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Elektronik
Fahrbericht Fendt 211 V X-pert:
Ohne Fahrer den
Weinberg pflegen
Über die Fernbedienung
kann der Betriebsleiter
seinen vollautomatischen
Fendt 211 V X-pert starten und jederzeit stoppen.
Alle Pflegearbeiten erfolgen im Weinbau immer wieder in den
gleichen Spuren. Das sind ideale Voraussetzungen für einen
autonom fahrenden Traktor mit Technik von Precision Makers.
Der Fendt 211 V parkt hier nicht im Weinberg, sondern fährt ohne Fahrer. Die Firma Precision Makers aus den Niederlanden hat den Fendt automatisiert.
Anja Böhrnsen
V
iele Stunden seiner Arbeitszeit
verbringt der Winzer mit dem
Mulchen der Gassen, dem Schneiden der Reben und dem Pflanzenschutz. Dabei sitzt er oft selbst auf seinem
Schmalspurtraktor. Doch als Betriebs­leiter
muss er auch planen, organisieren, einkaufen, telefonieren etc. Tut er alles parallel,
leidet unter Umständen die Qualität der
Arbeit; oder er bekommt am Ende des Tages
Stress, weil noch die Büroarbeit wartet.
Hätte er einen Fahrer, so bliebe mehr Zeit
für die dispositiven Arbeiten.
profi 10/2016
Der autonom fahrende Fendt 211 V
mit der Robotertechnologie X-pert
von Precision Makers ist eine Alternative
zur Entlastung des Betriebsleiters. Precision
Makers ist ein niederländisches Unternehmen, das sich auf technische Lösungen für
das Precision Farming spezialisiert hat. Seit
2008 entwickelt Precision Makers Roboter
für Offroad-Fahrzeuge. Dazu gehören z. B.
ein Fendt 936 Vario sowie ein vollständig
autonom arbeitender Spindelmäher für die
Golfplatzpflege. Der Fendt 936 mit der
Robotertechnik von Precision Makers erle-
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digt in Australien auf einem landwirtschaftlichen Betrieb fahrerlos den Pflanzenschutz.
Precision Makers rüstet auf Wunsch
Fendt-Traktoren der Baureihen 200, 500,
800 und 900 mit seiner Robotertechnik aus.
„Die Fendt-Traktoren sind dafür ideal, weil
sie ein stufenloses Getriebe haben und alle
Fahrfunktionen, außer der Handbremse,
elektrisch (also per Drive-by-Wire) betätigt
werden“, erklärt Ralf Kroonen, Produktmanager von Precision Makers. Für den Fendt
211 V kostet die Roboterausstattung rund
38 000 Euro ohne Mehrwertsteuer.
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Um die Fahrgeschwindigkeit, die
Motordrehzahl, die Zapfwellendrehzahl und die Stellung des Hubwerks
beeinflussen zu können, zapft Precision
Makers mit seinem Steuerrechner den CANBus vom Schlepper an. Außerdem benötigt
das Robotersystem Informationen über den
aktuellen Lenkwinkeleinschlag, die Fahrt­
richtung und die Neigung des Traktors. Dazu
werden ein Lenkwinkelsensor und ein
3D-Gyroskop eingebaut. Und außerdem
empfängt die GPS-Antenne (von Septentrio)
auf dem Dach des Schleppers die Positionssignale von GPS- und GLONASS-Satelliten
und verarbeitet RTK-Korrekturdaten.
So ausgestattet kann der Schlepper sehr
präzise automatisch gelenkt in den Gassen
zwischen den Weinreben fahren. Und was
vor allem wichtig ist: Die einmal aufgezeichneten Fahrspuren lassen sich an genau derselben Stelle beliebig oft und mit beliebig
großem Zeitabstand wiederholen. Das dazu
notwendige RTK-Signal kann entweder via
Internet und Mobilfunk von einem RTKDienst wie dem FarmRTK von Axio-Net
kommen oder auch von einer RTK-Station,
die in Funknähe festinstalliert ist oder mobil
am Feldrand aufgestellt wird.
Für die Bedienung baut Precision Makers in
der Kabine einen 12 Zoll großen, farbigen
Touchscreen-Computer in einem spritzwassergeschützten und staubdichten Alu­
gehäuse ein.
Die Stoßstange
vorne am Schlepper klappt ein,
wenn sie ein Hindernis berührt.
Der Schlepper
stoppt dann, und
der Motor geht
aus.
Fotos: Böhrnsen
Durch Drücken des roten
Notausknopfes bringt
man den fahrerlosen
Traktor sofort zum Stillstand. Erkennt der Ultraschallsensor darüber ein
Hindernis, verlangsamt
der Fendt mit X-pertAusstattung seine Fahrt.
Der Magnetsensor (rechtes Bild) stoppt die Fahrt
des Schleppers und den
Motor, wenn die Stoßstange herangedrückt
wird.
einem Ultraschallsensor aus. Der Ultraschallsensor erkennt 10 m entfernte Hindernisse vor dem Schlepper, ignoriert
aber, so als hätte er Scheuklappen, die
seitlich verlaufenden Rebstöcke. Für den
Einsatz auf dem Feld würde Precision
Makers einen Radarsensor nutzen, da
dieser ein breiteres Sichtfeld hat.
Die Bedienung ist einfach. Als Erstes
muss der Fahrer den Roboter anlernen. Das heißt, die Fahrtroute muss
zunächst einmal abgefahren und aufgezeichnet werden. Dazu gibt er der neuen
Route einen Namen und startet mit der
„Teach“-Taste den Aufzeichnungsmodus.
Während der Aufzeichnung schreibt das
System die genauen GPS-Koordinaten, die
Fahrgeschwindigkeit usw. mit.
Jede gespeicherte Route kann später über
die „Playback“-Taste wieder abgerufen werden. Um eine gewählte Route im Automatikfahrbetrieb starten zu können, muss der
Fahrer vorher bis auf 20 cm genau an den
Startpunkt der Route heranfahren. Erst
dann lässt sich der Roboter aktivieren. Aktivieren heißt aber noch nicht losfahren. Den
endgültigen Befehl zum Losfahren gibt der
Fahrer über einen Knopf an einer Fernbedienung. Bevor er das tut, kann er absteigen. Vorher muss er noch die Handbremse
lösen. Das ist die einzige Funktion, die Fendt
nicht elektronisch ansteuert.
Das Absteigen ist in Deutschland allerdings
nur bedingt erlaubt. In der Theorie müsste
profi 10/2016
Nur einmal muss der Fahrer selbst fahren.
Dabei dokumentiert das System mit GPS und
RTK die Fahrtroute und Fahrgeschwindigkeiten sowie Hubwerkspositionen und ob die
Zapfwelle eingeschaltet ist.
das Gelände, auf dem sich der fahrerlose
Traktor bewegt, eingezäunt sein. Doch wie
ein solcher Zaun genau auszusehen hat, darüber gibt es bisher keine Vorschriften. Wer
also im Weinberg von seinem autonom fahrenden Fendt 211 V X-pert absteigt, bewegt
sich rechtlich in einer Grauzone. Wie Ralf
Kroonen sagt, würden die Versicherungen
mitmachen, solange der „Nicht-mehr-Fahrer“ den fahrerlosen Schlepper immer im
Blick hat.
Damit es möglichst nicht zu Kollisionen mit
Hindernissen kommt, stattet Precision
Makers den Schmalspurtraktor vorne mit
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Erkennt der Sensor ein Hindernis,
verlangsamt der Fendt 211 V mit
X-pert-Robotersystem seine Fahrt auf
nur noch 1,5 km/h. Eine Person hätte nun
Zeit, sich in Ruhe aus dem Gefahrenbereich
wegzubewegen. Anschließend erhöht der
Roboter die Fahrgeschwindigkeit wieder.
Das Hindernis muss dabei nicht groß sein.
Auch in die Gasse hereinragende Äste
würde der Sensor sehen. Verschwindet ein
vom Ultraschallsensor erkanntes Hindernis
nicht von selbst, sondern ist auch bei nur
noch 1,5 m Entfernung erkennbar, bleibt der
Fendt davor stehen.
Stößt der Schlepper dann trotzdem noch mit
dem Hindernis zusammen, klappt die von
Precision Makers installierte Stoßstange
einige Zentimeter nach hinten. Dadurch löst
dann ein Magnetschalter den Not-Stopp aus.
Daraufhin bleibt der autonom fahrende
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Während einer Vorführung der RWZ
Rhein-Main, die den von Precision Makers
Zwischen den Weinreben ist nicht viel Platz.
Um hier keinen Schaden zu machen, muss der
Fahrer hoch konzentriert sein. Der Fahrroboter
von Precision Makers schafft das automatisch.
umgerüsteten Fendt 211 V X-pert vertreibt,
konnten wir uns von der Funktion der Robotertechnik auf dem Schlepper überzeugen.
Er lenkte selbsttätig in die Gassen hinein,
konnte dabei auch automatisch rückwärts
rangieren und fuhr zentimetergenau zwischen den Rebstockreihen. Er verlangsamte
die Fahrt, wenn man vor dem Traktor im
Sichtfeld des Ultraschallsensors lief, und
war sofort aus, wenn man mit dem Fuß die
Stoßstange zum Anklappen brachte.
Aber Kaninchenlöcher sind ein Problem. Das
gaben die anwesenden Weinbauern zu
bedenken. Kaninchenlöcher bringen den
Dieser Fendt 211 V ist mit einem GNSS-RTK-­
Empfänger, einem 3D-Gyroskop, einem Lenkwinkelsensor, einem Elektro-Hydraulikblock
und einem Jobrechner ausgestattet.
Auch das Wenden und Wiedereinfädeln in die
nächste Gasse macht der Fendt 211 V mit der
X-pert-Technik von Presicion Makers autonom
ohne Fahrer.
Was uns sonst noch auffiel:
■■ Der Bediencomputer ist internetfähig.
Über diese Verbindung kann Precision
Makers von außen auf den Rechner zugreifen, z. B. für eine Fernwartung oder um bei
Problemen mit der Bedienung zu helfen.
Eine Fernüberwachung mit Datenüber­
tragung auf den Büro-PC gibt es nicht.
■■ Die gespeicherten Routen lassen sich per
USB-Stick herunterladen. Ein Bearbeiten der
Routen am Büro-PC ist nicht möglich.
■■ Wer das vollautomatische Lenksystem
auch auf dem Acker einsetzen möchte, kann
die Funktion A-B-Linien freischalten lassen
(Aufpreis rund 2 000 Euro ohne MwSt.).
■■ Precision Makers kann alle Joystickfunktionen übernehmen und ansteuern. Das
heißt, jede während der Aufzeichnung
genutzte Funktion wird anschließend im
Automatikbetrieb auch automatisch abgespielt. Als Option bietet Precision Makers
darüber hinaus auch das Ansteuern einer
Pflanzenschutzspritze (rund 2 250 Euro
ohne MwSt.) oder von Hydraulikfunktionen
eines Laubschneiders (plus 1 450 Euro ohne
MwSt.) an.
■■ Die maximale Fahrgeschwindigkeit im
Automatikbetrieb beträgt 7,5 km/h.
■■ Der Federspeicher, welcher bei Kollision
mit einem Hindernis eine Notbremsung
auslöst, wird bei Straßenfahrt verriegelt.
Fazit: Der Fahrer eines Roboter-Schleppers
Traktor sofort stehen, der Motor stoppt,
und ein Federspeicherzylinder schließt
die Handbremse. Nur 5 kg Gegengewicht
sind nötig, um die Stoßstange zum Anklappen und so den Notausschalter zum
Ansprechen zu bringen.
Bei einem Notaus kann der Bediener über die Fernbedienung den
Fendt nicht mehr in Bewegung setzen. Er ist
so gezwungen, hinzugehen und nachzusehen, was los ist. Mit einer Frontsichtkamera,
die Precision Makers auf Wunsch installiert,
könnte er aus der Ferne sehen, warum der
fahrerlose Traktor stehen geblieben ist.
Der autonom fahrende Fendt mit dem
X-pert-System bleibt nicht nur vor Hindernissen stehen, sondern auch dann, wenn die
Funkverbindung zur Fernbedienung abreißt,
kein GPS oder kein RTK verfügbar ist, oder
der Traktor die Route um mehr als 5 cm verlässt. Bleibt der selbstfahrende Traktor für
länger als eine Minute stehen, sendet das
System eine SMS auf das Handy des Bedieners. Auch bei einem Notaus oder wenn der
Tankfüllstand unter 20 Prozent sinkt, wird
eine Nachricht versandt.
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Die gespeicherte Route kann immer wieder
zentimetergenau automatisch und ohne
Fahrer nachgefahren werden.
durch die Reihen fahrenden Traktor unter
Umständen so stark zum Schwanken, dass
der Fahrer insbesondere beim Laubschneiden sehr gut aufpassen muss. Er muss den
Löchern entweder so gut es geht ausweichen oder eben langsam durchfahren. Sonst
würde er die Weinreben beschädigen.
Precision Makers hat für dieses Problem
keine Lösung. „Die durch das seitliche
Schwanken ausgelösten Bewegungen
müsste der angebaute Laubschneider ausgleichen. Solche Systeme mit Tastern oder
Sensoren gibt es schon“, sagt Ralf Kroonen.
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braucht kein Experte zu sein. Mithilfe von
genauem RTK-GPS zeichnet das X-pertSystem von Precision Makers die Fahrtroute auf. Anschließend kann diese immer
wieder automatisch nachgefahren werden.
Ein zusätzliches Steuergerät beeinflusst
dabei nicht nur den Lenkeinschlag und die
Fahrgeschwindigkeit, sondern kann auch
die Zapfwelle oder das Hubwerk ansteuern.
Precision Makers rüstet Fendt-Traktoren mit
der Robotertechnik aus.
Das System für den Fendt 211 V kostet rund
38 000 Euro ohne Mehrwertsteuer. Im
Weinbau ist es geeignet für wiederkehrende
Arbeiten wie das Mulchen oder den Pflanzenschutz. Es entlastet den Fahrer und
besonders den Betriebsleiter, weil er nicht
mehr selbst tagelang auf dem Schlepper
sitzen muss.
Hersteller
Precision Makers
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precisionmakers.com
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