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LÄNDERBERICHT
Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.
MEXIKO
PROF. DR. STEFAN JOST
September 2016
www.kas.de/mexiko
“So weit weg von Gott, und so
nah an den USA“
POLITISCHES ERDBEBEN NACH TRUMP-BESUCH IN MEXIKO
Der Besuch von Donald Trump in Mexiko
Zur Vorgeschichte
auf Einladung der Regierung hat zu einem
politischen Erdbeben geführt: Staatsprä-
Die Äußerungen Trumps bereits zu Zeiten,
sident Peña Nieto verliert seinen engsten
als er noch nicht nominierter Kandidat der
Kabinettsverbündeten und das Ansehen
Republikaner war, hatten in Mexiko zu har-
der Regierung ist auf einem historischen
ten Reaktionen geführt. Der Staatspräsident
Tiefpunkt. Die Aussichten für die letzten
entließ sogar den mexikanischen Botschaf-
beiden Amtsjahre der PRI-Regierung sind
ter in Washington sowie einen Staatssekre-
düster.
tär im Außenministerium, da sie sich nicht
Der republikanische Kandidat für die US-
Äußerungen zur Wehr gesetzt hätten.
entschieden genug gegen die Trumpamerikanischen Präsidentschaftswahlen im
November, Donald Trump, hat aus seiner
Bereits damals war die Reaktion in der Öf-
Meinung über die mexikanischen Nachbarn
fentlichkeit, vor allem den außenpolitischen
nie ein Hehl gemacht. „Drogenhändler“ und
Fachleuten in Mexiko nahezu einhellig. Man
„Vergewaltiger“ nannte er sie in seiner be-
hielt dieses Vorgehen für einen Fehler, da
kannt differenzierten und diplomatischen
die mexikanische Regierung Trump einen
Art. Eine Mauer werde er als Präsident bau-
Stellenwert einräume, der ihm nicht zu-
en, und die Mexikaner müssten diese finan-
komme, statt ihn offiziell zu ignorieren.
zieren.
Auch die spätere Entgegnung der Regierung, Mexiko würde die Mauer nicht bezah-
Ausgerechnet diesen Donald Trump lud nun
len, hielt die Mehrheit der Experten für nicht
die mexikanische Regierung zu einem Be-
angemessen.
such nach Mexiko ein. Und Trump kam. Die
Folge war ein politisches Erdbeben, dessen
Die Lesart der Analysten
unmittelbare Auswirkungen nicht lange auf
sich warten ließen und dessen Nachbeben
Die Auguren rätseln noch immer, was die
die Regierung noch lange beschäftigen wird.
mexikanische Regierung zu dieser Einladung
bewogen hat und wie bei der Durchführung
Ob so gedacht oder nicht, die Nachricht
alles derart aus dem Ruder laufen konnte.
schlug wie eine Bombe ein: Die mexikanische Regierung hatte Trump zu einem Be-
Die entscheidende Motivation des diese Ein-
such nach Mexiko eingeladen. Dass die Ein-
ladung pushenden Finanzministers Vide-
ladung auch an die Präsidentschaftskandi-
garray lag wohl in der Besorgnis, dass die
datin der Demokraten, Hillary Clinton, ging,
Finanzmärkte angesichts der Trump-
wurde in diesem Kontext kaum wahrge-
Äußerungen zu Mexiko nervös werden könn-
nommen.
ten und deshalb eine Annäherung geboten
sei. Eine sicherlich berechtigte Überlegung,
Ob nun erwartet, erhofft oder befürchtet:
deren Operationalisierung dann aber wohl
Trump kam. Und damit nahm das Verhäng-
nicht alle denkbaren Konsequenzen durch-
nis seinen Lauf.
dacht hatte.
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So wurde alles auf der Ebene des Finanzmi-
historischen Zentrum der Hauptstadt ver-
nisters vorbereitet, nach jetzigen Erkennt-
laufen wird, auf dem er traditionsgemäß
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nissen mit Zustimmung des Staatspräsiden-
den „grito de la independencia“, (Schrei der
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ten. Das Außenministerium blieb außen vor.
Unabhängigkeit) anstimmen wird. Auf die
Die Außenministerin, selbst Anwärterin auf
Reaktion der Bevölkerung darf man ge-
die Nachfolge Peña Nietos, wollte zurücktre-
spannt sein.
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ten, konnte aber wohl davon abgehalten
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werden. Sollte mit diesem Vorgehen auch
Außenpolitik und Wahlkampf
ein innerparteiliches Manöver mit verbunden gewesen sein, so ist auch dies zum
Mexiko verfolgt immer noch beeinflusst
Nachteil des Kandidaten Videgarray ausge-
durch die Estrada-Doktrin eine strikte Politik
gangen.
der internationalen Nicht-Einmischung. Die
damit einhergehende Zurückhaltung bis
Aber nicht nur die Einladung als solche war
Abwesenheit Mexikos in manchen Bereichen
das Problem. Der Ablauf des Besuches war
internationaler Politik wird angesichts des
das Entscheidende.
wirtschaftlichen und politischen Gewichts
dieses 115 Millionen-Volkes zunehmend kri-
Trump bestimmte offensichtlich das Datum,
tisch gesehen, und auch eine Reihe von Po-
und keiner merkte oder maß dem Bedeu-
litikern und unisono die mexikanischen au-
tung bei, dass der Besuch kurz vor dem
ßenpolitischen Experten fordern eine Um-
jährlichen öffentlichen Rechenschaftsbericht
kehr und stärkere Einbindung Mexikos in
des Staatspräsidenten lag. Trump wurde
internationale Angelegenheiten.
zudem in einem Rahmen empfangen, der
dem eines Staatsbesuches gleichkam. Das
Wie in vielen anderen lateinamerikanischen
wäre vielleicht alles noch irgendwie zu ver-
Staaten auch ist in Mexiko Außenpolitik die
mitteln gewesen, wenn der Besuch anders
Prärogative der Exekutive, d.h. der Regie-
verlaufen wäre. Was die mexikanische
rung, sprich des Staatspräsidenten. Der
Volksseele allerdings zum Kochen brachte,
Kongress hat wenige Mitwirkungsmöglich-
war die Pressekonferenz der beiden Politi-
keiten, große außenpolitische Debatten fin-
ker. Trump erklärte, man habe über die Fi-
den im Kongress nicht statt. Auch in der
nanzierung der Mauer nicht gespro-
Bevölkerung spielt Außenpolitik keine Rolle,
chen…und Peña Nieto schwieg. Erst nach
und schon gar keine wahlbeeinflussende
der Pressekonferenz erklärte er, er habe
oder gar -entscheidende.
sehr wohl das Thema angesprochen und
deutlich gemacht, dass Mexiko die Mauer
Was einige engagierte Politiker und zahlrei-
nicht bezahlen würde.
che hervorragend qualifizierte außenpolitische Experten über Jahre nicht erreicht ha-
Und dass Trump, auch wenn er in Mexiko
ben, Außenpolitik zu einem Thema in Mexi-
sagte, er würde sich von Freunden verab-
ko zu machen, hat die mexikanische Regie-
schieden, bei seiner wenige Stunden später
rung nun in Rekordzeit von wenigen Tagen
in Arizona gehaltenen Grundsatzrede zur
geschafft. Es gibt in diesen Tagen kein Tref-
Migrationsfrage unmissverständlich klar
fen, kein Gespräch, keinen Ort, an dem
machte, welches Freundschaftsverständnis
nicht die Frage stellt wird: „Was hältst Du
er hat, war dann der Tropfen, wenn einer
denn davon“? Und die Antwort ist eindeutig.
gefehlt hätte, der das Fass zum Überlaufen
brachte.
Für die Mexikaner stellt sich die Frage, ob
die nationale Ebene regierungsfähig ist.
Trump wurde zum einzigen Nutznießer. So
wurde aus einer „mediatischen Bombe“ ein
Die Regierung, in den letzten beiden Jahren
politischer Rohrkrepierer.
von einer Reihe von Skandalen betroffen,
bis hin zu den jüngsten Plagiatsvorwürfen
Am 16. September, dem Nationalfeiertag,
gegen den Staatspräsidenten in seiner uni-
wird sich zeigen, wie der öffentliche Auftritt
versitären Abschlussarbeit, trifft in Umfra-
des Staatspräsidenten auf dem Zócalo, dem
gen nur noch auf eine deutlich unter 30%
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liegende Zustimmung. Das ist, so die Exper-
Eine erste bittere Quittung erhielt die Regie-
ten, der schlechteste Wert einer Regierung,
rung in den Landtagswahlen im Juni 2016.
seit es in Mexiko Umfragen gibt.
Sie verlor zahlreiche, teils seit 80 Jahren
regierte Bundesstaaten und immer mehr an
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Die Regierung hat sich ohne Not mit dieser
Glaubwürdigkeit bei den mexikanischen
Einladung eine weitere innenpolitische Ab-
Wählern. Der als aussichtsreichster Anwär-
lehnungsfront eröffnet.
ter für die PRI-Präsidentschaftskandidatur
gehandelte PRI-Vorsitzende, Manila Fabio
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Auch die internationale Reaktion ist eindeu-
Beltrones, musste zurücktreten. Nun verliert
tig. Noch im Februar 2014 betitelte das Ti-
Peña Nieto mit seinem Finanzminister einen
me Magazin den Staatspräsidenten als Ret-
weiteren engen Vertrauten, ebenfalls An-
ter Mexikos. CNNespañol titelte nun: „Der
wärter auf die Präsidentschaftskandidaten.
Zirkus und die Zwerge Peña Nietos“.
Einen geborenen, unumstrittenen Nachfolgekandidaten für Peña Nieto gab es in der
Hillary Clinton hat inzwischen die Einladung
PRI nicht, nun gehen der PRI sogar langsam
der mexikanischen Regierung abgelehnt und
die Kandidaten aus. Damit verschärft sich
den Besuch Trump als „beschämendes Er-
die innerparteiliche Situation der PRI mit
eignis“ bezeichnet.
Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2018.
Die Opposition wittert Morgenluft
Damit werden die Landtagswahlen im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Mexiko im
Die Opposition, allen voran die größte Op-
kommenden Juni zur entscheidenden Be-
positionspartei PAN wittert nun Morgenluft.
währungsprobe. Dieser Bundesstaat zählt
In der Tat kann sie sich nach den äußerst
zu den Staaten, die noch nie eine „alternan-
erfolgreichen Landtagswahlen vom Juni
cia“, d.h. einen Machtwechsel erlebt haben.
2016 in ihrem Kurs bestätigt sehen, auch
Selbst dies scheint nach den überraschen-
wenn ihre aktuelle Stärke sicherlich zu ei-
den Ergebnissen der Landtagswahlen im Ju-
nem nicht unbeträchtlichen Teil auf die
ni 2016 und dem jetzigen politischen Erd-
Schwäche der PRI und nur begrenzt auf ei-
beben nicht mehr ausgeschlossen. Aber
gene Leistungen zurückzuführen ist.
selbst ein knapper Machterhalt bei starken
Stimmenverlusten würde definitiv das Ende
Die Opposition sollte sich jedoch nicht zu
der Machtoptionen der PRI für 2018 einläu-
sicher fühlen. Die Landtagswahlen vom Juni
ten. Eine weitere Polarisierung der politi-
2015 haben gezeigt, dass die Wähler durch-
schen Auseinandersetzungen in Mexiko ist
aus auch zu anderen Alternativen, bei-
daher zu erwarten.
spielsweise unabhängigen Kandidaturen
greifen, wenn sie keines der traditionellen
“So weit weg von Gott, und so nah an den
Parteiangebote überzeugt. Die Aussichten
USA“, so lautet ein altes Sprichwort in Me-
der PAN werden daher wesentlich auch da-
xiko. Mit der Einladung Trumps hat sich die
von abhängen, wie sie sich in den von ihnen
Regierung Peña Nieto die USA so nah in die
geführten Landesregierungen und Kommu-
mexikanische Innenpolitik geholt wie nie
nen darstellt.
zuvor. Und außenpolitisch, wer auch immer
im November in den USA gewählt werden
Harte Zeiten
sollte, hat die Regierung keinen Stich gemacht.
Staatspräsident Peña Nieto stehen harte
Zeiten bevor. Die Phase der parteiübergrei-
Dieses Kapitel mexikanischer Diplomatie-
fenden und reformorientierten Zusammen-
Geschichte wird mit Sicherheit Eingang in
arbeit, die die ersten beiden, durchaus er-
künftige Lehrgänge in der Ausbildung der
folgreichen Jahre seiner Regierung prägten,
Nachwuchsdiplomaten einfließen, wenn-
sind bereits seit 2014 vorbei. Seit dieser
gleich kaum im Kapitel der „best practices“-
Zeit stagniert der Reformprozess, wichtige
Beispiele.
neue Impulse blieben aus.