Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 2015

Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie
Ergebnisse aus Psychotherapie, Beratung und Psychiatrie
Herausgeberinnen und Herausgeber:
Albert Lenz, Paderborn; Franz Resch, Heidelberg; Georg Romer, Münster;
Maria von Salisch, Lüneburg; Svenja Taubner, Klagenfurt
Verantwortliche Herausgeber:
Univ.-Prof. Dr. med. Franz Resch, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Zentrum für Psychosoziale
Medizin, Universitätsklinikum Heidelberg, Blumenstr. 8, D-69115 Heidelberg
Univ.-Prof. Dr. med. Georg Romer, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und
-psychotherapie, Schmeddingstr. 50, D-48149 Münster
Redakteur: Dipl.-Psych. Kay Niebank (verantw. i. S. des niedersächs. Pressegesetzes), Hartwigstr. 2c,
D-28209 Bremen, E-Mail: [email protected]
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Frühere Herausgeber: R. Adam, M. Cierpka, A. Dührssen, E. Jorswieck, G. Klosinski, U. Lehmkuhl,
M. Müller-Küppers, W. Schwidder, I. Seiffge-Krenke, F. Specht, A. Streeck-Fischer
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Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefreiem Papier.
ISSN (Printausgabe): 0032-7034, ISSN (online): 2196-8225
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Inhalt
Editiorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 717
Originalarbeiten / Original Articles
Alan Rushton
Die Auswirkungen von Adoption am Beispiel der „British Chinese Adoption
Study“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721
The Outcomes of Adoption in the Case of the “British Chinese Adoption Study”
Katja Nowacki, Josephine Kliewer-Neumann, Ina Bovenschen, Katrin Lang,
Janine Zimmermann und Gottfried Spangler
Der Zusammenhang von Bindungsrepräsentationen zwischen Pflegeeltern
und Pflegekindern unter Berücksichtigung von Geschlechterunterschieden . . . . 733
The Relationship Between Attachment Representations of Foster Parents and Foster Children
and the Role of the Child’s Sex
Heidi Jacobsen
Bindung und sozio-emotionale Fähigkeiten von jungen Pflegekindern – eine
norwegische prospektive Längsschnittstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 752
Young Foster Children’s Attachment and Socio-emotional Functioning – A Norwegian
Prospective and Longitudinal Study
Josephine D. Kliewer-Neumann, Ina Bovenschen, Inga C. Roland, Katrin Lang,
Gottfried Spangler und Katja Nowacki
Interviewtechnik zur Erfassung von Bindungsstörungssymptomen . . . . . . . . . . . 759
Assessing Disturbances of Attachment Symptoms Using Interview Technique
Übersichtsarbeiten / Review Articles
Femmie Juffer, Linda van den Dries, Chloë Finet und Harriet Vermeer
Bindung und kognitive sowie motorische Entwicklung in den ersten fünf
Jahren nach der Adoption: Ein Review über international adoptierte Kinder
aus China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 774
Attachment and Cognitive and Motor Development in the First Years after Adoption:
A Review of Studies on Internationally Adopted Children from China
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 715 – 716 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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Inhalt
Aus Klinik und Praxis / From Clinic and Practice
Karl Heinz Brisch
Bindung und Adoption: Diagnostik, Psychopathologie und Therapie . . . . . . . . . . . 793
Attachment and Adoption: Diagnostics, Psychopathology, and Therapy
Autoren und Autorinnen / Authors 816 | Gutachter / Reviewers 818
Buchbesprechungen / Book Reviews 819 | Tagungskalender / Congress Dates 825
Aus dem Inhalt des nächsten Heftes / Preview of the next Issue 826
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EDITORIAL
Bindungsstörung oder Bindungschance – ein internationaler Blick auf Pflege
und Adoption
Die Anzahl der Adoptionen in Deutschland hat sich seit den letzten 20 Jahren fast
halbiert, von knapp 8.600 Fällen im Jahr 1993 auf 3.800 im Jahr 2014. Von diesen
kommt die große Mehrheit aus Deutschland und nur 622 (16.4 %) aus dem Ausland.
Die Mehrzahl der Kinder wird in einem Alter zwischen ein und drei Jahren adoptiert, wobei jeweils ein Jahr der Adoptionspflege einzubeziehen ist, welches dem
rechtlichen Vollzug einer Adoption vorausgehen muss, sodass die meisten Kinder
bereits früh in die neuen Familien kommen (statistika.com). Die Fremdunterbringung von Kindern in Pflegefamilien kommt in Deutschland häufiger vor als im internationalen Vergleich und auch häufiger als die Adoption. Das Deutsche Jugend
Institut schätzt, dass etwa 135.000 Kinder (0,9 % aller in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen) Pflegekinder sind (DJI, 2009).
Unter klinischer Perspektive kann die Vorstellung aufgrund der Evidenz von Einzelfällen vorherrschen, dass Pflege- und Adoptivkinder durch den Wechsel aus einer
potenziell dysfunktionalen Primärfamilie in eine neue Familie schwer belastet sind
und häufig belastet bleiben. Wird die klinische Perspektive verallgemeinert, so kann
es zudem zu der Auffassung kommen, dass eine Adoption oder ein Pflegeaufenthalt an
sich ein traumatisches Erlebnis darstellt, welches psychotherapeutisch aufgearbeitet
werden sollte. Gleichzeitig sind Pflege und Adoption aus gesellschaftlicher Perspektive, obwohl sie als wichtige Instrumente des Kindeswohls und der Familiengründung
angesehen werden können, in Deutschland weitgehend tabuisiert. Abgebende Mütter
oder Eltern werden entwertet und aufnehmende Familien und ihre Kinder werden
ebenfalls potenziell stigmatisiert.
Das Thema Pflegekinder und Adoption soll in diesem Themenheft unter der Perspektive der Bindungstheorie betrachtet werden, die eine differenzierte Sicht bieten
kann auf potenzielle Bindungstraumata, Bindungsstörungen und Bindungschancen.
Der Verlust der primären Bezugspersonen stellt aus Sicht der Bindungstheorie ein
Bindungstrauma dar, aber gleichzeitig traumatisieren dysfunktionale Familien ihre
Nachkommen potenziell. Darüber hinaus kann ein Wechsel der Primärfamilie vor
dem Etablieren einer personenspezifischen Bindung aus Sicht der Bindungsforschung
durchaus als Chance für eine sichere Bindung angesehen werden. Auch Beispiele aus
dem im Tierreich zeigen, dass die besonders sozialen Tiere (z. B. verschiedene Schimpansenarten und Löwen) erfolgreich adoptieren.
Die Forschungslage in Deutschland ist dabei recht wenig beleuchtet, weshalb für das
vorliegende Themenheft international renommierte Adoptions- und Pflegefamilienforscher die Ergebnisse der deutschen Kollegen ergänzen. Katja Nowacki und KollePrax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 717 – 720 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
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718 Editorial
gen (2015) berichten in ihrer Studie mit 37 Pflegekindern aus Deutschland, dass diese
trotz schwieriger Bindungserfahrungen in den Primärfamilien die Chance auf ein sicheres inneres Arbeitsmodell von Bindung mit ihren Pflegemüttern haben. In dieser Studie zeigte sich, dass Jungen verletzlicher in der Alterspanne zwischen drei und
acht Jahren sind, aber gleichzeitig auch besonders empfänglich für Veränderungen
waren, wenn die Pflegemütter selbst eine sichere Bindung aufwiesen. Diese positiven
Ergebnisse werden von der norwegischen Studie von Heidi Jacobsen (2015) ergänzt,
die an einer Stichprobe von 60 Pflegekindern ebenfalls positive Verläufe und gleich
viel sichere Bindungsmuster zeigen konnte wie in einer Vergleichsgruppe mit niedrigRisiko-Kindern. Damit zeigen sich eindeutig positive Effekte von Pflegeelternschaft
im Kleinkind- und Vorschulalter besonders im Kontrast zu den Erkenntnissen aus
institutionellen Unterbringungen.
In einer Übersichtsarbeit von Femmie Juffer und Kollegen (Juffer, van den Dries,
Finet, Vermeer, 2015) werden die motorische und kognitive Entwicklung sowie die
Bindung fünf Jahre nach einer Adoption im Verhältnis zur Normalbevölkerung untersucht. Die Professorin für Adoptionsforschung der Universität Leiden in den Niederlanden vergleicht die Ergebnisse von sieben Studien, die die Entwicklungsverläufe
international adoptierter Kinder aus China dokumentierten. Die Adoption chinesischer Kinder stellt in vielen westlichen Ländern die größte Gruppe der internationalen Adoptionen dar. Deutschland bildet hier eine Ausnahme. In den Studien aus
den USA, Kanada und den Niederlanden zeigte sich, dass die Kinder bei Aufnahme
in die Adoptionsfamilie eine verzögerte kognitive und motorische Entwicklung aufwiesen, die sich aber bereits nach sechs Monaten verbesserte und nach zwei Jahren
komplett der Normgruppe angeglichen hatte. In Bezug auf eine sichere Bindung zeigte
sich in zwei Studien ein ähnliches Bild, dass nach zwei Jahren mehr Kinder der Adoptionsgruppe sicher gebunden waren als zu Anfang, jedoch auch mehr Adoptierte nach
längerem Aufenthalt in der neuen Familie eine desorganisierte Bindung aufwiesen.
Daher schlussfolgern die Autorinnen, dass Adoptiveltern besondere Unterstützung im
Hinblick auf die Förderung sicherer Bindungsbeziehungen erhalten sollten.
Besonders beeindruckend sind die Ergebnisse der britischen Studie von Alan
Rushton (2015), der ebenfalls eine Kohorte weiblicher Adoptierter aus China untersuchte. Die Teilnehmerinnen wurden aus Waisenhäusern im Kleinkindalter nach
Großbritannien adoptiert und über einen Zeitraum von 50 Jahren begleitet. Die Studie
ist damit das längste Follow-up aller Adoptionsstudien weltweit. Von 100 ehemaligen
Waisen nahmen 78 an der aktuellen Studie teil. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass sich
die Frauen sowohl physisch als auch psychisch nicht von der Allgemeinbevölkerung
unterschieden und in Bezug auf ihre Bildung sogar höhere Abschlüsse aufwiesen als
der Bevölkerungsdurchschnitt. Rushton schlussfolgert, dass sich an dieser Studie eindrucksvoll zeige, dass Menschen trotz früher aversiver Erfahrungen eine sehr positive
Entwicklung nehmen können, wenn sie in ein stabiles sicheres Umfeld kommen.
Jenseits der sehr positiven nationalen und internationalen Studienergebnisse sind
Kliniker dennoch manchmal mit traumatisierten Adoptiv- und Pflegekindern kon-
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Editorial 719
frontiert. Karl-Heinz Brisch (2015) stellt in seinem Beitrag die klinische Sicht auf die
Gruppe der schwer traumatisierten internationalen Adoptivkinder dar und damit häufig
einhergehenden Bindungsstörungen. Der Beitrag sensibilisiert für eine frühzeitige psychotherapeutische, altersgemäße und auf das spezielle Problem zugeschnittene Behandlung. Josephine Kliewer-Neumann und Kollegen (2015) ergänzen mit ihrem Beitrag die
klinische Diagnostik durch die Vorstellung eines standardisierten Interviews zur Erfassung von Bindungsstörungen, dem Disturbances of Attachment Interview, welches zur
(Früh-)Erkennung von Bindungsstörungen empfohlen werden kann.
Neben den stationären und stärker auf Intervention zielenden Konzepten wie dem
MOSES-Therapiemodell (Brisch et al., 2013) wurden international verschiedene präventive Programme zur Förderung sicherer Bindung in Pflege- und Adoptionsfamilien entwickelt. Hier ist beispielsweise das Video-Feedback zur Unterstützung positiver
Elternschaft zu nennen (VIPP-SD; Juffer, Bakermans-Kranenburg, Van IJzendoorn,
im Druck) und auch mentalisierungsbasierte Ansätze wie Family Minds (Bammens,
Adkins, Badger, 2015). Beide Programme wurden in kontrollierten Studien bereits als
wirksam eingestuft.
Zusammenfassend zeigt sich, dass sowohl Pflegeverhältnisse als auch Adoptionen
eindeutige Entwicklungschancen für Kinder bieten und daher enttabuisiert und entstigmatisiert werden sollten. Gleichzeitig sollten (zukünftige) Adoptiv- und Pflegeeltern für Bindungsstörungen und Bindungstraumatisierungen sensibilisiert werden,
damit sie frühzeitig Symptome erkennen und professionelle Unterstützung suchen.
Trotz der sehr positiven allgemeinen Befundlage zu Pflege und Adoption ist es daher
sinnvoll, auch im deutschsprachigen Raum empirisch gestützte Präventions- und Interventionsprogramme zu implementieren oder auszubauen, die die positiven Effekte
von Pflege und Adoption besonders im Bereich der Unterstützung sicherer Bindung
unterstützen.
Svenja Taubner
Bammens, A. S., Adkins, T., Badger, J. (2015). Psycho-educational intervention increase Reflective Functioning in foster and adoptive parents. Adoption & Fostering, 39, 38-50.
Brisch, K. H. (2015). Bindung und Adoption: Diagnostik, Psychopathologie und Therapie. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 64, 793-815.
Brisch, K. H., Erhardt, I., Kern, C., Formichella, A., Paesler, U., Ebeling, L., Quehenberger, J.
(2013). How to treat children with severe attachment disorders after multiple early experiences of trauma? A model of treatment in an intensive care unit of psychotherapy. In L.
Barone (Hrsg.), 6th International Attachment Conference. Proceedings (S. 139-144). Bologna:
Medimond.
DJI (2009). DJI Online Mai 2009. Pflegekinder und ihre Familien: Chancen, Risiken, Nebenwirkungen. http://www.dji.de/index.php?id=41945 (Zugriff am 28.10.2015).
720 Editorial
Jacobsen, H. (1015). Bindung und sozio-emotionale Fähigkeiten von jungen Pflegekindern –
eine norwegische prospektive Längsschnittstudie. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 64, 752-758.
Juffer, F., Bakermans-Kranenburg, M. J., Van IJzendoorn, M. H. (im Druck). Video-feedback Intervention to promote Positive Parenting and Sensitive Discipline (VIPP-SD): Development
and meta-analytical evidence of its effectiveness. In H. Steele, M. Steele (Hrsg.), Handbook of
attachment-based interventions. New York: Guilford.
Juffer, F., van den Dries, L., Finet, C., Vermeer, H. (2015). Bindung und kognitive sowie motorische Entwicklung in den ersten fünf Jahren nach der Adoption: Ein Review über international adoptierte Kinder aus China. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 64,
774-792.
Kliewer-Neumann, J. D., Bovenschen, I., Roland, I. C., Lang, K., Spangler, G., Nowacki, K.
(2015). Interviewtechnik zur Erfassung von Bindungsstörungssymptomen. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 64, 759-773.
Nowacki, K., Kliewer-Neumann, J., Bovenschen, I., Lang, K., Zimmermann, J., Spangler, G.
(2015). Der Zusammenhang von Bindungsrepräsentationen zwischen Pflegeeltern und Pflegekindern unter Berücksichtigung von Geschlechterunterschieden. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 64, 733-751.
Rushton, A. (2015). Die Auswirkungen von Adoption am Beispiel der „British Chinese Adoption Study“. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 64, 721-732.
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ORIGINALARBEITEN
Die Auswirkungen von Adoption am Beispiel der „British
Chinese Adoption Study“*
Alan Rushton1
Summary
The Outcomes of Adoption in the Case of the “British Chinese Adoption Study”
Practitioners can over-estimate the incidence of problems in adopted children and adults
because they do not see those who make good psychological and social adjustments. Research
into adoption outcomes can be hard to interpret without information about differing preadoption histories. Examples are given of research into three types of adoption: domestic infant adoption, adoptions from public care of maltreated children and international adoption
of ex-orphanage children. Although negative outcomes are indisputably evident for some,
recovery from adversity is more common than many would predict. It is important to recognize that subsequent nurturing in consistent and stimulating environments can build a platform for effective adaptations to challenges in the future. However, a proper understanding of
the consequences of adoption has been limited by the fact that follow-up studies have rarely
extended beyond adolescence and early adulthood. The British Chinese Adoption Study is a
50 year follow-up of orphanage girls internationally adopted into the United Kingdom, and
is given as an example of good outcomes despite early years of adversity. Scores on mental
health assessments were equivalent to the non-adopted, age-matched comparison group of
UK women. Most of the women were rated as “good functioning” and educational achievements were many times higher than the comparison women. Life-long adverse effects are not
inevitable following early adversity. Improved circumstances can promote recovery and good
adult adjustment. Practice and research implications are discussed.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 721-732
Keywords
childhood adversity – adoption – outcome studies – lifespan development – developmental
recovery
* Übersetzung: Stephanie Müller und Svenja Taubner
1 Ich möchte meinen Kollegen Julia Feast, OBE, Dr. John Simmonds, OBE und Margaret Grant
danken, die zum Design, der Analyse und Publikation der Britisch-Chinesischen Adoptionsstudie,
die im vorliegenden Artikel beschrieben wurde, beteiligt waren.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 721 – 732 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
722 A. Rushton
Zusammenfassung
Kliniker überschätzen häufig die auftretenden Probleme adoptierter Kinder und Erwachsener,
da diejenigen mit einer guten psychologischen und sozialen Anpassung nicht in der Praxis vorstellig werden. Forschung im Bereich von Adoption und ihren Folgen kann ohne differenzierte
Informationen über die Hintergründe der Adoption schwierig sein. Forschungsbeispiele liegen
aus den folgenden drei Bereichen vor: Säuglingsadoptionen, Adoptionen von misshandelten
Kindern aus öffentlichen Einrichtungen und Auslandsadoptionen ehemaliger Waisenkinder.
Obwohl negative Folgen für einige Betroffene unbestritten sind, ist die Wiedergesundung von
widrigen Umständen einer Adoption üblicher als viele annehmen würden. Es ist wichtig festzuhalten, dass die anschließende Aufnahme in einem stabilen und anregenden Umfeld die Basis
für einen erfolgreichen Umgang mit zukünftigen Herausforderungen bilden kann. Da die meisten Follow-Up-Studien nicht über die Adoleszenz oder das frühe Erwachsenenalter hinausgehen, gibt es kaum Wissen über die Langzeitfolgen von Adoption. Die „British Chinese Adoption Study“ (Britisch-Chinesische Adoptionsstudie) begleitete über einen Zeitraum von 50
Jahren chinesische Mädchen aus Waisenhäusern, die in Großbritannien adoptiert wurden. Die
Studie wird als Beispiel dafür herangezogen, dass sich trotz früher aversiver Erfahrungen langfristig positive Entwicklungen zeigen können. Die Ergebnisse der Einschätzung der mentalen
Gesundheit waren äquivalent zu einer Alters-gematchten Vergleichsgruppe nicht-adoptierter
britischer Frauen. Die meisten der adoptierten Frauen wurden als „gut angepasst“ eingestuft
und hatten im Vergleich mit der Kontrollgruppe häufiger höhere Bildungsabschlüsse erreicht.
Es entstehen also nicht zwangsläufig lebenslange negative Auswirkungen aufgrund früher aversiver Erfahrungen. Eine Verbesserung der Lebensumstände kann zu einer Wiedergesundung
und zu guten Anpassungsleistungen im Erwachsenenalter führen. Implikationen der Studie für
die Praxis als auch die Forschung werden diskutiert.
Schlagwörter
belastete Kindheit – Adoption – Wirksamkeitsstudien – lebenslange Entwicklung – Entwicklungsverbesserung
Es existiert teilweise weiterhin eine Kluft zwischen der Entwicklung von forschungsbasiertem Wissen im Bereich der Adoption und der Überzeugungen hinsichtlich der
Folgen von Adoption in der Welt der Praxis. Es wurde mehrfach darauf hingewiesen,
dass in Adoptionsstudien, die auf Einzelfällen aus dem klinischen Setting beruhen, die
Inzidenz von Problemen im Vergleich zu nicht klinischen Stichproben überschätzt
werden (Haugaard, 1998). Mögliche Gründe hierfür könnten sein, dass Adoptiveltern
stärker an den Kontakt mit therapeutischen Angeboten gewöhnt sind oder sie verunsicherter bezüglich des Wohlergehens ihres biologisch nicht verwandten Kindes sind.
Kinder mit ungünstigen Adoptionserfahrungen manifestieren psychologische Probleme möglicherweise nicht direkt, reagieren aber vielleicht auf die negativen Signale,
die ihnen andere übermitteln, und können so Opfer von Mobbing werden. Sie erleben
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Ergebnisse der
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„British Chinese Adoption Study“������
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vielleicht auch ein Unwohlsein in Verbindung mit einem Gefühl des „Anders-Seins“
aufgrund ihres Adoptionsstatus und ihrer Geschichte. Dies könnte vor allem dann der
Fall sein, wenn das Kind eine andere ethnische Herkunft als seine Adoptiveltern und
ihre lokale Gemeinde aufweist. Natürlich können einige Kinder, die vor ihrer Adoption schwer misshandelt wurden, weiterhin emotionale Probleme sowie Verhaltensund Bindungsstörungen aufweisen, die jedoch auf die Zeit vor ihrer Adoption und
nicht auf die Adoption selbst zurückführbar sind.
In Bezug auf adoptierte Erwachsene zeigt sich, dass diejenigen, denen es gut geht,
nicht im klinischen Setting präsent werden. Damit haben Kliniker weniger Kontakt zu
adoptierten Personen mit nur wenigen Problemen oder solchen, die sich von früheren
widrigen Umständen erholt haben. Adoptierte Erwachsene, die Hilfe suchen und
psychologische Leistungen in Anspruch nehmen, tun dies vermutlich aufgrund einer
Vielzahl von Gründen. Sie führen vielleicht ein atypisches Leben und müssen sich
daher besonderen Herausforderungen stellen. So müssen sie sich beispielsweise mit
Aspekten ihrer Adoption aussöhnen: Sie müssen einen Umgang mit ihrer bekannten
oder unbekannten Herkunft finden oder sich mit Verlustängsten, Trennungsängsten
und der Ablehnung ihrer leiblichen Eltern auseinandersetzen. Möglicherweise empfinden sie auch Konflikte zwischen ihrer persönlichen und kulturellen Identität. Jedoch
betreffen diese Faktoren nicht alle adoptierten Personen auf die gleiche Art und Weise.
Jeder gibt den eigenen frühen Erfahrungen unterschiedliche Bedeutungen, basierend
auf dem, was sie von früher wissen oder eben auch nicht wissen. Eine belastende Erfahrung bei der „Suche und Wiedervereinigung“ mit der Herkunftsfamilie kann zu
Komplikationen führen. Allerdings ist es wichtig, dass sich die damit befassten Stellen
bewusst machen, dass Probleme mit Gefühlen von Trennung, einem fehlenden Gefühl von Zugehörigkeit, die Erfahrung von Diskriminierung und Identitätskonflikte
nicht typisch für adoptierte Personen sind.
1
Vergleichsstudien von Adoptionsfolgen
Dieser Artikel folgt den Erkenntnissen einiger bedeutsamer Längsschnittstudien, die
anhand repräsentativer Stichproben die Wirkung von Adoption mit der Entwicklung
von Personen verglichen haben, die in ihren Herkunftsfamilien aufgewachsen sind.
Zuverlässige Informationen über Adoptionsfolgen müssen zum einen strenge methodische Standards erfüllen und zum anderen ist es wichtig, mit neu auftretenden Informationen über Langzeitfolgen Schritt halten zu können. Allerdings war das Wissen
über die Langzeitkonsequenzen von Adoption bislang dadurch stark eingeschränkt,
dass Studien kaum Ergebnisse über die Adoleszenz oder das frühe Erwachsenenalter
hinaus erfasst haben. Negative Folgen für adoptierte junge Erwachsene können in der
Zukunft liegende Anpassungsschwierigkeiten möglicherweise nicht vorhersagen, da
komplexe Muster mit intermittierenden Phasen von Stress und Erholung involviert
sein können. Die Adoptions-Forschung entwickelt sich daher stetig durch die Veröf-
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fentlichungen immer späterer Follow-Up-Studien weiter, die ihre Kohorten über viele
Jahre hinweg untersucht haben (Rutter, 2005).
Während des Lesens von Untersuchungen zu Adoptionsfolgen ist es bedeutsam,
den Fokus auf die Unterschiede der Stichproben bezüglich Art der Erfahrungen vor
der Adoption, den Grad der Deprivation und die Hintergründe der Adoptionen zu
lenken. Wenn diese nur oberflächlich berichtet werden oder wenn unterschiedliche
Stichproben vermischt werden, sind die darin berichteten Adoptionsfolgen nur schwer
zu interpretieren.
2
Säuglingsadoptionen
Follow-up-Studien dieser Untersuchungsgruppe, also der Vermittlung von Säuglingen
von einer Familie in eine andere Familie, an großen repräsentativen Stichproben zeigen, dass die Adoptierten ähnliche oder bessere Ergebnisse als die Vergleichsgruppe
der Allgemeinbevölkerung erreichen (Bohman u. Sigvardsson, 1990; Fergusson, Lynskey, Horwood, 1995). Die aktuellste Stichprobe von Säuglingsadoptionen in Großbritannien zeigte im Rahmen einer Follow-Up-Studie, dass es den Adoleszenten und
jungen Erwachsenen gut ergangen ist im Vergleich zu ihren nicht adoptierten Gleichaltrigen. Für das Alter von 33 Jahren konnte anschließend gezeigt werden, dass adoptierte Frauen sowohl sozial als auch emotional gut angepasst waren, während aber
die adoptierten Männer häufiger berufliche Schwierigkeiten (Arbeitslosigkeit) und
weniger soziale Unterstützung aufwiesen (Collishaw, Maughan, Pickles, 1998). Weitere Entwicklungen in der Lebensmitte oder darüber hinausgehend sind aktuell noch
weitestgehend unbekannt, werden aber aktuell im Rahmen einer laufenden FollowUp-Studie mit den jetzt 48-jährigen Adoptierten und ihren Gleichaltrigen erhoben.
3
Adoptionen in der Folge von Kindesmisshandlung
Im Vergleich zu Säuglingsadoptionen haben Kinder, die von ihren eigenen Familien
missbraucht und vernachlässigt und zu ihrem eigenen Schutz aus diesen herausgenommen wurden, unter verschiedenen Formen von emotionaler, physischer und sexueller
Gewalt sowie familiärer Instabilität und Unruhe gelitten. Nicht überraschend ist dann
das Auftreten von massiven und komplexen Problemen, wenn diese Kinder im mittleren Kindesalter von den Pflegeeinrichtungen in Adoptivfamilien platziert werden. Bleiben diese Probleme weiterhin bestehen, müssen nur bei einer geringen Zahl neue Unterbringungen erfolgen. Dies geschieht zumeist dann, wenn aufgrund schwerwiegender
Probleme des Kindes die elterliche Fürsorge vor starke Herausforderungen gestellt wird.
Die Ergebnisse britischer Follow-Up-Studien schwer misshandelter und erst spät adoptierter Kinder (die häufig mehrfache Wechsel von Betreuern vor der Adoption erlebt
hatten) zeigen jedoch im Verlauf bis zur Adoleszenz, dass selbst Kinder mit multiplen
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Ergebnisse der
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Problemen über die Zeit hinweg einen entwicklungsgemäßen Fortschritt erreichen können, wenn sie in einer guten Adoptionsfamilie aufgenommen werden. Dies zeigt, dass
auch eine spätere Aufnahme in eine fürsorgliche Familie eine Verringerung der Verhaltensauffälligkeiten leisten kann und gleichzeitig eine Chance auf die Entwicklung neuer
Bindungsmuster bietet. Gleichzeitig zeigt sich, wenn auch nur bei einer Minderheit der
Kinder, dass multiple und persistierende Probleme weiterbestehen können. Diese treten meist im sozialen und emotionalen Kontext auf und beinhalten Aggression, Unaufmerksamkeit sowie Hyperaktivität (Quinton, Rushton, Dance, Mayes, 1998; Rushton u.
Dance, 2006; Selwyn, Sturgess, Quinton, Baxter, 2006). Es ist aktuell nicht bekannt, ob
und in welchem Ausmaß sich diese Probleme im späteren Leben weiter manifestieren.
Aktuelle Studien aus den Bereichen der Neurowissenschaft und Epigenetik beginnen
zu entschlüsseln, wie frühe Erfahrungen mit extremen Stresssituationen sowohl Gene
als auch das biologische System verändern und somit den Umgang mit späteren stressreichen Situationen beeinflussen können (National Scientific Council on the Developing Child, 2010). Für viele implizieren diese Ergebnisse fixierte und anhaltende Konsequenzen früher Stresserfahrungen. Jedoch muss ebenfalls berücksichtigt werden, dass
ein stabiles und anregendes Folgeumfeld (besonders wenn positive Interaktionen mit
Erwachsenen bestehen) eine solide Basis für den erfolgreichen Umgang mit zukünftigen
Herausforderungen bieten kann, die frühere Erfahrungen reversibel machen kann.
4
Auslandsadoptionen ehemaliger Waisenkinder
Viele Studien berichten, dass aufgrund früher Erfahrungen mit schweren und lang
anhaltenden Belastungen negative Folgen während der Kindheit ausgelöst werden
(Gunnar u. van Dulmen, 2007). Die Auswertung internationaler Studien zu Auslandsadoptionen zeigt hierbei jedoch kein konsistentes Bild. Einige Studien proklamieren ein erhöhtes Risiko von Suizid, Angststörungen und affektiven Störungen in
der Gruppe der adoptierten Waisen (Lindblad, Hjern, Vinnerljung, 2003; Tieman,
Van der Ende, Verhulst, 2005), während andere keinen Unterschied im Vergleich
mit der Kontrollgruppe feststellen können (Cederblad, 1999).
Ein beeindruckendes Ergebnis stellt die hohe Resilienz von Kindern dar, selbst
wenn diese unter sehr benachteiligenden Verhältnissen aufgewachsen sind (Masten,
2001). So zeigt beispielsweise die gut untersuchte, von Rutter und Kollegen (2007)
durchgeführte „English Romanian Adoption Study“ (ERA; Englisch-Rumänische Adoptionsstudie), dass die sehr stark unter Deprivation leidenden rumänischen Kinder
sich sehr schnell und zudem stetig über mehrere Jahre hinweg in ihrer Entwicklung
verbesserten. Jedoch konnte auch gezeigt werden, dass ein Teil der Kinder, die nach
dem sechsten Lebensmonat aus Rumänien adoptierten wurden, Schwierigkeiten aufwiesen, die im Vergleich zu den britischen Adoptivkindern untypisch waren. Diese
Schwierigkeiten zeigten sich einerseits bei der Entwicklung angemessener Bindungsbeziehungen und andererseits im Bereich sozialer Funktionen.
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Viele methodische Mängel erschweren die Interpretation der zur Verfügung stehenden Studienergebnisse. Die Stichproben der ehemaligen Waisenkinder stammen häufig aus verschiedenen Ländern und werden dann in einem spezifischen Aufnahmeland beheimatet. Diese Kinder haben aber möglicherweise ein anderes Ausmaß, einen
anderen Charakter oder Dauer schlechter Bedingungen erfahren – und selbst das ist
häufig nicht klar. Institutionalisierte Fürsorge variiert ebenfalls erheblich. Ein Großteil
der frühen Forschung ist daher in ihrem, für den Adoptionskontext entscheidenden
Informationsgehalt beschränkt. Darüber hinaus könnte ein doppelter Selektionsbias
vorliegen, der durch die Auswahl der Kinder zustande kommt, die aus den Waisenhäusern adoptiert werden und tatsächlich in die Studien aufgenommen werden. Die
angewandten Auswertungsmethoden unterscheiden sich von Studie zu Studie und fußen nur selten auf einem theoretischen Model. Zudem werden häufig Instrumente gewählt, die die allgemeine mentale Gesundheit erheben, aber nicht zwangsläufig auf die
Besonderheiten adoptionsbezogener Themen abgestimmt sind. Einige Informationen
können nur schwer bis kaum erfasst werden, wie z. B. vererbte genetische Risiken,
Unterversorgung während der Schwangerschaft, pränatale Drogen- und Alkoholexposition und die Art der Erfahrungen vor der Adoption.
Damit ist die Frage nach den Auswirkungen einer Adoption per se schwer zu beantworten. Könnten andere Einflüsse für die unterschiedlichen Ergebnisse verantwortlich sein? Möglicherweise der Vorteil einer generell höheren sozialen Schicht der
Adoptivfamilien und dem damit einhergehenden Streben nach höherer Bildung? Es
ist wichtig, auf geeignete Vergleichsgruppen zu achten und potenzielle Störvariablen
zu kontrollieren.
5
Die Britisch-Chinesische Adoptionsstudie: Ein Beispiel für eine
geringere Deprivation in der institutionellen Pflege gefolgt von einer
Auslandsadoption
Im Folgenden soll näher auf eine kürzlich abgeschlossenen Studie eingegangen werden, an der ich mitgewirkt habe (Feast, Grant, Rushton, Simmonds, 2013; Rushton,
Grant, Feast, Simmonds, 2013). Die Britisch-Chinesische Adoptionsstudie bot die
seltene Möglichkeit, die Folgen einer frühen Unterbringung in einem Waisenhaus
bis ins mittlere Alter der Betroffenen zu untersuchen. Diese Follow-Up-Studie bezieht sich auf chinesische Mädchen aus Waisenhäusern in Hong Kong. In den frühen
1960er Jahren kamen viele chinesische Flüchtlinge in die ehemals britische Kolonie
Hong Kong. Durch die hohe Anzahl der Flüchtlinge lebten viele Familien in Armut
und auf engstem Raum. Eine Vielzahl sehr junger Kinder, mehrheitlich Mädchen,
wurde von ihren Familien verlassen oder aufgegeben. Sie fanden Schutz und Pflege
in Waisenhäusern. In der Folge wurden einhundert Mädchen durch den International Social Services (ISS) UK von britischen Familien adoptiert. Die Verfügbarkeit
der Aufzeichnungen bezüglich dieser Adoptionen eröffnete die einmalige Gelegen-
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Ergebnisse der
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727
heit, das Leben der gesamten Kohorte bis zu ihrem mittleren Lebensalter nachzuverfolgen. Sie alle wurden in den 1960er Jahren, im Durchschnittsalter von zwei
Jahren in Großbritannien adoptiert. Von den ursprünglich 100 ehemaligen Waisen
beteiligten sich 72 Frauen, im Alter von durchschnittlich 48 Jahren (Range: 42-53
Jahre), an der Follow-Up-Studie.
Alle Mädchen wurden nach dem 6. Lebensmonat und im Schnitt in ihrem 23. Lebensmonat (SD = 14) adoptiert. Die Dauer der Unterbringung im Waisenhaus lag
zwischen 5 und 82 Monaten (M = 20 Monate, SD = 13,5 Monate). Der größte Anteil
(49 %) verbrachte ein bis zwei Jahre im Waisenhaus. Das Betreuungs-Verhältnis von
Mitarbeitern und Waisen variierte zwischen 1 : 8 und 1 : 20. Häufige Mitarbeiterrotationen führten zu immer wechselnden Betreuern der Kinder. Dies macht es extrem
schwer, eine tragfähige Beziehung zu einem einzelnen Pfleger aufzubauen. Obwohl es
auch Konstanten im Umfeld der Kinder gab, erhielten sie keine auf sie abgestimmte
und individuelle Betreuung durch Erwachsene. Auch die einzelne Förderung und
kindzentrierte Aufmerksamkeit wird limitiert gewesen sein. Jedoch waren die Versorgung mit Nahrungsmitteln, materiellen Gütern sowie die hygienische und medizinische Versorgung der Waisenkinder relativ gut.
Die Adoptionsfamilien bestanden alle aus verheirateten Paaren, die meist bereits elterliche Erfahrungen hatten. Die Mehrheit von ihnen waren weiße Briten, wobei neun
Mädchen mit einem Adoptivelternteil chinesischer Herkunft die Ausnahme bilden. Das
Durchschnittsalter der Mütter bei der Adoption lag bei 33 Jahren (SD = 5,3, Range: 2546 Jahre) und bei den Vätern bei 35 Jahren (SD = 5,0, Range: 25-49 Jahre).
Im Durchführungszeitraum der Follow-Up-Studie betrug das Alter der Teilnehmer im Schnitt 48 Jahre (SD = 2,4, Range: 42-53 Jahre). Die Daten wurden durch
qualifizierte und ausgebildete Interviewer mittels Fragebögen und ausführlichen faceto-face Interviews erhoben. Die Stichprobe der Frauen wurde anhand unterschiedlicher Indikatoren mit einer Stichprobe aus der Allgemeinbevölkerung verglichen.
Die Vergleichsgruppe stammte aus der National Development Study 1958 (Nationale
Entwicklungsstudie) und bestand aus nicht adoptierten Frauen, die anhand des Alters
gematcht wurden.
Die zentralen Ergebnisse der Studie belegen, dass sich die adoptierten Frauen, sowohl
physisch als auch psychisch, kaum von den gleichaltrigen Frauen aus der Stichprobe der
Allgemeinbevölkerung unterscheiden. Die durch den General Health Questionnaire
(Goldberg, McDowell, Newell, 1967) und Malaise Inventory (Rutter et al., 1970) erhobenen Schlüsselindikatoren für psychische Gesundheit unterschieden sich nicht signifikant von den Werten der Frauen aus der Vergleichsgruppe. Die meisten der Frauen
wurden als „gut funktionierend“ und nur wenige mit geringerem Funktionsniveau
bewertet. Im Vergleich zur Kontrollgruppe erreichten die adoptierten Frauen wesentlich höhere Bildungsabschlüsse und waren zudem häufig beruflich höchst erfolgreich.
Auch die Untersuchung des Beziehungsstatus (verheiratet, zusammenlebende Paare,
getrennt, geschieden, niemals verheiratet) erbrachte keine Unterschiede zwischen den
Stichproben. Fast gänzlich fehlten Konflikte mit dem Gesetz, stationäre psychiatrische
728 A. Rushton
Aufenthalte, Herausnahme eines Kindes aufgrund von Kindeswohlgefährdung sowie
schwere Drogen- oder Alkoholprobleme. Tatsächlich tendierte die Gruppe der Adoptierten sogar eher dazu, sowohl weniger zu rauchen als auch zu trinken und mehr
Sport zu treiben. Die am Ende des Interviews gegebenen Einschätzungen des aktuell
globalen Funktionsniveaus präsentierten sich bemerkenswert positiv: 87 % der Frauen
wurden als überdurchschnittlich/gut angepasst eingestuft. Nur bei den übrigen 13 %
wurden Probleme im Funktionsniveau festgestellt.
Wir kamen daher zu dem Schluss, dass frühe institutionelle Pflege, wenn diese nicht
stark deprivierend ist und die Kinder anschließend in grundlegend bessere Familienverhältnisse gelangen, nicht zwingend mit dauerhaften psychosozialen und physischen Problemen im mittleren Alter verbunden ist. In den Interviews wurden zwar
unzählige Beispiele für widrige Ereignisse und unglückliche Lebensumstände im Erwachsenenleben gegeben. Diese unterschieden sich jedoch nicht von der Vergleichsgruppe, und der allgemeine Eindruck war der eines Lebens geprägt von liebevollen
und stabilen Beziehungen.
Eine der Teilnehmerinnen sagte: „Ich denke der Start ins Leben war in jeder Hinsicht
sehr schwer und es gab natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass jemand aufgrund dieser
Situation später einmal große Probleme haben würde Beziehungen aufzubauen … Ich
bin sehr bodenständig und ausgeglichen und habe eine positive Einstellung zum Leben.“
6
Das Umfeld einer Adoption
Es ist inzwischen gut belegt, dass stark vernachlässigte und misshandelte Kinder
sich erholen können, wenn sie den aversiven Kontexten entzogen und fürsorglichen
familiären Kontexten zugeführt werden. Die Kombination aus Stabilität, Kontinuität
und einer warmen und positiven Kommunikationsstruktur trägt zur Erholung der
Kinder bei. Kenntnisse über Strategien, die die Regeneration beeinflussen, Bindung
fördern und zu einem erfolgreichen Umgang mit ernsthaften Verhaltensauffälligkeiten führen, werden derzeit erweitert (Rushton, Monck, Leese, McCrone, Sharac,
2010). Gleichzeitig existieren bereits Studien (z. B. Simmel, 2007), die sich im Detail mit den Bedingungen einer Adoptivfamilie, der Sensibilität der Eltern und dem
Wachsen enger Beziehungen beschäftigen.
Mit Hilfe des Parental Bonding Instrument (PBI) wurden elterliche Wärme, Verständnis und Akzeptanz erhoben. Die meisten unserer Studienteilnehmer berichteten
von sehr zufriedenstellenden Adoptionen. Jedoch gaben 20 % der Befragten an, nur
eine schwache Ausprägung der genannten positiven elterlichen Eigenschaften bei ihren Adoptiveltern vorgefunden zu haben. Dies hatte einen signifikanten Zusammenhang zu schlechteren Ergebnissen der Auswirkungen von Adoption. Im Interview genannte Negativbeispiele im Umgang der Adoptiveltern beinhalteten im Extrem eine
Reihe von feindseligem, herabsetzendem und ablehnendem Verhalten den Kindern
gegenüber. Wir kamen zu dem Schluss, dass eine beide Adoptiveltern betreffende ne-
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Ergebnisse der
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729
gative Bewertung der Fürsorge die Folgen der Adoption beeinflussen kann und möglicherweise zu einer Ausweitung von Problemen führt.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass unserer Hypothese, die Gruppe der
ehemaligen Waisenkinder würden schlechtere Ergebnisse als ihre Vergleichsgruppe
erzielen, nicht bestätigt werden konnte. Hingegen bestätigt werden konnte unsere Hypothese, dass Unterschiede in der Adoptionserfahrung mit den Ergebnissen korrelieren. Da diese Ergebnisse zu viel Irritation geführt haben, haben wir folgende mögliche
Gründe für die mehrheitlich positiven Resultate in Betracht gezogen. Im Vergleich mit
anderen internationalen Adoptionsgruppen waren die Umstände in den Waisenhäusern Hong Kongs nicht schwerwiegend schädlich. Die Erfahrungen der chinesischen
Mädchen wurden nicht als „komplexes frühes Trauma und belastend“ eingestuft. Das
Klima im Waisenhaus war konsistent, gut organisiert, nicht bedrohlich und die leitenden Angestellten waren ausgebildete Pflegekräfte. Mögliche Einflüsse negativer frühkindlicher Erfahrungen könnten über die Zeit verblasst sein nach dem Prinzip des
Längsschnitts: je größer der Abstand zur negativen Erfahrung desto schwächer wird
der Effekt. Konsistentes und positives Verhalten der Adoptiveltern scheint vermutlich
neue Bindungsmuster zu fördern und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines positiven
Lebensverlaufs. Günstige Faktoren im Erwachsenenleben, wie zuverlässige emotionale Unterstützung, stabile intime Beziehungen im Erwachsenenalter, Zufriedenheit
mit der Elternschaft, Erfolge in Bildung und Karriere sowie der Zugang zu medizinischer Versorgung könnten zu Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit im mittleren Alter beigetragen haben. Es bleibt abzuwarten, ob die im Waisenhaus gemachten
deprivierenden Erfahrungen einen Einfluss auf die erwachsenen Frauen im Umgang
mit Herausforderungen haben, auch wenn sie zum Zeitpunkt der Studie keine auffallenden gesundheitlichen Probleme aufwiesen.
Wir räumen gewisse Limitationen unserer Studie ein. Es stand uns nur eine relativ
kleine Stichprobe für das Follow-up zur Verfügung, was unweigerlich zu einer Einschränkung der Power führte. Die mögliche Untersuchung genetischer Einflüsse musste aufgrund fehlender Geburtsdaten verworfen werden. Eine nur aus weiblichen Probanden bestehende Stichprobe macht eine Übertragung auf männliche Adoptivkinder
schwierig: möglicherweise unterscheidet sich die Reaktion männlicher Kleinkinder
sowohl auf den Verlust als auch auf die verbesserten Umstände. Zusätzlich könnten
die sozialen Lebensumstände männlicher chinesischer Erwachsener zu völlig anderen
Ergebnissen führen. Wir sind auch nicht in der Lage einzuschätzen, ob diese Ergebnisse besser oder schlechter wären.
7
Resümee und Empfehlungen für zukünftige Forschung und Praxis
Die Konzentration auf schädliche Effekte ungünstiger Erfahrungen anstelle von
günstigen Auswirkungen positiver Erfahrungen kann in die falsche Richtung führen. Anhand dieser Stichprobe konnte gezeigt werden, dass die Regeneration von
730 A. Rushton
früheren Verlusterfahrungen durch ein stabiles Leben in einer fürsorglichen Adoptivfamilie möglich ist. Eine gute Adoption kann das Ausmaß emotionaler und
sozialer Probleme sowie Verhaltensauffälligkeiten mindern. Der Teil der Stichprobe,
dem es nicht so gut erging, war möglicherweise wiederholten aversiven Erlebnissen
ausgesetzt oder weist eine höhere prädisponierte Vulnerabiliät auf. Diese Gruppe
wird sich möglicherweise nie ganz von den extremen und langanhaltenden kritischen Umständen erholen.
Es besteht weiterhin Bedarf, nicht nur an Informationen, wie negative Folgen aus
früheren belastenden Umständen resultieren, sondern auch, wie der Entwicklungsprozess der Erholung abläuft. Beide Fragen müssen sowohl auf der psychologischen
als auch neurologischen Ebene beantwortet werden. Dies kann durch nachfolgende
Follow-up-Studien mit bereits bestehenden Adoptionskohorten und durch neu konstituierte Längsschnittstudien erreicht werden. Am aufschlussreichsten sind dabei
Forschungsansätze, die eine Erhebung in narrativer Form mit der Exploration von
Beziehungen und den quantifizierbaren Variablen kombinieren.
Was sind die Implikationen dieser Forschung für die psychologische Beratung für
Erwachsene, die adoptiert wurden und oft einen schweren Start ins Leben hatten?
Eine Vielzahl unterschiedlicher Herangehensweisen von Einzelsettings scheint womöglich zielführend über familienorientierte Sitzungen bis hin zu Gruppensettings.
Jedoch gibt es nur wenige Untersuchungen dazu, welches die geeignetste und theoretisch am besten begründete Herangehensweise im Bereich der Adoption ist und
welche therapeutische Intervention hier das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist
(Rushton et al., 2010).
Therapeutenvariablen wie die Kommunikationsfähigkeiten des Therapeuten bilden,
wie immer, die wichtigsten Säulen im Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen
Beziehung. Diese muss von der Bereitschaft und dem Engagement der adoptierten
Person im therapeutischen Prozess begleitet werden. Für den Kliniker ist es unerlässlich, den Erfahrungen der Person Gehör zu schenken. Hierdurch kann vermieden
werden, dass alle aktuellen Schwierigkeiten auf die Adoption zurückgeführt werden.
Gleichzeitig sollte dieser Faktor, der eine mögliche Rolle im Leben des Adoptierten
gespielt hat oder noch spielt, nicht ignoriert werden. Eheprobleme, Probleme in der
Kindererziehung, Identitätsstörungen, Depression und so weiter können, müssen aber
nicht mit der Adoption zusammenhängen. Dies zuordnen zu können verlangt gutes
fachliches Verstehen und Beurteilen, um das Dargebotene nicht falsch aufzufassen
und das Vertrauen des Gegenübers nicht zu verlieren.
Auf frühe aversive Erfahrungen folgen nicht unvermeidlich lebenslange negative
Effekte. Eine Verbesserung der Umstände kann zur Erholung führen. Schlimme Erfahrungen können Narben hinterlassen, jedoch können Wunden auch heilen.
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Ergebnisse der
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Korrespondenzanschrift: Dr. Alan Rushton, Health Services Research Department,
P032, Institute of Psychiatry, King’s College London, De Crespigny Park, London SE5
8AF, UK. E-Mail: [email protected]
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Der Zusammenhang von Bindungsrepräsentationen
zwischen Pflegeeltern und Pflegekindern unter
Berücksichtigung von Geschlechterunterschieden1
Katja Nowacki, Josephine Kliewer-Neumann, Ina Bovenschen, Katrin Lang,
Janine Zimmermann und Gottfried Spangler
Summary
The Relationship Between Attachment Representations of Foster Parents and Foster Children and
the Role of the Child’s Sex
Children who have been placed in foster care after having experienced difficult family situations need to experience secure relationships. The development of a secure attachment model
is regarded as a key protective factor for a healthy development. The present study examines
predictors of attachment representations in a sample of 37 foster children aged three to eight
years. Children’s attachment representations were assessed using the Attachment Story Completion Task, and foster parents’ attachment representations with the Adult Attachment Interview.
Female foster children scored higher in secure attachment representations than males. Attachment representations of male foster children were positively influenced by a secure attachment
representation of their primary foster parent and slightly by the duration of placement in the
foster family as well as their age of placement but differently than expected. These results suggest
that male foster children may be more vulnerable in their development of attachment representations and that foster parents’ state of mind regarding attachment as well as the duration of the
placement seem to have an impact on the development of attachment patterns in their foster
children. This should be considered in the choice and counseling of foster parents.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 733-751
Keywords
foster children – foster parents – attachment representations – sex differences
Zusammenfassung
Kinder, die in Pflegefamilien untergebracht werden, haben häufig schwierige Familiensituationen erlebt. Alternative Beziehungserfahrungen und die Entwicklung eines sicheren inneren
Arbeitsmodells von Bindungen (Bindungsrepräsentationen) sind ein zentraler Faktor für eine
1 Dieses Projekt wurde am Standort Dortmund durch spezielle Forschungsmittel der Fachhochschule Dortmund ermöglicht.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 733 – 751 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
734 K. Nowacki et al.
gesunde Entwicklung. Diese Studie untersucht Prädiktoren für eine sichere Bindungsrepräsentation in einer Gruppe von 37 Pflegekindern im Alter von drei bis acht Jahren. Pflegekinder werden mit dem Geschichtenergänzungsverfahren und ihre aktuelle Hauptbezugsperson, überwiegend die Pflegemutter, mit dem Erwachsenenbindungsinterview hinsichtlich ihres jeweiligen
Arbeitsmodells von Bindung untersucht. Die weiblichen Pflegekinder zeigen insgesamt höhere
Werte bezogen auf die Bindungssicherheit im Vergleich zu den männlichen Pflegekindern. Positive Einflussfaktoren auf die Bindungsrepräsentation der männlichen Pflegekinder waren die
sichere Bindungsrepräsentation ihrer neuen Bindungsperson und tendenziell die Dauer des
Aufenthaltes in der Pflegefamilie. Männliche Pflegekinder, die bei der Vermittlung älter waren,
zeigen entgegen der ursprünglichen Annahme ebenfalls tendenziell höhere Werte in der Bindungssicherheit. Die Ergebnisse weisen primär darauf hin, dass männliche Pflegekinder eine
höhere Vulnerabilität bezogen auf ihr Arbeitsmodell von Bindung aufweisen und damit stärker
auf Umwelteinflüsse reagieren. Bei der Auswahl und Vorbereitung von Pflegeeltern sollte ihr eigenes Arbeitsmodell von Bindung berücksichtigt werden, aber auch Geschlechterunterschiede
bei den Pflegekindern sowie die Zeitspanne von Veränderungen bedacht werden.
Schlagwörter
Pflegekinder – Pflegeeltern – Bindungsrepräsentationen – Geschlechterunterschiede
1
Hintergrund
Wenn Kinder in ihren Ursprungsfamilien nicht angemessen versorgt und gefördert werden können, kann die Unterbringung in einer Pflegefamilie eine wichtige Unterstützung
für ihr Wohlergehen und eine gesunde Entwicklung sein. Die Trennung eines Kindes
von seiner Ursprungsfamilie stellt allerdings auch einen Risikofaktor für die psychische
Stabilität des Kindes dar, da bisherige Bezüge nicht mehr in dem Maße vorhanden sind
und dies Verunsicherungen bei den Kindern auslösen kann (Suomi, Collins, Harlow,
Ruppenthal, 1976; Bowlby, 1973; Yarrow u. Goodwin, 1973). Gleichzeitig kann die Unterbringung bei Pflegeeltern einen bedeutsamen Schutzfaktor für die weitere Entwicklung
des Kindes darstellen, da die Entwicklung neuer und sicherer Bindungsbeziehungen ein
wichtiger Puffer im Zusammenhang mit negativen Kindheitserfahrungen ist (Nowacki
u. Schölmerich, 2010; Rutter, 1990, 2007). Die Entwicklung sicherer Bindungsbeziehungen mit mindestens einer liebevollen Bezugsperson wird als zentral für die Entwicklung von adaptiven Emotionsregulationsmechanismen angesehen und damit z. B. auch
als wichtiger Schutzfaktor in Bezug auf psychische Störungen (Kobak u. Madsen, 2008;
Dozier, Stovall, Albus, Bates, 2001). Häufig haben Pflegekinder einen schwierigen familiären Hintergrund mit Erfahrungen von Unterernährung, emotionaler und körperlicher
Vernachlässigung sowie Misshandlung oder sexuellem Missbrauch (Minnis et al., 2009).
In Deutschland sind wichtige Gründe für Fremdunterbringungen von Kindern außerhalb ihrer eigenen Familien die eingeschränkte Erziehungskompetenz der leiblichen Eltern sowie Gefährdungen des Kindeswohls aufgrund von Vernachlässigung und Gewalt
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Bindungsrepräsentationen zwischen Pflegeeltern und Pflegekindern������
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(Destatis, 2012). Unterbringungen in Pflegefamilien (nach § 33 Sozialgesetzbuch VIII)
machten 2013 in Deutschland 43 % aller Hilfen zur Erziehung außerhalb der eigenen
Familie aus und zwischen 1991 und 2013 gab es einen Anstieg von 30 % dieser Hilfeform
(Destatis, 2015). Es ist also wichtig herauszufinden, durch welche Einflussfaktoren das
Arbeitsmodell der Kinder von Bindung (Bindungsrepräsentation) trotz ihrer schwierigen
familiären Erfahrungen positiv beeinflusst wird in einer Hilfeform, die auch in Deutschland immer stärker an Bedeutung gewinnt. Übereinstimmend mit Bowlby (1973, 1988)
wird davon ausgegangen, dass die Sicherheit der kindlichen Bindung insbesondere durch
Erfahrungen mit responsiven alternativen Bezugspersonen gefördert werden kann und
dies einen wichtigen Schutzfaktor für die weitere Entwicklung darstellt.
1.1 Bindung von Pflegekindern
Grundsätzlich wird angenommen, dass bei den meisten Pflegekindern eine unsichere
Bindung aufgrund ihrer schwierigen, teilweise traumatischen familiären Vorerfahrungen vorliegt. Allerdings sind empirische Studien zu diesem Thema selten und gelangen zum Teil zu unterschiedlichen Ergebnissen. Zum Beispiel wiesen Pflegekinder
in Studien von Dozier et al. (2001) oder Cole (2005) 50-60 % und bei Jacobsen, Ivarsson, Wentzel-Larsen, Smith und Moe (2013) zwischen 60-70 % sichere Bindung auf.
In der Studie von Oosterman und Schuengel (2008) zeigte sich im Schnitt ein sicherer
Wert im Bindungsverhalten der Pflegekinder. Diese Werte bestätigten sich in einer
Metaanalyse von van den Dries, Juffer, van IJzendoorn und Bakermans-Kranenburg
(2009) und waren vergleichbar zu Adoptivkindern und Kindern, die bei ihren leiblichen Eltern aufwuchsen. Sowohl Lamb, Gaensbauer, Malkin und Schultz (1985) als
auch Swanson, Beckwith und Howard (2000) wiederum berichteten deutlich geringere Anteile von sicherer Bindung (34 und 37 %) in Gruppen von Pflegekindern.
In den meisten Studien zeigten Pflegekinder einen erhöhten Anteil desorganisierter
Bindung (Jacobsen et al., 2013; Cole, 2005; Dozier et al., 2001; Swanson et al., 2000), was
durch die Metaanalyse von van den Dries et al. (2009) bestätigt wurde. Eine naheliegende
Erklärung sind die vermehrten Erfahrungen früher Traumatisierungen (z. B. Minnis,
Everett, Pelosi, Dunn, Knapp, 2006). Die meisten Studien untersuchten im Wesentlichen
das Bindungsverhalten von fremduntergebrachten Kindern und seltener ihre Bindungsrepräsentationen die erst ab dem Vorschulalter erfassbar sind. Damit ist wenig zu den
Faktoren bekannt, die organisierte (sichere und unsichere) Bindungsrepräsentationen
beeinflussen, insbesondere bei Pflegekindern in der frühen und mittleren Kindheit.
1.2 Einflussfaktoren auf die Bindung von Pflegekindern
Aus bisherigen Studien lassen sich folgende potenzielle Faktoren ableiten, die einen
Einfluss auf die Entwicklung von Bindungsrepräsentationen von Pflegekindern haben: Alter bei Vermittlung, Dauer des Aufenthaltes in der Pflegefamilie, Geschlechterunterschiede und auf Seiten der Pflegeeltern die eigene Bindungsrepräsentation.
736 K. Nowacki et al.
1.2.1 Alter bei Vermittlung in die aktuelle Pflegefamilie
Verschiedene Autoren betrachten das Alter von Kindern bei der Vermittlung in eine
Pflegefamilie als einen wichtigen Prädiktor für die Entwicklung einer organisierten
und im günstigsten Fall sicheren Bindungsstrategie. In der Bindungstheorie wird
teilweise eine sensible Phase (Bateson, 1976) für die Entwicklung einer primären
Bindungsbeziehung im ersten Lebensjahr postuliert (Marvin u. Britner, 2008; Bowlby, 1982). Dies könnte bedeuten, dass ältere Kinder größere Schwierigkeiten haben,
alternative Bindungsmodelle zu entwickeln (Dozier u. Rutter, 2008). Forschungsergebnisse hierzu sind allerdings uneinheitlich: Während Dozier et al. (2001) einen
positive Zusammenhang zwischen Bindungssicherheit und dem Alter bei Vermittlung in eine Pflegefamilie finden konnten, zeigten Studien von Cole (2005) sowie
Oosterman und Schuengel (2008) diesen Zusammenhang nicht. In der Metaanalyse
von van den Dries et al. (2009) zeigte sich in einer Gruppe von Kindern, die vor dem
Alter von zwölf Monaten adoptiert worden waren, eine vergleichbare Verteilung
von Bindungsverhaltensweisen wie bei nicht adoptierten Kindern; später adoptierte
Kinder wiesen dagegen höhere Werte bezüglich der Desorganisation auf.
1.2.2 Dauer des Aufenthaltes in der aktuellen Pflegefamilie
Die Dauer des Aufenthaltes in einer Pflegefamilie könnte ein bedeutsamer Faktor sein,
der die Bindung von Kindern beeinflusst. Je länger Kinder bei ihren neuen Bezugspersonen sind und damit alternative Beziehungserfahrungen machen können, desto stärker
sollte der Einfluss auf das innere Arbeitsmodell von Bindungen sein. Hodges, Steele,
Hillmann, Henderson und Kaniuk (2003) berichteten z. B. in einer Studie mit Adoptivkindern, dass sie weniger Vermeidung in einem Verfahren zur Feststellung von Bindungsrepräsentationen in der mittleren Kindheit (Geschichtenergänzungsverfahren)
zeigten, wenn sie bereits mindestens zwölf Monate in ihrer neuen Familie waren. Im
Gegensatz dazu hatte in einer Studie von Oosterman und Schuengel (2008) die Aufenthaltsdauer in der neuen Pflegefamilie keine Vorhersagekraft für das Bindungsverhalten
von Pflegekindern. In einer deutschen Längsschnittstudie zur Bindungsentwicklung
von Pflegekindern zeigte sich eine Verbesserung der Bindungssicherheit bereits sechs
Monate nach Vermittlung in die Dauerpflegefamilie (Gabler et al., 2014).
1.2.3 Geschlechterunterschiede
Zu prüfen sind auch Geschlechterunterschiede in der Bindungssicherheit zwischen
Jungen und Mädchen. Del Giudice (2009) sowie Del Guidice und Belsky (2010) postulieren, dass ab der mittleren Kindheit Jungen und Mädchen, aufgrund differierender
sozialer Erfahrungen und Anforderungen, unterschiedliche Bindungsrepräsentationen
insbesondere im Bereich der unsicheren Bindungen entwickeln. In einer interkulturellen Studie von Pierrehumbert et al. (2009) wurden Geschlechtereffekte im Geschich-
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Bindungsrepräsentationen zwischen Pflegeeltern und Pflegekindern������
737
tenergänzungsverfahren gefunden: Die Geschichten von Mädchen wurden häufiger als
sicher klassifiziert als die von Jungen. Die Autoren erklären dies damit, dass Mädchen in
stressreichen und bedrohlichen Situationen eher versuchen, durch Pflegeverhalten und
die Aktivierung sozialer Beziehungen („tend and befriend“) Probleme zu lösen. Taylor
et al. (2000) führen aus, dass dieses Verhalten in Situationen von Gefahr den Stress reduziert und damit mit geringeren Gesundheitsrisiken einhergeht. Bei der Erfassung von
Bindungsrepräsentationen in der mittleren Kindheit mit dem Spielen von Geschichtenanfängen die leichten Stress auslösen scheint es also wahrscheinlicher zu sein, dass
Mädchen im Spiel häufiger das vorgegebene soziale Netzwerk aktivieren als Jungen. In
Situationen von Stress, der ja auch im Geschichtenergänzungsverfahren aktiviert wird,
neigen Jungen eher dazu, das klassische „Kampf oder Flucht“ Prinzip („fight-or-flight“reactions) zu zeigen (Pierrehumbert et al., 2009), was möglicherweise agitiertes Verhalten steigert (höhere Werte bei Desorganisation möglich), oder das Unterdrücken von
Emotionen (was zu höheren Deaktivierung/Distanzierung führt). Auch Studien mit klinischen Stichproben (z. B. van IJzendoorn, Schuengel, Bakermans-Kranenburg, 1999)
weisen darauf hin, dass Jungen in der frühen und mittleren Kindheit vulnerabler in Bezug auf soziale Schwierigkeiten (social adversity) erscheinen als Mädchen. Eine Studie
von Smith Stover, van Horn und Lieberman (2006) zeigte, dass Mädchen, die häusliche
Gewalt beobachteten, diese Erfahrungen in einem besseren Licht präsentierten als Jungen mit vergleichbaren Erfahrungen. In einer deutschen Studie konnte auch gezeigt werden, dass in einer Gruppe von Kindern aus alleinerziehenden Familien die Jungen im
Vergleich zu den Mädchen mehr Unsicherheit und Desorganisation aufwiesen (GlogerTippelt u. König, 2007).
Diese Befunde weisen darauf hin, dass die Verteilung von Bindungsrepräsentationen
in Abhängigkeit vom Geschlecht des Kindes sich unterscheiden kann und das Jungen
möglicherweise stärker empfänglich für Einflussfaktoren ihrer sozialen Umwelt sind
und damit ihr Arbeitsmodell von Bindung stärker durch den Zeitpunkt und die Dauer
ihrer Vermittlung in die aktuelle Pflegefamilie aber auch durch die Bindungsrepräsentationen ihrer Pflegeeltern beeinflusst werden kann.
1.3 Transmission von Bindungsmodellen
Eine Reihe von Studien zur Transmission von Bindung hat klare Zusammenhänge
zwischen elterlicher Bindungsrepräsentation und kindlichem Bindungsverhalten finden können (z. B. Fonagy, Steele, Steele, 1991). In einer Metaanalyse von van IJzendoorn (1995) lag die Übereinstimmung bei 75 % (k = .49) zwischen dem elterlichen
Arbeitsmodell von Bindung (Bindungsrepräsentation) und kindlichem Bindungsverhalten, erfasst mit dem Fremde-Situationstest (Ainsworth, Blehar, Waters, Wall, 1978).
Als wichtige Variable zur Erklärung der Transmission wurde vor allem die mütterliche
Feinfühligkeit (Ainsworth et al., 1978) untersucht, aber auch andere Mechanismen,
wie z. B. mütterliche Mind-Mindedness (Taubner et al., 2014). Zusammenhänge zwischen den Bindungsrepräsentationen von Kindern und ihren leiblichen Eltern konnten
738 K. Nowacki et al.
ebenfalls gefunden werden (Gloger-Tippelt, Gomille, König, Vetter, 2002; Miljkovitch,
Pierrehumbert, Bretherton, Halfon, 2004). Aber wie sieht es mit den Übertragungsmechanismen in alternativen Familiensettings, z. B. Pflegefamilien aus?
Es gibt einige Befunde zu Bindungsverhalten bzw. -repräsentation von Pflegekindern.
Kinder, die bereits in ihrem ersten Lebensjahr in eine neue Familie vermittelt wurden,
zeigten schnelle Veränderungen ihres Bindungsverhaltens in Abhängigkeit von dem Arbeitsmodell ihrer Pflegemutter. Kinder, die von Pflegemüttern mit sicherer Bindungsrepräsentation betreut wurden, zeigten deutlich mehr sicheres Bindungsverhalten als
Kinder von Pflegemüttern mit unsicheren Mustern (Stovall-McClough u. Dozier, 2004;
Dozier et al., 2001). Jacobsen, Ivarsson, Wentzel-Larsen, Smith und Moe (2014) fanden
keine Unterschiede zwischen den Zusammenhängen bezüglich der Bindungsrepräsentation von Pflegemüttern und den Bindungsverhaltensweisen ihrer Pflegekindern, die
vor ihrem ersten Lebensjahr vermittelt worden waren, und einer Kontrollgruppe. Steele,
Hodges, Kaniuk, Hillmann und Henderson (2003) konnten zeigen, dass Kinder, die bei
Adoptivmüttern bereits seit mindestens drei Monate untergebracht waren, Geschichten
spielten, die stark von den Repräsentationen ihrer neuen Bezugsperson beeinflusst waren. Empirische Befunde weisen also darauf hin, dass die Arbeitsmodelle von Bindung
der neuen Bezugspersonen einen deutlichen Effekt auf das Bindungsverhalten und die
Bindungsrepräsentation von fremd untergebrachten Kindern haben.
1.4 Ziel der Studie
Die vorliegende Studie untersucht Einflussfaktoren auf die Bindungsrepräsentation von Pflegekindern. Im Unterschied zu den meisten Studien mit Pflegekindern
bisher (van den Dries et al., 2009), besteht diese Stichprobe aus Kindern, die durchschnittlich 21 Monate bei Vermittlung in die Pflegefamilie waren. Vier potenzielle
Einflussfaktoren auf das innere Arbeitsmodell von Bindung der Pflegekinder werden geprüft. Zum einen wird das Alter der Kinder bei Vermittlung in die aktuelle
Dauerpflegefamilie als prädiktiv angesehen, da davon auszugehen ist, dass die Bindungsmodelle bei jüngeren Kindern noch stärker beeinflussbar sind. Dazu kommt
die Länge des Aufenthalts in der bisherigen Pflegefamilie, da hierdurch unter anderem der Einfluss der neuen Erfahrungen bestimmt wird. Darüber hinaus wird postuliert, dass die Bindungsrepräsentation der Pflegeeltern ein wichtiger Einflussfaktor bezogen auf das innere Arbeitsmodell der Pflegekinder ist. Dieser Faktor ist für
die Auswahl und Begleitung der Pflegefamilien bedeutsam. Unterschiede zwischen
Mädchen und Jungen müssen ebenfalls überprüft werden, da dies für die Praxis
der Pflegefamilienvermittlung gleichfalls wichtig ist. Um Geschlechterunterschiede
im Hinblick auf Empfänglichkeit gegenüber Umwelteinflüssen genauer erkennen
zu können, werden Einflussfaktoren auf die kindliche Bindungsrepräsentation getrennt für Jungen und Mädchen gerechnet, da statistische Interaktionseffekte in relativ kleinen Stichproben schwierig zu finden sind (Sedlmeier u. Renkewitz, 2013).
Wir erwarten, dass Jungen stärker durch Faktoren wie die Dauer des Aufenthaltes,
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Bindungsrepräsentationen zwischen Pflegeeltern und Pflegekindern������
739
das Alter bei Vermittlung und auch die Bindungsrepräsentation der Pflegeeltern beeinflusst werden, da empirisch gezeigt werden konnte, dass sie in der frühen und
mittleren Kindheit generell vulnerabler bezogen auf Lebensereignisse sind (Hoffman, Levy-Shiff, Ushpiz, 1993).
2
Methode
2.1 Stichproben
2.1.1 Pflegekinder
Die Stichprobe besteht aus 37 Pflegekindern, 19 Jungen (51,4 %) und 18 Mädchen
(48,6 %), mit denen das Geschichtenergänzungsverfahren nach Bretherton, Ridgeway und Cassidy (1990) durchgeführt wurde. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung
waren die Kinder zwischen 38 und 104 Monaten alt (M 71,79; SD 18,52) und sie
wurden zwischen 0 und 71 Monaten in die aktuelle Pflegefamilie vermittelt (M 21,57;
SD 17,09). Die Dauer des Aufenthaltes in der aktuellen Pflegefamilie betrug zum
Zeitpunkt der Datenerhebung zwischen 12 und 95 Monaten (M 50,57; SD 23,22).
Dreißig Kinder (81,1 %) waren vorher bereits anderweitig fremduntergebracht worden, 78 % dieser Fälle in Bereitschaftspflegefamilien. Alle Kinder in dieser Studie sind
in sogenannten Dauerpflegefamilien untergebracht (§ 33 Sozialgesetzbuch VIII). Das
kann also bedeuten, dass die Kinder bis zu ihrem 18 Lebensjahr oder darüber hinaus
in der Pflegefamilie bleiben können, vorausgesetzt es gibt keine deutliche Verbesserung in der Herkunftsfamilie und eine Rückführung ist nicht möglich.
2.1.2 Pflegeeltern
Bei den Hauptbezugspersonen der 37 Pflegekinder wurde das Erwachsenenbindungsinterview (George, Kaplan, Main, 1996) eingesetzt, um das Arbeitsmodell von Bindung (Bindungsrepräsentation) zu erfassen. In der überwiegenden Zahl der Fälle (n =
35) handelte es sich um die Pflegemutter und in zwei Fällen um den Pflegevater. Das
durchschnittliche Alter der Hauptbezugspersonen betrug 45,30 Jahre (SD 4,63).
2.2 Durchführung und Instrumente
Die Akquise von Pflegefamilien, die an der Studie teilgenommen haben, erfolgte
durch Pflegekinderdienste kommunaler Jugendhilfeträger oder Pflegeelternvereinigungen in Nordrhein-Westfalen und Bayern. Die Pflegefamilien wurden telefonisch
kontaktiert und dann an die Fachhochschule Dortmund bzw. die Universität Erlangen-Nürnberg eingeladen. Das Geschichtenergänzungsverfahren wurde mit den
Pflegekindern in einem kinderfreundlich eingerichteten Spielzimmer von jeweils
740 K. Nowacki et al.
einer trainierten weiblichen Mitarbeiterin durchgeführt und im Einverständnis mit
den Beteiligten gefilmt. Die Pflegemutter oder der Pflegevater warteten währenddessen in einem Nachbarraum. Das Erwachsenenbindungsinterview wurde mit der
Hauptbezugsperson in einem separaten Termin ebenfalls an der Fachhochschule
bzw. Universität oder auf Wunsch der Probanden auch in deren häuslicher Umgebung in einem ungestörten Setting durchgeführt. Hierbei wurde z. B. dafür gesorgt,
dass das Pflegekind anderweitig betreut war. Alle Daten werden ausschließlich anonymisiert verwendet.
Soziodemografischer Fragebogen. Die Pflegeeltern wurden gebeten einen speziell
entwickelten Fragebogen auszufüllen, mit dem soziodemografische Variablen, wie z.
B. das Alter des Pflegekindes bei Vermittlung in die neue Familie oder vorhergehende
Unterbringungen erfasst wird.
Geschichtenergänzungsverfahren. Die kindliche Bindungsrepräsentation wurde mit
dem Geschichtenergänzungsverfahren (Attachment Story Completion Task = ASCT)
nach Bretherton et al. (1990) erfasst. Sechs Anfänge von bindungsrelevanten Geschichten und eine Aufwärmgeschichte wurden den Kindern durch die Mitarbeiterin
mithilfe von Playmobilfiguren vorgespielt und die Kinder im Anschluss gebeten, die Geschichten zu Ende zu spielen. Die Geschichten wurden in folgender Reihenfolge gespielt:
„Geburtstagskuchen“ (Aufwärmgeschichte), „verschütteter Saft“ (Autorität), „verletztes
Knie“ (Verletzung), „Monster im Kinderzimmer“ (Angst) sowie „Trennung“ und “Wiedervereinigung” als besonders bindungsrelevante Geschichten am Ende der Aufgabe.
Die Auswertung erfolgte durch zwei unabhängige Auswerter, die in der Q-Sort Methode
trainiert sind (Miljkovitch et al., 2004). Diese erfasst die Dimensionen Sicherheit, Deaktivierung, Hyperaktivierung und Desorganisation. Die Korrelation zwischen den gefunden Verteilungen der Items wurden mit prototypischen Normen, beschrieben von
Miljkovitch et al. (2004), ebenfalls korreliert, wobei der Mittelwert der Werte der beiden
Rater verwendet wurde. Damit wurde für jedes Kind und jede Bindungsdimension ein
Wert von -1 bis +1 erzielt, der das Ausmaß darstellt, mit dem die kindliche Bindungsrepräsentation dem eines prototypisch sicheren Kindes ähnelt. Wenn die Interraterreliabilität unter r = 0,60 lag, wurde ein dritter unabhängiger Auswerter hinzugezogen und
der Mittelwert aus den beiden Verteilungen gebildet, die die höchste Übereinstimmung
hatten. Die Interraterreliabilität für jede Skala wurde mithilfe der Intraklassenkorrelationskoeffizienten (ICC) gebildet und absolute Unterschiede berücksichtig. Der ICC für
die Dimension Sicherheit betrug 0,94 (p < .01), für Deaktivierung 0,95 (p < .01), für
Hyperaktivierung 0,85 (p < .01) und für Desorganisation 0, 85 (p < .01).
Erwachsenenbindungsinterview. Bei dem Erwachsenenbindungsinterview (Adult Attachment Interview = AAI) in der Version von George et al. (1996) handelt es sich um
ein halbstrukturiertes Interview mit vorgegebenen Fragen und Nachfragen über die
eigenen Kindheitserfahrungen, die aktuelle Beziehung zu den Eltern und den eigenen
Kindern und über mögliche traumatische Erlebnisse, wie Tod von nahestehenden Bezugspersonen oder Vernachlässigung bzw. Misshandlungen. Das wörtlich transkribierte
Interview wird analysiert, indem insbesondere die Kohärenz, mit der über positive und
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741
negative Kindheitserlebnisse berichtet wird, Berücksichtigung findet. Analog zu der
Methode von Main, Goldwyn und Hesse (2002) wurden die Interviews den Hauptkategorien sicher (free-autonomous), unsicher-distanziert (insecure-dismissive), unsicher
präokkupiert (enmeshed) und unverarbeitet (unresolved concerning loss and trauma) zugeordnet. Die Auswertung erfolgte durch die Erstautorin (Bestätigung der Reliabilität
durch Main und Hesse in 2005). Zum Zeitpunkt der Auswertung hatte die Auswerterin
keine Information über die Ergebnisse der anderen Analysemethoden. Zehn Interviews
wurden außerdem von einem zweiten unabhängigen Auswerter analysiert (Bestätigung
der Reliabilität durch Main und Hesse, 2001), der blind gegenüber dem Studiendesign
und der Fragestellung war. Die Interraterreliabilität betrug 0.733 (Cramer-V), p < .05.
3
Ergebnisse
3.1 Deskriptive Ergebnisse
Die ASCT-Werte zur Erfassung der Bindungsrepräsentation von Pflegekindern (s.
Tab. 1) unterscheidet sich auf den Skalen Sicherheit, Deaktivierung und Hyperaktivierung nicht von denen einer Normalstichprobe von Miljkovitch et al. (2004). Die
Pflegekinder unterscheiden sich von der Normalstichprobe allerdings signifikant im
Hinblick auf die Skala Desorganisation (T(73) = 3.04, p < .01**). Weitere Analysen
ergeben einen Geschlechterunterschied: Jungen weisen einen tendenziell geringeren
Wert auf der Skala Sicherheit im ASCT auf als Mädchen (M = 0.05, SD = 0.34 versus
M = .28, SD = .38; T(37, 35) = -1.95, p = 0.064).
Tabelle 1: Mittelwerte der Bindungsdimensionen des ASCT zur Darstellung von Bindungsrepräsentationen bei Pflegekindern
ASCT Q-Sort (n = 37)
Sicherheit
Deaktivierung
Hyperaktivierung
Desorganisation
Min*
-.49
-.71
-.39
-.61
Max
.69
.55
.21
.48
M*
.17
-.10
-.07
-.16
SD
.38
.38
.16
.28
Hinweis: *Korrelationen von Rohwerten mit den Werten eines prototypisch sicheren Kindes
Die prozentuale Verteilung der Bindungsrepräsentation der Pflegeeltern, gemessen mit dem Erwachsenenbindungsinterview, ist vergleichbar mit nicht-klinischen
Stichproben in einer Metaanalyse von Bakermans-Kranenburg und van IJzendoorn
(2009, S. 227) (s. Tab. 2).
742 K. Nowacki et al.
Tabelle 2: Prozentuale Verteilung der Bindungsrepräsentationen von Pflegeeltern verglichen mit nichtklinischen Stichproben
Stichprobe
sicher
Pflegeeltern (n = 37)
Nicht-klinische
Stichproben*
54.8 %
56.0 %
unsicherdistanziert
19.4 %
16.0 %
unsicherpräokkupiert
9.7 %
9.0 %
unverarbeitet hinsichtlich
Verlust oder Trauma
16.1 %
18.0 %
*Bakermans-Kranenburg u. van IJzendoorn (2009)
3.2 Regressionsanalysen
Zuerst wird eine Regressionsanalyse für die gesamte Stichprobe durchgeführt, um
die vermuteten Haupteffekte zu testen. Es zeigen sich tendenziell signifikante Einflüsse des kindlichen Geschlechts, (β = .43, p = .059), des Alters bei Vermittlung in
die Pflegefamilie (β = .37, p = .074) und der Bindungsrepräsentation der Pflegeeltern (β = .10, p = .052) auf die kindliche Bindungsrepräsentation (R² = .30). Um
herauszufinden, ob die Einflussfaktoren auf die kindliche Bindungsrepräsentation
geschlechtsspezifische Unterschiede aufweisen, wie ja bereits theoretisch vermutet,
werden separate Modelle für männliche und weibliche Pflegekinder gerechnet.
Für die weiblichen Pflegekinder können keine signifikanten Einflussfaktoren auf die
Ausprägung ihrer Bindungsrepräsentationen gefunden werden. Dagegen zeigt sich in der
Gruppe der männlichen Pflegekinder, dass insbesondere die Bindungsrepräsentation der
Pflegeeltern einen deutlichen Einfluss auf die Ausprägung der sicheren Bindungsrepräsentation der Jungen hat (s. Tab. 3). In Abbildung 1 wird deutlich, dass mit 45 % ein signifikanter Anteil der Varianz (R²) der Bindungsrepräsentation der Jungen durch die pflegeelterliche Bindungsrepräsentation (23 %), die Dauer ihres Verbleibs in der Pflegefamilie
(20 %) und durch das Alter bei Vermittlung in die Pflegefamilie (2 %) aufgeklärt werden
kann, wobei hier im Gegensatz zu den theoretischen Annahmen die später vermittelten
Jungen einen höheren Anteil an sicheren Bindungsrepräsentationen aufweisen.
Tabelle 3: Effekte der Faktoren „Alter bei Vermittlung“, „Dauer des Aufenthaltes in der Pflegefamilie“
und pflegeelterliche Bindungsrepräsentation auf die Bindungsrepräsentation der Pflegekinder unterschieden nach Geschlecht
Kindliche Bindungsrepräsentation
Alter bei Vermittlung
Dauer der Unterbringung
Pflegeelterliche Bindungsrepräsentation (AAI)
Jungen (n = 19)
R²
F
Β
.45 4.04*
.49
.45
.61*
Mädchen (n = 18)
R²
F
Β
.19 0.63
.22
-.12
.20
Die Daten werden präsentiert als Standard Regressionskoeffizient ß und als aufgeklärte Varianz R²; * p < .05.
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743
Abbildung 1: Aufgeklärte Varianz der Bindungsrepräsentation von Pflegekindern, unterschieden
zwischen Jungen und Mädchen, durch die pflegeelterliche Bindungsrepräsentation (AAI), das Alter bei
Vermittlung in die aktuelle Pflegefamilie und der Dauer des Aufenthaltes in der Pflegefamilie.
4
Diskussion
In dieser Studie werden die Bindungsrepräsentationen von Pflegekindern untersucht und mögliche Einflussfaktoren geprüft. Die Pflegekinder zeigen auf den Skalen Sicherheit, Deaktivierung und Hyperaktivierung organisierte Bindungswerte,
die vergleichbar sind mit nicht-klinischen Stichproben; lediglich auf der Skala Desorganisation fallen die Werte höher aus. Dabei zeigen sich interessante Unterschiede
zwischen den in Pflegefamilien vermittelten Mädchen und Jungen. Im Schnitt weisen die weiblichen Pflegekinder höhere Bindungssicherheit auf als die Jungen. Dagegen kann gezeigt werden, dass die Bindungsrepräsentation der Jungen besonders
durch die pflegeelterliche Bindungsrepräsentation vorhergesagt werden kann und
sich ein längerer Aufenthalt in der Familie positiv auf die Ausprägung der sicheren
Bindungsrepräsentation auswirkt. Entgegen der Annahmen zeigen tendenziell Jungen, die erst im höheren Alter in die Pflegefamilie vermittelt wurden, höhere Werte
in ihrer Bindungssicherheit.
Diese Befunde haben wichtige Implikationen für die Vermittlung und Begleitung
von Kindern in Pflegefamilien. Um sichere Arbeitsmodelle von Bindung entwickeln
zu können, zeigen sich in dieser Studie Hinweise, dass Jungen in besonderem Maße
in ihrer Kindheit Pflegeeltern benötigen, die selbst sichere Bindungsrepräsentationen
aufweisen. Mädchen scheinen dagegen in der frühen bis mittleren Kindheit Bindungsrepräsentationen zu entwickeln, die sich als sicher klassifizieren lassen. Dies könnte so
interpretiert werden, dass Mädchen hier eine höhere Resilienz aufweisen. Möglicherweise liegt hier aber auch die Gefahr, ihre Bedürfnisse nicht ausreichend wahrzunehmen und erst in der Pubertät einsetzende Probleme zu verstärken.
744 K. Nowacki et al.
Bevor diese Aspekte weiter ausgeführt werden, sollen die Ergebnisse vor dem Hintergrund bisheriger empirischer Befunde reflektiert werden. Bezogen auf die ähnliche
Verteilung der organisierten Bindungsrepräsentation von Pflegekindern im Vergleich
zu nicht-klinischen Stichproben bestätigt diese Studie einen großen Teil bisheriger
empirischer Befunde (Jacobsen et al., 2013; Oosterman u. Schuengel, 2008; Cole, 2005;
Dozier et al., 2001). Die Ergebnisse zeigen außerdem erwartungsgemäß eine höhere
Ausprägung desorganisierter Bindungsrepräsentationen der Pflegekinder im Vergleich zu nicht-klinischen Stichproben (Miljkovitch et al., 2004) und sind vergleichbar
zu Bindungsverhaltensweisen später adoptierter Kinder (van den Dries et al., 2009).
Diese Befunde sind vor dem Hintergrund der Erfahrungen von Pflegekindern durch
schwierige familiäre Bedingungen, geringere elterliche Verfügbarkeit bis hin zu möglichen frühen Traumatisierungen (Minnis et al., 2006; Leve et al., 2012) gut erklärbar.
Wie bereits ausgeführt, sind in Deutschland die häufigsten Gründe für die Vermittlung von Kindern außerhalb ihrer eigenen Familie die Überforderung der Eltern in
der Erziehung ihrer Kinder und eigene psychische Probleme, was zu Vernachlässigung und Misshandlung führen kann (Destatis, 2012). Es lässt sich festhalten, dass
auch bei der Erfassung des inneren Arbeitsmodells von Bindung bei Pflegekindern
im Vorschulalter vergleichbare Ergebnisse zu finden sind, wie sie bereits in Studien zu
Bindungsverhaltensweisen jüngerer Pflegekinder gefunden werden konnten.
Der Befund zur moderierenden Rolle des Geschlechts in der Bindungsrepräsentation
der Pflegekinder ist sehr interessant und sollte genauer beleuchtet werden. In der vorliegenden Studie zeigen die Mädchen höhere Werte in der Bindungssicherheit im Vergleich
zu den Jungen, und ihre Werte sind vergleichbar mit denen von nicht-klinischen Stichproben (Miljkovitch et al., 2004). Außerdem gibt es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Bindungsrepräsentation der Mädchen unserer Stichprobe und ihren
Pflegeeltern, obwohl sie insgesamt hohe Bindungssicherheitswerte aufweisen. Es könnte
hier ein Hinweis vorliegen, dass die Mädchen trotz schwieriger Vorerfahrungen eher in
der Lage sind, sichere Bindungsrepräsentationen zu entwickeln und damit möglicherweise resilienter sind. Allerdings lässt diese Studie keine kausalen Interpretationen zu, da
z. B. nichts über die Bindungsrepräsentation der Herkunftseltern bekannt ist, wenig Informationen zu den Vorerfahrungen vorliegen (vgl. Bovenschen et al., eingereicht) und
die Entwicklung aufgrund des querschnittlichen Designs nicht verfolgt werden kann.
Eine Erklärung für den Geschlechtereffekt könnte die verwendete Methode des Geschichtenergänzungsverfahrens sein. Pierrehumbert et al. (2009) konnten finden, dass
Mädchen häufiger als Jungen Strategien in den Geschichtenergänzungen spielten, die
auf sichere Arbeitsmodelle hindeuten. Die Autoren erklären in Analogie zu Taylor et
al. (2000) damit, dass Mädchen auf Unsicherheit, Angst und Bedrohung mit einem
anderen automatischen Muster antworten als Jungen („Pflege und Befreunde“), was
in der Auswertung der Geschichten eher als sichere Bindungsrepräsentation interpretiert wird. Diese Strategie, in unsicheren Situationen eher auf Fremde zuzugehen und
schnell die Nähe von möglichen Bindungsfiguren zu suchen, könnte ihnen ermöglichen, schneller korrektive und sichere soziale Erfahrungen zu machen.
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745
Darüber hinaus könnte eine geschlechterspezifische Präferenz vom Spielen mit Puppen (Cherney, Kelly-Vance, Glover, Ruane, Ryalls, 2003) den Mädchen den Zugang zu
dem Instrument erleichtert haben. Allerdings zeigte sich kein Unterschied in der Bereitschaft der Mädchen und Jungen die Geschichten zu spielen. Außerdem würde dies nur
erklären, warum Mädchen eher längere Antworten geben und nicht, warum ihre Antworten mehr Aspekte enthielten, die auf eine sichere Bindungsrepräsentation hindeuten
(konstruktivere Lösungen, Bindungsfiguren sind unterstützender). Mädchen in diesem
Alter sind möglicherweise tatsächlich resilienter in Bezug auf sozialen Stress (Werner u.
Smith, 1982; Werner, 2001; Gloger-Tippelt u. König, 2007). In der Kindheit zeigen sie
häufiger angepasstes Verhalten als Jungen und sind im Schnitt besser in der Lage, soziale
Unterstützung zu akquirieren (Kolip, 2001). Darüber hinaus gibt es aber einige Befunde,
die darauf hindeuten, dass Mädchen mit ungünstigen familiären Erfahrungen (sexuelle
oder körperliche Misshandlung, Trennung der Eltern) teilweise positive Darstellungen
von Bezugspersonen und sich selbst in ihren Geschichten spielen, die möglicherweise weniger das tatsächliche Erleben widerspiegeln als vielmehr zur Emotionsregulation
eingesetzt werden (Toth, Cicchetti, Macfie, Emde, 1997; Clyman, 2003; Bretherton u.
Page, 2004). Mit Einsetzen der Pubertät weisen Mädchen größere Risiken für die Entwicklung psychischer Belastungen auf (Hölling, Erhart, Ravens-Sieberer, Schlack, 2007;
Zahn-Waxler, Shirtcliff, Marceau, 2008). Deshalb muss im Sinne der Prävention in
Pflegefamilien eine sichere Basis für Mädchen sichergestellt werden. Hier kann genutzt
werden, dass die Mädchen sozial häufig eher zugänglich sind, was für Pflegefamilien
möglicherweise den Aufbau einer sicheren Bindungsbeziehung erleichtert.
Bei den Jungen ist die Entwicklung vermutlich etwas anders. Sie zeigen niedrigere
Werte in der Bindungssicherheit als die Mädchen, vergleichbar zu früheren Befunden
(z. B. Clyman, 2003), weisen aber in dieser Stichprobe eine höhere Empfänglichkeit
für Umweltfaktoren auf, z. B. durch das sichere Bindungsmodell ihrer neuen Bezugspersonen. Dieser Effekt konnte auch schon in anderen Studien gezeigt werden, allerdings mit jünger vermittelten Kindern (Stovall-McClough u. Dozier, 2004).
Die Frage ist, was Jungen hier möglicherweise empfänglicher für Umwelteinflüsse
machen könnte? Unsere Befunde deuten auf ein Diathese-Stress Modell hin: Jungen
zeigen in der Kindheit eine höhere Vulnerabilität (Zahn-Waxler et al., 2008; Del Guidice, 2009), und eine positive Bindungsbeziehung zu ihren Pflegeeltern könnte ein
protektiver Faktor sein. Dies würde für die Praxis bedeuten, dass die Pflegeeltern noch
stärker z. B. im Hinblick auf ihr eigenes Bindungsmodell ausgesucht und sensibilisiert
werden müssten. Dazu kommen Aspekte des sensitiven Elternverhaltens (vgl. van IJzendoorn, 1995), die in weiteren Studien erforscht werden müssten.
Auch die Dauer des Aufenthalts in der Pflegefamilie zeigte tendenziell einen positiven Einfluss auf die Bindungsrepräsentation bei den Jungen. Auch hier wurde deutlich, dass ihr Arbeitsmodell von Bindung noch beeinflussbar ist und die längere Zeit in
der Pflegefamilie auch mehr Möglichkeiten korrektiver Erfahrungen bedeutet.
In der Gesamtstudie zeigten sich keine signifikanten Zusammenhänge zwischen
der Bindungssicherheit und dem Alter bei Vermittlung in die Pflegefamilie, wobei es
746 K. Nowacki et al.
bei den Jungen allerdings einen Trend gab, der anders war als in bisherigen Studien
gezeigt. Wie bereits erwähnt, finden sich eher bei früh vermittelten Kindern vor dem
ersten Lebensjahr höhere Anteile sicherer Bindungsverhaltensweisen (z. B. van den
Dries et al., 2009). Wie in einem zweiten Artikel zu dieser Studie berichtet (Bovenschen et al., eingereicht), hatten die Jungen keine traumatischeren Vorerfahrungen als
die Mädchen. Der Befund ist schwierig zu interpretieren und es erscheint notwendig,
mithilfe von Längsschnittstudien diese Zusammenhänge im Detail zu explorieren.
4.1 Stärken und Limitierungen
Aufgrund des querschnittlichen Designs der Studie können keine kausalen Rückschlüsse gezogen werden und die Befunde sind mit Vorsicht zu interpretieren. Es
liegen z. B. keine Befunde über die Bindungsverhaltensweisen oder -repräsentationen der Pflegekinder vor ihrer Vermittlung vor, sodass etwa bei den Mädchen
nicht klar ist, ob sie die Ausprägungen ihrer Bindungssicherheit vor oder nach der
Vermittlung in die Pflegefamilie erlangten. Es liegen uns auch keine Daten bezüglich des pflegeelterlichen Verhaltens vor (wie dies z. B. bei Ballen, Bernier, Moss,
Tarabulsy und St-Laurent, 2010, eingesetzt wurde), welches als Vermittlungsfaktor
zwischen der Bindungsrepräsentation der Pflegeeltern und der männlichen Pflegekinder dienen könnte. Zu den Vorerfahrungen der Kinder in ihrer Herkunftsfamilie
liegen nur wenige spezifische Daten vor (s. hierzu Bovenschen et al., eingereicht).
Es kann aber allgemein davon ausgegangen werden, dass die hohe Zahl von psychischen Erkrankungen generell bei Herkunftseltern (Destatis, 2012) ein Grund für
die Vermittlung der Pflegekinder war und sie unter anderem dadurch begründet
schwierige familiäre Bedingungen in ihrer Herkunftsfamilie erlebt haben.
Bezüglich der endgültigen Interpretation der Geschlechtereffekte muss in Übereinstimmung mit Zahn-Waxler und Kollegen (2008) darauf hingewiesen werden, dass
aufgrund möglicher unterschiedlicher Ursachen vorsichtig mit der Interpretation des
Geschlechtereffektes umgegangen werden muss. Für diese Stichprobe liegen weder biologische Marker noch genaue Informationen über die frühen Umwelterfahrungen
vor. Deshalb bleibt es letztendlich unklar, ob z. B. die Vorerfahrungen in der Herkunftsfamilie für die Mädchen und Jungen unterschiedlich waren, was zu den vorliegenden Ergebnissen geführt hat.
Die hier vorliegende Stichprobe zeigte eine hohe Varianz in den verschiedenen
Merkmalsausprägungen, wodurch interessante Aspekte entdeckt werden konnten,
insbesondere bezogen auf die Geschlechterunterschiede. Allerdings muss die Generalisierbarkeit der Befunde mit Vorsicht gesehen werden, da es sich hier um eine
Stichprobe von nur 37 Pflegekindern handelte. Die Übertragbarkeit auf die gesamte
Population von Pflegekindern ist somit schwierig, allerdings handelt es sich immer
noch um eine Gruppe von Kindern, zu denen relativ wenig Befunde vorliegt. Die aufgeworfenen Fragen müssen in weiteren Studien, am besten mit einem Längsschnittdesign, aufgegriffen werden.
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747
4.2 Fazit für die Praxis
Die Befunde beinhalten eine Reihe von Implikationen für die Auswahl und Unterstützung von Pflegefamilien. Auch Kinder, die erst mit zwei oder mehr Jahren in
eine nicht verwandte Familie vermittelt werden, können noch sicherere Bindungsrepräsentationen aufweisen. Ähnlich wie auch schon in der Studie von Nowacki und
Schölmerich (2010; Nowacki, 2007) erweist sich die Pflegefamilie als gute Möglichkeit der Platzierung von Kindern außerhalb ihrer leiblichen Familie auch nach dem
ersten Lebensjahr. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass insbesondere bei Jungen
auf die genauen Vermittlungsbedingungen geachtet werden muss. Die Verarbeitung
der eigenen familiären Erfahrungen von Pflegeeltern scheint hierbei z. B. ein wichtiger Faktor zu sein. Pflegeeltern sollte die Möglichkeit gegeben werden, ihre eigenen Bindungserfahrungen zu reflektieren. Basierend auf der Theorie von Fonagy
und Kollegen (s. z. B. Fonagy, Steele, Moran, Steele, Higitt, 1991) ist die Offenheit
und Reflektiertheit gegenüber eigenen Vorstellungen von Beziehungen und ihren
Auswirkungen auf den Umgang mit Kindern, und insbesondere traumatisierten
Kindern, eine wichtige Fähigkeit zur Förderung einer sicheren Bindungsbeziehung
(vgl. auch Taubner et al., 2014). Darüber hinaus sollten Pflegeeltern im Umgang
mit ihren Kindern geschult und gefördert werden, wie es z. B. in dem Trainingsprogramm von Mary Dozier und ihrem Team (Dozier, Lindhiem, Ackerman, 2005)
für jüngere Pflegekinder systematisch vorgenommen wird. Außerdem sollte berücksichtig werden, dass Veränderungen Zeit benötigen und gerade Arbeitsmodelle von
Bindung sich nicht sofort verändern. Alle Kinder benötigen eine stabile, liebevolle
und förderliche Umgebung, um sichere Bindungsvorstellungen entwickeln zu können. Dafür sollten notwendige Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um höhere Kosten durch einen Zusammenbruch eines Pflegeverhältnisses zu verhindern.
Pflegeeltern scheinen einen bedeutsamen Einfluss auf die Bindungsrepräsentationen ihrer Pflegekinder zu haben. In dieser Studie gibt es Hinweise darauf, dass dies
besonders bei Jungen der Fall sein könnte. Empirische Befunde zu Resilienz haben
gezeigt, dass Jungen in ihrer Kindheit, bezogen auf Umwelteinflüsse, vulnerabler
sind als Mädchen (Hinnant, Erath, El-Sheik, 2015; Masten et al., 1999). Dies bedeutet, dass bei der Vermittlung von überwiegend traumatisierten Kindern in neue
Familien die Auswahl des richtigen Settings und die Unterstützung im laufenden
Prozess wichtig ist und auch geschlechtersensibel ausgerichtet sein sollte, um die
gesunde Entwicklung von Pflegekindern zu ermöglichen.
748 K. Nowacki et al.
Literatur
Ainsworth, M. D., Blehar, M. C., Waters, E., Wall, S. (1978). Patterns of attachment: A psychological study of the strange situation. Hillsdale, N.J.: Erlbaum.
Bakermans-Kranenburg, M.J., van IJzendoorn, M.H. (2009). The first 10,000 Adult Attachment Interviews: distributions of adult attachment representations in clinical and non-clinical groups. Attachment and Human Development, 11, 3, 223-263.
Ballen, N., Bernier, A., Moss, E. Tarabulsy, G. M., St-Laurent, D. (2010). Insecure attachment
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Developmental Psychology, 31, 118-125.
Bateson, P. P. G. (1976). Rules and reciprocity in behavioural development. In P. P. G. Bateson, R. A. Hinde (Hrsg.), Growing points in ethology (S. 401-421). Cambridge: Cambridge
University Press.
Bovenschen, I., Lang, K., Zimmermann, J., Förthner, J., Nowacki, K., Roland, I., Spangler,
G. (eingereicht). Foster Children’s Attachment Behavior and Representation: Influence of
Children’s Pre-Placement Experiences and Foster Caregiver’s Sensitivity.
Bowlby, J. (1973). Separation: Anxiety and anger (Attachment and loss series Vol. 2). New
York: Penguin Books.
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E-Mail: [email protected]
Katja Nowacki und Josephine Kliewer-Neumann, Fachhochschule Dortmund; Ina Bovenschen und Gottfried Spangler, Universität Erlangen-Nürnberg; Ina Bovenschen, Katrin Lang und Janine Zimmermann,
Deutsches Jugendinstitut München
Bindung und sozio-emotionale Fähigkeiten von
jungen Pflegekindern – eine norwegische prospektive
Längsschnittstudie* 1
Heidi Jacobsen2
Summary
Young Foster Children’s Attachment and Socio-emotional Functioning – A Norwegian Prospective
and Longitudinal Study
The main aim of the present study was to investigate 60 young foster children’s attachment to
their foster parents and their socio-emotional functioning at age two and three years compared to 42 low-risk children. At age two, the children were seen in the Strange Situation
Procedure (SSP), and a foster parental report was used to investigate socio-emotional functioning. A majority of the foster children was classified as securely attached at both time
points, and no significant group difference was detected. Furthermore, among those who
were securely attached at age of two, a large majority remained so one year later. Concerning
social-emotional functioning, the foster children were reported to show more problem behaviour and less competence at age two and three, although their scores were within age-related
norms. The results in the present study are optimistic. However, the question is whether such
a positive developmental pathway will last when the foster children will meet new challenges
such as school entry and establishing close peer relationships.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 752-758
Keywords
attachment – socio-emotional functioning – foster children
* Übersetzung: Tobias Nolte
1 Die Ergebnisse der gesamten Studie sind in zwei internationalen Zeitschriften mit peer review
veröffentlicht worden (Jacobsen, Ivarsson, Wentzel-Larsen, Smith, Moe, 2014; Jacobsen, Moe,
Ivarsson, Wentzel-Larsen, Smith, 2013).
2 Diese Studie wurde von den National Committees for Research Ethics and the Norwegian Social
Science Data Services genehmigt und vom National Network for Infant Mental Health at RBUP
Eastern & Southern Norway, dem Ministry of Children, Equalization, and Social Inclusion und der
Extra Foundation Health and Rehabilitation gefördert. Ich möchte außerdem allen Familien, die an
der Studie teilgenommen haben, herzlich danken.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 752 – 758 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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Bindung und sozio-emotionale Fähigkeiten von jungen Pflegekindern������
753
Zusammenfassung
Das Hauptziel der vorliegenden Studie bestand darin, die Bindungsmuster von 60 jungen Pflegekindern zu ihren Pflegeeltern sowie ihr sozio-emotionales Funktionsniveau im Alter von zwei
und drei Jahren im Vergleich zu 42 niedrig-Risiko Kindern zu untersuchen. Die Kinder wurden im Alter von zwei Jahren mittels der Fremden Situation (SSP) untersucht und es wurden
Auskünfte der Eltern zum sozio-emotionalen Funktionslevel herangezogen. Die Mehrheit der
Pflegekinder wurde zu beiden Messzeitpunkten als sicher gebunden klassifiziert und es konnten
keine Gruppenunterschiede festgestellt werden. Des Weiteren blieb für die meisten der Kinder,
die im Alter von zwei Jahren sicher gebunden waren, dieses Bindungsmuster auch nach einem
weiteren Lebensjahr konstant. Bezüglich des Funktionsniveaus zeigten sich erhöhtes Problemverhalten bei den Pflegekindern und weniger Kompetenzen im Alter von zwei und drei Jahren,
wenngleich sich ihre Werte innerhalb altersnormaler Spannen bewegten. Die Ergebnisse dieser
Studie stimmen optimistisch. Jedoch bleibt die Frage offen, ob solch positive Entwicklungsverläufe von Bestand sind, sobald die Pflegekinder mit neuen Herausforderungen wie Schulbeginn
oder dem Eingehen von engen Beziehungen mit Gleichaltrigen konfrontiert sind.
Schlagwörter
Bindung – sozio-emotionales Funktionieren – Pflegekinder
1
Hintergrund
Für eine gesunde soziale Entwicklung brauchen Kinder vom Tag ihrer Geburt an
Bezugspersonen, denen es leicht fällt, Bedürfnisse nach Wärme und Unterstützung zu erkennen und darauf einzugehen (Ainsworth, Blehar, Waters, Wall, 1978;
Bowlby, 1969/1997; Dozier u. Rutter, 2008). Einige Eltern verfügen über nur sehr
eingeschränkte Fürsorgefähigkeiten, sodass neue Bezugspersonen dringend erforderlich sind. In solchen Fällen sind Pflegeeltern eine häufig genutzte Variante. Die
bisherige Forschung hat gezeigt, dass Pflegekinder ein erhöhtes Risiko aufweisen,
desorganisierte Bindungen (van den Dries, Juffer, van IJzendoorn, Bakermans-Kranenburg, 2009) und sozio-emotionale Probleme zu entwickeln (Lawrence, Carlson,
Egeland, 2006). Da Pflegekinder nicht in ihre Pflegefamilie hineingeboren werden,
kann die Ausbildung von Bindung komplizierter sein (Dozier u. Rutter, 2008). Die
empirischen Befunde zum sozio-emotionalen Funktionieren und der Bindung von
Pflegekindern sind widersprüchlich. Einerseits wurde von Pflegekindern berichtet,
dass sich ihr Problemverhalten verstärkt (Lawrence et al., 2006), wobei es andererseits Belege dafür gibt, dass sich Bindungen zu den neuen Bezugspersonen schon 14
Tage nach Unterbringung zeigen (Stovall u. Dozier, 2000), die sich später zu sicherer
Bindung entwickeln können (Stovall-McClough u. Dozier, 2004). Trotzdem scheinen Pflegekinder im Vergleich zu anderen Kindern ein höheres Risiko hinsichtlich
Verhaltensauffälligkeiten aufzuweisen.
754 H. Jacobsen
Die vorliegende Studie ist Teil einer Dissertation zu Bindung und Entwicklung bei
Pflegekindern in Norwegen (Jacobsen, 2014). Die wissenschaftlichen Fragen für diesen Kurzbericht lauten:
1. Unterscheiden sich Bindungsmuster junger Pflegekinder zu ihren Pflegeeltern im
Alter von zwei (T1) und drei (T2) Jahren von denen einer Kontrollgruppe und ist
Bindungssicherheit über diesen Zeitraum stabil?
2. Unterscheidet sich das sozio-emotionale Funktionsniveau bei Pflegekindern zu
T1 und T2 von dem der Kontrollkinder?
2
Studiendesign
Die vorliegende Studie stellt ein prospektives Längsschnittdesign dar, mit dem 60 Pflegekinder (24 Mädchen) und 42 Kinder einer Kontrollgruppe (21 Mädchen) aus Norwegen untersucht wurden. Die Kinder wurden im Alter von zwei (T1) und drei (T2)
Jahren untersucht. Drop-outs von T1 zu T2 gab es bei vier Kindern der Pflegegruppe
sowie zwei weiteren der Kontrollgruppe. Die Datenerhebung erfolgte von 2009 bis
2011. In beiden Gruppen (> 77 %) handelte es sich mehrheitlich um norwegische Kinder und die Kinder der Pflegegruppe hatten bei Studieneinschluss mindestens zwei
Monate in Pflege gelebt. Die Pflegeeltern hatten ein signifikant niedrigeres Bildungsniveau (p = .001) im Vergleich zur Kontrollgruppe, wobei es keine Unterschiede im
Haushaltseinkommen der Gruppen gab. Die Hauptbezugspersonen in beiden Gruppen waren überwiegend weiblich, typischerweise verheiratet und norwegisch.
Alle Pflegekinder wurden für einen langfristigen Pflegeaufenthalt vermittelt. Die
Mehrzahl hatte bereits zwei verschiedene Fremdunterbringungen erlebt (n = 33),
meist mit einer Notunterbringung als erster Station. Weitere 19 Kinder hatten nur
eine Platzierung in der aktuellen Pflegefamilie außerhalb ihrer Familie erlebt. Das
mittlere Alter zum Zeitpunkt der Herausnahme aus der biologischen Familie lag bei
weniger als sechs Monaten und die Mehrheit der Kinder (n = 43) war zwölf Monate
alt oder jünger, als sie bei der jetzigen Pflegefamilie untergebracht worden war. Vom
Sozialamt wurden die zwei Hauptgründe für die Herausnahme erfragt und mit elterlicher Substanzabusus, psychiatrische Probleme der Eltern, geistige Behinderung
der Eltern, stark eingeschränkte elterliche Fürsorgefähigkeiten, häusliche Gewalt und
jegliche Form von Misshandlung angegeben. Die meistgenannte Ursache war unzureichende elterliche Fürsorge. Nur wenige Pflegeeltern gaben an, zuvor schon einmal
Pflegekinder betreut zu haben. 35 % der Pflegeeltern hatten selbst keine Kinder.
3
Ablauf der Untersuchung
Probanden der Studiengruppe wurden über die Sozialämter rekrutiert, die der Kontrollgruppe meist durch Kindertagesstätten. Der als Hauptbezugsperson identifi-
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Bindung und sozio-emotionale Fähigkeiten von jungen Pflegekindern������
755
zierte Elternteil nahm an der Fremden Situation teil; zusätzlich wurde eine Reihe
von Fragebögen ausgefüllt. Alle Tests wurden in einer ambulanten Klinik oder ähnlichen Einrichtung durchgeführt.
4
Bindung zwischen Kind und Bezugsperson
Die Bindung beim Kind wurde mittels der Fremden Situation erfasst (Ainsworth
et al., 1978; Cassidy, Marvin, the MacArthur Attachment Working Group, 1992).
Dieses Verfahren umfasst acht Episoden und wurde entwickelt, um geringgradigen Stress im Kind auszulösen. Die Interrater-Reliabilität zu erfassen erwies sich
aufgrund der recht hohen Zahl sicher gebundener Kinder in beiden Gruppen als
schwierig, sodass sich wegen dieser unproportionierten Verteilung der Stichprobe
sehr geringe Kappa-Werte ergaben (-.06 bis .41), bei trotzdem zufriedenstellender
prozentualer Übereinstimmung (76-96 %).
5
Soziale und emotionale Einschätzung von Kleinkindern (ITSEA)
Zu den Zeitpunkten T1 und T2 wurde das ITSEA (The Infant-Toddler Social and Emotional Assessment; Carter u. Briggs-Gowan, 2006), eine Bewertung durch die Bezugsperson, verwendet, um das sozio-emotionale Funktionieren des Kindes zu erfassen.
Vier Verhaltensdomänen wurden dazu untersucht: Externalisierung, Internalisierung,
Dysregulation und Kompetenz. T-Werte mit einem Mittelwert von 50 wurden berechnet und eine Standardabweichung (SD) von 1.5 darunter wurde als „bedenklich“ angesehen. Für dieses Instrument wurden akzeptable Validität und Reliabilität berichtet.
6
Statistische Auswertung
Lineare mixed Effekt-Modelle (LME) wurden eingesetzt, um Veränderungen der
ITSEA-Werte im Alter von zwei und drei Jahren zu berechnen, bereinigt für Geburtsgewicht, Geschlecht und elterlichen Bildungsstand. Kreuztabellierungen mit
Chi-Quadrat-Tests wurden genutzt, um mögliche Unterschiede zwischen den
Gruppen zu untersuchen sowie McNemar’s Tests, um Instabilitäten innerhalb der
Gruppen zwischen zwei- und dreijährigen Kindern zu erfassen.
7
Ergebnisse
Wie aus Tabelle 1 ersichtlich ist, wurden die meisten Pflegekinder zu beiden Messzeitpunkten als sicher gebunden betrachtet (68.3 % zu T1 und 67.3 % zu T2); außer-
756 H. Jacobsen
dem wurde kein signifikanter Gruppenunterschied in der Bindungssicherheit zwischen den Gruppen gefunden (p = .66). Die Mehrheit der Pflegekinder (70.3 %), die
im Alter von zwei Jahren als sicher gebunden klassifiziert worden waren, behielten
diesen Status ein Jahr später bei.
Im Vergleich zu den Kontrollkindern zeigten die Pflegekinder hinsichtlich des
sozio-emotionalen Funktionierens ein signifikant ausgeprägteres problematisches
Verhalten (p ≤ .017) (Dysregulation im Alter von zwei und drei Jahren und externalisierendes Verhalten zu T2), wenngleich sich diese Probleme nicht verschlechterten.
Die sozio-emotionale Kompetenz der Pflegekinder verbesserte sich signifikant von
T1 zu T2 (p = .008), obwohl bei beiden Zeitpunkten signifikante Unterschiede zur
Kontrollgruppe bestehen blieben (p ≤ .007 (s. Tab. 1 für detaillierte Ergebnisse).
Tabelle 1: Häufigkeit von sicherer/unsicherer und organisierter/desorganisierter Bindung – Häufigkeit
und ITSEA Mittelwerte mit zwei und drei Jahren (Skalen: Externalisierung, Internalisierung, Dysregulation und Kompetenz)
2 Jahre
Bindung
Sicher
N
41
Pflegekinder
Kontrollkinder
Pflegekinder
Kontrollkinder
ITSEA
31
73.8
Organisiert
51
85.0
39
92.9
Internal. External.
Pflegekinder
Kontrollkinder
8
%
68.3
52
47
49
45
3 Jahre
Unsicher
n
%
19
31.7
Sicher
N
37
%
67.3
11
26.2
30
75.0
Desorganisiert
Organisiert
9
15.0
52
94.5
3
7.1
38
95.0
Dysreg. Komp. Internal. External.
Durchschnittliche T-Werte
46
44
54
53
38
55
46
49
Unsicher
n
%
18
32.7
10
25.0
Desorganisiert
3
5.5
2
5.0
Dysreg. Komp.
46
36
46
54
Diskussion
Frühere wissenschaftliche Befunde legen nahe, dass für Pflegekinder die Möglichkeit besteht, eine sichere Bindung zu ihren neuen Bezugspersonen zu entwickeln
(Stovall-McClough u. Dozier, 2004). In der vorliegenden Studie war die Mehrzahl
der Pflegekinder sicher gebunden. Deshalb könnte man schlussfolgern, dass es den
hier untersuchten Kindern damit besser ging. Allerdings bleibt es offen, ob die eingegangenen Beziehungen qualitativ gleichwertig zu denen von Dyaden mit biologischen Eltern sind (Dozier u. Rutter, 2008).
Die Stabilität der Bindungsmuster betreffend zeigte sich, dass die meisten der im
Alter von zwei Jahren als sicher gebunden eingeschätzten Kinder dies auch im Alter von drei Jahren waren. Dennoch war die allgemeine Stabilität nicht gegeben. Die
Ergebnisse erscheinen daher eher im Einklang mit Befunden, die eine moderate bis
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Bindung und sozio-emotionale Fähigkeiten von jungen Pflegekindern������
757
niedrige Stabilität nahelegen (Edwards, Eiden, Leonard, 2004). Deshalb ist es schwierig zu sagen, warum so viele Kinder – in beiden Gruppen dieser Studie – von sicher zu
unsicher bzw. umgekehrt wechselten.
Mit Blick auf sozio-emotionales Funktionieren lässt sich ein weniger klares Bild zeichnen: Obwohl die Pflegekinder im Vergleich höheres Problemverhalten zeigten, waren
ihre Werte „nicht bedenklich“, verglichen mit anderen norwegischen Studie (Havnen,
Breivik, Jakobsen, 2014). Eine mögliche Erklärung hinsichtlich der vorliegenden Studie
mag darin liegen, dass die Kinder jünger waren, wodurch ihre Probleme eventuell noch
nicht so ausgeprägt vorlagen bzw. schwieriger zu identifizieren waren.
Forschung zu Pflege hat sich bislang recht wenig mit sozio-emotionalen Kompetenzen beschäftigt. In der vorliegenden Studie ließ sich ein Anstieg in diesem Bereich
verzeichnen, wenn auch nicht signifikant. Konnten die Pflegekinder auch nicht zu denen der Kontrollgruppe aufschließen, geben die Ergebnisse doch Anlass zu Optimismus. Daher kann man schlussfolgern, dass die Pflegeeltern dieser Studie erfolgreich
darin waren, ihren jungen Pflegekindern bei der Entwicklung zufriedenstellender
Emotionsregulation zu helfen.
9
Limitationen
Es gibt einige Limitationen dieser Studie. Erstens war die Gruppengröße gering; mit
einem großen Anteil von sicher gebundenen Kindern in beiden Gruppen war die statistische Power eingeschränkt. Zweitens lassen sich die Ergebnisse nicht für alle Pflegekinder verallgemeinern, da es sich um eine nicht-repräsentative Studie handelt.
10
Fazit
Zusammengenommen zeigten die Pflegekinder in dieser Studie ein relativ vielversprechendes Entwicklungspotenzial über den Zeitraum eines Jahres. Die Mehrheit
der Kinder war in Bezug auf die Hauptbetreuungsperson sicher gebunden und ohne
zu Sorge veranlassende sozio-emotionale Verhaltensauffälligkeiten. Allerdings unterschieden sie sich trotz frühzeitiger Unterbringung in stabilen Pflegeverhältnissen sig­
nifikant von Kontrollen bezüglich ihres Funktionsniveaus. Diese Werte verbesserten
sich meist jedoch im Jahreszeitraum. Um die Dauerhaftigkeit dieser positiven Befunde
weiter bewerten zu können, müssen allerdings Folgeuntersuchungen bis ins Schulalter
und in die Adoleszenz erfolgen. Eine Folgestudie, die die Kinder im Alter von acht
Jahren weiter untersucht, hat gerade begonnen.
758 H. Jacobsen
Literatur
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Korrespondenzanschrift: E-Mail: [email protected]
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Interviewtechnik zur Erfassung von
Bindungsstörungssymptomen
Josephine D. Kliewer-Neumann, Ina Bovenschen, Inga C. Roland, Katrin Lang,
Gottfried Spangler und Katja Nowacki
Summary
Assessing Disturbances of Attachment Symptoms Using Interview Technique
Disturbances of attachment represent a clinically significant disorder and seriously impair
social behavioural functioning. To date there has been little research and valid diagnostic
methods are lacking. In the present study a German Version of the Disturbances of Attachment Interview developed by Smyke and Zeanah (1999) was used to assess disturbances of
attachment in a sample of foster children and the validity of the translation is investigated.
Furthermore, the Strengths and Difficulties Questionnaire (Goodman, 1997) was used to examine the discriminative validity. The results show a satisfying reliability and the scales of
attachment disorders declare the main of the variance. There is a weak association between
the disinhibited scale and hyperactivity in the SDQ. Overall the disinhibited disorder can be
distinguished from other behaviour patterns. Regarding the inhibited scale there are associations with all SDQ scales and the inhibited category seems harder to distinguish from other
deviant developmental issues. The method is evaluated as a qualified approach to the diagnosis of attachment disorders in the context of a multimethodical approach. Furthermore, the
findings suggest further examination of the construct of attachment disturbances.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 759-773
Keywords
disturbance of attachment interview – reactive attachment disorder – foster care – diagnostics
Zusammenfassung
Verursacht durch Fürsorgemängel sind Bindungsstörungen ernst zu nehmende psychische
Erkrankungen, die bislang noch wenig erforscht sind. Zur validen Erfassung fehlen insbesondere im deutschen Sprachraum überprüfte standardisierte Verfahren. In dieser Untersuchung
wird das Disturbances of Attachment Interview (DAI: Smyke u. Zeanah, 1999) übersetzt und
zur Validierung in einer Stichprobe von Pflegekindern und ihren Bezugspersonen durchgeführt. Die diskriminative Validität wird durch den zusätzlichen Einsatz des Strengths and
Difficulities Questionnaire (SDQ: Goodman, 1997) erfasst. Die Auswertungen ergaben eine
zufriedenstellende interne Konsistenz und eine hohe Varianzaufklärung durch die Störungsskalen. Zudem zeigte sich die disinhibierte Störungskategorie weitestgehend unabhängig von
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 759 – 773 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
760 J. D. Kliewer-Neumann et al.
erfassten Verhaltensauffälligkeiten, während Zusammenhänge zwischen der inhibierten Kategorie und allen Verhaltensdimensionen des Fragebogens gefunden werden konnten. Somit
zeigte sich die enthemmte Störungskategorie deutlich diskriminativ von anderen Auffälligkeiten. Die gehemmte Form scheint jedoch schwerer von Verhaltensanomalien trennbar zu
sein, beziehungsweise mit Auffälligkeiten einher zu gehen. Insgesamt zeigen die Ergebnisse
das Instrument als eine geeignete Methode zur Erfassung von Bindungsstörungen im Rahmen eines multimethodischen Vorgehens und implizieren eine weitere Untersuchung des
Störungskonstrukts.
Schlagwörter
Bindungsstörungen – Diagnostik – Bindungsstörungsinterview – Pflegekinder
1
Hintergrund
Schon seit Beginn der Bindungsforschung wird eine sichere Bindungsbeziehung zu
primären Bezugspersonen als wichtiger protektiver Faktor für die kindliche Entwicklung betrachtet (Bowlby, 1952), während ein unsicheres Bindungsmuster als Risikofaktor für die Entwicklung bewertet wird (z. B. Greenberg, Speltz, DeKlyen, 1993;
Lewis, Feiring, McGuffog, Jaskir, 1984; McCartney, Owen, Booth, Clarke-Stewart,
Vandell, 2004). Ein unsicheres Bindungsmuster allein ist nicht pathologisch, doch
kann dysfunktionales und ungerichtetes Bindungsverhalten auch Symptom einer eigenständigen psychischen Störung sein und wird in den Diagnosesystemen ICD und
DSM als solche aufgeführt (van IJzendoorn u. Bakerman-Kranenburg, 2003).
1.1 Theoretischer Hintergrund der Bindungsstörungen
Die bisherige Forschung im Bereich Bindungsstörungen basiert fast ausschließlich auf
Verhaltensbeobachtungen an Kindern, die unter extremen Bedingungen in großen
Heimeinrichtungen aufwachsen (Chisholm, 1998; O’Connor, Bredenkamp, Rutter, and
the English and Romanian Adoptees Study Team, 1999; Smyke, Dumitrescu, Zeanah,
2002; Zeanah u. Smyke, 2008). Obgleich sich die Umstände dieser Untersuchungen
unterscheiden, wurde übereinstimmend infolge mangelhafter Fürsorgebedingungen
inadäquates Sozialverhalten festgestellt, welches sich insbesondere im Beisein fremder
Personen zeigt (O’Connor u. Zeanah, 2003). Die Befunde von Tizard und Rees (1975)
bilden hierbei die Grundlage für die klinische Kategorie der Bindungsstörungen. Die
meisten der untersuchten Kinder zeigten entweder emotionales Rückzugsverhalten
oder indiskriminierendes Verhalten mit einem hohen Maß an Kontaktaufnahme. Diese beiden Verhaltensmuster stellten die Grundlage für die erste Syndrombeschreibung im DSM-III dar. Bei nachfolgenden Auflagen wurde die Definition wiederholt
überarbeitet, das Grundkonzept jedoch bis zu der aktuellen Fassung des DSM-IV be-
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761
ziehungsweise DSM-5 und der ICD-10 erhalten. Die heutigen Definitionen der Bindungsstörung in beiden Manualen basieren folglich auf Befunden an Kindern, die in
großen Heimeinrichtungen aufgewachsen sind (Minde, 2003).
1.2 Aktuelle Definition der Bindungsstörung
Die klinische Kategorie umfasst einen inhibierten und einen disinhibierten Subtyp, die
im DSM-IV unter dem gemeinsamen Begriff „Reaktive Bindungsstörung“ aufgeführt
werden. Entsprechend der Subkategorien finden sich in der ICD-10 zwei Störungsbilder: Die reaktive Bindungsstörung des Kindesalters (F94.1), die dem inhibierten
Subtypus des DSM-IV entspricht, und die Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung (F94.2), die dem disinhibierten Subtypus entspricht. Das aktuelle DSM-5
katalogisiert beide Störungstypen getrennt, wobei die „Reaktive Bindungsstörung“
den gehemmten Subtyp umfasst und die enthemmte Störung unter dem Konzept einer enthemmten Störung des Sozialverhaltens gelistet ist. Übereinstimmend zeichnet
sich der inhibierte Störungstyp durch Zurückgezogenheit, Überwachsamkeit und ambivalenter oder sonderbarer Suche nach Nähe einer Bezugsperson aus. Im Gegensatz
dazu steht bei dem disinhibierten Typus indiskriminierendes Verhalten durch die
Suche nach Nähe und Kontakt zu jeder verfügbaren Bezugsperson im Vordergrund
(Boris, Zeanah, Larrieu, Scheeringa, Heller, 1998). Beiden Störungsbildern ist die
mangelnde Differenzierung bei der Suche oder Vermeidung von Kontakt und Nähe
gemein, das heißt, dass das gezeigte Beziehungsverhalten nicht personenspezifisch,
sondern generalisiert in Erscheinung tritt. Ein Ansatz, der neben der gehemmten und
der ungehemmten Form noch weitere Bindungsstörungskategorien beschreibt, wurde 1995 von Lieberman und Zeanah veröffentlicht. Die Autoren beschreiben mit der
„Störung der sicheren Basis“ eine Störung der Bindungsbeziehung, die sich durch Verhaltensweisen wie Selbstgefährdung, Ängstlichkeit oder Anklammern des Kindes an
die Bezugsperson manifestiert. Diese Kategorie beschreibt eine Störung innerhalb der
Beziehung zu einer bestimmten Bezugsperson und ist aktuell nicht in den Diagnosemanualen berücksichtigt (Boris u. Zeanah, 1999).
1.3 Ätiologische Faktoren
In der Syndrombeschreibung durch das DSM-IV ist die pathogene Fürsorge als Symptom der Bindungsstörung aufgeführt. Wiederholt werden die symptomatischen
Verhaltensmuster der Bindungsstörungen als Anpassungsleistung des Kindes an
seine pathogene Umwelt beschrieben (Minde, 2003). Einige Autoren betonen diesen
Adaptionscharakter und suggerieren die gezeigten Verhaltensweisen nicht als Störungssymptome zu klassifizieren, sondern als Reaktion auf erlebte Fürsorgemängel
(Balbernie, 2010). Andere Autoren betonen aber, dass die Symptome keinesfalls mit
funktionalem Sozialverhalten zu vereinbaren sind und eine deutliche Beeinträchtigung darstellen (van IJzendoorn u. Bakerman-Kranenburg, 2003).
762 J. D. Kliewer-Neumann et al.
Als zentral für die Störungsgenese werden besonders aversive Erfahrungen wie
Misshandlung, Vernachlässigung und Missbrauch durch Bezugspersonen oder Beziehungsabbruch, beziehungsweise das Fehlen von Bezugspersonen angenommen
(Minnis, Marwick, Arthur, McLaughlin, 2006; Boris et al., 2004). Durch Studien mit
rumänischen Waisenkindern wurde vor allem der Zusammenhang zwischen institutioneller Erziehung und Bindungsstörungen wiederholt festgestellt (Chisholm, 1998;
Smyke et al., 2002; Zeanah, Smyke, Dumitrescu, 2002; Zeanah, Smyke, Koga, Carlson, 2005). Ein inkonsistentes Umfeld mit häufigen Betreuungswechseln erhöht so
die Auftretenswahrscheinlichkeit von Bindungsstörungen (Smyke et al., 2002). Verschiedene Arten der Fremdunterbringung stehen folglich in Zusammenhang mit der
Entwicklung von Bindungsstörungssymptomen. Risikogruppen sind neben Heimkindern (Smyke et al., 2002) auch Pflegekinder, bei denen Erfahrungen von Missbrauch
oder Vernachlässigung häufig Ursache für die Fremdunterbringung sind (Minnis et
al., 2006).
1.4 Störungsverlauf
Die beschriebenen Störungsbilder stellen ein erhebliches Entwicklungsrisiko dar:
Smyke et al. (2002) berichten Zusammenhänge zwischen Bindungsstörungssymptomatik und Verhaltensauffälligkeiten und Sprachverzögerungen. Rutter et al. (2007)
betonen zudem, dass neben Problemen mit Gleichaltrigen auch Aufmerksamkeitsprobleme und kognitive Einschränkungen mit Bindungsstörungssymptomen einhergehen können. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Störungskategorien
von anderen Auffälligkeiten diagnostisch abzugrenzen. Gleason et al. (2011) konnten so zeigen, dass beide Störungsformen sowohl voneinander als auch von anderen
Störungen distinkt sind. Während allgemein Konsens über die Symptomdarstellung
herrscht, gibt es verschiedene Befunde zu Überschneidungen oder Stabilität des gehemmten und enthemmten Störungsbildes (Minnis et al., 2009).
Der Verlauf von Bindungsstörungen ist wenig untersucht. Es zeigte sich, dass die
Symptome der inhibierten Störungskategorie durch eine Unterbringung in einer
stabilen familiären Umgebung (Pflegefamilie) reduzierbar sind (Chisholm, 1998;
Smyke et al., 2012). Die disinhibierten Symptome sind stabiler, doch stellen Smyke
et al. (2012) dar, dass eine Unterbringung in einer Pflegefamilie einen deutlich günstigeren Verlauf prognostiziert als eine Heimunterbringung. Personenindifferentes
Verhalten, das sowohl bei der enthemmten als auch bei der gehemmten Form der
Bindungsstörung vorkommen kann (Smyke et al., 2002), scheint resistenter als andere Symptome (Zeanah et al., 2002; Chisholm, 1998). Dieses Verhalten ist auch
nach langer Zeit stabil und kann noch im Jugendalter als Syndrom infolge früherer
deprivierter, institutionalisierter Fürsorge gefunden werden (Hodges u. Tizard,
1989; Rutter et al., 2007).
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763
1.5 Diagnostik von Bindungsstörungen
Die publizierten Diagnoseinstrumente zur Erfassung von Bindungsstörungssymptomen
basieren weitestgehend auf der Definition des DSM-IV. O’Connor und Zeanah (2003)
stellen dar, dass es insbesondere in den Bereichen Diagnostik und Intervention viele
Kontroversen gibt. Ein Goldstandard für die Diagnostik von Bindungsstörungen ist
bisher nicht gegeben (Boris et al., 2004). Die in der Forschung verwendeten Methoden
wurden bisher lediglich im angloamerikanischen Raum überprüft; dagegen liegen im
deutschsprachigen Raum kaum geeignete Methoden zur objektiven Diagnose der Störungssymptome vor. In der Praxis erfolgt die Diagnosestellung durch die klinische Beurteilung des Diagnostikers, womit die Qualität der Begutachtung von der jeweiligen
Vorerfahrung der Fachkraft abhängt. Auch in der Vielfalt internationaler Forschungsansätze gibt es kaum eine breit akzeptierte Messmethodik (Minde, 2003). Verschiedene
Autoren entwickelten unterschiedliche Messinstrumente zur Erfassung von Bindungsstörungen, die auf protokollierten Verhaltensbeobachtungen, Interview- oder Fragebogentechniken aufbauen. Die strukturierte Untersuchungssituation in der Fremden
Situation (Ainsworth, Blehar, Waters, Wall, 1978) wurde so unter anderem von Riley,
Atlas-Corbett und Lyons-Ruth (2005) verwendet, um indiskriminierendes Bindungsverhalten zu erfassen. Da diese Methode jedoch auf der impliziten Annahme gründet,
dass eine Bindungsbeziehung zwischen der Hauptbezugsperson und dem Kind besteht,
ist die Verwendung dieser in der Bindungsstörungsdiagnostik umstritten (O’Connor u.
Zeanah, 2003). Fragebogentechniken (z. B. Minnis, Rabe-Hesketh, Wolkind, 2002) sind
in der Nutzung hoch ökonomisch, doch ist fraglich, inwiefern die Befragten die relevanten Verhaltensweisen tatsächlich einzuschätzen wissen und inwieweit Aspekte der
sozialen Erwünschtheit eine Rolle spielen (O’Connor u. Zeanah, 2003). Ein Vorteil der
Interviewmethodik im Gegensatz zu Fragebögen liegt in der Möglichkeit, Informationen über den Verlauf der Symptomatik und den Kontext eventueller Auffälligkeiten
einzuholen. So können die relevanten Verhaltensweisen kontextbezogen bewertet und
Alltagssequenzen im Dialog objektiviert werden (O’Connor u. Zeanah, 2003). Ein ökonomisches Instrument ist das englischsprachige, halbstandardisierte Bindungsstörungsinterview (DAI: Disturbances of Attachment Interview; Smyke u. Zeanah, 1999), in dem
Bindungsstörungssymptome von drei beschriebenen Störungsbereichen (gehemmt,
enthemmt, Störung der sicheren Basis) abgefragt werden.
1.6 Ziel der Untersuchung
Für die vorliegende Untersuchung wurde in Anlehnung an das englische Interviewmanual ein deutschsprachiges Manual entwickelt. Die Qualität der Übersetzung wurde durch eine englischsprachige Übersetzerin kontrolliert. Mittels einer Stichprobe
aus einer störungsrelevanten Gruppe von Pflegekindern wird die Struktur des Interviews durch eine Faktorenanalyse auf Validität überprüft. Ziel der Studie ist, die von
Smyke und Zeanah (1999) gefundene Faktorenstruktur zu replizieren. Zudem soll die
764 J. D. Kliewer-Neumann et al.
Diskriminanzvalidität geprüft werden, indem die Bindungsstörungssymptome in Zusammenhang mit anderen Verhaltensauffälligkeiten untersucht werden.
2
Methode
2.1 Stichprobe
Die Stichprobe besteht aus 50 Pflegefamilien, bei denen zum Erhebungszeitpunkt
mindestens ein Kind untergebracht war. Die Probanden wurden durch Kontakte zu
Pflegekinderdiensten der kommunalen Jugendämter im Raum Dortmund und Erlangen und zu Pflegeelterngruppen (PADO, Dortmund und Pfad, Erlangen) rekrutiert.
Die Pflegekinder waren zum Erhebungsdatum im Alter von 34 bis 104 Monaten (M =
68.32; SD = 19.29) und zu 48 % weiblich (n = 24), beziehungsweise zu 52 % männlich
(n = 26). Im Mittel lebten die Kinder seit 45.36 Monaten in der Pflegefamilie (Min.:
1, Max.: 95, SD = 26.06) und waren zum Vermittlungszeitpunkt zwischen 0 und 78
Monaten alt (M = 23.22, SD = 19.23). Vor der Unterbringung in der aktuellen Pflegefamilie waren 80 % der Kinder (n = 40) bereits in einer anderen Pflegefamilie oder
Einrichtung untergebracht. Die Muttersprache war bei allen Kindern Deutsch.
Mittels eines speziell konstruierten Fragebogens zur Erfassung von soziodemografischen Daten wurden bei den Pflegeeltern Besonderheiten in der Entwicklung des
Kindes, Gründe für die Inobhutnahme und Besonderheiten der familiären Situation
sowohl in der Herkunfts- als auch in der Pflegefamilie erfragt. Nach Angabe der Pflegeeltern wiesen 62 % der Pflegekinder (n = 31) Entwicklungsbesonderheiten auf. Am
häufigsten wurden hierbei Entwicklungsverzögerungen (im Bereich Sprachentwicklung oder Motorik) berichtet. Als Gründe für die Inobhutnahme wurden durch die
Pflegeeltern bei 24 % der Fälle Vernachlässigung angegeben. Am zweithäufigsten wurde angegeben, dass die Inobhutnahme auf Grund der psychischen Erkrankung eines
Elternteils erfolgt (14 %). Als weitere wichtige Gründe wurden die freiwillige Abgabe
(8 %) und körperliche Misshandlung (6 %) angegeben.
Betreut wurden die Kinder zu 60 % vorwiegend von der Pflegemutter. In 6 % der
Pflegefamilien übernahmen die Pflegeväter die Hauptbetreuung des Kindes und 34 %
der Pflegeeltern gaben an, sich zu gleichen Teilen um das Pflegekind zu kümmern. Es
wurde dann entsprechend jeweils die Hauptbezugsperson beziehungsweise eine der
Hauptbezugspersonen bezüglich möglicher Bindungsstörungssymptome des Pflegekindes interviewt.
2.3 Instrumente
Disturbances of Attachment Interview. Das von Smyke und Zeanah (1999) entwickelte Interview dient der Erfassung beider Formen der im DSM-IV aufgeführten
reaktiven Bindungsstörung (gehemmter und enthemmter Subtypus), sowie des
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Konzepts der „Störung der sicheren Basis“ (Liebermann u. Zeanah, 1995). Das Interview besteht aus zwölf Hauptfragen, die das Vorhandensein und die Ausprägung
verschiedener Symptome der Bindungsstörungen abklären. Für jedes der Items wird
auf einer dreistufigen Skala eingeschätzt, ob das beschriebene Verhaltensmuster
deutlich, manchmal oder selten gezeigt wird. Bezugnehmend auf die Auswertungen
von Smyke und Zeanah (1999) wird die Skala der inhibierten Bindungsstörung
durch einen Summenscore der Interviewitems 1, 2, 3, 4 und 5 gebildet, die Skala der
disinhibierten Störung durch die Items 1, 6, 7 und 8. Die Items 9 bis 12 dienen der
Abklärung der Störung der sicheren Basis (Eine Kurzbeschreibung der einzelnen
Items ist in Tabelle 1 abzulesen). Es ergeben sich somit dimensionale Werte für jede
Skala. Inhaltlich ist ein hoher Wert Hinweis auf das Vorliegen einer Störung. Zeanah
et al. (2002) schlagen vor, einen Cut-Off-Wert von 3 festzulegen: Ein Summenwert
von 3 oder mehr deutet somit darauf hin, dass eine Bindungsstörung in diesem Bereich vorliegt, womit auch eine kategoriale Einschätzung der Werte gegeben ist.
Tabelle 1: Kurzbeschreibung der Items des DAI
Item
Umgang mit unterschiedlichen
Personen
Verhalten bei Verletzungen
Reaktion auf Trost
Reziproke Interaktion
Emotionsregulation
Beschreibung
Hat das Kind eine bestimmte Bezugsperson, die es bevorzugt?
Sucht das Kind bevorzugt bei einer Bezugsperson Trost?
Lässt sich das Kind trösten?
Kommuniziert das Kind wechselseitig mit der Bezugsperson?
Reguliert das Kind seine Emotionen gut mit einer angemessenen Ausprägung von Traurigkeit?
Zurück-Versicherung
Versichert sich da Kind in unbekannter Umgebung bei der
(back-checking)
Bezugsperson zurück?
Zurückhaltung gegenüber Fremden Ist das Kind im Kontakt zu Fremden zunächst zurückhaltend?
Mitgehen mit Fremden
Würde das Kind mit einer fremden Person mitgehen?
Selbst gefährdendes Verhalten
Zeigt das Kind Selbstgefährdendes Verhalten in Gegenwart von
Bezugspersonen?
Exzessives Anklammern
Tendiert das Kind dazu sich anzuklammern, insbesondere in
Gegenwart von Fremden?
Ängstlichkeit, Gehemmtheit,
Ist das Kind ängstlich oder wachsam gegenüber Bezugspersonen?
Überwachung
Kontrollierendes Verhalten, nicht
Beschäftigt sich das Kind übermäßig mit dem Wohlergehen von
der kindlichen Rolle angemessen
Bezugspersonen?
Strengths and Difficulties Questionnaire (SDQ). Der SDQ (Goodman, 1997) ist ein
Screeninginstrument zur Erfassung von Verhaltensauffälligkeiten bei Kinder und
Jugendlichen im Alter von 4 bis 16 Jahren. Der Fragebogen wird von der zuständigen
Bezugsperson ausgefüllt, indem jede Verhaltensbeschreibung auf einer dreistufigen
Skala von nicht zutreffend bis eindeutig zutreffend beurteilt wird. Der SDQ besteht
aus 25 Items, die insgesamt fünf Skalen zuzuordnen sind: Emotionale Probleme,
766 J. D. Kliewer-Neumann et al.
Hyperaktivität, Probleme im Umgang mit Gleichaltrigen, Verhaltensauffälligkeiten
und prosoziales Verhalten. Jede Skala wird aus je fünf Items gebildet und kann einen
Wert zwischen 0 und 10 annehmen. Zudem lässt sich aus den vier Problemskalen
ein Gesamtproblemwert bilden. Die Autoren empfehlen für jede der Skalen einen
Cutt-Off-Wert zur kategorialen Interpretation der Ergebnisse.
2.4 Durchführung
Die Interviews wurden in Räumlichkeiten der Universität Erlangen-Nürnberg
beziehungsweise der Fachhochschule Dortmund durchgeführt. Interviewt wurde die Hauptbezugsperson des Pflegekindes, während dieses im Nebenzimmer
an einer anderen Testung teilnahm. Die Durchführung erfolgte durch trainierte
Testleiter und die Dauer der Interviews betrug etwa 30 Minuten. Die Interviews
wurden, nachdem das Einverständnis der Probanden eingeholt worden war, mit
einem Audiogerät aufgezeichnet, anschließend transkribiert und per Codierung
anonymisiert. Des Weiteren wurde die Hauptbezugsperson gebeten, im Rahmen
der Untersuchung eine Einschätzung verschiedener Verhaltensmerkmale mittels
des SDQ vorzunehmen.
Auf Grund technischer Probleme war die Auswertung eines Interviews nicht möglich. Die restlichen Interviews wurden durch zwei unabhängige, trainierte1 Rater in
Anlehnung an Smyke und Zeanah (1999) ausgewertet. Die beiden Rater werten unabhängig voneinander alle Interviews der teilnehmenden Pflegeeltern aus. 30 % der
Interviews wurden doppelt ausgewertete und es ergaben sich Cohen’s Kappa für die
inhibierte Skala von .76, für die disinhibierte Skala von .80 und für die Secure Base
Distortion von .65.
2.5 Analysen
Die Berechnungen erfolgten mit dem Statistikprogram SPSS 20. Zur Beantwortung
der ersten Fragestellung wurde eine Faktorenanalyse berechnet, um zu erfassen,
welche Items statistisch zu Faktoren zusammengefasst werden können. Des Weiteren wurden Reliabilitätsanalysen für die einzelnen Faktoren berechnet. Zudem
wurden Korrelationskoeffizieten nach Pearson berechnet, um den Zusammenhang
zischen den Bindungsstörungskategorien und den Verhaltensskalen des SDQ zu bestimmen.
1 Zuvor trainierten die Auswerter an englischen Fällen der Forschungsgruppe um Isabel Soares,
Portugal und erreichten im Mittel eine Übereinstimmung von r = 0.8. Zudem bestand fachlicher
Austausch mit dem Labor von Carlo Schuengel in den Niederlanden, sodass schwierige Fälle mit
kompetenten Ansprechpartnern diskutiert wurden.
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767
3
Resultate
3.1 Deskriptive Befunde
DAI. In der dimensionalen Auswertung zeigten sich in der Stichprobe Symptome
aller erfassten Störungsformen. Insgesamt zeigten sieben Kinder (14 %) eine reaktive Bindungsstörung der einen oder anderen Form. In zwei Fällen lagen dabei Symptomauffälligkeiten beider Kategorien vor.
SDQ. Bei der Auswertung einzelnen Skalen zeigte sich, dass in der Stichprobe alle
erfassten Verhaltensauffälligkeiten vorkamen.
Die Mittelwerte und Häufigkeiten der Bindungsstörungssymptome und -diagnosen
sowie die Angaben zu Verhaltensauffälligkeiten sind in Tabelle 2 abgetragen.
Tabelle 2: Häufigkeit von Bindungsstörungssymptomen (DAI) und Verhaltensauffälligkeiten (SDQ)
M (SD)
DAI
SDQ
Gehemmte Bindungsstörung
Enthemmte Bindungsstörung
Störung der sicheren Basis
Gesamtproblemwert
Emotionale Probleme
Verhaltensauffälligkeiten
Hyperaktivität
Probleme mit Gleichaltrigen
Prosoziales Verhalten
0.67 (0.97)
1.08 (1.53)
0.71 (1.10)
11.49 (6.29)
2.55 (2.12)
2.98 (1.69)
4.10 (2.82)
1.86 (1.92)
6.69 (2.08)
Min Max
0
0
0
2
0
0
0
0
2
4
5
4
26
8
8
10
9
10
Unauff.
(%)
46 (92)
45 (90)
46 (96)
32 (65.3)
34 (69.4)
19 (38.8)
34 (69.4)
35 (71.4)
37 (75.5)
Grenzw.
(%)
4 (8.2)
8 (16.3)
10 (20.4)
4 (8.2)
7 (14.3)
5 (10.2)
Auffällig
(%)
4 (8)
5 (10)
4 (8)
13 (26.5)
7 (14.3)
20 (40.8)
11 (22.4)
7 (14.3)
7 (14.3)
3.2 Faktorenanalyse des Disturbances of Attachment Interviews
Zunächst wurde mittels einer Faktorenanalyse geprüft, welche Skalenstruktur die
Datenlage nahe legt. Es zeigte sich, dass Item 1 (welches sowohl für die Bewertung
der gehemmten als auch der enthemmten Störungsform dient) nicht distinktiv ist,
da es stets mit Null bewertet wurde. Auf Grund der fehlenden Varianz wurde dieses
Item aus der weiteren Analyse ausgeschlossen. Nach Varimax-Rotation ließen sich in
der Hauptkomponentenanalyse drei Faktoren extrahieren, die zusammen 57 % der
Varianz erklärten. Der erste Faktor erklärte 20,61 % der Varianz und die relevanten
Items zur Skala der enthemmten Bindungsstörung luden hypothesenkonform auf
diesen Faktor (vgl. Tab. 3). Der zweite Faktor erklärte einen Varianzanteil von 18,69
% und bildete Items für gehemmte Bindungsstörungssymptome ab. Allein Item 5
zeigte keine deutliche Ladung auf diesen Faktor. Item 2 dahingegen lud sowohl auf
den zweiten (inhaltlich relevanten) als auch auf den ersten Faktor, wobei die Ladung
im zweiten Fall sogar stärker ausfiel. Der dritte Faktor, mit einer Varianzaufklärung
768 J. D. Kliewer-Neumann et al.
von 17,64 %, zeigte Ladungen der Items der Störung der sicheren Basis. Es zeigte sich
so eine Erklärung des Großteils der Varianz durch die drei Skalen, doch blieb ein
nicht unerheblicher Anteil nicht durch die drei Hauptskalen des Interviews erklärbar. Zudem war die Ladung der einzelnen Items weitestgehend erwartungsgemäß,
mit Ausnahme der Items 2 und 5, die nicht der Interviewstruktur entsprechend auf
den zweiten Faktor (enthemmte Bindungsstörungssymptome) luden.
Tabelle 3: Ladung der einzelnen Variablen auf die extrahierten Faktoren nach Varimax-Rotation
Item
Verhalten bei Verletzungen
Reaktion auf Trost
Reziproke Interaktion
Emotionsregulation
Zurück-Versicherung (back-checking)
Zurückhaltung gegenüber Fremden
Mitgehen mit Fremden
Selbst gefährdendes Verhalten
Exzessives Anklammern
Ängstlichkeit, Gehemmtheit, Überwachung
Kontrollierendes Verhalten, nicht der kindlichen Rolle angemessen
Faktor 1:
Faktor 2:
Faktor 3:
Enthemmtes
Gehemmtes
Störung der
Störungsmuster Störungsmuster sicheren Basis
.669
.478
-.043
.060
.875
.134
-.001
.786
-.243
.086
.198
.394
.838
.207
-.165
.949
.027
.034
.760
-.137
.311
-.038
-.107
.407
-.231
.281
.420
.081
.160
.739
.098
-.103
.682
3.3 Reliabilitätsanalyse
Um die Funktionalität des Instruments in der deutschen Übersetzung zu prüfen,
wurde anhand der vorliegenden Daten die interne Konsistenz der drei Hauptskalen
ermittelt. Für die Skala der inhibierten Bindungsstörung lag Cronbachs α bei .56.
Durch die Herausnahme von Item 5 wurde ein zufriedenstellender Wert von .72
erreicht. Die Skala der disinhibierten Störungssymptome hatte mit Cronbachs α =
.83 eine gute Reliabilität. Cronbachs α für die Skala der Störung der sicheren Basis
lag bei .42 und war damit nicht ausreichend.
3.4 Zusammenhang zwischen Bindungsstörungssymptomen und
Verhaltensauffälligkeiten
Zur Überprüfung der diskriminativen Validität wurden Korrelationskoeffizienten
zwischen der enthemmten und der gehemmten Skala des DAI und den Kategorien
des SDQ berechnet. (Die Resultate sind in Tabelle 4 abgetragen). Für die disinhibierte Skala ergab sich eine signifikante Korrelationen zu der Skala Hyperaktivität.
Hierdurch konnten etwa 8 % der gemeinsamen Varianz erklärt werden. Für die in-
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Erfassung von Bindungsstörungssymptomen������
769
hibierte Skala ergaben sich signifikante Korrelationen mit allen Skalen des SDQ. Die
größte Erklärung gemeinsamer Varianz lag hier bei etwa 31 %, die sich durch den
Gesamtproblemwert ergeben.
Tabelle 4: Korrelationskoeffizienten nach Pearson (r) zwischen den Kategorien des SDQ der enthemmten und der gehemmten Störungskategorie
Emotionale Auffälligkeiten
Verhaltensauffälligkeiten
Hyperaktivität
Probleme mit Gleichaltrigen
Prosoziales Verhalten
Gesamtproblemwert
Enthemmte Störungskategorie
-,265
-,104
,283*
-,217
-,018
-,056
Gehemmte Störungskategorie
,364*
,481**
,333*
,504**
,413*
,555**
** p < .001; * p < .05
4
Diskussion
Die Auswertungen zeigten, dass durch das DAI bei 14 % der Pflegekinder dieser Stichprobe eine Bindungsstörung diagnostiziert werden konnte. Weniger als 10 % der Pflegekinder zeigten Auffälligkeiten im Bereich einer Störung der sicheren Basis. Diese
Anteile sind vergleichbar mit den von Oosterman und Schuengel (2008) gefundenen
Häufigkeiten in einer Stichprobe von Pflegekindern. Es zeigten sich außerdem Verhaltensauffälligkeiten in allen Problembereichen des SDQ, sodass etwa ein Viertel der
Kinder im Gesamtproblemwert als auffällig beschrieben werden konnten.
4.1 Faktorenstruktur und diskriminative Validität
Die Ergebnisse der Faktorenanalyse zeigten, dass die Skalen „enthemmte Bindungsstörung“, „gehemmte Bindungsstörung“ und „Störung der sicheren Basis“ in den vorliegenden Daten repliziert werden konnten. Aus der Faktorenstruktur konnten drei
Faktoren ermittelt werden, die den drei von Smyke und Zeanah (1999) erfassten Störungsmustern entsprechen. Die relevanten Items standen weitestgehend im Zusammenhang mit den zu erfassenden Störungsdimensionen. Allein Item 1, das erfragt, ob
das Kind eine bevorzugte Bezugsperson hat, lud auf keiner der Faktoren. Item 2 hingegen, dass inhaltlich dem zweiten Faktor zuzuordnen wäre, lud auf beide Faktoren
und zeigte sogar eine größere Ladung für den ersten Faktor. Für die Bewertung der
gehemmten Form der Bindungsstörung scheint das trostsuchende Verhalten, wie hier
erfragt, nicht relevant zu sein, vielmehr scheinen die Verhaltensweisen wie die Reaktion auf Trost und die Möglichkeit zur reziproker Interaktion wesentlich. Zudem zeigte
sich, dass Item 5, das die Emotionsregulation erfragt, statistisch nicht sehr bedeutsam
für die gehemmte Bindungsstörungskategorie ist. Den Befunden zufolge können die
770 J. D. Kliewer-Neumann et al.
Verhaltensweisen, die durch die Interviewitems 6, 7 und 8 erfragt werden, zur Skala
der enthemmten Bindungsstörung zusammengefasst werden. Wie durch Smyke und
Zeanah (1999) postuliert, sind so insbesondere Reaktionen auf fremde Personen und
Zurückversicherung bei Bezugspersonen wichtige Momente bei der Beurteilung einer
Bindungsstörung vom disinhibierten Typ. Auch bezüglich der Skala der Störung der
sicheren Basis entsprach die Itemstruktur den Erwartungen. Insgesamt entsprachen
die Auswertungen somit weitestgehend der durch die Autoren Smyke und Zeanah
(1999) vorgesehenen Struktur. Im Wesentlichen standen die beschriebenen Symptome
der beiden Störungstypen (enthemmt und gehemmt) also miteinander in dem erwarteten Zusammenhang und bildeten je eine Störungsgruppe, wobei die Itemstruktur
der enthemmten Form sich als statistisch robuster erwies.
Des Weiteren erwies sich das Instrument durch die Untersuchung der Reliabilität
in Bezug auf die Dimensionen der gehemmten und der enthemmten Störung auch
in der deutschen Übersetzung als zuverlässig. Erfreulicherweise zeigte sich eine hohe
Varianzaufklärung durch diese beiden Skalen. Die Störung der sicheren Basis konnte
in den vorhandenen Daten nicht in dieser Form repliziert werden.
In Bezug auf die disinhibierte Skala zeigten sich lediglich geringe Zusammenhänge
mit der Hyperaktivität. Darüber hinaus zeigte sich kein Zusammenhang zwischen enthemmten Störungssymptomen und Verhaltensauffälligkeiten, erfasst durch den SDQ. Die
diagnostischen Kriterien für die disinhibierte Störungskategorie scheinen so unabhängig
von anderen Verhaltensauffälligkeiten zu sein und stellen eine klinisch deutlich abgrenzbare Kategorie dar. Dieser Befund deckt sich mit dem von Gleason et al. (2011), die zeigen
konnten, dass sich die enthemmte Störungskategorie deutlich von anderen Konstrukten
unterscheidet. In Bezug auf die inhibierte Störungskategorie des DAI zeigten sich Zusammenhänge mit den Skalen des SDQ, wobei keiner der Zusammenhänge als stark
zu bezeichnen ist und so nicht von einer Überlappung der Konstrukte zu sprechen ist.
Möglicherweise ist ein Grund dafür die weniger deutliche Symptomausprägung der Kategorie auf Verhaltensebene. Während sich die disinhibierten Störungssymptome so deutlich auffällig für die Bezugspersonen präsentieren, zeigen sich die inhibierten Symptome
subtiler und sind so möglicherweise auch anfälliger für eine Interpretation in anderen
Verhaltenskategorien. Zudem können die Ergebnisse auch auf die höhere Einschränkung
durch die gehemmte Bindungsstörung hinweisen. Auch Gleason et al. (2011) fanden Zusammenhängen zwischen gehemmten Bindungsstörungssymptomen und anderen psychiatrischen Auffälligkeiten. Die Darstellung der gehemmten Störungskategorie stellt sich
insgesamt weniger eindeutig als die enthemmte Kategorie dar und geht möglicherweise
mit deutlicher Beeinträchtigung in verschiedenen Bereichen einher.
4.2 Stärken und Schwächen der Untersuchung
Die Stichprobe der Pflegekinder ist, wie einleitend erwähnt, eine für die Genese von
Bindungsstörungen vulnerable Gruppe. Boris et al. (2004) konnten bereits zeigen,
dass die Diagnose von Bindungsstörungen in Risikogruppen reliabel möglich ist.
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Erfassung von Bindungsstörungssymptomen������
771
Trotz der eher geringen Größe der Stichprobe sprechen die gefundenen Werte für
eine zuverlässige Messung.
Die Beurteilung der gezeigten Verhaltensweisen stützte sich auf Auskünfte der Bezugspersonen der Kinder. In dieser Tatsache liegt ein möglicher Schwachpunkt. Bei
der Durchführung des Interviews fiel gelegentlich auf, dass die abgefragten Verhaltensweisen nicht unmittelbar verständlich für die Bezugspersonen waren. So kann es
zu Falscheinschätzungen seitens der befragten Person kommen. Zudem finden sich
individuelle Bewertungen bezüglich der Häufigkeit eines Verhaltens. Die Auswertung
der Interviewfragen basiert weitestgehend auf einer Einschätzung, ob das Verhalten
selten, gelegentlich oder oft gezeigt wird. Um dies zu bewerten zieht der Auswerter
die subjektive Aussage der Bezugsperson heran. Rutter et al. (2007) berichten allerdings, dass die Elterneinschätzung in Bezug auf disinhibiertes Verhalten mit den Beobachtungen objektiver Rater weitestgehend übereinstimmt und Elternberichte zur
Diagnose herangezogen werden können. Auch innerhalb der Fragebogenmethode zur
Verhaltenseinschätzung könnte es zu Ungenauigkeiten oder individuellen Verhaltensinterpretationen durch den Fremdbericht gekommen sein.
Fazit für die Praxis
Das Interviewmanual erwies sich in Bezug auf die enthemmte und die gehemmte
Störungskategorien als statistisch robust. Eine Anwendung des Instruments im
Rahmen einer sorgfältigen Diagnose erscheint somit sinnvoll. Die gefundenen
Limitierungen des Interviews sollten jedoch auch Anregung sein, die Diagnose
in der Praxis multimethodisch zu stellen und neben dem operationalisierten Fragen auch die klinische Beobachtung und weitere Informationen zur Krankheitsgeschichte einzubeziehen. Des Weiteren implizieren die aktualisierten klinischen
Richtlinien im DSM-5 eine kritische Prüfung der vorhandenen Instrumente und
die Weiterentwicklung methodischer Ansätze.
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Korrespondenzanschrift: Josephine Daniela Kliewer-Neumann, Fachhochschule Dortmund, Emil-Figge Straße 44, 44227 Dortmund; E-Mail: [email protected]
Josephine D. Kliewer-Neumann, Inga C. Roland und Katja Nowacki, Fachhochschule Dortmund; Ina Bovenschen, Katrin Lang und Gottfried Spangler, Universität Erlangen-Nürnberg
ÜBERSICHTSARBEITEN
Bindung und kognitive sowie motorische Entwicklung in
den ersten fünf Jahren nach der Adoption: Ein Review über
international adoptierte Kinder aus China*
Femmie Juffer, Linda van den Dries, Chloë Finet und Harriet Vermeer
Summary
Attachment and Cognitive and Motor Development in the First Years after Adoption: A Review of
Studies on Internationally Adopted Children from China
Due to early-childhood adversity, adopted children often display delays in their cognitive and
motor development and have problems developing secure attachment relationships with their
adoptive parents. In this review we present the results of all available studies on the attachment
and the cognitive and motor development of internationally adopted children from China in
the first years after arriving in the adoptive family. Seven pertinent studies were found, based
on five samples examined in the USA, Canada, and the Netherlands. Regarding cognitive and
motor development (five studies) the adoptees showed a delayed development at arrival in the
adoptive family. As soon as six months after arrival the adoptees were, on average, functioning
within normal ranges, although their catch-up to non-adopted children was not yet complete.
Two years after arrival the catch-up to non-adopted peers appeared to be complete. Regarding
attachment (two studies) observations of attachment six and twelve months after adoption
showed less secure and more disorganized attachment for the adopted children compared to
the normative distribution of non-adopted children. Two years after adoption, observations
of attachment confirmed a catch-up in secure attachment, but the adoptees still displayed
more insecure disorganized attachment than children in the norm group.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 774-792
Keywords
international adoption – China – cognitive development – motor development – attachment
* Übersetzerin: Clara Isabella Schulze
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 774 – 792 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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International adoptierte Kinder aus China������
775
Zusammenfassung
Aufgrund schwieriger Erfahrungen in der frühen Kindheit weisen adoptierte Kinder häufig
Verzögerungen der kognitiven und motorischen Entwicklung auf und es fällt ihnen schwer, eine
sichere Bindung zu ihren Adoptiveltern zu entwickeln. In diesem Artikel werden die Ergebnisse aller verfügbaren Studien zu Bindung und der kognitiven und motorischen Entwicklung
international adoptierter Kinder aus China, innerhalb der ersten Jahre nach Ankunft in ihrer
Adoptivfamilie, vorgestellt. Es wurden sieben repräsentative Studien gefunden, die auf fünf
Stichproben basieren und in den USA, Kanada und den Niederlanden durchgeführt wurden. In
Bezug auf die kognitive und motorische Entwicklung (fünf Studien), zeigten die Adoptivkinder
bei Ankunft in der Adoptivfamilie eine verzögerte Entwicklung. Sechs Monate nach ihrer Aufnahme befand sich die durchschnittliche Entwicklung der Adoptivkinder innerhalb des normalen Bereichs, allerdings konnten sie die Werte der nicht-adoptierten Kinder noch nicht vollständig einholen. Zwei Jahre nach der Adoption sind sie auf dem Niveau der nicht-adoptierten
Gleichaltrigen angekommen. Beobachtungen bezüglich der Bindung (zwei Studien) zeigten,
dass Adoptivkinder sechs und zwölf Monate nach der Adoption weniger sicheres und mehr
desorganisiertes Bindungsverhalten im Vergleich zur Normalverteilung der nicht-adoptierten
Kinder zeigten. Zwei Jahre nach der Adoption konnte bei der Beobachtung der Bindung festgestellt werden, dass die Adoptivkinder nun eine sichere Bindung aufwiesen, allerdings zeigten sie
häufiger unsicher desorganisiertes Bindungsverhalten als die Normgruppe.
Schlagwörter
internationale Adoption – China – kognitive Entwicklung – motorische Entwicklung – Bindung
1
Hintergrund
Eine Serie von Metaanalysen konnte Aufschluss über einige auffällige Entwicklungsbereiche von internationalen Adoptivkindern aus verschiedenen Herkunftsländern
geben, welche das körperliche Wachstum (Van IJzendoorn, Bakermans-Kranenburg, Juffer, 2007), die Eltern-Kind Bindungsbeziehung (Van den Dries, Juffer, Van
IJzendoorn, Bakermans-Kranenburg, 2009), die kognitive Entwicklung (Van IJzendoorn, Juffer, Klein-Poelhuis, 2005), Verhaltensprobleme und Behandlungen wegen
psychischer Probleme (Juffer u. Van IJzendoorn, 2005) und das Selbstwertgefühl
(Juffer u. Van IJzendoorn, 2007) beinhalteten. Insgesamt kann festgestellt werden,
dass die Adoption eine erfolgreiche Maßnahme darstellt, die in einem wesentlichen
Entwicklungsfortschritt nach der Adoptionsvermittlung resultiert, obwohl dieser
Fortschritt nicht immer komplett mit dem der nicht-adoptierten Gleichaltrigen und
Klassenkameraden gleichgesetzt werden kann (Van IJzendoorn u. Juffer, 2006).
776 F. Juffer et al.
1.1 Metaanalytische Nachweise
In einer Reihe von Metaanalysen (Juffer u. Van IJzendoorn, 2009; Van IJzendoorn u.
Juffer, 2006) wurde die Entwicklung adoptierter Kinder im Allgemeinen untersucht,
in denen Kinder aus verschiedenen Herkunftsländern und verschiedenen Aufnahmeländern eingeschlossen wurden. In der folgenden Darstellung liegt der Fokus auf
der kognitiven und motorischen Entwicklung sowie auf der Bindungsbeziehung
zwischen Adoptiveltern und ihrem adoptierten Kind.
1.1.1 Kognitive und motorische Entwicklung adoptierter Kinder im Allgemeinen
Da viele adoptierte Kinder in ihren Heimatländern in Waisenhäusern gelebt haben,
ist es wichtig, die allgemeinen empirischen Befunde zur kognitiven Entwicklung
von Heimkindern einzubeziehen. Eine Metaanalyse konnte zeigen, dass Kinder, die
in Heimen untergebracht sind, im Durchschnitt 20 IQ-Punkte unter den Werten von
Kindern liegen, die in Familien aufwachsen (Van IJzendoorn, Luijk, Juffer, 2008).
Eine umfassende Metaanalyse über die kognitive Entwicklung von adoptierten Kindern (Van IJzendoorn et al., 2005) – basierend auf 42 Studien mit 6.411 Teilnehmern
– konnte darlegen, dass adoptierte Kinder die in Institutionen verbliebenen Kinder
(„past peers“) hinsichtlich des IQs übertreffen und gleichzeitig ihre nicht-adoptierten
Geschwister und Klassenkameraden („current peers“) vollständig einholen. Da in dieser Metaanalyse keine Studien über Kinder aus China einbezogen wurden, ist fraglich,
ob diese Ergebnisse auf Adoptivkinder aus China verallgemeinert werden können. In
Bezug auf die motorische Entwicklung von adoptierten Kindern liegt bislang noch
keine Metaanalyse vor.
1.1.2 Bindung adoptierter Kinder im Allgemeinen
Drei Metaanalysen bestätigten die Wichtigkeit der Bindungssicherheit für die
spätere soziale Kompetenz von Kindern (Groh et al., 2014), für externalisierende
Verhaltensprobleme (Fearon, Bakermans-Kranenburg, Van IJzendoorn, Lapsley,
Roisman, 2010) und internalisierende Probleme (Groh, Roisman, Van IJzendoorn,
Bakermans-Kranenburg, Fearon, 2012). Die Ergebnisse der Metaanalysen deuten
darauf hin, dass sicher gebundene Kinder mehr soziale Kompetenzen und weniger
externalisierende und internalisierende Verhaltensprobleme als unsicher gebundene
Kinder aufweisen.
Die Entwicklung einer sicher gebundenen Beziehung zwischen adoptierten Kindern
und ihren Adoptiveltern ist nicht unkompliziert. Die Trennung und der Verlust der
früheren Bezugspersonen (Bowlby, 1982) und die eventuelle soziale Vernachlässigung
in institutioneller Pflege (z. B. Zeanah, Smyke, Koga, Carlson, the BEIP Core Group,
2005) könnten einen negativen Einfluss auf zukünftige Bindungsbeziehungen haben.
Eine Metaanalyse zur Bindung bei Adoptivkindern (Van den Dries et al., 2009; elf Stu-
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International adoptierte Kinder aus China������
777
dien mit 468 adoptierten Kindern) suggeriert tatsächlich weniger gute Ergebnisse (47 %
sicher [B], 31 % desorganisiert [D]), als eine Metaanalyse zur Bindung in repräsentativen
Stichproben, nicht-adoptierter Kinder (62 % B, 15 % D; Van IJzendoorn, Schuengel,
Bakermans-Kranenburg, 1999), obwohl die Adoptivkinder, im Vergleich zu Kindern,
die noch in Heimen untergebracht waren, besser abschnitten (11 % B, 73 % D).
Zusätzliche Analysen zeigten, dass speziell Kinder, die vor ihrem ersten Geburtstag
adoptiert wurden, von ihrer Adoption profitierten und im gleichen Maße wie nichtadoptierte Kinder eine sichere Bindung aufwiesen. Das könnte daran liegen, dass die
Adoption zu einer Zeit stattfand, in der sich die Bindung noch entwickelt (Bowlby,
1982), und könnte auch damit zusammenhängen, dass es eine kürzere Zeit der Vernachlässigung gab. Kinder, die nach den ersten zwölf Lebensmonaten adoptiert wurden, zeigten weniger sicheres Bindungsverhalten als nicht-adoptierte Kinder.
Desorganisierte Bindungsmuster wurden häufiger bei adoptierten Kindern gefunden als bei der nicht-adoptierten Normgruppe. Es wurden keine Hinweise für einen
förderlichen Effekt durch frühere Adoption auf die Bindungsdesorganisation gefunden, was darauf hindeutet, dass frühe Erfahrungen von Vernachlässigung und Misshandlung einen negativen Einfluss auf die Bindungsorganisation haben, selbst wenn
diese Erfahrungen nicht über das erste Lebensjahr hinausgehen.
In der Metaanalyse war es nicht möglich, die Bindungsbeziehung der adoptierten
Kinder aus China separat zu überprüfen. Allerdings erreichten asiatische Adoptivkinder (Adoptivkinder aus China inkludiert) das gleiche Niveau an Bindungssicherheit wie nicht-adoptierte Kinder, während dies bei osteuropäischen Adoptivkindern
nicht der Fall war (Van den Dries et al., 2009). Dies könnte durch die erfolgreiche
frühe Unterbringung aller asiatischen Adoptivkinder, welche in dieser Metaanalyse
enthalten waren, erklärt werden.
1.2 Entwicklung der adoptierten Kinder aus China
Da die Erziehungsbedingungen vor der Adoption zwischen verschiedenen Ländern
und im Verlauf der Zeit variieren (Gunnar, Bruce, Grotevant, 2000; Juffer et al., 2011),
kann die Entwicklung international adoptierter Kinder aus einem bestimmten Land
möglicherweise nicht direkt aus Metaanalysen abgeleitet werden. Außerdem sind in
den verfügbaren Metaanalysen Studien über Adoptivkinder aus China unterrepräsentiert (siehe oben), da Adoptionen aus China – und folglich auch die Forschung
zu Adoptivkindern aus China – später anfingen (Mitte der 90er Jahre des letzten
Jahrhunderts) als Adoptionen aus anderen Ländern wie Südkorea (Selman, 2015).
In diesem Beitrag liegt der Fokus auf der Entwicklung der Adoptivkinder aus China,
da China seit einigen Jahren eines der führenden Herkunftsländer internationaler
Adoption darstellt (Selman, 2009, 2015).
778 F. Juffer et al.
Tabelle 1a:Die fünf häufigsten Herkunftsländer: Die Rolle Chinas bei internationalen Adoptionen im Jahr
2004 (oder 2005, wenn nicht vorhanden) bei sechs europäischen Aufnahmeländern, USA und Kanada
Deutschl.
China
Russland
Ukraine
Kolumbien
Haiti
Nepal
Äthiopien
Taiwan
Südafrika
Vietnam
Indien
Korea
Guatemala
USA
1
2
3
4
5
Niederl.
1
2
3
4
5
Dänemark Schweden Spanien Frankreich
1
1
1
2
2
3
3
4
1
5
5
2
3
4
4
3
5
2
USA
1
2
5
Kanada
1
5
2
4
5
4
3
3
4
Tabelle 1b:Die fünf häufigsten Herkunftsländer: Die Rolle Chinas bei internationalen Adoptionen im
Jahr 2014 (oder 2013, wenn nicht vorhanden) bei sechs europäischen Ländern, USA und Kanada
Deutschl.
China
Russland
Thailand
Bulgarien
Kasachstan
Kenia
USA
Südafrika
Äthiopien
Burkina Faso
Taiwan
Kolumbien
Philippinen
Vietnam
Ukraine
Haiti
Korea
1
2
3
4
5
Niederl. Dänemark Schweden Spanien Frankreich USA Kanada
1
4
1
2
3
1
1
1
1
3
3
5
2
4
2
2
2
1
5
4
3
3
5
2
2
5
4
5
3
4
4
3
4
5
5
(Quelle der Tabellen 1a und 1b: Haager Übereinkommen für internationale Adoptionen (2015); für die
Statistiken der Niederlande: www.adoptie.nl)
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Die Tabellen 1a und 1b zeigen die Rolle Chinas in Bezug auf internationale Adoptionen in sechs europäischen Aufnahmeländern (Deutschland, Niederlande, Dänemark,
Schweden, Spanien und Frankreich) und die zwei Hauptaufnahmeländer in Nordamerika (USA und Kanada). Statistiken des Haager Übereinkommens für internationale Adoptionen (Hague Convention on Intercountry Adoption, 2015) zufolge erscheint China
unter den häufigsten fünf Herkunftsländern dieser Aufnahmeländer für Adoptionen im
Jahre 2014 (oder 2013, wenn für 2014 keine Statistiken zur Verfügung standen), und
genauso für Adoptionen zehn Jahre zuvor im Jahr 2004 (oder für 2005, wenn für 2004
keine Statistiken zur Verfügung standen) mit Ausnahme von Deutschland. Dieser deutliche Unterschied zwischen Deutschland und den anderen Aufnahmeländern kann auf
geschichtliche Gründe, wie zum Beispiel dem Vorhandensein oder Nicht-Vorhandensein passender Adoptionskontakte, zurückzuführen sein.
Es ist anzunehmen, dass chinesische Adoptivkinder, verglichen mit Adoptivkindern verschiedener anderer Herkunftsländer, vor ihrer Adoption in der Regel weniger
schlechte Erfahrungen machen mussten, da für viele Jahre ausschließlich verhältnismäßig gesunde chinesische Kinder zur internationalen Adoption freigegeben waren
(Cohen, Lojkasek, Zadeh, Pugliese, Kiefer, 2008), obwohl sich dieser Trend kürzlich
geändert hat und nun auch mehr Kinder mit Behinderungen zur Adoption freigegeben werden (Juffer et al., 2011; Selman, 2015). Zusätzlich haben viele Kinder, die aus
China adoptiert wurden, keine pränatalen Belastungen, wie zum Beispiel mütterlichen
Drogen- oder Alkoholmissbrauch erfahren (Johnson, 2004), da sie aufgrund der EinKind-Politik abgegeben wurden. Zwei Studien, welche eine niedrige Behinderungsrate bei chinesischen Adoptivkindern festgestellt hatten, bestätigten die günstigere PräAdoptions-Situation in China vor einigen Jahren (Kreider u. Cohen, 2009; Van Schaik,
Wolfs, Geelen, 2009), obwohl die Erziehungsbedingungen in chinesischen Heimen bei
weitem noch nicht optimal waren (z. B. Cohen et al., 2008).
Bisher haben nur wenige Studien über die kognitive und motorische Entwicklung
von chinesischen Adoptivkindern in den ersten Jahren nach der Adoption berichtet
(z. B. Nelson, 2000) und Studien, die die Bindungsbeziehungen chinesischer Adoptivkinder untersuchen, sind sogar noch seltener (z. B. Cohen u. Farnia, 2011a, b).
2
Methode
Um Studien gemäß der Auswahlkriterien zu finden, wurde im Web Of Science,
Google Scholar und zwei Adoptionszeitschriften (Adoption Quarterly und Adoption
and Fostering) mit den Schlüsselworten: Chin* Adopt* in einer Kombination mit den
Ausdrücken Bindung, kognitive Entwicklung oder motorischer Entwicklung gesucht.
Es wurden ausschließlich Publikationen auf Englisch gesucht, was bedeutet, dass im
aktuellen Review Studien in anderen Sprachen (z. B. Spanisch, Deutsch) nicht inkludiert sind. Zudem wurde eine Adoptionsexpertin (die Erstautorin, FJ) hinzugezogen,
um passende Studien zu nennen. Die Literatursuche lieferte 15 relevante Treffer. Die
780 F. Juffer et al.
Aufzeichnungen wurden von drei Autoren dieses Papers überprüft (FJ, CF, HV). Inkludiert wurden nur Studien, bei denen die Ergebnisse objektiv gemessen wurden (z.
B. durch Beobachtungen, standardisierte Tests). Außerdem wurden Studien ausgeschlossen, die sich auf chinesische Adoptivkinder mit Behinderung konzentrierten,
da diese eine Vielzahl spezifischer Probleme aufweisen. Abschließend wurden Studien
mit heterogenen Stichproben von adoptierten Kindern unterschiedlicher Länder ausgeschlossen, wenn keine gesonderte Ergebnisdarstellung über die adoptierten Kinder
aus China vorlag (z. B. Van Londen, Juffer, Van IJzendoorn, 2007).
Letztendlich konnten fünf repräsentative Studien (berichtet in fünf Veröffentlichungen) über die kognitive und motorische Entwicklung chinesischer Adoptivkinder
und zwei passende Studien über ihre Bindungsbeziehungen gefunden werden (diese
zwei letzteren Studien – berichtet in vier anderen Veröffentlichungen – basierten auf
Stichproben, die schon in den fünf Studien über kognitive und motorische Entwicklung enthalten waren).
3
Ergebnisse
3.1 Kognitive und motorische Entwicklung: Relevante Studien
Cohen und Kollegen (2008) untersuchten die Entwicklung von 70 chinesischen
Mädchen während der ersten zwei Jahre in ihren kanadischen Adoptivfamilien.
Die Mädchen waren während der ersten Testung, die innerhalb der ersten sechs
Wochen nach der Ankunft stattfand, im Durchschnitt 13 Monate alt. Zusätzlich zu
den adoptierten Kindern wurde die Entwicklung einer Vergleichsgruppe von nichtadoptierten kanadischen Kindern erfasst.
Pomerleau et al. (2005) verglichen die Entwicklung adoptierter Kinder aus China,
Ostasien und Russland innerhalb eines Monats nach ihrer Ankunft in Kanada und
testeten sie drei und sechs Monate später erneut. Alle 58 chinesischen Kinder waren
Mädchen und das Alter bei ihrer Ankunft betrug durchschnittlich 11 Monate.
In der Studie von Nelson (2000) wurden 54 Kinder während der ersten zwei bis drei
Monate nach ihrer Adoption in den USA und ein weiteres Mal nach sechs Monaten getestet. Das Durchschnittsalter der Kinder zur Adoption betrug zehn Monate. In
China waren 32 Kinder ausschließlich in Heimen untergebracht, während 21 Kinder
zusätzlich in Pflegefamilien waren. Die Pflegegeschichte eines der Kinder war nicht
bekannt. Die Durchschnittslänge der Aufenthalte der ehemaligen Pflegekinder in Pflegefamilien betrug 5,5 Monate.
Die Studie von Van den Dries, Juffer, Van IJzendoorn und Bakermans-Kranenburg
(2010) unterschied zusätzlich zwischen ehemaligen Pflege- und ehemaligen Heimkindern und erhob deren Entwicklung zwei und sechs Monate nach der Adoption. Von
den 92 Mädchen, die von niederländischen Familien adoptiert wurden, wurden 50
als ehemalige Heim- und 42 als ehemalige Pflegekinder klassifiziert. Die ehemaligen
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Pflegekinder waren in China durchschnittlich neun Monate in Pflegefamilien. Das
Durchschnittsalter der Kinder bei der Adoption betrug 13 Monate.
In den vier oben genannten Studien wurden die kognitiven und motorischen Fähigkeiten mit den Bayley Scales of Infant Development erhoben (M = 100, SD = 15;
Bayley, 1993).
In der fünften Studie haben Miller und Hendrie (2000) das University of Michigan
Early Intervention Developmental Profile (Schafer u. Moersch, 1981) verwendet und
berichteten über den Prozentsatz von Kindern mit einer verzögerten kognitiven Entwicklung. Bei Ankunft in den USA hatten die 192 Kinder ein Durchschnittsalter von
14 Monaten und die Entwicklung der meisten Kinder wurde während der ersten zwei
Monate nach Ankunft erhoben.
3.2 Kognitive Entwicklung: Ergebnisse
In allen Studien hatten die adoptierten Kinder aus China bei ihrer Ankunft in der
Adoptionsfamilie eine verzögerte kognitive Entwicklung. Miller und Hendrie (2000)
berichteten von einer kognitiven Entwicklungsverzögerung bei 32 % der Kinder.
Die kognitiven Werte, die mit den Bayley Scales of Infant Development erhoben
wurden, waren in allen Stichproben ungefähr gleich (s. Abb. 1) und alle Studien berichteten von einer Verbesserung während der ersten sechs Monate nach der Adoption. In der Studie von Pomerleau et al. (2005) konnten Kinder mit gravierenderen
Verzögerungen größere Fortschritte verzeichnen. Bereits sechs Monate nach Ankunft hatten die Adoptivkinder im Durchschnitt ein normales Funktionsniveau der
kognitiven Entwicklung erreicht, aber gegenüber nicht-adoptierten Kindern noch
nicht ganz aufgeholt (Cohen et al., 2008; Van den Dries et al., 2010).
Bei Berücksichtigung des Alters bei der Ankunft stellte sich heraus, dass Kinder, die
bei der Adoption jünger waren, eine bessere Leistung bei der follow-up Testung sechs
Monate später erzielten als Kinder, die bei der Adoption bereits älter waren (Cohen et
al., 2008; Nelson, 2000; Pomerleau et al., 2005). Außerdem übertraf die Leistung ehemaliger Pflegekinder die der ehemaligen Heimkinder (Nelson, 2000; Van den Dries
et al., 2010). Längere Heimaufenthalte konnten mit größeren kognitiven Entwicklungsverzögerungen in Verbindung gebracht werden (Nelson, 2000), während längere
Pflegeunterbringungen mit geringerer Entwicklungsverzögerung einherging (Nelson,
2000). Nur die Studie von Cohen et al. (2008) beobachtete die kognitive Entwicklung
der Kinder länger als sechs Monate nach der Adoption. Bei der letzten Erhebung zwei
Jahre nach der Adoption hatten die Kinder die nicht-adoptierte Vergleichsgruppe
komplett eingeholt. Ab diesem Zeitpunkt konnte das Alter bei der Ankunft in der
Adoptivfamilie nicht mehr mit den kognitiven Fähigkeiten der adoptierten Kinder in
Verbindung gebracht werden (Cohen et al., 2008).
782 F. Juffer et al.
Monate nach Ankunft
Abbildung 1: Kognitive Entwicklung chinesischer Adoptivkinder. Hinweis: MDI = Mental Developmental Index; Für die Studie von Pomerleau et al. konnten keine Fehlerbalken eingefügt werden, da
keine Standardabweichungen angegeben wurden.
3.3 Motorische Entwicklung: Ergebnisse
In der Studie von Miller und Hendrie (2000) wurden bei 55 % der Kinder Entwicklungsverzögerungen der Grobmotorik (z. B. Treppen steigen) und bei 49 % Entwicklungsverzögerungen der Feinmotorik (z. B. Dinge zwischen Daumen und Zeigefinger
hochheben) festgestellt. Diese Verzögerung der motorischen Entwicklung wurde in
den anderen vier Studien bestätigt, obwohl die Mittelwerte der motorischen Entwicklung heterogener waren als die für die kognitive Entwicklung (s. Abb. 2). Bei drei der
vier Studien über motorische Fähigkeiten zeigten die Kinder einen Fortschritt der motorischen Entwicklung nach der Adoption, während sich bei der Studie von Van den
Dries et al. (2010) die motorischen Fähigkeiten der Adoptivkinder in gleichem Tempo
wie die der nicht-adoptierten Normgruppe entwickelten. Bei allen Studien erzielten
die Kinder während des ersten halben Jahres nach der Adoption im Durchschnitt Ergebnisse im unteren Teil des Normalbereichs (s. Abb. 2) und zwei Jahre später hatten
sie die nicht-adoptierten Kinder komplett eingeholt (Cohen et al., 2008).
Vergleichbar mit der kognitiven Entwicklung, zeigten die ehemaligen Pflegekinder
weniger Verzögerung der motorischen Entwicklung als die ehemaligen Heimkinder
(Nelson, 2000; Van den Dries et al., 2010). Zusätzlich konnte ein längeres Pflegeverhältnis mit besseren motorischen Fähigkeiten in Verbindung gebracht werden
(Nelson, 2000).
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Monate nach Ankunft
Abbildung 2: Motorische Entwicklung chinesischer Adoptivkinder. Hinweis: PDI = Psychomotor Developmental Index; Für die Studie von Pomerleau et al. konnten keine Fehlerbalken eingefügt werden,
da keine Standardabweichungen angegeben wurden.
3.4 Kognitive und motorische Entwicklung: Zusammenhang mit körperlichem
Wachstum
Ein Rückstand beim körperlichen Wachstum ist oftmals ein Anzeichen von ernährungs- und psychosozialer Deprivation (Johnson u. Gunnar, 2011) und wird häufig
mit starken Entwicklungsverzögerungen in Verbindung gebracht (Park et al., 2011).
Bei adoptierten Kindern aus China wurden größere Rückstände der Körperlänge
(Cohen et al., 2008; Nelson, 2000; Pomerleau et al., 2005), des Kopfumfangs (Cohen
et al., 2008; Nelson, 2000) und des Gewichts mit geistiger Entwicklungsverzögerung
in Verbindung gebracht (Nelson, 2000), während größere motorische Entwicklungsverzögerungen nur mit einem verzögerten Wachstum hinsichtlich der Körperlänge
in Verbindung gebracht wurden (Cohen et al., 2008; Pomerleau et al., 2005).
3.5 Bindung: Relevante Studien und Ergebnisse
Unseres Wissens haben nur zwei Studien die Bindungsbeziehungen der chinesischen
Adoptivkinder in den ersten Jahren nach der Adoption durch direkte Beobachtung
untersucht. Cohen und Farnia (2011a, b) untersuchten die Entwicklung und Prädiktoren von Bindungssicherheit von 70 Kindern (s. Cohen et al., 2008) in den ersten zwei
Jahren in ihren Adoptionsfamilien. Die Autoren nutzten dazu Berichte der Mütter und
Beobachtungsmessungen der Bindungssicherheit. Die Eltern füllten den Attachment
784 F. Juffer et al.
Security Questionnaire (Chisholm, Carter, Ames, Morison, 1995) aus. Bei der ersten
Erhebung (innerhalb der ersten sechs Wochen nach der Adoption) bewerteten die
Adoptivmütter im Vergleich zu den Eltern nicht-adoptierter Kinder ihre Kinder als
weniger sicher gebunden. Zwei Jahre nach der Adoption zeigten die adoptierten Kinder – ihren Adoptivmüttern zufolge – vermehrt sicher-gebundenes Verhalten, ähnlich
dem Grad an Bindungssicherheit von nicht-adoptierten Kindern.
Für eine Teilstichprobe von 32 Kindern wurde von Cohen und Farnia (2011a) der
Prozess der Bindungsentstehung während der ersten sechs Monate nach der Adoption genauer überprüft (Pugliese, Cohen, Farnia, Lojkasek, 2010). Das Disturbances of
Attachment Interview (Smyke, Dumitrescu, Zeanah, 2002) wurde verwendet, um das
Vorhandensein von gehemmten und ungehemmten Bindungsstörungen direkt bei der
Ankunft und sechs Monate später zu kontrollieren. Gehemmte Kinder initiieren keine
und reagieren nicht in einer entwicklungsgerechten Art und Weise auf soziale Interaktionen, ungehemmte Kinder sind wahllos kontaktfreudig. Die adoptierten Kinder aus
China zeigten eine Abnahme des gehemmten Verhaltens im Verlauf der Zeit, sodass die
Durchschnittswerte bei der zweiten Messung unter der Schwelle einer Bindungsstörung
lagen. Ein Vergleich mit den nicht-adoptierten Kindern legte nahe, dass Adoptivkinder
nicht mehr gehemmte oder ungehemmte Beziehungsstörungen aufwiesen.
In der gleichen Teilstichprobe der 32 Kinder wurde das Bindungsverhalten durch
direkte Beobachtung während zwei Jahren nach der Adoption mithilfe des FremdeSituation-Tests (Ainsworth, Blehar, Waters, Wall, 1978) erhoben (Cohen u. Farnia,
2011b). Der Großteil der adoptierten Kinder war zwei Jahre nach der Adoption sicher
gebunden (71 % B), sechs Kinder (21 %) wurden als desorganisiert gebunden (D) und
zwei Kinder (7 %) wurden als unsicher ambivalent gebunden (C) klassifiziert. Daten
von drei Fällen konnten nicht kodiert werden. In Bezug auf die Vergleichsstichprobe
wiesen die Adoptivkinder ein signifikant höheres Ausmaß von desorganisierter Bindung auf (21 % vs. 7 %), aber die unsichere organisierte Bindung unterschied sich
nicht signifikant (7 % vs. 14 %). Im Vergleich zu den Werten der Bindungs-Normalverteilung (15 % A, 62 % B, 9 % C, und 15 % D; Van IJzendoorn et al., 1999) zeigten
die adoptierten Kinder aus China mehr desorganisierte Bindung.
In der Studie von Van den Dries, Juffer, Van IJzendoorn, Bakermans-Kranenburg und
Alink (2012, für eine Beschreibung der Studie siehe oben: Van den Dries et al., 2010) wurde Bindung durch den Fremde-Situations-Tests (Ainsworth et al., 1978) zwei und sechs
Monate nach der Adoption beobachtet. Bei der ersten Durchführung wurden 10 % der
Kinder als unsicher vermeidend (A), 48 % als sicher (B), 11 % als unsicher ambivalent (C)
und 31 % als desorganisiert (D) eingestuft. Vier Monate später gestaltete sich die Verteilung folgendermaßen: 7 % unsicher vermeidend, 42 % sicher, 11 % unsicher ambivalent
und 40 % desorganisiert. Im Vergleich zu der Bindungs-Normalverteilung (15 % A, 62 %
B, 9 % C, und 15 % D; Van IJzendoorn et al., 1999) zeigten ehemalige Heimkinder nach
beiden Erhebungen weniger sicheres und mehr desorganisiertes Bindungsverhalten.
Ehemalige Pflegekinder waren im gleichen Maß sicher gebunden wie nicht-adoptierte
Kinder, zeigten aber bei beiden Erhebungen mehr desorganisierte Bindung.
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Van IJzendoorn
(Normgruppe)
Van den Dries,
2 Monate nach
Ankunft
Van den Dries,
6 Monate nach
Ankunft
Cohen,
24 Monate nach
Ankunft
Abbildung 3: Beobachtetes Bindungsverhalten chinesischer Adoptivkinder. Hinweis: A = vermeidend,
B = sicher, C = ambivalent, D = desorganisiert
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass zwei und sechs Monate nach der Adoption (Van den Dries et al., 2012) sowie 24 Monate nach der Adoption (Cohen u.
Farnia, 2011b) Adoptivkinder aus China mehr desorganisierte Bindung als nichtadoptierte Kinder zeigten. Das kann auf einen Risikofaktor bezüglich der Entwicklung adoptierter Kinder hinweisen, da Metaanalysen Nachweise liefern konnten,
dass desorganisierte Bindung spätere Psychopathologie bei Kindern voraussagt
(Van IJzendoorn et al., 1999). Allerdings konnte die Studie von Cohen und Farnia
(2011b) und die Teilstichprobe (der ehemaligen Pflegekinder) der Studie von Van
den Dries et al. (2012) zeigen, dass Adoptivkinder aus China sogar kurz nach der
Adoption genauso in der Lage dazu sind, eine sichere Bindungsbeziehung zu ihren
Adoptivmüttern herzustellen, wie nicht-adoptierte Kinder. Außerdem werden die
adoptierten Kinder wahrscheinlich im Verlauf der weiteren Jahre, wenn sie für eine
längere Zeit in ihren Adoptivfamilien sind, die Bindungssicherheit und ihre Bindungsorganisierung weiter ausbilden.
4
Schlussfolgerungen und Auswirkungen
Der aktuelle Forschungsstand zu adoptierten Kindern aus China wurde überprüft
und es konnten fünf einschlägige Studien mit Ergebnissen zu kognitiver und motorischer Entwicklung und Kind-Eltern-Bindungsbeziehungen gefunden werden.
Insgesamt wurde bei Ankunft in den Adoptivfamilien eine mittelgradige Entwick-
786 F. Juffer et al.
lungsverzögerung der kognitiven und motorischen Fähigkeiten gefunden, die adoptierten Kinder zeigten jedoch einen bemerkenswerten Fortschritt in ihrer Entwicklung innerhalb der nächsten sechs Monate nach der Adoption. Zwei Jahre nach
der Adoption scheint die kognitive und motorische Entwicklung im Verhältnis zu
der Entwicklung der nicht-adoptierten Gleichaltrigen komplett aufgeholt zu sein. In
Bezug auf die kognitive Entwicklung stimmen die Ergebnisse mit denen der Metaanalyse über kognitive Entwicklung von Adoptivkindern im Allgemeinen überein
(Van IJzendoorn et al., 2005), welche keine Entwicklungsverzögerung des IQs bei
Adoptivkindern zeigt.
Verglichen mit Adoptivkindern aus Heimunterkünften zeigten Adoptivkinder aus
Pflegefamilien bessere kognitive und motorische Fähigkeiten bei Ankunft sowie zwei
und sechs Monate nach der Adoption. Ob ehemalige Pflegekinder weiterhin besser
entwickelt bleiben, sollte in Längsschnittstudien überprüft werden.
Es sollte berücksichtigt werden, dass trotz des Fortschritts der kognitiven und motorischen Entwicklung Adoptivkinder aus China Entwicklungsverzögerungen in anderen (ähnlichen) Entwicklungsbereichen zeigen könnten. Metaanalytische Ergebnisse
konnten zeigen, dass die adoptierten Kinder trotz des weitgehend gleichen IQs wie
ihre Mitschüler in Schulleistungen und Sprachentwicklung zurückliegen (Van IJzendoorn et al., 2005). Delcenserie und Genesee (2014) fanden heraus, dass chinesische
Adoptivkinder mit einem Durchschnittsalter von elf Jahren die gleichen non-verbalen
kognitiven Fähigkeiten haben wie eine Vergleichsgruppe von Nicht-adoptierten, aber
signifikant schlechtere Ergebnisse bei Sprachtests und verbalen Gedächtnisfähigkeiten
erzielten. Diese Ergebnisse machen deutlich, dass mehr als nur das Gesamtniveau kognitiver Funktionen in Adoptionsstudien erhoben werden sollte (siehe auch Finet,
Vermeer, Juffer, Bosmans, Bijttebier, im Druck).
Mütterliche Berichte über das Bindungsverhalten der Kinder wiesen auf weniger
sichere Bindung bei der Ankunft, aber ein vollständiges Aufholen der Bindungssicherheit im Vergleich zu nicht-adoptierten Kindern zwei Jahre nach der Adoption hin. Beobachtungen der Bindung zeigten, dass ehemalige Heimkinder, sowohl zwei als auch
sechs Monate nach der Adoption häufiger unsichere und desorganisierte Bindung als
nicht-adoptierte Kinder zeigen. Die Bindungsbeziehung der ehemaligen Pflegekinder,
sowohl zwei als auch sechs Monate nach der Adoption, konnte genauso häufig als sicher klassifiziert werden wie die der nicht-adoptierten Gleichaltrigen, zeigte aber mehr
desorganisierte Bindung im Vergleich zu nicht-adoptierten Gleichaltrigen. Auch zwei
Jahre nach der Adoption waren bei chinesischen Adoptivkindern nach wie vor höhere
Prozentsätze der desorganisierten Bindung vorhanden.
5
Bindungsbasierte Interventionen
Ausgehend von diesen Ergebnissen scheinen intensive Programme mit dem Fokus
auf kognitiver und motorischer Entwicklung aller Adoptivkinder – chinesische Ad-
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787
optivkinder eingeschlossen – nicht notwendig zu sein, obwohl natürlich einzelne
Kinder mit großen oder komplexeren Entwicklungsverzögerungen spezielle Aufmerksamkeit brauchen könnten. Wie bereits durch die Beobachtungsdaten über
desorganisierte Bindung der Studien dieses Artikels als auch durch die Metaanalyse
über die Bindung adoptierter Kinder im Allgemeinen (Van den Dries et al., 2009)
nahegelegt wurde, scheinen familienbasierte Interventionen im Bereich der sozialen
Interaktion von großer Bedeutung zu sein. Zum Beispiel würden sich besonders
für Adoptivfamilien Interventionen eignen, die sich auf elterliches Einfühlungsvermögen konzentrieren, indem den Eltern beigebracht wird, die Bindungsbedürfnisse
ihrer Kinder wahrzunehmen und auf angemessene Weise auf diese Bedürfnisse zu
reagieren (Ainsworth et al., 1978; Van der Voort, Juffer, Bakermans-Kranenburg,
2014). In einer Längsschnittsstudie zu Adoption wurde gezeigt, dass das elterliche
Einfühlungsvermögen während der frühen Kindheit als Prädiktor für die Bindungsrepräsentation der adoptierten jungen Erwachsenen mehr als zwei Jahrzehnte später betrachtet werden kann (Schoenmaker, Juffer, Van IJzendoorn, Linting et al.,
2015). Zusätzlich wäre es wichtig, diese Interventionen den speziellen Bedürfnissen
der einzelnen Familien anzupassen und gezielt auf Adoptivfamilien einzugehen, in
denen die Eltern-Kind-Interaktionen nicht harmonisch sind oder in denen die Bindungsbeziehungen der Kinder unsicher und desorganisiert sind.
Ein Beispiel für ein evidenzbasiertes Interventionsprogramm, welches auf der Bindungstheorie beruht, ist das Video-Feedback zur Förderung von Positive Parenting und
Sensitive Discipline (VIPP-SD; Juffer, Bakermans-Kranenburg, Van IJzendoorn, 2008,
2014, im Druck). Eine randomisierte kontrollierte Studie über VIPP (ohne die Komponente Sensitive Discipline) bei Adoptivfamilien und ihren Kindern zeigte, dass sich die
elterliche Einfühlsamkeit nach der Intervention signifikant verbesserte und die Intervention darüber hinaus zu einer signifikant reduzierten Rate von desorganisierter Bindung
der adoptierten Kinder führte (6 % in der Interventionsgruppe vs. 22 % in der Kontrollgruppe; Juffer, Bakermans-Kranenburg, Van IJzendoorn, 2005). Unter den aktuellen
Bedingungen internationaler Adoptionen erreichen Kinder ihre Adoptivfamilien meist
in einem höheren Alter. Daher wurde das VIPP-SD Programm an die Bedürfnisse dieser
Adoptivkinder und ihrer Familien angeglichen. Die Wirksamkeit des neu entwickelten
Moduls – VIPP-Adopt – wird aktuell im Rahmen einer randomisiert kontrollierten
Stichprobe in Italien getestet (Barone, Lionetti, Dellagiulia, Alagna, Rigobello, 2015).
6
Fazit
Die hier beschriebenen Studien haben einen Einblick in die Entwicklung chinesischer
Adoptivkinder als Gruppe gegeben, aber viele Faktoren, die für die individuellen Variationen der Entwicklung des einzelnen Kindes verantwortlich sind, wurden bisher nicht
untersucht. Informationen über den exakten Versorgungshintergrund der Kinder fehlten in den meisten Adoptionsstudien. Zum Beispiel fehlten Angaben über das Verhältnis
788 F. Juffer et al.
von Kindern und Betreuern bei 85 % der Kinder der Studie von Pomerleau et al. (2005)
und bei 89 % in der Studie von Nelson (2000). Daher ist es nicht zulässig, verallgemeinernde Schlussfolgerungen über die Ursprünge der Entwicklungsverzögerungen der
Kinder und die Faktoren, die die Fortschritte nach der Adoption beeinflussen, zu treffen. Zukünftige Forschung sollte sich auf die individuellen Unterschiede der Anpassung
von Adoptivkindern konzentrieren mit dem vorrangigen Ziel, die physischen, neurobiologischen, Entwicklungs- und Verhältnisfaktoren zu definieren, die die Anpassung der
adoptierten Kinder beeinflussen (siehe auch Palacios u. Brodzinsky, 2010). Beispielsweise untersuchten Schoenmaker, Juffer, Van IJzendoorn, Van den Dries et al. (2015) die
Langzeitfolgen von frühkindlicher Mangelernährung bei international adoptierten Kindern aus Südkorea, Sri Lanka und Kolumbien über mehr als zwei Jahrzehnte und fanden heraus, dass frühkindliche Mangelernährung den IQ in der mittleren Kindheit und
zu einem geringeren Ausmaß den IQ im jungen Erwachsenenalter negativ beeinflusst,
aber es war auffallend, dass dies keinen negativen Effekt auf den sozioökonomischen
Erfolg der Adoptivkinder hatte. Idealerweise sollte sowohl die Entwicklung der Kinder
während der Aufenthalte in Heimen und Pflegeunterbringung in China oder anderen
Ländern als auch die Entwicklung nach der Adoption untersucht werden. In einem solchen Design könnten die Umstände vor der Adoption eingeschätzt werden (z. B. Nahrungsaufnahme, die Menge an sozialem Kontakt, Erziehungsroutine). Es sollten nach
der Adoption mehrfach Erhebungen stattfinden, um die Entwicklungspfade der Kinder
über die Zeit zu beobachten. Zusätzlich zur Kindesentwicklung ist es notwendig, die
Erziehungsstile, das Familienklima und andere Umgebungsfaktoren, die die Entwicklung nach der Adoption beeinflussen könnten, zu überprüfen. Außerdem sollte sich die
zukünftige Forschung über Adoptivkinder aus China auf ältere Kinder und Kinder mit
Behinderungen konzentrieren, da die frühere Adoptionsvermittlung gesunder Kinder
aus China nicht länger die Norm darstellt (Selman, 2015).
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792 F. Juffer et al.
Korrespondenzanschrift: Femmie Juffer, Leiden University, Centre for Child and
Family Studies, P.O. Box 9555, 2300 RB Leiden, The Netherlands;
E-Mail: [email protected]
Femmie Juffer, Chloë Finet und Harriet Vermeer, Centre for Child and Family Studies, Leiden University,
the Netherlands; Linda van den Dries, Radboud University Medical Center, Radboud Institute for Health
Sciences, Impuls – Netherlands Center for Social Care Research, Nijmegen, The Netherlands; Chloë Finet,
Parenting and Special Education Research Unit, University of Leuven, Leuven, Belgium
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AUS KLINIK UND PRAXIS
Bindung und Adoption: Diagnostik, Psychopathologie und
Therapie
Karl Heinz Brisch1
Summary
Attachment and Adoption: Diagnostics, Psychopathology, and Therapy
This presentation describes the development of attachment between adopted children and
their adoptive parents with a focus on the particular issues seen in international adoptions.
The questions of settling in, trauma in the country of origin, and the motivations of the adoptive parents will be discussed. Diagnosis and various psychopathological manifestations will
be examined, as will outpatient and inpatient modes of therapy. The treatment of children of
various ages will be covered along with the necessity for intensive counseling and psychotherapy for the adoptive parents. This will enable the parents to work through early trauma,
which will give them and their adopted child the basis for developing healthy attachment
patterns. This in turn will enable the child to mature and integrate into society. Possibilities of
prevention are discussed. Many of the approaches discussed here regarding attachment and
adoption may be applied to foster children and their foster parents.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 793-815
Keywords
attachment – adoption – diagnosis – psychopathology – therapy
Zusammenfassung
Der Beitrag beschreibt die Besonderheiten der Bindungsentwicklung zwischen Adoptivkindern
und ihren Adoptiveltern mit Fokus auf den Besonderheiten bei internationaler Adoption. Hierbei werden Fragen der Eingewöhnung, Traumatisierung im Ursprungsland und der Motivation
der Adoptiveltern diskutiert. Die Diagnostik und die verschiedenen psychopathologischen Ent1 Teile dieses Artikels basieren auf dem Beitrag: Brisch, K. H. (2016). Migration und internationale
Adoption: Psychotherapie zwischen den Kulturen. In K. H. Brisch (Hrsg.), Bindung und Migration.
Stuttgart: Klett-Cotta (Abdruck mit freundlichem Einverständnis des Verlags).
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 793 – 815 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
794 K. H. Brisch
wicklungen sowie die ambulanten wie stationären Therapiemöglichkeiten werden beschrieben.
Besonderheiten der Therapie von Kindern in verschiedenen Altersstufen werden aufgezeigt
und die Notwendigkeit einer intensiven Beratung und psychotherapeutischen Behandlung der
Adoptiveltern hervorgehoben. Unter diesen Bedingungen kann eine Verarbeitung früher Traumatisierungen möglich werden und das Adoptivkind sowie seine Eltern können einen Entwicklungsweg beschreiten, der eine Persönlichkeitsreifung des Kindes und seine Integration in die
Gesellschaft ermöglicht. Abschließend wird auf die Möglichkeit der Prävention hingewiesen.
Die hier beschriebenen Zusammenhänge zwischen Bindung und Adoption können zum Teil
auch auf Pflegekinder und ihre Pflegeeltern übertragen werden.
Schlagwörter
Bindung – Adoption – Diagnostik – Psychopathologie – Therapie
1
Bindung und Adoption
Die Bindungsentwicklung von Kindern unterliegt einer besonderen Dynamik, wenn
diese adoptiert werden. Leider liegen in Deutschland keinerlei Forschungsarbeiten zu
Adoptionsverläufen vor. Aus der klinischen Arbeit wissen wir, dass Adoptiveltern zu
potenziellen neuen Bindungspersonen werden, zu denen die Kinder selbst dann, wenn
sie in früheren Lebenskontexten Traumatisierungen erlebt und erlitten haben, sichere
Bindungsbeziehungen aufbauen können (Lutz, 2014a; Oswald u. Goldbeck, 2009).
Ein besonderes Risiko besteht dann, wenn die Adoptiveltern selbst – oftmals vor
der Adoption, etwa in ihrer eigenen Kindheit – traumatisiert wurden oder die Bindungstraumatisierung des Adoptivkindes sehr ausgeprägt ist und damit auch seine
Verhaltensauffälligkeiten in der Regel so gravierend sind, dass sie für die Adoptiveltern schwer zu bewältigen sind. Auch wenn die Kinder durch die Adoptiveltern in
der Regel gut versorgt werden, dort Schutz und Sicherheit erfahren, reicht dies bei
einer frühen Traumatisierung des Adoptivkindes oftmals nicht aus, um heilende Beziehungserfahrungen so zu verankern, dass die durch die Traumatisierung bedingten
Störungen im Verhalten und in der psychischen Verarbeitung der Kinder vollständig
korrigiert werden können. Je früher die Adoption erfolgt, eventuell schon im Säuglingsalter, umso weniger traumatische Erfahrungen müssen verarbeitet werden. Aus
den Längsschnittstudien zu den Auswirkungen von Traumatisierungen bei rumänischen, schwer deprivierten Waisenkindern und zu ihren Entwicklungsverläufen
nach der internationalen Adoption wissen wir, dass diese Kinder bei einer Adoption
nach dem 18. Lebensmonat oft über einige Jahrzehnte erhebliche Verhaltensstörungen
zeigen: etwa ADHS, autismusähnliche Störungen und Bindungsstörungen, und zwar
selbst dann, wenn die Lebensverhältnisse bei den Adoptiveltern hervorragend sind
(Follan u. McNamara, 2014; Rutter, 2006). Die Forscher führen dies darauf zurück,
dass das kindliche Gehirn durch die viele Monate andauernde frühe Deprivation bis
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Diagnostik, Psychopathologie und Therapie������
795
zum 18. Lebensmonat bereits so weit geschädigt und in seiner neuronalen Netzwerkbildung beeinträchtigt ist, dass bestimmte positive Erfahrungen, die das Kind jetzt
mit den Adoptiveltern erleben kann, nicht mehr ausreichend und in vollem Umfang
zur Weiterentwicklung der Netzwerke genutzt werden können (Teicher, 2011). Waren
die Kinder in den rumänischen Kinderheimen länger als 18 Monate einer schwerwiegenden frühen Deprivation ausgesetzt, so zeigten sie auch viele Jahre später noch gravierende Entwicklungsdefizite, die offensichtlich alleine durch liebevolle feinfühlige
Erziehung und Zuwendung durch die Adoptiveltern nicht korrigiert worden waren
(Almas et al., 2012; Foulstone, Feeney, Passmore, 2005; Kumsta, Sonuga-Barke, Rutter,
2012; Muhamedrahimov et al., 2014; Zeanah et al., 2009).
Hinzu kommt die Frage, ob die Kultur des Kindes mit der der Adoptiveltern identisch oder ihr ähnlich ist oder ob durch die Unterschiedlichkeit der Kulturen und Herkunftsländer zusätzliche Probleme bestehen, etwa in Bezug auf Sprache, Klima, soziale
Orientierung, Schicht und Werte bzw. Normen. Spätestens in der Pubertät sowie in der
Adoleszenz – Entwicklungsschritte, die mit den Themen der eigenen Identität und der
familiären Wurzeln verbunden sind – werden alle diese Fragen zu Herkunftsland und
-kultur und zur frühen Entwicklung aufbrechen (Rushton u. Dance, 2004; Zerrer, 2011).
Wenn Adoptiveltern sehen, dass ihr Adoptivkind Verhaltensprobleme entwickelt –
was bei weitem nicht bei jedem Adoptivkind der Fall sein muss –, sollten sie möglichst
rasch eine umfassende Beratung erhalten; eventuell sollte das Kind möglichst früh
in eine kinderpsychotherapeutische Behandlung integriert werden, damit es trotz der
Probleme rasch eine stabile Beziehung mit Bindungssicherheit zu seinen Adoptiveltern
aufbauen kann. Die meisten Adoptiveltern gehen aber davon aus, dass sie in der Lage
sein müssten, das verhaltensauffällige Adoptivkind selbst durch ihre „Herzenswärme
und große Liebe“ so weit zu heilen, dass es sich als normaler, selbständiger Mensch
entwickeln kann. Gelingt dies nicht und sehen die Adoptiveltern, dass sie durch ihre
Anstrengung und ihre Interventionen die Symptome des Kindes nicht beseitigen können, dass diese vielmehr mit der Zeit immer ausgeprägter und pathologischer werden,
resignieren sie oft, sind depressiv, mutlos und wissen sich keinen Rat mehr. In diesen
Situationen suchen die Eltern vielfältige Hilfe bei Kinderpsychiatern, Kinderpsychotherapeuten oder greifen auch esoterische Heilsangebote auf, damit das Adoptivkind
in irgendeiner Weise – und ebenso sie selbst und ihre Familie – aus der Misere der
schweren Verhaltensstörungen herauskommt (Hart, 2006; Lutz, 2014b; Zerrer, 2011).
2
Kinder aus internationalen Adoptionen
Bei Kindern, die aus einer internationalen Adoption stammen, zum Teil schon im
höheren Alter – oftmals wird das Alter des Kindes von den abgebenden Heimen
nach unten korrigiert, um ihm eine Adoptionsmöglichkeit zu eröffnen, da kleinere
Kinder z. B. von deutschen Eltern bevorzugt adoptiert werden –, stehen alle Beteilig­
ten vor einer besonderen Herausforderung. Die Kinder kommen oft aus Kinderhei-
796 K. H. Brisch
men, wurden als sogenannte Findel- oder Straßenkinder von Fremden ins Heim gebracht, von den Betreibern der – oft kirchlichen – Heime auf der Straße „aufgelesen“
oder schon als Säugling etwa von ihrer leiblichen Mutter oder Familienangehörigen
in diesen Heimen abgegeben. Manchmal übergeben auch die leiblichen Eltern im
Herkunftsland ihre Kinder schon als Säuglinge – für das Versprechen, diese hätten
in einem anderen Land eine bessere Zukunft mit Schulbildung – an bestimmte Organisationen. Es gibt allerdings auch Berichte, dass Kinder auf der Straße „geraubt“
werden oder dass sie von Leihmüttern ausgetragen und dann sozusagen nach dem
Wunsch der potenziellen Eltern schon „im Mutterleib adoptiert“, bei Nichtgefallen
oder Behinderung allerdings nicht angenommen werden (Dörfling u. Elsäßer, 1997;
Hellerstedt et al., 2008; Román, Palacios, Moreno, López, 2012; Verhulst, Althaus,
Versluis-den Bieman, 1990a, 1990b; Verhulst, Versluis-den Bieman, van der Ende,
Berden, Sanders-Woudstra, 1990c).
Solche Kinder – auch Säuglinge – aus internationaler Adoption sind aber kein „unbeschriebenes Blatt“, sondern waren bereits – während der Schwangerschaft und auch
in den ersten Lebensmonaten – extremen Stressbelastungen ausgesetzt, indem die physische, soziale und emotionale Versorgung unzureichend waren. Daher „erhalten“ – bzw.
adoptieren – die potenziellen Adoptiveltern aus internationaler Adoption teilweise keinen „gesunden“ Säugling, nach dem sich alle Eltern sehr sehnen, sondern vielmehr ein
Kind, das durch die frühen Traumatisierungen und seine dadurch gestörte neuronale
Entwicklung im weiteren Verlauf vermutlich in vielfältiger Hinsicht „auffällig“ werden
könnte: Das heißt, einzelne Adoptivkinder, die unter schwerwiegenden frühen deprivatorischen Bedingungen aufgewachsen sind, könnten vielfältige Symptome entwickeln,
sowohl im kognitiven, im sozialen als auch im emotionalen Bereich, die schließlich bereits im Vorschulalter schwerwiegende psychopathologischen Symptomenkomplexen
entsprechen können (Habersaat, Tessier, Pierrehumbert, 2011).
Während es einerseits seriöse Vermittlungsstellen für internationale Adoptionen
gibt, z. B. in Jugendämtern und auch bei anderen Organisationen, blüht jedoch auch
ein grauer Markt von Privatadoptionen. Kinder werden gegen viel Bargeld – ohne
Transparenz der Kosten – aus internationalen Heimen nach Deutschland adoptiert.
Es bleibt offen und ist auch in der therapeutischen Arbeit mit den Adoptiveltern nicht
immer im Nachhinein zu klären, ob die Eltern sich ein Kind aussuchten und dafür
bezahlten oder ob die Vermittlungsstellen Eltern suchten, die zu einem spezifischen
Kind passten, wie dies seriöse Vermittlungsstellen tun. Der Fokus sollte immer auf
dem individuellen Wohl des Kindes liegen. Manchmal werden Kinder auch als „Geschwisterpaket“ adoptiert (Caspers, Yucuis, Troutman, Arndt, Langbehn, 2007), sodass die Eltern sozusagen „in einem Aufwasch“ Geschwisterkinder verschiedener Altersgruppen oder zwei Kinder aus einer Heimgruppe adoptieren können. Wenn ein
Kind aus dieser Geschwistergruppe schon älter ist, womöglich schon in der Vorpubertät, so sind die Ablösung und Loslösung von Herkunftskultur und Heimatland und die
Neuverwurzelung jetzt in der Kultur der Adoptiveltern um ein Vielfaches schwieriger
(Groza u. Bunkers, 2014).
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797
2.1 Bindungsaufbau und Eingewöhnung mit dem Adoptivkind
Briefkontakt und Fotos, ausreichend Zeit für Besuche im Kinderheim, besonders bei
Adoptionen im Ausland, direkter Kontakt und Interaktionsmöglichkeiten mit dem potenziellen Adoptivkind – dies alles fördert den Bindungsaufbau und die beginnende
emotionale Sicherheit auf beiden Seiten. Haben die Kinder im Kinderheim vor Ort eine
Betreuungs- und Bindungsperson, die ihnen wichtig ist und die für sie eine sichere Basis darstellt, so sollte unbedingt eine langfristige Eingewöhnung vor Ort durchgeführt
werden. Diese sollte zum Ziel haben, dass das Kind beginnen kann, sich emotional auf
die neuen Bindungspersonen einzulassen, die zukünftig seine Fürsorge und Betreuung
übernehmen werden. Dass es erste Schritte einer gelingenden Gewöhnung an die künftigen Adoptiveltern gibt, wird man daraus ersehen können, dass das Kind – wenn möglich im Beisein seiner bevorzugten Betreuungsperson im Heim – mit den Adoptiveltern
zu spielen beginnt, sich eventuell wickeln, füttern, beim Zubettgehen begleiten lässt; ein
deutliches Zeichen für eine beginnende emotionale Sicherheit wäre es, wenn sich das
Kind bei offensichtlichem Stress, den es durch Weinen ausdrückt, von den Adoptiveltern
trösten lässt (Kenrick, 2000; Waterman, 2001; Nienstedt u. Westermann, 2007).
Nur bei bindungsgestörten Kindern mit promiskuitivem Bindungsmuster, die älter
als ein Jahr sind, ist eine lediglich kurze Kontaktaufnahme im Kinderheim und die
Mitnahme des Kindes nach wenigen Stunden oder Tagen möglich, ohne dass das Kind
lautstark protestiert und sich dagegen wehrt. Eine solche „distanzlose“ Reaktion des
Kindes gegenüber den Adoptiveltern, indem es etwa sofort ohne Zögern Körperkontakt aufnimmt, schmust, die Adoptiveltern gar küsst, und dies womöglich im Rahmen
der ersten Adoptionskontakte, zeigt bereits, dass dieses Kind bindungsgestört und
traumatisiert ist und einer intensiven Begleitung, Förderung und Therapie bedürfen
wird, sobald es mit den Adoptiveltern in Deutschland angekommen ist. Verständlicherweise sind diese oft entzückt und tief berührt, wenn sich das Kind gleich mit ihnen „anfreundet“, sich tragen, zärtlich streicheln lässt, womöglich zu ihnen „Papa“
und „Mama“ sagt, was ihm von seinen Betreuungspersonen vorher beigebracht wurde. Sie wissen ja nicht, dass sich das Kind gegenüber jeder fremden Person so verhalten würde, die im Kinderheim auftaucht, dass sein Verhalten also nicht spezifisch auf
die potenziellen neuen Adoptiveltern gerichtet, sondern eben Ausdruck einer promiskuitiven Bindungsstörung ist (Dörfling u. Elsäßer, 1997; Zerrer, 2011).
2.2 Traumatisierung der Kinder im Ursprungsland
Die Traumatisierungen der Kinder im Ursprungsland bestehen oft darin, dass sie von
ihren Eltern, besonders von den Müttern, und Geschwistern oder einer Großfamilie
getrennt wurden: sei es, dass sie „zur besseren Entwicklung“ ins Heim gegeben wurden, weil die Mutter oder die Familie sie nicht versorgen konnten oder wollten, sei es,
dass sie einfach irgendwo auf der Straße in der Hoffnung abgelegt wurden, dass sie
gefunden und gerettet würden. Im Kinderheim kommen dann weitere Traumatisie-
798 K. H. Brisch
rungen hinzu: durch körperliche und seelisch-emotionale Vernachlässigung, besonders auch die Erfahrung von Hunger. Die seelische (emotionale) Vernachlässigung
dadurch, dass eine auf das Kind bezogene Ansprache durch eine Pflegeperson fehlt,
durch den ständigen Wechsel der Pflegepersonen sowie auch die Vernachlässigung
durch das Fehlen von Anregungen zur Exploration führen dann zu indifferenten Bindungsstörungen oder auch Bindungsstörungen mit Hemmungen des Bindungsverhaltens: dies besonders, wenn das Kind schon im Säuglingsalter Gewalt erfahren hat.
Viele Kinder aus ehemaligen Säuglingsheimen, die unter großer Deprivation aufgewachsen sind, zeigen später ein Suchtverhalten, indem sie etwa Tabletten und Drogen
zu sich nehmen oder Schnüffelstoffe inhalieren, oder sie verhalten sich in Beziehungskontexten, besonders in Gruppen, sehr aggressiv, weil sie keinerlei Möglichkeit zur
Affektsteuerung gelernt haben und zudem nicht in der Lage sind, die Gedanken und
Gefühle eines Gegenübers – im Sinne einer Mentalisierung – oder die eigenen inneren
Prozesse zu reflektieren (Bemmels, Burt, Legrand, Iacono, McGue, 2008; Kroupina,
Bauer, Gunnar, Johnson, 2010; Tottenham et al., 2010).
2.3 Traumatisierung der Kinder durch die Adoption?
Die Herausnahme mancher älterer Kinder etwa im Kindergarten- oder sogar Schulalter aus ihrem „vertrauten Heim“, wie ein Adoptivkind es einmal ausdrückte, und
die Übergabe an Adoptiveltern – ohne Eingewöhnung und Übergangszeit, was
wegen der promiskuitiven Bindungsstörung des Kindes überhaupt erst möglich
ist – könnte für das Kind eine neue Traumatisierung oder zumindest eine extrem
stressvolle Erfahrung bedeuten, da es allen Vorgängen hilflos ausgeliefert ist und
keinen Einfluss darauf nehmen kann; das Heim ist für das Kind, auch wenn es dort
immer Hunger litt, eine vertraute Umgebung, wo es die eine oder andere Bindungsperson (Erzieherin) kennengelernt hat. Durch die Adoption verliert das Kind seine
potenzielle Bindungsperson im Heim, aber auch seine Kultur, seine Sprache, seine
Prosodie, die bekannten Klänge und Musik, die Art des Essens, Klima, Natur, Kleidung und, wenn die Kinder schon etwas älter sind, auch Religion. Nicht selten geben die Eltern einem Adoptivkind aus einer internationalen Adoption zudem einen
neuen „deutschen“ Namen, sodass das Kind, das bereits eine mit seinem Namen
verbundene Identitätsentwicklung aus seinem Ursprungsland mitbringt, sich jetzt
auf den neuen „deutschen“ Namen erst einmal einstellen und diesen dann emotional adaptieren muss. Dies ist nicht so einfach und löst oft Widerstände, Ängste und
Unsicherheiten aus. Ist das Adoptivkind erst einmal bei seinen – auf jeden Fall im
Vergleich zum Ursprungsland – „reichen“ Adoptiveltern angekommen, hat es in der
Regel keine andere Chance, als sich anzupassen, zu unterwerfen und entsprechend
den Spielregeln mitzuarbeiten, die jetzt seine neuen Eltern vorgeben (PFAD Bundersverband der Pflege- und Adoptivfamilien e.V., 2004).
Über die intrauterinen Lebensbedingungen des Kindes, seine Stressbelastung während der Schwangerschaft und eine eventuelle Schädigung seines Gehirns lässt sich
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Diagnostik, Psychopathologie und Therapie������
799
oft kaum mehr Genaueres eruieren. Oft wurden die Kinder auf der Straße oder vor
entsprechenden Heimen von ihren Eltern ausgesetzt, oder sie wurden auf der Straße
gefunden und dann im Heim abgegeben. Es ist aus verschiedenen Studien aber bekannt, dass Kinder besonders in der frühen Zeit in ihrer Gehirnentwicklung durch
stressvolle Erfahrungen sehr vulnerabel sind. Stressvolle Belastungen – bis hin zu Gewalterfahrung sowie emotionaler wie körperlicher Vernachlässigung – hinterlassen
im kindlichen Gehirn ihre negativen Spuren in vielfältigen Gehirnregionen, was womöglich zu lebenslang anhaltenden Veränderungen führt, besonders in rechtsfrontalen Gehirnbereichen, in denen später die Fähigkeit zur Empathie und Affektsteuerung
reifen soll, sowie im Bereich der Amygdala, jener Gehirnregion, die für die Erkennung
von angstvollen Situationen und für Alarmreaktionen zuständig ist (Tottenham et al.,
2010). Kinder, die unter behüteten und beschützten Bedingungen aufwachsen, können eventuell Stressbelastungen während der Schwangerschaft später besser kompensieren. Sie sind zwar zum Zeitpunkt der Geburt sogenannte „irritable babies“, können
ihre hohe Sensibilität für Außen- und Innenreize aber durch die Feinfühligkeit der
Eltern und deren gute Koregulation seiner Stresszeichen wieder ausgleichen und in
ein „ruhigeres Fahrwasser“ kommen. Sie können dann im späteren Leben wieder
„stresstoleranter“ werden (Johnson u. IAP, 2006; Teicher, 2011).
Die Adoption von älteren Kindern, insbesondere aus internationalen Adoptionen,
ist sehr kritisch zu sehen, da bereits im Kindergartenalter alle soziokulturellen Anker
– wie Bezugspersonen, Sprache, Kultur, Musik, Name, Religion – fest im prozeduralen
Gedächtnis des Kindes gespeichert sind. Diese Überlegung trifft noch mehr für Kinder im Grundschulalter zu, die in der Regel in allen Bereichen fest in ihrer Kultur und
auch in ihren Familien oder auch in der Heimkultur verwurzelt sind; Letztere ist ihnen
zu einem zweiten Zuhause geworden, auch wenn sie dort wegen fehlender Anregung
oder ausgeprägter deprivatorischer Bedingungen großen Stress erfahren haben.
2.4 Adaptationsversuche und Assimilation
Bei einzelnen Eltern beobachten wir in der Klinik, wie wichtig es ihnen ist, dass
die Kinder aus einer internationalen Adoption sich sehr rasch in Deutschland assimilieren. Hierzu müssen sie natürlich die deutsche Sprache erlernen, oftmals werden sie getauft und in den christlichen Glauben eingewiesen, obwohl sie in einer
muslimischen Gemeinschaft aufgewachsen sind. Mit der Taufe erhalten sie oft einen
christlichen neuen Vornamen, der nicht selten in keiner Weise zu ihrem Aussehen
passt und auch für die Kinder durchaus zu einer gewissen Identitäts- und Identifikationskrise führen kann. Immerhin hatten sie sich doch über mehrere Jahre an ihren
bisherigen Namen gewöhnt, der damit auch zu einem Teil ihrer Identität geworden
war. Nach unseren klinischen Erfahrungen erzeugen die Namensänderung und die
Taufe selbst bei Kindern, die keinen schwarzafrikanischen Hintergrund haben, sondern etwa aus Russland adoptiert wurden, großen Stress, auch wenn der Name und
ihr Äußeres gut zu harmonieren scheinen.
800 K. H. Brisch
Nicht selten werden Versuche unternommen, die Spuren der Kultur des Herkunftslandes „auszulöschen“. Dies drückt sich darin aus, dass die Kinder gezwungen werden,
sich etwa an die in Deutschland übliche Kleidung, Frisuren, Musikgeschmack und auch
natürlich an den Schulunterricht mit seinem Spektrum an Fächern anzupassen. Häufig
wird der Versuch der Adaption erzwungen und forciert vorangetrieben. Wie in vollkommener Übereinstimmung mit den Adoptiveltern – quasi in vorauseilendem Gehorsam –
kommen solche Kinder manchmal plötzlich in eine Phase, in der sie ihrerseits so deutsch
wie irgend möglich sein möchten, damit sie durch eine Überanpassung an deutsche kulturelle Gepflogenheiten und Normen – für ihr Gefühl – dazugehören; sie wollen nicht
mehr auffallen und die Spannung und Kluft zu ihrer eigenen Herkunft gleichsam übermalen oder auslöschen. So ist etwa der Wunsch, die Hautfarbe zu ändern und „weiß“
zu sein oder die schwarzafrikanischen Locken loszuwerden, extrem groß. In der Regel
gelingt eine solche Überanpassung der Identität aber nur vorübergehend, spätestens in
der Pubertät taucht die Suche nach den eigenen Wurzeln und der Herkunft wieder auf
und führt umso mehr zu heftigen Auseinandersetzungen und teilweise erneuten Überidentifikationen, jetzt mit der Kultur, Sprache und Religion des Herkunftslandes.
2.5 Motivation für eine internationale Adoption
Es bleibt oft im Unklaren, warum deutsche Eltern ein Kind aus einem internationalen
kulturellen Kontext adoptieren. Manchmal haben die Eltern bereits ein höheres Alter
erreicht, sodass eine Adoption in Deutschland nicht mehr möglich wäre; homosexuelle
Paare wählen den Weg der internationalen Adoption, da sie als Paar nach dem deutschen Adoptionsrecht keine Kinder adoptieren können. Gleichzeitig verfügen manche
Eltern in höherem Alter über genügend finanzielle Ressourcen, um in fremde Länder zu
reisen, sich dort umzusehen, mit Kinderheimen Kontakt aufzunehmen und schlussendlich auch gemäß den dort vorgegebenen Regeln und Normen ein „Kind zu kaufen“, wie
die Eltern selbst sagen. „Kaufen“, das bedeutet nicht, dass wortwörtlich ein „Kaufpreis“
für das Kind entrichtet wird, aber es wird eine Summe bezahlt, um eine dem Kinderheim nahestehende Stiftung oder einen Verein zu unterstützen, wobei für alle Beteiligten
offensichtlich ist, dass die „gespendete Summe“ im Kontext der Adoption gezahlt wird
und damit dem Kinderheim und seinen Betreibern zugute kommen soll.
Natürlich können auch religiöse und spirituelle Gründe eine Rolle dabei spielen,
einem Kind aus einem „Entwicklungsland“, einem sogenannten armen Land oder
Schwellenland, größere Entwicklungschancen mit einer Aussicht auf ein besseres Leben zu geben (Dörwald, Walger, Oelsner, Lehmkuhl, 2013).
3
Probleme und Psychopathologie
Schon relativ rasch nach der Adoption tauchen bei einem Teil der Kinder oftmals
vielfältige Symptome auf, die mit einer umfassenderen psychopathologischen Ent-
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wicklung zusammenhängen, welche bereits vor der Adoption bestand (Raaska et al.,
2012; Beckett et al., 2003; Habersaat et al., 2011; Johnson u. IAP, 2006; Kroupina et
al., 2010; Laubjerg u. Petersson, 2011; Teicher, 2011; Verhulst et al., 1990a, 1990b,
1990c; Zeanah et al., 2009). Hier finden sich einerseits besonders eine ängstliche
Überanpassung im Verhalten sowie eine Idealisierung der Adoptiveltern, andererseits aber auch
• selbst- und fremdaggressives Verhalten,
• Ein- und Durchschlafstörungen,
• Konzentrationsschwierigkeiten,
• Reizbarkeit oder Wutausbrüche,
• dissoziale Verhaltensweisen mit Lügen und Stehlen,
• die Schwierigkeit, sich ohne größere Konflikte und Auseinandersetzungen in Gruppen zu bewegen,
• ein beginnendes Suchtverhalten mit übermäßigem Essen, Trinken von Alkohol bis
hin zum Drogenkonsum,
• eine fehlende Stresstoleranz und eine fehlende Fähigkeit, Affekte zu regulieren,
• dissoziative Episoden,
• distanzloses Verhalten im Rahmen einer Bindungsstörung,
• ängstliches Verhalten bis zu Panikanfällen,
• psychosomatische Störungen mit Magersucht und Bulimie sowie
• vielfältige somatoforme Störungen mit oft ausgeprägter diffuser Schmerzsymptomatik, die alle Körperregionen und Organe in rascher zeitlicher Abfolge „befallen“
kann (Follan u. McNamara, 2014; Howe, 1997; Kendler et al., 2012; Laubjerg u.
Petersson, 2011; Yoon, Westermeyer, Warwick, Kuskowski, 2012).
3.1 Vielfältige Diagnosen
Es ist nach dem Dargestellten nicht verwunderlich, dass diese Kinder – etwa nach
mehrfacher Vorstellung und Untersuchung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
– nach unserer klinischen Erfahrung mit der Zeit eine Fülle von Diagnosen auf
sich vereinen. Hierunter fallen etwa: Depression, Angsterkrankung, somatoforme
Störung, Störung des Sozialverhaltens, ADHS, Bindungsstörung, autismusähnliche
Störungen, chronische posttraumatische Belastungsstörung, Lernbehinderung, geistige Behinderung, fetales Alkoholsyndrom (FAS). Die Reihe an Diagnosen ließe
sich noch fortsetzen. Im Jugendalter kommen dann noch häufig die Diagnosen Borderline-Störung, schizo-affektive Psychosen, manisch-depressive Erkrankung dazu.
Die Diagnose einer „Bindungsstörung“ wird relativ selten gestellt, noch seltener
taucht in Arztberichten der Begriff „Bindungstraumatisierung“ auf, obwohl diese
Störung die Grundlage für die vielen anderen Diagnosen ist und diese gut erklären
kann (Verhulst et al., 1990c).
802 K. H. Brisch
3.2 Bindungstraumatisierung und das Verhalten in Gruppen
Die körperlichen, emotionalen und sozialen Traumatisierungen des Säuglings bzw.
des Kleinkindes vor der Adoption können zu erheblichen Problemen und Schwierigkeiten in der neuen Adoptivfamilie führen. Nicht selten waren die Kinder intensiver
Deprivation und Gewalt in allen möglichen Formen ausgesetzt, hatten nie eine spezifische Bindungsperson, die sie bei der Regulation von Stress und Affekten unterstützt
hätte, sodass sie verschiedene Formen von Bindungsstörungen entwickelt haben. Die
Traumatisierungen können auch im Herkunftsland vor der Aufnahme ins Heim erfolgt sein: durch die leiblichen Eltern, später auch durch Verwandte, Pflegeeltern, dann
durch die Pflegepersonen im Kinderheim, zudem durch Pflegepersonal und Ärzte in
Kliniken. Fast alle früh und schwerwiegend traumatisierten Kinder, die wir in unserem stationären, klinischen Behandlungssetting kennengelernt haben, hatten vielfältige Formen von Gewalt erfahren, und zwar bereits von den ersten Lebensmonaten
an, meist durch die leiblichen Eltern oder andere Familienmitglieder; als Folge hatte
sehr früh die Entwicklung einer Bindungstraumatisierung begonnen.
Kinder mit einer Bindungstraumatisierung haben enorme Schwierigkeiten, sich zu
integrieren, sowohl in den späteren Adoptivfamilien als auch allgemein in jeder Art
von Gruppe, seien es die Kita, der Kindergarten oder später die Schule. Sie können ihre
Affekte nicht regulieren, und es kommt daher zu ständigen aggressiven Auseinandersetzungen mit ihren Peers, sodass sie häufig als nicht beschulbar eingeschätzt werden;
manchmal ist bereits der Kindergartenbesuch nicht möglich. Diese Schwierigkeit, sich
in Gruppen zu bewegen, kommt daher, dass die Kinder oft die Interessen, Gefühle und
Handlungsabsichten eines Gegenübers in der Gruppe nicht einschätzen, dass sie nicht
„mentalisieren“ können, was dann eben zum Ausschluss aus der betreffenden Gruppe
führt. Der Klassenausschluss und schließlich der Schulausschluss sowie die Weigerung
von verschiedensten schulischen Einrichtungen, diese Kinder zu beschulen, beenden oft
schon in der ersten oder zweiten Klasse ihre Schullaufbahn – trotz Schulpflicht!
4
Heilung und Entwicklung
Es ist möglich, dass die Adoptiveltern für diese Kinder neue oder vielleicht sogar die
ersten sicheren Bindungspersonen werden. Zum allerersten Mal können die Kinder
ein Gefühl von emotionaler Sicherheit erleben und sich im Laufe der Zeit ein neues
inneres Arbeitsmodell von „Urvertrauen“ erwerben (Steele et al., 2007).
Unabhängig davon erleben wir aber, dass die Wunden der Vergangenheit aus den frühen Bindungstraumatisierungen bei einigen Kindern in der Seele „weiterbluten“. Eine
Vernarbung findet zunächst einmal nicht statt, die Entwicklung stagniert in vielen Bereichen, sei es kognitiv, sprachlich, emotional. Alle Entwicklungsbereiche sind durch die
mehr oder weniger großen Unfähigkeit des Kindes zur Affektsteuerung und zur Regulierung von Stress wie blockiert. Grundsätzlich impliziert eine Adoption die Mög-
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lichkeit zur Heilung und zur Entwicklungsförderung. Bei einigen Kindern sind aber die
frühen Traumatisierungen so ausgeprägt und die Wunden so groß, dass nach unserer
Erfahrung zusätzliche psychotherapeutische, intensive Hilfen – etwa im Rahmen einer
Kinderpsychotherapie und einer begleitenden Beratung der Adoptiveltern – dringend
notwendig sind; leider bestehen solche Möglichkeiten einer umfassenden, kontinuierlichen therapeutischen Hilfe für Kinder nur selten (Lutz, 2014a; Garbe, 2015).
4.1 Psychotherapie und Pharmakotherapie
Wenn die Kinder bei uns auf der kinderpsychosomatischen Station aufgenommen
werden, haben sie zuvor bereits manchmal an verschiedenen Therapien – meist für
kurze Zeit – teilgenommen. Hierzu gehören auch kinderpsychiatrische Interventionen, sowohl ambulant, tagesklinisch als auch stationär, in der Regel auch mit
psychopharmakologischer Behandlung. Viele der Kinder haben mehrfach, auch unterschiedliche, Diagnosen bekommen und wurden mit verschiedenen Psychopharmaka behandelt. Hierzu gehören Tranquilizer, Antidepressiva, Methylphenidat und
andere Stimulanzien sowie – auch schon in frühsten Kindheitsjahren – Neuroleptika (Moll, Hause, Rüther, Rothenberger, Huether, 2001).
Oftmals wenden die Eltern sich an uns, weil sie es mit dem Adoptivkind „nicht mehr
aushalten“. Sie berichten regelmäßig, dass das Zusammenleben nicht mehr erträglich sei,
dass sie am Ende seien und die Adoption am liebsten wieder rückgängig machen würden; sie wüssten sich keinen Rat mehr, zudem sei die Partnerschaft stark beeinträchtigt.
Im Zusammenleben mit dem Adoptivkind zeigen sich die allergrößten Schwierigkeiten
in der Familie, auch mit den leiblichen Geschwisterkindern, im Kindergarten, in der
Schule, in verschiedensten Gruppen wie etwa Sportvereinen. Aber auch im Einzelkontakt sind diese Kinder oft überfordert, agieren unvorhersehbar, manchmal aggressiv,
manchmal mit Rückzug, sodass der Umgang mit ihnen ausgesprochen stressvoll ist und
sich verschiedene Betreuungspersonen überfordert fühlen: die Adoptiveltern, die Pädagogen in der Schule, im Hort oder in heilpädagogischen Tagesstätten.
Aus all diesen Gründen ist es aus unserer Sicht dringend erforderlich, dass die Kinder – deren höchst auffällige Verhaltensweisen als symptomatischer Ausdruck ihrer
frühen Traumatisierung verstanden werden können – möglichst frühzeitig in eine
intensive psychotherapeutische Behandlung integriert werden, sodass eine weitere
Chronifizierung der Symptome vermieden werden kann. Kurzfristige psychiatrische
Behandlungen mit intensiver Psychopharmakotherapie – hierdurch wird keine Heilung des Gehirns und der Traumafolgestörung ermöglicht, sondern es werden lediglich die Symptome des Kindes unterdrückt – lassen auf die Dauer nach unseren Erfahrungen keine Heilung der Bindungstraumatisierung und der vielfältigen Defizite
in der Entwicklung des Kindes erwarten. Es kommt nicht selten zu einem psychiatrischen „Drehtüreffekt“, sodass die Kinder entlassen, wieder aufgenommen werden,
manchmal bei der nächsten Aufnahme mit anderen Medikamenten behandelt, dann
aber auch in Jugendhilfeeinrichtungen verlegt werden; von da aus werden sie dann im
804 K. H. Brisch
Rahmen einer Krisenintervention erneut stationär für wenige Tage und zur „Umsetzung und Einstellung auf ein neues Psychopharmakon“ aufgenommen.
4.2 Grundlegende Probleme in der Psychotherapie
Das fehlende Urvertrauen sowie die grundlegende Schwierigkeit, sich überhaupt in
eine Beziehung zu begeben, zu mentalisieren und ein Gegenüber wahrzunehmen,
macht es diesen Kindern in der Regel nicht oder nur ansatzweise möglich, einen
anderen Menschen als jemanden zu sehen, der mit eigenen Interessen, mit einer
Eigenständigkeit seiner Gefühle, Gedanken und Handlungsabsichten lebt, etwa als
Therapeutin oder als Therapeut.
Sobald durch eine bindungsorientierte Therapie langsam ein ganz vorsichtiger, brüchiger Aufbau einer Beziehung gelingt, z. B. durch die feinfühlige Begleitung von Affektausbrüchen, werden die Kinder anfangen, sich zunächst im ständigen Hier und
Jetzt der Therapie mit ihrem Gegenüber auseinanderzusetzen. Erst viel später werden
sie – zunächst oftmals nur für wenige Minuten, etwa durch eine Frage oder eine Aussage
(„weißt du, dass ich in Afrika geboren wurde?“) – auch beginnen, sich vorsichtig ihrer
Vergangenheit anzunähern. Dieser Prozess wird bei uns während der stationären intensiven Behandlung durch das „B.A.S.E.®-Babywatching“ beschleunigt. Die Kinder fragen
sich dann regelmäßig in der Kinderpsychotherapie, warum sie ins Kinderheim gegeben,
warum sie adoptiert wurden: Was waren die Motive meiner Adoptiveltern, warum lebe
ich hier, warum kann ich nicht in meinem Heimatland sein? Sie grübeln darüber, ob sie
womöglich ein „Monsterbaby“ gewesen sein müssen – das furchtbar hässlich war – und
ihre Mutter sie deswegen weggegeben habe. Oder ihre Mutter muss eine „Monstermutter“ gewesen sein, weil Babys normalerweise so süß sind, dass jeder sie haben will und
keiner sie weggibt, schon gar nicht die leibliche Mutter. Die Vorstellung, dass das Kind
zwar als Baby süß und hübsch war, aber leider – so die Phantasie des Kindes – eine
„Monstermutter“ hatte, die das Baby nicht lieben, annehmen und akzeptieren konnte,
ist für das Kind noch schwerer auszuhalten als die Annahme, dass es selbst abgrundtief
hässlich gewesen sei. Erklärungen der Erwachsenen, dass die leibliche Mutter ihr Baby
abgegeben habe, weil sie es liebte, damit es unter besseren Bedingungen aufwachsen solle
oder damit es überhaupt überlebte, weil sie nicht ausreichend für ihr Baby sorgen konnte
etc., kommen in der Regel nach unserer therapeutischen Erfahrung bei den Kindern
erst einmal nicht emotional an. Viele Kinder geben sich daher in der Psychotherapie
zunächst eher selber die Schuld – sie hatten sicher die liebenswerteste Mutter der Welt,
die sie gerne behalten hätte, die aber mit ihnen als „Monsterbaby“ nicht zurechtkommen
konnte. Aus diesem Grunde war es die bessere Lösung, das Kind als Baby z. B. in ein
Kinderheim in die Pflege von Nonnen zu geben.
In der Kinderpsychotherapie sehen wir regelmäßig in jeder Therapiestunde bruchstückhafte Beziehungsaufnahmen und Abbrüche, sozusagen eine „Achterbahn der
Gefühle“, da für das Kind Affektregulation, Aufmerksamkeitssteuerung, kognitive
Funktionen, Selbst- und Fremdwahrnehmung, Mentalisierung, die Regulation von
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interpersonellen Beziehungen und von Aggressivität nicht, kaum oder nur für einen
kurzen Moment möglich sind. Es ist daher für die Kindertherapeuten extrem anstrengend, alle diese Hilfs-Ich-Funktionen zu übernehmen und im Sinne einer sehr fein
austarierten Koregulation bei der Reifung dieser Funktionen zu helfen.
Nach unseren langjährigen klinischen Erfahrungen kann dieser emotionale Reifungsprozess nur in einer helfenden, emotional schützenden, sicheren Beziehungserfahrung erfolgen. Psychopharmakologische Behandlungen, z. B. durch Neuroleptika,
unterdrücken Affektspitzen, aber sie erschweren es womöglich dem Gehirn, die in der
Beziehung erfahrenen neuen, emotional sicheren, guten Gefühle zu integrieren und
daraus innere Repräsentationen zu bilden, auf die das Kind dann später allein zurückgreifen kann, um von der unterstützten Fremdregulation von Affekten zur sicheren
Selbstregulation zu gelangen.
Die Therapie ist natürlich zusätzlich dadurch kompliziert, dass bei den Therapeuten
oft Wissen über die Herkunftskultur fehlt, auch die frühen Traumatisierungen des
Kindes im Detail nicht bekannt sind. Von daher bleibt offen, welche spezifischen Trigger – sogenannte Auslösereize für die Stressaktivierung von früheren traumatischen
Erfahrungen – für das Kind von Bedeutung sind. Erst im Laufe der Therapie wird
deutlich, was für das Kind besonders stressvoll ist, welche Verhaltensweisen, welches
Wort, welche Interaktionen oder auch Gegenstände extrem großen Stress und Gefühle
von Panik und Hilflosigkeit auslösen können. Es kommt daher in der Therapie oft zu
ausgeprägten Missverständnissen, wenn Therapeuten – unabsichtlich – durch ihr Verhalten in der Therapie ein Kind triggern. Werden diese Trigger erkannt, können sie in
der Therapie – oftmals erst nach weiteren Phasen der Stabilisierung und wenn eine
noch größere Sicherheit in der therapeutischen Beziehung erreicht ist – besprochen
werden, um einen weiteren Entwicklungsprozess voranzubringen.
Ein zusätzliches Problem stellen kulturspezifische Trigger dar. Da ältere Adoptivkinder sich oft zwischen der deutschen Kultur und ihrer Herkunftskultur und deren
Anforderungen hin- und hergerissen fühlen, macht es wenig Sinn, dass Therapeuten,
die Adoptivkinder behandeln, in die entsprechenden Ursprungsländer reisen und
dort die Kultur kennenlernen, um eine „kulturspezifische“ Psychotherapie des Kindes
durchführen zu können. Es ist schlichtweg nicht möglich, in Deutschland eine kenianisch adaptierte Psychotherapie des Kindes, um nur mal ein Beispiel zu nennen, zu
etablieren oder eine indische Spezialvariante oder eine südamerikanische. Vielmehr
wird es darauf ankommen, sich vom Kind schildern zu lassen, wie es in seinem Heimatland ist, was bestimmte Verhaltensweisen bedeuten, wie sie interpretiert werden,
was Stress auslösen kann; wichtig ist dann eine therapeutisch interessierte Haltung, die
offen ist für neue Erfahrungen, die die Kinder uns vermitteln. Darin läge eine Chance
der Therapie, weil diese – vielleicht im Gegensatz zum Elternhaus – nicht dadurch belastet wäre, dass sich das Kind anpassen oder Sorge haben müsste, es könnte die Therapeuten „kränken“, wenn es etwa in der Therapiestunde seine Musik hören möchte, die
es an früher, an die Zeit vor der Adoption, erinnert (Lutz, 2014a, 2014b).
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4.3 Ambulante Psychotherapie
Bereits in der ambulanten Psychotherapie treten viele Probleme auf, die eine Behandlung erschweren. In der Regel sind die Adoptiveltern in der Frage ambivalent, ob sie
eine Psychotherapie für ihr Kind suchen und dieses dazu motivieren sollen: Hatten sie
doch angenommen, dass ihre große Liebe, ihr Engagement dazu führen werde, dass
das Kind, das sie aus schwierigsten Familien- und Lebensverhältnissen „befreit und
gerettet“ hatten, eine gesunde Entwicklung nehmen würde. Oftmals wurde das Adoptivkind in der Großfamilie und der erweiterten Familie aber nicht gut aufgenommen,
manchmal von Familienmitgliedern sogar abgelehnt. Freunde haben sich manchmal
distanziert, weil sie nicht nachvollziehen konnten, warum ihre Freunde jetzt, „auf ihre
alten Tage“, noch ein Kind aus einem „Entwicklungsland“ adoptieren mussten. Auch
das Jugendamt, das die Eltern im Adoptionsprozess noch unterstützt hat, zieht sich
plötzlich zurück und ist „nicht mehr zuständig“, da die Adoptiveltern jetzt die Rechte der Eltern ausüben und damit ihnen alleine die Fürsorge für das Kind obliegt. In
den beratenden Elterngesprächen zeigt sich, dass die Differenzen bezüglich Kultur,
Sprache sowie das unbekannte Ausmaß der Traumatisierung des Kindes es erheblich
erschweren, dass die Adoptiveltern das Kind verstehen können.
Nicht selten kommt es zum Agieren des Kindes (das Kind will weglaufen oder tut
dies sogar oder es verweigert die Therapie), der Eltern (sie halten die Therapie, nachdem sie begonnen wurde, plötzlich doch nicht mehr für so notwendig, haben Angst
vor Veränderungen oder auch der Annäherung an die Erfahrungen des Kindes vor
der Adoption), bis sich dann schließlich die therapeutische Bindungsbeziehung und
das Arbeitsbündnis langsam festigen. Erst dann kann das Kind – etwa im Symbolspiel, durch Malen, szenische Darstellungen, Rollenspiel – beginnen, frühe Traumatisierungen darzustellen, an die es sich nicht mehr erinnern konnte, weil sie aus
der frühen Zeit der ersten Lebensjahre stammen und im sogenannten prozeduralen
Gedächtnis abgespeichert sind, also einer Zeit entstammen, in der es noch keine expressive Sprachfähigkeit für den Ausdruck des Erlebten, keinen Ausdruck in Worten
gab. Vielfältige symbolische Inszenierungen wie Sandspielarbeiten bleiben im therapeutischen Prozess oft zunächst daher „unverstanden“, sie sind nicht deutbar, weil sie
nicht in bekannte psychodynamische Zusammenhänge eingeordnet werden können.
Es ist bereits ein großer Gewinn, wenn man das Kind ermutigen kann, weiterzuspielen
und im Prozess der Symbolisierung zu bleiben – denn die Seele sucht sich (nach C. G.
Jung) selbst ihren Weg zur Entwicklung im Rahmen der Symbolarbeit.
In den Elterngesprächen, der sogenannten Elternarbeit, überwiegen oftmals sowohl
die Verzweiflung als auch die Ambivalenz der Eltern gegenüber der Therapie. Sobald
das Adoptivkind anfängt, sich auf eine Bindungsbeziehung im therapeutischen Prozess einzulassen, erleben dies die Eltern nicht selten als Konkurrenz zur Beziehung des
Kindes zu ihnen als Eltern. Wenn sich zeitgleich die Symptomatik des Kindes bessert,
denken und sprechen sie häufig über einen Abbruch bzw. eine „Beendigung der Behandlung“. Sie drängen auf eine frühzeitige Beendigung der Therapie, weil schon eine
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so deutliche – und aus ihrer Sicht auch ausreichende – Besserung der Symptomatik
eingetreten sei: Sie tun dies, obwohl noch viele therapeutische Stunden genehmigt
sind und die Therapie – nach Auskunft der Therapeuten – über einen viel längeren
Zeitraum fortgesetzt werden müsste. Die Eltern erleben die gute therapeutische Bindungsbeziehung des Kindes voller Neid, fühlen sich bedroht, bekommen Angst, das
Adoptivkind könnte zur Therapeutin oder dem Therapeuten „überlaufen“, wie dies
einmal ein Elternteil mir gegenüber ausdrückte.
Verhalten sich die Eltern sehr unterstützend und kooperativ, kann die Behandlung durchaus mit einer Frequenz von mehreren Stunden pro Woche durchgeführt
werden. Unter diesen guten Voraussetzungen gibt es aber den limitierenden Faktor
des Kontingents der von der Kasse finanzierten Psychotherapiesitzungen, die bei einer Kinderpsychotherapie auf 120 und bei der Jugendlichenpsychotherapien auf 140
Sitzungen pro Behandlungsfall und Antrag begrenzt sind. Im Ausnahmefall kann es
gelingen, dass der Gutachter über diese Grenze hinaus weitere Stunden genehmigt,
dies ist aber nicht die Regel. Es besteht dann die Möglichkeit, dass die Eltern – mit Unterstützung der Kindertherapeutin – einen Antrag beim Jugendamt stellen, damit die
weiteren Therapiestunden, die zur kontinuierlichen Bearbeitung dringend notwendig
sind, über das Jugendamt bzw. als Jugendhilfemaßnahme bezahlt werden. Gelingt dies,
besteht die Möglichkeit, mit einer Absicherung der Vergütung über diesen Weg den
Therapieprozess kontinuierlich fortzusetzen, um dann nach Ablauf von zwei Jahren,
so sehen es die Therapierichtlinien vor, einen erneuten Antrag auf eine Kinder- oder
dann auch bereits vielleicht auf eine Jugendlichenpsychotherapie zu stellen.
4.4 Therapieprobleme in verschiedenen Altersstufen
4.4.1 Säuglinge und Kleinkinder
Wenn die Eltern unmittelbar nach der Adoption eines Säuglings oder Kleinkindes aus
einem internationalen Kinderheim zur Beratung, Begleitung oder Psychotherapie kommen, weil der Säugling oder das Kleinkind sehr viel weint, oft stundenlang schreit, sich
nicht beruhigen lässt, sehr schreckhaft ist, oft auf kleinste Reize mit einer neuen Schreiattacke reagiert, auch das Essverhalten oder das Schlafverhalten gestört ist, so ist der
Leidensdruck bei ihnen oft sehr groß. Dennoch sind nicht alle Eltern bereit, gleich eine
Beratungsstelle aufzusuchen oder eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit
Zusatzausbildung in Eltern-Säuglings-Psychotherapie zu konsultieren. Vielmehr versuchen sie zunächst allein, oftmals über viele Wochen und Monate, das Kind so weit zu
beruhigen, dass es sich erst einmal bei ihnen eingewöhnen kann – so die Idee. Wenn dies
gelingt, sind die Eltern am Ende dieses Prozesses mit den Nerven „vollkommen fertig“,
erschöpft, und sie wissen nicht, wie es weitergehen soll. Sie haben sich schlichtweg in
den Möglichkeiten der ständigen Koregulation von Affekten – während Tag und Nacht
– überfordert, indem sie über Wochen rund um die Uhr zuständig waren und es keine
Möglichkeit gab, diesem Prozess zu entkommen. Werden sie aber, vielleicht durch den
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Kinderarzt oder Nachbarn, Freunde und Verwandte oder auch die Adoptionsvermittlungsstelle im Jugendamt, dazu motiviert und dabei unterstützt, eine spezifische Beratungsstelle aufzusuchen, so ist damit schon eine große Hürde genommen.
In der Eltern-Säuglings- und Kleinkind-Therapie oder der Beratung geht es oftmals
darum, den Eltern die Symptome des Säuglings verständlich zu machen und ihnen zu
erklären, wie ein traumatisierter Säugling, der bereits intrauterin extremem Stress ausgesetzt war und manchmal schon in den ersten Lebenswochen Gewalt und extreme
Deprivation erlebt hat, reagiert. Alleine diese Beratungen helfen den Eltern sehr, das
Verhalten ihres Kindes einzuschätzen und auch einzuordnen, sodass sie es nicht auf sich
beziehen – in dem Sinne, dass sie zur Pflege des Säuglings unfähig seien. Hier können
frühe Beratungen der Eltern extrem hilfreich sein und daran mitwirken, den Säugling
in ein „ruhigeres Fahrwasser zu bringen“. Inwieweit dann später eine Eltern-KleinkindTherapie oder eine Spieltherapie des Kindergartenkindes noch vonnöten ist, wird sich
im Laufe der nächsten Jahre zeigen. Es ist gut, wenn die Eltern bereit sind, immer wieder
mal – auch in „guten Zeiten“ – zu Gesprächen zu kommen, um den Entwicklungsprozess
ihres Kindes zu besprechen und zu überlegen, ob und wann gegebenenfalls eine weitere
psychotherapeutische Behandlung ihres Kind indiziert ist, quasi als „Intervalltherapie“,
damit die oftmals in Phasen verlaufenden Entwicklungsschwierigkeiten immer rasch
adäquat psychotherapeutisch behandelt werden können.
4.4.2 Kindergartenkinder
Im Kindergartenalter zeigen Adoptivkinder oftmals erhebliche Schwierigkeiten, sich
in der größeren Gruppe der Kinder zu orientieren und sich durch prosoziale Verhaltensweisen gegenüber den anderen Kindern zu integrieren. Nicht selten fallen sie durch
aggressives Verhalten auf, wobei sich die Aggressionen gegen sich selbst, andere Kinder oder auch gegen Gegenstände richten können. Diese Verhaltensweisen werden oft
zu Beginn – nach der Aufnahme des Adoptivkindes in die Kindergartengruppe – als
Anpassungsschwierigkeiten fehlgedeutet, sind aber oft Ausdruck einer großen Schwierigkeit des Kindes, seine Affekte in prosozialer Weise zu steuern. Spätestens wenn dies
erkannt ist, wäre eine intensive tiefenpsychologisch orientierte kinderpsychotherapeutische Behandlung, etwa als „Kinderspieltherapie“, indiziert. So erhielte das Kind die
Möglichkeit, im Rahmen einer hilfreichen Beziehung seine inneren Konflikte und Affektspannungen über das Spiel in all seinen Variationen auszudrücken; darin könnte
es von der Therapeutin/dem Therapeuten verstanden werden und eine entsprechende
Antwort im Spiel-Dialog erhalten. Eine intensive – möglichst wöchentliche – Beratung
der Adoptiveltern ist ebenso dringend indiziert. Oft sind die Adoptiveltern ebenso mit
dem Verhalten ihres Kindes überfordert wie die Erzieherinnen im Kindergarten; sie haben Schuldgefühle, dass sie alles falsch machten, oder projizieren alle Probleme auf das
Adoptivkind und leiten die Schwierigkeiten rein von den früheren, etwa traumatischen
Erlebnisse des Kindes ab. Sie erleben sich letztlich in der Erziehung überfordert und
alleingelassen (Barone u. Lionetti, 2012).
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4.4.3 Grundschulkinder
Bei Kindern im Grundschulalter sind es oft vor allem die Schwierigkeiten des Kindes in der Schule, welche den Eltern Sorgen bereiten. Die Eltern wurden etwa von
der Klassenlehrerin darauf aufmerksam gemacht, dass das Kind nicht in der Lage
ist, dem Schulstoff zu folgen, weil es unruhig, unkonzentriert ist, eine Aufmerksamkeitsstörung hat; zusätzlich bestehen oft ausgeprägte aggressive Verhaltensstörungen, sodass solche Kinder nicht selten – erst für kurze Zeit, dann für immer
längere Zeitspannen – aus dem Klassenverband und schließlich aus der Schule ausgeschlossen werden; ein Kind erwähnte mir gegenüber einmal, dass es dies geradezu
als „Verbannung“ erlebte. Es selbst hatte den Eindruck, dass es gefährlich, bedrohlich, ansteckend, für die Mitschüler „giftig“ sein könnte, weshalb die Mitschüler vor
ihm geschützt werden müssten. Es kannte dieses Vorgehen aus seiner Kultur: Wenn
ein Tier „giftig“ war, wurde es ausgeschlossen, bekämpft, man musste sich vor ihm
hüten. Das Kind hatte also den Ausschluss aus der Klasse und der Schule als gegen
das eigene Selbst gerichteten Prozess erlebt, ein Geschehen, das von ihm auf fast
paranoide Weise verarbeitet worden war, indem es sich damit identifizierte und sich
schließlich selbst für „giftig“ hielt. Es gab, so empfand es, etwas Böses, Bedrohliches,
Angstmachendes in ihm, das durch Ausschluss bekämpft werden musste.
4.4.4 Pubertät und Adoleszenz
In dieser Entwicklungsphase ist es sehr schwierig, die Kinder für eine ambulante
oder stationäre psychotherapeutische Behandlung zu gewinnen. Sie stehen diesen
Behandlungen oft sehr skeptisch bis ablehnend gegenüber, reklamieren – manchmal
zu Recht –, dass eigentlich ihre Adoptiveltern eine Behandlung brauchten, weil diese
„schwieriger“ seien als sie selbst. Die Adoptiveltern ihrerseits betonen, ihnen ginge
es gut, wenn ihr jugendliches Adoptivkind nicht so schwierig wäre.
Wenn die Pubertierenden sich von den Adoptiveltern abgrenzen, dies auch in sehr
negativer Art und Weise tun, ihnen gar vorwerfen, dass es ihnen bei der Adoption nicht
um sie als Kind gegangen sei, sondern nur darum, ein Kind für sich selbst zu kaufen, um
ihre eigenen Wünsche zu befriedigen, dann entwickeln sich hieraus oft heftige Auseinandersetzungen zwischen Adoptiveltern und Adoptivkind, die mit Kränkung, Verletzung,
Rückzug und oftmals aggressivem Agieren bis hin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen einhergehen können. In dieser Zeit ist es in der Jugendlichenpsychotherapie von
großer Bedeutung, dass der schon adoleszente Jugendliche selbst bestimmt, ob, wann,
in welcher Frequenz er zur Therapie kommt (Hopkins, 2000). Jede Form von Druck
oder Drohung, etwa mit der Einschränkung von Taschengeld und anderen Privilegien,
trägt nicht dazu bei, dass der Jugendliche sich auf einen emotionalen Prozess einlässt,
um bindungstherapeutische Sicherheit zu gewinnen; vielmehr wird er unter Umständen
Zwang, Gewalt und Druck auf den Therapeuten bzw. die Therapeutin übertragen und
diese deswegen ablehnen. Auch sporadische Therapiegespräche, die manchmal über
810 K. H. Brisch
eine Zeitspanne von mehreren Jahren verteilt stattfinden, sind von großem Wert und
haben für die Jugendlichen oft eine spezifische Bedeutung, weil sie sich hierzu oftmals
Notizen machen und sie auch zwischen den Therapiestunden, selbst wenn von einer
bis zur nächsten Sitzung mehrere Wochen vergehen, „im inneren Prozess sind“ und
die Themen, mit denen sie sich in der Therapiestunde und danach beschäftigen, weiter
verarbeiten (Grant-Marsney, Grotevant, Sayer, 2015; Pace u. Zavattini, 2011). Darüber
hinaus ist in dieser Altersphase die Suche nach der eigenen Identität und den Wurzeln
der Herkunft von großer Bedeutung. Diese Suche nach der Identität erfordert nochmals
eine eigene psychotherapeutische Hilfestellung (Hoksbergen, Juffer, Textor, 1994) und
ist nicht mit dem Bindungsthema zu verwechseln.
5
Stationäre Intensiv-Psychotherapie – das MOSES®-Therapiemodell
Die stationäre Intensiv-Psychotherapie nach dem MOSES®-Therapiekonzept (Brisch
et al., 2013) wurde von uns spezifisch dafür entwickelt, schwer und früh traumatisierten Adoptiv- und Pflegekindern eine Möglichkeit zu eröffnen, sich positiv zu
verändern, obwohl diese Kinder bereits aus allen Gruppenkontexten ausgeschlossen
und teilweise von ihren Lehren und anderen Pädagogen „aufgegeben“ wurden und
in der Regel etwa als „nicht beschulbar“ gelten. Oftmals kämpfen die Eltern aber
weiter für ihre Kinder, die zwischen stationären kinderpsychiatrischen Krisenbehandlungen – oftmals mit Psychopharmakatherapie –, verhaltenstherapeutischen
Trainings und teilweise auch einer Unterbringung in immer wieder neuen Jugendhilfeeinrichtungen wechseln
Die bisherigen Erfahrungen mit dem MOSES®-Therapiekonzept sind sehr vielversprechend und zeigen, dass es gelingen kann, diese Kinder auf einen Entwicklungsweg zu führen, der einen Schulbesuch und eine allgemeine Gruppenfähigkeit
ermöglicht. Dies gelingt nur, wenn durch eine intensive Arbeit mit entsprechendem
dichtem Austausch zwischen allen am Therapieprozess Beteiligten (etwa den Eltern,
den Psychotherapeuten, den pädagogischen Bezugspersonen, den Lehrern, dem Jugendamt) jeweils ein gemeinsames Verstehen der Verhaltensweisen des Kindes und,
daraus abgeleitet, gezielt abgestimmte Vorgehensweisen erarbeitet werden können.
Grundlegend ist dabei immer, das Verhalten des Kindes als Ausdruck seiner inneren
Not zu verstehen, und nicht nur, sein unerwünschtes Verhalten durch entsprechende
Maßnahmen zu verändern.
Das MOSES®-Therapiekonzept wird gerade in einem randomisierten Design in seiner Wirksamkeit evaluiert, etwa neben der Verhaltensentwicklung des Kindes zwischen Beginn und Ende der Behandlung auch im Hinblick auf Veränderungsprozesse
in der Reaktivität des Systems der Stressregulation, des Oxytocin-Hormons sowie in
den neuronalen Strukturen und Reaktionsbereitschaften auf Stimuli (Oberschneider,
Quehenberger, Kern, Brisch, 2015). Eine ausführliche Darstellung des Konzeptes findet sich bei Brisch et al. (2013).
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Prävention
Die Entwicklung traumatisierter Adoptivkinder hängt entscheidend davon ab, wie gut die
Adoptiveltern selbst auf eventuelle Probleme des Adoptivkindes, etwa im Verhalten und
in der Affektregulation, vorbereitet sind und durch eine entsprechende Psychoedukation darauf eingehen können. Viele der Adoptiveltern, deren Kinder wir behandeln, sind
vor der Adoption von keiner Stelle darüber aufgeklärt worden, dass sie damit rechnen
müssen, ein Kind mit einer Bindungsstörung zu adoptieren, wenn dieses im Heim unter
deprivatorischen Bedingungen über Jahre aufgewachsen ist, und was dies für die weitere
Entwicklung des Kindes und der Eltern-Kind-Beziehung an Problemen mit sich bringen
kann. Auch sind sich die Eltern nicht im Klaren, dass ihre eigene Bindungsgeschichte
durch die Adoption aktiviert wird. Haben die Eltern selbst traumatische Erfahrungen in
ihrer Kindheit gemacht, die noch nicht verarbeitet sind, besteht die Gefahr, dass das Adoptivkind durch sein Verhalten die Eltern „triggert“ und deren Erfahrungen aus der Erinnerung wachgerufen werden. Die Eltern sind dann extremen Stressbelastungen ausgesetzt, weil sie nicht nur die Affekte ihres Adoptivkindes, sondern zusätzlich ihre eigenen
früheren, mit ihren Traumata verbundenen Belastungen regulieren müssen. Meist bedeutet dies eine Überforderung und birgt die Gefahr, dass es in den Eltern-Kind-Interaktionen zum Ausagieren von Gefühlen kommt, bis hin zur Reinszenierung von früheren
Erfahrungen des Kindes bzw. seiner Adoptiveltern. Dadurch können sich Gewalt, emotionale Ablehnung und Zurückweisung wiederholen und der Heilungsprozess und die
Entwicklung einer sicheren Bindung des Adoptivkindes an seine Eltern wird behindert.
Aus diesem Grunde haben wir ein Präventionsprogramm entwickelt, das auf unserem Programm „SAFE® – Sichere Ausbildung für Eltern“ basiert und eine Adaptation von dessen Inhalten für Adoptiv- und Pflegeltern umfasst. Dazu gehört auch, dass
die Adoptiveltern durch ein mit ihnen durchgeführtes Bindungsinterview Zugang zu
ihren eigenen Bindungserfahrungen in ihrer Kindheit bekommen und eventuell bei
ungelösten traumatischen Erfahrungen mit einer eigenen Psychotherapie beginnen.
Einzelne Jugendämter bereiten inzwischen Adoptiv- und Pflegeeltern in Gruppen
mithilfe dieses Programms auf die bevorstehende Aufnahme eines Kindes vor und
begleiten sie während des ersten Jahres der Adoption und auch noch darüber hinaus,
um eine möglichst sichere Eltern-Kind-Bindung zu unterstützen. Bei einer ähnlichen
Vorgehensweise konnte Steele (2009) zeigen, dass die Adoptionsverhältnisse eher gelingen und eine sichere Bindungsentwicklung unterstützt werden kann.
7
Zusammenfassung und Ausblick
Adoptivkinder sind von verschiedensten Entwicklungsrisiken bedroht, besonders wenn
sie nach frühen Erfahrungen von Traumatisierungen adoptiert wurden. Bei internationaler Adoption kommen noch besondere Schwierigkeiten durch die kulturellen Unterschiede und den Wechsel in eine neue Kultur hinzu, sodass hierdurch die Bindungsent-
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wicklung zusätzlich belastet bis gestört sein kann. Eine intensive Aufklärung von allen an
Adoptionsprozessen Beteiligten – also etwa von Eltern, Mitarbeiter/innen in Adoptionsvermittlungsstellen im In- und Ausland, Lehrer/innen, Pädagog/innen, Psychotherapeut/
innen – ist notwendig, um die Risiken und Belastungen für die Entwicklung des Kindes
möglichst zu minimieren oder sogar einen Abbruch der Adoption zu verhindern. Eine
frühzeitige psychotherapeutische Behandlung des Kindes bis hin zur stationären IntensivPsychotherapie sowie eine kontinuierliche Beratung der Adoptiveltern oftmals über Jahre
(Beijersbergen, Juffer, Bakermans-Kranenburg, van IJzendoorn, 2012) – eventuell sogar
ebenso eine eigene psychotherapeutische Behandlung bei ungelösten traumatischen Erfahrungen eines Elternteils (Steele, Hodges, Kaniuk, Hillman, Henderson, 2003; Steele,
Hodges, Kaniuk, Steele, 2009) – sind dringend indiziert. Unter diesen Bedingungen kann
eine Verarbeitung früher Traumatisierungen möglich werden und das Adoptivkind sowie seine Eltern einen Entwicklungsweg beschreiten, der eine Persönlichkeitsreifung des
Kindes und seine Integration in die Gesellschaft ermöglicht (Feeney, Passmore, Peterson,
2007; Van Londen, Juffer, van IJzendoorn, 2007). Die hier beschriebenen Zusammenhänge im Kontext von Bindung und Adoption können zum Teil auch auf Pflegekinder und
ihre Pflegeeltern übertragen werden (Pérez, Di Gallo, Schmeck, Schmid, 2011).
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Korrespondenzanschrift: PD Dr. med. Karl Heinz Brisch, Leiter Abteilung Pädiatrische
Psychosomatik und PsychotherapieDr. von Haunersches Kinderspital Klinikum der
Universität München, Pettenkoferstr 8a, 80336 München;
E-Mail: [email protected]
AUTOREN UND AUTORINNEN
Ina Bovenschen, Dr. phil., Dipl.-Psych., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Karl Heinz Brisch, PD Dr. med., Leiter der Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie am Dr. von Haunerschen Kinderspital des Klinikums der Universität München.
Forschungsschwerpunkt: Anwendung der Bindungstheorie in der Psychotherapie und in der
frühkindichen Prävention
Chloë Finet arbeitet als Doktorandin bei der dritten Welle der Längsschnittstudie über chinesische
Adoptivkinder in den Niederlanden (CAN). Ihre Studie wird an der Universität Leiden in den
Niederlanden in Kooperation mit der Universität Leuven in Belgien durchgeführt.
Heidi Jacobsen erwarb 2014 ihren PhD in Psychologie. Ihr Forschungsschwerpunkt sind Bindung
und Entwicklung von Pflegekindern aus einer Längsschnittperspektive. Gegenwärtig hat sie ein
Postdoc-Stelle am National Network for Infant Mental Health at RBUP Eastern and Southern
Norway in Oslo, Norwegen, inne.
Femmie Juffer, PhD, Professorin für Adoptionsstudien am Zentrum für Kind und Familien Studien der Unsiversität Leiden in den Niederlanden.
Josephine Kliewer-Neumann, M. Sc. Psych., promoviert zum Zusammenhang von Bindungsstörungsysmptomen und Bindungsverhalten bei Pflegekindern an der der Ruhr-Universität Bochum
in Kooperation mit der Fachhochschule Dortmund, in Ausbildung zur Verhaltenstherapeutin für
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie in Bochum.
Katrin Lang, Dr. phil., Dipl.-Psych., wissenschaftliche Referentin für das Projekt Nationales Zentrum Frühe Hilfen am DJI, München und Mitarbeiterin in der Erziehungs- und Familienberatungsstelle Ingolstadt.
Katja Nowacki, Prof. Dr. phil., Dipl.-Psych., Dipl.-Soz. Päd., Professorin für klinische Psychologie
und Sozialpsychologie an der Fachhochschule Dortmund.
Inga Christin Roland, Dipl.-Psych., in Weiterbildung zur psychologischen Psychotherapeutin im
Zentrum für Psychotherapie Münster.
Alan Rushton, emeritierter Professor für Adoptionsstudien des King‘s College, London. Seine Forschungsinteressen beinhalten Längsschnittuntersuchungen nach frühen kritischen Lebensereignissen, Interventionsstudien zur Verbesserung der Kompetenzen von Adoptiveltern und die Untersuchung von Prädiktoren der psychosozialen Langzeitfolgen von adoptierten Erwachsenen.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 816 – 817 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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Autoren und Autorinnen 817
Gottfried Spangler, Prof. Dr. phil., Dipl.-Psych., Inhaber des Lehrstuhls für Entwicklungs- und Pädagogische Psychologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Linda van den Dries, PhD, Wissenschaftlerin bei Impuls – Niederländisches Zentrum für Sozialfürsorge des medizinischen Zentrums der Universität Radboud.
Harriet Vermeer, PhD, außerordentliche Professorin am Zentrum für Kind und Familien Studien,
Universität Leiden, Niederlande.
Janine Zimmermann, Dipl.-Psych., wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut e.V.,
München.
GUTACHTER UND GUTACHTERINNEN
Über den Herausgeberkreis hinaus waren 2015 eine Reihe von Gutachterinnen und Gutachtern für die Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie tätig. Herausgeberinnen,
Herausgeber und Redaktion danken den folgenden Referentinnen und Referenten für ihre
ausführlichen und detaillierten Stellungnahmen.
Dr. Marc Allroggen, Ulm
Dr. Claus Barkmann, Hamburg
Dr. Thomas Beddies, Berlin
Prof. Dr. med. Rainer Blank, Heidelberg
PD Dr. Karl Heinz Brisch, München
Prof. Dr. Manfred Cierpka, Heidelberg
Prof. Dr. Reinmar du Bois, Stuttgart
Prof. Dr. Hans-Henning Flechtner, Magdeburg
Prof. Dr. Silke Birgitta Gahleitner, Krems
Prof. Dr. Mechtild Gomolla, Hamburg
Dr. Kathleen Haack, Rostock
Dr. Johann Haffner, Heidelberg
Dr. Julia Jäkel, Bochum
Dr. Jörg Michael Müller, Münster
PD Dr. Michael Kaess, Heidelberg
Prof. Dr. Heiner Keupp, München
Dr. Martin Knollmann, Essen
Prof. Dr. Ute Koglin, Oldenburg
Prof. Dr. Michael Linden, Berlin
Prof. Dr. Katja Mackowiak, Hannover
Prof. Dr. Eva Möhler, Kleinbittersdorf
Prof. Dr. Katja Nowacki, Dortmund
Dr. Nantje Otterpohl, Gießen
Dr. Jan Pfetsch, Berlin
Dr. phil. Brigitte Ramsauer, Hamburg
Dr. Rüdiger Retzlaff, Heidelberg
Prof. Dr. Brigitte Rollett, Wien
Prof. Dr. Renate Schepker, Ravensburg
Prof. Dr. Klaus Schmeck, Basel
Dr. Marc Schmid, Basel
Prof. Dr. Klaus A. Schneewind, München
Dr. Anna Sidor, Heidelberg
Prof. Dr. Ulrich Strehlow, Freiburg
Dr. Esther Strittmatter, Münster
Prof. Dr. Ute Thyen, Lübeck
Dr. Lars Tischler, Hamburg
Prof. Dr. Alexander von Gontard, Homburg
Prof. Dr. Kirsten von Sydow, Berlin
Dr. Eva Vonderlin, Heidelberg
Dr. Joachim Walter, Hamburg
Dr. Lisa Warner, Berlin
Prof. Dr. Alexander Wettstein, Bern
Lars Otto White, Leipzig
Prof. Dr. Silke Wiegand-Grefe, Hamburg
Prof. Dr. Peter Zimmermann, Wuppertal
Dr. Marina Zulauf Logoz, Zürich
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 818 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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BUCHBESPRECHUNGEN
Lenhard, A., Lenhard, W., Küspert, P. (2015). Lesespiele mit Elfe und Mathis. Computerbasierte Leseförderung für die erste bis vierte Klasse. Göttingen: Hogrefe, Manual
58 Seiten plus Trainingsprogramm auf CD-ROM, 89,00 €.
In Deutschland nimmt im Gegensatz zu den englischsprachigen Ländern die Lesefertigkeit bei der Vermittlung schriftsprachlicher Leistungen einen vergleichsweise
geringen Stellenwert ein. Entsprechend stehen dazu auch weniger Förderprogramme
zur Verfügung. Schwache Leser werden zumeist aufgefordert, das Lesen anhand
vorgegebener Texte „zu üben“, womit vorwiegend dem kurzfristigen Auswendiglernen Vorschub geleistet wird, ohne damit tatsächlich eine Verbesserung beim Entschlüsseln geschriebener Texte zu erreichen. Daher ist es zu begrüßen, dass in der
Reihe der computergestützten Förderprogramme mit Elfe und Mathis nun auch ein
Programm zur Leseförderung erschienen ist, das sich durch einen systematischen
inhaltlichen Aufbau auszeichnet und das auf vier hierarchischen Stufen das Lesen
von der Lautebene bis zum Umgang mit Texten abdeckt.
Auf der ersten Lernstufe wird das Erkennen von Anlauten und Reimen geübt sowie das Identifizieren und Zusammenfügen von Silben. Die zweite Lernstufe befasst
sich mit Wörtern. So muss aus einer Liste zu lesender Wörter dasjenige herausgefunden werden, das zu einer gegebenen Abbildung passt, zu lesende Wörter müssen bestimmten Kategorien zugeordnet werden, Wortstämme und bestimmte Buchstabenfolgen sind aus geschriebenen Wörter herauszufinden und Wörter sind in Silben zu
zerlegen. Auf der dritten Trainingsebene geht es um Satzbildung, wobei Satzstellung
und Interpunktion beachtet werden müssen, deplatzierte Wörter sind herauszufinden und Satzbedeutung ist mit gegebenen Abbildungen abzugleichen. Auf der vierten
Ebene schließlich wird der kompetente Umgang mit Texten geübt, wobei sowohl Leseverständnis für komplexes sprachliches Material als auch strategisches Wissen bei der
Textbearbeitung gefordert sind. Dazu dienen Lückentexte, inhaltliche Fragen, die sich
auf den Textinhalt beziehen, das Identifizieren unpassender Begriffe sowie die Auswahl einer geeigneten Überschrift. Auch das Herausfinden falsch geschriebene Wörter wird verlangt. Zusätzlich zu den genannten vier Ebenen gibt es einen sogenannten
therapeutischen Bereich, in dem Buchstabe-Laut-Zuordnung, Prä- und Suffixe sowie
häufige Wörter geübt werden. Die Reizdarbietungszeit ist dabei variabel einstellbar
und Wortlisten können individuell zusammengestellt werden.
Das Lernprogramm ist eingekleidet in die Rahmenhandlung der Identifikationsfiguren Elfe und Mathis, die den Benutzer auffordern, ihnen zu helfen, das magische Buch
Alphabetikon zu erobern. Dazu müssen in einer Bibliothek verschiedene Aufgaben mit
ansteigender Schwierigkeit gelöst werden. Die Aufgabenerklärung erfolgt akustisch. Das
Stimulusmaterial besteht aus Abbildungen, vorgesprochenen und zu lesenden BuchstaPrax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 819 – 824 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
820 Buchbesprechungen
ben, Silben, Wörtern sowie Texten. Die Eingabe erfolgt durch Anklicken der richtigen
Lösungsalternative. Es erfolgt ein unmittelbares auditives und optisches Feedback. Das
Zielkriterium pro Übung kann eingestellt werden. Im Widerholungsfall werden zum
Teil andere Aufgaben aus dem vorhandenen Aufgabenpool dargeboten. Nach 20 Minuten Bearbeitungszeit wird dem Kind vorgeschlagen, das Üben zu beenden. Spielstände
werden gespeichert und bestimmen den Anfangspunkt der nächsten Trainingssitzung.
Neben der Komplettdurchführung besteht die Möglichkeit, nutzerspezifische Profile
einzustellen, die sich entweder an Klassenstufen oder an Normwerten durchgeführter
Rechtschreibtests orientieren. Hält man sich an den vorgeschlagenen Trainingsplan,
wird das Programm in etwa 20 Sitzungen durchlaufen.
Das Programm deckt den Leselernstoff der vier Grundschulklassen ab und kann
natürlich auch von Kindern höherer Klassenstufen bearbeitet werden um Rückstände
in der Lesekompetenz aufzuarbeiten. Es wird die Anwesenheit eines Trainers während
der Übungseinheiten zwecks individueller Instruktion nahegelegt. Bestehen Wissenslücken bei Phonem-Graphem-Verbindungen, bietet es sich an, mit dem therapeutischen Bereich zu beginnen oder man folgt der Empfehlung der Autoren und schaltet
ein Training der phonologischen Bewusstheit vor.
Das Programm lässt sich problemlos unter den gängigen Betriebssystemen installieren und betreiben. Auf gute Lautsprecherqualität ist zu achten bzw. empfiehlt sich der
Einsatz von Kopfhörern. Die Animationseffekte sind eher schlicht gehalten und treten
in den Übungsphasen ganz in den Hintergrund. Der Trainingsaufbau ist klar gegliedert.
Im Detail gibt es noch Fehler. Zum Teil werden Kenntnisse über Interpunktion vorausgesetzt. Die Aufgaben ermöglichen ein gewisses Maß an Abwechslung, dennoch sollte auf
zeitliche Begrenzung der Trainingseinheiten geachtet werden, da sonst die Konzentration
nachlässt und die gesprochenen Zwischentexte eine gewisse Übersättigung hervorrufen
können. Das Erreichen des Trainingsziels hätte etwas kreativer gestaltet werden können
z. B. durch eine ausdruckbare Urkunde oder einen Extra-Lesetext, an dem das Kind seine hinzugewonnenen Fertigkeiten erproben kann. Programm-Updates sind online verfügbar. Eine Evaluation wurde von den Autoren in Aussicht gestellt, lag zum Zeitpunkt
der Rezensionserstellung aber noch nicht vor. Insgesamt überzeugen die Lesespiele mit
Elfe und Mathis durch ihren systematischen Aufbau. Im Rahmen eines Lese- und Rechtschreibtrainings sollten sie aber mit anderen Elementen kombiniert werden.
Dieter Irblich, Auel
Fichtner, J. (2015). Trennungsfamilien – lösungsorientierte Begutachtung und
gerichtsnahe Beratung. Göttingen: Hogrefe, 217 Seiten, 26,95 €.
Die Trennungs- und Scheidungsberatung, die im Überschneidungsbereich unterschiedlicher Disziplinen (Sozialwissenschaft, Psychologie, Recht etc.) angesiedelt ist, gewinnt,
auch im Zuge von gesetzlichen Veränderungen im Familienrecht, mehr und mehr den
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Charakter einer eigenständigen Disziplin. So zeigt sich, dass das Aufgabenfeld, zumindest aus psychologischer Perspektive, zunehmend an der spezifischen Problematik einer
Familie aus-gerichtet ist und lösungsorientierte Ansätze bedeutsamer werden.
Damit eine (noch) neue Disziplin Konturen gewinnt, braucht es Ansätze, die Gegenstandsbeschreibungen (Hochkonfliktfamilien) und Anwendungsmöglichkeiten
(Lösungsorientierung) kompakt zusammenbringen. Das vorliegende Buch ist in der
Anlage und Ausrichtung auf diese Anforderung zugeschnitten.
Fichtner versteht seinen Versuch „als Beitrag zur virulenten Diskussion um wirkungsvolle Ansätze in der Hochkonfliktberatung und lösungsorientierten Begutachtung.“ Das heißt, wir haben es hier nicht mit einem vollständig systematisch durchkonstruieren Entwurf zu tun; vielmehr ist der Autor auf einige zentrale theoretische,
in der Hauptsache aber auf praktische Frage- und Problemstellungen ausgerichtet.
Dabei knüpft er immer wieder an die Rechtspraxis an, ohne dass der Leser genötigt
wird, sich detailliert auf juristische Fachfragen einzulassen.
Das einleitende Kapitel behandelt kursorisch den Wandel der Familie, der Familienbilder und Rollenvorstellungen seit den 70er Jahren und beschreibt wesentliche Veränderungen im Familienrecht. Im folgenden Abschnitt werden markante Streitpunkte
von Hochkonfliktfamilien benannt, die die Spannweite zwischen Rechtsnormen und
psychologischen Erklärungstheorien in sich aufnehmen. Fichtner thematisiert häufige,
den Trennungsprozess begleitende Konfliktpunkte aus juristischer bzw. Eltern- und
Kindesperspektive. Der Autor bietet einen Definitionsvorschlag für Hochkonflikthaftigkeit und hält dabei immer eine kritische Distanz zu einseitigen Herleitungen, wie etwa
soziologischen oder psychopathologischen Erklärungskonzepten. Indem Hochkonflikthaftigkeit als offenes Konstrukt behandelt wird, zeigt sich deutlich, dass scharfe Definitionsgrenzen ebensowenig sinnvoll sind wie der Versuch einer stringenten Herleitung von
richtigen oder geeigneten Lösungsansätzen aus bestimmten Konfliktkonstellationen.
Es schließt sich an eine erste Standortbestimmung zur Rolle der psychologischen Intervention im familiengerichtlichen Verfahren. Sehr klar werden die Systemdifferenzen
zwischen dem Rechtssystem und der psychologischen Beratung markiert, deren Beachtung betont und plausibel begründet. Beratung, so der Autor, müsse, gerade vor dem
Hintergrund einer intensivierten Kooperation unterschiedlicher Berufsgruppen als eigenständiges Angebot erkennbar bleiben, auch und gerade aus Sicht der betroffenen Eltern. Das folgende Kapitel erwägt Interventionszugänge für die Arbeit mit hochkonflikthaften Eltern. Der Autor spricht hier zurückhaltend von Ansatzpunkten und macht an
instruktiven Beispielen die besonderen fachlichen und persönlichen Herausforderungen
in der Arbeit mit hochstrittigen Eltern deutlich, die „eine eigene Form von Empathie
und Verstehen“, sowie ein „deutlich mehr an Struktur in der Beratung“ und gleichzeitig
auch ein „flexibleres Vorgehen“ (Probehandeln) erforderten. Nicht zuletzt ist der Berater
– im wahrsten Sinne des Wortes – an dieser Stelle gut beraten, sich von herkömmlichen,
den konventionellen Beratungsprozess leitenden Wert- und Zielvorstellungen zu verabschieden, zumal eine außergerichtliche Konfliktregelung den Betroffen in der Regel
nicht angeraten, sondern mehr oder weniger verordnet wurde.
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Was die beraterische und gutachterliche Arbeit mit Kindern angeht, plädiert
Fichtner unter den Stichworten Teilhabe und Kindeswille für einen möglichst weitgesteckten Diagnostik- und Interventionsrahmen. Die Psychologie hat hier ihren
methodischen und normativen Eigensinn zu behaupten, und dazu gehört nicht zuletzt ein sorgfältig abwägender und begriffskritischer Umgang mit Kriterien (z. B.
Bindungstoleranz, Kindeswohl) ebenso, wie eine realistische Einschätzung psychologischer Interventionsmöglichkeiten (Nicht jede außergerichtliche Einigung ist per
se gut). Das letzte Kapitel führt die rechtlichen und psychologischen Überlegungen
zusammen, indem Vorschläge und Grundsätze für eine Beratung und eine lösungsorientierte Begutachtung skizziert werden.
Die Kapitel liefern eine Fülle von Informationen, durchgängig wird auf Forschungsergebnisse verwiesen und werden einzelne Befunde ausführlicher erörtert.
Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang die kritische und gleichwohl
faire Behandlung der umfangreichen Studie zum sogenannten Wechselmodell (Sünderhauf, 2013). Man merkt dem Buch durchgehend an, dass es für die Praxis geschrieben ist. So besteht nie die dieser Thematik inhärente Gefahr, mit widersprüchlichen Befunden oder Lösungsvorschlägen überhäuft zu werden und als Leser am
Ende nicht zu wissen, was man denn nun für die Praxis nutzbar machen kann oder
soll. Der Autor scheut sich nicht vor klaren Abgrenzungen und Wertungen, die man
sicher nicht in Gänze nachvollziehen muss, um von diesem Buch begeistert zu sein.
Der Ansatz von Fichtner fördert in hervorragender und modellhafter Weise die Voraussetzungen für eine Kooperation unterschiedlicher Disziplinen, die im Bereich
der Trennungs- und Scheidungsberatung nicht nur gewünscht, sondern im Interesse der betroffenen Familien unabdingbar ist.
Sünderhauf, H. (2013). Wechselmodell. Psychologie – Recht – Praxis. Wiesbaden. Heidelberg: Springer VS.
Hubert Mackenberg, Gummersbach
Rechenberg-Winter, P., Haußmann, R. (2015). Arbeitsbuch kreatives und biografisches Schreiben – Gruppen leiten. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 373
Seiten, 49,99 €.
Das vorliegende Buch übersteigt die üblichen Texte zum Thema Gruppenleitung für
kreatives Schreiben. Autorinnen legen in Zusammenarbeit mit Andrea Katzenberger und Christian Kaiser eine detaillierte, alle Eventualitäten einbeziehende Ausbildung für das Leiten von Schreibgruppen in sieben Schritten vor.
Von der Lehre des kreativen, biografischen und therapeutischen Schreibens im
ersten Schritt geht es im zweiten zu systemischen Schreibinterventionen in der Lyrik, die weit in die Literaturgeschichte reicht. Der nächste Punkt befasst sich mit der
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Frage, wie erzählende Texte entstehen und so bearbeitet werden, dass sie auch für
Außenstehende interessant sind. In diesem dritten Abschnitt werden die Grundlagen der Prosa beschrieben. Christian Kaiser erklärt die Typologie, die mit unterschiedlichen Fragen den Kern eigener Geschichten erkennen lassen. Im vierten
Schritt ist die Kunst des Erzählens mit einem Exkurs von Andrea Katzenberger zum
Thema Drehbuch im Fokus. Von der Schreibgruppendynamik mit der Steuerung
von Prozessen werden die Leser vom fünften zum sechsten Schritt geleitet. Hier
behandeln die Autorinnen die Schreibgruppenpädagogik mit den Unterpunkten
Überblick über Strukturen, Wahrnehmung Didaktik und Entwicklung ausführlich.
Im letzten Schritt geht es um Schreibidentität, Kompetenz, Verständnis, Abschluss
von Prozessen und die Nutzung von Ritualen. Alle Schritte werden mit Feedback,
Reflexion Evaluation und Literaturempfehlungen abgeschlossen.
Viel Raum geben Rechenberg-Winter und Haußmann den gruppendynamischen
Prozessen. Eine Schreibleitung wird akribisch auf Situationen vorbereitet, die entstehen – können und sollen.
Der persönliche und gesellschaftliche Wert von Schreibprozessen wird beleuchtet.
Im Mittelpunkt steht das eigenverantwortliche Lernen, für das zahlreiche Impulse
im gesamten Buch angeboten werden. Dabei steht jedes einzelne Gruppenmitglied
als wichtiger Teilnehmer eines ganzen Prozesses im Fokus. Gemeinsames Lernen
funktioniert anders, als sich allein ein Thema zu erarbeiten. Gegenseitige Hilfe, Motivation und Aufwertung sind wichtig. Das betrifft übrigens auch die Erarbeitung
dieses Buches. Hier wird empfohlen, sich mit anderen Leitungen zusammenzutun
und gemeinsam das auszuprobieren, was hinterher mit einer Gruppe erarbeitet
werden soll. Aufeinander aufbauende Lernmethoden sind Bestandteil, genauso wie
Ausnahmegruppen, z. B. Menschen in Altenheimen. Die Behandlung schreibtherapeutischen Schreibens hat große Bedeutung sowie die Gruppendynamik und Leitungskompetenz. Erfahrungen und Erinnerungen werden als kreatives Potenzial
hervorgehoben und somit ein therapeutischer Effekt des Schreibens. Die Verbindung von Technik, Methode und Impuls bestimmt den Prozess des Einzelnen. Im
beschriebenen systemischen Schreibwirkmodell entfaltet sich die Palette des kreativen und biografischen Schreibens. Eine Tabelle kreativer Methoden rundet das
Kapitel ab. Musik, Bewegung, Lyrik sind Mittel zum Ausdruck, aber auch Erzähltexte und Grundlagen der Erzähltechnik werden behandelt, wie zum Beispiel die
Erzählperspektive und die Figurenentwicklung.
Tipps gegen Schreibblockaden sind ein weiterer Bestandteil des Buches. Für die
Leitung und eventuell auftretende Probleme gibt es vielfältige Vorsorge. Unter anderem erklären die Autorinnen die Wichtigkeit von Vernetzungen mit Institutionen
oder Einzelnen im Fall von biografischen Schwierigkeiten der Teilnehmer.
In jedem der beschriebenen sieben Schritte werden die Punkte Feedback, Reflexion und Evaluation besonders gründlich behandelt. Es ist den Autorinnen wichtig,
aus allen Situationen zu lernen und Positives zu ziehen – für die Leitung selbst und
natürlich für die Gruppenteilnehmer. In kleinen akribischen Schritten beschreiben
824 Buchbesprechungen
sie die Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung, die mit dem Schreiben unterschiedlicher Texte einhergeht. Zu jedem Thema gibt es Arbeitsblätter im Buch,
die auch auf der Website des Verlags heruntergeladen werden können. Gleichzeitig
werden in jedem Kapitel unterschiedliche literarische Formen beschrieben, sowie
Möglichkeiten, Texte zu verdichten und Kernaussagen herauszukristallisieren. Der
Prozess des Schreibens steht vor dem Produkt. Hier soll es nicht um Leistung gehen,
sondern um das Tun und damit Erkenntnisse das eigene Leben betreffend.
Fazit: Diese gut durchdachte Gruppenanleitung verlangt ein ausführliches Selbststudium, das sich bestimmt lohnt und differenzierte Arbeit ermöglicht.
Sylvia Meywerk, Bremen
Die folgenden Neuerscheinungen können zur Besprechung bei der Redaktion
angefordert werden:
l
–– Daly, B. P. et al. (2015). Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder in Children and Adolescents.
Göttingen: Hogrefe, ca. 100 Seiten, ca. 24,95 €.
–– Esser, G. (2015). Klinische Psychologie und Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen.
Stuttgart: Thieme, 432 Seiten, 69,99 €.
–– Ewig, S. (2015). Arztberuf in der Krise. Vom Suchen und Finden der „guten Medizin“. Stuttgart: Georg Thieme, 248 Seiten, 19,99 €.
–– Hartmann, B., Methner, A. (2015). Leipziger Kompetenz-Screening für die Schule (LKS).
München: Reinhard, 104 Seiten, 29,90 €.
–– Jörg, J. (2015). Berufsethos kontra Ökonomie. Haben wir in der Medizin zu viel Ökonomie und
zu wenig Ethik? Heidelberg: Springer, 149 Seiten, 19,99 €.
–– Lenz, A., Wiegand-Grefe, S. (2015). Kinder psychisch kranker Eltern. Göttingen: Hogrefe, ca.
160 Seiten, 24,95 €.
–– Petermann, F. et al. (2015). Emotionstraining in der Schule. Göttingen: Hogrefe, ca. 180 Seiten,
ca. 32,95 €.
–– Saegner, U. H. (2014). Das Seelenheim. Ein Buch für Kinder von Eltern mit Depressionen.
Wuppertal: Bundesakademie Verlag, 56 Seiten, 17,89 €.
–– Voigt, M. (2015). Mädchen im Netz. Süß, sexy, immer online. Heidelberg: Springer, 235 Seiten,
14,99 €.
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TAGUNGSKALENDER
29./30.1.2016 in Innsbruck/Österreich:
2. Kinder- und Jugendpsychiatriekongress: (Selbst-)Aggression und Persönlichkeit im Kindes- und Jugendalter
Auskunft: Frau Juliane Steiner, Tel.: +43(0)512 504 23679, FAX: +43(0)512 504 23676, E-Mail:
[email protected], Internet: http://psychiatrie.tirol-kliniken.at
12.02.2016 in Essen:
Beginn der Seminarreihe Hypno-Systemisches Arbeiten in Beratung und Therapie
Auskunft: ifs, Bochumer Str. 50, 45276 Essen; Tel.: 0201-8486560,
E-Mail: [email protected], Internet: www.ifs-essen.de
24.-28.2.2016 in Berlin:
29. Kongress für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Beratung. The Dark Side of the
Moon. Krisen, Traumata ... - verlorene Sicherheit zurückgewinnen
Auskunft: DGVT, Postfach 1343, 72003 Tübingen; Tel.: 070-71943494, Fax: 070-71943435,
E-Mail: [email protected], Internet: www.dgvt.de
3.-5.3.2016 in Leipzig:
6. Kinderanalytisches Symposium: Sprache in der psychoanalytischen Arbeit mit Kindern
und Adoleszenten
zusammen mit der gleichzeitig stattfindenden
21. Jahrestagung der Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der frühen Kindheit (GAIMH):
Wege ins Leben, Lebenswege
Auskunft: E-Mail: [email protected], Internet: www.kinderanalyse-tagung.org
oder www.gaimh.org
4./5.3.2016 in München:
Münchner Symposion Frühförderung 2016: Kultur pur! Bedeutung kultureller Aspekte für
das System Interdisziplinäre Frühförderung
Auskunft: Arbeitsstelle Frühförderung Bayern, Pädagogische Abteilung, Frau Agnes Winzker,
Seidlstraße 18 a, 80335 München; Fax: 089-545898-29, E-Mail an: [email protected]
5./6.3.2016 in Bremen:
66. Kindertherapietage
Auskunft: Eva Todisco, Zentrum für Klinische Psychologie der Universität Bremen, Grazer
Straße 6, 28359 Bremen; Tel.: 0421-218-68603, Fax: 0421-218-68629,
E-Mail: [email protected], Internet: www.zrf.uni-bremen.de
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 819 – 824 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
826 Tagungskalender
11./12.3.2016 in Wien/Österreich:
8. Wiener Fortbildungstagung: Essstörungen und assoziierte Krankheitsbilder
Auskunft: Internet: www.ess-stoerung.eu/index-Dateien/Page13064.htm
19.04.2016 in Essen:
Beginn der Seminarreihe Marte Meo Therapiekurs
Auskunft: ifs – Institut für Systemische Familientherapie, Supervision und Organisationsentwicklung, Bochumer Str. 50, 45276 Essen; Tel.: 0201-8486560,
E-Mail: [email protected], Intenet: www.ifs-essen.de
25./26.04.2016 und 02./03.05.2016 in Essen:
EFT – Emotionsfokussierte Therapie und EFFT – Emotionsfokussierte Paar- und Familientherapie
Auskunft: ifs – Institut für Systemische Familientherapie, Supervision und Organisationsentwicklung, Bochumer Str. 50, 45276 Essen; Tel.: 0201-8486560,
E-Mail: [email protected], Intenet: www.ifs-essen.de
08./09.03.2016 in Essen:
Komplexe und dissoziative Traumafolgestörungen
Auskunft: ifs – Institut für Systemische Familientherapie, Supervision und Organisationsentwicklung, Bochumer Str. 50, 45276 Essen; Tel.: 0201-8486560,
E-Mail: [email protected], Intenet: www.ifs-essen.de
10./11.09.2016 in Bremen:
67. Kindertherapietage
Auskunft: Eva Todisco, Zentrum für Klinische Psychologie der Universität Bremen,
Grazer Straße 6, 28359 Bremen; Tel.: 0421-218-68603, Fax: 0421-218-68629,
E-Mail: [email protected], Internet: www.zrf.uni-bremen.de
Aus dem Inhalt des nächsten Heftes
Familientherapie und Resilienzförderung
B. Leyendecker, A. Agache: Türkischstämmige Väter und kindliches Wohlbefinden – A.
Sidor, M. Cierpka: Kurzversion des Allgemeinen Familienbogens (FB-K) – W. HantelQuitmann, K. Weidtmann: Das emotionale Familienklima – F. Schepper et al.: Geschwister chronisch kranker und behinderter Kinder
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Praxis der Kinderpsychologie
und Kinderpsychiatrie
Ergebnisse aus Psychotherapie,
Beratung und Psychiatrie
64. Jahrgang 2015
Herausgeberinnen und Herausgeber
Albert Lenz, Paderborn – Franz Resch, Heidelberg – Georg Romer,
Münster – Maria von Salisch, Lüneburg – Svenja Taubner, Klagenfurt
Verantwortliche Herausgeber
Franz Resch, Heidelberg
Georg Romer, Münster
Redakteur
Kay Niebank, Bremen
Gegründet von
A. Dührssen und W. Schwidder
Frühere Herausgeber
R. Adam, M. Cierpka, A. Dührssen, E. Jorswieck, G. Klosinski,
U. Lehmkuhl, M. Müller-Küppers, W. Schwidder, I. Seiffge-Krenke,
F. Specht, A. Streeck-Fischer
Vandenhoeck & Ruprecht
ISSN 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen
Internet: www.v-r.de
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der
vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
Printed in Germany.
Satz: Kay Niebank, Hartwigstr. 2c, 28209 Bremen
Druck und Bindung: Hubert & Co., Robert-Bosch-Breite 6, 37379 Göttingen
Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier
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Inhalt
Fallberichte / Case Reports
Herbst, A., Fernholz, J. M., Strothe, K., Schlund, S.: Psychodynamisch-multisystemische Behandlung von Schulphobie mit Trennungsangst im tagesklinischen Setting (Psychodynamic-multisystemic Therapy of School Phobia due to Separation
Anxiety in Day Clinic). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
545
Kurzbeiträge / Short Reports
.
Klein, A. M., Müller-Göttken, T., White, L. O., Keitel-Korndörfer, A., Klitzing, K. v.:
Evaluation der Psychoanalytischen Kurzzeittherapie für Kinder von 4-10 Jahren mit
Angststörungen (PaKT): Zusammenfassung der Pilotstudie (Summary of the Pilot
Study Short-term Psychoanalytic Child Therapy (PaCT) of Anxious Children). . . . .
563
Übersichtsarbeiten / Review Articles
Achtergarde, S., Müller, J., Postert, C., Wessing, I., Mayer, A., Romer, G.: Der Zusammenhang von Bindungsmustern und der Entwicklung von Angstsymptomen im
Kindes- und Jugendalter (Attachment Patterns and their Relation to the Development of Anxiety Symptoms in Childhood and Adolescence). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Juffer, F., van den Dries, L., Finet, C., Vermeer, H.: Bindung und kognitive sowie motorische Entwicklung in den ersten fünf Jahren nach der Adoption: Ein Review über
international adoptierte Kinder aus China (Attachment and Cognitive and Motor
Development in the First Years after Adoption: A Review of Studies on Internationally Adopted Children from China) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Menne, K.: Psychotherapeutisch kompetente Erziehungsberatung – ihre Rahmenbedingungen und rechtlichen Grundlagen (Psychotherapeutically Competent Child
Guidance – General Framework and Legal Foundations). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ramberg, A., Feldkötter, S.: Bindungsqualität von Kleinstkindern psychisch kranker
Eltern am Beispiel des Münchhausen by Proxy Syndroms (Attachment Quality of
Young Children with Mentally Ill Parents on the Example of the Munchausen by
Proxy Syndrome). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
496
774
4
656
Originalarbeiten / Original Articles
Birkhölzer, M., Goth, K., Schrobildgen, C., Schmeck, K., Schlüter-Müller, S.: Grundlagen und praktische Anwendung des Assessments of Identity Development in
Adolescence (AIDA) (Background and Practical Use of the Assessment of Identity
Development in Adolescence (AIDA)). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fäsche, A., Gunzenhauser, C., Friedlmeier, W., Suchodoletz, A. v.: Regulation positiver und negativer Emotionen als Mediator zwischen Emotionssozialisation der
Mutter und Problemverhalten des Kindes (Regulation of Positive and Negative
584
IV
Inhalt
Emotions as Mediator between Maternal Emotion Socialization and Child Problem Behavior). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ganser, H. G., Münzer, A., Seitz, D. C. M., Witt, A., Goldbeck, L.: Verbesserter Zugang zu evidenzbasierten Therapien für psychisch kranke Kinder und Jugendliche nach Kindesmisshandlung und –missbrauch (Improving Access to Evidence
Based Interventions for Children and Adolescents with Mental Disorders After
Child Abuse and Neglect). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Greuel, J. F., Reinhold, N., Wenglorz, M., Heinrichs, N.: Selbstberichtete Strategien
zur Emotionsregulation bei Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen
(Self-reported Emotion Regulation Strategies in Children and Adolescents with
Mental Disorders) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gust, N., Koglin, U, Petermann, F.: Wissen über Emotionsregulationsstrategien,
Verhaltensauffälligkeiten und prosoziales Verhalten im Vorschulalter (Knowledge
of Emotion Regulation Strategies, Problem Behavior, and Prosocial Behavior in
Preschool Age). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
In-Albon, T., Tschan, T., Schwarz, D., Schmid, M.: Emotionsregulation bei Jugendlichen mit Nichtsuizidalen Selbstverletzungen (Emotion Regulation in Adolescents with Nonsuicidal Self-Injury). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Jacobsen, H.: Bindung und sozio-emotionale Fähigkeiten von jungen Pflegekindern
– eine norwegische prospektive Längsschnittstudie (Young Foster Children’s Attachment and Socio-emotional Functioning – A Norwegian Prospective and Longitudinal Study ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .752
Jaščenoka, J., Korsch, F., Petermann, F., Petermann, U.: Kognitive Leistungsprofile
von Kindern mit motorischen Entwicklungsstörungen und ADHS im Vorschulalter (Cognitive Profiles of Preschool Children with Developmental Coordination
Disorders and ADHD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kienle, X., Freiberger, V., Greulich, H., Blank, R.: Autistische Störungen nach DSM-5:
Spektrum oder Cluster? (Autism Spectrum Disorder and DSM-5: Spectrum or
Cluster?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kliewer-Neumann, J. D., Bovenschen, I., Roland, I. C., Lang, K., Spangler, G., Nowacki, K.: Interviewtechnik zur Erfassung von Bindungsstörungssymptomen (Assessing Disturbances of Attachment Symptoms Using Interview Technique). . . . . . . .
Loos, S., Wolf, S., Tutus, D., Goldbeck, L.: Häufigkeit und Art traumatischer Ereignisse bei Kindern und Jugendlichen mit Posttraumatischer Belastungsstörung
(Frequency and Type of Traumatic Events in Children and Adolescents with a
Posttraumatic Stress Disorder). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nowacki, K., Kliewer-Neumann, J., Bovenschen, I., Lang, K., Zimmermann, J.,
Spangler, G.: Der Zusammenhang von Bindungsrepräsentationen zwischen Pflegeeltern und Pflegekindern unter Berücksichtigung von Geschlechterunterschieden (The Relationship Between Attachment Representations of Foster Parents and
Foster Children and the Role of the Child’s Sex). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Otto, Y., Kolmorgen, K., Andreas, A., Köppe, C., Klitzing, K. v., Klein, A. M.: Selbstberichtete Ängste und Strategien zu deren Regulation bei Kindern im Grundschulalter (Self-reported Anxiety and Regulation Strategies in Primary School-age
Children). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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188
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117
412
759
617
733
351
Inhalt
Renner, G., Mickley, M.: Berücksichtigen deutschsprachige Intelligenztests die besonderen Anforderungen von Kindern mit Behinderungen? (Do Current German-Language Intelligence Tests Take into Consideration the Special Needs of
Children with Disabilities?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rushton, A.: Die Auswirkungen von Adoption am Beispiel der „British Chinese Adoption Study“ (The Outcomes of Adoption in the Case of the “British Chinese
Adoption Study”). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schlarb, A. A., Jäger, S.: Die Wirksamkeit des Tübinger-Intensiv-Programms bei Müttern und Vätern ängstlicher Kinder – Eine Pilotstudie (Efficacy of the “TuebingerIntensiv-Programm für Eltern” in Treating Childhood Anxieties – A Pilot Study). . .
Schmiedeler, S., Klauth, L., Segerer, R., Schneider, W.: Zusammenhang zwischen
Einschulungsalter und Verhaltensauffälligkeiten (Relationship Between Age of
School Entry and Behaviour Problems). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schultheiß, J., Petermann, F., Petermann, U.: Zur Wirksamkeit des Präventionsprogramms JobFit: Ein Vergleich unterschiedlicher Klassenstufen (On the Effectiveness of the Prevention Program JobFit: A Comparison of Different Class Levels). .
Timmermann, F. J., Ohlmeier, D.: Sprachstile in der Spätadoleszenz (Creation of
Speech in Adolescents). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wagner, K., Müller, J. M., Esins, S., Romer, G., Achtergarde, S.: Das Play-PAB-Verfahren und seine Validierung an einer vorschulpsychiatrischen Inanspruchnahmepopulation (The Play-PAB and its Validation in a Preschool Psychiatric Population). . .
Warncke, S., Klapprott, F., Scheithauer, H.: Das Rachefantasieinventar für Jugendliche (RFI-J): Entwicklung und Validierung (Development and Validation of the
Revenge Fantasy Inventory for Adolescents (RFI-J)). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Weber, H. M., Büttner, P., Rücker, S., Petermann, F.: Zusammenhang zwischen Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und der schulbezogenen Anstrengungsvermeidung (Relationship Between Child Behavior and Emotional Problems and School
Based Effort Avoidance). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Werneck, H., Eder, M. O., Ebner, S., Werneck-Rohrer, S.: Vater-Kind-Kontakt und kindliches Wohlbefinden in getrennten und nicht-getrennten Familien (Father-ChildContact and Well-being of the Children in Separated and Non-Separated Families) . .
Werpup-Stüwe, L., Petermann, F.: Visuelle Wahrnehmungsleistungen bei motorisch
auffälligen Kindern – eine Pilotstudie (Visual Perceptual Abilities of Children
with Low Motor Abilities – A Pilot Study). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zimmermann, P., Iwanski, A., Çelik, F.: Emotionsregulation und emotionale Verletzungssensitivität bei Jugendlichen mit Angststörungen (Emotion Regulation and
Emotional Vulnerability in Adolescents with Anxiety Disorders). . . . . . . . . . . . . . .
V
88
721
206
104
429
223
690
443
673
135
601
527
Buchbesprechungen / Book Reviews
Ahnert, L. (Hrsg.) (2014). Theorien in der Entwicklungspsychologie (L. Unzner). . . . .
Asisi, V. (2015). Entwicklungsbedingungen im Kontext der Eltern-Kind-Beziehung.
Chancen und Risiken in der Interaktion mit Mutter und Vater (K. Sarimski) . . . . . .
Ayres, A. J. (2013). Bausteine der kindlichen Entwicklung. Sensorische Integration verstehen und anwenden (L. Unzner). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
166
321
247
VI
Inhalt
Baierl, M., Frey, K. (Hrsg.) (2014). Praxishandbuch Traumapädagogik (C. v. Bülow
Faerber). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
BundesArbeitsGemeinschaft (Hrsg.) (2014). Blickpunkt Gruppenangebote und Projekte des Pflege- und Erziehungsdienstes in der Kinder- und Jugendpsychiatrie (S.
Denner). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Conen, M.-L. (2014). Kinderschutz: Kontrolle oder Hilfe zur Veränderung? (A.-D.
Wisniewski). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Delfos, M. F. (2015). „Sag mir mal …“ – Gesprächsführung mit Kindern (M. Mickley). .
Doyle, R., Blackwood, F. (2014). Ganz die Mutter (K. Niebank). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dujmić-Erbe, D. (2014). Der VerständigungsWürfel. Gesprächsvorbereitung, Entscheidungsfindung, Konfliktprophylaxe (K. Niebank). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Elliott, J. G., Grigorenko, E. L. (2014). The dyslexia debate (D. Irblich). . . . . . . . . . . . . . .
Fichtner, J. (2015). Trennungsfamilien – lösungsorientierte Begutachtung und gerichtsnahe Beratung (H. Mackenberg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Fooken, I., Heuft, G. (Hrsg.) (2014). Das späte Echo von Kriegskindheiten. Die Folgen
des Zweiten Weltkriegs in Lebensverläufen und Zeitgeschichte (C. v. Bülow-Faerber).
Fricke, S., Armour, K. (2014). Dem Zwang die rote Karte zeigen. Ein Ratgeber für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern (D. Irblich). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gerlach, M., Fritz, A., Leutner, D. (2013). MARKO-T: Mathematik- und Rechenkonzepte im Vor- und Grundschulalter – Training (D. Irblich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ghuman, J. K., Ghuman, H. S. (Hrsg.) (2014). ADHD in preschool children. Assessment and treatment (D. Irblich). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Hasselhorn, M., Ehm, J.-H., Wagner, H., Schneider, W., Schöler, H. (2015). Zusatzförderung von Risikokindern. Handreichung für pädagogische Fachkräfte im Übergang vom Elementar- zum Primarbereich (D. Irblich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kißgen, R., Heinen, N. (Hrsg.) (2014). Trennung, Tod und Trauer in den ersten Lebensjahren. Begleitung und Beratung von Kindern und Eltern (L. Unzner). . . . . . . .
Lenhard, A., Lenhard, W., Küspert, P. (2015). Lesespiele mit Elfe und Mathis. Computerbasierte Leseförderung für die erste bis vierte Klasse (D. Irblich). . . . . . . . . . . . . . .
Lohaus, A., Glüer, M. (Hrsg.) (2014). Entwicklungsförderung im Kindesalter. Grundlagen, Diagnostik und Intervention (K. Sarimski) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Marzillier, J. (2014). The Trauma Therapies (D. Irblich). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Noske, J. (Hrsg.) (2014). Seelische Strukturen. Versuch einer Abstimmung innerer und
äußerer Wirklichkeiten in der jugendpsychiatrischen Behandlung (F. Resch) . . . . . .
Rechenberg-Winter, P., Haußmann, R. (2015). Arbeitsbuch kreatives und biografisches
Schreiben – Gruppen leiten (S. Meywerk). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rieforth, J., Graf, G. (2014). Tiefenpsychologie trifft Systemtherapie. Eine besondere
Begegnung (M. W. Haun) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sarimski, K. (2013). Soziale Risiken im frühen Kindesalter (D. Irblich). . . . . . . . . . . . . .
Schär, M., Steinebach, C. (Hrsg) (2015). Resilienzfördernde Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen. Grundbedürfnisse erkennen und erfüllen (K. FröhlichGildhoff). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schlarb, A. A. (2014). KiSS Therapeutenmanual. Das Training für Kinder von 5 bis 10
Jahren mit Schlafstörungen (D. Irblich). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schlarb, A. A. (2014). KiSS Begleit- und Arbeitsbuch für Eltern und Kinder. Das Training für Kinder von 5 bis 10 Jahren mit Schlafstörungen (D. Irblich). . . . . . . . . . . . . .
ipabo_66.249.76.62
649
650
406
710
80
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320
245
709
822
77
576
707
162
162
Inhalt
Schlarb, A. A. (2014). Mini-KiSS Therapeutenmanual. Das Elterntraining für Kinder
bis 4 Jahre mit Schlafstörungen (D. Irblich). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Schlarb, A. A. (2014). Mini-KiSS Begleit- und Arbeitsbuch für Eltern (D. Irblich) . . . .
Schmidt-Traub, S. (2013). Zwänge bei Kindern und Jugendlichen. Ein Ratgeber für
Kinder und Jugendliche, Eltern und Therapeuten (D. Irblich). . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Steinbrink, C., Lachmann, T. (2014). Lese-Rechtschreibstörung. Grundlagen, Diagnostik, Intervention (D. Irblich). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Sulz, S. (Hrsg.) (2014). Psychotherapie ist mehr als Wissenschaft – Ist hervorragendes
Expertentum durch die Reform gefährdet? (S. Peukert). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Vogel, H. (2014). Die familiengerichtliche Genehmigung der Unterbringung mit Freiheitsentzug bei Kindern und Jugendlichen nach § 1631b BGB (R. Schepker). . . . . . .
Wahl, K. (2015). Wie kommt die Moral in den Kopf? Von der Werteerziehung zur
Persönlichkeitsförderung (K. Niebank). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wewetzer, G., Wewetzer, C. (2014). Ratgeber Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Informationen für Kinder, Jugendliche und Eltern (D. Irblich). . . . . . . .
Wöller, W., Kruse, J. (Hrsg.) (2014) Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie: Basisbuch und Praxisleitfaden (H. Koppe). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
163
163
481
248
75
246
483
481
407
Neuere Testverfahren / Test Reviews
Grob, A., Reimann, G., Gut, J., Frischknecht, M.-C. (2013). Intelligence and Development Scales – Preschool (IDS-P). Intelligenz- und Entwicklungsskalen für das
Vorschulalter (D. Irblich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kaufman, A. S., Kaufman, N. L. (2015). KABC-II. Kaufman Assessment Battery for
Children – II. Deutschsprachige Fassung von P. Melchers und M. Melchers (D.
Irblich). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ricken, G., Fritz, A., Balzer, L. (2013). MARKO-D. Mathematik- und Rechen¬konzepte
im Vorschulalter – Diagnose (D. Irblich). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
310
635
154
Editorial. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2, 328, 491, 717
Autoren und Autorinnen / Authors . . . . . . . . . . 74, 152, 243, 308, 404, 480, 572, 634, 706, 816
Neuere Testverfahren / Test Reviews. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154, 310, 635
Buchbesprechungen / Book Reviews. . . . . . . . . . 75, 160, 245, 320, 406, 481, 574, 649, 707, 819
Tagungskalender / Congress Dates. . . . . . . . . . . 84, 169, 251, 325, 410, 486, 579, 653, 713, 825
Gutachter und Gutachterinnen / Reviewers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818
VIII
Namensverzeichnis
Namensverzeichnis
Die fett gedruckten Seitenzahlen beziehen sich auf Originalbeiträge
Achtergarde, S. 496, 690
Ahnert, L. 166
Andreas, A. 351
Armour, K. 481
Asisi, V. 321
Ayres, A. J. 247
Baierl, M. 649
Balzer, L. 154
Birkhölzer, M. 584
Blackwood, F. 80
Blank, R. 412
Bovenschen, I. 733, 759
Brisch, K. H. 793
BundesArbeitsGemeinschaft 650
Büttner, P. 673
Çelik, F. 527
Conen, M.-L. 406
Delfos, M. F. 710
Diegel, K. 20
Doyle, R. 80
Dujmić-Erbe, D. 81
Ebner, S. 135
Eder, M. O. 135
Ehm, J.-H. 641
Elliott, J. G. 322
Esins, S. 690
Fäsche, A. 334
Feldkötter, S. 656
Fernholz, J. M. 545
Fichtner, J. 820
Finet, C. 774
Fooken, I. 574
Freiberger, V. 412
Frey, K. 649
Fricke, S. 481
Friedlmeier, W. 334
Frischknecht, M.-C. 310
Fritz, A. 154
Fritz, A. 160
Ganser, H. G. 172
Gerlach, M. 460
Gerlach, M. 160
Ghuman, H. S.
575
Ghuman, J. K. 575
Glüer, M.320
Goldbeck, L. 172, 617
Goth, K. 584
Graf, G. 77
Greuel, J. F. 368
Greulich, H. 412
Grigorenko, E. L. 322
Grob, A. 310
Gunzenhauser, C. 334
Gust, N. 188
Gut, J. 310
Hasselhorn, M. 641
Haußmann, R.
822
Heinen, N. 165
Heinrichs, N.368
Herbst, A., 545
Herrmann, I. 61
Heuft, G.574
Hudeček, M. 48
In-Albon, T. 386
Iwanski, A. 527
Jacobsen, H. 752
Jäger, S. 206
Jaščenoka, J. 117
Juffer, F., 774
Kaufman, A. S. 635
Kaufman, N. L.
635
Keitel-Korndörfer, A. 563
Kienle, X. 412
Kißgen, R. 165
Klapprott, F. 443
Klauth, L. 104
Klein, A. M. 351, 563
ipabo_66.249.76.62
Kliewer-Neumann, J. D.
733, 759
Klitzing, K. v. 351, 563
Koglin, U. 188
Kolmorgen, K. 351
Köppe, C. 351
Korsch, F. 117
Kruse, J. 407
Küspert, P. 819
Lachmann, T. 248
Lang, K. 733, 759
Lenhard, A. 819
Lenhard, W. 819
Leutner, D. 160
Lohaus, A. 320
Loos, S. 617
Lux, U. 48
Marzillier, J. 245
Mayer, A. 496
Menne, K. 4
Mickley, M. 88
Müller, J. M. 496, 690
Müller-Göttken, T. 563
Münzer, A. 172
Noske, J. 709
Nowacki, K. 733, 759
Ohlmeier, D. 223
Otto, Y. 351
Petermann, F. 117, 188, 429,
601, 673
Petermann, U. 117, 429
Postert, C. 496
Ramberg. A. 656
Rechenberg-Winter, P. 822
Reimann, G. 310
Reinhold, N. 368
Renner, G. 88
Ricken, G. 154
Rieforth, J. 77
Roland, I. C. 759
Romer, G. 496, 690
Rücker, S. 673
Rushton, A. 721
Sarimski, K. 576
Schär, M. 707
Scheithauer, H.
443
Schlarb, A. A.162, 163, 206
Schlund, S. 545
Schlüter-Müller, S. 584
Schmeck, K. 584
Schmid, M. 386
Schmidt-Traub, S. 481
Schmiedeler, S. 104
Schneider, W. 104, 641
Schnelzer, T. 33
Schöler, H. 641
Schrobildgen, C. 584
IX
Sachverzeichnis
Schultheiß, J. 429
Schwarz, D. 386
Segerer, R. 104
Seitz, D. C. M. 172
Spangler, G. 733, 759
Steinbrink, C. 248
Steinebach, C.
707
Strothe, K. 545
Suchodoletz, A. v. 334
Sulz, S. 75
Timmermann, F. J. 223
Traxl, B. 460
Tschan, T. 386
Tutus, D. 617
van den Dries, L. 774
Vermeer, H. 774
Vogel, H.246
Wagner, H. 641
Wagner, K. 690
Wahl, K. 483
Warncke, S. 443
Weber, H. M. 673
Wenglorz, M. 368
Werneck, H. 135
Werneck-Rohrer, S.135
Werpup-Stüwe, L. 601
Wessing, I. 496
Wewetzer, C. 481
Wewetzer, G. 481
White, L. O. 563
Witt, A. 172
Wolf, S. 617
Wöller, W. 407
Zimmermann, J. 733
Zimmermann, P. 527
Sachverzeichnis
ADHS 104, 117
Adoption 721, 793
anethische Psychopathie 290
Angst 206, 496
Angststörung 351, 496, 527,
545, 563
Angstsymptome 351
Anstrengungsvermeidung 673
Asperger-Syndrom 412
Autismus-Spektrums-Störung 412
behinderte Kinder 88
belastete Kindheit 721
Beratung 33, 496 ,527, 656,
752, 774, 793
Beratung, systemische 61
Bindungsrepräsentationen 733
Bindungssicherheit 496
Bindungsstörung 656, 759
Bindungsstörungsinterview 759
Bindungstheorie 496
Case-Management 172
China 774
Clusternanalyse 412
Computerspielsucht 460
Diagnostik 759, 793
DSM-5 386, 412
elterliche Trennung 135
Elternarbeit in der Kinderpsychiatrie 545
Eltern-Kind-Interaktion 690
Elterntraining 206
Elternverhalten 690
emotionale Probleme 673
Emotionsregulation 343,
351, 368, 386, 443, 527
Emotionsregulationsstrategien 188
Emotionssozialisation 343
Entwicklung, kognitive 774
Entwicklung, lebenslange 721
Entwicklung, motorische 774
Entwicklungsverbesserung 721
Epigenetik 290
Erziehungsberatung 4, 48
Erziehungsberatung,
kindzentrierten 61
Erziehungsberatung und
Psychotherapie 33
Erziehungsverhalten 206
Evaluation 254
Evaluationsstudie 563
Familientagesklinik 254
FEW-JE 601
Fragebogen 443, 584
Geschlecht 617
Geschlechterunterschiede 733
Grundschulalter 351
Hilfe zur Erziehung 4
Identität 223, 584
Integrierte Familienberatung 61
Intelligenzdiagnostik 117
Intelligenztestung 88
Interaktionsbezogene Diagnostik 690
X
Internalisierende Symptome 563
internalisierendes und externalisierendes Problemverhalten 343
internationale Adoption 774
Interventionsformen 61
Interview zu Belastungsstörungen bei Kindern
und Jugendlichen (IBSKJ) 617
JobFit-Training 429
Jugendalter 429, 527
Jugendliche 443, 460, 584
Kinder- und Jugendhilfe 172
Kinder und Jugendliche 273
Kindes- und Jugendalter 368
Kindesmisshandlung 172
Kindheit, mittlere 343
kindliches Wohlbefinden 135
Komorbidität 117
Kompetenzgefühl 206
Korrelation 601
Lebensqualität 273
Leukämie 273
Medikation 104
Missbrauch 172
Misshandlung 656
motorische Funktionen 601
Multifamilientherapie 545
Münchhausen by Proxy 656
Mütter 254
Nationalsozialistische Erblichkeitstheorie 290
Paarkonflikte 48
Patientenrechtegesetz 4
Persönlichkeitsstörung 584
Pflegeeltern 733
Pflegekinder 733, 752, 759
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) 617
Prävention, schulbasierte 429
prosoziales Verhalten 188,
673
Psychiatrie des Vorschulalters 690
Psychiatriegeschichte 290
psychische Belastung 206,
Sachverzeichnis
273
Psychische Störung 656
Psychoanalytische Kurzzeittherapie für Kinder 563
Psychodynamik 460
Psychodynamische Therapie 545
Psychopathologie 368, 584,
793
Psychotherapie 4
Rachefantasien 443
Regulationsstrategien 351
relativer Alterseffekt 104
Schulabsentismus 20
Schulalter, frühes 563
Schule 273
Schulphobie 20
Schulverweigerung,
angstbedingte 20
SCL-90-R 254
Selbstverletzungen,
Nichtsuizidale 386
soziale Kompetenzen 429
sozio-emotionales Funktionieren 752
sprach-soziologische Interpretation 223
Sprachstile 223
Störungen des Sozialverhaltens 290
Symptombelastung 617
Testfairness 88
Therapie 793
Therapie, evidenzbasierte 172
Therapie, systemische 48
Therapieklärungsgespräche 223
tiefenpsychologisch fundierte
Psychotherapie und Erziehungsberatung 33
traumatisches Ereignis 617
Trennungsangst 545
umschriebene motorische
Entwicklungsstörungen
(UEMF) 117
Vater 135
Vater-Kind-Beziehung 135
Verbalisation 223
ipabo_66.249.76.62
Vergleichsstudie 601
Verhalten, aggressives 48
Verhaltensauffälligkeiten 104, 188, 673
Verhaltenshemmung 527
Verhaltenstherapie in der
Jugendhilfe 20
Verhältnis zur Psychotherapie 61
Verletzungssensitivität 527
visuelle Wahrnehmung 601
Vorschulalter 188, 563
Vorschulkinder 254
Wirksamkeitsstudien 721
World of Warcraft 460
WPPSI-III 117
Wutanfälle 48
Beziehung und Gesundheit
Fortschritte in der Psychosomatischen Medizin
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24. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und
Ärztliche Psychotherapie (DGPM)
67. Arbeitstagung des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin (DKPM)
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2015, IX/217 Seiten, € 26,95 / CHF 35,90
ISBN 978-3-8017-2517-4
Auch als E-Book erhältlich
Eltern leben ihren Kindern bestimmte Wertvorstellungen, soziale Fähigkeiten und Bewältigungsmöglichkeiten in Krisen und bei Alltagsproblemen vor. Durch einen liebevollen Umgang
und verlässlichen Austausch mit ihren Eltern
können Kinder emotionale Sicherheit und Stärke
entwickeln. Anhand zahlreicher Beispiele stellt
der Ratgeber wirkungsvolle, lernpsychologisch
untermauerte Erziehungsmethoden für Kinder
aller Altersgruppen vor.
Scheidungen und Trennungen stellen für Eltern
und Kinder fast immer eine belastende Situation dar. Psychologische Intervention zielt
gerade bei hochkonflikthaften Trennungen
primär auf Nachscheidungsregelungen für die
Kinder, womit sie auch Anliegen des aktuellen
Familienrechts entspricht. Dieser Band stellt
ein Interventionsmodell für eine lösungsorientierte Begutachtung und gerichtsnahe Beratung bei der Arbeit mit Trennungsfamilien vor.
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Merkelstraße 3
37085 Göttingen, Deutschland
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www.klett-cotta.de / fachbuch
Karl Heinz Brisch (Hrsg.)
Bindung und Migration
Karl Heinz Brisch (Hrsg.)
Bindung und
Migration
288 Seiten, gebunden mit
Schutzumschlag
€ 39,95 (D).
ISBN 978-3-608-94939-1
NEU
AktuellzumThema
»FlüchtlingeundMigration«
Menschen mit Migrationshintergrund gleich welchen Alters haben ein
erhöhtes Risiko für Abhängigkeitserkrankungen, posttraumatische
Belastungsstörungen, psychosomatische Leiden und andere psychische
Störungen. Die Autorinnen und Autoren des Bandes erklären,
• welcheRolledieBindungspersonenspielen,
• welcheFaktorenschützenund
• wieneueBeziehungenaufgebautwerden.
Viele Kinder aus Migrantenfamilien wachsen in einem kulturellen und
emotionalen Spannungsfeld auf. In den neuen Gesellschaften und Kulturen erleben sie Stress, Anpassungsdruck, Entbehrungen und manchmal
aggressive Anfeindungen. Diese Erfahrungen können potentiell traumatisch verarbeitet werden und zu tiefgreifenden Bindungsunsicherheiten
führen mit einem Gefühl von extremer Angst. International renommierte
Fachleute und Forscher berichten aus ihren Erfahrungen und Studien und
zeigen Wege für neue Entwicklungen auf.
Blättern Sie online in unseren Büchern
und bestellen Sie bequem und
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Präventives Bindungstraining
für Alleinerziehende
Matthias Franz
wir2
Bindungstraining für Alleinerziehende
Unter Mitarbeit von Tanja Buddenberg, Jörn
Güttgemanns, Daniela van Buggenum.
2014. 500 Seiten, mit 37 Abb., 6 Tab. und
einer CD, gebunden
€ 44,99 D
ISBN 978-3-525-40463-8
Alleinerziehende Mütter geraten aufgrund von Stress und Überforderung schnell
in depressive Strukturen, was auch die Beziehung zu ihrem Kind beeinträchtigen
kann. Das Gruppentraining wir2 beugt dem vor, indem es positive Mutter-KindBindungen fördert.
wir2 – mit früherem Namen PALME – ist ein präventives Bindungstraining, das
sich an psychosozial belastete alleinerziehende Mütter mit Kindern im Vorschulalter richtet. Ziel ist es, das Befinden von Mutter und Kind und ihre Beziehung
zueinander zu verbessern. Die emotionszentrierten und bindungsorientierten
Gruppensitzungen werden von einem speziell geschulten Leiterpaar durchgeführt.
Wirksamkeit des Programms, theoretische Grundlagen sowie Inhalte und Ablauf
der 20 Sitzungen sind in dem didaktisch sorgfältig aufbereiteten Manual ausführlich beschrieben. Auf der beiliegenden CD finden sich Druckvorlagen für Arbeitsmaterialien.
Verlagsgruppe Vandenhoeck & Ruprecht
www.v-r.de