AZ, 13.09.16 Hobbypolizisten in Uniform Vorschlag aus Basel löst Diskussion aus Aargau sagt «Nein, danke» zu freiwilligen Polizisten Der frühere Basler Polizeikommandant Markus Mohler schlägt eine Verstärkung der Korps mit Freiwilligen vor. Der Aargauer Polizeidirektor Urs Hofmann und Markus Leimbacher, Präsident des kantonalen Polizeiverbandes, setzen auf andere Massnahmen. M VON FABIAN HÄGLER arkus Mohler war von 1979 bis 2001 Kommandant der Kantonspolizei Basel-Stadt, er präsidierte die Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten, war Lehrbeauftragter an den Universitäten Basel und St. Gallen, ist selber Jurist und war früher auch Staatsanwalt – ein Experte also, wenn es um Strafverfolgung und Polizeithemen geht. Kürzlich machte Mohler im «Echo der Zeit» von Radio SRF einen ungewöhnlichen Vorschlag, um die knappen Polizeikorps in den Kantonen aufzustocken. Er schlägt den Einsatz von Freiwilligen als Hilfspolizisten vor. Diese sollen dieselbe Uniform wie die «echten» Polizisten tragen und mit diesen im Einsatz stehen – auf Patrouillen, bei Demonstrationen, im Verkehrsdienst. Mit einem Abzeichen auf der Uniform soll klargemacht werden, dass Freiwillige im Einsatz sind. Mohler sagt gegenüber Radio SRF: «Das sind Leute, die einen anderen Beruf als die Polizei ausüben, oder auch Studenten, die sich für die Polizeiarbeit interessieren und gerne einen Beitrag für die Sicherheit leisten möchten.» Sie müssten körperlich und psychisch in der Lage sein, Polizeidienst zu leisten und zudem einen reinen Strafregisterauszug aufweisen, sagt Mohler. «Es macht mehr Sinn, in die Ausbildung zu investieren, als sich auf ein Experiment mit Freiwilligen einzulassen.» Urs Hofmann SP-Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Waffen für freiwillige Polizisten? Er geht davon aus, dass sich genügend Interessenten finden würden. «In der Schweiz werden viele Aufgaben so gelöst, der grösste Teil der Feuerwehren besteht aus Freiwilligen.» Mohler betont, die Hobbypolizisten wären immer nur mit Berufspolizisten im Einsatz und an deren Weisungen gebunden. Bei einem Fussballspiel, wo ein Grossaufgebot an Sicherheitskräften nötig sei, könnte man dank Freiwilligen mit rund der Hälfte der bisher eingesetzten Polizisten auskommen. Mohler hält es sogar für denkbar, die Freizeitpolizisten zum Selbstschutz zu bewaffnen – dies nach einer entsprechenden Ausbildung. «Hilfspolizisten in Uniform führen visuell zu einem falschen Sicherheitsgefühl.» Markus Leimbacher Präsident des kantonalen Polizeiverbandes Ziel sei keineswegs, die Berufspolizisten mit Freiwilligen zu ersetzen, vielmehr gehe es darum, die Korps zu vergrössern. So könnten auch Kantone, die Finanzprobleme haben und beim Personal sparen müssen, ihre Polizeikräfte aufstocken – denn die Freiwilligen würden weniger verdienen als die ProfiPolizisten. Dafür müssten die Kantone in die Ausbildung der Hilfspolizisten investieren, diese sollten laut Mohler in Abend- oder Wochenendkursen für ihre Aufgaben geschult werden. Markus Mohler ist sich bewusst, dass geltende Gesetze für den Einsatz von freiwilligen Polizisten geändert werden müssten. Rechtlich sei dies absolut machbar, sagt Jurist Mohler, entscheidend sei der politische Wille. «Problematisch und nicht umsetzbar» Auch im Aargau ist der Polizeibestand relativ niedrig (Artikel rechts) – wären freiwillige Hilfskräfte eine Lösung? Sicherheitsdirektor Urs Hofmann (SP) winkt ab. «Ich erachte – in Übereinstimmung mit der Leitung der Kantonspolizei – den Einsatz von Freiwilligen als problematisch und im allgemeinen Dienst nicht umsetzbar.» Unabhängig von den Zweifeln, ob die auch für Freiwillige unentbehrlichen Ausbildungsstandards mit Abend- oder Wochenendkursen überhaupt erreicht werden könnten, stelle sich die Frage nach der Verfügbarkeit geeigneter Instruktoren. Es bestehe Grund zur Annahme, dass ein solches Modell mehr Ressourcen verbrauche, als mit dem Einsatz von Freiwilligen geschaffen werden könnten. Hofmann betont: «Unter dem Strich macht es mehr Sinn, Geld und Energie in den kommenden Jahren in zusätzliche bestens ausgebildete Kantonspolizistinnen und -polizisten zu investieren, als sich auf Experimente mit Freiwilligen einzulassen.» Nicht mit Feuerwehr vergleichbar Die äusserst vielseitigen Aufgaben der Polizei lassen sich laut Hofmann nicht mit jenen einer Feuerwehr vergleichen, die sich aus Milizdienstpflichtigen und Freiwilligen zusammensetzt. «Die Einsätze dieser Feuerwehren sind örtlich, zahlenmässig und auch vom Auf- 750 Freiwillige helfen in BadenWürttemberg, gleich jenseits der Aargauer Grenze, im Polizeidienst mit. Die Institution der freiwilligen Polizisten gibt es dort seit rund 50 Jahren. Gegenüber dem «Echo der Zeit» sagt der deutsche Bundestagsabgeordnete Thomas Blenke (CDU), er könne dieses Modell der Schweiz nur empfehlen. «Bei uns hat sich das bewährt, die Leute aus zivilen Berufen ergänzen den Polizeidienst sehr positiv.» Die Freiwilligen würden das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung erhöhen, zudem könnten sich die Profi-Polizisten dank der Entlastung besser auf die Strafverfolgung konzentrieren, sagt er. trag her begrenzt», hält er fest. Demgegenüber sei die Polizei rund um die Uhr im ganzen Aufgabenspektrum gefordert. Hofmann: «Dieser wesentliche Unterschied stellt ganz andere Anforderungen an die Ausbildung.» Auch Markus Leimbacher, Präsident des kantonalen Polizeiverbandes, steht dem Einsatz von Freiwilligen als Unterstützung für die Polizei sehr kritisch und skeptisch gegenüber. «Die Feuerwehren bestehen nur in ländlichen Gemeinden und Orten, wo es sehr wenige Einsätze gibt, aus Freiwilligen», hält er fest. Die Situation der Polizei, die allgegenwärtig sein müsse, sei damit nicht vergleichbar. Leimbacher betont: «Gerade in Städten mit vielen Einsätzen gibt es aus guten Gründen nur die Berufsfeuerwehr.» Mehraufwand statt Mehrwert Auslöser für die Idee sei wohl die Vorstellung, dass auch bei der Polizei gespart werden solle, vermutet der Verbandspräsident. «Dabei wird jeweils vergessen, dass gerade im Aargau die Sicherheit einer der wesentlichen Standortfaktoren ist.» Das Gewaltmonopol stehe ganz klar dem Staat zu, gibt er zu bedenken. Deshalb dürften hoheitliche Massnahmen nicht durch Hilfskräfte geleistet werden, denen die Ausbildung fehle. «Hilfspolizisten in Uniform führen visuell zu einem falschen Sicherheitsgefühl», sagt Leimbacher und ergänzt: «Ich sehe keinen Mehrwert durch den Einsatz von Freiwilligen, eher sogar einen Mehraufwand: Diese Leute müssten ja durch die eigentlichen Polizisten betreut werden.» Einen gemischten Einsatz von Berufs- und Hobbypolizisten kann sich der Verbandspräsident gar nicht vorstellen. Dies würde eine Zusatzverantwortung für die Ausgebildeten darstellen, die sie in der täglichen Arbeit behindern würde. «Für sie ist es heute schon eine Herausforderung, die Aspiranten der Polizeischule in den aktiven Dienst zu integrieren.» Was halten Sie von Freiwilligen bei der Polizei? Diskutieren Sie mit auf www.aargauerzeitung.ch AARGAUER ZEITUNG DIENSTAG, 13. SEPTEMBER 2016 AARGAU 21 Wie setzt der Aargau die Reform um? Unternehmenssteuerreform III Was die Wirtschaft fordert VON MATHIAS KÜNG Der ehemalige Basler Polizeikommandant Markus Mohler möchte Berufspolizisten – hier bei einer Kontrolle in Lupfig – künftig Freiwillige zur Seite stellen. EMANUEL FREUDIGER FCA-Spiele: Polizei brauchte nur selten Verstärkung An die personellen Grenzen kommen Polizeikorps primär bei grossen Sportveranstaltungen oder Demonstrationen. Nach dem Abstieg des FC Aarau hat sich die Situation im Aargau entspannt. VON FABIAN HÄGLER Wenn der FC Basel spielt, braucht es ein grosses Aufgebot – das weiss der ehemalige Basler Polizeikommandant Markus Mohler aus eigener Erfahrung. Grundsätzlich werde es für die Polizei immer schwieriger, bei Grossanlässen wie Demonstrationen oder Sportveranstaltungen genügend Kräfte zusammenzuziehen, sagt Mohler. Dies ist der Hintergrund für seine Idee, die Polizei künftig mit Freiwilligen zu verstärken (siehe Artikel links). Markus Leimbacher, Präsident des Aargauer Polizeiverbandes, bestätigt die Problematik. Die sogenannten Ordnungsdienst-Einsätze hätten über die letzten Jahre hinweg tatsächlich zugenommen. Leimbacher schränkt aber ein: «Durch den Umstand, dass der FC Aarau heute nicht mehr in der Super League spielt, ist das Problem derzeit im Aargau nicht mehr so ganz im Vordergrund.» Aufgrund des Polizeikonkordates könnten Polizisten aus anderen Kantonen im Aargau eingesetzt werden, umgekehrt müssen aber auch Aargauer Polizisten immer wie- der Einsätze ausserhalb des Kantons leisten. «Im Übrigen würden bereits heute private Sicherheitsdienste für Fussballspiele, das Argovia-Fest und andere Veranstaltungen eingesetzt», sagt Leimbacher. Die Polizei komme zum Zuge, wenn Straftaten begangen würden oder die Gefahr einer Eskalation sehr gross sei. «Und genau dort können Hilfskräfte nicht oder nur stark reduziert eingesetzt werden.» Personalbestand ist relativ tief Dies sieht auch Sicherheitsdirektor Urs Hofmann so: «Gerade so heikle Einsätze können nur durch professionell ausgebildete Polizisten geleistet werden.» Die Kantonspolizei Aargau war laut Hofmann während der Super-League-Zeit des FC Aarau zum Teil stark gefordert. Dies, weil der Personalbestand im Vergleich mit anderen Kantonen tief ist. «Dennoch musste nur in wenigen Einzelfällen ausser- Vorlage der Regierung in Arbeit kantonale Verstärkung beigezogen werden», erinnert sich Hofmann. Seit 2009 wurden die Bestände der Polizei im Aargau signifikant erhöht (Kantonspolizei: + 74, Regionalpolizeien: + 57). Heute werden die gesetzlichen Vorgaben, die einen Polizisten auf 700 Einwohner vorsehen, erfüllt. Ab 2018 ist ein weiterer Aufbau bei der Kantonspolizei vorgesehen. «Dies bedingt allerdings die entsprechenden finanziellen Ressourcen», gibt Hofmann zu bedenken. Die Rekrutierung von Polizei-Nachwuchs biete derzeit keine Schwierigkeiten, sagt der Regierungsrat. Tatsächlich nahmen kürzlich über 120 Interessierte an einem Infoabend der Kantonspolizei teil, wie diese auf Twitter schreibt. Die Ausbildung zum Polizisten als Zweitberuf ist vergleichsweise kurz. «So ist es möglich, Aspiranten mit ausgezeichneter Vorbildung in kurzer Zeit in Dienst zu stellen», sagt Hofmann. SO VIELE POLIZISTEN GIBT ES IM AARGAU Personalentwicklung seit 2010 1000 951 900 806 800 700 2010 2011 QUELLE: KANTON AARGAU 2012 2013 2014 2015 2016 In der Sommersession haben die eidgenössischen Räte die Unternehmenssteuerreform III (USR III) verabschiedet. Das letzte Wort dazu dürfte im nächsten Februar das Volk haben. Die Referendumsführer (SP, Grüne, Juso, SGB, Unia u.a.) haben gestern nämlich bekannt gegeben, dass sie die nötigen Unterschriften zusammen haben. Die USR III hat Folgen für die Kantone. Die meisten werden ihre Gewinnsteuern senken müssen. Sie erhalten zum Ausgleich vom Bund einen grösseren Anteil der direkten Bundessteuer. Ob das aber alle Steuerausfälle ausgleichen kann, oder ob zusätzliche Massnahmen nötig sind? Die USR III bietet den Kantonen die Möglichkeit, die zinsbereinigte Gewinnbesteuerung einzuführen. Diese wirkt im Wesentlichen als Ersatzmassnahme für Unternehmen, die bis anhin Zinserträge steuerlich vorteilhaft in Holdinggesellschaften, gemischten Gesellschaften oder Finanzgesellschaften erwirtschaftet haben. Wird die zinsbereinigte Gewinnbesteuerung eingeführt, muss der Satz bei der Teilbesteuerung von Dividendenerträgen bei den natürlichen Personen von derzeit 40 Prozent (dieser Satz gilt heute im Aargau) auf neu 60 Prozent erhöht werden, schreibt der Aargauische Gewerbeverband (AGV) jetzt in einem Communiqué. Der AGV-Vorstand fordert einstimmig von der Regierung, «vor der Volksabstimmung Klarheit zu schaffen und sich für die Beibehaltung des 40-Prozent-Satzes für die Dividendenbesteuerung und damit gegen die Einführung der zinsbereinigten Gewinnsteuer auszusprechen». Der Aargau lebe in erster Linie von Gewerbebetrieben und KMU, nicht von kapitalintensiven Unternehmen. «Von einer Einführung der zinsbereinigten Gewinnsteuer würden jedoch nur Letztere profitieren, das Rückgrat der Aargauer Wirtschaft würde mit der damit einhergehenden Erhöhung des Teilbesteuerungsverfahrens hingegen massiv geschwächt», befürchtet der Gewerbeverband. Klar gegen eine solche Erhöhung hat sich in der «Schweiz am Sonntag» schon Daniel Knecht, Präsident der Aargauischen Industrie- und Handelskammer, ausgesprochen. 2017 GRAFIK: NCH/MTA Der Regierungsrat erarbeitet zurzeit eine Anhörungsvorlage zur Umsetzung der USR III auf kantonaler Ebene. Er wolle die Steuerreform als Chance nutzen, den Kanton Aargau im Standortwettbewerb mit den anderen Kantonen INSERAT und dem angrenzenden Ausland positiv zu positionieren, sagt Claudia Penta, Sprecherin des Departements Finanzen und Ressourcen (DFR). Er verfolge die Strategie, insbesondere jene Unternehmen zu fördern, die innovativ und im Bereich Forschung und Entwicklung besonders aktiv sind. Zusätzlich zur Patentbox soll ein erhöhter Abzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen eingeführt werden. Um im interkantonalen Wettbewerb weiterhin attraktiv zu sein, sollen die Unternehmen zusätzlich mit einer Tarifreduktion bei den Gewinnsteuern entlastet werden. Penta: «Damit sollen Arbeitsplätze gesichert und die Chancen für neue Arbeitsplätze genutzt werden. Die Ersatzmassnahmen und die Tarifreduktion sollen in einem für den Kanton und die Gemeinden finanziell tragfähigen Rahmen erfolgen.» Die finanziellen Auswirkungen hängen laut Penta von der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Massnahmen, dem Ausmass der Tarifentlastung und letztlich auch vom Verhalten der Unternehmen ab. Zahlen gibt es deshalb vom Kanton noch nicht. Unmittelbar nach der eidgenössischen Volksabstimmung zu USR III soll Mitte Februar 2017 die Anhörung zu den notwendigen Gesetzesänderungen auf kantonaler Ebene starten. Im Verlauf des Jahres 2017 ist die erste Lesung des kantonalen Gesetzesentwurfs im Grossen Rat geplant. Die zweite Lesung sowie eine allfällige kantonale Volksabstimmung finden laut Penta voraussichtlich 2018 statt, damit die Vorlage per 1. Januar 2019 in Kraft treten kann, sofern das Volk sie gutheisst. Vorbehalten bleiben die definitiven politischen Entscheidungen auf Bundesebene. SP kämpft für Ablehnung Die SP bekämpft die Reform und will sie in der eingangs erwähnten Referendumsabstimmung im Februar 2017 zu Fall bringen. Doch wie soll der Aargau sie umsetzen, falls sie beim Volk durchkommt? Der kantonale Co-Präsident Cédric Wermuth sagt dazu: «Wir engagieren uns aktuell für die Ablehnung der USR III. Es scheint uns daher eher komisch, jetzt schon über eine Umsetzung bei einem allfälligen positiven Volksentscheid zu äussern.» Klar sei aber, so Wermuth grundsätzlich: «Der Aargau kann nicht noch weitere Steuergeschenke an die Klientel des Gewerbeverbandes tragen. Man muss den Leuten reinen Wein einschenken: Die Forderungen des Gewerbeverbandes bedeuten mehr Steuern für die grosse Mehrheit und einen Leistungsabbau.» KOMMENTAR MEINUNGSSEITE
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