Jürgen Wagenitz SLVA Oppenheim Schwefel das vielseitige Element - aus dem Weinbau nicht weg zu denken Historie und allgemeiner Überblick Schwefel ist ein überall auf der Erde vorkommendes Element. Der durchschnittliche Gehalt im Erdgestein beträgt etwa 500 g pro Tonne. Unsere fossilen Brennstoffe, wie Kohle und Erdöl enthalten ebenfalls größere Mengen an Schwefel. Erste Lebewesen auf unserem Planeten waren Schwefelbakterien. Schon aus der Zeit 5000 v. Chr. gibt es erste Berichte über den Einsatz von Schwefel – durch seine Brennbarkeit und den stechenden Geruch des entstehe nden Schwefeldioxids erregte er früh die Aufmerksamkeit der Menschen. In Homers Odyssee wird Schwefel als desinfizierendes Räuchermittel erwähnt. Um 2000 v. Chr. verwendeten die Ägypter Schwefeldämpfe zum Bleichen von Geweben. Die Alchimisten des Mittelalters schätzten ihn und arbeiten viel mit Schwefel, Schwefeldämpfe galten damals als „Ausdünstungen aus der Hölle“. In vulkanischen Gebieten tritt Schwefel in freier, elementarer Form als gelbliche Schwefelblume auf. In vielen Mineralien liegt es in gebundener Form als Sulfat oder Sulfit vor. Für Pflanzen ist Schwefel ein wichtiger Nährstoff der in Form von Sulfat über die Wurzeln aufgenommen wird. Viele Düngemittel wie Patentkali, Kieserit und schwefelsaures Ammoniak enthalten Sulfat. Bei den Lebewesen finden wir Schwefelverbindungen besonders im Bereich der Aminosäuren (u.a. Cystin und Methionin) bzw. in den aus ihnen aufgebauten Eiweißen, aber auch in Enzymen, Hormonen und Vitaminen ist oft Schwefel enthalten. In der Medizin hatte der Schwefel früher einen wichtigen Platz, in Form von Pflastern, Salben oder Bädern gegen Hautkrankheiten. Schwefeldämpfe halfen gegen Krätzmilben, aber auch einige innere Leiden, wie Husten, Asthma, Geschwüre und Rheuma. In der Homöopathie findet Schwefel in hochpotenzierter Form seine Anwendung. In der Industrie spielt Schwefel meist in Form von Schwefelsäure eine sehr wichtige Rolle, so bei der Aufarbeitung von Uran und Kupfererzen, bei der Vulkanisierung von Autoreifen, in der Papierindustrie und nicht zuletzt als reaktive Säure in der Autobatterie. Die Schwefelsäure ist die meist gebrauchte Chemiekalie der Welt, so gilt die Produktion bzw. der Verbrauch an Schwefelsäure sogar als Maßstab für die Wirtschaftskraft eines Landes. Chemische Struktur und Verbreitung Symbol S [sulfur (lat.)] Atomgewicht 32,066 Wertigkeiten: + 6 + 4 - 2 Elementarer Schwefel unter gewöhnlicher Temperatur in Form von gelben geruch- und geschmacklosen Kristallen (Stäubeschwefel). Schwefel verbrennt an der Luft mit blauer Farbe zu Schwefeldioxid (SO2 ). Schwefeldioxid (SO2 ) tritt bei der Ausdünstung von Vulkangasen oder bei der Verbrennung von Kohle oder Erdöl auf. SO2 -Gase sind mitverantwortlich für den sauren Regen, da SO2 sehr gut wasserlöslich ist. (Herstellung wäßriger schwefliger Säure aus gasförmiger SO2 zur Desinfizierung in der Kellerwirtschaft; Rauchgasentschwefelung) Schweflige Säure (H2 SO3 ) ist nur in wässriger Lösung existenzfähig, steht stets im Gleichgewicht SO2 + H2 O ↔H2 SO3 Salze: Sulfite Schwefelsäure (H2 SO4 ) sehr starke zweiwertige Säure. Salze: Sulfate z.B. Düngemittel, Gips Alaune – Ersatzstoff von Kupfer zur Peronosporabekämpfung im Ökoweinbau (Mycosin, Ulmasud), Kupfersulfat (- vitriol) zur Entfernung von Böcksern im Wein, in früherer Zeit auch als Kupferspritzmittel im Weinbau verwendet. . Schwefelwasserstoff (H2 S) Vorkommen: Schwefelquellen, Vulkan- und Erdgase, faulende Eiweißstoffe, „Stinkbomben“, Böckser im Wein, Schwefelwasserstoff ist sehr giftig und blockiert wie Blausäure lebenswichtige Atmungsenzyme. Entwicklung der Mittel zur Oidiumbekämpfung 1850 - 2003 Spiroketalamine (Prosper) Chinoline (Vento) Strobilurine (Discus etc.) Triazole (Bayleton etc.) Dinocap (Karathane) Netzschwefel Kolloidschwefel Schwefelkalkbrühe Stäubeschwefel 1850 1860 1870 1880 1890 1900 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 Grafik:1 Einsatz von Schwefel im Weinbau Erste Erwähnungen vom Einsatz pulverisierten Schwefel im Weinbau finden sich bei Bassermann-Jordan (1923) und sind auf das Jahr 1793 datiert, eingesetzt wurde er gegen den „Mehltau“. Die Bezeichnung Mehltau in sehr unterschiedlichen Schreibweisen (Miltaw, Mühltaw, Meelthaue, Mühlthau, Mältau, Miltau, Mehlthau) ist schon bei den Römer anzutreffen. Eine der ältesten Beschreibungen stammt von Konrad Megenberg (Buch der Natur, um 1350) hier wird miltaw eindeutig tierischen Schädlingen nämlich den milwen (Milben) zugeordnet. Meist ist allerdings nicht zu erkennen um welche Schädlinge oder Krankheiten es sich handelt. Allerdings macht der Einsatz von Schwefel durchaus Sinn, da Schwefel Wirkung sowohl gegen Milben (Rote Spinne, Bohnenspinnmilbe) wie auch gewisse Nebenwirkung gegen Pilzkrankheiten wie Roter Brenner zeigt. Der bedeutende Einsatz im Weinbau sollte jedoch erst nach der Einschleppung des echten Mehltaus der Rebe (Oidium tuckeri) stattfinden. Benannt nach dem englischen Gärtner Tucker aus Margate nahe der Themsemündung, der 1845 als Erster in Europa den Mehltaupilz in seinem Gewächshaus entdeckte. Erste Hinweise zur Wirksamkeit von Schwefel stammen aus dem Jahr 1848 von dem englischen Gärtner Keyle. Ab dem Jahr 1850 gab es erste Meldungen über das Auftreten von Oidium an Reben im Freiland. Berichte aus der Pfalz empfehlen bereits in den Jahren 1852/53 den Einsatz von Stäubeschwefel gegen den Pilz. Erste Versuche, Schwefel in flüssiger Form auszubringen wurden bereits 1853/54 vom Institut agronomique in Versailles durch in Wasser gerührte Schwefelblume vorgenommen. Die Entwicklung der Oidiumbekämpfung ist geprägt vom Einsatz des Schwefels, der über 110 Jahre das einzig wirksame Agenz war. Die Wirkung schreibt Wilhelm (1954), dem elementaren Schwefel zu, der eine direkte Wirkung gegen den Pilz zeigt. Die Reduktion des Schwefels zu Schwefelwasserstoff erfolgt dabei direkt durch den Pilz, dabei stirbt er ab. Im Zeitraum von 1850 bis 1950 wurde überwiegend Stäubeschwefel mit Aufwandmengen von 15-25 kg/ha je Behandlung eingesetzt, daneben auch Schwefelkalkbrühe, die aber immer wieder zu vorzeitigen Laubverfärbung aufgrund von Verätzungen führte, 1920 folgte der Einsatz von Kolloidschwefel. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde durch weitere Aufarbeitung mittels Sprühtrocknung der sogenannte Netzschwefel mit besseren Schweb- und Netzeigenschaften erzeugt, er enthält ca. 20 % Ligninsulfonatals Netz und Haftmittel. Damit konnte die Aufwandmenge auf 4 bis 6 kg/ha reduziert werden. Durch Anpassung der Wassermengen bei der modernen Sprühtechnik liegen die Aufwandmengen heute zwischen 2,4 bis 4,8 kg/ha. Grafik 1 zeigt die Entwicklung von den verschiedenen Schwefelpräparaten zu modernen, spezifisch gegen Oidium wirkenden Pflanzenschutzmitteln. Auch nach über 150 Jahren ist der Einsatz von Schwefel im Weinbau weitverbreitet. So wird er besonders wegen seiner Nebenwirkung gegen Milben, speziell gegen Blattgallmilben und Kräuselmilben geschätzt, für Ökowinzer ist er nach wie vor das Mittel der Wahl, wenn es um einen wirksamen Oidiumschutz geht. Aber auch die anderen Weinbaubetriebe nutzen weiterhin dieses sehr alte und kostengünstige Pflanzenschutzmittel. Meist wird der Einsatz heute jedoch auf den Vorblütebereich begrenzt. Einerseits weil es inzwischen wesentlich besser wirkende Alternativprodukte gibt und andererseits, weil Spätbehandlungen mit Netzschwefel (Wartezeit 56 Tage) die Gefahr erhöhen, dass es verstärkt zur Böckserbildung im Wein kommt. Einsatz von Schwefel bei der Weinbereitung Das Haltbarmachen des Weines ist seit Alters her eine wichtige Frage, die früher zum Teil durch Einkochen, kühle Lagerung und im Mittelalter auch durch Zugabe von Senf versucht wurde zu lösen. Schon in Homers Illias wird zwar vom Einsatz von Schwefel berichtet, ob es allerdings eine geziele Schwefelung des Weines gab, ist nicht gesichert. Das Schwefeln wird in den Schriften der Griechen und Römer immer wieder erwähnt, häufig finden sich jedoch auch Verbote für den Einsatz. Der Talmud erwähnt geschwefelten Wein als zur Opfergabe untauglich. Erste schriftliche Erwähnung über die gezielte Anwendung findet sich in der „Fränkischen Punktation“ aus dem Jahr 1482 in der sogar die zulässige Menge festgelegt wird „ein Lot (62,5 g) Schwefel pro Fuder ein einziges Mal“ berücksichtig man das es sich beim Einbrennen um Elemetarschwefel handelt entstehen aus 1 g S - 2g SO2 , damit ergibt sich eine SO2 Menge von 125 mg/l, also Mengen an schwefliger Säure die durchaus auch noch heute gebräuchlich sind. Hand in Hand mit der Konservierung der Weine ging auch das Einbrennen der leeren Fässer um sie vor Schimmel zu schützen. Das ein Vorhandensein von Schwefel im gärenden Most zur Entstehung von Böcksern führen kann, wurde bereits von Breuchel 1781 beobachet. Die Frage des Schwefelns der Weine schien früher so wichtig, dass sie im Jahr 1487 durch kaiserliche Verordnung geregelt wurde. Auch das Deutsche Weinsetz von 1909 erwähnt „das Schwefeln, sofern hierbei nur kleine Mengen von schwefliger Säure oder Schwefelsäure in die Flüssigkeit gelangen.“ Noch heute bestimmt der Gesetzgeber in Form des EG-Weinrechts den Zusatz von SO2 zum Wein. Heute erfolgt der Zusatz im Gegensatz zu früher nicht mehr durch Einbrennen der Fässer, einem sehr unsicherem Verfahren, was die genaue Dosierung betrifft, sondern durch Zugabe von gasförmigem Schwefeldioxid. Dabei liegt die zugegebene SO2 in verschiedenen Formen vor. Entscheidend für die mikrobielle Wirksamkeit gegen Bakterien ist die nicht dissozierte freie SO2 sie beträgt je nach pH-Wert des Weines 1-10 Prozent der titierbaren freien SO2 . Die an Wasserstoff gebundenen Bisulfit-Ionen (HSO3 ) sind die Bindungspartner der Gärungsnebenprodukte vor allem des Acetaldehyds, aber auch Ketonen und Ketonsäuren. Diese weisen in ungebundener Form einen unangenehmen, breiten, brotigen Geschmack auf. Der in Sulfitform vorliegende Schwefel (SO3 ) ist in der Lage, den im Wein gelösten Sauerstoff abzubinden und verhindert damit die Oxidation, also das Braunwerden der Weine. Der Zusatz von SO2 zeigt also auf sehr unterschiedliche Weise seine Wirkung und kann bisher durch keinen anderen Stoff ersetzt werden. Die Rolle von schwefelhaltigen Verbindungen bei der Aromabildung Schwefelhaltige Aromastoffe sind in der Natur weitverbreitet. Die häufig etwas strengeren Gerüche nach Zwiebel, Knoblauch, Lauch, Kohl aber auch Spargel, Fisch, Käse gekochtes oder gebratenes Fleisch ja sogar die im Wein häufiger zu findenden Cassisnoten entstammen flüchtigen S-haltigen Verbindungen. Je nach Intensität und dazugehörigem Lebensmittel werden diese Aromen angenehm oder auch unangenehm empfunden. Während man von einem Käse durchaus einen käsigen Geschmack (Geruch !) erwartet, wirken ähnliche Aromen beim Wein eher unangenehm. Schon Ende des 18. Jahrhunderts brachte man die Entstehung von Böcksern im Wein nicht nur mit Schwefelwasserstoff (H2 S – Geruch nach faulen Eiern) wie zuvor, sondern auch mit anderen flüchtigen Schwefelverbindungen in Zusammenhang. Für die Entstehung dieser Fehlaromen dürften sehr verschiedene Ursachen eine Rolle spielen. So können sowohl Pflanzenschutzmittelrückstände, besonders Netzschwefelreste auf den Trauben, als auch geschwefelte Traubenmoste durch die reduzierende Wirkung der Gärung zu einem Böchser führen. Der Hefestoffwechsel spielt bei dem Auf- und Abbau S-haltiger Substanzen eine zentrale Rolle, so üben Hefestamm, Gärverlauf und auch Versorgung der Moste mit assimilierbaren Stickstoff einen Einfluß auf die Aromastoffbildung aus. Literatur: Bassermann-Jordan, F.:Geschichte des Weinbaus I – Frankfurter Verlags-Anstalt 1923 Quak, T.: www.med.uni-muenchen.de/fachschaft/homeopathy/sulfur.html 1999 Pohl, H.: Wein-Schwefelung einst und heute - Der deutsche Weinbau, 1988 Nr. 9 S. 440-443 Rauhut, D. et al.: Einfluß von Hefestämmen und deren Ernährung auf die Böckserbildung in: 100 Jahre Hefereinzucht in Geisenheim S.38-55 Sonderdruck Wilhelm, A. F.: Über die fungizide Wirkung des Schwefels bei der Oidiumbekämpfung – Weinberg und Keller, 1954 Nr. 1 S. 124-129
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