CARECAMP DEMENZ 2016 „Ich fühle mich gar nicht dement.“ ERKENNTNISSE AUS DER BETROFFENENORIENTIERTEN DEMENZFORSCHUNG FÜR DIE PRAXIS. © Schönborn Raphael 1 ÜBERBLICK Forschen mit Menschen mit Demenz (MmD) am Beispiel der Studie: Demenzsensible psychosoziale Intervention. Subjektorientierte partizipative Interviewstudie mit Menschen mit dementiellen Beeinträchtigungen. (Schönborn 2016). 2 Forschungsfragen Wie erleben und bewerten Betroffene dementielle Beeinträchtigungen? Wie werden dementielle Beeinträchtigungen von den Betroffenen bewältigt und wie wollen sie dabei unterstützt werden? Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Demenzwahrnehmung und -bewältigung der Betroffenen für bedarfsgerechte, psychosoziale Unterstützung ableiten? 3 TeilnehmerInnen 21 Interviews mit fünf MmD TN Geschlecht Bildung Alter MMSE Unterstützung C W Hochschulabschluss 69 20 Familie, GT, TZ, PSI G W Hauptschule 77 25 Alleinstehend, PSI E M Hochschulabschluss 70 26 Familie, TZ, PSI P M Hauptschule 77 15 Familie, TZ, PSI W W Matura 61 20 Familie, 24h, PSI 4 Forschen mit Menschen mit Demenz (MmD) MmD kommen kaum zu Wort (Fremdbestimmung) „Wissen“ über Demenz stammt aus der Außenperspektive (Medizinwissenschaft, An/Zugehörige, Medien etc.). Wenig partizipative Wissenschaftstradition. Hohe methodische und ethische Anforderungen. 5 Forschen mit Menschen mit Demenz (MmD) Fähigkeit zur Einwilligung ist die Grundvoraussetzung. Medizinischen Diagnose nicht alleiniges Kriterium für Einwilligungsfähigkeit. Informed-Consent-Prinzip (Informationsvermittlung, verständnis, freie Entscheidung, Selbstbestimmungs-/ Einwilligungsfähigkeit) (vgl. Klie 2014: 6). 6 Forschen mit Menschen mit Demenz (MmD) Partizipative Forschung Teilhabe am Forschungsprozess als ExpertInnen ihrer eigenen Lebenswelten (Co-ForscherInnen). Problemlösende Erkenntnisse nur durch Beteiligung der problemlösenden Subjekte (vgl. Strübing 2004: 16). „Nothing about us, without us.“ (Trotzdemenz 2015). Österreichische Demenzstrategie (Juraszovich et al. 2015). Perspektive der Betroffenen in der Forschungspraxis sichtbar machen. Wünschen und Bedürfnissen in Bedarfserhebung miteinbeziehen (vgl. ebd.: 11). 7 Befragung Befragung der TN nach den Prinzipien der persönlichen Assistenz, der assistierenden Entscheidungen, dem Informde-ConsentPrinzip (vgl. Au et al. 2014) bzw. indirect repair (Stechl 2006: 121). Befragung zur Demenzwahrnehmung, -bewältigung, -bewertung, Wünsche und Bedürfnisse insbesondere für Unterstützung. Narrative Ausrichtung. und Transkription der Interviews als Datenmaterial. 8 Befragung Beispiel: R: Wie geht es Ihnen? C: Ja, eigentlich, eigentlich normal. Die Standardantwort. R: „Die Standardantwort.“ Können Sie das etwas ausführen? Was heißt für Sie normal? C: Normal heißt, zu funktionieren. R: „Normal heißt, zu funktionieren.“ C: Also keine besonderen Vorkommnisse. Ich versuche natürlich schon zu funktionieren. (C4, S. 1, 1-7). 9 Ergebnisse: Theoretisches Modell 10 Ergebnis: Subjektive Demenzwahrnehmung 11 Ergebnis: Bewältigungsstrategien 12 Ausgewählte Ergebnisse „Fähigkeit zur Selbsterhaltung“ durch subjektive Demenzwahrnehmung und –bewältigung. Fähigkeit zur Selbstreflexion erlebter Beeinträchtigungen. Kein Krankheitsempfinden und de facto keine Krankheitseinsicht. Individuelle Adaptionsprozesse (Akzeptanz, Widerstand, Hinnehmen-Müssen, Löschen, Verdrängen). 13 Ausgewählte Ergebnisse Aktive Bewältigungsprozesse Selektion, Optimierung und Kompensation (SOK-Modell, Baltes, Baltes 1990). Selbstorganisation (Terminkalender, Notizen, Angehörige etc.). Vermeidung von Defizitkonfrontationen. Optimierung vorhandener Ressourcen. Positionierung als „Demenzpatient“ wird abgelehnt. Dementielle Beeinträchtigungen werden als „Schwäche“, „Einschränkung“, „Alterserscheinung“ definiert (subjektive Theorien). 14 Ausgewählte Ergebnisse Wunsch und Bedürfnis nach Mündigkeit, Autonomie, Selbstbestimmung und Toleranz hinsichtlich ihrer Schwächen. Bemühen erlebten Beeinträchtigungen keine zu große Bedeutung beizumessen und Wunsch, dass diese von der sozialen Umgebung nicht überbewertet und problematisiert werden. 15 Ausgewählte Ergebnisse Psychosoziale Intervention Subjektorientierung wesentlich für bedarfsgerechte, demenzsensible Unterstützung. Individuelle Demenzwahrnehmung und -bewältigung als „Fähigkeit zur Selbsterhaltung“ unterstützen. 16 Wieso ist das wichtig? MmD in der Forschungspraxis sichtbar machen. Sichtweise von MmD erkennen und sich daran orientieren. Evidenzbasierte Bedarfsbestimmung. Beitrag zur Selbstbestimmung und Partizipation. 17 Zitat aus der Studie mit MmD „Es ist eine Schwächung, so wie die Kondition schwächer wird, werden halt gewisse andere Dinge auch etwas schwächer. Es ist nicht mehr so viel Kraft da, wie in jungen Jahren. Es ist im Grund genommen ein Alterungsprozess.“ 18 Zitat aus der Studie mit MmD „Ich fühle mich gar nicht dement.“ 19 Zitat aus der Studie mit MmD „Das ist typisch, dass ich atypisch bin.“ Zitat aus der Studie mit MmD „Dieses Wort Demenz. Mein Gotteswillen. Das ist ja Verlust des Verstandes. Geisteskrankheit.“ Zitat aus der Studie mit MmD „Ich finde, ich habe auch ein Recht [...]die Dinge so zu sagen, wie ich sie sehe und nicht wie wer anderer [...] – solange ich das kann und ich will das sicher auch nach Möglichkeit.“ Zitat aus der Studie mit MmD „Ich wünsche mir, dass ich mit normalen Dingen konfrontiert werde.“ Zitat aus der Studie mit MmD „Ich bin ein Mann, der nichts kann.“ 24 Danke für Ihre Aufmerksamkeit und es würde mich freuen, wenn Sie mir auf Facebook und/oder Twitter folgen würden.
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