wohlfühlen+genießen D ie ersten kultivierten Pflanzen in der Menschheitsgeschichte waren vermutlich Feigenbäume, diesen Schluss legt die Untersuchung eines israelisch-amerikanisches Forschungsteams nahe. Danach wurden im Westjordanland bereits vor 11 400 Jahren Feigen gezüchtet, also etwa 5 000 Jahre, bevor Trauben, Datteln oder Oliven gezielt angebaut wurden. Kein Wunder, denn kaum ein anderes Obst schmeckt so köstlich wie eine frisch vom Baum gepflückte Feige. Und weil viele Sorten auch in unserem Klima gedeihen, muss man nicht in den Süden reisen, um in diesen Genuss zu kommen. Ein Pflänzchen als Souvenir aus dem Urlaub mit nach Hause zu nehmen ist verlockend, doch nicht nur das Aus- An einem geschützten Platz oder in großen Pflanzkübeln kann man auch bei uns viele honigsüße Früchte mit samtiger Haut ernten. Wichtig ist die richtige Sortenwahl Im Sommer pflückt man die meist etwas größeren Blühfeigen. Die Herbstfrüchte fallen bei vielen Sorten kleiner, aber besonders zahlreich aus und schmecken ebenso köstlich Exotischer Genuss: Fruchtfeigen graben wild wachsender Feigen hat seine Tücken. Auch viele dort angebotene Züchtungen (Smyrna-Feigen) reifen in unserem Klima nicht aus oder werfen ihre Früchte vorzeitig ab, weil sie auf die Befruchtung durch eine winzige Schlupfwespenart angewiesen sind, die nur im Mittelmeerraum vorkommt. Selbstfruchtende Feigen entwickeln auch ohne Bestäubung essbare Früchte. Außerhalb begünstigter Wein- oder Obstbaugebiete wählt man bevorzugt Sorten, die viele Blühfeigen bilden. So bezeichnet man Früchte, die an den letztjährigen Zweigen gebildet werden und schon im Hochsommer reifen. Sorten, die eine Sommer- und Herbsternte ermöglichen, sollte man nur in milden Lagen auspflanzen. Herbstfrüchte entstehen jeweils an den Bei dunklen Fruchtfeigen färbt sich die Haut bei Vollreife braun oder tiefviolett. Im Innern sorgen knusprige Kerne für den charakteristischen Biss Ein Feigenbaum verleiht dem Garten mediterranen Charme. Ein jährlicher Formschnitt bewahrt den kompakten Wuchs und fördert den Fruchtansatz Christoph Seiler kultiviert in seiner Feigen-Baumschule viele historische und neuere Sorten für den Garten DAS SAGT DER EXPERTE Wählen Sie den wärmsten und sonnigsten Platz Welche Voraussetzungen erfordert der Feigen-Anbau? Vor dem Kauf sollte man genau überlegen, welche Feige zum geplanten Standort passt. Es gibt keine Sorte, die in unserem Klima vollkommen frosthart ist, doch viele wie die ‘Pfälzer Fruchtfeige’ sind erstaunlich robust, die Früchte von ‘Ronde de Bordeaux’ reifen auch in einem regenreichen Sommer aus. Will man Feigen auspflanzen, wählt man den sonnigsten und wärmsten, vor kaltem Nordwind geschützten Platz. Ideal ist eine nach Süden oder Südwesten ausgerichtete Wand. In Regionen mit frühem Wintereinbruch oder Spätfrostgefahr zieht man Feigenbäume besser im Kübel. Am Zweig ausgereifte Früchte entfalten auch nördlich der Alpen ihr unvergleichliches Aroma. Der Anbau von Sorten wie ‘Pastilière’, auch ‘Rouge de Bordeaux’ genannt, hat eine jahrhundertelange Tradition 76 Fotos: GBA/Martin Staffler/Strauß, Feigenbaumschule Seiler, Shutterstock (2), Friedrich Strauß Wie geht man beim Düngen vor? Ein Feigenbaum braucht hauptsächlich Kalium und Phosphor, jedoch ganz wenig Stickstoff. Handelsübliche Universaldünger oder Horndünger sollte man also nicht verwenden. Darauf entwickeln Feigen unnatürlich große Blätter, weiche Triebe und bilden nur noch wenig Früchte. Gut geeignet sind Beerendünger oder Langzeitdünger, bei denen die Nährstoffe gleichmäßig über 2–3 Monate freigesetzt werden. Ab August stellt man die Düngung ein, damit das Holz ausreifen kann. Was ist beim Schnitt zu beachten? Das Wichtigste ist, dass man den Feigenbaum und auch Büsche nicht zu dicht werden lässt und durch regelmäßiges Auslichten für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Blättern und Früchten sorgt. Abgestorbene Triebe nimmt man ebenfalls heraus, um Fäulnis, Schädlings- oder Pilzbefall vorzubeugen. Oktober 2016 | MEIN SCHÖNER GARTEN 77
© Copyright 2024 ExpyDoc