Kurzvorträge - DG PARO

Deutsche Gesellschaft für Parodontologie
DG PARO Jahrestagung 2016
Maritim Congress Centrum Würzburg
15.–17. September 2016
Abstracts
344 n
A bstracts der Kurzvorträge
DG PARO Jahrestagung 2016 in Würzburg
Kurzvorträge
„ Klinische Kurzvorträge
„ KV 1
Hat die systemische Gabe von Amoxicillin und Metronidazol einen Einfluss auf den Grad
der vorliegenden Furkationsbeteiligung? Eine Subgruppenanalyse
P. Eickholz, K. Nickles, R. Koch, I. Harks, T. Hoffmann, T-S. Kim, T. Kocher, J. Meyle, D. Kaner, U. Schlagenhauf, S. Doering, M. Gravemeier, B. Ehmke
Zielsetzung: Beurteilung des klinischen Effekts einer zusätzlichen systemischen Gabe von Amoxicillin und
Metronidazol zur mechanischen Reinigung von Furkationsdefekten.
Material und Methode: Diese Untersuchung stellt eine Subanalyse der prospektiv, randomisierten, doppel­
blinden Multicenterstudie (Clinical Trials.gov NCT00707369) über den Effekt einer unterstützenden systemischen Gabe von Amoxicillin 500 mg und Metronidazol 400 mg (3x/Tag, 7 Tage) auf die Furkationsbeteiligung bei Patienten mit moderater bis schwerer Parodontitis dar. Hauptzielkriterium war eine Änderung des
Furkationsgrades nach 27,5-monatigem Nachuntersuchungszeitraum. Die standardisierte Therapie umfasste eine mechanische Reinigung in Kombination mit systemischen Antibiotika oder einem Placebopräparat und eine Erhaltungstherapie mit dreimonatigem Intervall.
Ergebnisse: Insgesamt konnten 345 Patienten (175 Placebo, 170 Antibiotika) mit 5.641 Furkationsstellen
(Grad 0: 2.631; Grad I: 2.071; Grad II: 597; Grad III: 342) nach 27,5 Monaten nachuntersucht werden
(2.970 Placebo, 2.671 Antibiotika). Die meisten Furkationen blieben unverändert (Placebo 61,5 %, Antibiotika 62,2 %) und mehr Stellen verbesserten sich als dass sie sich verschlechterten (jeweils 20,3 %/18,2 %;
22,1 %/15,7 %). Allerdings konnten durch die Analyse im verallgemeinerten linearen Mischmodell keine
Unterschiede hinsichtlich einer Veränderung des Furkationsgrades zwischen den Behandlungsgruppen gefunden werden.
Schlussfolgerungen: Die zusätzliche Gabe systemischer Antibiotika brachte für Furkationsbeteiligungen im
Vergleich zu einem Placebo keinen klinisch relevanten Benefit.
„ KV 2
Langzeit-Stabilität parodontal geschädigter Unterkieferfrontzähne nach Schienung
S. Sonnenschein, D. Saure, C. Betzler, R. Kohnen, T-S. Kim
Ziel: Ziel der Untersuchung war die Ermittlung der parodontalen Stabilität während unterstützender Parodontitistherapie (UPT) von stark geschädigten Unterkiefer(UK)-Frontzähnen nach Schienung sowie der
Bruchwahrscheinlichkeit der Schienung (BW) und Identifikation von Einflussfaktoren, welche die BW beeinflussen.
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A bstracts der Kurzvorträge
Material und Methoden: 41 Parodontitispatienten mit einer mindestens drei Jahre (J) alten KompositSchienung in der UK-Front und regelmäßiger UPT wurden nachuntersucht. Alle Schienungen beinhalteten
entweder mindestens zwei benachbarte Zähne, die vor Schienung einen Lockerungsgrad (LG) I hatten, oder
mindestens einen Zahn mit LG II bzw. III. Weiterhin musste an mindestens einer Stelle ein klinischer Attachmentverlust (CAL) von 5 mm und über 50 % radiologischer Knochenverlust vorhanden sein. Folgende
zahn- und patientenbezogen Faktoren wurden ausgewertet: Alter, Diagnose, Sondierungstiefe (ST), CAL,
Anzahl der Zähne im Gesamtgebiss und in der Schienung sowie Anzahl Zwischenglieder innerhalb der
Schienung. Untersuchungszeitpunkte: vor antiinfektiöser Therapie und Schienung (BL) und nach drei Jahren;
wenn vorhanden zusätzlich nach fünf, sieben, zwölf und 15 Jahren. Die BW wurde anhand der Kaplan-MeierMethode geschätzt; der Einfluss zahnbezogener Faktoren auf die BW mittels logistischer Regression überprüft.
Ergebnisse: Die Gesamt-ST betrugen bei BL 3,55 ± 1,25 mm und nach drei Jahren. 2,33 ± 0,37 mm. In die
Analyse geschienter Zähne wurden bei BL und nach drei Jahren 162 Zähne von 39 Patienten (n = 39) eingeschlossen. Fünf, sieben, zehn, zwölf und 15 Jahre nach BL wurden 125 (n = 30), 98 (n = 24), 71 (n = 15),
33 (n = 8) und 14 (n = 3) Zähne eingeschlossen. Bei BL lag die ST geschienter Zähne bei 3,39 ± 1,41 mm
und das CAL bei 5,61 ± 1,66 mm. Nach drei Jahren wurde eine Reduktion auf 2,12 ± 0,37 mm und 5,09 ±
1,67 mm festgestellt. Nach drei Jahren hatten 74,4 % der Schienungen keinen Bruch erlitten. Die logistische
Regression ergab keinen Hinweis auf einen Einfluss von LG, CAL, Art der Schienung oder Vorhandensein
eines Zwischengliedes auf die BW.
Schlussfolgerung: Die Schienung parodontal kompromittierter Zähne mit fraglicher Prognose scheint bei
regelmäßiger UPT eine gute Möglichkeit zu sein, den parodontalen Status betroffener Zähne zu stabilisieren.
„ KV 3
Wechselwirkungen von Parodontitis und systemischer Entzündung im Hinblick auf
Mortalität
C. Pink, B. Holtfreter, M. Dörr, H. Völzke, P. Meisel, L. Jablonowski, A. Grotevendt, R. Biffar, T. Kocher
Ziel der Untersuchung: Sowohl Parodontitis als auch systemische Entzündung gelten als Risikofaktoren für
allgemeine und kardiovaskuläre Mortalität. Ihre Wechselwirkungen wurden vielfach diskutiert, jedoch ist
bisher nicht geklärt, ob sich beide Erkrankungen auch bezüglich ihrer Funktion als Risikofaktor für Mortalität gegenseitig beeinflussen. Anhand longitudinaler Daten der Study of Health in Pomerania (SHIP) soll
daher die Möglichkeit der Mediation und Interaktion von Parodontitis und systemischer Entzündung im
Hinblick auf das Mortalitätsrisiko untersucht werden.
Material und Methoden: Es wurden 2.872 SHIP-Probanden (227 Todesfälle, 81 kardiovaskulär) über einen
Zeitraum von elf Jahren beobachtet. Parodontitis wurde anhand des mittleren Attachmentverlusts, des
Anteils befundeter Flächen mit einem Attachmentverlust ≥ 3 mm, der Zahnanzahl sowie eines Scores aus
diesen drei Faktoren erhoben. Als Entzündungsparameter wurden Fibrinogen, Leukozyten, C-Reaktives
Protein sowie ein Score aus diesen drei Markern genutzt. Es wurden separate Cox-Modelle für alle Para­meter
aufgestellt und schließlich in gemeinsamen Modellen multiplikative und additive Interaktionsterme getestet.
Für die Mediationsanalyse wurden modifizierte Poisson-Modelle verwendet.
Ergebnisse: Alle Parameter für Parodontitis (HRs zwischen 1,01 und 1,95) und systemische Entzündung
(HRs zwischen 1,17 und 1,55) wiesen eine signifikante Assoziation mit der Gesamtmortalität und teilweise
auch mit der kardiovaskulären Mortalität auf. Multiplikative Interaktionen konnten nicht festgestellt werden,
allerdings wurden für manche Expositionspaarungen additive Interaktionen bezüglich der Gesamtmortalität
beobachtet (RERI = 0,8 für die Scores). Überdies erwiesen sich Parodontitis und systemische Entzündung
als statistisch hoch signifikante, betragsmäßig aber geringe, gegenseitige Mediatoren.
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A bstracts der Kurzvorträge
Schlussfolgerungen: Parodontitis wie auch systemische Entzündung zeigen einen Einfluss auf das
allgemeine Mortalitätsrisiko. Beim Vorliegen beider Faktoren scheint es jedoch keine zusätzliche Risiko­
steigerung aufgrund multiplikativer Interaktionen zu geben. Eine additive Interaktion ist dagegen nicht
auszuschließen.
„ KV 4
Wurzelkanalbehandelte Molaren nach der Parodontitistherapie: Macht das auf Dauer
Sinn?
B. Pretzl, A. Zeidler, P. Eickholz, B. Dannewitz
Ziel der Untersuchung: Ziel dieser Studie war es, den Langzeiterfolg endodontaler und parodontaler Therapie an Molaren mindestens zehn Jahre nach aktiver Parodontitistherapie (APT) zu beurteilen.
Material und Methoden: 136 Patienten mit 1.015 Molaren wurden rekrutiert, die sich in der Sektion Parodontologie in Heidelberg in der unterstützenden Parodontitistherapie (UPT) befanden. Es wurden patienten- und zahnspezifische Parameter erhoben sowie bei den 188 wurzelkanalbehandelten Molaren anhand
Röntgenaufnahmen der periapikale Zustand (PAI), Qualität und Länge der Wurzelkanalbehandlung bewertet. Durch Multilevel-Cox-Regressionsanalyse sollten Faktoren ermittelt werden, die zum Langzeiterhalt
beitragen.
Ergebnisse: Im Schnitt fanden sich pro Patient 1,3 wurzelkanalbehandelte Molaren, die signifikant häufiger
im Oberkiefer und an Sechs-Jahres-Molaren auftraten. Durchgängige Furkationen waren signifikant häufiger an wurzelkanalbehandelten Molaren zu finden. Verschiedene patienten- und zahnbezogene Faktoren
zeigten einen Einfluss auf Zahnerhalt, der allerdings keine Signifikanz ergab. Wurzelkanalbehandelte Molaren mit einem PAI von Grad 4 oder 5 gingen während mindestens zehnjähriger UPT häufiger verloren als
Molaren, die keine periapikalen Auffälligkeiten zeigten.
Schlussfolgerungen: Molaren zeigen auch nach endodontischer und parodontaler Therapie hohe Überlebensraten über zehn und mehr Jahre. Durch konservierende Therapie kann der Langzeit-Erhalt auch bei
vorgeschädigten Molaren ermöglicht werden.
„ KV 5
Stimulation des Nitrit/Nitrat/Stickstoffmonoxid-Metabolismus ist ein Modulator der
vaskulären Regeneration nach UPT
Y. Jockel-Schneider, P. Stölzel, N. Petersen, S. Goßner, M. Eigenthaler, R. Carle, U. Schlagenhauf
Ziele: Diese prospektive, doppelblinde, placebokontrollierte, randomisierte Studie untersucht den Einfluss
eines nitrathaltigen Salatsaftextraktes auf funktionelle Veränderungen an den Gefäßwänden als Folge einer
durch eine parodontale Erhaltungstherapie ausgelöste Bakteriämie.
Methoden: 44 parodontal erkrankte Recall-Patienten mit leichter bis mittelschwerer Gingivitis (0 < GI ≤ 2
an mindestens drei Zähnen) erhielten eine parodontale Erhaltungstherapie (sub- und supragingivales Debridement) ohne weitere Mundhygieneinstruktion. Danach wurden sie mit Hilfe einer Randomliste in eine
Test- und eine Kontrollgruppe eingeteilt. Zu Beginn der Studie, direkt nach der Reinigung und 14 Tage
später wurden der periphere und zentrale Blutdruck sowie die Augmentation erfasst. Über einen Zeitraum
von 14 Tagen konsumierten alle Patienten das ihnen zugeteilte experimentelle Salatsaftgetränk 3x täglich
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A bstracts der Kurzvorträge
um so im Falle der Testgruppe, welche ein nitratreiches Getränk erhielt, die diätische Nitrataufnahme auf
den von der FAO/WHO empfohlenen Acceptable Daily Intake (ADI) von ca. 200 mg Nitrat/Tag zu erhöhen.
Alle Patienten hielten sich ansonsten an eine nitratarme Diät.
Ergebnisse: Zu Baseline unterschieden sich die Werte der beiden Gruppen nicht voneinander. Direkt nach
der Reinigung stiegen der zentrale und periphere Blutdruck sowie der aortale Augmentationsindex aller
Patienten signifikant an. Nach dem 14-tägigen Saftkonsum verbesserten sich der zentrale und der periphere
Blutdruck der Testgruppe signifikant im Vergleich zum Ausgangswert. Der Augmentationsindex fällt auch
unter den Ausgangswert jedoch nicht signifikant. Im Gegensatz dazu bleiben alle Werte der Kontrollgruppe
über denen der Baselinewerte.
Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass eine parodontale Erhaltungstherapie
Einfluss auf Parameter der vaskulären Gesundheit hat. Das mit der Nahrung aufgenommen Nitrat-Niveau
scheint ein wichtiger Modulator der vaskulären Regeneration nach durch parodontalen Recall ausgelöster
Bakteriämie zu sein.
„ KV 6
Bestimmung des parodontalen Knochenabbaus mittels MRT
M. A. Rütters, A. Heil, J. Gradl, M. Bendszus, T-S. Kim
Ziel der Untersuchung: Standardmäßig werden in der Zahnmedizin derzeit zweidimensionale röntgenologische bildgebende Verfahren wie Zahnfilme, Bissflügel oder Orthopantomogramme verwendet. Als dreidimensionales Verfahren besteht bei besonderen Fragestellungen die Möglichkeit, eine digitale Volumentomografie anzufertigen. Diese Technik ist jedoch aufgrund ihrer höheren Strahlenbelastung kritisch
abzuwägen. Die Strahlendosis sollte so gering wie möglich gehalten werden. Die sicherste Methode wäre
daher ein Verfahren, welches keine röntgenologische Strahlung beinhaltet. Daher ist derzeit die Methode
der Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) Gegenstand mehrerer Untersuchungen in verschiedenen Fachbereichen der Zahnmedizin. Die vorliegende Studie befasst sich mit der Fragestellung, ob das MRT geeignet
ist, verglichen mit der bestehenden Methode des Zahnfilms, alveoläre Defekte bei parodontal erkrankten
Patienten zuverlässig zu bestimmen.
Material und Methoden: Dazu wurden bei fünf Patienten mit Parodontitis von insgesamt 21 Zähnen sowohl
Zahnfilme als auch von jedem Patienten ein MRT angefertigt. Von zwei kalibrierten verblindeten Untersuchern wurden die vorhandenen Bilder jeweils hinsichtlich der bestehenden Restknochenhöhe mesial und
distal ausgemessen. Insgesamt wurden 41 Messungen durchgeführt.
Ergebnisse: Dabei zeigte sich eine sehr hohe Übereinstimmung der Ergebnisse sowohl zwischen den verschiedenen Methoden als auch zwischen den beiden Untersuchern und innerhalb eines Untersuchers. Die
Korrelationen zwischen den beiden Verfahren MRT und Zahnfilm lagen bei 0,951 (Untersucher 1) bzw.
0,971 (Untersucher 2). Die Korrelation zwischen den Untersuchern lag bei der Auswertung der Zahnfilme
bei 0,968 und bei Auswertung der MRT bei 0,978. Die Korrelation zwischen erster und zweiter Untersuchung lag bei Untersucher 1 bei 0,928 (Zahnfilm) bzw. 0,989 (MRT) und bei Untersucher 2 bei 0,993
(Zahnfilm) bzw. 0,995 (MRT). Ein durchgeführter t-Test zeigte jeweils, dass keine signifikanten Unterschiede
vorlagen.
Schlussfolgerungen: Als Schlussfolgerung kann gesagt werden, dass die Restknochenhöhe mittels MRT so
präzise bestimmt werden kann wie mittels Zahnfilm; es handelt sich beim MRT um ein Verfahren mit hoher
Reproduzierbarkeit. Daher scheint das MRT zur Bestimmung parodontalen Knochenabbaus geeignet.
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„ Experimentelle Kurzvorträge
„ KV 7
Parodontitisfrüherkennung durch Charakterisierung des subgingivalen Mikrobioms?
D. Hagenfeld, S. Boutin, H. Zimmermann, N. El Sayed, T. Höpker, H. K. Greiser, H. Becher, A. H. Dalpke,
T-S. Kim
Ziel der Untersuchung: Mit Hilfe einer populationsbasierten Querschnittsstudie sollte überprüft werden, ob
unterschiedlich zusammengesetzte Mikrobiome mit bestimmten klinischen Bildern (Gesund, Gingivitis, Parodontitis) assoziiert werden können.
Material und Methoden: 85 Teilnehmer einer Machbarkeitsstudie der nationalen Kohorte wurden für diese
Untersuchung ausgewählt. Für die phylogenetische Klassifizierung wurde die Illumina MiSeq 16s rDNA-Sequenziertechnologie benutzt. Es erfolgte zunächst eine rein taxonomische Unterteilung mit einer Cluster-Analyse und im Anschluss eine Assoziation dieser Cluster mit klinischen Variablen und einer multivariaten logistischen Regression, adjustiert nach Alter und Geschlecht.
Ergebnisse: Die Teilnehmer konnten basierend auf der Zusammensetzung des parodontalen Mikrobioms in
zwei Ökotypen unterteilt werden. Im ersten Ökotypus fanden sich fast ausschließlich Patienten ohne Parodontitis, der zweite Ökotypus stellte eine heterogenere Gruppe aus Parodontitispatienten mit unterschiedlichem Schweregrad, Gesunden und Gingivitispatienten dar. Eine weitere Unterteilung des zweiten Ökotypus in drei Subtypen zeigte eine graduelle Veränderung der mikrobiellen Zusammensetzung, die mit
Fortschreiten klinischer Symptome einherging. Dabei waren erste Zeichen einer Dysbiose mit dem Anstieg
der gesamten mikrobiellen Diversität und im Speziellen einem Anstieg von F. nucleatum vincentii und mehreren anderen Spezies assoziiert. Nur in der finalen Phase der Dysbiose überwogen die klassischen parodontalpathogenen Erreger.
Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse dieser Studie könnten dabei helfen, klinisch gesunde Personen zu identifizieren, die aufgrund ihres mikrobiologischen Profils ein erhöhtes Risiko für eine parodontale Erkrankung
aufweisen.
„ KV 8
Transkriptom des Saumepithels
Y-H. P. Chun, Y. Cui, E. Wyrick, M. Harris, S. Harris
Ziel der Untersuchung: Das Saumepithel hat die Aufgabe, das Parodont von der Mundhöhle abzudichten,
indem es den Epithelansatz bildet. Die interne Basallamina ermöglicht das Attachment zwischen dem
Saumepithel und der Schmelzoberfläche. Die externe Basallamina verankert das Epithel am Bindegewebe.
Dem Saumepithel stehen humorale und zelluläre Mechanismen zur Verfügung, um Bakterien, bakterielle
Produkte und Toxine abzuwehren. Wenn die Barrierefunktion der Basalmembranen zusammenbricht, wird
einer Entzündung des Parodonts Vorschub geleistet. Entwicklungsbiologisch stammt das Saumepithel von
schmelzbildenen Zellen ab. Es ist unbekannt, ob Schmelzproteine im Saumepithel exprimiert werden. Ziel
dieser Studie war es, das Transkriptom während der Bildung des Saumepithels zu beschreiben.
Material und Methoden: Gewebe des Schmelzepithels der sekretorischen Phase, der Reifungsphase, der
Reduktion und des Saumepithels wurde mit einem Skalpell von Molaren des Unterkiefers von Mäusen
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entnommen. Als Kontrollgruppe wurde Gewebe der Gingiva verwendet. Nach Extraktion der RNA wurden
Libraries angefertigt und das Transkriptom wurde mit Illumina HiSeq 2000 sequenziert. Der Datensatz wurde
mit bioinformatischen Tools analysiert. Ausgewählte Produkte von Genen wurden mit Immunohistochemistry an Gewebeschnitten validiert.
Ergebnisse: Das sekretorische Schmelzepithel exprimiert in großen Mengen Schmelzproteine, zu denen
Amelogenin, Ameloblastin und Enamelin gehören. In der Reifungsphase und im reduzierten Schmelzepithel
war die Expression von Amelogenin und Enamelin stark reduziert. Im Gegensatz dazu war die Expression
von Ameloblastin robust. An Gewebeschnitten von Molaren des Unterkiefers war Amelogenin im sekretorischen Schmelzepithel und in der Schmelzmatrix zu finden, fehlte jedoch im Saumepithel. Ameloblastin war
im sekretorischen Schmelzepithel und in der Schmelzmatrix vorhanden und änderte seine Lokalisierung in
der Reifungsphase zur internen Basallamina. Laminin 5 war zwischen den Ameloblasten und der Schmelzoberfläche zu finden. Nach dem Zahndurchbruch waren Ameloblastin und Laminin 5 zwischen dem Saum­
epithel und der Schmelzoberfläche anzufinden.
Schlussfolgerungen: Schmelzproteine werden im Transkriptom von Ameloblasten und Saumepithel exprimiert.
Diese Studie wurde von den National Institutes of Health, USA, unterstützt (K08 DE022800).
„ KV 9
Effizienz einer modifizierten photodynamischen Therapie in der Ex-vivo-Anwendung
C. von Ohle, C. Niepagenkemper, V. Bartha, E.-M. Decker
Ziel der Untersuchung: Vor dem Hintergrund einer häufig unzureichenden antimikrobiellen Wirksamkeit
konventioneller Verfahren in der photodynamische Therapie (PDT) sollte in einer kontrollierten Studie die
Effizienz eines modifizierten photodynamischen Therapiesystems (PDTplus) mit Wasserstoffperoxid angereichertem Fotosensibilisator in der Ex-vivo-Behandlung von dentalen Biofilmen untersucht werden.
Material und Methoden: Humane dentale Biofilme wurden über 24 h in vivo mit Hilfe einer intraoralen
Schiene gewonnen. Deren weitere Behandlung erfolgte ex vivo unter standardisierten Bedingungen. Für die
PDT wurde ein toluidinblau (TBO)-basiertes System verwendet (Fotosan 630, TBO 0,01 %, LED 630 nm).
Der für die PDTplus eingesetzte Fotosensibilisator wurde durch Supplementierung von TBO mit 3 % H2O2
modifiziert (TBOplus). Folgende Behandlungsvarianten kamen zum Einsatz: physiologische Kochsalzlösung
(NaCl), Chlorhexidin (CHX 0,2 %) und Octenidin (OCT 0,1 %) als Negativ- bzw. antiseptische Positivkontrollen, konventionelle PDT nach Herstellerangaben, H2O2 (3 %), TBOplus (Dunkeltoxizität), H2O2 mit
Bestrahlung (H2O2_LED), PDTplus und eine sukzessive Anwendung von OCT und PDTplus (OCT_PDTplus).
Die Charakterisierung der Biofilme erfolgte anhand des Wachstums der koloniebildenden Einheiten (CFU)
und mittels konfokaler Laserscanning-Mikroskopie nach Syto9/Propidiumjodid Fluoreszenzmarkierung (mikrobielle Vitalität).
Ergebnisse: Eine statistisch signifikante antibakterielle Wirkung verglichen mit der NaCl-Anwendung (5,56
log CFU/mm2) hatten PDTplus (2,39 log CFU/mm2), OCT_PDTplus (2,91 log CFU/mm2) und OCT (4,59
log CFU/mm2). Durch die modifizierte PDTplus konnte bezogen auf die konventionelle PDT-Anwendung
(5,17 log CFU/mm2) eine um 2,78 log-Einheiten stärkere CFU-Reduktion erreicht werden. Die Einzelkomponenten H2O2, TBOplus und H2O2_LED zeigten weder eine signifikante antibakterielle noch antivitale
Wirkung. Im Vergleich der beiden Antiseptika CHX (5,61 log CFU/mm2, Vitalität 59 %) und OCT (4,59 log
CFU/mm2, Vitalität 41 %) zeigte OCT die statistisch signifikant stärkere antibakterielle und antivitale Wirksamkeit.
Schlussfolgerungen: Die TBOplus-basierte modifizierte photodynamische Therapie (PDTplus) führte zu
einer der konventionellen PDT und der rein antiseptischen Behandlung mit CHX oder OCT deutlich überParodontologie 2016;27(3):343–352
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legenen antibakteriellen Effizienz in der Behandlung dentaler Biofilme ex vivo. Diese ließ sich auch durch
die kombinierte Anwendung von OCT und PDTplus nicht weiter steigern.
„ KV 10
Einfluss systemischer Diabetestherapie auf Signalübertragung und Funktionen neutrophiler Granulozyten (PMN)
J. M. Herrmann, J. Meyle
Ziele: Entzündungsreaktionen aufgrund Hyperglykämie, -lipoproteinämie, Adipositas u. a. tragen bei Diabetes mellitus, Typ 2 (DM2), zur Verschlechterung systemischer Befunde bei. Eine gleichzeitig vorliegende
chronische Parodontitis (CP) ist häufig in Progression und Schwere besonders ausgeprägt. Persistieren die
Erkrankungen, sind wg. Wechselbeziehungen Exazerbationen lokaler sowie systemischer Befunde wahrscheinlich. Ziele dieser prospektiven, longitudinalen, randomisierten, kontrollierten Studie waren es, diabetologische und parodontale Parameter bei DM2- und CP-Patienten sowie Kontrollen zu bestimmen. Es
sollten PMN Chemotaxis- bzw. Phagozytoserezeptoraktivierung vor und nach einer zweiwöchigen Hospitalisierungs- und Einstellungsphase schwerstkranker DM2-Patienten evaluiert werden.
Methoden: Nach Ethikvotum und Registrierung (ClinicalTrials.gov:NCT01848379) bekundeten 45 Individuen schriftliches Einverständnis zur Teilnahme. 15 Typ-2-Diabetiker mit chronischer Parodontitis (DM2+CP),
15 systemisch sowie oral Gesunde (C) und 15 Parodontitispatienten (CP) wurden nach Untersuchung mittels Florida-ProbeTM rekrutiert. Attachmentniveau (AL), Sondierungstiefe(ST), Bluten auf Sondierung (SB),
Exsudation (pus), Furkationsbeteiligung (FK), Zahnlockerung (M) und ein modifizierter Plaque- (Pi) sowie
Papillenblutungsindex (Pbi) wurden erhoben. Zu Untersuchungsbeginn (BL) und zum Entlassungszeitpunkt
(+2W) wurden hämatologische Daten wie glykiertes Hämoglobin (HbA1c), Nüchtern-Plasma-Glukose
(NPG) und Mittleres-Glukose-Tagesprofil (MGT) erhoben. Ex vivo wurden aus peripherem Venenblut PMN
isoliert und für 2nd-Messenger/Kalzium([Ca2+]i) sowie zytosolische pH(pHi) Messung gefärbt. Chemotaxis(via:fMLF) und/oder Phagozytoserezeptoraktivierung (via:Immunkomplexe/HIC) wurden mittels Fluoreszenzspektralphotometer zur Bestimmung der PMN-Signalantworten bzw. bakteriziden Funktionen (Degranulierung/DQ bzw. OxyBURST/DCF) gemessen.
Ergebnisse: Zur BL waren mediane stimulusabhängige zytosolische Signalantworten und extrazelluläre,
bakterizide Funktionen bei DM2+CP-Patienten im Vergleich zu CP oder C ≤ 15 % (p < 0,01) reduziert,
korrelierten mit MGT ([Ca2+]i; r2 = 0,817, p < 0,01; pHi r2 = 0,689, p ≤ 0,05). Mediane Reduktion der NPG
(78 mg/dl; p = 0,01) bzw. der MGT (27 mg/dl; p = 0,01, ANOVA) bei DM2+CP erreichte zwischen BL bis
+2W nicht die Werte von CP oder C.
Schlussfolgerungen: Zweiwöchige Hospitalisierung und Einstellung von DM2+CP-Patienten korrigierten
Signalübertragungsveränderungen sowie bakterizide Funktionen der PMN teilweise, was den langfristigen
Einfluss der metabolischen Entgleisung widerspiegelt. Reduzierte zytosolische Kalziumkonzentrationsveränderung und pH-Antwort nach Stimulation sind assoziiert mit schlechter glykämischer Kontrolle, möglicherweise Verbindung zwischen Stoffwechsellage und Schwere der Erkrankungen. Bei entgleistem Diabetes und
chronischer Parodontitis lassen PMN-Signalveränderungen auf eine Beeinträchtigung der primären Immunantwort dieser Patienten schließen.
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„ KV 11
Effects of Aggregatibacter actinomycetemcomitans leukotoxin on neutrophil migration
and NET-release
J. Hirschfeld, H. M. Roberts, I.L.C. Chapple, S. Jepsen, A. Hoerauf, M. Parčina, R. Claesson, A. P. Johansson
Objective: Aggressive periodontitis is associated with the presence of Aggregatibacter actinomycetem­
comitans (A. a.), a leukotoxin (Ltx) producing periodontal pathogen. Ltx has the ability to lyse white blood
cells including neutrophils. This study was aimed at investigating the interactions of neutrophils and Ltx with
regard to the chemotactic properties of Ltx and the release of neutrophil extracellular traps (NETs) in respon­se to Ltx.
Methods: Neutrophils were isolated and incubated with increasing concentrations of Ltx (3-300ng/mL) as
well as with A. a. strains (NCTC 9710, Y4, HK 1651) producing different levels of Ltx, for 15 min to 2 h.
Formation of NETs, cell lysis and release of neutrophil elastase were assessed by fluorescence microscopy,
lactate dehydrogenase assay and ELISA. Moreover, neutrophil migration towards different Ltx gradients was
monitored using an Insall chamber. Image analysis was performed with the ImageJ software.
Results: Although Ltx (30 and 300 ng/mL) and the leukotoxic A. a. strains Y4 and HK 1651 lysed neutrophils, these cells were still able to perform NETosis as well as to release elastase in a concentration-dependent
manner. Low doses of Ltx and weakly leukotoxic strain NCTC 9710 did not lead to neutrophil lysis, NETosis
or release of elastase. Furthermore, all three concentrations of Ltx enhanced neutrophil movement, however, low directional accuracy was observed compared to the positive control (fMLP).
Conclusion: The results indicate that Ltx acts as an activator of neutrophil movement, but not as a chemoattractant, and eventually causes cell death. In addition, Ltx directly induces NETosis in neutrophils prior to
cell lysis. In future studies, the underlying pathways involved in Ltx-meditated migration and NETosis should
be investigated in further depth.
„ KV 12
Jahre DG PARO / CP GABA Forschungsförderung
Jubiläumssymposium – Präsentation der Ergebnisse
DG PARO
Vergleich des oralen Mikrobioms bei Patienten mit aggressiver Parodontitis und
parodontal gesunden Vergleichsprobanden
S. Schulz, M. Porsch, I. Grosse, C. Gläser, K. Hoffmann, H.-G. Schaller, S. Reichert
Hintergrund: Ein besseres Verständnis der Wechselwirkungen und der Komplexität des oralen Mikrobioms
stellt eine besondere Herausforderung der aktuellen zahnmedizinischen Forschung dar. In dieser Studie
wurde das orale Mikrobiom von Patienten mit aggressiver Parodontitis mit dem Mikrobiom von parodontal
gesunden Probanden verglichen.
Patienten und Methoden: In diese Pilotstudie wurden 13 Patienten mit aggressiver Parodontitis (46,2 %
Frauen, 45,9 + 9,9 Jahre) und 13 parodontitisfreie Kontrollpersonen (61,5 % Männer, 40,8 + 7,3 Jahre)
eingeschlossen. Subgingivale Plaqueproben wurden mittels endodontischer Papierspitzen entnommen und
die DNA mit Hilfe des QiaAmp® DNA Mini Kits isoliert. Die 16S rRNA-Gene (V3 und V4 Regionen) wurden
auf der MiSeq-Plattform (Illumina, San Diego/California, USA) sequenziert. Die Sequenz-Daten wurden mit
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der GreenGene-Datenbank abgeglichen und quantitativ mit dem DESeq-Paket ausgewertet. Mittels Hauptkomponentenanalysen wurden komplexe Unterschiede zwischen den Patientengruppen erfasst. Mittels
linea­rer Diskriminanzanalyse (LDA), Support Vector Machines und Random Forest wurde die Klassifizier­
barkeit der Daten evaluiert. Für die Evaluierung der speziesspezifischen Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen wurde die lineare Diskriminanzanalyse (LDA) angewendet.
Ergebnisse: Insgesamt wurden in den Untersuchungsgruppen 1.713 orale Mikroorganismen identifiziert.
Die Gruppen unterscheiden sich entsprechend der Hauptkomponentenanalyse deutlich auf der Speziesebene. Alle Modelle sind in der Lage die Patienten mit mindestens 92 % Sensitivität und 80 % Spezifität zu
klassifizieren. In der LDA konnten gesundheits- bzw. krankheitsassoziierte Keime identifiziert werden. Unter
den sieben am stärksten krankheitsassoziierten Keimen befanden sich P. g., T. d., T. f. und F. a. Mit einem
gesunden Parodontium waren Acinetobacter-Spezies assoziiert.
Schlussfolgerung: Wir konnten in unserer Studie differenzielle Mikrobiommuster aufdecken, die mit einer
aggressiven Parodontitis bzw. einem gesunden Parodontium assoziiert waren. Mit Hilfe dieser Mikrobiommuster könnten in Zukunft präzisere Diagnosen gestellt und individualisierte Therapien angeboten werden.
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