Zusammenstellung 12.09.2016

Auf zur Demo gegen TTIP und CETA, 17. September:
Jetzt kommt es auf die Bäuerinnen und Bauern an. Die geplanten
Handelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA)
müssen gestoppt werden. Auf zu den Demonstration in 7 Städten.
Mehr Infos.
Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft (AbL):
Amerikanische und deutsche Bauern gegen CETA und
TTIP
Transatlantische Bauernerklärung fordert gerechten
Handel und faire Erzeugerpreise
Hamm/Washington/Saskatoon, 12. September. „TTIP und CETA stoppen“ ist eine
zentrale Forderung der Bauernorganisationen National Family Farm Coalition (NFFC)
aus den USA, der National Farmers Union (NFU) aus Kanada und von der
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Die Organisationen
veröffentlichen heute ihre gemeinsame Erklärung: „Bäuerinnen und Bauern
wollen kein CETA und TTIP“. Die Bauernorganisationen weisen darauf hin, dass
die Landwirtschaft und ihre Bauernhöfe sowie die Umwelt auf beiden Seiten des
Atlantiks die Verlierer sein werden. Die Gentechnikfreiheit stehe auf dem Spiel
genauso wie eine qualitativ hochwertige und regionale Lebensmittelversorgung in
Amerika und Europa, so die transatlantische Erklärung.
„Es ist wichtig, dass wir uns mit unseren amerikanischen Berufskolleginnen und kollegen zusammen tun und zeigen, dass TTIP und CETA anti-amerikanisch, antikanadisch und auch anti-europäisch sind“, sagt Gertraud Gafus,
Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL).
„Auf beiden Seiten des Atlantiks erhalten Agrar- und Chemiekonzerne durch diese
Abkommen weitreichende Hebel wie Investorenschutz und Regulatorische
Kooperation an die Hand, um ihre Interessen in der Politik durchzusetzen. Wir
fordern die Bundesregierung auf, unser Wertesystem in der Lebensmittelerzeugung,
unsere Lebensmittelstandards und das Vorsorgeprinzip zu stärken. Deshalb darf es
keine Zustimmung für CETA und TTIP geben.“
„Die aktuelle Krise im Schweine- und Milchmarkt wird durch solche Abkommen noch
verschärft, denn für diese sensiblen Produkte sollen die Schutzzölle fallen. Dann
gewinnen auf dem Weltmarkt die Anbieter, also Molkereien und Schlachtkonzerne,
den Zuschlag, die am billigsten ihre Produkte anbieten können“, sagt Martin Schulz,
AbL-Bundesvorsitzender. „In dieser Preisschlacht zahlen die Erzeuger in Europa
und Amerika die Zeche mit immer weiter sinkenden Auszahlungspreisen. Wir fordern
die Umsetzung einer gesellschaftlich akzeptierten Landwirtschaftspolitik. Das heißt
konkret, keine Exportschlachten auf den Weltmärkten, sondern eine regionale,
qualitätsorientierte Lebensmittelerzeugung mit artgerechter Tierhaltung, ohne
Gentechnik und Hormonen. Dafür brauchen wir umgehend faire Erzeugerpreise und
einen gerechten Welthandel.“
Auch Bäuerinnen und Bauern werden sich am 17. September an den
Demonstrationen „CETA und TTIP stoppen“ beteiligen und in einigen Städten mit
ihren Traktoren die Demonstrationen begleiten. Es soll ein sichtbares Signal gesetzt
werden, dass für die Landwirtschaft viel auf dem Spiel steht – auf beiden Seiten des
Atlantiks.
Zur gemeinsamen Erklärung und Hintergründe zum Thema:
http://www.abl-ev.de/themen/fairer-welthandel/positionen.html
RednerInnen zum Thema Landwirtschaft und AnsprechpartnerInnen auf den
regionalen Demos:
Gertraud Gafus in München: 0162-8501406, [email protected]
Anneliese Schmeh in Stuttgart: 07553-7529, [email protected]
Moritz Schäfer in Frankfurt/Main: 0176-64622712, [email protected]
Michael Grolm in Leipzig: 0170-1087174, [email protected]
Jochen Fritz in Berlin: 0171-8229719, [email protected]
Bernd Schmitz in Köln: 0177-3565559, [email protected]
Anneli Wehling in Hamburg: 0176-49428259, [email protected]
Kanadischer Dünger-Weltkonzern geplant
Der kanadische Kaliproduzent Potash Corp. gibt heute bekannt, in konkrete
Fusionsgespräche mit dem bisherigen Wettbewerber Agrium einzusteigen….
Zusammen wären sie weltweit die größten Anbieter von Düngemittteln. … Potash
Corp. hatte im Vorjahr vergebens versucht, die K+S AG, Kassel, zu übernehmen.
Potash kommt zunehmend in Bedrängnis. Denn ist seinem Stammgebiet
Saskatchewan, haben die Kasseler vor Kurzem die Kaliproduktion in einer neuen
Mine gestartet… (aus: Agrarzeitung online, 12.9.2016) Siehe auch früheren
Branchenbericht: http://www.kritischer-agrarbericht.de/fileadmin/Daten-KAB/KAB2009/Rueckblick_04.pdf
Globalisierung-Zitate
„Ich glaube überhaupt nicht daran, dass man globale Probleme auch global
lösen kann. Auch die Natur löst globale Probleme, indem sie lokal etwas
verändert, auf eine solche Art und Weise, die allmählich in größere
Dimensionen hereinwächst.“
(Hans-Peter Dürr, deutsche Physiker, Alternativer Nobelpreis 1987)
„Globalisierung beginnt nicht bei den Exportquoten, sie beginnt in den Köpfen
der Manager.“ (Roland Berger, Unternehmensberater)
„Ich definiere Globalisierung als die Freiheit unserer Firmengruppe, zu investieren,
wo und wann sie will, zu produzieren, was sie will, zu kaufen und zu verkaufen wo sie
will, und alle Einschränkungen durch Arbeitsgesetze oder andere gesellschaftliche
Regulierungen so gering wie möglich zu halten.“ (Percy Barnevik, ABB)
„Für den Lohn eines deutschen Ingenieurs bekomme ich sechs chinesische
Ingenieure. Aber während der deutsche 1.600 Stunden im Jahr arbeitet, arbeiten die
Chinesen jeweils 2.000 Stunden.“ (Heinrich von Pierer, deutscher Manager, Siemens
AG)
„In Zukunft wird die Hardware in China gefertigt, die Software kommt aus Indien, die
Installation erfolgt durch Leiharbeiter aus Rumänien, die Abrechnung wird in
Tschechien gemacht, und die Vorstandsgehälter sind wie die in USA.“ (Ralf
Heckmann, Siemens-Gesamtbetriebsrat)
„Vor lauter Globalisierung und Computerisierung dürfen die schönen Dinge
des Lebens wie Kartoffeln oder Eintopf kochen nicht zu kurz kommen“ (Angela
Merkel vor Landfrauen 2004, zit. nach Handelsblatt)
Obige Zitate nach:
http://www.wirtschaftszitate.de/thema/globalisierung.php
http://www.zitate.de/kategorie/Globalisierung
Juncker-Berater Falkenberg zu Drittlands-Exporten
Die Strategie der EU, auch angesichts der Krise im Milchsektor verstärkt auf den
Export und die Marktöffnung insbesondere in Drittländern zu setzen, sieht
Falkenberg skeptisch. Der Milchmarkt zeige sehr deutlich die Problematik diese
Ansatzes: „Weltmärkte fluktuieren und sind geopolitischen Schocks
ausgesetzt. Man sollte Weltmärkte durchaus nutzen, aber sich nicht von ihnen
abhängig machen“, so seine Einschätzung. Dies bedeute für die Landwirte auch,
eine Spezialisierung in einzelne Produkte zu vermeiden. Ein breit aufgestellter
Betrieb habe eher die Chance, Preiseinbrüche abzufedern, als ein
Monokulturbetrieb. (AgE)
Feed: Baustellen der Globalisierung
August 31, 2016 12:19 PM
Author: Rainer Falk ([email protected])
Deutsche Agrarkonzerne profitieren von Entwicklungshilfe
Die Bundesregierung begünstigt unter dem Deckmantel der
Hungerbekämpfung einseitig die Agenda großer Agrarkonzerne, empfiehlt
konkrete Markenprodukte und zum Teil hochgiftige Pestizide. Zu diesem Fazit kommt
Oxfam Deutschland in dem Bericht "Böcke zu Gärtnern. Warum die aktuelle
Kooperation mit Agrarkonzernen eine nachhaltige Landwirtschaft verhindert"
[1]. Demnach verstößt das Entwicklungsministerium (BMZ) bei ooperationsprojekten
mit Agrarkonzernen gegen eigene Vorgaben, schließt agrarökologische Ansätze de
facto aus und übergeht Kleinbauern bei der Projektentwicklung.
Die Oxfam-Studie zeigt, wie aktuelle Kooperationsprojekte mit Agrarkonzernen wie
Bayer, BASF und Yara auf eine industrielle Landwirtschaft setzen. Von Hunger
hauptsächlich betroffene Gruppen wie Kleinbauern oder Frauen wurden bei der
Entwicklung der untersuchten Projekte bis auf eine beschränkte Ausnahme dagegen
nicht beteiligt. Oxfam wertete für den Bericht zahlreiche über das Informationsfreiheits-Gesetz erhaltene Dokumente und Schulungsmaterialien zu drei
öffentlich-privaten Partnerschaften (PPPs) aus: die Better Rice Initiative Asia
(BRIA), die Competitive African Rice Initiative (CARI) sowie die Potato Initiative
Africa (PIA).
CARI empfiehlt zum Beispiel den Einsatz von hochgiftigen, gesundheits- und
umweltschädlichen Pestiziden wie Lambda-Cyhalothrin und Deltamethrin, die auf der
Liste des internationalen Pesticide Action Network (PAN) stehen. Damit verstößt das
BMZ gegen eigene Vorgaben, wonach besonders umweltschädliche Produkte nicht
mehr zur Anwendung kommen und die PAN-Liste zeitnah berücksichtigt werden soll.
Die Projekte verharmlosen auch die vielfältigen ökologischen Probleme der
industriellen Landwirtschaft und verkennen in ihrer Fixierung auf technologische
Lösungen, dass Hunger kein Problem des Mangels, sondern von Armut und der
Verletzung von Menschenrechten ist.
Zwei der drei untersuchten Projekte laufen noch bis Ende 2017. Sie waren unter dem
Dach der German Food Partnership etabliert worden, die 2015 offiziell auslief. Die im
selben Jahr von Entwicklungsminister Gerd Müller ins Leben gerufenen und mit 195
Millionen Euro geförderten "Grünen Innovationszentren" (Sonderinitiative "Eine Welt
ohne Hunger") räumen den Agrarkonzernen nun teilweise noch mehr Macht und
Vorteile ein, wie eine Analyse der bislang einsehbaren Vertragsmodalitäten belegt.
Kein Wunder, dass die Unternehmen bereits Schlange stehen.
Die Kooperation mit den großen Agrarkonzernen im Rahmen der EntwicklungsZusammenarbeit begann Ende der 1990er Jahre und verstärkte sich nach dem
Weltwirtschaftsforum 2011. Die dort verabschiedete "Neue Vision für die
Landwirtschaft" beförderte die Gründung der Investitionsplattform "GROW Africa"
und der "Neuen Allianz für Ernährungssicherheit" der G8. Zudem inspirierte sie den
damaligen deutschen Entwicklungsminister Dirk Niebel, 2012 die "German Food
Partnership" (GFP) ins Leben zu rufen.
Das Ministerium ließ die GFP im Jahr 2015 offiziell auslaufen. Kritiker der GFP wie
FIAN, Inkota, Oxfam, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und
andere begrüßten [2] diesen Schritt und werteten dies als Erfolg ihrer Kampagne
"Keine Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne" [3]. Umso ärgerlicher, dass
Entwicklungsminister Gerd Müller die Agenda der GFP mit dem Globalvorhaben
"Grüne Innovationszentren" im Rahmen der Sonderinitiative "Eine Welt ohne Hunger"
und der Gründung der "Agentur für Wirtschaft und Entwicklung" jetzt fortsetzt.
[1] http://www.oxfam.de/boecke-zu-gaertnern
[2] http://forumue.de/wp-content/uploads/2015/05/pospap_gfp_v3.pdf
[3]
http://www.oxfam.de/system/files/oxfam-bericht-gefaehrliche-partnerschaft1358kb.pdf
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http://baustellen-der-globalisierung.blogspot.com/2016/08/deutsche-entwicklu
ngshilfe-fur.html
Agrarindustriellen-Expansion nach Australien
In Australien befinden sich 52,1 Mio. ha Kulturland im Besitz von Ausländern, knapp
14 Prozent des gesamten Farmlandes. Die bedeutendsten ausländischen
Bodenbesitzer stammen aus dem Vereinigten Königreich (mit 27,5 Mio. ha). Danach
folgen US-Amerikaner (7,73 Mio. ha), Niederländer (2,98 Mio. ha) und Staatsbürger
von Singapur (1,86 Mio. ha). Investoren aus China belegen mit 1,46 Mio. Hektaren
lediglich den fünften Platz, berichtet der landwirtschaftliche Informationsdienst (lid)
unter Berufung auf Agrar-Europe.
nach Topagrar.com 9.9.2016 - Lesen Sie mehr
auf: http://www.topagrar.com/news/Markt-Marktnews-Australien-14-Prozent-derAgrarflaeche-in-auslaendischem-Besitz-4484762.html
Lettische Diskussionen um Landverkäufe an
ausländische Investoren
RIGA. Die politische Diskussion über den Verkauf von Ackerflächen an internationale
Investoren ist mittlerweile auch in die baltischen Staaten vorgedrungen. Aktuell
befasst sich das Parlament in Riga mit Forderungen nach einem strengeren
Bodenrecht. Im Zuge dessen werden die Stimmen von Verbandsvertretern und aus
verschiedenen Teilen der Gesellschaft lauter, die eine Verschärfung oder sogar ein
komplettes Verbot der Verkäufe fordern.
Nach Angaben von Martins Trons vom lettischen Bauernverband sind in dem Land
derzeit rund 15 % der Agrarflächen im Besitz von Ausländern, was auf die „viel
zu laxen“ Kriterien und gesetzlichen Bestimmungen für den Bodenankauf
zurückzuführen sei. Trons verlangte in dem Zusammenhang nun die Einführung
deutlich strengerer Regelungen nach französischem Vorbild.
Die Forderung nach einem Pauschalverbot des Bodenverkaufs für ausländische
Investoren wurde zwar von Vertretern des lettischen Landwirtschafts- und
Wirtschaftsministeriums zurückgewiesen; indes macht sich aber auch die Partei
„Grüne Landwirte“ für eine entsprechende Regelung stark. Deren Abgeordneter
Janis Vucans kritisierte, dass die heimische Bevölkerung aufgrund ihrer schwachen
Kaufkraft nicht mit den vermögenden Käufern, die unter anderem aus Deutschland,
Dänemark und anderen EU-Ländern stammten, mithalten könne. Deshalb müsse die
lettische Landwirtschaft „absolut vor Überfremdung geschützt“ werden. So lautete
auch eine Petition an das Parlament in Riga, das von mehr als 10 000 Unterstützern
unterzeichnet wurde. Demnach sollte „Grund und Boden auf lettischem Territorium“
nur noch in der Hand von Staatsbürgern und von Unternehmen mit lettischen
Eigentümern sein. (AgE 31/16)
Landwirtschaftliche Löhne in Osteuropa immer noch
sehr niedrig
Die Agrarberufe in Russland, der Ukraine, Kasachstan und Weißrussland
gehören trotz kontinuierlicher Lohnerhöhungen immer noch zu den am
schlechtesten bezahltesten. So belief sich der durchschnittliche Monatslohn im
Agrarsektor Russlands von Januar bis Mai 2016 auf umgerechnet 265 Euro, das
waren 11 % mehr als im Vorjahreszeitraum. Außerdem ging dort die Zahl der
Beschäftigten in der Landwirtschaft in den vergangenen fünf Jahren um 4 % auf
6,24 Millionen Menschen zurück. Dies entsprach 8 % aller Arbeitnehmer Russlands.
Unterdessen stieg in der Ukraine der durchschnittliche Monatslohn in der ersten
Hälfte des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar um 24 % auf
umgerechnet 127 Euro. Trotz der kräftigen Erhöhung wurde damit der
Durchschnittslohn über alle Berufe hinweg um 26 % verfehlt. Der Anteil der
Beschäftigten in der ukrainischen Landwirtschaft lag 2015 bei 18 %; das waren zwar
2 % mehr als 2010; gleichzeitig verringerte sich jedoch die Gesamtzahl der
Berufstätigen in dem kriegsgeschüttelten Land von 20,3 Millionen auf 16,4 Millionen
Menschen.
Auch in Kasachstan wurde die Entlohnung im Agrarsektor attraktiver. Dort betrug
der durchschnittliche Monatslohn in der ersten Jahreshälfte 2016 umgerechnet rund
171 Euro, was im Vergleich zum Vorjahreszeitraum einer Erhöhung um 9 %
entspricht. In der Agrarwirtschaft Kasachstans arbeiten zurzeit rund 1,37 Millionen
Menschen; das sind 15 % aller berufstätigen Bürger in dem Land.
Deutlich geringer als in Russland, der Ukraine und Kasachstan war der Lohnanstieg
in der Landwirtschaft Weißrusslands. Dort betrug der durchschnittliche Monatslohn
von Januar bis Juni dieses Jahres umgerechnet 217 Euro; das war 1 % mehr als in
der Vorjahresperiode. Rund 434 000 Menschen arbeiteten Ende 2015 in der
weißrussischen Landwirtschaft, was im Vergleich zum Vorjahreszeitpunkt einem Plus
von 1 % entspricht. AgE
Neue Studie zur außereuropäischen Flächennutzung
Die Versorgung Europas mit Lebens- und Futtermitteln ist zunehmend von der
Ackerlandnutzung außerhalb des Kontinents abhängig. Zu diesem Ergebnis
kommt die Nichtregierungsorganisation Friends of the Earth Europe (FoEEurope) in einem Bericht, der am vergangenen Mittwoch (27.7.) in Brüssel
vorgestellt wurde. Wie aus dem Report hervorgeht, benötigt die Europäische Union
derzeit fast 270 Mio ha an landwirtschaftlicher Fläche, um die eigene Versorgung
sicherzustellen; allerdings finde mittlerweile fast 40 % dieser Flächennutzung, der
sogenannte „Land Footprint“, außerhalb Europas statt. Dieser außereuropäische
„Fußabdruck“ umfasse eine Fläche, die der Größe von Frankreich und Italien
entspreche, heißt es in dem Bericht. Dies schaffe Ungleichheiten und bedrohe
sowohl die Umwelt als auch örtliche Lebensgemeinschaften.
Die Ressourcenexpertin bei FoE-Europe, Meadhbh Bolger, hob hervor, dass ein
„Überkonsum” in den EU-Staaten zu einer immer größeren globalen Flächennutzung
beitrage. Hinzu komme, dass Europa mehr als ein Drittel der negativen
Auswirkungen seiner Landnutzung auf die Menschen und die Natur außerhalb
der EU ablade. Deshalb sei es höchste Zeit, dass die EU Maßnahmen ergreife, um
ihre globale Flächennutzung zu vermindern.
Der FoE-Europe-Bericht fordert die EU-Politik dazu auf, einen Ansatz zu
verfolgen, bei dem die sozialen Konsequenzen und die Umweltfolgen der
außereuropäischen Landnutzung berechnet werden. Die EU sollte sich klare
Ziele setzen, diese zu vermindern und zum Beispiel brachliegendes Land in den
Mitgliedstaaten wieder nutzbar machen. Außerdem sei es geboten, die
Tierproduktion in der Gemeinschaft zu verringern und dafür die Produktion
insbesondere von Eiweißpflanzen für die Lebensmittelversorgung der Bürger zu
erhöhen. Die Europaabgeordnete Maria Heubuch hält dieses Thema auch mit Blick
auf die aktuelle Milchmarktkrise für hochaktuell. „Unsere Überproduktion erklärt
sich zum Teil auch aus den hohen Futtermittelimporten“, erklärte die
Grünenpolitikerin gegenüber AGRA-EUROPE. Der Bericht problematisiert auch die
Abhängigkeit von Futtermittelimporten und die ganzjährige Versorgung mit
saisonalem Obst aus Drittstaaten. Kritisiert werden beispielsweise die großen
Einfuhrmengen an Pflanzenölen. Besonders fragwürdig seien die Importe, die nicht
für die Lebensmittel-, sondern die Treibstoffproduktion verwendet würden. AgE


LINKs
Report: The true cost of consumption: the EU's land footprint
FOEE: EU’s dependence on overseas agricultural land trampling the world
SCHWERPUNKT:
Neoliberal-agrarökonomische Mythen der
Globalisierung:
„WELTMARKTFÄHIGE STRUKTUREN…“
Wir kennen sie alle zur Genüge oder bis zum Überdruss – die unentwegten
Mahnungen der (fast durchweg neoliberalen) Agrarökonomen und ihrer politischen,
agrarindustriellen und berufsständischen Nachbeter: Ohne den „Weltmarkt“ gehe
schon jetzt und künftig gar nichts, wir müssten fit sein oder fitter werden für
den Weltmarkt, Kosten senken, nationale oder EU-Auflagen oder Standards
eher senken als erhöhen…. Diese Litanei ist natürlich für die Interessen der
Schlachtereien, Molkereien und der Ernährungsbranche an immer niedrigeren
Erzeugerpreisen sehr nützlich – ganz allgemein und auch speziell zur Begründung
ihrer Drittlands-Export-Strategien und ihrer daran angehängten Weiter-WachstumsHoffnungen. Der einzige Haken an der Sache: Das Gerede von Weltmarkt,
Weltmarktabhängigkeit oder Weltmarkt-Eroberung stimmt zumindest im
Agrarbereich nicht!
Spätestens ab den 70er Jahren hielt diese Ideologie Einzug in die Hörsäle und
Fachschulen: Ganze Generationen von Studenten und Schülern lernten und
glaubten an diese Behauptungen - mit ihren lebensfremden und realitätsleeren
Voraussetzungen des „ceteris paribus“ (other things being equal), des „homo
oeconomicus“ (stets vollständig informierte Subjekte/Menschen), des Bauern als
ohnmächtigen „Mengen- und Kostenanpasser“ (ohne Möglichkeit eigenständiger
Preispolitik). Und das uralte Parade-Beispiel des Tausches von (in England
besonders vorteilhaft zu erzeugendem) Tuch gegen (in Portugal besonders
vorteilhaft zu erzeugendem Rotwein) war und blieb eine Chimäre zur Verhüllung
von Ausbeutungs-Verhältnissen zwischen „alter und neuer Welt“ und entlarvte
sich spätestens dann, als Länder wie China fast alle Güter vorteilhafter herstellen
konnte.
1990 vor und nach der deutschen Einheit feierte dieses Weltmarktgerede aber
wahre Triumphe mit der Behauptung, mit den (politisch und nicht ökonomisch
geschaffenen) Ost-Strukturen habe Deutschland nun endlich „weltmarkfähige
Strukturen“. Mit dieser Ideologie der westlichen Agrarökonomen im Rücken, startete
die LPG-Nachfolge- und Agrarindustrie-Lobby ihren Siegeszug in Agrarpolitik,
Bauernverband oder DLG. Natürlich stimmte auch diese Behauptung schon damals
nicht – denn es ist und bleibt klar, dass die zu hiesigen Sozial-, Produktions- und
Umweltkosten erzeugten Produkte niemals auf dem Weltmarkt mit den BilligAngeboten anderer Länder mit niedrigeren Standards und günstigeren
Klimabedingungen würden konkurrieren können - jedenfalls nicht ohne die
Exportsubventionen, die mittlerweile großenteils gestrichen werden mussten. Und
natürlich ist und bleibt wahr, dass solche Dumping-Exporte von
Massenprodukten nicht nur hierzulande mit Erzeugerpreis-Verzichten der
Bauern bezahlt werden, sondern auch mit der Verdrängung von Bauern in den
Empfängerländern.
„Wohlstand, Wachstum und Verteilung“ auch für die „Entwicklungsländer in der
Globalisierung der Weltagrarwirtschaft“ prophezeite Prof. von Witzke noch in der
„Agrarwirtschaft“ 2005 (Heft 6, Seite 273f). Wir verzichten darauf, hier nun die
unzähligen Ausführungen von Agrarökonomen, Ernährungskonzernen,
Agrarindustriellen und Bauernverbandsfunktionären der letzten Jahrzehnte zu
Globalisierung und Weltmarkt aufzuführen.
Die „Weltmarkt-Keule“ (gegen bessere Erzeugerpreise und
Standards in der EU) ist hohl:
Die EU hat nach wie vor einen funktionierenden
Außenschutz im Agrarbereich
Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen gibt es im EU-Agrarbereich bei
den meisten Agrarprodukten nach wie vor einen gut funktionierenden
Außenschutz gegen Dumping-Importe aus Drittländern bzw. gegenüber dem
Weltmarkt. Umso wichtiger ist die Verhinderung von CETA und TTIP, die das
ändern sollen. Das immer wieder neu angekündigte Vordringen von Drittlandsware
auf den deutschen oder den EU-Markt gilt zwar für Südfrüchte, Soja und zum Teil
auch Getreide - bei den allermeisten Produkten aber nicht. Zwar hat man beim
Zucker aus politischen Gründen den allerärmsten Staaten eine bestimmte
Einfuhrmenge von (Rohr-)Zucker in die EU zugestanden, wohl aber die (Null)Kontingentierung anderer Drittlands-Zuckerlieferungen beibehalten.
Professor Isermeyers Thünen-Institut musste selbst eingestehen: „Der Großteil des
deutschen Handels mit Fleisch- und Fleischprodukten wurde im
Betrachtungszeitraum mit dem europäischen Binnenmarkt abgewickelt. Der
Extrahandel spielt, zumindest bei den deutschen Importen von Rind-, Schwein-, und
Geflügelfleisch, eine vernachlässigbare Rolle“:
https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenenworkingpaper/ThuenenWorkingPaper_42.pdf
Bei Milchprodukten „wurden 2014 zwischen der EU-28 und Drittländern
Molkereiprodukte im Wert von fast 11 Mrd. EUR gehandelt. Davon entfielen mit 10,3
Mrd. EUR fast 94 % auf Ausfuhren aus der EU-28. Die Einfuhren in die EU-28
erweisen sich mit einem Gesamtwert von 0,705 Mrd. EUR als vergleichsweise
marginal“: http://www.ablev.de/fileadmin/Dokumente/AbL_ev/Welthandel/Europ%C3%A4ischer_Au%C3%9Fe
nhandel_und_Milcherzeugnisse.pdf
Trotzdem wird von Neoliberalen, Ernährungs- und Agrarindustrie immer
wieder die Keule der „Weltmarkt-Importe“ geschwungen, wenn es darum geht,
Fortschritte in der EU bei Erzeugerpreisen, Umwelt- oder Tierschutz zu
verhindern. Weil dann billigere Weltmarkt-Waren die verteuerten EU-Waren
angeblich vom heimischen Markt verdrängen würden.
Die Drohung vor dem Vordringen von Drittlands-Importen ist also recht inhaltsleer –
das liegt nicht nur an Transportkosten und Zöllen, sondern an einer Vielzahl
„nichttarifärer Handelshemmnisse“ (z.B. niedrigeren Hygiene-Bedingungen oder
Qualitäten, Einsatz hier verbotener Hormone und Tiermedikamente etc.) und auch
vor dem schlechten Image vieler Angebote aus Drittländern und der Angst der
Firmen vor Skandalen.
Die „Strategie“ der Weltmarkt-Exporte der
Ernährungsindustrie-Manager geht zu Lasten der Bauern:
Die Strategie der Drittlands-Exporte ist eine
Strategie der Erzeugerpreis-Senkung
Ernährungsindustrie und die mit ihr eng verbandelte Bauernverbandsspitze
propagieren eine „Weltmarkt“-Ideologie, wonach die Zukunft der deutschen
Landwirtschaft auf den Weltmärkten liege. Nicht nur nach russischen Sanktionen
oder rückläufiger Konjunktur in China müssen die Bauern deshalb an „volatilen
Märkten“ leiden – die Exporte (außer von bestimmten Qualitäts-Spezialprodukten der
Ernährungsindustrie) sind wohl generell unrentabel. Das liegt an den hierzulande
dauerhaft und strukturell höheren Kosten, wie jeder internationale Vergleich
der Produktionskosten von Exportländern („Benchmarking“) zeigt.
Bei diesen Exporten zu den Niedrigpreisen der brasilianischen, US- oder
neuseeländischen Konkurrenz verlieren die deutschen und europäischen ExportMolkereien, -Schlachtereien etc. viel Geld, weil sie dafür eine preisdrückende
Überproduktion anheizen. Schwer zu erklären warum man dennoch an dieser
Strategie festhält – wegen des Irrglaubens, man müsse auf diesen vermuteten
Zukunftsmärkten um jeden Preis präsent sein. Oder einfach deshalb, weil die
Konzern-Manager nach Umsatz bezahlt werden und weil diese einfach das
Eingeständnis ihrer falschen Weltmarkt-Wachstums-Strategien scheuen, weil sie
keine andere Strategie gelernt haben.
Prof. Isermeyer hat die dadurch verursachte Senkung der Erzeugerpreise
überraschend klar zugestanden: „Die Außenhandelspolitik wird weiter liberalisiert,
nicht zuletzt deshalb, weil die Mitgliedsstaaten der EU ein erhebliches
volkswirtschaftliches Interesse an Liberalisierungsfortschritten haben und zu einem
WTO-Abschluss drängen. Partikularinteressen des Agrarsektors spielen hier nur eine
untergeordnete Rolle. Für den Agrarbereich ist zu erwarten, dass die
Exportsubventionen schneller abgebaut werden als der Importschutz. Wenn die
Exportsubventionen fallen, wird bei allen Produkten, auf denen die EU
Überschüsse produziert, der Binnenmarktpreis auf Weltmarktniveau sinken.
Sinkt der Selbstversorgungsgrad der EU jedoch bei einem Produkt unter 100 %
(bzw. 90 %, wenn in der WTO 10 % Importquoten vereinbart sind), dann bildet
sich nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage ein interner
Gleichgewichtspreis heraus, der oberhalb des Weltmarktpreises liegt und eine
weitgehende Selbstversorgung der EU gewährleistet. Auf sehr lange Sicht ist
damit zu rechnen, dass auch der Importschutz immer weiter abgebaut wird, so dass
sich EU-Preise und Weltmarktpreise immer weiter annähern werden. Dieser Prozess
wird für die Landwirtschaft der EU umso schmerzfreier verlaufen, je günstiger sich
die Aussichten für die Weltlandwirtschaft insgesamt entwickeln. Hier gibt es
berechtigte Hoffnungen, denn der wirtschaftliche Aufschwung von Teilen Asiens und
Südamerikas führt nicht nur zu einer stark steigenden Nachfrage nach Futter- und
Nahrungsmitteln, sondern auch zu einer weiteren Verknappung der fossilen
Energieträger und damit zu günstigeren Perspektiven für nachwachsende Rohstoffe.“
http://edok.ahb.niedersachsen.de/07/500953082.pdf
Bauernverband fordert „Teilhabe an den Chancen
globaler Agrarmärkte“
Trotz langandauernder und existenzvernichtender Überproduktion z.B. bei Milch oder
Fleisch geht die Bauernverbandsspitze weiter gnadenlos über Bauerninteressen
hinweg und predigt weiter die Überschuss-Export-Strategie der Ernährungs- und
Agrarindustrie, in der viele Bauernfunktionäre gut bezahlte Posten haben und von
der indirekt (z.B. über das „Forum Moderne Landwirtschaft“) ein Gutteil der DBVPropaganda bezahlt wird. So heißt es in einer Pressemitteilung des Bauernverbands
zum „Bauerntagsforum 2014“ vom Juni 2014:
„Bauern fordern Teilhabe an Chancen globaler Agrarmärkte“: Die
globalen Fundamentaldaten sprechen weiterhin für grundlegend
positive bzw. stabile Trends der internationalen Agrarmärkte. Dies
gelte, obgleich die Preise für einige Agrarerzeugnisse in den letzten
Monaten gefallen sind. Darin waren sich die Landwirte mit den
Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft beim Forum
„Globalisierung und Märkte“ anlässlich des Deutschen Bauerntages
in Bad Dürkheim einig. Zudem würden nach dem Wegfall der EU Agrarmarktordnungen die Preisvolatilitäten der Weltmärkte stärker
auf die EU-Agrarmärkte durchschlagen.
Professor Dr. Harald Grethe, Universität Hohenheim, und
Agrarmarktexperte Dr. Klaus -Dieter Schumacher, BayWa, forderten,
Produktivitätssteigerungen und Wachstum des globalen Agrarhandels
zuzulassen. Sie sprachen sich für offene Märkte aus. Diskussionen
über staatliche Mengenregulierungen oder gar Vorgaben für flächenhafte
Extensivierungen bzw. Stilllegungen erhielten auch von den Teilnehmern
des Forums eine klare Absage. Die deutsche Agrar - und
Ernährungswirtschaft habe sich in den letzten Jahren eine hervorragende
Ausgangsposition im internationalen Wettbewerb erarbeitet. Demnach
haben sich die deutschen Agrarexporte in den letzten 10 Jahren auf über
67 Milliarden Euro verdoppelt. Zum Weg einer Öffnung gegenüber den
europäischen und internationalen Märkten gebe es kein Zurück. Daher
müsse es stärker als in der Vergangenheit darum gehen, die guten
Chancen für deutsche Agrarerzeug nisse auf den internationalen Märkten
auch tatsächlich zu nutzen.
Einen freien Marktzugang und eine Abkehr von erneuten staatlichen
Marktreglementierungen forderte auch Matthias Daun, Vorsitzender des
mitveranstaltenden Bundes der Deutschen Landjugend (BDL): „Die
Landwirte schaffen und erhalten damit Arbeitsplätze und We rtschöpfung im
ländlichen Raum!“ Einen Strich durch die Rechnung der deutschen Bauern
können nach Ansicht Dauns jedoch überzogene Umwelt - und
Tierschutzanforderungen und die vorgesehene Mindest lohnregelung
machen. Beim geplanten Handelsabkommen zwischen d er EU und den
USA (TTIP) müssten die damit verbundenen Chancen für den Export
von Nahrungsmitteln in den amerikanischen Markt genutzt werden, so
Daun.“
Die schlimmen Folgen einer ungesteuerten
Globalisierung
Folgt auf Globalisierung nun Entglobalisierung?
Zu den kaum diskutierten Folgen der Globalisierung (und damit auch zu den
Ursachen von Trump, Le Pen & Co) schreiben von Petersdorff und Plickert in der
FAZ vom 24.8.2016.: „Viele Jahre hatten Ökonomen vor allem die wirtschaftlichen
Chancen der Globalisierung betont, die seit der Öffnung Chinas in den achtziger
Jahren und dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 zum Megatrend geworden ist.
Dass Freihandel längerfristig zu allseitigen Wohlstandsgewinnen führe, ist ein
Grundsatz der Außenhandelstheorie seit David Ricardos Arbeiten vor fast
zweihundert Jahren.“ …. Inzwischen würden Studien wie die von MIT-Forscher Autor
sehr ernst genommen: „Die Arbeitsplatzverluste in einigen Sektoren und
problematische Verteilungseffekte kann man nicht einfach ignorieren. … Das
Wachstum des Welthandels hat sich abgeschwächt. Waren es vor der Finanzkrise
durchschnittlich 7 Prozent Wachstum, liegt es nun unter 3 Prozent. „Enttäuschend“
nennt der Chef der Welthandelsorganisation WTO, Roberto Azevêdo, diese Zahlen.
„Die Phase der Überhitzung der Globalisierung ist vorbei“, sagt der Handelsforscher
Holger Görg vom Kieler Institut für Weltwirtschaft.
Noch deutlicher spricht die WELT (9.2.2015) vom möglichen „Ende der
Globalisierung“: Mehr als 2 Jahrzehnte lang seien – von Krisenjahren abgesehen –
die weltweite Verflechtung und das weltweite Handelsvolumen stärker als die
Wirtschaftsleistung gestiegen. Seit 2012/13 drehe sich dieser Trend um, mit
sinkenden Wachstumsraten und mit immer stärkerer Ablehnung der Globalisierung in
wichtigen Ländern. Im letzten Jahrhundert sei das starke Wachstum des
gemeinsamen Handels ohnehin vorwiegend auf die westlichen Industriestaaten
beschränkt gewesen – u.a. wegen der europäischen Integration.
Der Autor Frank Heiniger sieht das Jahr 2007 als den Wendepunkt der
Globalisierung - womöglich hin zu einer Entglobalisierung. Die Wachstumsraten
der Neunziger- und Nuller-Jahre hätten auf zwei Sonderfaktoren beruht, die sich in
dieser Form kaum mehr wiederholen würden: Erstens gelangten nach dem Kollaps
des Ostblocks Millionen neuer Konsumenten auf den Weltmarkt. Zweitens
ermöglichten erst die Liberalisierung und Öffnung wichtiger Schwellenländer –
vor allem Chinas – die internationale Expansion und Fragmentierung der
arbeitsteiligen Produktionsketten. „Werden aber Komponenten und Halbfabrikate
grenzüberschreitend verschoben, bläht dies zwar die Export-Import-Statistik auf“ –
nicht aber des Bruttoinlandsprodukt als Abbildung der Wertschöpfung.
Zudem gebe es strukturell einen Rückzug der Unternehmen auf ihre
Heimatmärkte, so z.B. die Reindustrialisierung der USA mit ihren niedrigen
Energiepreisen oder die stärkere Ausrichtung Chinas auf seinen Binnenmarkt. Die
Treiber dafür sei, dass die Lohndifferenzen zu den Schwellenländern geringer
würden, so dass sich der Koordinations- und Transportaufwand einer ausgelagerten
Fertigung nicht mehr lohne. Auch werde es immer wichtiger, rasch auf
Nachfrageveränderungen im Absatzmarkt zu reagieren. Zudem würden mit
fragmentierten und fragilen Fertigungsketten nützliche Rückkopplungseffekte auf
Forschung und Entwicklung entfallen.
Mit wachsenden Einkommen würden zudem Dienstleistungen immer mehr an
Bedeutung gewinnen – diese seien aber – im Gegensatz zu physischen Gütern –
schwieriger handelbar und durch Importschranken behindert bzw. an
Direktinvestitionen im Land gebunden. Die Digitalisierung, das Internet, ECommerce-Plattformen und effizientere Logistik- und Bezahllösungen würden kleinen
und mittleren Unternehmen mehr Vorteile bringen als den bisherigen
Globalisierungs-Multis. Siehe: http://www.fuw.ch/article/die-entglobalisierung-derweltwirtschaft/
Andere Ökonomen sehen eine Abnahme der allgemeinen globalen Vernetzung
und stattdessen die forcierte Herausbildung regionaler Staatengruppen als
jeweilige Welt-„Regional“-Zentren einer „multipolaren Vernetzung“. Hier lag ein
wesentlicher Grund für das Bestreben von USA und EU, ein Freihandelsabkommen
TTIP zu vereinbaren.
TTIP und der nationale und internationale Widerstand gegen dessen falsche
„Freihandels“-Versprechungen markieren jetzt das Ende des Glaubens an
blind-ideologische Globalisierungs-Strategien.
Wir brauchen weiter einen qualifizierten EU-Außenschutz für eine nachhaltige,
mittelständisch-bäuerliche EU-Landwirtschaft mit artgerechterer Tierhaltung
und ohne Überschussproduktion - zu fairen Erzeugerpreisen im EUBinnenmarkt und mit gesellschaftlicher Akzeptanz. Gesellschaftliche
Forderungen und EU-Vorgaben zum Tierschutz oder zur Umwelt lassen sich –
realistisch diskutiert und umgesetzt – zu einer dauerhaft wirksamen Strategie
von preiserhöhenden Mengenreduzierung in der EU nutzen! Für Klasse statt
Masse. Bauern müssen nicht länger „Mengenanpasser“ bleiben, wenn endlich
Mengen-Wachstum durch Preis-Wachstum abgelöst wird. Dazu brauchen wir
eine selbstbewusste und starke bäuerliche Einmischung und eine von der
Agrarindustrie nicht länger dominierte, offene Beteiligung der Bauern an der
gesellschaftlichen Debatte – und keine agrarökonomischen GlobalisierungsIdeologien und bauernverbandlichen Wagenburg-Einigelungen im
gesellschaftlichen Abseits…
Eckehard Niemann
Kommentar im SPIEGEL zur Krise der
Globalisierung
Die Welthandelsorganisation (WTO) hat vor wenigen Monaten vorgerechnet, dass
die G20-Staaten zwischen Oktober 2015 und Mai 2016 pro Monat im Schnitt 21 neue
handelsbeschränkende Maßnahmen eingeführt haben. Insgesamt sind derzeit
knapp 1200 Handelsbeschränkungen in Kraft. Im Visier sind vor allem die
klassischen Industriebranchen: insbesondere Eisen, Stahl, Maschinenbau,
Elektrotechnik und Auto, auf die zusammen rund zwei Drittel der Maßnahmen
entfällt.
Das alte Spiel ist im Gange. Ein Land versucht sich Vorteile im internationalem
Wettbewerb zu verschaffen. Andere Länder ergreifen Gegenmaßnahmen - und
schießen dabei nicht selten übers Ziel hinaus. Bis die nächste Reihe von
Handelshürden errichtet wird.
China zum Beispiel unterstützt seine Stahlindustrie, die nach langen Jahren des
Booms unter Überkapazitäten leidet, indem der Staat Unternehmen, die eigentlich
pleite sind, mit billigen Krediten künstlich am Leben hält. Viele andere Länder, auch
die EU, schützen sich gegen den Import von billigem chinesischen Stahl oder
Fahrzeugreifen. Die USA allein haben zwischen Oktober und Mai 25 Maßnahmen
eingeführt, überwiegend gegen China gerichtet.
Indien erhöht die Zölle auf Weizenimporte, erschwert die Einfuhr von Batterien aus
China und Vietnam und von Jute aus Bangladesch und Nepal. Derweil versucht
Russland technologieintensive Branchen zu schützen, indem eine
"Importsubstitutionsagentur" Einfuhren nur noch genehmigen soll, wenn es keine
vergleichbaren russischen Anbieter gibt. Sogenannte vaterländische Betriebe
genießen Vorzugsbehandlung.
In der Rechnung der WTO nicht enthalten sind Regulierungen, die
vorschreiben, dass große Teile der Wertschöpfung im jeweiligen Land erbracht
werden. Das Ziel: Internationale Unternehmen können Produkte nur vor Ort
verkaufen, wenn sie auch vor Ort produzieren. Ein Grund, warum gerade
deutsche Konzerne massiv im Ausland investiert haben.
Wie groß die Auswirkungen solcher "Lokalisierungsmaßnahmen" auf den
internationalen Handel bereits heute sind, ist unter Fachleuten umstritten. Klar ist
jedoch, dass der Protektionismus nicht unter Kontrolle ist, anders als 2009 von den
G20 versprochen. Stattdessen gehen die Regierungen mit enormer Kreativität vor,
um sich Vorteile im internationalen Handel zu verschaffen. Internationale Regeln und
Überwachung genügten nicht, schreiben die Ökonomen Simon Evenett und
Johannes Fritz. "Das System hat nicht funktioniert."
Nun droht sich der globale Wettlauf um kurzfristige Marktvorteile zu beschleunigen.
Nachhaltig schwaches Wachstum, Arbeitslosigkeit und Überkapazitäten haben das
Potenzial, die offene Weltwirtschaftsordnung auszuhebeln. …
Aus: SPIEGEL ONLINE: G20-Gipfel: Scheitert die Globalisierung, scheitert
Deutschland. Eine Kolumne von Henrik Müller – 4.9.2016)
Ökonomen:
„Globalisierung seit einigen Jahren abgebremst“
Weltweit anerkannte Ökonomen sehen das Ende der Globalisierung gekommen. Das
berichtet die "Welt am Sonntag" in ihrer Ausgabe vom 4.9.2016. Das
wahrscheinliche Scheitern des Freihandelsabkommens TTIP ist demnach nur
eines der Symptome. "Die Globalisierung, die in den 2000ern blühte, wird seit
einigen Jahren abgebremst", sagte der britische Wirtschaftswissenschaftler Simon
Evenett, Professor an der Universität St. Gallen.
Als Grund nannte er kompliziertere politische Verhältnisse in der Welt und einen
neuen Protektionismus, mit dem Staaten die heimische Wirtschaft bevorteilen:
Offene und verdeckte Subventionen, Exportzölle sowie Regeln, die hoch qualifizierte
Arbeitskräfte aus dem Ausland fernhalten. Seit der Finanzkrise, so Evenett, "ist kaum
ein Tag vergangen, ohne dass ein Land eine Maßnahme erließ, um heimische
Unternehmen zu schützen und ausländischen die Geschäfte zu erschweren."
Wettbewerbsnachteile durch „zu hohe Auflagen“?
Das Thünen-Institut berichtete vor einigen Jahren in „Wissenschaft erleben“ über
einen weltweiten Vergleich, in dem die Kosten ermittelt wurden, die in den jeweiligen
Ländern durch Vorschriften für Umwelt, Tierwohl und Lebensmittelsicherheit bei
bestimmten Produkten entstehen. Demnach sind diese auflagenbedingten
Mehrkosten insgesamt relativ niedrig, betragen zumeist weniger als 5% der
Gesamtkosten und gehen in keinem Fall über 10 % der Vollkosten hinaus.
Insgesamt seien die EU-Landwirte etwas stärker belastet als ihre Mitbewerber aus
anderen Erdteilen. Bei den Tierschutzauflagen gibt es in der EU vor allem die
Geflügel- und Schweineerzeugung auflagenbedingte Kosten, bei Umweltauflagen
verursacht die Nitratrichtlinie die relativ höchsten Kosten, bei der
Lebensmittelsicherheit die Lagerungs- und Ausbringungsvorschriften bei
Pflanzenschutzmitteln sowie die Dokumentation der Nachverfolgbarkeit tierischer
Erzeugnisse.
Ungleich viel größer als die auflagenverursachten Kosten sind die generellen
Kostenunterschiede der verschiedenen Standorte, die bei manchen Produkten
in der EU mehr als 100% höher sind als bei überseeischen
Konkurrenzstandorten – Hauptursache sind die hier höheren Preisniveaus für
Arbeit, Boden und Betriebsmittel. Die Untersuchung verweist auf die derzeit noch
geringen Spielräume der Handelspolitik, die Importe bisher nur abwehren könne,
wenn deren Standards direkt das Produkt und seine Qualität betreffen. Derzeit
könnten Importrestriktionen nicht mit dem Argument begründet werden, dass bei der
Produktion niedrigere Umwelt- oder Tierschutzstandards als in der EU befolgt
würden. –en
Schmähung des Geizes
Ich bin doch nicht blöd.
Du bist doch nicht blöd.
Geiz ist blöd.
Geiz ist nicht billig.
Geiz ist teuer.
Geiz macht arm.
Geiz macht hungrig.
Geiz tötet.
Menschen.
Kinder.
Bauern.
Wanderarbeiter.
Länder.
Tiere.
Die Eine Welt.
Unsere Welt.
Geiz macht geil.
Geiz macht Dich arm.
Ich. Ich. Ich.
Nichts wie hin.
Nichts wie weg.
Geiz macht einsam.
Geiz macht blind.
Geiz macht dumm.
Im Sonderangebot.
Geiler König Kunde.
Raffzähne.
Nicht verschlucken.
Leere Warenfülle.
Öde Konsumscheunen.
Mogelpackungen.
Netto Lidl Plus Aldi.
Rewe Real Metro Edeka.
Saturn Mediamarkt & Co.
Penny-Fuchser.
Schnäppchenjagd.
Qualität über alle Berge.
Schaler Ausverkauf.
Sale. Factory Outlet.
Mensch ist was mensch isst.
Armseliger Geizkragen.
Geiler Geizhals.
Hals voll.
Alles muss raus.
Unseliger Geiz.
Immer eine gute Suppe?
Die Suppe lügt.
Bauernglück?
Landliebe?
Wiesen-Höfe?
Gutes vom Bauern?
Von frei laufenden Bauern?
Wir lieben Lebensmittel?
Alles inclusive?
Fünfzig Prozent auf alles.
Außer Tiernahrung.
Nix da.
Ohne mich.
Das kauf ich euch nicht ab.
Mehr ist weniger.
Weniger ist mehr.
Mach Dein Ding.
You can do.
We can do.
Sein statt Haben.
Yes we can.
Wir hassen billig.
Sei fair.
Werte statt Preise.
Leben.
Ich liebe es.
(Eckehard Niemann in Unabhängige Bauernstimme)
Nicht-Interview mit bauernverbands-nahem
„Bauernblatt“
Laut agra europe ist Ralph Judisch als Chefredakteur des schleswigholsteinischen „Bauernblatts“ – mit lobenden Dankesworten des
Bauernverbands – zum Ende des Monats August in den Vorruhestand
ausgeschieden. Wir wünschen ebenfalls einen schönen Ruhestand und
erinnern uns an ein denkwürdiges (Nicht)-Interview mit ihm:
Die folgenden Fragen des „Bauernblatts“ hat Eckehard Niemann im August
2013 wie folgt beantwortet – das Interview wurde aber nicht abgedruckt, weil
die Redaktion nicht auf die Forderung Niemanns eingehen wollte, im Falle
eines Weglassens und Veränderns von Textteilen eine namhafte Summe zu
zahlen:
INTERVIEW
1. Sie versprühen fast täglich per Pressemitteilung verbales Gift und lassen
kein gutes Haar an der heutigen, modernen Landwirtschaft. Befriedigen Sie
dadurch Ihr Ego?
Das Gegenteil Ihrer Behauptung ist richtig: Ich verteidige „fast täglich“ die bäuerliche
Landwirtschaft (und damit den immer noch weitaus größten Teil der Landwirtschaft)
gegen die Verdrängung durch die vom Bauernverband als „moderne Landwirtschaft“
schöngeredete Agrarindustrie. Dafür bekomme ich aus der Gesellschaft und auch
von vielen Bauern erfreulicherweise sehr viel positive Rückmeldung.
Ich gestehe Ihnen aber gern zu, dass Agrarindustrielle und entsprechend
ausgerichtete Teile der Bauernverbandsspitze (und offenbar auch Sie) dies als „Gift“
für ihre Bestrebungen bewerten könnten.
Laut Wikipedia ist mit „Ego“ eine große Selbstgewissheit gemeint: In der Tat bin ich
mir sehr gewiss, dass ich mit meinen (ehrenamtlichen) Aktivitäten eine befriedigende
und sinnvolle Tätigkeit ausübe.
2. Was ist denn für Sie, der Sie offenbar Romantiker sind, ein bäuerlicher
Betrieb, wie viel Fläche hat der, wie viel Kühe, wie viel Schweine, wie viel
Arbeitskräfte?
Es ist schon bezeichnend, dass eine Zeitung mit dem Namen „Bauern“blatt
mittlerweile um Hilfestellung bei der Definition eines „bäuerlichen Betriebs“
nachsuchen muss. Nun denn: Ein „bäuerlicher Betrieb“ ist einer, der von Bauern
betrieben wird – also von selbstständig wirtschaftenden, also von Konzernen
unabhängigen Unternehmern, vorwiegend mit Familienarbeitsverfassung und
deshalb mit nachhaltigem Denken in Generationen und in Betriebskreisläufen.
3. Jetzt mal Butter bei die Fische: Ab welcher Bestandesgröße beginnt bei
Ihnen die Intensivtierhaltung?
Die geforderte „Butter bei die Fische“ hätten Sie in vielen meiner Texte leicht
nachlesen können: Oberhalb bestimmter Tierzahl-Grenzen ist eine gesellschaftlich
akzeptierte und artgerechte Tierhaltung mit Weidegang und Auslauf (oder zumindest
der Rückbau darauf) nicht mehr möglich, das Bundes-Immissionsschutz-Gesetz und
das neue Bundesbaugesetzbuch sehen außerdem oberhalb folgender Tierzahlen ein
hohes Risiko der Beeinträchtigung von Umwelt und Anwohnern: 1.500
Schweinemast-, 560 Sauen-, 30.000 Masthühner-, 15.000 Legehennen-, 15.000
Putenmast- und 600 Rinderplätze.
Der Begriff der „Intensivtierhaltung“ sagt relativ wenig aus, denn eine intensive
Tierbetreuung ist natürlich gut, eine intensive Ausrichtung auf hohe Tierleistungen mit
Schäden an deren Gesundheit ist ebenso natürlich schlecht. Wir bevorzugen den
Begriff „Agrarfabriken“, bei denen nicht die Ställe den Tieren angepasst werden,
sondern die Tiere den Ställen – z.B. durch das auch von der EU bereits längst
verbotene Kupieren (Kürzen) der Schwänze oder der Schnabelspitzen.
Bei der Diskussion um die EU-Agrarreform unterstützt die AbL übrigens die
Forderung nach einer Kappung der Flächenprämien für Großbetriebe oberhalb von
150.000 Euro pro Jahr (das entspräche etwa 500 Hektar). Der Bauernverband setzt
sich dagegen für eine Förderung auch von agrarindustriellen Großbetrieben ein - zu
Lasten der großen Mehrheit der Landwirtschaftsbetriebe.
4. Die Haltungsbedingungen in der Tierproduktion haben sich in den
vergangenen Jahren deutlich verbessert, nehmen Sie nur die frühere
Anbindehaltung von Kälbern und Kühen, die heute in eingestreuten Boxen
oder in Laufställen stehen. Können Sie das partout nicht anerkennen?
Der Boxenlaufstall (möglichst nur so groß, dass Weidegang möglich bleibt) ist in der
Tat ein Fortschritt gegenüber der Anbindehaltung. Das habe auch ich natürlich nie in
Frage gestellt. Ich finde es aber unfair gegenüber den Milchbauern, dass deren
Ställe von Agrarindustrie und Bauernverband permanent nur als Alibi und
Feigenblatt vorgezeigt werden, um nicht die Agrarfabriken mit Stresshaltung bei
Geflügel und Schweinen vorzeigen zu müssen.
5. Die Höfe wachsen nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil wirtschaftliche
Gründe dahinter stehen. Es müssen die Wettbewerbsfähigkeit erhalten und
drei Generationen ernährt werden. Warum wollen Sie trotzdem Investitionen in
mehr Wirtschaftskraft im ländlichen Raum verhindern?
Es ist schon zynisch, dass Sie die Vernichtung und Verdrängung vieler bäuerlicher
Betriebe durch Agrarindustrielle und den damit verbundenen Verlust an sinnvollen
Arbeitsplätzen als Vorteil für die Wirtschaftskraft im ländlichen Raum schönzureden
versuchen. Natürlich gibt es einen Strukturwandel - übrigens auch in Form der
Erschließung neuer Märkte durch die Bauernhöfe im Bio-, Direktvermarktungs- oder
Dienstleistungsbereich.
Der betriebswirtschaftlichen Druck zum Wachsen ist in dieser Schärfe nicht
naturgegeben, sondern von Agrarindustrie und Politik durch den Druck auf die
Erzeugerpreise massiv forciert. Der Bauernverband will diesen Prozess nur durch so
genannte „Leitplanken“ absichern und hat den Einsatz für bessere Erzeugerpreise
längst aufgegeben. Das ist etwa so, als wenn die Gewerkschaften auf
Lohnforderungen verzichten würden und lediglich durch „Leitplanken“ absichern
würden, dass man seinen Lohn durch zusätzliche Überstunden sichert oder nach
Feierabend noch eine zusätzliche Arbeit aufnimmt.
Diese Sabotage an den bäuerlichen Erzeugerpreisen kann man eigentlich nur
erklären mit den gut bezahlten Posten von Bauernverbands-Funktionären in
Molkereien, Schlachtereien oder Landhandels-Mischfutter-Konzernen, die tatsächlich
ein Interesse an niedrigen Preisen für landwirtschaftliche Produkte haben. Die
Milchbauern und der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter arbeiten trotz
massiver Behinderung durch den Bauernverband daran, über starke
Erzeugergemeinschaften als Marktpartner auf Augenhöhe aufzutreten und über
Instrumente der Mengenregulierung den ruinösen Druck auf die Erzeugerpreise
abzubauen. Auch die Rübenbauern hätten die mengenbeschränkende und damit
erzeugerpreisstützende Quotenregelung mit einer wirklichen Unterstützung des
Bauernverbands vermutlich behalten können.
Wir brauchen statt Mengenwachstum endlich ein Preiswachstum - für auskömmliche
Gewinne und Einkommen!
6. Wie ist denn Ihre Vision von der deutschen Landwirtschaft der Zukunft?
Es ist die gleiche Vision wie die der allermeisten Bauern: Erhalt einer Vielzahl und
Vielfalt von gut strukturierten mittelständischen Bauernhöfen in lebendigen Dörfern
und ländlichen Regionen - mit nachhaltiger Bodenbewirtschaftung,
flächengebundener und artgerechter Tierhaltung und deshalb auch mit
gesellschaftlicher Akzeptanz. Produktion von Klasse statt Masse zu auskömmlichen
Erzeugerpreisen, die durch EU-weite Mengenregulierungs-Instrumente und durch
einen Außenschutz gegen ökosoziale Dumping-Importe abgesichert sind.
7. Meinen Sie nicht, dass die deutsche Landwirtschaft unter den von Ihnen
genannten Bedingungen im internationalen Wettbewerb verliert, es in der Folge
zu Strukturbrüchen kommt und immer mehr Betriebe das Handtuch werfen?
Wollen Sie das?
Zu Strukturbrüchen kommt es doch gerade unter den jetzigen Bedingungen, in
denen immer mehr Betriebe das Handtuch werfen müssen. Die ruinösen
Erzeugerpreise beruhen doch gerade auf dem irrwitzigen Bestreben, die zu hohen
deutschen Kosten produzierten Überschüsse zu den Billigpreisen der brasilianischen
oder US-amerikanischen Konkurrenz an Russland oder China zu verscherbeln. Ganz
abgesehen von den Wirkungen dieser Exporte auf Berufskollegen in anderen
Ländern.
8. Angenommen, Ihr Bild von der Landwirtschaft der Zukunft würde Realität,
ginge das mit einer deutlichen Verteuerung der Produktion einher. Wer bezahlt
das den Bauern?
Vorab: Derzeit und schon seit vielen Jahren bezahlt man den allermeisten Tierhaltern
deutlich weniger als deren Kosten – wegen der Macht von Agrar- und
Ernährungsindustrie und der von ihnen angeheizten Überschüsse. Wir brauchen
endlich eine klare Strategie für den Erhalt bäuerlicher Betriebe!
Es ist absehbar und richtig, dass bestimmte Formen der Tierhaltung – wie zuvor
schon die Käfighaltung der Legehennen – unterbunden werden. Sie brauchen dazu
nur die Vorgaben der EU oder die des noch von CDU und FDP beschlossenen
Niedersächsischen Tierschutzplans anzusehen. Wenn man z.B. den Schweinen die
Ringelschwänze nicht mehr abschneiden und den Legehennen und Puten die
Schnäbel nicht mehr „stutzen“ darf, um ihre Haltung in enger Stresshaltung noch
irgendwie ohne Schwanzbeißen oder Kannibalismus zu ermöglichen – dann wird
man den Tieren mehr Platz, Auslauf und Stroh geben müssen. Auch das Verbot von
systematischen Antibiotikagaben und das Verbot der Agrarfabriken verringern die
erzeugerpreis-drückenden Überschüsse und schaffen Spielraum für faire
Erzeugerpreise.
Eine solche Haltung (mit Futterflächenbindung) kann in mittelständisch-bäuerlichen
Strukturen viel besser umgesetzt werden als in agrarindustriellen Dimensionen –
dazu brauchen wir EU-weit ein massives Umbau-Förderungsprogramm anstelle von
Milliardensubventionen an Großverdiener.
Fleisch wird dann generell und flächendeckend deutlich teurer sein, weil es das
agrarindustriell erzeugte Billigfleisch nicht mehr gibt. Die Menschen, die als
individualisierte Verbraucher beim Kauf von Billigprodukten bisher immer noch
schwach werden, die aber als befragte Bürger ihre Bereitschaft zu höheren Preisen
für faire Produkte aus artgerechter Haltung bezeugen, werden dagegen nicht
rebellieren. Anpassungen bei Löhnen und Hartz-4 müssen und werden parallel
durchgesetzt werden.
9. Wenn man Ihre Verlautbarungen über Monate verfolgt hat, findet man immer
die gleichen Argumente mit denen Sie auf die konventionelle Landwirtschaft
eindreschen. Glauben Sie ernsthaft, dass das noch verfängt, wird es nicht
allmählich sogar lächerlich?
Glauben Sie ernsthaft daran oder finden Sie es nicht allmählich sogar auch
lächerlich, dass Sie immer noch behaupten, ich würde „auf die konventionelle
Landwirtschaft eindreschen“? Die AbL verteidigt bäuerliche Landwirtschaft in
konventioneller und ökologischer Wirtschaftsweise gegen Agrarindustrie und auch
Pseudo-„Bio“-Agrarindustrie. Es wäre schön, wenn Sie auf meine Argumente endlich
mit sachlichen und ernst zu nehmenden Gegenargumenten antworten würden statt
mit Polemik und hergesuchten Behauptungen…
10. Hand aufs Herz: Wie viele Mitglieder hat die Abl in Deutschland wirklich –
und wer finanziert Sie und ihre Kampagnen?
Wir haben in der AbL sehr viel weniger Mitglieder als der Bauernverband - in dem
zahlreiche unzufriedene Bauern ja nur noch bleiben, weil sich der Verband und seine
direkten oder indirekten Vertreter viele Befugnisse angeeignet haben – so bei
Antragstellung zu den landwirtschaftlichen Sozialkassen oder bei Pacht- und
Grundstücksverkehr.
Unsere „Kampagnen“ finanzieren wir aus Mitgliedsbeiträgen, weil wir nicht
agrarindustrieabhängig werden wollen wie der Bauernverband, der ein Großteil der
PR ja der so genannten „Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft“ (FNL)
überlässt, die wesentlich von Konzernen und Verbänden der Agrarchemie,
Gentechnik, Fleisch- und Futtermittel-Industrie getragen, gesteuert und finanziert
wird.
Deshalb hat die AbL auch einen festen Platz in vielen gesellschaftlichen Bündnissen
– deshalb stehen Agrarindustrie und Bauernverbandsspitzen trotz ihrer PR-Gelder
immer stärker im gesellschaftlichen Abseits.
Landwirtschaft Macht Essen - Zweiter „Wir haben es
satt!“-Kongress
Vom 30. September bis zum 3. Oktober 2016 findet der zweite "Wir
haben es satt"-Kongress in Berlin statt. Unter dem Motto
„Landwirtschaft Macht Essen" liegt der Schwerpunkt des diesjährigen
Kongresses auf den Fragen: Woher kommt das Essen? Welche globalen
Machtgefüge steuern die Lebensmittelproduktion? Wie kann ein Umbau
der Landwirtschaft gestaltet werden?
Zu weiteren Informationen und zur Anmeldung geht es hier.