen dokumentiert, wie lange man im Kölner Kunsthandwerk für den Markt noch Ostensorium mit leerem Zylinder Köln, 1. Hälfte 17. Jahrhundert Silber, Glas 22 Bei diesem Schaugefäß aus dem frühen 17. Jahrhundert werden Formen der Gotik und des Barock vermischt. Während die Mikroarchitektur noch Maßwerk und Fialen zeigt, sind Fuß und Schaft von getriebenem Laub bedeckt. Die Madonna im Strahlenkranz wird von geschwungenen Voluten getragen. Messpollen (Messkännchen) Köln, um 1750 Silber, getrieben, graviert, punziert Messpollen (lat. ampulla: kleine Flasche) dienen der Aufbewahrung von Wein und Wasser, die während der Eucharistiefeier benutzt werden. Während der Gabenbereitung werden Wein und Wasser in den Kelch gegossen. Der Wein gilt als Symbol für die göttliche Natur Christi, das Wasser für seine menschliche Natur. Beide Gefäße stehen auf einem Tablett, das bei der Händewaschung des zelebrierenden Priesters während der Hl. Messe zum Auffangen des Wassers dient. Die Details an Glaszylinder und Deckel machen eine Herkunft dieses und des zuvor beschriebenen Gefäßes aus der gleichen Kölner Werkstatt wahrscheinlich. Unten von links nach rechts: Messpollen (Messkännchen) Beide Messpollen entsprechen dem jeweiligen Zeitgeschmack. Während die Gestaltung der ersten beiden Känn- 1. Hälfte 18. Jahrhundert Silber, getrieben, graviert 23 chen noch auf gotische Formen verweist, ist das zweite in weicheren Formen ausgebildet. Fuß, Gefäßkörper und Deckel der beiden Kännchen sind mit einem feinen Muster graviert. Die Henkel sind aus geschwungenen Bögen gebildet. Kelch Franz Ignaz Berdolt, Augsburg, 1722 Silber, getrieben teilvergoldet, graviert Der Augsburger Meister Franz Ignaz Berdolt war ein sehr beliebter Goldschmied, von dem viele Arbeiten erhalten sind. Viele seiner Arbeiten, so auch diese, wurden weit über Augsburg hinaus verkauft. Der Kelch ist mit einem Dekor aus geflügelten Engelsköpfen gestaltet, das sowohl auf dem gewölbten Sechspassfuß, als auch auf der Kuppa des Kelches, der Kelchschale, erscheint. Die Kuppa selber, aus vergoldetem Silber, ist in einen aus durchbrochenem Silber gearbeiteten Korb mit dem Engelsdekor eingesetzt. So erscheinen die silbernen Engel vor goldenen Grund. riss und wird von einem Knauf unterbrochen, der die Form einer platt gedrückten Kugel hat. Nach außen bildet der Knauf sechs Rauten aus, die mit einer stilisierten Blütenform gefüllt sind. Die Kuppa hat die Form einer umgedrehten breiten Glocke. Die Patene ist ein kleiner flacher runder Teller mit einer Vertiefung in der Mitte. Auf dem Rand ist ein Kreuz mit gleichlangen Armen zu sehen, die nach außen breiter werden. In der Vertiefung erscheint vor einem ähnlich gestalteten Kreuz die segnende Hand Gottes. Die Patene dient während der Kelch mit Patene Rheinland 15./16. Jahrhundert Silber, vergoldet? Der Kelch erhebt sich auf einem sechspassförmigen schlichten Fuß. Der Schaft hat einen sechseckigen Grund24 entwickelt sich das Dekor zu einer einheitlichen Gestalt, die den Kelch überzieht. Fuß und Kuppa gehen in einander über und auch der Nodus, die knaufartige Verdickung am Schaft, wird Teil des Gesamtdekors. Auch bei diesem Kelch ist die Kuppa zweiteilig, der innere glatte Teil ist in einen getriebenen und undurchbrochenen Korb eingesetzt. Hl. Messe als Träger der Zelebrationshostie. Bei der Mundkommunion wird sie unter das Kinn des Kommunikanten gehalten und soll verhindern, dass Partikel der Hostie verloren gehen. Kelch Johann Heinrich Rohr, Köln, 1763 Silber, getrieben, vergoldet, graviert Johann Heinrich Rohr wird in den Quellen auch als beauftragter Meister für die Wiederherstellung des Apollinarisschreins im Jahr 1783 benannt. Dieser Kelch des Kölner Goldschmieds Johann Heinrich Rohr gehört formal zum Typ der sog. Tulpenkelche. Das bemerkenswerte Verhältnis zwischen mächtigem Fuß und relativ kleiner Kuppa, der Kelchschale, entspricht den gewohnten Maßen des Rokoko. Die Zunahme der Kelchhöhe im 18. Jahrhundert bedingte eine Vergrößerung des Fußes, um die Standfestigkeit der Kelche zu erhalten. Parallel Kelch Alois Kreiten, Köln, 1903 Silber, getrieben, vergoldet, graviert Der Messkelch aus der Werkstatt des Goldschmieds Alois Kreiten ist ein Beispiel der Kölner Goldschmiede- 25 kunst des Historismus. Nach den Verlusten, die viele Kirchenschätze während der französischen Besatzung erlitten, blühte dieses Handwerk im 19. Jahrhundert wieder auf. zehn Jüngern. Ein elfter kniet vor dem Tisch, um das Brot zu empfangen. Von links nähern sich zwei Engel in fließenden, gerafften Gewändern. Auf einer Schmalseite thront die Muttergottes, umgeben von Petrus, Paulus sowie einer weibliche und einem männlichen Heiligen. Über die linke Schmalseite und die Rückseite erstreckt sich eine lange Bank auf der der segnende Christus umgeben von den Aposteln sitzt. Vitrine 10 Andreasreliquiar Niedersachsen (?), ausgehendes 12. Jahrhundert Holz, Kupfer, emailliert und vergoldet Das Reliquiar hat die Form eines Tragaltars allerdings ohne die im Deckel eingesetzte Steinplatte und die Füße, die nach älteren Quellen abgerissen sein sollen. Die vorhandene Bodenplatte ist mit Ornament aus Braunfirnis versehen und zeigt keine Spuren von Füßen. Der Deckel zeigt sechs Szenen, die von sich überschneidenden und geschweiften Bändern getrennt werden. Im mittleren Feld oben ist Christus als Weltenherrscher (Majestas Domini) in der Mandorla umgeben von den Evangelistensymbolen zu sehen, darunter die Kreuzigung mit Maria, Johannes und dem Soldaten Longinus. In zwei Medaillons verhüllen Sol (Sonne) und Luna (Mond) als Zeichen der Trauer ihr Antlitz. Auf der Vorderseite ist das letzte Abendmahl dargestellt. An einer langen Tafel sitzt Christus umgeben von 26 Rechts oben ist die im Wochenbett liegende Maria umgeben von Josef und einem Propheten (?) mit Schriftrolle dargestellt. Links unten liegt Jesus in der Krippe mit Ochs und Esel. Beide Szenen werden von Engeln begleitet. Im unteren rechten Feld folgt die Verkündigung an die Hirten und oben links die Aussendung der Apostelfürsten Petrus und Paulus durch Christus. Das Reliquiar hat ein aufwendig und qualitätsvoll gestaltetes Bildprogramm. Der Name des Reliquiars bezieht sich auf eine heute verlorene Inschrift „SCRINUM BEATI ANDREAE APOSTOLI“. Vitrine 11 Die beiden Gemälde, die Darstellung der sog. „Kölner Seite“ befindet sich in Vitrine 14, sind eine der wenigen erhaltenen Quellen, die den Annoschrein vor seiner Beraubung zeigen und so die Rekonstruktion seines ursprünglichen Bildprogramms ermöglichen. Gemälde Annoschrein „Siegburger oder Märtyrer Seite“ Reproduktion annähern Originalgröße Original: Johann Heinrich Fischer (1735 in Siegburg – nach 1789), 1764, Öl auf Leinwand, Stadtmuseum Schatzkammer Propstei Belecke Helm und Schild Das Gemälde entstand 1764 als Geschenk der Siegburger Abtes Gottfried von Schaumberg (amt. 1762-1779) für das Kloster Grafschaft, eine 1072 ebenfalls von Erzbischof Anno II. gegründete Benediktinerabtei. Es zeigt die sogenannte „Siegburger Seite“ des Annoschreins. In den Arkadenbögen sind sechs heilige Märtyrer dargestellt, deren Reliquien im Siegburger Kloster aufbewahrt wurden. (Originalfragmente des Annoschreins) Leihgeber: Erzbistum Köln (ehem. Abtei-Museum) Werkstatt des Nikolaus von Verdun?, Köln, um 1183 vergoldetes Kupferblech, Braunfirnis Diese Fragmente lassen sich mit Hilfe der Belecker Gemälde vom Annoschrein als Teile seiner verlorenen Aus27 stattung identifizieren. Sie wurden 1956 bei Ausschachtungsarbeiten für die neue Klosterbibliothek im Ostflügel der Klosteranlage gefunden. detem Metall und farbigem Email. Charakteristisch ist Blau als vorherrschende Farbe. Im Siegburger Kirchenschatz sind neben den Schreinen aus Kölner Werkstätten auch diese zwei Kästen aus Limoges erhalten. Reliquiare dieser Art wurden von Limoges aus in das ganze mittelalterliche Reich verkauft. Auf dem Gemälde ist der Schild in der ersten Arkade links zu sehen und als Attribut dem hl. Demetrius beigegeben. Der Helm kann nicht eindeutig einem der Heiligen dieser Seite zugeordnet werden. Das kleinere der beiden hausförmigen Reliquiare fällt durch die gravierten Figuren mit plastisch ausgearbeiteten Köpfen auf. Auf der Vorderseite ist die Darbringung Christi im Tempel zu sehen (Lk 2, 22-35). Der Hohepriester Simeon streckt seine mit den Ärmeln des Gewandes verhüllten Hände über den Altar, um Jesus anzunehmen. Hinter Maria steht ein Diener (ohne Nimbus) mit zwei Opfertauben in einem Korb. Vitrine 12 Kleines Limogesreliquiar Limoges, 1220-1230 Holz, Kupfer, emailliert und teilweise vergoldet Limoges, im nordwestlichen Zentralmassiv gelegt, war im 12. und 13. Jahrhundert ein Zentrum für die Herstellung von Gegenständen aus vergol28 Auf der Dachfläche darüber ist die Flucht der heiligen Familie nach Ägypten dargestellt (Mt 2, 13-15). Josef führt den Esel, auf dem Maria und Jesus frontal sitzen. Der Gruppe folgt ein Diener mit Opfergaben. Den oberen Abschluss bildet ein einfacher Kamm mit schlüssellochförmigen Durchbrechungen, drei EmailRosetten und drei einfachen kleinen Metallknäufen. Auf den beiden Stirnseiten des Reliquiars ist jeweils ein männlicher Heiliger mit Buch unter einem Dreipassbogen zu sehen. Vitrine 13 Großes Limoges-Reliquiar Limoges, 1220-1230 Holz, Kupfer, emailliert und teilweise vergoldet unter einem Dreipassbogen zu sehen. Den oberen Abschluss des Reliquiars bildet ein Kamm mit schlüssellochförmigen Durchbrechungen, drei Bergkristallen und zwei Emailrosetten im Wechsel und drei einfachen kleinen Metallknäufen. Das größere der beiden Limosiner Reliquiare hat ebenfalls die Form eines Hauses. Alle Figuren der Vorderseite sind plastisch ausgearbeitet. Über der Kreuzigung mit Maria und Johannes erscheint Christus als Weltenherrscher thronend auf dem Regenbogen in der Mandorla (Majestas Domini), umgeben von den Evangelistensymbolen (Offb. 4, 2-8). Beide Szenen werden von je zwei männlichen Heiligen in Arkaden flankiert. Vitrine 14 Gemälde Annoschrein „Kölner Seite“ Reproduktion annähern Originalgröße Original: Johann Heinrich Fischer (1735 in Siegburg – nach 1789), 1764, Öl auf Leinwand, Stadtmuseum Schatzkammer Propstei Belecke Auf den Stirnseiten ist jeweils ein gravierter männlicher Heiliger mit Buch 29 Die zweite Reproduktion des Gemäldes aus Kloster Grafschaft, 1764 vom Siegburger Abt Gottfried von Schaumberg dem dortigen Konvent geschenkt, verbildlichte gemeinsam mit seinem Pendant (Vitrine 11) die Gebeine des heiligen Klostergründers vor Ort zu. Es zeigt den noch vollständigen Annoschrein und die wichtigsten Berührungsreliquien des hl. Anno, den Annokamm, Annostab und ein Horn. So konnten die Benediktiner im Kloster Grafschaft den Berührungsreliquien ihres heiligen Klostergründers nahe sein, obwohl er – nach eigenem Wunsch – in Siegburg bestattet worden war. nutzt. Sie dienten im Ankleideritual sowohl zum Richten der Haare als auch symbolisch zum Ordnen der Gedanken des Zelebranten. Liturgischer Kamm – sogenannter Annokamm Der kleine Kasten ruht auf stilisierten Löwenfüßen. Auf den Seitenwänden sind 18 Propheten des Alten Testaments dargestellt, die sich mit ausladenden Gesten einander zuwenden und über die mitgeführten Schriftbänder identifiziert werden können. Gleichsam auf ihren Schultern erscheinen Vitrine 15 Mauritiustragaltar um 1160 oder um 1180 Eichenholz, Silber, Kupfer, vergoldet, Bronzeguss, vergoldet, Email, Braunfirnis Der sogenannte Tragaltar nimmt auf eine frühere Funktion dieser Objekte Bezug, die auf Reisen oder bei Krankenbesuchen als mobile Altäre dienten. Köln, Anfang 12. Jahrhundert Elfenbein Dieser Doppelkamm aus Elfenbein hat eine feine und eine grobe, stark abgenutzte Zahnreihe. Zwischen den beiden Zahnreihen sind jeweils zwei geschnitzte Fabeltiere zu sehen. Der Legende nach stammt der Kamm aus dem Grab des hl. Anno. Vermutlich wurde er jedoch erst später mit dem Klostergründer in Verbindung gebracht und als Berührungsreliquie des Heiligen verehrt. Liturgische Kämme wurden bei der Vorbereitung auf die Hl. Messe ge30 über und unter der zentralen Porphyrplatte des Deckels die Zwölf Apostel. Auch sie sind einander im Gespräch zugewandt, allerdings können nur Petrus mit dem Schlüssel (oben rechts) und der jugendliche Johannes (unten, zweiter von links) identifiziert werden. Vitrine 16 Gregoriustragaltar Köln, letztes Viertel 12. Jahrhundert, um 1180? Eichenholz, Kupfer und Bronzeguss, vergoldet, Email Wie beim Mauritiustragaltar handelt es sich beim Gregoriustragaltar um einen Reliquienkasten, der auf stilisierten Drachenfüßen steht. Sein Links auf dem Deckel ist die zur Trinität erweiterte Kreuzigung Christi mit Maria und Johannes dargestellt, unter der Adam aus dem Grab steigt. Rechts sind drei Szenen übereinander zu sehen: unten die Begegnung Maria Magdalenas mit dem Auferstandenen („Noli me tangere“, Joh 20, 15-17), die drei Marien am leeren Grab (Mk 16, 1-5) in der Mitte und oben die Himmelfahrt Christi (Apg 1, 1-11). Die Unterseite des Schreins zeigt ein Ornament aus Rauten und Rosetten in Braunfirnis mit einer umlaufenden Inschrift, in der die Reliquien im Inneren des Tragaltars aufgeführt sind. Die Ikonografie des Tragaltars ist auf seine Rolle als Ort des während der Hl. Messe nachvollzogenen Opfertodes Christi bezogen. Schuld und Gnade werden durch die Erweckung Adams durch das Blut, das vom Kreuz in sein Grab fließt dargestellt. Die Überwindung von Sünde und Tod werden durch die Himmelfahrt Christi und die Begegnungen am leeren Grab deutlich. 31 ist mit diesem Tisch vereinigt. Gebührend wird nämlich hier das Opfer des Lebens gefeiert. Auf ihm wird der Tugenden unzerstörbares Gebäude errichtet. Hier wird das Haus gebaut, das Gottes würdig ist“ (innen). Zwischen den Inschriften sind umlaufend weibliche und männliche Heilige dargestellt: An den Längsseiten sind zwölf Apostel zwölf Bischöfen (darunter die Kölner Bischöfe Kunibert, Heribert, Bruno, Severin und Evergislus) gegenübergestellt. An den Schmalseiten stehen jeweils vier weibliche und männliche Märtyrer einander gegenüber, die in Köln und Siegburg besonders verehrt wurden. Name beruht auf einer heute verlorenen Inschrift. Die Wände des Kastens zieren emaillierten Darstellungen von 18 Figuren: die Könige David, Salomon und Ezechias (alle mit Krone) und weitere 15 Propheten des Alten Testaments. Die paarweise zugewandten Figuren stehen vor einem rechteckigen Rahmen im Hintergrund und halten Schriftrollen mit ihrem Namen in einer Hand. Der Deckel des Tragaltars wird von zwei lateinischen Inschriften gerahmt, die sich auf die Funktion des Tragaltars beziehen. Übersetzt bedeuten sie: „Was auf diesem materiellen Altar geschieht, wird vollendet auf dem geistigen Altar des Herzens. Unter verhüllter Gestalt wird die sichtbare Hostie geopfert. Die reine Hingabe des Geistes bringt sie dar auf dem Altar“ (außen) und: „Der Kreuzaltar Christi Im Zentrum des Deckels befindet sich eine grüne Porphyrplatte, die von Szenen aus der Heilsgeschichte eingefasst wird. Links sind Verkündigung, Geburt, Anbetung Christi durch die Kö- 32 nige, Darbringung im Tempel und rechts Taufe, Fußwaschung, Kreuzigung und die drei Marien am leeren Grab gezeigt. Der betont grafische Stil der Figuren und das dichte Ornament im Hintergrund sind typisch für die Goldschmiedekunst des Rhein-MaasGebietes und zeigen Parallelen zu mittelrheinischen Handschriften. Vitrine 17 Annostab Krümme und Knauf: 11. Jahrhundert, Tülle über dem Nodus 11./12. Jahrhundert (?); Holzstab jünger Holz, Elfenbein, vergoldetes Silber, graviert Der Stab gilt als Bischofstab des hl. Anno und ist einer der ältesten erhaltenen Exemplare dieser Gattung. Die Krümme ist aus Elfenbein und endet in einem Drachenkopf, der einen Vogel in seinem Maul hält. Der flachgedrückte Elfenbeinknauf bildet den Übergang zwischen Stab und Krümme und ist mit Beschlägen aus vergoldetem Silber versehen, auf denen lateinische Inschriften eingraviert sind. Sie beziehen sich auf den Stab als Symbol des Hirten und die Verpflichtung seines Inhabers zum Schutz der Seelen der Gläubigen vor dem Bösen, symbolisiert durch den Drachen. 33 Gebeinen standen, gelten sie zudem Sekundär- oder auch Berührungsreliquien. Textilfragmente Die Reliquien, die im Mittelalter in den Schreinen des Siegburger Kirchenschatzes geborgen waren und zum großen Teil heute immer noch sind, waren von großer Bedeutung für die Gläubigen und die Benediktinermönche. Daher wurden sie in wertvollen Schreinen und Reliquiaren aus Gold, Silber und Edelsteinen aufbewahrt. Zusätzlich wurden die Reliquien in kleinen Beuteln, Taschen oder Dosen gehüllt, die auch aus wertvollen Stoffen gefertigt waren. Einige der kostbaren Stoffe sind wesentlich älter als die darin gehüllten Reliquien. So nahm man für die Gebeine des heiligen Klostergründers Anno einen Stoff, der aus Byzanz stammt und rund 100 Jahre vor dem Tod Annos hergestellt worden war. Da die Stoffe in direktem Kontakt zu den heiligen Reliquien von Heiligen werden seit dem Mittelalter in verschiedene Klassen eingeteilt. Während Primärreliquien Teile der sterblichen Überreste von Heiligen sind, werden Objekte, die in engem (körperlichen) Kontakt mit dem Heiligen standen, z. B. der Stoff, der die Gebeine umhüllte, als Sekundärreliquien bezeichnet. Die im Siegburger Kirchenschatz erhaltenen Textilfragmente sind äußerst selten und belegen den Wert von Seidenstoffen im mittelalterlichen Reich und ihre große Wertschätzung; denn selbst kleinsten Stofffragmente wurden zur Anfertigung von kleinen Dosen und Beutelchen weiter verwendet. 34 Die Textilien wurden bei der Öffnung der Schreine und Reliquiare im Jahr 1819 entnommen und werden aus konservatorischen Gründen seitdem separat aufbewahrt. Der Kölner Erzbischof Heribert (amt. 999-1021) wurde zwar nie offiziell heiliggesprochen, seine Verehrung als Heiliger setzte aber schon kurz nach seinem Tod ein. Bis heute wird sein Gedenktag im Rheinland am 30. August gefeiert. Vitrine 18 Heribertpallium um 1000 Wolle, Seide Vitrine 19 Seidenstoff mit Elefanten Persien 7. – 9. Jahrhundert Seide Das Heribertpallium ist eine Sekundärreliquie. (Erklärung Pallium siehe Seite 44, Vitrine 27) Der schmale Streifen aus Wollstoff ist stark beschädigt und fleckig. Auf rotem Grund ist nur der vordere Teil eines mit Satteldecke und Brustriemen geschmückten weißen Elefanten erhalten. Der Hinterlauf ist nur noch ansatzweise erhalten und wie der Vorderlauf mit Löwentatzen versehen. Die Krallen sind wie die Stoßzähne blau gezeichnet. Es stammt vermutlich aus dem Grab des hl. Heribert und kam so in engen Kontakt mit seinen sterblichen Überresten. Es zeigt die klassische Form eines Stola-artigen Gewebestreifens, der über dem Messgewand (Kasel) getragen wurde. Der waagerechte Streifen lag um die Schultern des Trägers, die senkrechten hingen auf Brust und Rücken nach unten. Üblicherweise wurden darauf sechs schwarze Seidenkreuze eingestickt. Davon ist beim vorliegenden Pallium nur noch eins zu sehen. Das Muster bestand offenbar aus Elefanten, die sich aufgereiht Kopf an Kopf gegenüberstehen. Vom zweiten Elefant sind nur noch der Rüssel und ein Teil der Stoßzähne sichtbar. Das Stück ist stark beschädigt und wurde bei einer Restaurierung zur Stabilisierung auf einen neuen Trägerstoff aufgebracht. 35 Seidenstoff mit Falken/Greifen Ägypten, 10. - 11. Jahrhundert Seide Der Stoff wurde der Arca Quadrata entnommen. Auf blauem Grund ist ein kassettenartiges, vierpassförmiges Grundmuster entstanden, das abwechselnd zwei Füllungen in Reihen zeigt. Rekonstruierbar sind sich zugewandte Falken oder Greife in rot, gelb und blau sowie mit Ornament gefüllte Felder. Die Ornamentik und fast geometrische Darstellung der Vögel verweisen auf die Seidenwerkstätten Ägyptens. kleinen angedeuteten Flügeln an einen Greif, während das andere einem Hahn oder Papagei ähnelt. Die Tiere und Rauten sind mit blauen Konturen auf rotem Grund dargestellt, die Körper der Tiere sind in Grün gefüllt. Seidenstoff mit Fabeltieren in Netzmustern Spanien, um 1300 Seide Nach rund sechs Jahrhunderten maurischer Herrschaft auf der Iberischen Halbinsel kamen Teile Spaniens um 1300 wieder unter christlicher Herrschaft. Das Textil belegt die Abkehr von der Maurischen Ornamentik hin zu gegenständlichen Dekoren. Auf rotem Grund sind auf diesem Stoff in einer Netzmusterung Paare von Fabeltieren dargestellt. Ein vierbeiniges Fabeltier erinnert mit den 36 Vitrine 20 Textilpyxis Hausdose 14.-15. Jahrhundert Holz, Seide 12./13. Jahrhundert Holz, Seide Der Begriff Pyxis bezeichnet eine kleine Dose. Er leitet sich ursprünglich von einer, in einem bestimmten Material gefertigten Dose ab, der Buchsbaumdose (von griech. pýxos für Buchsbaumholz). Diese wunderschöne kleine Dose ist in einer sehr aufwendigen Technik hergestellt worden. Der Grundstoff wurde mit einzelnen Seidenfäden beklebt, so dass ein Muster aus reliefartigen Quadraten entsteht. Die Kanten sind mit Schnüren betont. Auf dem Deckel ist eine Öse aus der gleichen Schur angebracht. Als Verschluss dienen zwei weitere Schnüre. Die Pyxiden des Siegburger Kirchenschatz stammen aus den Schreinen der hll. Benignus und Honoratus. Sie wurden 1862 bei einer Öffnung der Schreine erstmals dokumentiert. Die mit kostbaren Seiden beklebte Dose diente vielleicht der Aufbewahrung von Schmuck oder anderen wertvollen Kleinteilen, bevor sie in sakralen Gebrauch kam. Elfenbeinpyxis 10. - 12. Jahrhundert Elfenbein, Kupfer, vergoldet Dieses längliche Kästchen aus Elfenbein hat die Form eines Hauses, ähnlich wie die großen Schreine des Siegburger Kirchenschatzes. Die einzelnen Teile aus Elfenbein sind mit Hilfe von Nägeln und Beschlägen aus vergoldetem Kupfer verbunden. So konnte die kleine Dose auch verschlossen werden. Die Nagelköpfe sind durch eingeritzte Blattformen in die 37 Er zeigt auf purpurviolettem Grund zwei Reihen mit jeweils drei Löwen, die in entgegengesetzter Richtung schreiten. An den Pfoten und Rücken der Tiere sind Zweige von Granatäpfeln zu sehen. Die Löwen und Zweige sind in der goldgelben Farbe der Rohseite gehalten. Das Muster steht auf einem purpurfarbenen Grund, eine Farbe die zu den kostbarsten überhaupt gehört. Sie ist seit der Antike den Herrschenden vorbehalten und wird aus der im Mittelmeer heimischen Purpurschnecke gewonnen. Dekoration der Dose einbezogen. Die Flächen sind mit eingeritzten Vögeln verziert. Wenige Spuren weisen auf eine ursprüngliche Vergoldung hin. Vitrine 21 Löwenstoff Byzanz, 921-923 Seide (Samit) Der Löwenstoff ist sicher der prächtigste und bekannteste Stoff aus dem Siegburger Kirchenschatz. Gleichzeitig handelt es sich um das größte erhaltene Fragment, mit einem Maß von ursprünglich 80 x 230 cm. Er stammt aus der Produktion einer byzantinischen Staatsmanufaktur und lässt sich mit Hilfe der in der Inschrift genannten byzantinischen Kaiser Romanos I. (reg. 920-940) und Christophoros (reg. 921-931) gut datieren. Der Weg des Textils nach Siegburg ist nicht mehr nachvollziehbar. Möglicherweise gelangte er im Brautschatz der byzantinischen Prinzessin Theophanu (960-991) anlässlich ihrer Hochzeit mit dem späteren Kaiser Otto II. im Jahr 972 ins Reich nördlich der Alpen. Da Theophanu ihren 38 Witwensitz in Köln nahm und dort auf eigenen Wunsch in der Kirche St. Pantaleon bestattet wurde, könnte er auf diesem Weg in den Kölner Kirchenschatz gelangt sein. wahrung von Reliquien. Der Deckel ist mit einem, mit Golddraht übersponnenen Knauf verziert. Die Dose konnte mit einer Schnuröse und dem runden Knauf am Rand des Deckels verschlossen werden. Stärkste Beschädigungen erlitt der Löwenstoff in Folge des Ersten Weltkriegs. Zum Schutz der seit 1918 in Siegburg einquartierten Truppen in Rahmen der Rheinlandbesetzung mauerte man den gesamten Siegburger Kirchenschatz im Keller der Annokirche ein. Nach dem Truppenabzug aus der Stadt 1924, holte man die Reliquiare aus dem Versteck und stellte große Feuchtigkeitsschäden fest. Der besonders betroffene Löwenstoff wurde zur Restaurierung in das Kunstgewerbemuseum nach Berlin gebracht, aber nicht mehr vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zurückgeholt. 1952 galt er zunächst als Kriegsverlust, wurde aber in den 1980er Jahren von Wissenschaftlern wiederentdeckt. 1999 kehrte er nach einer erneuten Restaurierung nach Siegburg zurück. Diese fragilen Dosen stammen meistens aus einem profanen Umfeld und haben sich nur erhalten, weil sie später zur Aufbewahrung von Reliquien benutzt wurden. Textilpyxis 14. - 15. Jahrhundert Holz, Seide, Silberdraht Der Deckel dieser kleinen Dose aus dem Honoratusschrein ist mit fünf aufwendig verzierten Knäufen versehen. Einer davon dient gleichzeitig als Verschluss, zusammen mit der Öse aus Vitrine 22 Textilpyxis 14. - 15. Jahrhundert Holz, Seide, Golddraht Diese runde und mit einem geometrisch gemusterten Seidenstoff bezogene Dose stammt aus dem Honoratus-Schrein und diente zur Aufbe39 Vitrine 23 grüner Seidenschnur. Diese Schnur ist einmal um die ganze Dose herumgeführt und endet unter dem Verschluss in einem langen dekorativen Ende, das mit Perlen in Silber und Blau besetzt ist. Seidenstoff mit drei in OrnamentGevierten eingeschriebenen Kreisen Italien, 13. Jahrhundert Seide Das auf diesem Stoff gut erkennbare Muster aus drei quadratischen Medaillons mit einer achteiligen Rosette im Zentrum verweist auf italienische Seidenstoffe des späten Mittelalters. Die Medaillons stehen in Gelb und Braun auf rotem Grund und werden von breiten gelben Streifen getrennt. Die bewegte Darstellung der Lilien zeigt, dass die strengen und starren Formen der Romanik zugunsten von größerer Bewegtheit in der Gotik aufgelöst werden. Elfenbeinpyxis 10. - 13. Jahrhundert Elfenbein, ursprünglich vergoldet Die runde gedrechselte Pyxis zeigt auf den Seiten zwei Paare von Vögeln, deren Hälse miteinander verschlungen sind. Auf dem Deckel finden sich neben einem Knauf verschiedene kleine Rosetten und Palmetten, die locker über die Fläche verteilt sind. Es sind noch Spuren von Vergoldung an den eingeritzten Zeichnungen zu finden. Die Dose wurde bei der Öffnung der Schreine der hll. Benignus und Honoratus gefunden. 40 penbild der deutschen Kaiser erscheint er erst im 14. Jahrhundert. Brokatstoff mit Adlern in Schildformen (aus dem Apollinarisschrein) Mesopotamien, Bagdad, um 1200 Seide, Häutchengold Ein weiteres Stück dieses Stoffes befindet sich seit 1881 im Berliner Kunstgewerbemuseum. Doppelköpfige Adler mit ausgebreiteten Schwingen, gespreizten Krallen und gefächerten Schwänzen sind in dreieckige, auf der Spitze stehende Schildformen mit scheibenbesetztem Rand eingesetzt. Von den Flügelspitzen des Adlers geht ein Pflanzenornament aus, das in einem Schlangenkopf endet und die Zwickel füllt. Das Muster ist in Gold gezeichnet mit einer blau-grünen Kontour. Der Hintergrund ist in Rot gehalten. Drei Fragmente eines Seidenstoffs mit Adlern vielleicht Reste einer Stola Spanien oder Italien, um 1300 Seide Das Muster dieses schräg zum Musterverlauf aus dem Stoff geschnittenen Streifens zeigt sich in Gelb auf braunem Grund. Die Fläche wird durch breite mit Blattornament gefüllte Streifen in rechteckige Felder geteilt. In diesen Feldern erscheinen Adler, mit nach rechts gedrehtem Kopf. Besonders der mittlere Teil des Stoffes ist Der Adler als Wappenvogel wurde wahrscheinlich über die Verbindung der christlichen Ritterschaft nach Arabien in Europa eingeführt. Im Wap- 41 Durch die Flügel des Adlers läuft ein goldenes Band mit den arabischen Schriftzeichen einer Kufi-Inschrift, die als „Baraka lillah – Lobpreis gebührt Allah “ zu lesen sind. Für die Verwendung dieses wertvollen Stoffes in einem christlichen Zusammenhang scheint die Inschrift nebensächlich gewesen zu sein. durch seine mutmaßliche Verwendung als Stola stark abgenutzt und das Muster nur noch schlecht erkennbar. Vitrine 24 Seidenstoff mit Goldbroschierungen Spanien, 13. Jahrhundert oder Sizilien, 12.-13. Jahrhundert Seide mit Goldbroschierung Vitrine 25 Die Zeichnung des Gewebes steht in Rot auf gelb-grünem Grund. In Reihen sind doppelköpfige Adler angeordnet, die mit ihren Fängen je eine Gazelle am Hals gegriffen haben. Die Köpfe der beiden Tiere werden durch einen vergoldeten Seidenfaden, der nicht durch das gesamte Gewebe läuft, betont. Körper und Flügel der Adler sind mit einem geometrischen Ornament gefüllt. Halbseidenstoff mit Löwen und Flechtband-Medaillons 13. Jahrhundert, Spanien oder Regensburg Halbseide Das unvollständig erhaltene Muster des Stoffes steht auf rot und braun gestreiftem Grund. Von den gegenständig angeordneten Löwen sind nur die 42 Hinterpartien mit dem erhobenen Schwanz erhalten. Während die Darstellung des Löwen auf italienische und byzantinische Vorbilder zurückgeht, verweist das Flechtbandmedaillon auf das maurische Spanien. bändern in Weiß ab, das rautenförmige Felder bildet. Die Felder sind streifenweise mit verschiedenen Ornamenten und Tieren gefüllt. Rosetten, Sterne, Adler, Falken und Enten sind abwechselnd zu finden. Oben und unten am Stoff ist die Webkante erhalten, was zeigte, dass der Stoff in einer Breite von 21,5 cm als waagerechte Borte hergestellt wurde. Die Musterung ist im rechten Winkel zu den Kettfäden angeordnet. Halbseidenborte mit Tieren, Rosetten und Sternen Köln, 13. Jahrhundert Halbseidenborte Ein kleines Fragment dieser Borte befindet sich seit 1881 im Berliner Kunstgewerbemuseum. Die Technik dieser gewebten Borte ordnet dieses Stück in die Gruppe der mittelalterlichen Kölner Borten. Die Motive haben Parallelen in der Kölner Goldschmiedekunst, z.B. in Emailarbeiten auf dem Annoschrein. Drei Fragmente einer Seiden- und Metallstickerei vielleicht Reste einer Stola Köln (?), 14. Jahrhundert Stickerei, Seide und Silber, vergoldet auf Filetnetz, Leinen Auf einem Grund mit roten, grünen und blauen Streifen hebt sich ein Muster mit diagonal geführten Zickzack43 Die Fragmente lassen vermuten, dass sie einst Teile eines größeren Objekts waren. Auf die Verwendung als Stola weist die erhaltene Querborte an einem der Fragmente hin. Die verwendeten Farben sind Weiß, Violett, Hellblau, Rosa, Grün und Gold. Auf einem Filetgrund aus Leinen ist ein Rautennetz aufgestickt, das den Grundstoff völlig bedeckt und mit Linienornament gefüllt ist. Auf rotem Grund zeigen sich auf diesem Stoff große runde Medaillons in Goldgelb mit greifenartigen, geflügelten Fabeltiere, ie Köpfe mit weit aufgerissenem Maul einander zugewandt. Die Zwickel zwischen den runden Medaillons werden von achtseitigen Rosetten mit Lilien gefüllt. Der Stoff wird wegen seiner Technik der sogenannten „Regensburger Gruppe“ zugeordnet. Er zeigt ein italienisch beeinflusstes Muster, welches auf byzantinische Vorbilder zurückgeht. Ein Filetgrund besteht aus miteinander verknoteten Fäden, die ein regelmäßiges Netz. Die Netzkästchen können in verschiedenen Techniken ausgestickt werden. Filetarbeiten gehören zu den ältesten Textiltechniken und waren im Mittelalter in ganz Europa bekannt. Vitrine 27 Annopallium 11. Jahrhundert Wolle, Seide Vitrine 26 Beim Annopallium handelt es sich um eine erzbischöfliche Amtsinsignie. Verliehen vom Papst stammt das Pallium aus der Amtskleidung hoher Beamter des Römischen Reiches und wurde von der christlichen Kirche übernom- Halbseidenstoff mit Greifenpaaren (adossierten Fabeltieren?) in Kreisen 13. Jahrhundert, Italien oder Regensburg Halbseide 44 men. Auf dem weißen Wollstreifen sind zwei der insgesamt ursprünglich sechs schwarzen Kreuze zu sehen. eines Seidenstoffes, der in Ägypten als Turbanstoff hergestellt wurde. Das Annopallium stammt vermutlich aus dem Grab des Heiligen. Seine Gebeine wurden um 1183 in den Annoschrein umgebettet. Die Kleidung des Verstorbenen wurde entnommen und als Sekundärreliquie verehrt. Seidenstoff mit Adlern in Reihe Byzanz, 6.-7. Jahrhundert Seide Dieses kleine Fragment eines bunten Seidenstoffes mit einem Adlermotiv lässt auf den prachtvollen Stoff schließen. Auf dunkelblauem Grund sind grüne Adler in Reihen angeordnet, die mit Rot und Goldgelb an den Flügeln, dem Schnabel und den Krallen abgesetzt sind. Webtechnik und Stil lassen die Annahme zu, dass auch dieser Stoff in einer byzantinischen Weberei entstanden ist, die im 6./7. Jahrhundert von den Erzeugnissen aus Persien beeinflusst wurden. Vitrine 28 Zwei Fragmente Seidenstoff Ägypten, 13.-15. Jahrhundert Seide, Häutchensilber, vergoldet, Pergament Erkennbar sind nur die Fragmente eines violetten Purpurstoffes mit waagerechten Streifen in Weiß, Grün, vergoldetem Silber und Gelb. Wahrscheinlich handelt es sich um den Rest 45 Weiterführende Literatur zum Siegburger Kirchenschatz (Auswahl): Anton Legner (Hg.) Rhein und Maas, Kunst und Kultur 800-1400 (Ausstellungskatalog Schnütgen Museum, 2 Bände), Köln 1972/73. Ernst aus’m Weerth Kunstdenkmäler des christlichen Mittelalters in den Rheinlanden, Bonn 1868. Hans Peters Der Siegburger Servatiusschatz, Köln 1952. Angelika Belz Der Siegburger Kirchenschatz (Rheinische Kunststätten), Köln 1992. Edmund Renard Die Kunstdenkmäler des Siegkreises (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, IV), Düsseldorf 1907. Gabriel Busch OSB (Hg.) Sankt Anno seine viel liebe Statt, Siegburg 1975. Herrmann Josef Roggendorf (Hg.) Heimatbuch der Stadt Siegburg, Siegburg 1967. Gabriel Busch OSB (Hg.) St. Servatius und der Michaelsberg, Siegburg 1987. Barbara Schock-Werner und Rolf Lauer (Hg.) Der Siegburger Annoschrein in Restaurierung (Schatzkammerhefte 1), Köln 2002 Rudolf Heinekamp Siegburgs Vergangenheit und Gegenwart, Siegburg 1897. P. Mauritius Mittler OSB, Betrachtungen, Studien und Untersuchungen zum Siegburger Kirchenschatz (Siegburger Studien XXIII), Siegburg 1991. Marc Steinmann Der Schrein des Heiligen Anno im Siegburger Kirchenschatz (KOLUMBA – Werkhefte und Bücher, Ortswechsel 1, Band 42) Köln 2014. Anton Legner (Hg.) Monumenta Annonis. Köln und Siegburg. Weltbild und Kunst im hohen Mittelalter (Ausstellungskatalog Schnütgen Museum), Köln 1975. Anton Legner (Hg.) Ornamenta Ecclesiae (Ausstellungskatalog Schnütgen Museum), Köln 1985. 46 47 48
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