Abstracts-Broschüre - kehlkopfoperierte

SYMPOSIUM
SPÄTFOLGEN BEI
THERAPIEN VON
KOPF-HALS-TUMOREN
ABSTRACTS
Charité Virchow Klinikum – Mittelallee 10
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Selbsthilfeverein der Kehlkopfoperier ten
Berlin und Umland, Landesverband-Berlin e.V.
Redaktion:
Charité Comprehensive Cancer Center,
Komm. Direktor: Prof. Dr. U. Keilholz
Koordination: Cornelia Große
Produktion:
Michael Ley,
Vorsitzender des Selbsthilfevereins der Kehlkopfoperierten Berlin und Umland,
Landesverband-Berlin e.V.
Mit freundlicher Unterstützung der Techniker Krankenkasse Berlin-Brandenburg
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GRUSSWORT
Liebe Mitglieder des Selbsthilfevereins der Kehlkopfoperierten,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Gäste,
heute treffen wir uns für eine besonders
wichtige Diskussion. Es geht dieses Mal
nicht um neue Therapieverfahren für
Patienten mit Kopf-Hals-Karzinomen,
sondern darum, was die unterschiedlichen Behandlungen für mittelfristige
und langfristige Folgen haben. Dies ist
ein zentrales Thema sowohl für alle
Patienten mit Kopf-Hals-Karzinom als
auch für die betreuenden Ärzte, die Behandlungsformen entwickeln.
Und es ist ein interdisziplinäres Thema,
da die Diagnostik und Behandlung der
Spätfolgen durch ein ganzes Team aufgenommen werden muss. Daher haben
wir in dem Programm Beiträge aus ganz
unterschiedlichen Fachgebieten zusammengeführt. Wir freuen uns auf interessante Vorträge und eine spannende
Diskussion mit dem Ziel, die Lebensqualität von Kopf-Hals-Karzinom-Patienten
langfristig zu verbessern.
Prof. Dr. Ulrich Keilholz
Komm. Direktor CCCC
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Liebe Teilnehmerinnen, lieber
Teilnehmer,
ein wichtiger Teil unseres Vereinskonzeptes ist einerseits die Aufklärung und
Information von Patienten und deren
Angehörigen, andererseits aber auch
die Vermittlung relevanten Fachwissens
an medizinische Fachkräfte.
Ich bin überzeugt, dass die aktive Mitwirkung von Patienten einen großen
Einfluss auf den Erfolg der Therapie
haben kann und damit die Chance auf
Heilung wesentlich erhöht wird.
Der wissende, mündige Patient ist für
mich keine Fiktion, sondern ein großes
Ziel unseres Selbsthilfevereins.
Wir freuen uns, Sie hier begrüßen zu
dürfen und wünschen Ihnen und uns interessante Vorträge und Diskussionen.
Michael Ley
Selbsthilfeverein der Kehlkopfoperierten
Berlin und Umland, Landesverband-Berlin e.V.
VORSITZENDE UND REFERENTEN
Elke Berger
Ambulante Sozialberatung
Charité Comprehensive Cancer Center
Viktoria Müller
Psychoonkologie
Charité Comprehensive Cancer Center
Klinik und Poliklinik Hals-, Nasen-,
Ohrenheilkunde CCM
PD Dr. Dr. Jan Dirk Raguse
Komm. Leiter der Klinik für Mund-,
Kiefer- und Gesichtschirurgie CVK,
CBF
Sebastian Exner
Klinik für Radioonkologie und
Strahlentherapie CVK
Martina Schäuble
Psychoonkologie
Charité Comprehensive Cancer Center
PD Dr. Önder Göktas
HNO Zentrum am Kudamm
Berlin-Charlottenburg
PD Dr. Rainer Seidl
Klinik für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten
Unfallkrankenhaus Berlin (ukb)
Prof. Dr. Ulrich Keilholz
Komm. Direktor
Charité Comprehensive Cancer Center
Dr. Katharina Stölzel
Klinik und Poliklinik Hals-, Nasen-,
Ohrenheilkunde CCM
Dr. Steffen Dommerich
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PROGRAMM
TEIL 1 - VORSITZ:
TEIL 2 - VORSITZ:
Prof. Keilholz, PD Dr. Dr. Raguse
M. Schäuble, Dr. Dommerich
9:00 Einlass
9:45 Begrüßung
Prof. U. Keilholz (CCCC),
M. Ley (SHV)
12:10 Auswirkungen der
medikamentösen Therapie
Prof. Dr. U. Keilholz
12:25 Diskussion
10:00 Auswirkungen der
Strahlentherapie
S. Exner
10:15 Diskussion
12:35 Psychische Belastungen
und Wege der Krankheitsverarbeitung
V. Müller
12:50 Diskussion
10:25 Kopf-Hals-Tumore – Auswirkungen auf Nase und Ohr
PD Dr. Ö. Göktas
10:40 Diskussion
13:00 Soziale Unterstützungsmöglichkeiten
E. Berger
13:20 Diskussion
10:50 Nahrungsaufnahme und
Schlucken
PD Dr. R. Seidl
11:05 Diskussion
13:40 Auswertung und Abschluss,
danach Imbiss
11:15
Auswirkungen der Spätfolgen rund um das
Tracheostoma
Dr. K. Stölzel
11:30 Diskussion
Änderungen von Programm und Referen-
11:40 Kaffeepause
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ten sind vorbehalten.
S. EXNER
Auswirkungen der Strahlentherapie
Patienten mit inoperablen lokal fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinomen können kurativ nur mit einer
kombinierten Radiochemotherapie
behandelt werden. Bedingt durch die
Anatomie, Funktionalität und Sichtbarkeit dieser sensiblen Körperregion (Schlucken, Speichelproduktion,
Sprechen, Atmung, Hautverhärtung,
etc.) sind tumor- und therapiebedingte Veränderungen besonders beeinträchtigend für den Patienten. Es
ist bekannt, dass die Rehabilitation
nach einer Therapie bei Patienten mit
Kopf-Hals-Tumoren bis zu einem Jahr
und länger dauern kann. Vor allem
Schluckbeschwerden, Mundtrockenheit mit zäher Schleimbildung und
Lymphödem sind in den ersten Monaten häufig vorhanden. Spätfolgen
können verzögert in den ersten Jahren auftreten.
Die modernen Strahlentherapietechniken (Volumetric Arc Therapy
(VMAT), Intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT), Stereotaxie, Cyberknife, PET-Planungs-CT), wie an der
Charité – Universitätsmedizin Berlin
an den Campi Virchow-Klinikum und
Benjamin Franklin, gewährleisten eine
hochpräzise Bestrahlung mit dem Ziel
einer hoher Tumorwirksamkeit und
optimalen Schonung der empfindlichen Körperregionen, wie der großen
Ohrspeicheldrüsen, Kehlkopf, Rachenhinterwand und anderen für die
Funktion kritischen Strukturen.
Die moderne Strahlentherapie entwickelt sich zu einer personalisierten,
individualisierten und risikoadaptierten Bestrahlung.
Gerade bei Patienten mit Kopf-HalsTumoren hat sich im letzten Jahrzehnt
neben einer besseren Tumorkontrolle,
der Fokus der fortschrittlichen Strahlentherapie auf die Verbesserung der
Lebensqualität erweitert. Besonders
zu erwähnen ist die geringere Rate an
permanenter Mundtrockenheit durch
die „speicheldrüsenschonende“ Bestrahlung mittels IMRT/VMAT. Dadurch
können auch weitere Nebenwirkungen minimiert werden, wie Karies,
Geschmacksstörungen und bleibende
Schluckbeschwerden, die häufig Folgen von Speichelmangel sind.
Physiotherapeutische und logopädische Betreuung vor, unter und nach
der Therapie sind entscheidend für
eine rasche Wiederherstellung der ursprünglichen Funktionalität. Die Mitarbeit des Patienten steht weiterhin
an erster Stelle zur Erreichung des
bestmöglichen Behandlungserfolges.
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NOTIZEN
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PD DR. Ö. GÖKTAS
Kopf-Hals-Tumore – Auswirkungen auf
Nase und Ohr
Bösartige Tumoren des Kopf-HalsBereichs gehören zu den häufigsten
Malignomerkrankungen. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität der erkrankten Patienten generell und auch
mit unterschiedlicher Auswirkung auf
Nase und Ohr. Es sind daher eine frühe
Tumordiagnostik und ein entsprechendes multimodales Therapiekonzept
entscheidend für die weitere Lebensqualität und Prognose.
Insbesondere die Einschränkungen der
Patienten in Bezug auf das Riech- und
Schmeckvermögen wurden bislang
eher unterschätzt. Vorrangig wurden
vor allem die Probleme im Bereich der
Schmerz-, Schluck- und Sprechtherapie behandelt. In den bisherigen Studien wurden auch kaum standardisierte
Verfahren zur Riech- und Schmecktestung herangezogen.
Die Einschränkungen des Riech- und
Schmeckvermögens nach Laryngektomie sind zwar bekannt, sollten aber
besser mit den betroffenen Patienten
besprochen werden.
Interessant scheint in diesem Zusammenhang auch die Überlegung, veränderte Applikationsmethoden topischer
Kortikosteroide in der Behandlung
dieser funktionell-anatomisch bedingten Riechstörung nach Laryngektomie
einzusetzen. Entsprechende Voruntersuchungen an nicht laryngektomierten
Patienten existieren bereits und haben hier signifikant verbesserte Ergebnisse des sog. SDI Score (SchwelleDiskrimination-Identifikation) gezeigt.
Zusammenfassend lässt sich sagen,
dass weitere technisch-apparative
Verbesserungen erforderlich sind, damit insgesamt ein effektiverer Beitrag
zur Rehabilitation des Riechvermögens nach Kopf-Hals-Tumoren geleistet werden kann und eine Atrophie des
Bulbus olfactorius, des sog. Riechkolbens verhindert wird.
Die zeitnahe Rehabilitation der Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren bezüglich
des Riech- und Schmeckvermögens
ist ein wichtiger Faktor und kann die
Lebensqualität der betroffenen Patienten verbessern.
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NOTIZEN
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PD DR. R. SEIDL
Nahrungsaufnahme und Schlucken
Neben einem tumorfreien Überleben
des Lebens Luftröhrenschnitte
muss der Erhalt oder die Wiederherangelegt und für die Nahrungsaufstellung der Lebensqualität Ziel einer
nahme Sonden gelegt werden. Eine
Behandlung von Kopf-Hals-Tumoren
solche Ausdehnung des Tumors
sein. Die Lokalisation der Tumoren
macht es schwer, im Rahmen einer
im Kopf-Halsbereich bedeutet für die
Tumorbehandlung die zerstörten
Betroffenen dabei vor allem den ErFunktionen wieder herzustellen.
halt oder die Wiederherstellung der
Ist der Tumor auf den Kehlkopf
oralen Nahrungsaufnahme mit einer
beschränkt, gelingt die WiederAtmung über Mund und Nase. Bereits
herstellung des Schluckens nicht
in der Behandlung der Erkrankung
selten durch eine Kehlkopfentfermüssen in vielen Fällen für den Erhalt
nung. Für die Atmung ist dann aber
des Lebens Ernährungssonden und
ein Tracheostoma notwendig und
Luftröhrenschnitte angelegt werden.
das Erlernen eines neuen SpreDie Entfernung dieser Veränderungen
chens.
steht im weiteren Verlauf der Erkrankung für Patienten im Mittelpunkt. • Die durch die operative Behandlung entstehenden EinschränStudien zeigen leider, dass dies bei
kungen
einem Viertel der Patienten weiterhin nicht möglich ist. Ursachen dafür
Auch an dieser Stelle gilt, dass die
können sein:
Ausdehnung des Tumors den Funktionsverlust nach einer Entfernung
• Die zu Beginn der Behandlung
mitbestimmt. Dabei müssen die
bereits vorhandenen Einschrändurch den Operateur gewählten
kungen
Rekonstruktionsverfahren in der
Nicht selten kommen Patienten
Lage sein, die durch eine Entfererst spät in eine Behandlung, die
nung zu erwartenden EinschränErkrankung ist bereits weit fortkungen auszugleichen. Darauf
geschritten. Die Ernährung und
muss bei dem Einsatz von RekonAtmung ist bereits stark eingestruktionsverfahren geachtet werschränkt oder aufgehoben. In solden.
chen Fällen müssen für den Erhalt
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Die Schluckabläufe müssen trainiert
oder gelernt werden. Das Erlernen
und Training der Schluckfunktionen
muss möglichst frühzeitig beginnen,
idealerweise bereits nach einer Operation, über den Verlauf und nach Abschluss einer Strahlentherapie. Dies
muss vor allem der Patient leisten,
angeleitet durch Therapeuten. Ein
Therapeut kann nur 30-60 Minuten
pro Woche Hinweise für die Therapie
geben, in der übrigen Zeit muss der
Patient selber schlucken. Dies muss
dem Patienten bewusst gemacht werden, hier können ihn seine Familie
oder Freunde unterstützen.
Schluckstörungen in Folge einer Tumorerkrankung sind für die Lebensqualität von entscheidender Bedeutung. Dies umfasst nicht alleine die
direkten Folgen der Behandlung, sondern bei verbesserter Überlebenszeit
heute auch die Spätfolgen unserer
Behandlung. Eine frühzeitige interdisziplinäre Diskussion der Behandlungsmaßnahmen und unterstützenSchlucken ist ein dynamischer Pro- der Einflüsse sollten heute Standard
zess, der nur erhalten bleibt, wenn eines Behandlungsteams sein. Dabei
man ihn beständig übt. Dies ist im sollten in einer Diskussion nicht algesunden Zustand kein Problem. Wir leine Überlebensaspekte eine Rolle
schlucken ca. einmal pro Minute, wir spielen, sondern auch die Lebensquahaben ausreichend Potenzial, auch lität, die nicht selten im Kopf-Halsbemit Problemen gut umzugehen. Im reich am Schlucken bemessen wird.
Rahmen einer Tumorerkrankung und
ihrer Behandlung ändert sich dies.
Dieser Grundsatz gilt auch für
den Einsatz von Bestrahlungsverfahren. Durch moderne Planungs- und Bestrahlungsverfahren
ist man heute in der Lage, auch
kleine Strukturen (z.B. Kaumuskeln, Speicheldrüsen), die nicht
im Bereich des Tumors liegen zu
schonen. Dies führt inzwischen zu
einer deutlichen Verringerung der
Folgen einer Bestrahlung. Voraussetzung für einen solchen Erfolg
ist eine intensive Kommunikation
zwischen allen Behandlern. Diese
Kommunikation sollte nicht erst
nach Ende einer Bestrahlung erfolgen, sondern bereits vor Beginn der Tumorbehandlung z.B. in
Tumorkonferenzen erfolgen. Dabei
sollten die Chancen und Folgen
einer Behandlung und mögliche
supportive Verfahren (z.B. Verlagerung von Speicheldrüsen, Lösen
von Kaumuskulatur) immer kritisch
mit Blick auf den Patienten diskutiert werden.
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DR. K. STÖLZEL
Auswirkungen der Spätfolgen
rund um das Tracheostoma
Viele Patienten mit Kopf-HalsTumoren
benötigen lebenslang oder vorübergehend für die Zeit der Therapie ein
Tracheostoma (Luftröhrenschnitt). Das
kann durch die Trennung von Luft- und
Speiseweg bei der Kehlkopfentfernung
nötig werden oder aber durch eine bestrahlungsbedingte Enge oberhalb der
Luftröhre. Aber auch das Verschlucken
nach Operationen im oberen Anteil des
Kehlkopfs kann zur Notwendigkeit des
Luftröhrenschnitts führen. Aufgrund
der Schrumpfungstendenz der meisten
Tracheostomata ist eine Kanüle oder
ein Platzhalter vonnöten. Das Loch
kann ohne Platzhalter innerhalb von
Stunden schrumpfen und Luftnot die
Folge sein. Es gibt verschiedene Kanülen und Platzhalter, die je nach Aufgabe
verschiedene Formen haben, mehrteilig
oder einteilig sind oder aber auch in
ihren Materialien variieren. Bei erhaltenen Stimmlippen muss die Kanüle die
Stimmbildung ermöglichen und ist deshalb gesiebt oder besonders geformt.
Bei Verschlucken und der Gefahr der
folgenden Lungenentzündung ist eine
Kanüle mit Blockung unabdingbar. Ein
kurzer Platzhalter ist bei trockenen
und reizlosen Tracheostomata nach
Kehlkopfentfernung komfortabel und
bei manchen stabilen Tracheostomata
nicht einmal nötig. Trotzdem ist für die
richtige Temperatur und Luftfeuchtig-
keit in Luftröhre und Lunge immer eine
HME (Heat and Moisture Exchanger)
Kassette zu empfehlen, um Borkenbildung in der Luftröhre mit konsekutiver
Luftnot zu verhindern. Alle Fremdmaterialien können zu Entzündungen und
Druckstellen führen, die auch Jahre
nach Anlage des Luftröhrenschnitts
erst auftreten können. Hier sind die
tägliche Pflege und eine Anpassung der
Kanülen/Platzhalter anzuraten. Aber
auch die Bildung von Wucherungen am
Tracheostoma wird häufig beobachtet.
Diese können meist mit Silbernitratstiften geätzt oder mit dem Skapell abgetragen werden.
Viele kehlkopflose Patienten tragen zusätzlich eine Stimmprothese zwischen
Luftröhre und Speiseröhre. Dafür wurde
während oder nach der Kehlkopfentfernung eine Verbindung zwischen beiden
Strukturen geschaffen. Die Stimmprothese selbst erfordert tägliche Pflege
und macht durch zentrale Leckagen
(Versagen der semipermeablen Membran) den regelmäßigen Wechsel erforderlich. Die Frequenz kann von 1 Mal pro
Jahr bis alle 3 Wochen reichen.
Gerade Entzündungen (Pilzinfektionen)
oder veränderte Umgebungsbedingungen können nach jahrelangem problemlosem Stimmprothesengebrauch plötzlich auftreten und die Frequenz des
notwendigen Wechsels erhöhen oder
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NOTIZEN
gar zu peripheren Leckagen führen.
Periphere Leckagen, die auf eine Vergrößerung der künstlichen Verbindung
zwischen Luftröhre und Speiseröhre
zurückzuführen sind, sind bei Arzt und
Patient gefürchtet. Damit kann der Patient keine Nahrung mehr aufnehmen,
ohne dass es zu einem Übertritt in die
Luftröhre kommt. Die Behandlung kann
langwierig sein und meist muss mittels
Operation versucht werden, die künstliche Verbindung zu verkleinern oder zu
verschließen. Gerade bei vorbestrahltem Gewebe ist der Erfolg meist verzögert und erfordert mehrere Eingriffe.
PROF. DR. U. KEILHOLZ
Auswirkungen der medikamentösen Therapie
Früher bestand die medikamentöse
Therapie bei Kopf-Hals-Tumoren rein
aus Chemotherapie. Heute haben
wir Chemotherapeutika, regulative
Substanzen, die den IGF RezeptorSignalweg blockieren und moderne
Immuntherapeutika, insofern also drei
Behandlungsmodalitäten. Alle drei Behandlungsmodalitäten haben komplett
unterschiedliche Wirkungsmechanismen und daher auch ganz unterschiedliche Spektren an unerwünschten Wirkungen. Unter den Zytostatika, die bei
Kopf-Hals-Karzinomen wirken, gibt es
ganz vielfältige akute Nebenwirkungen. Wenn diese aber vorüber sind, ist
die Frage, welche der Nebenwirkungen
bleiben können und wie mittel- und
langfristige Erholungsprozesse ablaufen. Die wesentliche Rolle spielen hier
Substanzen, die neurotoxisch sind,
also negative Auswirkungen auf das
Nervensystem haben. Dies sind vor allem Platinsalze (Cisplatin, Carboplatin,
Oxaliplatin), Taxane (Paclitaxel und
Docetaxel) und Vincaalkaloide (Vincristin, Vinorelbin). Die Besonderheit
dieser Substanzen ist, dass sie unterschiedliche Nerven des Körpers angreifen können und diese Schäden nur
sehr langsam oder gar nicht repariert
werden. Gut bekannt sind die sensiblen Störungen, die sich frühzeitig als
Taubheit in den Finger- und Zehenspit-
zen bemerkbar machen, aber durchaus
auch weitere Körperregionen betreffen
können. Diese bilden sich nur über ein
bis mehrere Jahre zurück, bleiben häufig jedoch längerfristig persistent. Es
können jedoch auch andere Nervensysteme befallen werden, hier sind besonders die Nerven des Magen-Darm-Traktes zu nennen. Es können unerklärliche
motorische Störungen auftreten und
für längere Zeit persistieren, die nur
ein erfahrener Arzt auf die Neurotoxizität zurückführen kann. Die zusätzlich
häufig beobachtete Entwicklung einer
Schwerhörigkeit kann sowohl durch
Schädigung der Sinnesorgane selbst als
auch der Nerven bedingt sein. Andere
Nebenwirkungen finden sich kaum.
Die IFG-Rezeptor-Blockade (derzeit
einziges zugelassenes Medikament ist
Cetuximab) führt dazu, dass eine Wundheilung verzögert eintritt, also werden
sich Verletzungen (z. B. Schnittwunden) nur langsam schließen, Haut- und
Schleimhautrisse können schlecht heilen und Verletzungen der Hornhaut des
Auges heilen ebenfalls schlecht. Langfristige Auswirkungen nach Absetzen
dieser Behandlung sind jedoch nicht zu
erwarten. Immuntherapeutika können
eine Reihe akuter Nebenwirkungen haben und können prinzipiell auch längerfristige Autoimmun-Erkrankungen ganz
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unterschiedlicher Art auslösen. Diese
sind jedoch sehr selten und treten vor
allem bei Patienten auf, bei denen bereits ein langfristiges Ansprechen auf
diese Medikamente zu verzeichnen
war. Die Immunreaktionen in den meisten Organen können durch kurzfristige
Immunsuppression ohne Beeinträchtigung der Tumorwirkung behoben werden. Lediglich Immunreaktionen gegen
endokrine Drüsen (Schilddrüse, Hirnanhangsdrüse) können dauerhafte Hormonausfälle zur Folge haben, was eine
Hormonsubstitution notwendig macht.
Längerfristige, klinisch bedeutsame
Störungen sind jedoch bislang nicht berichtet worden.
Zusammenfassend kann festgehalten
werden, dass eigentlich die langfristigen Auswirkungen der medikamentösen Therapie begrenzt sind. Ein ungelöstes Problem stellt jedoch die häufige
Störung des Nervensystems durch bestimmte Zytostatika dar.
NOTIZEN
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V. MÜLLER
Psychische Belastungen und Wege der
Krankheitsverarbeitung
Betroffene von Kopf-Hals Tumoren,
und damit auch Kehlkopfoperierte,
gehören zu den am stärksten belasteten Patientengruppen (Lydiatt et
al., 2009). Zwischen 15% und 50% berichten von Niedergeschlagenheit und
Interessensverlust während der Behandlungsphase mit der stärksten Ausprägung zwei bis drei Monate nach der
Diagnose. Auch noch fünf Jahre nach
der Behandlung zeigen 15% depressive Symptome, die im Gegensatz zu den
körperlichen Belastungen weitgehend
unverändert über die Jahre bestehen
bleiben (Frampton, 2001). Die Angst
vor einem erneuten Auftreten (Rezidivangst) und vor dem Voranschreiten
der Erkrankung (Progressangst) wird
ebenso verstärkt bei Betroffenen mit
Kopf-Hals-Tumoren beschrieben, was
mit der Präsenz der krankheits- und
behandlungsbedingten Symptome im
Alltag in Verbindung gebracht wird
(Henry et al., 2014). Schwierigkeiten
beim Sprechen und Schlucken, mögliche Geschmacksveränderungen und
Narben beeinträchtigen nicht nur das
emotionale Wohlbefinden, sondern
auch das eigene Selbstbild und die soziale Interaktion. Dass der subjektive
Belastungsgrad dabei nicht nur mit dem
Tumorstadium und der Behandlungsart
zusammenhängt, sondern auch mit der
erlebten sozialen Unterstützung, dem
eigenen Optimismus und den eingesetzten Bewältigungsstrategien, macht
die Möglichkeit der eigenen Einflussnahme auf das psychische Befinden in
der Krankheitssituation deutlich (Henry
et al., 2014). Im Vortrag werden dementsprechend verschiedene Bewältigungsstrategien (Coping-Strategien)
vorgestellt, die den Umgang mit krankheitsbezogenen Belastungen erleichtern. Psychoonkologische Beratung
kann orientiert an der persönlichen
Situation des Einzelnen helfen, eine
individuelle Auswahl zu treffen und so
den Weg der Krankheitsverarbeitung
unterstützen.
Frampton, M. (2001) Psychological distress in patients with head and neck
cancer: review. British Journal of Oral
and Maxillofacial Surgery, 39, 67-70.
Henry, M. et al. (2014) Head and neck
cancer patients want us to support
them psychologically in the posttreamtment period: Survey results. Palliative
and Supportive Care, 12, 481-493.
Lydiatt, W.M, Moran, J. & Burke, W.J.
(2009) A Review of Depression in the
Head and Neck Cancer Patient. Clinical
Advances in Hematology & Oncology,
7(6), 397-403.
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NOTIZEN
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E. BERGER
Soziale Unterstützungsmöglichkeiten
Die Diagnose einer Krebserkrankung
und deren Behandlung bringt eine Vielzahl an psychosozialen Belastungen
und damit verbundenen Fragen nach
sozialen Unterstützungsmöglichkeiten
mit sich. Dazu gehören finanzielle Sorgen, Einschränkungen der Teilhabe am
Leben in der Gesellschaft und im Beruf
oder auch Hilfebedarf im Bereich der
häuslichen Versorgung.
Insbesondere im Bereich der KopfHals-Tumoren und den Spätfolgen der
Behandlung kommen die Belastungsfaktoren und Einschränkungen der
Lebensqualität auch noch Jahre nach
deren Abschluss zum Tragen, sodass
der sozialen Unterstützung hier eine
besondere Bedeutung zukommt.
Der Vortrag soll einen Überblick zu den
sozialen Unterstützungsmöglichkeiten
geben und dabei insbesondere auf Fragen der finanziellen Sicherung sowie
der medizinischen und beruflichen Rehabilitation eingehen.
Dazu gehört eine Übersicht der Entgeltersatzleistungen, wie Krankengeld,
Arbeitslosengeld im Krankheitsfall und
den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung. Zudem werden die
vielfältigen Rehabilitationsmöglichkeiten dargestellt, zu denen neben der Anschlussheilbehandlung auch Leistungen
der onkologischen Rehabilitation, Rehabilitationssport oder die berufliche
Wiedereingliederung als Maßnahme der
beruflichen Rehabilitation zählen.
Daneben erfolgt ein Überblick über die
im Leistungsumfang der Sozialversicherungsträger enthaltenen Möglichkeiten
der häuslichen Versorgung sowie der
Hilfsmittelversorgung, aber auch niedrigschwellige Hilfsangebote werden
dargestellt.
Zuletzt sollen hilfreiche Ansprechpartner und Informationsquellen für niedergelassene Behandler und Patienten,
Angehörige und Interessierte gegeben
werden.
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NOTIZEN
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Kontakte:
Charité Campus Mitte
Selbsthilfeverein der Kehlkopfoperierten Berlin und Umland, Landesverband-Berlin e.V.
Invalidenstraße 80
Michael Ley
10115 Berlin
Wikingerufer 6, 10555 Berlin
Tel. +49 (0)30 450 564 222
Tel. 030 250 49 219
Fax: +49 (0)30 450 564 960
[email protected]
Charité Comprehensive Cancer
Center
E-Mail: [email protected]
Internet: http://cccc.charite.de/
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