Ordnungsausschuss debattiert über Rettungsboot für

Ordnungsausschuss debattiert über
Rettungsboot für Halle-Nietleben
Um Baumfällungen, Algen im Fontäneteich, Stadttauben, Grillplätze oder
Friedhofsgebühren ging es in den vergangenen Monaten im Ordnungs- und
Umweltausschuss. Das Zuschauerinteresse war verhalten. Doch an diesem
Donnerstag war der Saal im Stadthaus gut gefüllt, sogar zusätzliche Stühle
mussten herangeholt werden. Anlass war eine von der SPD beantragte aktuelle
Stunde zum Thema Rettungsboot für den Heidesee. Die Debatte dazu war
entflammt, weil es im Sommer zu einem Badeunfall mit zwei Toten kam.
Und gleich zu Beginn, noch bevor die aktuelle Stunde beginnen konnte, ging es
kontrovers zu. Andreas Schachtschneider (CDU) wollte, dass sich auch die
Freiwillige Feuerwehr Nietleben, zuständig für den Heidesee, zu ihren
Erfahrungen äußert. Es folgte ein Disput mit Oberbürgermeister Bernd Wiegand.
Er werde es nicht zulassen, dass sich Vertreter der Feuerwehr äußern. Alle
Mitarbeiter (ehrenamtlich tätig!) würden dem Feuerwehrkommandanten
unterstehen. Deshalb sei es nicht zulässig, dass die Mitglieder im
Ordnungsausschuss reden. „Es gibt keine Redeerlaubnis in öffentlicher
Sitzung. Das ist kein Untersuchungsausschuss“, so Wiegand. „Ich bin als
Privatmann hier“, erklärte Wehrleiter Lutz Ratajek. Doch das gelte nicht,
meinte Wiegand. „Es handelt sich um ein Nebenamt. Die Feuerwehr spricht aus
einer Hand. Deshalb haben wir den Stadtwehrleiter. Und auch ohne Uniform sind
Sie Wehrleiter.“ Aussagen, die Marion Krischok (Linke) nicht so ganz
nachvollziehen konnte, zumal die Ehrenamtlichen von DLRG und DRK auch das
Rederecht bekommen. Aber die unterstehen eben nicht der Stadt, da können
somit auch keine Anweisungen erfolgen.
Feuerwehrchef Robert Pulz ging zunächst auf den Flächenanteil an Gewässern in
Halle ein. Dieser liege bei 3,4 Prozent, das mache 4,6 Quadratkilometer aus.
„Das macht man nicht nebenbei.“ Deshalb habe man die Wasserrettung auf
verschiedene Säulen gestellt. So verfüge die Südwache über ein einfaches
Rettungsboot, die Hauptwache über zwei größere Boote mit Motor und einsetzbar
über einen Wechsellader sowie ein Aluminiumboot vorrangig für Ölsperren.
Rettungsboote mit Motor haben auch die Freiwilligen Wehren Ammendorf, Trotha
und Büschdorf, wobei das Büschdorfer Boot aus Platzgründen in der
Barbarastraße eingelagert ist. Zudem verfüge Ammendorf noch über ein
Rettungsschlauchboot, welches allerdings derzeit nicht aufgeblasen ist.
Zusätzlich habe man die Wasserwacht des DRK verpflichtet, welche auf die
Unterwasserortung spezialisiert ist. Auch die DLRG stehe mit verschiedenen
Booten und Rettungshunden zur Verfügung. Den Vorfall am Heidesee bedaure er.
Doch aus Rücksicht auf die Angehörigen wolle er darüber nicht öffentlich
reden, bot den Stadträten aber Akteneinsicht an. Den Aussagen von Pulz könne
er im Wesentlichen zustimmen, sagte der stellvertretende Stadtwehrleiter
Günter Bastian.
Eine Vertreterin der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) sagte, ein
Rettungsboot bei der Feuerwehr Nietleben hätte an der tragischen Situation
nichts geändert. Die DLRG selbst sei zu spät alarmiert worden. Man verfüge am
bewachten Strand des Heidesees über ein Rettungsboot mit einem 4 PS-Motor.
Damit sei man innerhalb von drei Minuten am wilden Strand. Auch sei dies für
den regulären Badebetrieb kein Problem, weil immer genügend Rettungsschwimmer
vor Ort seien.
Heidebad-Betreiber Mathias Nobel erklärte, der jetzige Alarmierungsplan laufe
optimal. Mindestens drei Rettungsschwimmer seien vor Ort. Diese seien am
morgens um 7 bis zum Einbruch der Dunkelheit am See. Er garantiere, dass das
Rettungsboot innerhalb von drei Minuten jede Stelle am See erreichen könne.
Auch seine eigenen Mitarbeiter hätten alle mindestens einen
Rettungsschwimmerschein in Silber sowie einen Erst-Hilfe-Schein.
Er ärgere sich, wie die Ehrenamtlichen gegeneinander in Stellung gebracht
werden, sagte Sven Thomas von der Wasserwacht Halle. „Ich habe für beide
Seiten hohe Achtung. Sie leisten alle gute Arbeit.“ Halle sei zudem eine der
wenigen Städte, die mit DRK Wasserwacht und DLRG gleich zwei leistungsfähige
Wasserrettungsorganisationen habe. Halle verfüge über 1.000 aktive
Rettungsschwimmer. Allerdings gab Thomas zu bedenken, dass DRK und DLRG ihre
Boote und Ausrüstungsgegenstände selbst kaufen. Dies könnte zu
Argumentationsschwierigkeiten führen, sollte die Stadt der Freiwilligen
Feuerwehr ein Boot zur Verfügung stellen.
„Ich möchte die beste Ausstattung für alle“, argumentierte Andreas
Schachtschneider. „Es geht nicht darum, jemandem was wegzunehmen.“
Stattdessen gehe es darum, Personen im Ehrenamt die bestmöglichen
Einsatzmittel bereitzustellen. „Wenn nur eine Person dadurch gerettet, hat es
sich für mich schon gerechnet.“ Unsäglich finde er allerdings tatsächlich,
dass die Rettungsschwimmer sogar für ihre Übungsstunden in den städtischen
Schwimmhallen zahlen müssen.
Eberhard Doege (CDU) wies darauf hin, dass es in Halle viele tolerierte, aber
amtlich nicht zugelassene Badestellen gebe. Eigentlich müsse man diese
Diskussion mal auf diesen Schwerpunkt setzen. Die Frage müsse erlaubt sein,
ob man es sich zum Schutze der Bevölkerung leisten könne, diese nicht
zugelassenen Badestellen zu tolerieren. „Das ist ein großer Risikofaktor.“
Damit war zwar die aktuelle Stunde beendet, die Freiwillige Feuerwehr verließ
nach dem Maulkorb geschlossen den Saal. Doch die Diskussion um das Boot war
noch nicht beendet. Im späteren Verlauf der Sitzung stand noch der Antrag von
Andreas Schachtschneider auf der Tagesordnung, das Boot zu beschaffen.
Oberbürgermeister Bernd Wiegand hatte dieses Antrag bereits im Vorfeld für
unzulässig erklärt, weil dieser in seine Rechte eingreife. Schachtschneider
erklärte, die aktuelle Stunde habe nicht zu seiner Erhellung in diesem Thema
beigetragen. „Ich finde nicht, dass alles gut ist“, meinte er, obwohl man als
Außenstehender diesen Eindruck angesichts der Aussagen der Verwaltung hätte
gewinnen können. Schachtschneider zweifelte zudem die von der Verwaltung
angeführten Bootskosten von 5.000 Euro an. Dies gehe wesentlich günstiger.
Für ihn sei das Boot „eine zusätzliche Möglichkeit des Helfens.“
Andreas Scholtyssek (CDU) erkundigte sich, ob jemand in der Freiwilligen
Feuerwehr nietleben überhaupt über einen Bootsführerschein verfügt. Dazu habe
er keine Informationen, meinte Feuerwehrchef Robert Pulz. Er präsentierte dem
Ausschuss anschließend einige Pro- und Contra-Punkte. Für ein Boot würde die
„Würdigung des ehrenamtlichen Engagements“ sprechen, so Pulz. Jedoch stehe
nicht die gesamte Wehr hinter dem Wunsch nach einem Boot. „ich lasse mich
nicht von Meinungen leiten, sondern Sachargumenten.“ Zwar sei die Freiwillige
Feuerwehr tatsächlich in wenigen Fällen vor der Berufsfeuerwehr vor Ort, „das
ist aber nicht die Regel.“ Problem sei zudem, dass ein Schlauchboot nur von
Wert sei, wenn es aufgeblasen sei und gleich eingesetzt werden könne. Doch
hierfür gebe es gar keinen Platz im Nietlebener Gerätehaus. Auch verfüge das
Auto über keine entsprechenden Dachaufbauten, auch einen Trailer gebe es
nicht. Hinzu kämen zudem Kosten für Schwimmwesten und Training. „Die
fachliche Argumentationskette fehlt“, so Pulz. „Nur auf Wunsch der Kameraden
kann so etwas nicht erfolgen.“ Auch das Argument, Nietleben sei ja manchmal
vor der Berufsfeuerwehr vor Ort, will er nicht gelten lassen. In diesem Fall
könnte man auch argumentieren, Nietleben brauche eine Drehleiter, weil sie ja
manchmal vor der Berufsfeuerwehr vor Ort sei.
Schachtschneider ließ aber nicht locker. So sprach er das in Ammendorf
ungenutzt liegende Schlauchboot noch einmal an. Auch könnte man ja vielleicht
eines der Rettungsboote der anderen Freiwilligen Wehren abziehen. Laut Pulz
verfügen Ammendorf und Trotha über eigene Ausrückebereiche, weil sonst die
Hilfsfristen nicht eingehalten werden können. Dort sei die Stationierung
eines Boots verhältnismäßig. Auch das Rettungsboot für Büschdorf verteidigte
er. Dort sei der Hufeisensee in der Nähe, Büschdorf habe eine größere
Personalstärke als Nietleben, zudem soll das Gerätehaus ausgebaut werden.
Grünen-Stadtrat Wolfgang Aldag erklärte, nach dem Votum der Fachleute sei
Halle gut versorgt. Er regte aber an, einmal über ein Gesamtkonzept zu reden.
„Wir müssen nicht mit dem Kopf durch die Wand“, sagte Aldag und empfahl eine
Ablehnung. Oberbürgermeister Bernd Wiegand erklärte, „wenn irgendetwas
erforderlich ist, sind wir bereit, es anzuschaffen.“ Doch der tragische Fall
vom Heidesee eigne sich nicht dazu. „Wir sehen keine Notwendigkeit.“
Ein Rettungsboot für Nietleben war aber auch schon mehrfach Thema der
Wehrleitersitzungen in Halle. Vor zwei Jahren hatte das Gremium einen Bedarf
erkannt, vor einem Jahr erfolgte ein Antrag. Dies bestätigte Robert Pulz.
Daraufhin habe er in den Antrag im Haus diskutiert. Eintreffzeiten, Stärke
und Ausrückebereiche seien diskutiert worden. „Dabei sind wir zum Schluss
gekommen, dass die fachlichen Argumente der Nichtstationierung überwiegen.“
Bis auf Andreas Schachtschneider lehnte im Anschluss der komplette Ausschuss
den Antrag zur Stationierung eines Schlauchboots ab.
Im Anschluss verlas Wiegand noch eine persönliche Erklärung. Dabei
verteidigte er seine Entscheidung zu Beginn der Sitzung, die Nietlebener Wehr
nicht zu Wort kommen zu lassen. Es handele sich bei einem Mitglied der
Freiwilligen Feuerwehr um ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis im
Ehrenamt im Sinne der Kommunalverfassung. Die Feuerwehrleute unterstünden
einem besonderen Treue- und Weisungsverhältnis, hätten Rechte und Pflichten.
Ganz am Ende der Sitzung ging es auch noch einmal kurz um Konsequenzen gegen
Mitglieder der Nietlebener Wehr wegen kritischer Äußerungen. Ein Mitglied
wurde ausgeschlossen, ein weiteres erhielt eine Missbilligung. „Zu
personalrechtlichen Angelegenheiten nehmen wir keine Stellung“, sagte OB
Wiegand in der Sitzung.