Akzente 3/2016

3/ 16
Akzente
Das Magazin der
Pädagogischen
Hochschule Zürich
Künste – neuer
Fokus auf
eigenständige
Gestaltung
Seite 10
Serie «Schule in aller Welt»: wie Lehrpersonen in Los Angeles unter erschwerten Bedingungen unterrichten
Seite 32
Porträt: wie Studentin Jennifer Kobelt
Studium und Leistungssport vereint
Seite 24
blog.phzh.ch/akzente
Inserate
Foto: Michael Lio
Gewerbemuseum Winterthur
Permanente Ausstellung
MATERIAL-ARCHIV
Neueröffnung am 2. Oktober 2016
Anfassen erlaubt! Ob Glas, Holz, Papier, Kunststoff, Gesteine,
Keramik, Metall, Farbpigmente oder auch Leder und Textilien –
im «Material-Archiv» laden unzählige Materialmuster, eine
Online-Datenbank, Experimentierstationen sowie eine reichhaltige Schausammlung und eine Art dreidimensionales Lehrbuch zum Stöbern, Rätseln, Forschen und Entdecken ein.
Ob im Ausstellungsraum oder im Atelier, in diesem interaktiven
Labor für Materialrecherchen können Klassen aller Altersstufen
sämtliche Materialien mit allen Sinnen erfahren, Produktionsprozesse im Kleinen imitieren oder ausführliches Hintergrundwissen studieren.
Angebote für Schulen
Metalle: schön, wertvoll und gefährlich
Workshop für Mittel- und Sekundarstufe
Farbe
Workshop für für Unter-, Mittel- und Sekundarstufe
Die Welt ist Material
Führung für Mittel- und Sekundarstufe
Raspeln, Hämmern, Schmelzen
Workshop 2. Kindergarten und Unterstufe
Material-Archiv
Sprachaufenthalte
für Individualreisende,
Prüfungsvorbereitungskurse
interessante Gruppenangebote
& Teacher Training
LehrerInneneinführung
Donnerstag, 17. November 2016, 17.30 Uhr
Aktuelle Wechselausstellungen
Mehrere Workshops für verschiedene Stufen
Öffnungszeiten
Di bis So 10 –17 Uhr, Do 10 – 20 Uhr, Mo geschlossen
Öffnungszeiten Feiertage www.gewerbemuseum.ch
Anmeldung und Informationen
Gewerbemuseum Winterthur
Kirchplatz 14, 8400 Winterthur
Telefon 052 267 51 36
[email protected]
www.gewerbemuseum.ch
Aarau, Basel, Bern, Luzern, St. Gallen, Winterthur & Zürich
www.esl.ch
Inhalt 3/2016
Fotos: Alessandro Della Bella (Cover), Marcus Teply, Nelly Rodriguez, zVg
32Serie «Schule in aller Welt»:
High-School-Besuch in LA.
24Spagat zwischen Sport und
Studium: Jennifer Kobelt.
19 Reportage: Experimentieren im
Bereich der Künste an der PH Zürich.
4Vermischtes
Schulführung:
«Was zählt wirklich?»
24 Studierendenseite
Porträt, Masterarbeit, Kolumne
7 Eine Frage,
drei Antworten
Wie gehen Sie mit
Konflikten um?
9Seitenblick
Auf Umwegen zum Ziel
10 Schwerpunkt Künste
Leitartikel: Weg von Technik
und Nachahmung hin zur
Gestaltung
27 PH Zürich
Weiterbildung: Schulprojekt
mit Tablets geht in die nächste
Runde
Berufsbildung: In sieben
Schritten vom Problem zur
Lösung
Rektorat: «Wir müssen auf
die Bedürfnisse der Schulen
vorbereitet sein»
Dienstleistungen: «Alle Lerninhalte sind auf einer zentralen
Plattform abgelegt»
Interview: Simon Maurer,
Leiter Museum Helmhaus
32 Schule in aller Welt
Unterricht mit Wörterbuch
und Zeichensprache
Meinungen: Wie Studierende
und Lehrpersonen Kunstfächer unterrichten
34 Medientipps
Reportage: «Nehmt eure
Rollen ein und sprecht
deutlicher!»
37 Unter vier Augen
Falsche Bescheidenheit
38 Instagram #takeover
38 Impressum
AKZENTE 3/2016
Die Nachricht kommt
für mich zu spät: Rein
technische Fertigkeiten haben in Fächern
wie Musik und Zeichnen
an Bedeutung verloren,
das Abzeichnen eines
Gegenstandes oder das
Nachsingen eines Liedes
ist passé. An Letzteres
erinnere ich mich besonders ungern: Vor
versammelter Klasse
musste aus einem speckigen Liederbuch «Drei
Fische im Wasser» oder
«Oh du Nachtigall» nachgesungen werden. Da
hat es mir und dem einen
oder anderen meiner
sonst so selbstbewussten Kollegen im wahrsten Sinne des Wortes die
Sprache verschlagen.
Von einer Beschämungskultur zu sprechen,
trifft in diesem Fall
ins Schwarze.
Heute geht es in den
Fächern von Kunst und
Design in erster Linie
um Gestaltungsprozesse
und nicht nur um das
Endprodukt. Gefordert
ist eigenständiges,
kreatives Handeln, damit die Kinder und
Jugendlichen, wie es der
Kurator des Helmhauses
in Zürich, Simon Maurer,
im Interview nennt,
«eintauchen und auf
Reisen gehen können».
Für die Schülerinnen
und Schüler und auch für
die Lehrpersonen wird
damit der Unterricht
interessanter, aber auch
anspruchsvoller. Die
Fächer erhalten jene
Aufwertung, die sie seit
langem verdient haben,
der Zeichenunterricht
ist nicht mehr zum «Abschalten» da. Und der
Wechsel wird auch zu
Hause bei den Kindern
sichtbar: In den Küchen
und Korridoren hängen
nicht mehr die immer
gleichen Schlüsselbrettli.
– Reto Klink
3
In haltsverzeich nis/Editorial
Eintauchen
statt
abschalten
Schulführung: «Was zählt wirklich?»
Was zählt wirklich in der Führungsarbeit
und in der Gestaltung von Personalentwicklungsprozessen? Diese Frage stand Ende Mai
im Zentrum des 10. Symposiums Personalmanagement im Bildungsbereich an der PH
Zürich. Über 300 Führungspersonen aus dem
Bildungsbereich liessen sich von drei anregenden Referaten und einem vertiefenden Podiumsgespräch inspirieren.
Für Anne Maria Pircher Friedrich vom
Management Center Innsbruck steht eine sinnorientierte Führungspersönlichkeit im Zentrum
dessen, was zählt. Wichtig ist, sich die Frage
nach dem Menschenbild und dem Selbstbild zu
stellen, sich auf die Selbstwahrnehmung und
Reflexionsfähigkeit einzulassen und das Verhalten und Handeln danach auszurichten. Sie sieht
die Zeit gekommen, dass sich die Rolle von
Führungspersonen von «Machern» zu «ServantLeadern» ändert. Letztere geben den Lehrpersonen in Schulen einen Sinn, fördern die Entfaltung guter Beziehungen und sorgen für vertrauensvolle Win-Win-Situationen.
Der gesellschaftliche Wandel beeinflusst
das Leben der Menschen heute so stark wie nie
zuvor, so Pasqualina Perrig-Chiello von der
Universität Bern in ihrem Referat. Was in dieser
Situation wirklich zählt, ist psychische Widerstandsfähigkeit. Resilienz ist gefragt. Resiliente
Menschen haben Charakterstärken und diese
sind nach Perrig-Chiello erlernbar. Etwa: Prob4
Kommende Ver­
anstaltungen
leme richtig einordnen können, proaktiv
sein, klare Entscheidungen fällen, eigene
Ziele verfolgen, Selbstreflexion nutzen, posi3. September
tive Selbstwahrnehmung fördern und opti«Sonderschulung
mistisch bleiben.
in Zeiten knapper
Für Pierin Vincenz, VerwaltungsFinanzen»
Im Zentrum steht
ratspräsident der Helvetia Versicherungen,
die Frage nach der
zählt, dass in Veränderungsprozessen die er«Good Practice» der
forderlichen Anpassungen gut gelingen und
Zuweisungspraxis
von Sonderpädagodiese den Weg für die Zukunft freimachen.
gischen MassnahIn einer komplexen Informationsgesellmen.
schaft, die in einem heftigen Umbruch steckt
und in der die Wirtschaft weiterhin wachsen
29. Oktober
will, bilden Vertrauen und Kompetenzen die
Tagung «Unterrichten mit neuen
Basis in der Arbeit – so auch in Schulen. Der
Medien»
Aufbau einer Führungskultur ist zentral.
Die diesjährige
Dieser Prozess braucht Zeit, weil WertesysteAustragung findet
unter dem Titel
me diskutiert werden müssen. Wichtig ist,
«analog – digital –
die Führungskultur anschliessend konsesozial – ideal»
quent umzusetzen.
statt.
Zum Abschluss des Symposiums lei24. November
tete Mona Vetsch als Moderatorin eine spanPodium
nende Podiumsdiskussion mit den ReferenPestalozzianum
tinnen und dem Referenten zu Fragen aus
Verschiedene
dem Publikum. Zentrale Themen waren die
Fachleute diskutieren zum Thema
Führungskultur, die Erlernbarkeit von Füh«Familie - Arbeit rung und die Vertrauensbildung.
Schule».
Weitere Infos: tiny.phzh.ch/
veranstaltungen
– Karl Mäder
Karl Mäder ist Leiter der Koordinationsstelle Beratungsdienstleistungen an
der PH Zürich.
AKZENTE 3/2016
Foto: Christoph Hotz
Ver mischtes
Sieht die psychische Widerstandsfähigkeit
als entscheidende
Komponente:
Pasqualina PerrigChiello von der
Universität Zürich.
Fotos: Dieter Seeger, Christian Wagner
Wohnkantone Studierende
der PH Zürich.
Total: 3484 Studierende
Angaben in Prozent.
75
Zürich
6
Aargau
2,9
St. Gallen
2,3
Graubünden
2,3
Schwyz
1,9
Thurgau
1,7
Schaffhausen
1,3
Bern und
Solothurn
1
Zug und
Basel-Land
0,9
Luzern
0,8
Glarus und
Basel-Stadt
0,7
Weitere
Kantone / Ausland
AKZENTE 3/2016
Aktuelles
10 neue MAS-Absolventinnen
und -Absolventen
Der Master of Advanced Studies
(MAS) der PH Zürich feiert
in diesem Jahr sein zehnjähriges
Bestehen. Drei Kandidatinnen
und sieben Kandidaten haben ihr
Diplomstudium bestanden.
Während neun Personen ein Diplom in Bildungsmanagement
erhielten, beendete ein Schulleiter
sein MAS-Studium in Bildungsinnovation.
4. ICF-CY Anwenderkonferenz»
statt. Während zwei arbeitsintensiven Tagen führten mehr als
100 Personen aus Forschung, Praxis
und Politik gemeinsam den Diskurs
zum Einsatz und zur Weiterentwicklung der ICF im Gesundheits- und Sozial- wie auch im Bildungsbereich. Die ICF ist eine
Klassifikation der WHO und eine
gemeinsame Sprache zur Beschreibung der Funktionsfähigkeit und
Behinderung im Kontext einer
Lebenssituation.
Tagung zum Thema Klassenführung
Wie kann eine Klasse geführt
werden, damit effizientes Lernen
stattfinden kann? Mit diesen und
weiteren Fragen beschäftigten
sich über 200 Lehrerinnen und
Lehrer Ende Juni an der PH
Zürich.
Sprach zu den diplomierten
Schulleitenden: Monika Weber (M.),
Bildungspreisträgerin 2015.
Projekt zur Förderung des
Männeranteils in der Schule
Mit einem neuen Projekt bieten
die PH Zürich und die PH Zug berufstätigen Männern die Möglichkeit, einen Einblick in den Beruf
des Primarlehrers zu erhalten.
Interessierte können dabei einen
halben Tag bei einem Primarlehrer
schnuppern oder einen Studenten
an einer Pädagogischen Hochschule
begleiten. Ziel des Projekts «Umsteiger, einsteigen!» ist es, den Anteil an Männern unter den Lehrpersonen zu erhöhen.
Tagung zum Einsatz der ICF
im Bildungsbereich
Anfang Juni fand an der PH Zürich
die Tagung «Die ICF im Kontext
von Bildung und Gesundheit und
«Here Comes the Sun!» an der
PH Zürich
Unter dem Motto «Here Comes the
Sun!» läuteten die Studentinnen und
Studenten der PH Zürich Anfang
Juni mit der 7. Musik- und Performance-Nacht das Semester mit
Tanz, Gesang und Theater aus.
Der Anlass ist seit Jahren ein fester
Programmpunkt in der Kulturagenda der PH Zürich.
Begeisterte das Publikum: das
Theaterensemble mit Studierenden
der PH Zürich.
5
Ver mischtes
PHZH in Zahlen
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Verlän
g
20.11
ert bis
.2016
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6
AKZENTE 3/2016
Eine Frage, drei Antworten:
Wie gehen Sie mit Konflikten um?
ist auf jeden Fall immer der Respekt vor der anderen Person,
seien es Schülerinnen und Schüler,
Kolleginnen und Kollegen oder
Vorgesetzte. Doch ich erwarte vom
Gegenüber ebenfalls, dass auch
ich als Persönlichkeit respektiert
werde.
nen mit einer Portion Gelassenheit zu begegnen und dabei
die Emotionen möglichst auszublenden.
Priska Brülhart, Mittelschullehrerin und Bildungsrätin
AKZENTE 3/2016
Nicole Wagner, WaldspielgruppenLeiterin Zürich-Affoltern
Otto Bandli, Berater an der
PH Zürich
Ich arbeite mit Spielgrup-
penkindern im Wald und empfinde
dies als das ideale Terrain, um
Aggressionen und Konflikten zu
Konflikte sind bei mir
begegnen. Der Wald beruhigt,
stets mit vielen Emotionen verviel Wut verpufft. Ich denke, viele
bunden, und immer wenn Emotio- Konflikte treten so gar nie erst
nen im Spiel sind, geschieht sehr
zutage. Was den Streit auslöst,
viel unbewusst. Ich stelle mir dann ist häufig nicht anders als bei uns
die Frage, was bei mir oder beim
Erwachsenen: etwas als unfair
Gegenüber wohl die Empörung
empfinden, nicht wahrgenommen
ausgelöst hat. Empörung ist für
werden in seinen Bedürfnissen etc.
mich das Leitmotiv von Konflikten. Wenn immer möglich, versuche
Oft geht es dabei um Normverletich die Kinder den Konflikt selber
zungen, um mangelnde Wertschät- austragen zu lassen, beobachtend.
zung oder um unerfüllte eigene
Geht es nicht weiter, höre ich
Bedürfnisse. Wenn ich mich im
alle Beteiligten an, neutral und
beruflichen Kontext zum Beispiel
nicht wertend. Ich versuche, ihre
in meiner Fachlichkeit angegriffen
Gefühle zu spiegeln und Lösungsfühle, bin ich empört. Und die
vorschläge zu erfragen. Häufig
Empörung rechtfertigt Gegenschlä- helfen auch die Kinder rundherum
ge, und so eskalieren Konflikte.
mit und machen Vorschläge, die
Beim Konfliktlösen versuche ich
mich immer wieder überraschen.
Sichtweisen stehen zu lassen, meine Wenn es gelingt, dass sie auf
Bedürfnisse klar zu artikulieren,
diesem Weg Frieden schliessen
die Bedürfnisse des Gegenübers zu können, ist dies ein grandioses
erfragen und allfällige Irritationen
Gefühl für alle Beteiligten. Aber
zeitnah anzusprechen. Ich versuche nicht immer habe ich dafür gestets, auch konflikthaften Situatio- nügend Geduld.
7
Meinu ngen
Als Kind war ich eher harmoniebedürftig und versuchte, mit
allen gut auszukommen. Wenn
man jedoch politisch tätig ist, kann
man Konflikten nicht aus dem
Weg gehen. Hier bin ich gefordert,
Stellung zu beziehen, meine Meinung sachlich zu äussern, sie
mit Argumenten zu stützen oder
manchmal auch zu hinterfragen.
Will man gehört werden, darf
man nicht lockerlassen, muss nachfragen und nachhaken. Aber man
muss auch damit leben lernen, mit
seiner Meinung manchmal in der
Minderheit zu sein. Anfangs fiel
mir das nicht immer leicht, doch
mit der Zeit lernte ich, Niederlagen
nicht persönlich zu nehmen und
mit vollem Einsatz wieder nach
vorne zu schauen. Im Lehrberuf
sind diese Erfahrungen sehr hilfreich. Man steht mit seiner ganzen
Persönlichkeit im «Rampenlicht»
und wird bewusst oder unbewusst
von allen ständig begutachtet. Da
kommt es natürlich gelegentlich
vor, dass Kritik an mir geübt wird.
Ich versuche immer, diese zuerst
ruhig entgegenzunehmen, dann
innerlich einen Schritt zur Seite zu
treten und darüber nachzudenken,
wo der Kern des Problems liegt.
Erst dann gebe ich eine Rückmeldung dazu. Das Wichtigste dabei
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AKZENTE 3/2016
Silke Fischer – Seitenblick
Illustration: Elisabeth Moch
Wenn ich an den Prozess
meiner Berufswahl denke, dann
muss ich heute noch schmunzeln.
So prognostizierte mir der Berufsauswahltest eines angesehenen
deutschen Institutes damals eine
Zukunft als Töpferin, weil ich
unter anderem angegeben hatte,
mich für Kunst zu interessieren.
Konträr zum Testergebnis setzte
sich dann allerdings nicht mein
künstlerisches Talent, sondern
mein Interesse am Fachbereich der
Wirtschaftswissenschaften durch.
Wie für mich damals, so
stellt auch heute der Berufsauswahlprozess viele Jugendliche vor
die Problematik, den richtigen
Beruf für die eigenen Talente und
Neigungen auszuwählen. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass
die Wahl des Berufes nicht rein
zufällig erfolgt, sondern es bekanntermassen einen wesentlichen
Einflussfaktor auf den Berufswahlprozess der Jugendlichen gibt –
das Elternhaus.
Dass diese Entscheidung
trotz des elterlichen Einflusses
schwierig ist und der Übergang
von obligatorischer Schulzeit in
die Sekundarstufe II nicht immer
erfolgreich verläuft, belegt unter
AKZENTE 3/2016
anderem der aktuelle Schweizer
Bildungsbericht. Demnach wählen rund 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler nach Abschluss der Sekundarstufe I eine
Zwischenlösung, welche dem
Bildungswesen zugerechnet wird.
Gemeint sind damit zum Beispiel das 10. Schuljahr oder eine
Vorlehre.
Heute beschäftigen mich
Übergänge sowohl im Rahmen
der Berufsbildungsforschung wie
auch in meinem beruflichen Alltag als Berufsfachschullehrperson.
Wenn ich meine Schülerinnen und
Schüler in der Vorlehre sowie im
Detailhandel nach ihrem Berufswunsch beziehungsweise nach
ihrer Berufswahl frage, dann bekomme ich oft die Antwort «keine
Ahnung» oder ich höre, dass ihre
Eltern noch jemanden kannten,
der jemand kannte, der einen Auszubildenden oder eine Auszubildende suchte. Viele meiner Schülerinnen und Schüler haben sich,
wenn überhaupt, nur einmal
«richtig» beworben. Wenn ich sie
dann frage, ob «Detailhandelsfachfrau/-mann EFZ» ihr Traumberuf ist, dann höre ich immer
wieder, dass sie erst einmal eine
Lehre machen und dann ihr Leben geniessen wollen. Das mit dem
Traumberuf käme erst später.
Zugegeben, diese lockere
Einstellung in Bezug auf die eigene
Berufswahl und die ausgeübte
Tätigkeit ist für mich recht schwer
nachzuvollziehen, da ich mich
im Zusammenhang mit meiner
Berufswahl an viele schlaflose
Nächte erinnern kann. Vielleicht
liegt die Einstellung meiner
Schülerinnen und Schüler aber
auch darin begründet, dass diese
einfach ein grosses Vertrauen in
das schweizerische Berufsbildungssystem haben. Denn hier gilt ja
bekanntlich: kein Abschluss ohne
Anschluss.
Wenn ich ehrlich bin, waren
meine Eltern an meiner beruflichen
Entscheidung auch nicht ganz unbeteiligt. Wer weiss, vielleicht wäre
ohne sie ja auch (zuerst) einmal
eine gute Töpferin aus mir geworden, die im Anschluss dann vielleicht doch Wirtschaft oder alternativ eben den Bachelor-Studiengang
Keramik gewählt hätte?
Silke Fischer ist Berufsfachschullehrerin und Dozentin
auf der Sekundarstufe II an der
PH Zürich.
9
Seitenblick
Auf Umwegen
zum Ziel
Vielfältige Auseinandersetzungen: Eindrücke aus den Bereichen «Kunst
10und Design», Musik und Performance der PH Zürich.
AKZENTE 3/2016
In den Fächern im Bereich der Künste stehen
heute nicht mehr die Nachahmung vorgegebener
Beispiele oder die technischen Fertigkeiten
im Zentrum, sondern eigenständige Gestaltungsprozesse. Und: Mit der Kompetenzorientierung
werden Musik-, Zeichen- und Handarbeitsunterricht nicht nur anspruchsvoller und interessanter. Mit ihr zeigen sich auch die Gemeinsamkeiten der Fächer.
Text: Melanie Keim, Fotos: zVg
AKZENTE 3/2016
11
Schwer pu nkt Kü nste
Weg von Technik
und Nachahmung
hin zur Gestaltung
Schwer pu nkt Kü nste
Eine Banane aus Zement, eine Zahnpastatube,
aus deren Öffnung ein Lichtstrahl dringt, und ein Riesenpompom aus Recyclingmaterial, das den Flur eines
Gebäudes füllt. Diese ungewöhnlichen Bilder hat die PH
Zürich auf ihrem Instagram-Account veröffentlicht. Es
sind Eindrücke aus dem Unterrichtsalltag im Bereich
Kunst und Design, Resultate von bildnerischen Gestaltungsprozessen, die Studierende in ihrer Ausbildung
durchlaufen, um ihre Schülerinnen und Schüler später
zum eigenständigen kreativen Gestalten anleiten zu können. Den Dozierenden des Bereichs Kunst und Design
ist es wichtig, dass solche Bilder an die Öffentlichkeit gelangen, um ein dort vorherrschendes veraltetes Bild von
gestalterischem Unterricht mit heutigen Realitäten abzugleichen. «Das Bild des Handarbeitsunterrichts, das un-
Die gestalterische
Kompetenz ist in allen
Fächern dieselbe:
wahrnehmen und Ausdrucksformen suchen.
sere Medien und Diskussionen prägt, beruht oft auf weit
zurückliegenden, persönlichen Schulerfahrungen», erklärt Monica Bazzigher-Weder, Leiterin des Bereichs
Kunst und Design der Primarstufe. Ein Handarbeitsunterricht, in dem diszipliniertes Stricken, Häkeln und Nähen nach fixen Schnittmustern angesagt ist und der gestalterische Freiraum nur bis zur Auswahl von Stoff und
Andrea
Stieger
Sekundarlehrerin
Ich unterrichte im
Wehntal an der Sekundarschule Niederweningen unter anderem
«Handarbeit textil».
Das Wehntal ist eine
ländliche Gegend,
Traditionen haben hier
eine wichtige Bedeutung. Ungeachtet dessen richte ich meinen
12
Farben reicht, habe heute keine Daseinsberechtigung
mehr. «Würde Handarbeit wirklich noch so unterrichtet,
könnte das Fach abgeschafft werden», sagt auch Pia
Aeppli, Verantwortliche für Kunst und Design auf der
Sekundarstufe I. Ein zeitgemässer kompetenzorientierter
Gestaltungsunterricht gehe längst über die Nachahmung
und das Erlernen technischer Fähigkeiten hinaus. So erhält der Gestaltungsprozess gleiches Gewicht wie das
Endprodukt, wobei nicht nur dem künstlerischen Ausdruck Rechnung getragen wird, sondern auch den komplexen sozialen, ökonomischen und ökologischen Zusammenhängen hinter Designprodukten und -prozessen.
Im Lehrplan 21 zeigt sich der Paradigmenwechsel
weg vom Fokus auf handwerkliche Fertigkeiten hin zum
Gestalten auch in neuen Bezeichnungen für die gestalterischen Fächer: Zeichnen wird zu Bildnerischem Gestalten, die beiden Bereiche des heutigen Handarbeitsunterrichts werden künftig als Textiles und Technisches
Gestalten bezeichnet.
Vom Handwerk zur Gestaltung
Eine kompetenzorientierte Aufgabenstellung im Bereich
Kunst und Design geht stets von einem übergeordneten
Thema aus und beginnt mit einem Rechercheprozess.
Stellte die Handarbeitslehrerin früher eine Tasche auf
den Tisch, die alle nachmachen mussten, so stellt die
Lehrperson den Schülerinnen und Schülern heute erst
einmal die Frage, was sie mit einer Tasche überhaupt
transportieren möchten, womit nicht nur die Gegenstände gemeint sind, die in einer Tasche oder einem Rucksack
Platz finden sollen, sondern auch das Selbstbild, das man
mit der eigenen Tasche befördert. So recherchieren die
Schülerinnen und Schüler in diesem Fall beispielsweise,
welche Taschenkategorien und -modelle es gibt, von wem
diese getragen werden und ob sich dabei vielleicht Gen-
Unterricht stets nach
modernen Kriterien
aus. Die Lebenswelt der
Jugendlichen steht
immer im Zentrum. Entsprechend orientiere
ich mich in den Projekten an aktuellen Modetrends. Aktuell nähe
ich ein Sweatshirt. Die
Beherrschung der korrekten Technik ist
mir dabei wichtig, sie
bildet einen von mehreren Beurteilungspunkten, steht jedoch nicht
alleine im Vordergrund. Genauso zentral
ist, dass die Jugendlichen im Unterricht
die Hintergründe der
Herstellung eines Kleidungstücks kennen
lernen. Den gestalterischen Prozess halte
ich so offen, wie ich es
für sinnvoll erachte.
In einem ersten Schritt
bringen die Schülerinnen und Schüler je
nach Thema beispielsweise Bilder von Kleidungsstücken mit, die
ihnen gefallen, oder
ich gebe ihnen die
Gelegenheit, verschiedene Materialien auszuprobieren. Bei der Umsetzung des konkreten
Gestaltungsauftrags
gebe ich einiges vor –
beispielsweise das
textile Verfahren. Die
Schülerinnen und Schüler erhalten jedoch
möglichst viel Spiel-
raum und können zum
Beispiel die Materialien selber wählen. Wichtig ist mir dabei, dass
die Jugendlichen ihre
Wahl begründen können.
Der Kompetenzbereich
«Wahrnehmung und Kommunikation» hat im didaktischen Konzept unserer Schule eine wichtige Bedeutung. Ich bin
davon überzeugt, dass
diese Form des Unterrichts auch eine wichtige persönlichkeitsbildende Wirkung hat
und die Jugendlichen im
Lernprozess unterstützt,
sich differenziert und
kritisch mit aktuellen
Thematiken auseinandersetzen zu können.
AKZENTE 3/2016
Lernen von Alltagsgegenständen
Zweifelsohne ist ein kompetenzorientierter Gestaltungsunterricht für die Lehrperson und die Klasse interessanter, er ist aber auch anspruchsvoller. Aeppli erzählt aus
eigener Unterrichtserfahrung von Schülerinnen und
Schülern, die erst nicht verstehen wollten, weshalb sie
nun Heft und Etui in den Handarbeitsunterricht mitbringen und im Unterricht Notizen machen sollten.
Schliesslich müsse man in diesen Lektionen doch eigentlich nicht denken?, so die Meinung der Klasse, die am
herausfordernden Unterricht jedoch bald Gefallen fand.
Eine ähnliche Reaktion erlebte Aeppli bei einer fachdidaktischen Einführung in den Lehrplan 21 im Bereich
Die Beherrschung eines
bestimmten Instrumentariums ist keine zentrale
Bedingung für einen
künstlerischen Ausdruck.
Gestalten, bei der eine Lehrperson fragte, ob es den Zeichenunterricht zum «Abschalten» denn nicht mehr gäbe.
«Zeichnen oder Handarbeit waren auch früher nicht zur
Erholung von anderen Fächern da», korrigiert Aeppli.
Häufig glaubten Lehrpersonen auch, dass sie für die thematische Einbettung der Gestaltungsaufträge aufwändige Vorträge vorbereiten müssen. Dabei können Lehrpersonen über sehr einfache und naheliegende Wahrnehmungsaufträge einen Bezug zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler herstellen. Wenn etwa die Produktionsweise der Modeindustrie thematisiert werden soll,
kann schon das Untersuchen der Etiketten an der eigenen Kleidung das Bewusstsein der Kinder schärfen und
das Denken in Zusammenhängen fördern.
Der Übergang zu einem kompetenzorientierten
Unterricht ist in der Handarbeit auf allen Stufen noch
nicht abgeschlossen. Selbst in den Kindergärten unterscheidet sich das Niveau der Gestaltungsaufträge stark.
«Kunst und Design»
sammeln. Gemeinsam mit
meiner Praktikumspartnerin habe ich dort mit
den Schülerinnen und
Schülern ein Seifenkistenprojekt umgesetzt.
Wichtiger als das ErStudentin
Kindergarten- gebnis war uns, dass wir
einen kreativen Prozess
stufe
bei den Kindern auslösen konnten. Von uns
Ich studiere an der
vorgegeben war, dass
PH Zürich im vierten
die Kiste fahrtüchtig
Semester auf der Kinsein muss. Alles andere
dergartenstufe. Im
wie beispielsweise die
vergangenen Mai konnte Farben oder das Thema
ich im Rahmen meines
mussten die Kinder
siebenwöchigen Quaruntereinander in der
talspraktikums in eiGruppe absprechen. Desnem Kindergarten in
halb hatten wir LehreWülflingen wichtige
rinnen nur das Nötigste
Erfahrungen im Bereich vorbereitet: den Unter-
Ladina
Carigiet
AKZENTE 3/2016
bau sowie die Achse der
Kiste. Die Kinder bauten aus Holz und Styropor selbständig den
Überbau. Sie arbeiteten
dabei in drei Gruppen.
Das war bereits die
erste grosse Herausforderung. Die Kinder
mussten lernen, Kompromisse zu machen. Es
hat sich gezeigt, dass
die Kinder aufgrund
der Freiheiten, die wir
ihnen gegeben haben,
viel motivierter zur
Sache gegangen sind.
Ein wichtiger Punkt war
die Zusammensetzung
der Gruppe. Wir hatten
darauf geachtet, dass
in jeder Gruppe Buben
und Mädchen sind, wel-
che die Werkzeuge bereits gut beherrschen.
So konnten sich die
Kinder gegenseitig
unterstützen. Sie profitierten dadurch auch
auf der sozialen Ebene.
Interessant zu beobachten war, wie die
Kinder eigene Problemlösungsstrategien
entwickelten: Einmal
musste ein Junge eine
Agraffe entfernen. Er
versuchte es mit der
Zange. Als dies nicht
funktionierte, probierte er es mit dem
Schraubenzieher, und
mit der entstandenen
Hebelwirkung klappte
es. Das Projekt war
ein toller Erfolg.
13
Schwer pu nkt Kü nste
derunterschiede zeigen. Statt das Material vorzugeben,
lässt die Lehrperson die Klasse etwa an eigenen Taschen
und Rucksäcken erforschen, warum bestimmte Materialien gewählt wurden, anschliessend könnten in einem
Experiment verschiedene Materialproben mit Feile, Wasser und Stoppuhr auf ihre Robustheit oder W
asserdurchlässigkeit getestet werden.
Wenn Schülerinnen und Schüler höchst individuelle Produkte herstellen und Gestaltungsentscheidungen
übernehmen, die früher die Lehrperson traf, lernen sie
nicht nur Materialen und Verfahren gezielt einzusetzen.
Ebenso lernen sie dabei Problemlösungsstrategien zu
entwickeln und in einer Welt, in der Design, Bilderwelten
und die (Selbst-)Darstellung zunehmend an Bedeutung
gewinnen, bewusste Entscheidungen zu treffen. «Jugendliche kennen die Kommunikationsmöglichkeiten von Bildern, Objekten und Marken und sind es sehr gewohnt,
Bilder von sich zu transportieren», sagt Pia Aeppli. Die
eigene Ausdrucksweise gelte es jedoch bewusst zu reflektieren, um eine selbstbewusste Haltung zu fördern. Wie
man sich für eine Schnupperlehre kleiden möchte, kann
somit genauso Thema im Handarbeitsunterricht sein wie
die Frage, wie eine Jeans aus dem H&M nur 15 Franken
kosten kann.
Schwer pu nkt Kü nste
So bettet ein Teil der Lehrpersonen diese schon heute
thematisch ein und richtet sie auf die Kompetenzen der
Kinder aus, während andere auf Anleitungen für Deko-Objekte aus dem Internet setzen, deren oberflächliche
Wirkung dem Lernauftrag sogar widerspricht. Gemäss
den Leiterinnen des Bereichs Kunst und Design gelingt
die Umsetzung denn auch nicht allen Abgängerinnen
und Abgängern der PH Zürich. Schwierig werde es etwa
dann, wenn sie am Arbeitsort auf Lehrpersonen treffen,
die den Schritt von der Fertigkeitenorientierung zur Begleitung von individuellen Gestaltungsprozessen noch
nicht geschafft haben. Da die Ausbildung zur Lehrperson
für Handarbeit heute insbesondere auf der Primarstufe
lediglich einen kleinen Anteil der gesamten Ausbildung
ausmacht, während Handarbeitslehrpersonen an den
früheren Lehrerseminaren drei Jahre auf ihrem Fach ausgebildet wurden, kann das Verteidigen der erlernten didaktischen Konzepte beim Berufseinstieg schwer fallen.
Dass es für die Handarbeit heute keine separate Ausbildung mehr gibt, sondern diese als Wahlpflichtfach in die
Ausbildung zur Primar- und Sekundarlehrperson integriert wurde, hat auch Vorteile. Wird Handarbeit nämlich
durch die Klassenlehrperson unterrichtet, werden fruchtbare Verknüpfungen zu anderen Unterrichtsfächern wie
Mensch und Umwelt oder Mathematik möglich.
Gemeinsame gestalterische Kompetenz
Der Handarbeitsunterricht ist nur ein Beispiel für den
Paradigmenwechsel. Denn dieser findet auch im Bildnerischen Gestalten und Musikunterricht statt. Die einzelnen Fächer verbindet sehr viel, wie Mathis Kramer-Länger zeigt. «Natürlich macht es einen Unterschied, ob man
Musik, ein Bild oder eine Bewegung als Produkt hat.
Doch die gestalterische Kompetenz ist eigentlich in allen
Fächern dieselbe: wahrnehmen und Ausdrucksformen
suchen», sagt der Leiter des Bereichs Musik und Performance auf der Eingangsstufe. Im Gespräch über den
Musik- und Performanceunterricht zieht er denn auch
immer wieder Beispiele aus gestalterischen Fächern herbei. «Welche Fertigkeiten hat denn Joseph Beuys beherrscht?», fragt er etwa, um seine Kritik an einem stark
technikorientierten Kunstunterricht zu verdeutlichen.
Das Beispiel des erfolgreichen Konzeptkünstlers, der keine gängigen Gestaltungstechniken anwandte, soll zeigen,
dass die Beherrschung eines bestimmten Instrumentariums nicht zentrale Bedingung für einen echten künstlerischen Ausdruck ist. «Die enge Ausrichtung der Kunstfächer auf reine Nachahmung kommt letztlich aus einem
Nutzendenken heraus», sagt Kramer-Länger. Wie die
Handarbeit früher Teil der Ausbildung zur perfekten
Hausfrau war und das Werken dem Bild des Heimwerkers diente, hatte auch Musikunterricht weitgehend eine
Disziplinierungsfunktion. So wurden in Schweizer Schulen noch bis in die 70er Jahre Lieder gesungen, die die
Tugend und den Wehrwillen von heranwachsenden Männern stärken sollten. «Kunstunterricht muss aber zweckfrei sein», sagt Kramer-Länger. Die Frage, inwiefern Musikunterricht andere Fähigkeiten fördert, wird denn auch
hinfällig, da Musikunterricht lediglich Selbstwirksamkeit
ermöglichen und in einer Welt voller Musik urteils- und
handlungsfähig machen soll.
Dass für die Kunstfächer keine internationalen
Bildungsstandards wie in anderen Fächern existieren, ist
daher nichts als konsequent. Gegenpositionen, die sich
von Standards eine politische Aufwertung der Fächer erhofften, werden heute kaum mehr vertreten. «Es ist naiv
zu glauben, dass gesetzliche Standards den Stellenwert
der Kunstfächer verbessern könnten», meint Kramer-Länger. Für die Kunstfächer bergen solche Standards höchstens die Gefahr, dass sie instrumentalisiert
sches Gestalten und
Werken zu unterrichten.
Meine Erfahrung in den
Ausbildungs-Praktika
war, dass sich die
Schülerinnen und Schüler gut für Kunst begeistern lassen. BegaLehrerin
bung oder ein spezielPrimarstufe
les Interesse ist keine
Voraussetzung für eine
erfolgreiche künstleIch habe im Juni mein
rische Betätigung. Von
Studium zur Primarwichtiger Bedeutung
lehrperson an der PH
hingegen ist die Wahl
Zürich abgeschlossen
des Themas. Dieses muss
und starte jetzt mit
einen Bezug haben zur
einer 4. Klasse in WinLebenswelt der Kinder.
terthur. Die künstleri- Ein solches Thema zu
sche Betätigung ist
finden ist nicht immir ein grosses Anlie- mer ganz einfach und
gen und ich freue mich
braucht oft Zeit. In
sehr darauf, Bildneri- meinem Lernvikariat
Prisca
Mosimann
14
habe ich beispielsweise
das Thema Bewegung
gewählt. Die Kinder
erhielten von mir unter
anderem die Aufgabe,
sich selber in Bewegung zu zeichnen. Das
hat sehr gut geklappt.
Mir ist wichtig, dass
die Kinder eine eigene
Bildsprache entwickeln. Ich möchte nicht,
dass am Ende alle Zeichnungen gleich aussehen,
und zeige deshalb zum
Beispiel nie eine Musterlösung vor. Eine
gute Einstiegsmöglichkeit in ein neues Thema
ist die verbale Auseinandersetzung damit,
zum Beispiel indem die
Kinder Werke von ver-
schiedenen Künstlerinnen und Künstlern
betrachten und man
diese gemeinsam bespricht. Zweifelsohne
ist in einem zeitgemässen Kunstunterricht die Orientierung am künstlerischen
Prozess bedeutsamer
als das Produkt.
Gleichwohl ist es mir
ein wichtiges Anliegen, dass die entstandenen Werke eine
entsprechende Würdigung erhalten. Dazu
bespreche ich beispielsweise mit der Klasse
jeweils Präsentationsformen, die eine möglichst starke Wirkung
entfalten.
AKZENTE 3/2016
Musik erfahren
Musikunterricht dient also weder einer Disziplinierung noch dem Status. Gleichzeitig
verlieren Nachahmung, Technikbeherrschung sowie das Wissen über Musik an Gewicht. «Das isolierte Wissen über Musik,
Musiktheorie als Selbstzweck verliert in der
Volksschule zunehmend an Bedeutung»,
sagt Edi Gürber, der den Bereich Musik und
Performance auf der Primarstufe leitet. Das
Bedürfnis, etwas über die Konstruktion von
Musik zu erfahren, komme erst aus dem aktiven Musizieren heraus, so Gürber. Der
Dreiklang rückt im heutigen Musikunterricht also erst in den Blick, wenn er in der
Praxis angewandt wird. «Musikunterricht
soll Musik erfahrbar machen», so Gürbers
Erklärung. Das ausschliessliche Singen im
Klassenverband bietet dazu nicht die beste
Grundlage. So umfasst der Musikunterricht
heute auch viel mehr als das Reproduzieren
bestehender Lieder. Gürber zeichnet zur Erklärung zwei Unterrichtsszenarien, die einen kreativen Umgang mit Musik ermöglichen: Zu einem Lied, das die Lehrperson
oder eine Schülerin mitbringt, versucht die
Klasse gemeinsam eine Rhythmusbegleitung zu finden. Irgendwann braucht es das
Lied möglicherweise gar nicht mehr und
zum Rhythmus kommen Bewegungen dazu,
später vielleicht Gesang. Ein zweites Szenario: Die Klasse sucht sich ein Thema aus
und versucht dieses szenisch und musikalisch umzusetzen. Mit einem Smartphone
werden dann kurze Filmsequenzen dieser
Szenen aufgenommen, die wiederum für ein
Bühnenbild verwendet werden.
Die Beispiele zeigen, dass Gesang,
Instrumentalformen, Szenisches, Rhythmik
und Bewegung in einem handlungsorientierten Musikunterricht fliessend ineinander
übergehen und nicht voneinander getrennt
gedacht werden. Ein solches Verständnis,
das im Kindergarten, wo zu Liedern geklatscht, gestampft oder getanzt wird, tief
verwurzelt ist, muss sich auf der PrimarAKZENTE 3/2016
Ausgewählte
Weiterbildungen der
PH Zürich
«Himmelhoch und
Türkisblau»
Einführung ins
Gestaltungs-Lehrmittel für Kinder
von 4 bis 9 Jahren;
Kindergarten und
Unterstufe;
tiny.phzh.ch/
himmelhoch
«Mal- und
Zeichenspiele»
Das Bildnerische
Gestalten als Weg
zur Kommunikation;
Primarstufe;
tiny.phzh.ch/
zeichenspiele
«Vom Raum
zum Bild»
Architektur und
Raum im Bildnerischen Gestalten;
Sekundarstufe I;
tiny.phzh.ch/
architektur
«Musikalische
Gestaltungsprozesse»
Musik machen,
erfinden, entwickeln; Kindergarten und
Primarstufe;
tiny.phzh.ch/musik
«Groove im
Klassenzimmer»
Gemeinsam musizieren, spielend üben;
Mittelstufe und
Sekundarstufe I;
tiny.phzh.ch/
groove
«Vom Bilderbuch
zum szenischen
Spiel»
Theaterprojekte
in Kindergarten
und Unterstufe;
DaZ, Kindergarten,
Schulische Heilpädagogik, Unterstufe;
tiny.phzh.ch/
bilderbuch
und Sekundarstufe vielerorts noch etablieren. Ebenso herrschte im Musikunterricht
auf diesen Stufen früher oftmals eine Beschämungskultur, in der Abweichungen von der
perfekten Intonation schnell einmal den
Stempel «unmusikalisch» nach sich zogen.
Die Erfahrung eines von Hemmungen geprägten Musikunterrichts haben auch viele
der Studierenden, die an der PH Zürich das
Fach Musik wählen, in ihrer Schulzeit gemacht. «Diese Beschämung muss man ernst
nehmen, weil man mit der Singstimme auch
sein Innerstes preisgibt», sagt Mathis Kramer-Länger. Es gelte zwingend, von einer
Beschämungskultur wegzukommen.
Der Haltung der Studierenden kommt
in der Ausbildung an der PH Zürich eine
grosse Bedeutung zu. Denn ob Musik, Theater und Tanz in der Schule erfahrbar werden,
hängt massgebend vom Umgang und den
Erfahrungen der einzelnen Lehrperson damit ab. An dieser Haltung arbeiten könne
man über das eigene Tun, indem man selbst
Musik und Performances mache und reflektiere, was eine Musik-, Theater- oder Tanzerfahrung in einem ausgelöst habe. «Wie bringe
ich die Schülerinnen und Schüler dazu, Dinge zu wagen?», beschreibt Kramer-Länger die
Herausforderung der Lehrpersonen in den
Kunstfächern, die gleichzeitig auch diejenige
der Dozierenden an der PH Zürich ist.
Während technische Fertigkeiten im
Musikunterricht an den Schulen an Bedeutung verloren haben, bleiben sie in der Ausbildung zur Lehrperson wichtig. Im Instrumentalunterricht zur schulpraktischen Liedbegleitung bereiten sich die Studierenden
darauf vor, ihre Klasse beim Singen und Musizieren auf einem Harmonieinstrument zu
begleiten. Die Voraussetzungen der Studierenden sind sehr unterschiedlich. Wer als
Anfänger komme, müsse viel investieren, sagt
Gürber. Gerade auf der Sekundarstufe sei es
wichtig, dass die Lehrperson ein bestimmtes
Niveau habe, um den Jugendlichen eine
groovige Begleitung zu bieten. «Eigentlich
müssten alle Musiklehrpersonen auch DJs
sein», fügt er hinzu und relativiert sogleich:
«Oder sie setzen auf die Kompetenzen der
Schülerinnen und Schüler.» Dies gilt nicht
nur für den Musikunterricht, sondern für alle
Kunstfächer. Denn wo Kunst möglich werden soll, muss auch die Lehrperson Wagnisse
eingehen.
15
Schwer pu nkt Kü nste
werden, wenn sie auf ihre wirtschaftsfördernden Effekte hin vergleichbar gemacht
werden. Kunstfächer mögen durch die Berufswelt, die immer mehr nach kreativen
Ideen verlangt, zwar wichtiger erscheinen,
ihre Legitimation ist jedoch nicht durch den
Bedarf an kreativen Köpfen gegeben.
16
AKZENTE 3/2016
«Kunst sollte nicht ein Randdasein
führen, sondern Teil des Lebens sein»
Für Simon Maurer, Leiter des Stadtzürcher Museums Helmhaus, bietet die Kunst den
Schlüssel zum guten Leben. Kinder und Jugendliche sollten Kunst daher nicht als
blosse Ergänzung zum (Schul-)Alltag erleben.
Akzente: Simon Maurer, wieso sollen
sich Kinder und Jugendliche eigentlich
mit Kunst auseinandersetzen?
Maurer: Weil die Kunst das offenste gesellschaftliche Feld ist, das am meisten
Freiheit gewährt. In der Kunst ist fast alles
möglich, man kann Grenzen erfahren und
ausloten. Hier im Helmhaus haben wir
schon ziemlich extreme Dinge ausprobiert.
Einmal wurde ein Raum völlig unter Wasser gesetzt, in der gleichen Ausstellung
haben Künstler das Botschafts-Zimmer in
London, in dem Julian Assange seit vier
Jahren festsitzt, nachgebildet. Durch ihre
Freiheit führt uns die Kunst vor, was
Freiheit ist und was wichtig ist im Leben.
Und das wäre?
Wichtig im Leben sind zum Beispiel ein
sozialer Umgang und die Einstellung zur
Arbeit. In hochentwickelten Gesellschaften
versklaven sich Menschen heute freiwillig
– opfern ihre Freiheit für die berufliche
Karriere. Die Auseinandersetzungen mit
solchen Fragen stossen Künstler an.
Natürlich sind auch die Inhalte der Kunst
wichtig, Umweltprobleme und dass man
sich mit den aktuellen gesellschaftlichen
Herausforderungen befasst. Für ein gutes
Leben sind zudem ästhetische Aspekte
zentral, dass man einen Sinn für Schönheit
und eine sensorische Feinheit entwickelt.
Dieses Sensorium sollte auch in der Schule
gefördert werden. Wenn sich Kinder auf
Kunst einlassen, können sie in andere Welten eintauchen, im Kopf reisen, erfahren,
wie das Leben an anderen Orten ist, das
ist eine sehr effiziente Art zu reisen. Mit
solchen Dingen kann man sich nicht früh
genug auseinandersetzen.
Welche Erinnerungen haben Sie an
den eigenen Kunstunterricht?
AKZENTE 3/2016
Über Simon
Maurer
Als Sohn eines Professors für Kunstgeschichte war Kunst
für Simon Maurer
immer schon Teil des
Lebens. Der 1964 in
Bern Geborene wollte
als Jugendlicher auf
keinen Fall Kunst
studieren oder
Künstler werden.
Es kam anders. Nach
der Matura kam
Maurer über ein
Praktikum ans
Kunsthaus Zürich,
wo er acht Jahre
lang an Ausstellungen mitarbeitete.
Parallel studierte
er Kunstgeschichte
und Germanistik und
war selbst als
Künstler aktiv.
Ab 1991 war er zehn
Jahre lang als
Kunstkritiker
tätig, und ab 1993
parallel als Ausstellungsmacher im
Zürcher Helmhaus,
wo er 1995 mit einer
für jene Zeit zu
körperlichen und
deshalb abgesagten
Ausstellung für
einen Skandal sorgte. 2001 übernahm
er die Leitung des
Hauses. Maurer
lebt in Seebach mit
seiner Frau und
Foxy, einem rumänischen Strassenhund.
Dieser begleitet
ihn manchmal ins
Büro, wo an der Wand
ein Wimpel des FCZ
von einer anderen
Leidenschaft von
Maurer zeugt.
Kunst fand zu meiner Zeit fast gar nicht
statt in der Schule, und das ist eigentlich
skandalös. Die Schulfächer haben sich
in der letzten Zeit positiv entwickelt, aber
Kunst und Kreativität haben immer noch
zu wenig Raum und werden zu wenig
frei vermittelt. Die Jahresberichte meines
ehemaligen Gymnasiums sind immer voller
Texte über Orchester, Studienwochen,
spezielle Projekte, die, wenn man ehrlich
ist, vielleicht zwei Prozent des normalen,
normierten Unterrichts ausmachen.
Die Schule stellt sich als interessantere
Schule dar, als sie es tatsächlich ist.
Wie sollten Kunst und Kreativität
vermittelt werden?
Der Kunstunterricht müsste weniger
normiert und vorbestimmt sein. Wenn man
den Unterricht in bestimmten Rastern
hält, ist das jedoch viel besser kontrollierbar. Lehrerinnen und Lehrer sollten mehr
ausprobieren. Wichtig ist zum Beispiel,
das Schulhaus auch einmal zu verlassen
und eine Kunstausstellung zu besuchen.
Doch der Museumsbesuch ist für Lehrpersonen mit grossem Aufwand verbunden: Sie müssen sich die Ausstellung
vorher bereits einmal anschauen und
sich überlegen, wie sie die Inhalte vermitteln wollen. Dabei sollten sie auch mehr
Unterstützung von den Museen erhalten.
Wir haben im Helmhaus leider nicht so
viele Schulklassen, weil uns für die Kunstvermittlung für Kinder und Jugendliche
nur sehr wenige Stellenprozente zur Verfügung stehen. Ich würde es sehr befürworten, dass man junge Menschen verstärkt ins Museum zu holen versucht. In
Holland beispielsweise erhalten Museen,
die keine Angebote für Schulen machen,
gar keine finanzielle Unterstützung vom
Staat.
17
Schwer pu nkt Kü nste
Text: Melanie Keim, Fotos: Nelly Rodriguez
diese Paare begleitet und Begegnungen für einen Film
moderiert. Jener Schüler, der für einen dieser Filme
Zahnarzt und Künstler befragte, wirkte total begeistert.
Das sind prägende Momente.
Schwer pu nkt Kü nste
Ist es heute schwieriger, Jugendliche für Kunst
zu begeistern?
Durch die Digitalisierung und den exzessiven Handykonsum, die sehr zur Zerstreuung beitragen, wird es
generell schwieriger, sich auf nur eine Sache einzulassen. Auf der anderen Seite hat Kunst etwas sehr
Spielerisches und ist damit beispielsweise auch sehr
nahe am Gamen, viel näher als andere Fächer. Von
dem her hätte Kunst es auch nicht so schwer, Jugendliche zu packen. Was ich sehe, wenn Kinder und
Jugendliche hier sind, macht mich immer glücklich.
Sie setzen sich wirklich auf eine gute Art und Weise
mit den Kunstwerken auseinander.
«In der Kunst ist fast alles möglich, man kann
Grenzen erfahren und ausloten.» Simon Maurer,
Leiter des Museums Helmhaus.
Während Kleinkinder Kunst mit grosser Neugierde begegnen, scheinen Jugendliche manchmal
nur schwer für den Museumsbesuch zu begeistern zu sein. Wie schafft man es, bei älteren
Schülerinnen und Schülern die Lust auf Kunst
zu wecken?
Es gibt einen grossen Unterschied zwischen historischer Kunst und Gegenwartskunst. RenaissanceMalereien können abschreckend sein, weil man schon
sehr viel wissen muss, um einen Zugang zu dieser
Kunst zu erhalten. Bei der Gegenwartskunst ist die
Hürde viel kleiner. Sie ist in den letzten 20, 30 Jahren
wichtiger geworden, sodass Kinder und Jugendliche
heute auch eher mit ihr in Kontakt kommen. Bei
einem Museumsbesuch könnte man viel Interessantes
über die Hintergründe einer Ausstellung vermitteln,
wie diese überhaupt entsteht, welche Probleme und
Auseinandersetzungen dabei auftreten. Auch Atelierbesuche und Begegnungen mit Künstlern wären für
Kinder und Jugendliche interessant. Für die KunstBiennale Manifesta, die diesen Sommer in Zürich
gastiert, arbeiten Künstler mit lokalen Berufstätigen
zusammen. Zürcher Schülerinnen und Schüler haben
18
«Durch die Digitalisierung
und den exzessiven
Handykonsum wird es
schwieriger, sich auf nur
eine Sache zu konzentrieren.»
Kann man den Kindern den Zugang zu Kunst
und Kreativität auch verbauen?
Das Risiko ist sehr klein. Man muss dem Kunsterlebnis
auch Raum lassen, damit Fehler gemacht werden
können. Wenn man nur einmal ins Museum geht, dann
lastet ein relativ grosser Druck auf diesem Museumsbesuch. Durch regelmässige Besuche ergäbe sich eine
gewisse Kontinuität, auf der man etwas aufbauen kann.
Im angelsächsischen Raum und wie bereits erwähnt
in Holland wird das ernster genommen, auch in Italien
oder Spanien gibt es eine Tradition, mit Schulklassen
ins Museum zu gehen. Manchmal werden Kinder auch
auf nicht gerade ideale Art und Weise ins Museum geschleppt, wenn dieser Besuch Pflicht ist, aber immerhin kommen sie mit Kunst in Berührung. Da haben
wir grossen Nachholbedarf. Kunst sollte nicht ein
Randdasein führen, sondern viel mehr Teil des Lebens
sein. Im Idealfall würde man dann merken, dass die
Kunst und unser Leben sehr viel miteinander zu tun
haben.
AKZENTE 3/2016
«Nehmt eure
Rollen ein
und sprecht
deutlicher!»
Text: Claudia Merki, Fotos: Alessandro Della Bella
Das erste, was auf dem regennassen Campusplatz
der PH Zürich auffällt, ist ein farbiges Etwas, das sich bei
näherer Betrachtung als riesiger Stoffhaufen entpuppt.
Als durchnässter Riesenpompon, erschaffen von Studentinnen, wie sich später zeigen wird. Doch der Reihe nach:
Im Rahmen ihrer Ausbildung wählen Studierende der
Kindergartenstufe, des Studiengangs «Kindergartenund Unterstufe» sowie der Primarstufe jeweils ein Fach
im Bereich der Künste aus, in welchem sie sich vertieftes
Wissen aneignen möchten und von dem sie sich einen
Nutzen für ihren beruflichen Alltag erhoffen. Immer freitags verwandeln sich dann verschiedene Räume im Campus in experimentelle Kreativlabors. So auch an diesem
Freitag beim Besuch von Akzente. Im Theatersaal in
einem der Untergeschosse ist es morgens um neun Uhr
dunkel und ruhig. Die Proben im Modul «Von der Improvisation zur Theaterproduktion» der Kindergartenund Primarstufe sowie des Studiengangs «Kindergartenund Unterstufe» sind in vollem Gang. 15 schwarz
gekleidete Studierende – sieben Männer, acht Frauen –
AKZENTE 3/2016
19
Im sechsten Semester ihrer Ausbildung
absolvieren Studierende der PH Zürich
in einem der Fächer im Bereich der
Künste ein sogenanntes Vertiefungsmodul. «Akzente» besuchte an einem Tag
drei dieser Lehrveranstaltungen und
traf dabei in den experimentellen
Labors auf vielfältige Kunstprojekte.
Schwer pu nkt Kü nste
Theater-Probe an der PH Zürich: volle Konzentration auf sich selber und auf die Gruppe.
Schwer pu nkt Kü nste
liegen auf Matten. «Ihr spürt eure Fersen, eure Zehen,
eure Unterschenkel», suggeriert Dozentin und Theaterpädagogin Yaël Herz. Dann schreiten alle im Takt zum
Hip-House-Song «Alors on danse» kreuz und quer über
die Bühne. Beim Spiel «Monster verfolgt Prinzessin»
kommt die Gruppendynamik erstmals so richtig auf. Die
künftigen Lehrpersonen jagen sich gegenseitig: Sie
grölen, fauchen oder rennen kreischend über die Bühne.
Später, in der Kaffeepause, wird Yaël Herz erklären:
«Beim Theaterspielen ist es wichtig, die Hemmungen zu
verlieren. Dies ist für die Studentinnen und Studenten
nicht immer ganz einfach.» Aufgewärmt geht es jetzt an
die Szenenarbeit. Die Studierenden versuchen den Bandwurmsatz «Arbeit-ist-eine-zielgerichtete-soziale-planmässige-und-bewusste-körperliche-und-geistige-Tätigkeit»
so synchron und abgehackt wie möglich zu sprechen.
«Jetzt noch härter, kälter, wie eine Maschine!» fordert die
Theaterpädagogin. In gleicher Manier probt das Ensemble später die Szene «Essensausgabe in einer Kantine»,
wobei man an Charly Chaplin in Modern Times denken
muss. Alle geben ihr Bestes, aber Yaël Herz ist noch nicht
ganz zufrieden: «Lasst eure persönlichen Gesten weg,
nehmt eure Rollen ein, sprecht deutlicher!» feuert sie die
Gruppe an.
Das Theaterstück, welches Yaël Herz gemeinsam
mit ihrer Kollegin Susanne Vonarburg mit den Studierenden entwickelt, wird am Ende des Semesters aufgeführt. Die Produktion nimmt Bezug auf das literarische
Jugendbuch Krabat von Otfried Preussler. «Es geht ums
Unterwegssein, um Liebe als Befreiung, um das Gefangensein im Arbeitssystem», umschreibt Herz das Thema.
Eine Herausforderung bestehe für die Studierenden darin, die Konzentration auf sich selbst und die Gruppe
hochzuhalten. Die Mühe und Anstrengung lohnen sich:
«Der ganze Prozess und die Auseinandersetzung mit dem
eigenen Spiel sowie der Improvisationsfähigkeit werden
den künftigen Lehrpersonen in ihrem Beruf nützen», ist
die Dozentin überzeugt. Die Studierenden würden sich
ihres Körpers sowie dessen Einsatz und Wirkung bewusst. Dies, zusammen mit dem sich während des Moduls stark entwickelnden Gruppengefühl, bezeichnet
Yaël Herz als Hauptgewinn für die angehenden Lehrpersonen.
Mit mehr Musse arbeiten
Mittlerweile ist es später Vormittag. Während die Theatergruppe weiter probt, werken auf einem anderen Stockwerk elf Studentinnen und zwei Studenten des Vertiefungsmoduls «Werken/Werken Textil: Handwerk? Mode/
Design? Kunst?». Unter hellem Licht arbeiten die Studierenden der Primarstufe konzentriert an ihren persönlichen Produkten. «Dieses Modul ermöglicht es den Studierenden, sich fachlich zu vertiefen», erklärt Dozentin
Claudia Mörgeli. Denn hier könne man individuell und
20
mit mehr Musse arbeiten als im Rahmen der üblichen
Lehrveranstaltungen. Die Studierenden haben die freie
Wahl, mit welchen Materialien sie arbeiten möchten. Die
Beschreibung des Moduls lautet «Spielerisches Experimentieren mit Werkstoffen und Verfahren aus Design und
Technik». So sind Holzdosen entstanden, Tongefässe,
Bags aus verschiedenen Stoffen, ein Oberteil aus Jersey
oder ein Quilt. Das eigenwilligste Objekt ist die Cervelat-Schneidmaschine eines experimentierfreudigen
Studenten, der diese künftig an Partys einsetzen will.
Der weitere Hauptfokus liegt auf einer Teamarbeit: der Kreation einer grossen Installation für den öffentlichen Raum der PH Zürich. Dazu machten sich die
Studentinnen und Studenten zur Inspiration in einem
ersten Schritt auf die Suche nach «Grossen Zürcher
Schaustücken» von Künstlerinnen und Künstlern mit
Rang und Namen wie Max Bill, Niki de Saint Phalle oder
Henry Moore. Dabei mussten sie sich der «Big Art» auch
intellektuell annähern und Antworten auf Fragen finden
wie: «Wieso macht ein Künstler überdimensionierte
Kunst? Was heisst es, eine künstlerische Arbeit für den
öffentlichen Raum zu kreieren?» Claudia Mörgeli: «Es
war mir wichtig, dass die Studierenden durch die Auseinandersetzung mit Kunst inspiriert und herausgefordert
werden. Sie sollten zudem realisieren, dass jedes Kunstwerk durch sein Material und die Dimension, durch seine Platzierung und Gestaltung eine Aussage beinhaltet.»
Schliesslich mussten sich die einzelnen Studierendengruppen auf ein Thema einigen und mit verschiedenen
Materialien und Verfahren experimentieren. Zur Aufgabenstellung gehörte weiter, eine Installation zum ausgesuchten Thema anzufertigen und dabei das gewählte
Verfahren anzuwenden mit dem Ziel, dieses handwerklich gut zu beherrschen.
Welche Idee kann die ganze Gruppe begeistern?
Die «Bank-Gruppe» schickt sich gerade an, ihre zehn Meter lange Holzbank in den Regen hinaus auf den Campushof zu transportieren. Das Möbel besteht aus vier
Elementen à 2.50 Meter Länge. Das Materialbudget war
knapp, die Studierenden setzten entsprechend günstiges
Holz ein. Da die Zeit zum feinen Abschleifen nicht reichte, flochten sie für die Sitzfläche eine Abdeckung aus
Kunststoffbändern. Auch die «Pompon-Gruppe» hatte
einige Herausforderungen zu meistern. Die erste Hürde
lag darin, eine Idee zu finden, die alle begeistert. Ein erster Vorschlag wurde verworfen. Bei der Idee, einen überdimensionierten Pompon anzufertigen, hatte man hinsichtlich Produktion Bedenken. Nach der Anfertigung
eines Prototyps aus Veloschläuchen waren die Zweifel
jedoch verflogen und die Studierenden nahmen die Sache an die Hand, suchten nach Material. Sie fanden dieses in Form von Webkantenresten in einer Glarner Weberei. Die in drei grossen Kehrrichtsäcken abgepackten
AKZENTE 3/2016
Mehr Zeit, mehr Musse: Die Studierenden haben für ihre
Projekte freie Wahl bei Produkt und Material.
AKZENTE 3/2016
Wie erging es den anderen? Nach der Rückkehr an die PH
Zürich tauschen die Studierenden ihre Erfahrungen aus.
21
Schwer pu nkt Kü nste
Fokus auf der Teamarbeit: Bei der Herstellung und
Installation der 10 Meter langen Bank mussten die
Studierenden einige Hürden bewältigen.
Bänder von bis zu 60 Metern Länge galt es nun aufzuwickeln. Eine zeitraubende Arbeit. Auch die Herstellung
zweier Kartonringe mit einem Durchmesser von 1.80
Meter war eine Herausforderung, ebenso der Versuch,
das gewaltige Loch in der Mitte mit den Stoffbändern
und Recyclingstoffen restlos auszufüllen. Studentin Serena Spina empfand die Projektarbeit als sehr bereichernd. Sie lobt auch den Einsatz von Claudia Mörgeli,
von deren Wissen und Können sie profitiert hätten. Die
ausgebildete Schneiderin, Handarbeitslehrerin und Absolventin des Master of Arts in Art Education geht während des Besuchs von Akzente von Studentin zu Studentin und berät sie mit ihrem grossen Know-how. Die Zeit
reichte jedoch nicht, das Pomponloch komplett zu füllen.
Das Ergebnis fiel zwar kleiner aus als geplant, war aber
dennoch zu schwer, als dass es aus eigener Muskelkraft
auf den Campusplatz hätte befördert werden können. So
musste der Hausdienst Hand anlegen.
Welchen Nutzen bringt das Modul den Studierenden? «Der durchlebte Designprozess mit dem Entwickeln
einer Idee bis zum fertigen Produkt, die gesammelten
Erfahrungen mit Materialien sowie die Auseinandersetzung mit künstlerischen Verfahren werden die Studierenden in der Praxis unterstützen», erklärt Claudia Mörgeli.
22
Nach der Mittagspause startet in einem der Musikzimmer das Modul «Szenische Musikprojekte an der Volksschule», das von Studierenden der Primar- und Kindergartenstufe unter der Leitung des Musikpädagogen
Marcel Fässler und der Theaterpädagogin Annina Giordano besucht wird. Ziel des Vertiefungsmodules ist es,
mit einer Schulklasse ein Musikprojekt zu erarbeiten und
aufführen zu können. Zu diesem Zweck arbeiten die Studierenden immer am Morgen in den Schulen «In der Ey»
und «Hirzenbach». Dort üben sie jeweils zu zweit mit den
Kindergärtlern oder Schülerinnen und Schülern. Das
Thema der Ausgabe 2016 lautet «Nacht, Gespenster,
Grusel».
Die insgesamt 16 Studentinnen und Studenten
sind eben von den Schulen an die PH Zürich zurückgekehrt und tauschen nun ihre Erfahrungen aus. Dozentin
Annina Giordano hört ihnen aufmerksam zu, berät,
macht Empfehlungen. Das Rüstzeug für die Aufgabe holten sich die angehenden Lehrerinnen und Lehrer zu
Beginn des Semesters: Sie schauten verschiedene Theaterformen und -methoden an, besprachen Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Musikinstrumente, probierten
verschiedene Spiele aus, um die Kinder an die Musik
und das Theater heranzuführen. «Die grosse Herausforderung bestand darin, innerhalb von nur drei Vorbereitungstagen die Teilnehmenden zu befähigen, musikalisch-theatralische Impulse setzen und die Schülerinnen
und Schüler führen zu können», erklärt die Theaterpädagogin. «Am Anfang brauchten wir ewig, um die Lektionen in der Schule zu planen», erinnert sich Studentin
Mirjam Bamert. Sie hätten sich stets gefragt, wie man es
am besten hinkriegt, die Kinder einen ganzen Morgen
lang «bei der Stange» zu halten. Zum Glück konnten die
Studierenden auch auf die Unterstützung der jeweiligen
Klassenlehrperson zählen. Annina Giordano lobt die
Studentinnen und Studenten: «Sie liessen sich sehr
schnell auf ihre Aufgabe ein, schlüpften in die Rolle der
Spielleitenden und übernahmen Verantwortung für ihr
Projekt.»
Diplomprüfungen gehen vergessen
Inzwischen ist es später Nachmittag geworden. Zurück
zur Theatergruppe, die gerade in der Pause ist: Auf die
Frage, weshalb sie dieses Modul gewählt hat, antwortet
Studentin Alma Mia Rüegg: «Ich habe hobbymässig immer schon Theater gespielt und dachte, dass mir die Arbeit für meine Auftrittskompetenz als Lehrerin nützen
kann.» Student Marco Vetterli antwortet auf die gleiche
Frage: «Yaël Herz ist als Dozentin, Mensch und Motivatorin top.» In der Gruppe werde viel gelacht, es sei lebendig, die anstehenden Diplomprüfungen gingen für einen
Moment vergessen. «Von Montag bis Donnerstag leben
wir das gewohnte Studierendenleben. Am Freitag kommt
dann der Ausbruch.»
AKZENTE 3/2016
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Studierendenporträt
Wie bringt man einem
Kind im Primarschulalter den
Aufschlag im Badminton bei?
Jennifer Kobelt lacht, als sie beim
Treffen mit ihr in der Mensa der
PH Zürich die Frage hört. «Das ist
tatsächlich nicht ganz einfach. Es
braucht auf jeden Fall einiges an
Geduld.» Dass sich die Studentin
auf der Primarstufe überhaupt
zu der Frage äussern soll, liegt an
ihrem sportlichen Hintergrund:
Die 23-Jährige spielt seit bald 15
Jahren mit grossem Erfolg Badminton, aktuell steht sie als Captain des
Nationalliga-B-Vereins Vitudurum
im Einsatz. Zusätzlich hat sie es bis
in die Nationalmannschaft der
Juniorinnen geschafft. Aufgrund des
Studiums musste sie ihr Engagement nun etwas reduzieren. Aktuell
trainiert sie «nur» noch drei bis vier
Mal pro Woche. Zu Juniorenzeiten
24
stand sie in der Regel täglich auf
dem Platz. Trotzdem hat sie an den
vergangenen Schweizer Meisterschaften einen Podestplatz nur
knapp verpasst. «Eine Medaille zu
erreichen, ist mein grosses Ziel.
Doch zuerst möchte ich mein
Studium abschliessen.» Der Weg
dorthin ist nicht mehr weit. Zwei
Semester fehlen noch bis zum
Diplom.
Wer einen Sport so intensiv
und erfolgreich betreibt, hat die
Affinität dafür schon als ganz kleines
Kind entdeckt – könnte man vielleicht denken. Doch weit gefehlt.
«Ich habe mich früher nicht so gerne
bewegt. Aber meine Mutter wollte,
dass ich Sport treibe.» Jennifer
Kobelt versuchte es mit Tennis,
Turnen und Ballett. Doch das war
alles nichts. Dann besuchte sie
einmal ein Badminton-Schnuppertraining. «Der Sport hat mir sofort
zugesagt. Mich fasziniert, wie viel er
in sich vereint und erfordert:
Schnelligkeit, Ausdauer, Technik,
Kraft und Taktik. Ich profitiere auch
im Lehrberuf davon.» Die hohe
mentale Belastung, die Erarbeitung
von Zielen, der Umgang mit Misserfolgen, die Zusammenarbeit
im Team ‒ all das sei auch in der
Schule von Bedeutung. Jennifer
Kobelt freut sich darauf, in einem
Jahr ihre erste eigene Klasse zu übernehmen. Selbstredend wird sie auch
Badminton spielen im Unterricht.
«Der Sport ist vor allem für kleinere
Kinder anspruchsvoll – nicht nur
beim Aufschlag. Ich habe es bereits
einmal in einem Praktikum probiert.
Und ich werde mich der Herausforderung wieder stellen.»
– Christoph Hotz
AKZENTE 3/2016
Foto: Nelly Rodriguez
Studierendenseite
Jennifer
Kobelt, 23,
studiert an
der PH Zürich
auf der
Primarstufe.
Die Masterarbeit
Ausstudiert – die Studierendenkolumne
Die KompetenzorientieAm Ende der drei Wochen
rung ist im Zusammenhang fanden zwei Prüfungen statt. Die
Sandra Anita Zenger
befasste sich deshalb mit
der Frage: «Führt ein kompetenzorientierter Unterricht bei der
Schülerschaft zu einer sichtbaren
Kompetenzsteigerung ohne dabei
die kognitiven Fähigkeiten messbar negativ zu beeinflussen?» Zur
Untersuchung führte sie ein Experiment mit 58 Jugendlichen der
zweiten Sekundarstufe A durch.
Während dreier Wochen wurde
eine der insgesamt drei Schulklassen herkömmlich (Kontrollgruppe)
und die zwei anderen Klassen
(Versuchsgruppen) kompetenzorientiert in Chemie unterrichtet.
Die Schülerinnen und Schüler
der Kontrollgruppe musste also
beispielsweise den Begriff «Eigenschaften» definieren, während jene
der Versuchsgruppen angehalten
wurden, nach Stoffeigenschaften
zu fragen. Die kognitiven Inhalte
wurden in allen Klassen gleich
gestaltet.
AKZENTE 3/2016
eine befasste sich mit den fachlichen Inhalten, die andere testete
die Kompetenzfähigkeiten der
Schülerinnen und Schüler. Dabei
zeigte sich: In der kognitiven
Leistungsprüfung unterschieden
sich die Forschungsgruppen nicht
signifikant voneinander. Auch
die Werte des Kompetenztests
wiesen keinen signifikanten Unterschied auf. Jedoch zeigte sich eine
leichte Tendenz hin zur Kompetenzsteigerung der Versuchsgruppe.
«Aus dieser Tendenz lässt sich
ein minimaler Effekt des kompetenzorientierten Unterrichts ableiten», folgert Sandra Anita Zenger.
Unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Konferenz der
kantonalen Erziehungsdirektoren
(EDK) im Lehrplan 21, wonach
zum Aufbau von Kompetenzen
eine langfristige und kontinuierliche Bearbeitung nötig ist, konstatiert sie zudem: «Bei einer längeren
und vertieften Bearbeitung in den
Lektionen würden sich die Werte
unter Umständen […] signifikant
unterscheiden.»
Pitt Hild, Dozent an der
PH Zürich und Betreuer der
Masterarbeit, ist überzeugt, dass
es Sandra Anita Zenger gelungen
ist, mit ihrer Arbeit «aus dem
Panoptikum rund um den Kompetenzbegriff auszubrechen. Zudem
hat die Studentin es verstanden,
kompetenzorientierten Unterricht
nicht mit gutem Unterricht gleichzusetzen», sagt er und hält fest:
«Kompetenzorientierter Unterricht
muss nicht gut und guter Unterricht nicht kompetenzorientiert
sein.» – Olivia Rigoni
Olivia Rigoni ist Redaktorin in
der Abteilung Kommunikation der
PH Zürich
Alltagsprobleme
Kennen Sie das? Ich liege gemütlich dösend im Bett und plötzlich, ein nur allzu bekannter Ton
reisst mich aus dem nebulösen
Halbschlafzustand, bereits
irgendwo auf halber Strecke
zwischen Traumwelt und Nirvana.
Das Telefon! Nicht schon wieder,
murmle ich und stehe abrupt
auf, wobei ich gleichzeitig an
meinen Orthopäden denke, welcher
laut aufschreiend «Passed Sie uf
ihri Bandschiibe uf» rufen würde.
Weil ich eine Gwundernase und
obendrauf noch viel zu jung für
einen Orthopäden bin, raffe ich
mich auf und suche nach dem
Störenfried. Da Handy und Bett
mehrere Meter voneinander entfernt sind, muss ich mich strapaziös aus meiner Höhle schälen
und mache mich auf die Suche nach
dem dröhnenden Ding. Blindlings
stosse ich mir den Zeh am Bettpfosten an, und mein schmerzverzerrtes Gesicht zeigt den «wasich-doch-für-ein-beschwerlichesLeben-habe»-Ausdruck.
Das mir Widerfahrene kann
tatsächlich unter einem Begriff
zusammengefasst werden: «first
world problems». Googeln Sie doch
einmal den Begriff, Sie werden
staunen. Die abstrusesten Banalitäten, welche uns Bürgern der
Industrieländer das Leben angeblich schwermachen, sind auf unzähligen Webseiten auszumachen.
Scrollt man durch die Beiträge,
welche sich an Kreativität zu
überbieten versuchen, scheint
es, als diene das inflationäre
Auftauchen dieses Zeitgeist-Phänomens als willkommene Ablenkung
von schwerwiegenderen Problemen.
Also doch lieber weiterschlafen?
Nina Vogt ist Studentin auf der
Sekundarstufe I und Tutorin
im Schreibzentrum der PH Zürich.
25
Studierendenseite
mit der Diskussion um den Lehrplan 21 in aller Munde. Wissenschaftlich erforscht wurde das Thema bis anhin jedoch nur wenig,
stellt Sandra Anita Zenger in ihrer
Masterarbeit «Eine Untersuchung
zum Effekt kompetenzorientierten
Unterrichts in der Chemie» fest.
Doch damit theoretische und
politische Ideen ihren Weg in die
schulische Praxis finden können,
müssen zuerst die Rahmenbedingungen und der Nutzen einer
Umsetzung geklärt werden, ist
sie überzeugt und schreibt weiter:
«Daher macht es Sinn, sich als
angehende Lehrperson sowohl mit
der Bedeutung, aber auch der
Relevanz einer Kompetenzorientierung im Unterricht auseinanderzusetzen.»
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AKZENTE 3/2016
Schulprojekt
mit Tablets
geht in die
nächste Runde
Die PH Zürich führt seit 2015 mit finanzieller Unterstützung von Samsung Schweiz
das Projekt «SAMT – Schulen arbeiten mit
Tablets» durch, in dem Lehrpersonen und
Schulteams sich kostenlos zum Einsatz von
Tablets im Unterricht weiterbilden können. Ein Zwischenbericht zum Projekt und
ein Umsetzungsbeispiel aus der Schule
Jonschwil.
gelina Holzers 3.- und 4.-Klass-Schülerinnen und -Schülern. Sie nehmen von unserem Besuch wenig Notiz. Eifrig
und konzentriert arbeiten sie an ihren Vorträgen und flinke Kinderhände bedienen die Touch-Screens mit beeindruckender Selbstverständlichkeit. Ihre Kollegin, Celia
Kälin, welche die 1. und 2. Klasse in Jonschwil führt, bezeichnet sich selbst als «Computer-Geek». Doch selbst sie
staunt, wie ihre Schützlinge Tablets bedienen und führt
dies auf die grosse Vertrautheit mit den Geräten aus den
Elternhäusern zurück: «Kinder dürfen daheim von klein
auf Tablets bedienen, und die Einheit von Tastatur und
Bildschirm und das geringe Gewicht der Geräte kommen
ihnen sehr entgegen».
Noch während der Weiterbildung an der PH Zürich lancierten Kälin und Holzer ein gemeinsames stufenübergreifendes Projekt. Mit einer interaktiven Schnitzeljagd mit Tablets erreichten die beiden Lehrerinnen die
Erst- und die Viertklässler gleichermassen. Inzwischen
haben sie zahlreiche weitere Projekte entworfen und
Tablets erlebten kurz nach ihrer Markteinführung
einen weltweiten Boom. Die flachen Rechner mit
Touch-Oberfläche eroberten Wohnzimmer, PendlerVehikel und einige Bereiche der Arbeitswelt im Eilzugstempo. In den Schulzimmern hingegen dauerte es eine
Weile. Dabei eignen sich Tablets in vielerlei Hinsicht hervorragend für den Einsatz in der Volksschule: Sie sind
leicht, intuitiv bedienbar, mobil und sofort betriebsbereit.
Sie können fotografieren, filmen und Ton aufzeichnen.
Hinzu kommt ein ganzes Universum von – häufig kostenlosen – Apps, die Lehrpersonen, Schülerinnen und Schülern zur Auswahl stehen.
Der Leistungsbereich Medienbildung & Informatik der PH Zürich entwickelte den kostenlosen Weiterbildungslehrgang SAMT für Schulteams und Lehrpersonen
aus der ganzen Deutschschweiz. In fünf Halbtagen werden die Teilnehmenden über die Einsatzmöglichkeiten
von Tablets im Schulzimmer ins Bild gesetzt und kriegen
reichlich Gelegenheit, Neues auszuprobieren. Wer möchte, kann einen Klassenkoffer mit Tablets in die Schule
mitnehmen und erste Versuche mit der eigenen Klasse
wagen. Bereits 370 Lehrpersonen haben an der Weiterbildung teilgenommen.
PH Zürich – Weiterbildu ng
Text und Foto: Christian Wagner
Setzen auf digitale Medien: Celia Kälin,
Schulleiter Ivo Kamm, Angelina Holzer (v.l.).
durchgeführt. In Jonschwil ist die IT-Welt angekommen,
aber dennoch betont Schulleiter Ivo Kamm: «Computer
aller Art verdrängen traditionelle Medien und Kulturtechniken niemals, sondern ergänzen sie.»
Orientierung am Lehrplan 21
Interaktive Schnitzeljagd mit Tablets
Definitiv angekommen sind die digitalen Medien bei An-
«SAMT – Schulen arbeiten mit Tablets» steht allen
Lehrpersonen und Schulteams der Schweiz offen.
Dank der Unterstützung von Samsung ist die aus
5 Modulen/Halbtagen bestehende Weiterbildung
kostenlos. Die Kursteilnehmenden erhalten Impulse und Unterrichtsideen, die sich an den Kompetenzen des Lehrplans 21 orientieren. Die Kurse für
das Herbstsemester 2016 sind bereits ausgebucht.
Anmeldungen für das Frühlings- und Herbstsemester 2017 werden ab sofort entgegengenommen.
Weitere Infos und Anmeldung unter phzh.ch/samt.
AKZENTE 3/2016
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AKZENTE 3/2016
In sieben Schritten vom
Problem zur Lösung
Beim «Problem-based Learning» (PBL) steht produktives und selbstgesteuertes
Lernen anhand von Problemen im Zentrum. Der Ansatz findet insbesondere in der
Hochschulbildung und der höheren Berufsbildung Verbreitung. Mitte Juni fand dazu
an der PH Zürich ein internationaler Kongress statt.
Explorative Lernumgebungen gelten als erfolgsversprechende Konzepte, um die Kompetenzentwicklung
innerhalb von Bildungsgängen zu etablieren und Lernprozesse und Handlungskompetenzen umfassend zu fördern. Inwieweit Problem-based Learning und verwandte
Ansätze dieser Prämisse entsprechen, wurde am internationalen Kongress «Problem-based Learning – Kompetenzen fördern, Zukunft gestalten» Mitte Juni an der PH
Zürich diskutiert. Der Kongress wurde in Kooperation
steuerte Lernen. PBL kann verschiedene Formen annehmen, je nach Wissensdomäne, in der es eingesetzt wird,
und je nach den Bildungszielen bzw. Kompetenzen, die
verfolgt werden. Verwandte Lernansätze sind beispielsweise das Projektorientierte Lernen oder das Case-based
Learning (Lernen an Fällen, Fallbasiertes Lernen).
Beim «klassischen Ansatz» von PBL kommt die
sogenannte «7-Sprung- Methode» zum Einsatz, eine Prozessstrategie, welche Lernende bei der Problembearbeitung und Wissensgenerierung leitet. Bis auf einen der
insgesamt sieben Schritte durchlaufen die Lernenden
alle Schritte in der von einem Tutor bzw. einer Tutorin
betreuten Kleingruppe. Ausgangspunkt ist dabei stets
eine berufs- oder disziplinbezogene Problemstellung.
Lernende analysieren in Kleingruppen das Problem je
nach Inhalt, Fachrichtung oder Lernstufe. Sie aktivieren
ihr Vorwissen, klären ihre offenen Fragen und ergründen
grundlegende Fragestellungen, die für die Problembearbeitung leitend sind. Anschliessend erarbeiten die Lernenden im Selbststudium Lösungswege, erschliessen
Widersprüche und verknüpfen Vorwissen mit neuen Inhalten. Das heisst, sie beschaffen sich in Einzelarbeit InWorkshop «PBL in den MINT-Fächern»
an der PH Zürich mit Ulrike Keller
formationen und erwerben Wissen, um das anstehende
von der Hochschule Rosenheim.
Problem verstehen zu können. Schliesslich treffen sie sich
erneut und diskutieren die erarbeiteten Inhalte. In der
Diskussion beurteilt die Gruppe, begleitet durch die
zwischen der Careum Stiftung, der Pädagogischen Hoch- Lehrperson (Tutorin, Tutor) die Lösungswege, dabei wird
schule Zürich und der ZHAW Zürcher Hochschule für die Verknüpfung zwischen Vorwissen und neu erarbeiteangewandte Wissenschaften durchgeführt.
ten Inhalten besprochen und transparent gemacht.
Problem-based Learning (auch problembasiertes,
problemorientiertes Lernen genannt) ist ein fokussiertes,
Förderung der Kompetenzorientierung
experimentelles Lernen rund um die Erforschung, Erklä- Das Sonderheft der Zeitschrift für Hochschulrung und Lösung von bedeutsamen Problemstellungen. entwicklung ZFHE (Jg. 11/Fr. 3, Mai 2016) umfasst
Die Lernenden arbeiten möglichst selbstgesteuert in 14 Beiträge zu Umsetzung von PBL und verwandten
Ansätzen. Die Beiträge zeigen auf, wie explorative
kleinen von Lehrpersonen respektive Tutoren betreuten Lernansätze zur Förderung der KompetenzorientieGruppen. Neben dem namensgebenden Lernen mit Pro- rung an Bildungsinstitutionen eingesetzt werden
blemen sind demnach beim PBL noch weitere Faktoren können. Weitere Informationen: pbl2016.ch
zentral wie das Lernen in Kleingruppen, die Lernpro- Monika Schäfer ist Leiterin des Kompetenzzentrums
zessbegleitung durch einen Tutoren sowie das selbstge- Bildungsentwicklung in der Careum Stiftung.
AKZENTE 3/2016
29
PH Zürich – Ber ufsbildu ng
Text: Monika Schäfer, Foto: Niklaus Spoerri
«Wir müssen auf
die Bedürfnisse
der Schulen
vorbereitet sein»
PH Zürich – Rektorat
diskutiert. Inwieweit beeinflusst die öffentliche
Debatte die Agenda der PH Zürich?
Es ist ein Privileg der Pädagogischen Hochschulen,
dass sich Politik, Gesellschaft und Öffentlichkeit
für unsere Arbeit interessieren. Politische Vorgaben,
schulische Bedürfnisse und gesellschaftliche Erwartungen beschäftigen uns daher laufend. Gleichzeitig
haben wir uns als Hochschule und Expertenorganisation für Unterrichts- und Vermittlungsprozesse zunächst fachlich zu orientieren und uns zu fragen, wie
diese Erwartungen erfüllt und politisch-administrative
Heinz Rhyn ist seit Anfang Jahr Rektor
Vorgaben umgesetzt werden können. Wir beteiligen uns
der PH Zürich. Im Interview blickt er auf
aber auch an den öffentlichen Debatten und bringen
seine neue Tätigkeit, die Zusammenarbeit
unsere Fachexpertise ein. Der Lehrplan 21 oder die
mit dem Schulfeld und auf die Rolle der
Frage nach der Anzahl Fremdsprachen auf der PrimarPädagogischen Hochschulen in der Schweistufe haben Auswirkungen auf alle unsere vier Leiszer Hochschullandschaft.
tungsbereiche. In der Ausbildung sind Studiengänge
anzupassen, besondere Weiterbildungsangebote sind zu
Text und Foto: Reto Klink
planen und anzubieten und wir müssen auf besondere
Beratungsbedürfnisse aus dem Schulfeld vorbereitet
sein. Auch in der Forschung und Entwicklung ergeben
sich neue Fragestellungen und Forschungsprojekte.
Neben längerfristigen gesellschaftlichen Entwicklungen ist das Schulfeld auch von unmittelbaren
Ereignissen betroffen. Wie flexibel kann die PH
Zürich darauf reagieren?
Gesellschaftliche und politische Ereignisse haben
immer Auswirkungen auf die Schulen und somit auch
auf die Pädagogischen Hochschulen. Ereignisse wie
die Ankunft einer erheblichen Anzahl von Flüchtlingskindern in der Schweiz zum Beispiel fordern zunächst
die Schulen und die Bildungsdirektion heraus. Von der
PH Zürich werden danach unverzüglich BeratungsHeinz Rhyn, Rektor der PH Zürich.
und Weiterbildungsangebote eingefordert, Forschungsergebnisse nachgefragt, teilweise sogar besondere
Ausbildungsmodule gewünscht. Diesen HerausfordeAkzente: Heinz Rhyn, anfangs Jahr wechselten
rungen müssen wir uns stellen und durch rasches und
Sie von der PH Bern an die PH Zürich. Was ist
flexibles Handeln die notwendigen Hilfestellungen
Ihnen als neuer Rektor als Erstes aufgefallen?
entwickeln. Nicht zuletzt deshalb findet unser diesjähriRhyn: Mir fallen vor allem Gemeinsamkeiten auf: Die
ger Hochschultag am 3. November zum Thema
noch jungen Hochschulen bearbeiten ähnliche Themen- «Flüchtlingskinder in der Schule» statt.
bereiche. Einerseits geht es darum, Forschung, Ausbildung, Weiterbildung und Beratung verlässlich miteinander zu verbinden. Zudem soll ein gemeinsames
Die Pädagogischen Hochschulen sind neu Teil
Verständnis einer Hochschule erarbeitet werden. Und
von swissuniversities, dem Zusammenschluss
es werden immer mehr Studierende bei sinkenden
sämtlicher Hochschulrektorinnen und HochschulFinanzmitteln ausgebildet. Dies unter dem Gesichtsrektoren. Wo stehen sie heute in der schweizeripunkt laufender Anpassungen an bildungspolitische
schen Hochschullandschaft?
Vorgaben, schulische Bedürfnisse und gesellschaftliche
Die Pädagogischen Hochschulen in der Schweiz haben
Erwartungen.
ihre Aufbauphase weitgehend hinter sich und befinden
sich im Übergang zur Konsolidierung. Sie sind zum
Themen aus dem Schulfeld – etwa Lehrplan 21
einen dem Hochschulförderungs- und Koordinationsoder Fremdsprachen – werden oft in den Medien
gesetz unterstellt. Dadurch ergeben sich für die PH
30
AKZENTE 3/2016
«Alle Lerninhalte sind auf einer
zentralen Plattform abgelegt»
Zürich ausgezeichnete Kooperationsmöglichkeiten mit
anderen Hochschulen. Insbesondere im Bereich der
Fachdidaktik sind bei uns gleich mehrere Masterstudiengänge in Planung, die zum Teil mit der Universität
Zürich, der ETH, aber auch mit den Universitäten
Basel und Freiburg durchgeführt werden. Zum anderen
haben die Pädagogischen Hochschulen ausschliesslich
kantonale Trägerschaften und lassen ihre Diplome von
der EDK interkantonal anerkennen. Dadurch entsteht
ein gesamtschweizerischer Arbeitsmarkt für die Lehr-
«Gesellschaftliche und
politische Ereignisse haben
immer auch Auswirkungen auf die Pädagogischen
Hochschulen.»
Akzente: Welches sind die Angebote des DLC?
Fraefel: Wir sind ein Dienstleistungszentrum
für E-Learning-Beratung und die Produktion
von Lernmedien. Unsere Angebote richten sich
hauptsächlich an Dozierende und Studierende
der PH Zürich. Wir beraten sie zum Beispiel
darin, wie sie digitale Medien im Unterricht
didaktisch sinnvoll einsetzen können.
personen. Der klare Auftrag begrenzt die Hochschulautonomie und der notwendige Schulfeldbezug begrenzt
eine rein akademische Ausrichtung. Die Pädagogischen
Hochschulen erhalten durch diese Situierungen in der
Hochschullandschaft zunehmend ein klares Profil.
Akzente: Können Sie ein Beispiel nennen?
Fraefel: Beispielsweise geht es dabei um die
Frage, wie ein Blog zum Lernen genutzt werden
kann – auf Seite der Dozierenden in der Hochschullehre oder von den angehenden Lehrpersonen im Unterricht im Schulfeld.
Gleichzeitig muss die Lehrerbildung berufsfeldorientiert bleiben. Wie kann das gelingen?
Dies geschieht auf verschiedene Art: Das Schulfeld
profitiert von der Weiterbildung und Beratung, welche
ihre Angebote stets entsprechend den aktuellen Entwicklungen ausgestaltet. Es kann aber auch von
Erkenntnissen aus der Forschung lernen, sofern sie
Fragestellungen aus dem Berufsfeld bearbeitet. Im
Übrigen stellen die Fachdidaktiken ein wichtiges
Bindeglied zwischen den Anforderungen des Schulfeldes und den Ansprüchen einer Hochschule dar.
Demgegenüber profitiert auch die Hochschule von
der Zusammenarbeit mit dem Schulfeld. Insbesondere
in der berufspraktischen Ausbildung entsteht eine
Win-Win-Situation, in der das Schulfeld, die Hochschule und die Studierenden voneinander lernen.
Akzente: Welches sind weitere Dienstleistungen des Digital Learning Center?
Fraefel: Unter anderem entwickeln wir sogenannte Lernobjekte. Das sind multimediale
Lernmaterialien wie Videos oder Online-Referate zu bestimmten Themen, welche die Studierenden im Studium nutzen. Müssen sie zum Beispiel im Sportunterricht die Regeln im Handball lernen, steht ihnen dazu ein entsprechendes Lernobjekt mit Lernfilmen zur Verfügung. Diese Lernobjekte wie auch die anderen
elektronischen Lerninhalte – etwa die Skripte
der Lehrveranstaltungen – sind an der PH
Zürich auf einer zentralen Plattform, «ILIAS»,
abgelegt. Für deren Bewirtschaftung sind wir
auch zuständig. Weiter stellen wir regelmässig Lehrfilme her, zum Beispiel zum Thema
Lehrplan 21. Zudem können Studierende und
Dozierende bei uns audiovisuelle Geräte ausleihen und sich dazu beraten lassen.
Akzente: Steht externen Schulen dieses
letztgenannte Angebot auch zur Verfügung?
Fraefel: Ja, Schulen können zum Beispiel
Videokameras oder iPads ausleihen. Die entsprechende Weiterbildung zum Unterrichtseinsatz erhalten sie im Weiterbildungsbereich
Medienbildung der PH Zürich.
Berufliche Laufbahn von Heinz Rhyn
Heinz Rhyn ist ausgebildeter Primarlehrer und
hat an der Universität Bern Psychologie, Pädagogik
und Psychopathologie studiert. Von 2003 bis 2011
war er für den Aufbau und die Leitung des Koordinationsbereichs Qualitätsentwicklung bei der EDK
verantwortlich. Von 2011 bis 2015 leitete er an der
PH Bern das Institut für Forschung, Entwicklung und
Evaluation. Seit 2016 ist er Rektor der PH Zürich.
AKZENTE 3/2016
– Christoph Hotz
Ausführliches Interview: blog.phzh.ch/akzente
31
PH Zürich – Dienstleistu ngen
Jürg Fraefel, Leiter Digital
Learning Center (DLC) an der PH Zürich
Unterricht mit
Wörterbuch und
Zeichensprache
Ethnische Vielfalt gehört in vielen
Schulen der USA seit Jahrzehnten zum
Alltag. Trotzdem bleibt es eine Herausforderung, in einem Umfeld, in dem nicht
alle dieselbe Sprache sprechen und aus
unterschiedlichen Kulturen kommen, guten Unterricht zu gestalten. Die Lincoln
High School in Los Angeles setzt auf
traditionelle und moderne Wege, um Hindernisse zu bezwingen.
Serie – Schule in aller Welt
Text: Kerstin Zilm, Fotos: Marcus Teply
Das Klassenzimmer von Barbara Paulson zeugt
von ihren 30 Jahren als Biologie- und Astronomielehrerin:
Neben Stapeln von Lehrbüchern schwankt ein überdimensionales Molekül-Modell, Totenköpfe liegen zwischen DNA-Spiralen aus Papier, und unter bunten Bannern mit Motivationssprüchen steht ein Klavier. Paulson
hat gelernt, ihre Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichsten Mitteln zu motivieren. Dazu gehören
auch Pantomime und Übersetzungs-Applikationen vom
Smartphone. «Ich habe oft vier oder fünf Schüler in der
Klasse, die kein Englisch können. Wir tun, was wir können, um diese Sprachbarriere zu überwinden!»
Zu grosse Klassen, zu wenig Geld
Fast alle 1100 Schülerinnen und Schüler der Lincoln
High School in Los Angeles kommen aus Familien mit
32
Lehrerin Barbara Paulson
(ganz oben).
Schülerinnen
Natalie Diaz
und Shu Na Xiao
(Mitte). In
der Schule
(unten).
Einwanderungshintergrund, entweder aus Lateinamerika oder Asien. Für knapp zwanzig Prozent von ihnen ist
Englisch eine Fremdsprache. Shu Na Xiao beispielsweise
wurde in China geboren. Als sie in die erste Klasse kam,
sprach sie kein Englisch. Inzwischen geht sie in Barbara
Paulsons Biologie-Klasse für Fortgeschrittene und hilft,
für Mitschüler zu übersetzen. «Es ist ganz schön schwierig, gleichzeitig zuzuhören und selber den Stoff zu verstehen», gibt sie zu. Die Sprachprobleme werden aus ihrer
Sicht aufgehoben durch die Vorteile, welche die kulturelle Mischung an der Schule mit sich bringt. «Ich kann viel
von anderen lernen und habe Gelegenheit, ihnen meine
Kultur zu vermitteln», erklärt die Schülerin. «In China
sind wir sehr reserviert und haben hohe Achtung vor Älteren. Amerikaner und Latinos sind entspannter. Ich hätte nie gedacht, dass ich mit Lehrern über private Probleme sprechen kann.»
Das Entwickeln von Verständnis und Toleranz ist
auch für Lehrerin Paulson der positive Aspekt ihrer Arbeit
an der Schule. Zu grosse Klassen und zu wenig Geld für
Lehrmaterial erschweren es aus ihrer Sicht aber, den
Schülerinnen und Schülern bestmöglichen Unterricht zu
AKZENTE 3/2016
Übervoll: Teilweise sitzen bis
zu 40 Schülerinnen und Schüler
in einem Zimmer.
erteilen. «Es kostet viel Zeit und Nerven, unter diesen Bedingungen in Klassen von 40 Schülern zu arbeiten. Es ist
für alle frustrierend.» Die Biologie-Lehrerin hält ihren
Unterricht in Englisch. Sie selbst kam als Zehnjährige mit
ihren Eltern aus der Tschechoslowakei in die USA und
verstand kein Wort der neuen Sprache. «In der Schule redete niemand Tschechisch mit mir. Das war ein guter Ansporn, Englisch zu lernen.»
Integrationsschule mit gutem Ruf
Die Schulleitung von Lincoln High schreibt Lehrpersonen nicht vor, wie sie ihren Unterricht gestalten, solange die Schülerinnen und Schüler am Jahresende die Prüfungen bestehen. Mathematik-Lehrerin Miriam Cardoza
erklärt einer zehnten Klasse ihren Stoff erst auf Englisch
und dann auf Spanisch. Die Atmosphäre im Klassenzimmer an diesem Nachmittag beim Besuch von Akzente ist
unruhig. In einer Ecke sitzen Schüler aus China zusammen und helfen einander. Zwei Schüler aus Thailand, die
weder Englisch noch Spanisch verstehen, versuchen mit
Hilfe einer Übersetzungs-Applikation auf ihren Handys
dem Unterricht zu folgen. Um diese zwei kümmert sich
AKZENTE 3/2016
Kerstin Zilm ist freie Journalistin, Marcus Teply
ist freier Fotograf. Sie leben und arbeiten beide
in Los Angeles.
Serie «Schule in aller Welt»
Im Rahmen der Serie «Schule in aller Welt» stellen
wir an dieser Stelle jeweils exemplarisch eine
Schule aus dem Norden, Osten, Süden und Westen der
Welt vor. Nach dem Westen in dieser Ausgabe folgt
im kommenden Heft der letzte Teil mit einem Beitrag
aus Uganda.
33
Serie – Schule in aller Welt
Lehrerin Barbara Paulson: «Vier bis
fünf Schüler sprechen kein Englisch.
Wir tun für sie, was wir können.»
Cardoza in Einzelunterricht, während der Rest der Klasse Rechenübungen macht. Sie kommunizieren mit Hilfe
von Wörterbüchern und Zeichensprache. «Viele Schüler
und Lehrpersonen sind überfordert», sagt sie. «Manchmal sehe ich in den Gesichtern der Jugendlichen, dass sie
nichts verstehen, und ich habe nicht die Zeit, allen zu
helfen.»
Auch die Schülerinnen und Schüler wünschen
sich kleinere Klassen und mehr Aufmerksamkeit. Gleichzeitig sehen sie die Vorteile der kulturellen Mischung.
«Wir haben alle Wurzeln in anderen Ländern und müssen
miteinander auskommen», sagt Briana Villareal aus Cardozas Klasse. Ihre Familie hat Wurzeln in Mexiko und sie
hat Freunde mit kulturellem Hintergrund in El Salvador,
Kuba, Vietnam und China. «Es ist gut, in der Schule zu
lernen, Rücksicht zu nehmen und Verständnis füreinander aufzubringen. Wenn wir hier Erfolg haben, gelingt uns
das später auch.»
Die Lincoln High School hat einen guten Ruf, sie
gilt als Integrations-Schule. Misst man den Erfolg in
Form von Noten, hat sie noch einiges aufzuholen. In Mathematik, Englisch und Kunst liegt die Schule unterhalb
des Durchschnitts von Kalifornien. Das liegt auch daran,
dass 85 Prozent der Eltern wenig Geld verdienen und
sich Nachhilfeunterricht und Förderprogramme nicht
leisten können. Ein ambitioniertes Spezialprogramm für
Naturwissenschaften bringt der Lincoln High allerdings
zunehmend positive Ergebnisse. Barbara Paulsons Biologie-Klasse ist Teil dieses sogenannten Magnet-Programms. «Aber die guten Ergebnisse kommen nicht von
allein», warnt die Lehrerin. Sie selbst nimmt sich ausserhalb des Unterrichts viel Zeit für ihre Schülerinnen und
Schüler. Abends ist sie oft ausgelaugt und geht auch deshalb nach diesem Schuljahr mit 60 Jahren in den Ruhestand – ohne etwas zu bereuen. «Mir war immer wichtig,
etwas zu tun, das einen Wert für die Gesellschaft hat. Diese Schüler verdienen kreative und clevere Lehrerinnen
und Lehrer! Ich will mich ja nicht selbst loben, aber ich
glaube, ich habe dazu beigetragen.» Shu Na Xiao stimmt
zu. Die Schülerin ist so inspiriert vom Engagement der
Pädagogin, dass sie selbst Lehrerin werden möchte. «Am
liebsten an dieser Schule. Dann kann ich ein Vorbild für
andere sein.»
Medientipps
TROST DER
DINGE
«Vermächtnisse erzählen
keine einfachen Geschichten», konstatiert der britische Töpfer Edmund
de Waal, der sich nach
dem Tod seines Gross­
onkels der 264 Netsuke –
japanische Miniaturschnitzereien aus Holz
und Elfenbein – annehmen soll. Er begibt sich
auf die Spuren seiner
Vorfahren, der jüdischen
Familie Ephrussi aus
Odessa. Seine Reise führt
ihn zuerst nach Paris zum
Sammler Charles Ephrussi, der die Netsuke in den
1870er-Jahren erworben
hat. Später finden sie im
Ankleidezimmer von de
Waals Urgrossmutter, in
einem Wiener Palais, eine
neue Heimat. Als 1938
das gesamte Familienvermögen der Arisierung
zum Opfer fällt, werden
nur die Netsuke gerettet:
Stück für Stück in der
Schürze des Kindermädchens. Warum sollten sie
den Krieg überlebt haben,
wo es so vielen Menschen
nicht gelungen ist, fragt
der Chronist, der die
Geschichte seiner Familie
zurückerobert hat. Die
Netsuke haben ihm dabei
geholfen. Jetzt stehen sie
neben seinem Klavier.
– Martina Meienberg
E. de Waal. Der Hase
mit den Bernstein­
augen: Das verborgene
Erbe der Familie
Ephrussi. Übers. v.
Brigitte Hilzensauer.
München: dtv, 2014.
407 Seiten.
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4
5
2
STIMMIGE
ÜBUNGEN
Die vorliegende Publikation ist in hohem Masse
bemerkens- und empfehlenswert. Ohne dass Leser
ein spezifisches Vorwissen
benötigen, informiert sie
durchweg verständlich,
kompetent und umfassend über die besonderen
Anforderungen des Lehrberufs mit Fokus auf das
Thema «Stimme / Sprechen». Das Arbeitswerkzeug per se, die Sprech-
2
3
1
stimme, wird in ihrer anatomischen Funktionalität praxisnah vorgestellt.
Passend dazu animieren
ausführliche Übungen die
Leserinnen und Leser
zum Mitmachen. Die
komplexe Prob­lematik des
Stimmeinsatzes im Lehrberuf reicht vom körperlichen Ausdruck, Stimm­
auffälligkeiten und Artikulation über gekonntes
Vorlesen und dem Training für eine starke Stimme bis zur Führungshal-
tung im Unterricht oder
dem Umgang mit Lampenfieber. Dieses ganze
Spektrum decken die
beiden Autoren souverän
ab und bieten damit allen
Lehrenden eine willkommene Unterstützung.
– Anja Muth
S. Eberhart, M.
Hinderer. Stimm- und
Sprechtraining für
den Unterricht: Ein
Übungsbuch.
Paderborn: Ferdi­
nand Schöningh, 2016.
219 Seiten.
AKZENTE 3/2016
Foto: Christoph Hotz
Medientipps
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1:0 FÜR DIE
INFORMATIK
Am Anfang waren 0 und
1. Damit lassen sich alle
Arten von Information
darstellen. Diese geniale
Idee liegt der Digitalisierung zugrunde, welche
die Automation der
Informationsverarbeitung
durch Computer und
deren Vernetzung ermöglicht. Erst die Kombination von Digitalisierung,
Automation und Vernetzung löste die digitale
Revolution aus, die nun
auch zum Wechsel vom
Leitmedium Buch zum
Leitmedium des vernetzten Computers führt. In
zehn thematischen Kapiteln zeigt Beat Döbeli
Honegger, Dozent an der
PH Schwyz, wie sich der
digitale Wandel auf die
Schule auswirkt und wie
sie darauf reagieren soll
und kann – nicht zuletzt
dadurch, dass sie auf «das
Nichtautomatisierbare»
fokussiert. Gleichzeitig
gilt es, die «digitalen
Kompetenzen» zu entwickeln, zu denen neben
Medien- und Anwendungskompetenzen eben
auch Informatikkompetenzen gehören. Damit
wir verstehen, dass Digitalisierung mehr als 0 und
1 bedeutet.
– Urs Ingold
B. Döbeli Honegger.
Mehr als 0 und 1:
Schule in einer
digitalisierten Welt:
Ein Übungsbuch.
Bern: hep verlag,
2016. 186 Seiten.
4
UMGANG MIT
ONLINEMEDIEN
Frustriert über mangelnden Schulerfolg widmet
sich ein Junge intensiv
Computerspielen. Dabei
erlebt er sich stark und
kompetent und vernachlässigt darüber das Lernen und die Hausaufgaben immer mehr. So
verschlechtern sich seine
schulischen Leistungen,
was zu noch mehr Frustration führt. Solch typische Teufelskreis-Muster
werden in diesem wissenschaftlich fundierten und
praxisnahen Ratgeber
anhand von Fallbeispielen
analysiert. Weit entfernt
von pauschalisierenden
und skandalisierenden
Darstellungen differenziert die Autorin bei der
Entstehung von Onlinesucht die drei Faktoren
Person (z. B. ungünstiger
Umgang mit Stress),
Umwelt (z. B. fehlende
Tagesstruktur) und Medium (z. B. Gruppenzwang
bei Games mit Team­Konstellationen). Ausserdem werden Hinweise für
den konstruktiven Umgang mit medialen Suchtphänomenen vorgestellt.
Arbeitsblätter für die
Entwicklung von Medienkompetenz in der
Familie und ein Glossar
runden das Buch ab.
– Peter Holzwarth
I. Willemse. Onlinesucht: Ein Ratgeber
für Eltern, Betroffene
und ihr Umfeld.
Göttingen: Hogrefe,
2015. 157 Seiten.
5
ICH BIN NICHT
CHARLIE
Männern wird der Händedruck mit einer Frau
verboten, Frauen sollen
ausserhalb des Hauses
weder Bananen essen noch
an einem Eis lecken. Die
Beobachtungen, die der
Islamismusexperte und
Psychologe Ahmad Mansour in Deutschland
macht, legen nahe, dass
die Unterdrückung von
Sexualität einer der Gründe ist, warum sich Menschen radikalisieren. Der
Autor plädiert deshalb u. a.
dafür, Kindern so früh wie
möglich ein Wertesystem
zu vermitteln, das den
demokratischen Grundrechten entspricht. Ein
zentraler Ort dafür ist die
Schule. Entsprechend sei
es nicht hinnehmbar, dass
die Schule bei der Frage,
ob muslimische Schülerinnen am Schwimmunterricht teilnehmen, oft mit
Unsicherheit statt Klarheit
reagiere. Mansours Auseinandersetzung mit den
Gründen, warum es Jugendliche in den Dschihad
zieht, ist ein Appell gegen
die Verdrängung und ein
Plädoyer für politische
Bildung in allen Schulen
und in der Ausbildung von
Lehrpersonen.
– Martina Meienberg
A. Mansour. Generation Allah: Warum wir
im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen.
Frankfurt am Main:
Fischer, 2015. 271
Seiten.
Mastermind
Sherlock Holmes ist
nicht totzukriegen.
Weder der Reichenbachfall noch der Tod seines
Schöpfers Arthur Conan
Doyle vermochten dem
Mythos ein Ende zu setzen. TV-Serien wie
«Sherlock» (BBC 2010–)
und «Elementary» (CBS
2012–) transponieren die
beliebten Abenteuer in
unsere Gegenwart, und
Guy Ritchies effektvolle
Spielfilme feiern den
famosen Denker als
furiosen Actionhelden.
Wesentlich ruhiger geht
es Regisseur Bill Condon
in «Mr. Holmes» (Ascot
Elite 2016) an. 1947 hat
sich Holmes (Ian McKellen) auf dem Land zur
Ruhe gesetzt, züchtet
Bienen und kämpft gegen
Alter und Demenz. Freund
Watson, der als Erzähler
einiges dazugedichtet
hat, ist längst gestorben, und so greift der
93-jährige Holmes selber
zur Feder, um das Scheitern in seinem letzten
Fall aufzuarbeiten.
Sherlock kommt allerdings nicht als Genie
zur Welt. Seine Fähigkeiten hat er über Jahre
trainiert und ausgeformt, wie Maria Konnikova in der «Kunst des
logischen Denkens»
(Ariston 2013) ausführt.
Schritt für Schritt
zeigt sie, wie wir durch
Übung und Achtsamkeit
bald ebenso scharfsinnig
analysieren und kombinieren können wie das
fiktionale Superhirn aus
der Baker Street 221 B.
Der Meisterdetektiv
zählt nicht nur zu den
berühmtesten Gestalten
der Weltliteratur. Laut
Guinness-Buch der Rekorde ist er die menschliche
Romanfigur mit den meisten Film- und Fernseh­
auftritten. Wie er zum
Mythos und Medienstar
aufstieg, erzählt Mattias Boström in seinem
Buch «Von Mr. Holmes zu
Sherlock» (btb 2016).
Hier erfahren wir auch,
dass der meistzitierte
Satz des Detektivs in
Conan Doyles Geschichten
gar nicht vorkommt.
– Daniel Ammann
Besprechungen weiterer Titel: blog.phzh.ch/akzente/rubrik/medientipps
AKZENTE 3/2016
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Medientipps
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Unterrichtshefte Die bewährten, von Lehrkräften
geschätzten Vorbereitungshefte.
• A für Lehrkräfte aller Stufen in Deutsch, Französisch,
Deutsch-Englisch und Italienisch-Romanisch.
• B für Textiles Werken, Hauswirtschaft und
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Akzente
Das Magazin der
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ZHE – Zentrum für Hochschuldidaktik
und Erwachsenenbildung
Wie gelingt
Mentoring?
Tagung, 3. November 2016,
13 bis 18 Uhr, Tagungszentrum Schloss Au
An dieser kurzen Tagung fragen wir nach
Bedingungen für wirkungsvolles Mentoring und
bieten zwei Workshops, in denen Sie konkrete
Konzeptideen für neue Mentoringprogramme
erarbeiten können.
Follow-up zur erfolgreichen Mentoring-Tagung
von 2015; diesmal in Kooperation mit der
Fachstelle Gleichstellung und Diversity der
Zürcher Hochschule der Künste.
hochschuldidaktik.phzh.ch/mentoringtagung
02.04.2015 14:53:16
Pädagogischen
Hochschule Zürich
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1 Jahr. 4 Ausgaben.
20 Franken.
phzh.ch/abo
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AKZENTE 3/2016
Mario Bernet und Ruedi Isler –
Unter vier Augen
Illustration: Elisabeth Moch
Mario Bernet: ‹Das Studium an
der PH Zürich ist etwas für Unentschlossene, die halbherzig einen
Studiengang zweiter Klasse absolvieren, dem die Praxisorientierung
abgeht. Wenn Studierende nützliche
Themen einfordern, stossen sie
bei Dozierenden auf taube Ohren.›
Diese Selbstdiagnose stellen zwei
Autoren in RePHlex Nr.19, der
Zeitschrift der Studierenden der PH
Zürich. Der Artikel endet mit der
Einladung «Also liebe PH, reflektiert
mal!». Magst du diese Einladung
mit mir annehmen?
Ruedi Isler: Gerne – reflektieren
ist meine Lieblingsbeschäftigung!
Für mich ist zuerst einmal interessant, dass diese beiden angehenden
Kolleginnen und Kollegen punkto
Berufsstolz rein gar nichts erkennen lassen. Das widerspricht allen
Umfragen, die ein zusehends
besseres Prestige vom Lehrberuf
belegen.
Bernet: Zum Prestige vielleicht
dies: Als ich kürzlich einen Fussballmatch meines Sohnes besuchte,
stellte sich am Spielfeldrand ein
Vater vor und fragte mich nach
meinem Beruf. «Du Glücklicher,
du machst etwas Wichtiges», seufzte
er darauf. Er stelle sich jeden Morgen die Sinnfrage, wenn er an die
Dossiers in seiner Anwaltskanzlei
denke. Wir kamen in ein angeregtes
AKZENTE 3/2016
Gespräch, in dem sich herausstellte,
wie ernst sein Schulterklopfen gemeint war. Ich würde meinen, die
Prestigefrage des Lehrberufs ist
definitiv vom Tisch. Aber wie steht
es um den Vorwurf der Praxisferne?
Isler: Ich plädiere geradezu für
eine gewisse Praxisferne! Gerade
lese ich die Bachelor-Arbeit einer
Studentin über Pädagogik im Nationalsozialismus. Auffallendstes
Merkmal der Lehrerbildung damals:
nur keine Theorie! Stattdessen:
körperliche Ertüchtigung, Kameradschaft und Praxis, Praxis, Praxis!
Nun möchte ich natürlich in keiner
Weise eine Analogie zu heute ziehen,
das wäre eine gar kräftige Keule.
Aber dass die Freude an intellektueller Auseinandersetzung in unserer
Ausbildung zurzeit eine marginale
Rolle spielt, dass die Vorstellung
einer umfassend gebildeten LehrerPersönlichkeit kaum Verfechter hat,
dass bei Studierenden vor allem zu
zählen scheint, was direkt umsetzbar
ist – all das ist mir bei der Lektüre
natürlich in den Sinn gekommen.
Bernet: Müssen wir das so düster
sehen? Mit 20 Jahren sagte ich mir:
«Nie wieder Schule!» – und studierte
Erziehungswissenschaften, um mit
13 Schuljahren abzurechnen. Fünfzehn Jahre später entschied ich mich
für die Ausbildung zum Lehrer,
geläutert und voller Tatendrang.
Meine Studienkollegen staunten
belustigt über meinen Lerneifer,
und ich stritt mit ihnen, wenn sie
lieber Werkstattposten laminierten,
statt einige Zeilen von Montaigne
im Original zu lesen. Was ich damit
sagen will: Manche Studierende
sind vielleicht etwas unentschlossen, wenn sie sich an der PH Zürich
einschreiben. Aber im Mentorat
erlebe ich, wie sie in den Beruf
hineinwachsen – herausgefordert
durch das Praxisfeld, aber auch
mit grossem Interesse an pädagogischen Grundfragen und fachdidaktischen Anregungen.
Isler: Dein persönliches Beispiel
ist bestechend, aber vielleicht steht
es eher für die Ausnahme. Ermutigend finde ich es, wenn Studierende
ein Interesse an theoretischen
Fragen durch ihre praktische Arbeit
im Schulzimmer entwickeln. Diesen
idealen Fall sollten wir anstreben.
Düster würde es für mich übrigens
erst, wenn stattdessen die Dozierenden keine klare Vorstellung mehr
über den Wert von Theorie und
pädagogischer Allgemeinbildung
hätten!
Mario Bernet (links) war 15 Jahre
Primarlehrer und ist jetzt
wissenschaftlicher Mitarbeiter
an der PH Zürich, Ruedi Isler ist
Pädagogikprofessor. Sie unterhalten sich an dieser Stelle über
ein aktuelles Schulthema.
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Unter vier Augen
Falsche
Bescheidenheit
Instagram #takeover
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Thomas Staub ist
Praxisdozent an der PH
Zürich. Zudem unterrichtet er an der Sekundarschule Andelfingen.
Er postet auf Instagram
unter dem Namen
@knipsomator.
4 — Und noch ein
1 — Wir basteln ein
#Hologramm fürs #iPad. Schnappschuss des
gestrigen Familien2 — Alles bereit für
tags.
den morgigen Familien5 — Mise en Place – auch
tag in Zumikon!
in der #medienbildung
3 — Die QR-Codes sind
wird immer noch mit
bereit – die #ActionPapier gearbeitet!
bound Schnitzeljagd
6 — BombayTV – an der
kann losgehen ...
Neuinterpretation
einer hochdramatischen Szene.
7 — Letzte Vorbereitungen für die Greenscreen-Session.
8 — Referat in Oberwinterthur, die Leute
trudeln ein ...
9 — Spannendes Referat
von @phwampfler an der
Innovative Schools
Tagung.
Zur Rubrik
Jeweils für zwei Wochen
übernimmt eine Person
aus dem Schulfeld den
Instagram-Account der
PH Zürich (@phzuerich)
und fotografiert während
dieser Zeit in ihrem Berufsalltag – in diesem
Fall von Mitte Mai bis
Anfang Juni 2016. Die
besten Bilder erscheinen
an dieser Stelle in der
Rubrik «Instagram
#takeover».
Impressum
«Akzente» erscheint viermal jährlich, 23. Jahrgang, Nr. 3, August 2016, ISSN 2296-7281 (Print), 2296-732X (Online). Herausgeberin: Pädagogische Hochschule Zürich. Redaktion: Christoph Hotz (Redaktionsleitung), Redaktor Kommunikation; Daniel Ammann, Dozent für Medienbildung; Bettina Diethelm, wissenschaftliche Mitarbeiterin; Anne Bosche, wissenschaftliche Mitarbeiterin; Vera Honegger, Redaktorin Kommunikation; Reto Klink, Leiter Kommunikation; Martina Meienberg,
wissenschaftliche Mitarbeiterin; Michael Prusse, Abteilungsleiter Sek II Berufsbildung. Redaktionelle Mitarbeit: Melanie Keim, Claudia Merki. Adresse: Pädagogische Hochschule Zürich, Redaktion «Akzente», Christoph Hotz, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, [email protected], www.phzh.ch/akzente. Grafisches Konzept: Raffinerie AG für Gestaltung, Zürich. Layout: Regi Müller, Typografische Gestalterin PH Zürich. Druck: FO-Fotorotar, Egg ZH. Inserate: IEB AG, Industriestrasse 6, 8627 Grüningen, Tel. 043 833 80 40, Fax 043 833 80 44, [email protected], www.ieb.ch. Abonnemente: Jahresabonnement CHF 20.– inkl. Porto, Pädagogische Hochschule Zürich, Vera Honegger, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich, [email protected]. Gedruckt auf FSC-zertifiziertem Papier.
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AKZENTE 3/2016
Fotos: Thomas Staub
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Der Fotograf
Inserat
4 KINDER, 4 SPRACHEN
Laila, Robin, Dante und Gaia wecken Appetit auf die vier Landessprachen der Schweiz! Im Webgame «4 Sprachen zum Dessert» zeigen sie
kulinarische und kulturelle Spezialitäten aus ihrer Sprachregion und
versüssen so den Fremdsprachenunterricht in der Primarschule.
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