Dekadenz
eingeführt. Neben seiner ästhetischen wird zugleich seine ethische Bedeutung erkennbar, da der Verfall (décadence) des Geschmacks (goût) für einige Kritiker als ein
wesentliches Moment der Auflösung der Kultur galt. So
wurde die Entwicklung der Kunst und die Frage über den
Vorrang antiker oder moderner Dichtung in dem Querelle
des Anciens et des Modernes heftig diskutiert. Boileau
bezog sich auf den goût, um die Gegenwart zu kritisieren
und den zeitlosen Wert der antiken Geschmacksnorm zu
erweisen, während die Gegner die Autorität der Antike
kritisch in Frage stellten.[2]
Seine prägende Bedeutung erhielt der Ausdruck durch
Montesquieu und Edward Gibbon,[3] die sich mit dem
Untergang des Römischen Reiches beschäftigten. Auch
sie nutzten den Begriff mit doppelter Zielrichtung: Sie betrachteten décadence (decline) als historisches Phänomen
und bewerteten zugleich ihre eigene Zeit.
Thomas Couture: Les Romains de la décadence, 1847
Dekadenz (von lateinisch cadere „fallen“, „sinken“, französisch décadence „Niedergang“, „Verfall“, über
mittellateinisch decadentia) ist ein ursprünglich
geschichtsphilosophischer Begriff, mit dem Veränderungen in Gesellschaften und Kulturen als Verfall,
Niedergang bzw. Verkommenheit gedeutet und kritisiert
wurden. Der Begriff setzt damit voraus, es gäbe objektiv
bessere oder wünschenswertere Zustände. Er wurde in der
französischen Historiographie zuerst für den Niedergang
Roms gezielt verwendet. In der Geschichtswissenschaft
hat man inzwischen den Dekadenzbegriff zur Charakterisierung gesellschaftlicher Entwicklungsabschnitte
fallen gelassen.[1] Nur in der Dekadenzdichtung hat
das Wort auch eine positive Bedeutung; im heutigen
Sprachgebrauch überwiegt der abwertende Charakter.
1
Das Wort Dekadenz bezog sich später auch auf eine
literarische Bewegung, die von Baudelaire (Die Blumen
des Bösen) und Verlaine angestoßen wurde und sich einerseits durch ein bohèmienhaft ablehnendes Verhältnis
zur „bürgerlichen Welt“, andererseits durch Exotismus,
Rausch und gesteigerte Sensitivität auszeichnet.
3 Dekadenz in der Philosophieund Literaturgeschichte
Allgemeines
3.1 Montesquieu
Der Begriff gehörte ursprünglich einer Weltsicht an, welche die Existenz von Menschen, Institutionen und Staatsgebilden einem natürlichen Werde- und Untergangsprozess unterworfen sieht. Die ursprünglich zum Aufstieg
der Familie, des Staates, der Institution führenden Eigenschaften verändern sich danach zwangsläufig ins Feine,
Sensible, kurz: Degenerierte.
Montesquieu nutzte den Ausdruck in seinem Considérations sur les causes de la grandeur des Romains et de
leur décadence.[4] Dabei versuchte er das Phänomen der
Dekadenz historisch zu deuten und gleichzeitig kritisch
auf die Gegenwart anzuwenden. Er bewertete und analysierte den Untergang Roms aus unterschiedlichen PerDer Sache nach findet sich diese Lehre bereits bei Ibn spektiven und setzte sich dabei von Machiavellis Betrachtung ab, der die Unterwerfung anderer Völker durch einen
Chaldun im 14. Jahrhundert.
mächtigen Herrscher noch gepriesen hatte. Die Ausdehnung Roms führte nach Montesquieu zu einer Erschöpfung, und der ständige Aufschwung zerstörte gerade die
2 Begriff und Bedeutung
Tugenden, die für ein funktionierendes Staatswesen notwendig seien. Die Vermittlung eines einheitlichen „allgeDer französische Ausdruck décadence wurde im 17. Jahr- meinen Geistes“ (esprit général) sei unter dem Einfluss
hundert in Nicolas Boileaus Réflections critiques sur quel- eroberter Kulturen unmöglich, der esprit général verfalle
ques passages du Rhéteur Longin als ästhetischer Begriff und werde durch Partikularinteressen ersetzt.[5]
1
2
3 DEKADENZ IN DER PHILOSOPHIE- UND LITERATURGESCHICHTE
Montesquieu deutet die Dekadenz Roms.
3.2
Ausgehend von einer kulturphilosophisch begründeten
„Natursehnsucht“ stand er kulturellen Errungenschaften
und Institutionen, Triebverzicht und Erziehungsidealen
kritisch gegenüber. Er pries das unmittelbare Gefühl,
die „Wahrheit des Herzens“. Der Mensch müsse zu seiner Ursprünglichkeit zurückkehren. Den Naturzustand
deutete er als einen der ursprünglichen Harmonie. Hatte Thomas Hobbes, wie später ähnlich Immanuel Kant,
den Naturzustand negativ als eine vorgesellschaftliche
Kriegssituation beschrieben, in der die Menschen ihren
Trieben überlassen seien und einander wie Wölfe gegenübertreten würden – Homo homini lupus –, um mit diesem Modell den Gesellschaftsvertrag zu begründen, so
stand für Rousseau der ursprüngliche Mensch im Einklang mit der Natur. „Nehmt uns unsere unheilvollen Fortschritte, nehmt uns unsere Irrtümer und Laster, nehmt uns
das Menschenwerk, und alles ist gut.“ [7] Für Rousseau ist
der Naturzustand von der ursprünglichen Güte oder Lauterkeit des Menschen ein ideelles Konstrukt und kein historisches Postulat, er geht also nicht naiv-romantisch von
der Lebensharmonie der Naturvölker aus, sondern stellt
der Gesellschaft ein ideales Bild vor Augen, um ihren (dekadenten) Verfall anzuklagen[7] .
Jean-Jacques Rousseau
Edward Gibbon beschrieb den Verfall des Römischen Reiches.
3.3 Edward Gibbon
Jean-Jacques Rousseau klagt die Dekadenz seiner Zeit an.
Jean-Jacques Rousseau verwandte den Begriff der Dekadenz in einer Weise, die für die spätere Rezeption bestimmend wurde. In seiner Kulturkritik steht sie für einen
Gegensatz von Natur und Kultur (Zivilisation).[6]
In seinem bekanntesten Werk The History of the Decline
and Fall of the Roman Empire beschrieb Edward Gibbon
die allmähliche Auflösung des Imperium Romanum vom
Tode Mark Aurels bis zum Untergang des Byzantinischen
Reiches. Diese Zeitspanne teilte er in drei Phasen ein.[8]
3.4
Friedrich Nietzsche
3
1. In der ersten, bis zum Beginn des sechsten Jahrhunderts reichenden Periode führten die Goten- und
Hunnenstürme zur Schwächung der Macht Roms
und zu dessen Zerfall in Einzelreiche.
2. Die zweite Periode begann mit Justinian I., der
in seiner Regierungszeit durch Kriege und geschickte Außenpolitik sowie durch innenpolitische Maßnahmen die Herrschaft des römischbyzantinischen Reiches noch einmal stabilisieren
konnte. Diese bis zur Kaiserkrönung Karls des
Großen im Jahre 800 reichende Phase war u.
a. durch die Invasion der Langobarden und die
Islamische Expansion gekennzeichnet.
3. In der dritten Phase schließlich verfielen die Sprache und die Sitten Roms vollends, und mit der
Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen
im Jahre 1453 wurde die Reichsidee endgültig
aufgegeben.[9]
Durch das ganze Werk Gibbons zieht sich leitmotivisch
der Gedanke, dass die Geschichte seit dem 2. Jahrhundert dem Niedergang (decline) unterworfen sei. Gibbon
wollte mit seinem Werk den „Triumph der Unkultur und Friedrich Nietzsche, Denker und Bekämpfer der Dekadenz
der Religion“ beschreiben.[10]
Gibbons Herangehensweise war für die damalige Historiographie neu, indem er die Kontinuität der Geschichte über einen sehr langen Zeitraum verfolgte. Ebenfalls neu und überraschend war seine Bewertung des
Christentums als mitverantwortlich für den Verfall der
Kultur. Vor allem von theologischer Seite wurden Kapitel
seines Buches angegriffen, in denen Gibbon auf kriegerische Auseinandersetzungen der Christen mit Heiden und
Aberglauben, auf seinen religiösen Fanatismus und auf
die Massaker hinwies, die auf die Ausrottung häretischer
Bestrebungen zielten.
In der neueren Forschung wird jedoch bezüglich der
Spätantike von Gibbons (wie auch Montesquieus) Theorien allgemein Abstand genommen und es werden neue,
differenziertere Erklärungsmuster für den Untergang
Westroms und die Transformation des Ostreichs entwickelt.
3.4
Friedrich Nietzsche
Friedrich Nietzsche thematisierte vor allem in seinem Spätwerk die Dekadenz, die sich bei ihm auf
den kulturphilosophisch-geschichtlichen wie den ästhetischen Bereich bezog.
Die Geschichte seit der Antike – genauer: seit dem
perikleischen Athen – betrachtete er als (dekadente) Verfallsentwicklung. Für den Niedergang sei der schwächliche, sich an falschen, lebensverneinenden Werten orientierende Geist des Abendlandes selbst verantwortlich.
Dieser habe sich in Gestalt des von Nietzsche hämisch als
„ungriechisch“, „hässlich“, „verbrecherisch“ und „dekadent“ aufgefassten Sokrates ein falsches Ideal gesetzt[11]
und gehe an den kränklichen Werten des Christentums zu
Grunde.
Eine neue Philosophie solle den Pessimismus
Schopenhauers ebenso wie die „Sklavenmoral“ des
Christentums abschütteln und mit diesseitiger Lebensund Schicksalsbejahung Kultur und Gesellschaft erneuern. Gehe der Wille zur Macht zugrunde, komme
es auch zu einem physiologischen Rückgang, einer
décadence.[12] Diese präge sich dabei in individueller
wie gesellschaftlicher Form aus, betreffe also den
Menschen ebenso wie die Epoche und ihre Kunstwerke,
die Nietzsche aus der Perspektive des Unzeitgemäßen
teilweise heftig kritisierte.
Während er in seinem Frühwerk – der Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik und den Unzeitgemäßen Betrachtungen – noch Richard Wagner gehuldigt hatte, distanzierte er sich zunehmend, ja lehnte ihn später ab als
den Künstler der décadence, dessen schweren, krankmachenden Klängen er die helle, lebensbejahend-diesseitige
Musik Georges Bizets mit seiner Oper Carmen entgegenstellte. „Woran ich leide, wenn ich am Schicksal der Musik leide? Daran, daß die Musik um ihren weltverklärenden, jasagenden Charakter gebracht worden ist, daß sie
décadence-Musik und nicht mehr die Flöte des Dionysos
ist.“ [13] Die Kritik an Wagner wurde hierbei mit der an
Schopenhauer verknüpft und die so entstandene Musik
als krankmachend gedeutet: Erst der Philosoph der décadence gab dem Künstler der décadence sich selbst […] Ich
4
3 DEKADENZ IN DER PHILOSOPHIE- UND LITERATURGESCHICHTE
seaus und Nietzsches ab.[17] In der von unterschiedlichen
Autoren getragenen Haltung bezog sich der Begriff nun
auf eine antibürgerliche Auflehnung gegen die als mal du
siècle verstandene Langeweile des Zeitalters. Diese Einstellung war durch überreizte, extravagante Sinnlichkeit,
Lust am Untergang und eine postulierte, amoralische Verwandtschaft von Eros und Thanatos gekennzeichnet.
Thomas Mann betrachtete den „dekadenten“ Ästhetizismus aus kritisch-ironischer Distanz und charakterisierte ihn etwa in der Gestalt des feinsinnigen, aber bis zur
Lächerlichkeit lebensuntüchtigen Detlev Spinell in seiner
Novelle Tristan.
Richard Wagner, für Nietzsche der „Künstler der décadence“
bin ferne davon, harmlos zuzuschauen, wenn dieser décadent uns die Gesundheit verdirbt – und die Musik dazu!
Ist Wagner überhaupt ein Mensch? Ist er nicht eher eine
Krankheit? Er macht alles krank, woran er rührt – er hat
die Musik krank gemacht.[14] An diese Analyse knüpfte er
seine Anflehung der „dekadenten“ europäischen Zivilisation: Wie verwandt muß Wagner der gesamten europäischen décadence sein, daß er von ihr nicht als décadent
empfunden wird! Er gehört zu ihr: er ist ihr Protagonist,
ihr größter Name … Denn daß man nicht gegen ihn sich Thomas Mann, Chronist der Dekadenz
wehrt, das ist selbst schon ein Zeichen von décadence.[15]
Mag Nietzsche somit als Dekadenztheoretiker und - In seinem ersten Roman Buddenbrooks wurde das Zengegner betrachtet werden, zeigt sein Werk doch die dop- tralthema der Dekadenz schon im Untertitel deutlich:
pelte Bedeutung von Verfall und Krankheit: Die ästheti- Verfall einer Familie. Der bei Nietzsche charakterisierschen und moralischen Folgen, die er anprangert, auf der te Doppelaspekt der Dekadenz – biologischer Verfall
einen, Stimulus für sein eigenes Schaffen auf der anderen bei geistiger Verfeinerung – wird in der Figur des Knaben Hanno Buddenbrook ausgeführt.[18] Er ist der letzte,
Seite.
kränkliche und künstlerisch veranlagte Spross der Familie, deren Entwicklung über vier Generationen geschildert wird: Die zunehmende Sensibilität wird mit dem
3.5 Fin de siècle
Scheitern in der Lebenswirklichkeit erkauft. Schon sein
Die von Nietzsche beschriebene und kritisierte „deka- Vater, der Senator Thomas Buddenbrook, der die Gefahr
dente“ Sensibilität zeigte sich um die Jahrhundertwende in der Natur Hannos erkennt und dem die Welt der dein den Werken Rainer Maria Rilkes, Arthur Schnitz- kadenten Musik Richard Wagners im Grunde fremd ist,
lers, Thomas Manns, und im Frühwerk Hugo von Hof- wird am Ende des Romans vom rauschhaften Pessimismannsthals, der sich später davon distanzierte.[16]
mus Schopenhauers erschüttert und stirbt etwas später.
Gautier und Baudelaire hatten die Décadence zu einer eigenständigen künstlerischen Position aufgewertet. Die so
verstandene Entwicklungslinie setzte sich von der negativen Einschätzung der Kulturkritik Montesquieus, Rous-
In Manns konservativen und zivilisationskritischen
Betrachtungen eines Unpolitischen bezog sich der Verehrer Nietzsches erneut auf dessen doppelte Perspektive:
Aus dem Lebensgefühl der décadence zu kommen und
3.7
Arnold Gehlen
diese gleichzeitig überwinden zu wollen: „Ich gehöre
geistig jenem über ganz Europa verbreiteten Geschlecht
von Schriftstellern an, die, aus der décadence kommend,
zu Chronisten und Analytikern der décadence bestellt,
gleichzeitig den emanzipatorischen Willen zur Absage an
sie … mit der Überwindung von Dekadenz und Nihilismus
wenigstens experimentieren.“ [19]
Weitere literarische Strömungen, die sich wie der
Symbolismus und Impressionismus vom Naturalismus
abgrenzten und durch überfeinerte Sensibilität und
Ästhetizismus gekennzeichnet sind, werden im Artikel
Dekadenzdichtung behandelt.
3.6
Oswald Spengler
5
etwa Pflanzen. Nach Spenglers Vorstellung wachsen
diese aus dem Formenchaos der Vorzeit aus kulturspezifischen Ursymbolen[26] über verschiedene organische
Entwicklungsphasen, bis sie absterben müssen. In
dieses Stadium sei das Abendland eingetreten.[27] Die
Hochkulturen – Ägypten, Indien, Babylon, „apollinische“ Antike, „magische“ arabische Kultur,[28] China,
mexikanische Kultur und „faustisches“ Abendland[29]
– seien zwar eigenständig und voneinander getrennt
gewesen, hätten jedoch alle einander entsprechende
und mit Hilfe der Ästhetik vergleichbare Stufen von
der knospenhaften Frühzeit (Dorik, Gotik), über die
Blüte und die Reifungskrise bzw. Gegenbewegung
(Renaissance)[30] bis zur Welke der (dekadenten) Zivilisation durchlaufen, welch letztere sich aber noch
einige Jahrhunderte imperialistisch entfalten könne
(Cäsarismus), ehe sie – sämtlich und unausweichlich –
absterben müssten.[31] Allerdings verwendet Spengler
im Gegensatz zu Nietzsche nicht explizit den Begriff
„Dekadenz/dekadent“, sondern belegt z. B. die aktuelle
Zivilisation mit anderen negativ empfundenen Begriffen
wie „seelenlos“, „mumienhaft erstarrt“, „wurzellos“,
oder „schöpferisch unproduktiv“.[32]
3.7 Arnold Gehlen
Oswald Spengler beschrieb Wachstum und Verfall von Kulturen.
„Macht“ und „Dekadenz“ sind auch Schlüsselbegriffe
im Geschichtsdenken Oswald Spenglers.[20] Er beschäftigte sich in seinem kulturpessimistischen rezipierten[21]
Untergang des Abendlandes mit dem als unausweichlich
betrachteten Verfall von Kulturen.
Ausgehend ebenfalls von Nietzsche, nämlich dessen kritischer Unterscheidung von „Sklaven- und Herdentiermoral“, kritisierte der Philosoph Arnold Gehlen in seinem Spätwerk Moral und Hypermoral die Übersteigerung
bestimmter gesellschaftlicher Verhaltensweisen zu Ungunsten anderer als Hypermoral.[33] Diese zeige sich als
„Moralhypertrophie“, als „masseneudaimonistische Gesinnungsmoral“. Der Humanitarismus (der als negativ
bewerteter Begriff schon bei Max Scheler aufgetaucht
war und eine gefühlsgeleitete Ideologie undifferenzierter
Menschenliebe bezeichnet hatte[34] ) zersetze die politischen Tugenden, das Staats- und Institutionenethos. Der
Humanitarismus sei als ethischer Impuls schon durch die
Stoa in die Welt gesetzt worden[35] und überdehne das
Familienethos mit seinen humanitären und pazifistischen
Tugenden.
Gehlen bezog sich desgleichen auf den Sozialphilosophen Georges Sorel, der seinerseits die Dekadenz angeprangert und den Verfall der Sitten beklagt hatte. „Dekadenz“ sei ein unentbehrliches Wort, das den inneren und
äußeren Kontaktverlust mit der Geschichte bezeichne.[36]
Der übersteigerte Subjektivismus sei handlungslos, da die
entlastende Funktion der Institutionen, deren Bedeutung
er in anderen Werken bereits herausgearbeitet habe, allmählich fortfalle. Der Staat werde auf partikulare, gesellschaftliche Interessen hin funktionalisiert und verliere seine Funktion als Sicherheitsgarant nach außen und
innen. Hinter der nur diesseitig orientierten Hypermoral
wähnt Gehlen Dekadenz und Nihilismus gegenüber höheren Werten.[37]
Dabei griff er auch Vorstellungen von Nietzsche
auf und verband sie mit auf die Historie bezogenem biologistischen Denken.[22] Ausgehend von der
Lebensphilosophie und dem lebendigen „Natur“-Begriff
Goethes,[23] welche Leben als Dynamisches und Schöpferisches der starren Rationalität gegenüberstellt, und
mit dem Mittel der morphologischen Analogie[24] arbeitend, betrachtet er acht selbständige Hochkulturen und
vergleicht ihre Entwicklung mit der von Organismen,[25] Als Indizien für dekadente Gesellschaften nannte Gehlen
6
3 DEKADENZ IN DER PHILOSOPHIE- UND LITERATURGESCHICHTE
ferner: „Wenn die Gaukler, Dilettanten, die leichtfüßigen
Intellektuellen sich vordrängen, wenn der Wind allgemeiner Hanswursterei sich erhebt,[38] dann lockern sich auch
die uralten Institutionen und strengen professionellen Körperschaften: das Recht wird elastisch, die Kunst nervös,
die Religion sentimental. Dann erblickt unter dem Schaum
das erfahrene Auge schon das Medusenhaupt, der Mensch
wird natürlich und alles wird möglich.“[39]
3.8
Dekadenz im Marxismus
In Politik und Polemik, die sich auf den Marxismus berief, wurde die Bezeichnung eines Künstlers als „dekadent“ für diesen oft hochgefährlich.
3.8.1
„Formalismus“
In seiner Abhandlung Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus (Kapitel VIII Parasitismus und
Fäulnis im Kapitalismus) hatte bereits Lenin biologistische Metaphern wie „Fäulnis“ und „Parasitismus“ benutzt, um den Kapitalismus zu charakterisieren. Eine besondere Bedeutung erhielt der Dekadenzbegriff in der
Sowjetunion. Dort bezog er sich zunächst auf den angenommenen Verfall der bürgerlichen Gesellschaft, um
später – im Marxismus-Leninismus – auf die bürgerliche
Kultur – Literatur und Musik – übertragen zu werden.
Er wurde in die Diskussion des sozialistischen Realismus’
einbezogen. Dieser wurde 1932 von Iwan Gronskij verkündet und 1934 von Schdanow kodifiziert. Die wahrheitsgetreue und historisch konkrete Darstellung sollte
dabei in der Kunst mit der Aufgabe verbunden werden, die Menschen im Sinne des Sozialismus ideologisch umzuformen und zu erziehen.[40] Der ideologische
Grund für diese Doktrin wird verständlich, wenn man
einen Blick auf die vulgärmarxistische Kunstsoziologie
wirft. Nach ihr ist die Kunst dem Überbau zuzurechnen; jede Klasse habe eine Kunst, die sie funktional
befriedige. Dieser Ideologie gemäß ist der freie Selbstzweck der Kunst verboten. Auch Musik (selbst Musikkritik) diene ausschließlich der Durchsetzung des Sozialismus mit den Mitteln des Realismus, nicht des westlichen Formalismus.[41] Schdanow diktierte die Form der
Kunstwerke. Indem er die bürgerliche Kultur auf Verfall, Mystizismus und Pornographie festlegte, trennte er
die sowjetische Belletristik von der Moderne. Was zu
viel Wirklichkeit zeigte, wurde als Naturalismus, was die
Entwicklung zu durchsichtig machte, als Formalismus gebrandmarkt, beides galt dabei als Ausdruck der Dekadenz
der bürgerlichen Gesellschaft.
Stalin kanonisierte das Verfahren 1936 in seiner Abhandlung Über dialektischen und historischen Materialismus,
die sich auf das Basis-Überbau-Verhältnis bezog und in
der er das „geistige Leben der Gesellschaft“ als „Abbild
der Bedingungen ihres materiellen Lebens“ erklärte.[42]
Kampfbegriff des Formalismus kulminiert diese Entwicklung, was sich sowohl in der Sowjetunion wie später in der DDR – etwa im Formalismusstreit zeigen sollte. Nach der Doktrin des von der KPdSU verkündeten Sozialistischen Realismus wurden avantgardistische
Strömungen, die sich etwa an westlicher Zwölftonmusik
orientierten, als dekadent abgelehnt. Künstler, die sich
dem Gebot nicht fügen wollten, mussten in der Stalinzeit mit scharfen Sanktionen rechnen. Die Dekadenzvorbehalte richteten sich auch gegen andere Teile moderner Kunst, etwa den Expressionismus. Im Sinne Stalins
äußerte etwa Otto Grotewohl 1953, dass eine Kunst
zu bekämpfen sei, die „den Lebensinhalt raubt, das
Volk entfremdet und die Entwicklung der Nation verhindert“. Der Kosmopolitismus sei in seiner „bis zur anarchischen Auflösung betriebenen Individualisierung der
Kunst“ zersetzend und führe zum Krieg. In der staatlichen Kunstzeitschrift Bildende Kunst wurde noch 1958
der Expressionismus als „Phänomen bürgerlicher Dekadenz“ abgetan und als zersetzende Entwicklung bezeichnet, die überwunden werden müsse.[43]
In diesem Zusammenhang bekannt geworden ist das
Schicksal des Komponisten Dmitri Schostakowitsch.
Nach einer Aufführung seiner Oper Lady Macbeth von
Mzensk, die Stalin in der Pause wütend verließ, diffamierte die Prawda in einem hetzerischen Artikel („Chaos
statt Musik“) vom 28. Januar 1936 den Komponisten und
würdigte sein Werk als chaotisch und formalistisch herab, als unfähig, die einfachen und starken Gefühle auszudrücken. Es wurde ihm Entartung und die Loslösung von
der „wahren Kunst“ vorgeworfen und Bezüge zur „nervösen“, „verkrampften“ Musik des Jazz hergestellt. Der
grobe Naturalismus der Oper sei mit den Prinzipien des
sozialistischen Realismus unvereinbar.[44]
3.8.2 Lukács und Adorno
Der marxistische Literaturtheoretiker George Lukács
verteidigte das Konzept des Sozialistischen Realismus und
operierte mit dem Begriff der Dekadenz (und des Formalismus). In seiner philosophiehistorischen Studie Die
Zerstörung der Vernunft, welche die Tendenz zum Irrationalismus von Schelling bis Hitler untersucht, polemisierte er gegen die als dekadent diagnostizierte westliche Literatur der Moderne. In diesem Sinne kam es seit
1948 zu etlichen Diktaten des Sozialistischen Realismus
als Schreibmethode.[45] Gemessen am Werk des bürgerlichen, dem Realismus verpflichteten Thomas Mann[46]
sei die westliche Moderne psychologistisch, formalistisch
und dekadent. Ausdrücklich bezog er sich auf Schriftsteller wie Franz Kafka, James Joyce und Marcel Proust.
In Die Zerstörung der Vernunft gibt George Lukács als
Wesenszeichen einer jeden Dekadenz (im Kapitel „Nietzsche als Begründer des imperialistischen Irrationalismus“ )
folgendes an: „… das Schwanken zwischen feinstem Nuancensinn, wählerischster Überempfindlichkeit und plötzIm vielfältig bis zur Beliebigkeit verwendeten politischen liche hervorbrechender, oft hysterischer Brutalität …“.
3.8
Dekadenz im Marxismus
7
Der Idee der Kunst nach sollten die Widersprüche nicht
ideologisch eingeebnet, sondern versöhnend so dargestellt
werden, dass das Werk über sich hinausweise. Adorno
kritisiert bei Lukács nun die „erpresste Versöhnung“, der
das Kunstwerk nur entgehen könne, wenn es das Leiden im Gedächtnis bewahre und transzendiere, nicht aber
ausklammere.[48]
Georg Lukács bezeichnete die westliche Moderne als dekadent.
Am Beispiel des „Dekadenzkünstlers“ Richard Wagner
sucht Adorno den Begriff der Dekadenz dialektisch zu
retten, indem er die reflektierte „Schwäche“ des Ichs, die
„psychologischen Momente“, das Abgründige und Zweideutige als ästhetischen Wert des Kunstwerks betrachtet:
„Das Ich differenziert sich unendlich, indem es die eigene Schwäche reflektiert und zur Schau stellt, aber vermöge
ebendieser Schwäche fällt es zugleich auf die Schicht des
Vor-Ichlichen zurück. So zeichnet im Überwiegen des psychologischen Moments bei Wagner, des zweideutig Interessanten, ein Geschichtliches sich ab. Die Bruchlinie jedoch,
die Wagners Werk markiert, die Ohnmacht im Angesicht
der technischen und der diese tragenden gesellschaftlichen
Widersprüche, kurz all das, was schon der Sprache seiner Zeitgenossen Dekadenz hieß, ist zugleich die Bahn des
künstlerischen Fortschritts.“ [49] In einer 1952 verfassten
Notiz zu diesem Versuch über Wagner wiederholt er seine Bewertung und wendet sich gegen den instrumentellen,
denunziatorischen Gebrauch des Wortes Dekadenz: „Wer
das Wagnersche Werk als Abdankungsurkunde des liberalen Geistes interpretiert, muß sich hüten, die Erkenntnis
in Begriffen wie dem der Dekadenz stillzustellen, die im
Vokabular der östlichen Sphäre längst von jeglicher Beziehung auf die Sache sich losgerissen haben und zu denunziatorischen Kennmarken verkamen. Was besser ist an
Wagner als die Ordnung, zu deren finstersten Gewalten er
sich schlug, verdankt sich eben der Dekadenz, der Unfähigkeit eines von der Übermacht des Bestehenden schon
bis ins Innerste beschädigten Subjekts, den Spielregeln eben
dieses Bestehenden noch Genüge zu tun.“ [50]
Adorno, der Lukács’ berühmte Theorie des Romans gelobt hatte, reagierte mit einer ebenso süffisanten wie
grundsätzlichen Kritik und unterzog das Wort Dekadenz
zudem einer ideologiekritischen Analyse: „Die gesamte
moderne Literatur, soweit sie nicht die Formel eines sei’s
kritischen, sei’s sozialistischen Realismus passt, ist verworfen, und es wird ihr ohne Zögern das Odium der Dekadenz
angehängt, ein Schimpfwort, das nicht nur in Rußland alle
Scheußlichkeiten von Verfolgung und Ausmerzung deckt.
Der Gebrauch jenes konservativen Ausdrucks ist inkompatibel mit der Lehre […] Die Rede von der Dekadenz ist
vom positivem Gegenbild kraftstrotzender Natur kaum ablösbar, Naturkategorien werden auf gesellschaftlich Vermitteltes projiziert. Eben dagegen jedoch geht der Tenor
der Ideologiekritik von Marx und Engels […] Selbst Remi- 3.8.3 Frankfurter Schule
niszenzen an den Feuerbach der gesunden Sinnlichkeit hätten schwerlich dem sozialdarwinistischen Terminus Einlaß In der Frankfurter Schule wurde die Kritik am Schwächlichen und Lüsternen in der Dekadenz stärker auf das
in ihre Texte verschafft.“[47]
Substanzlose und Habgierige verschoben und somit der
marxistischen Kapitalismuskritik angenähert.
Theodor W. Adorno (rechts) verwarf das Wort Dekadenz.
Kurt Lenk nannte „Dekadenz“ eine Worthülse, wie
Identität, Kommunikation, Information, Dynamik und
viele andere alltagssprachliche Begriffe, die zwar häufig gebraucht, aber keine Klarheit besitzen würden. Umso stärker sei ihre projektive und scheinbar erklärende Wirkung für beunruhigende gesellschaftliche Erscheinungen. Dabei sei Dekadenz ein zentraler Begriff in
konservativen und faschistoiden Geschichtsbildern, dem
so genannten zyklischen und kulturpessimistischen Geschichtsbild, von Universalhistorikern wie Niccolò Machiavelli, Georges Sorel, Friedrich Nietzsche, Oswald
Spengler und Henri Bergson. Nach Kurt Lenk haben eine Reihe „lebensphilosophisch orientierter Autoren“ wie
8
4 AKTUELLE FRAGESTELLUNGEN
Oswald Spengler, Ernst Jünger, Gottfried Benn und andere Autoren der „Konservativen Revolution“ die „Attitüde eines faustisch-heroischen Menschen als die einzig angemessene Antwort auf eine zu Dekadenz und Untergang tendierende Welt begreifen wollen“. Alle vorgegebenen gesellschaftlichen Strukturen würden von diesen dabei als Schicksal bejaht. Kurt Lenk: „Zwar sind
bei den einzelnen Autoren Ursachen, Symptome und Folgen der Dekadenz variantenreich beschrieben, doch gleichen sie sich in ihrer Dramaturgie. Stets geht es letztlich um eine Entscheidung zwischen Untergang oder Rettung durch irgendwelche heroische Taten.“ Im Zentrum
der „faschismus-affinen Krisensemantik, für deren Beginn Sorel steht,“ befinde sich nach Lenk „das Syndrom
Dekadenz-Apokalypse-Heroismus, dem die Idee einer
Art ‚Wiedergeburt‘ zugrunde“ liege.
3.9
Nationalsozialismus
In der Sprache des Nationalsozialismus bürgerte sich parallel und synonym zum Attribut „dekadent“ der Begriff
„entartet“ zur Bezeichnung und Abwertung von der nationalsozialistischen Ideologie und Ästhetik widersprechenden gesellschaftlichen und weltanschaulichen Vorstellungen sowie künstlerischen Werken ein. Als Ursache für eine „Dekadenz/Entartung“ meinte man häufig, eine vorgebliche rassische Fremdheit und damit Minderwertigkeit der Vertreter bzw. Schöpfer dieser Vorstellungen und
Kunstwerke konstatieren zu müssen. Ein Beispiel für die
Verbindung des Dekadenzmotivs mit dem Rassismus ist
folgender Text von 1933 aus einer lokalen Zeitung:
„Es ist das Zeichen der grauenhaften geistigen
Dekadenz der vergangenen Zeit, daß sie von Stilen redete, ohne ihre rassische Bedingtheiten zu
erkennen.“ [51]
Beliebt war es, die westlichen Demokratien als lebensuntüchtig, schwach und dekadent darzustellen. Dieses Dekadenzargument gegen Pluralismus und Demokratie wurde auch von Adolf Hitler in Mein Kampf
verwendet.[52]
angesonnener Vorbildaufgabe, also Personen des öffentlichen Lebens, Medienstars u. ä. gekehrt. Vor dem Hintergrund der Herausforderungen durch den islamischen
Fundamentalismus oder dem postulierten Kampf der
Kulturen war und ist erneut die Rede von (westlicher) Dekadenz.
Verschiedene Autoren verweisen darauf, dass der islamische Fundamentalismus ein Bild des Westens zeichne, der durch Individualismus und Hedonismus moralisch
dekadent sei.[54] Die fundamentalistischen Strömungen
lehnen – bei möglichen Unterschieden in Einzelfragen
(Islamismus) – die westliche Moderne und ihre weltanschaulichen Prinzipien ab, belassen es aber nicht bei einer
Idealisierung der Vergangenheit. Sie stehen Demokratie,
Pluralismus und der Säkularisierung feindlich gegenüber,
während sie die technischen Errungenschaften der Moderne für ihre Zwecke nutzen. Ähnlich wie die konservativen Dekadenztheoretiker gehen islamistische Positionen von einer Krisensituation aus, wie etwa dem wirtschaftlichen Hintertreffen vieler muslimisch geprägter
Länder. Als Gründe werden u.a. Abkehr vom „wahren
Glauben“ oder eine Verfälschung des „göttlichen Willens“ angenommen; der westliche Kapitalismus wird abgelehnt, da er Dekadenz, Armut und Unglaube verursache. Statt wirtschaftlicher und kultureller Reformen wird
die Rückkehr zu den Grundlagen des Islam gefordert.[55]
Auch aktuell sprechen unterschiedliche, dem radikalen
Spektrum zugeordnete Gruppen und Parteien von „Dekadenz“.
In rechtsextremen, rückschlägigen Argumentationsmustern wird mit dem Schlagwort die Gegenwart abgewertet,
während die Vergangenheit mythisch verklärt wird.[56]
Das Schlagwort ist dann Teil der Agitation, die sich
gegen den Rechtsstaat wendet, der als System pauschal
in Frage gestellt wird. So sprach Holger Apfel von einem von „Dekadenz und Klüngelwirtschaft geprägten
Altparteienkartell“.[57]
Von Seiten marxistisch-leninistischer Kleinparteien ist
von Dekadenz die Rede, um dem marktwirtschaftlichen
System, dessen Überwindung man anstrebt, vorzuwerfen, dass das sogenannte „spekulative Finanzkapital“ die
Macht übernommen habe.[58]
Auch Bücherverbrennungen wurden von formelhaften Gegen diese Einschätzungen werden aus liberaler PerKommentaren „gegen Dekadenz und moralischen Ver- spektive Einwände erhoben. So betont Ulrike Ackerfall“ begleitet.[53]
mann (in dem Merkur-Heft Kein Wille zur Macht – Dekadenz),[59] dass sich die Prophezeiungen vom Untergang des (dekadenten) Kapitalismus zwar nicht erfüllt
hätten, dieser und die Globalisierung von vielen allerdings
4 Aktuelle Fragestellungen
noch immer abgelehnt würden.[60] Eine radikale Kapitalismuskritik habe sich zu einer diffusen Verachtung der
Im gegenwärtigen Sprachgebrauch wird der Begriff DeGlobalisierung entwickelt, und Misstrauen gegenüber der
kadenz oder dekadentes Verhalten überwiegend gleichwestlichen Zivilisation verwandele sich schnell in den
gesetzt mit Schwächlichkeit, Verkommenheit und/oder
Dekadenz-Vorwurf. Der westliche, zum Selbsthass neiVerschwendung sowie im Sinne eines sozial schädlichen
gende Selbstzweifel sei mit Hass auf die Dekadenz des
(vorwiegend moralisch-ethischen) Abweichens von einer
Westens konfrontiert; die Toleranz des Westens dulde dagesund-natürlichen Lebensform verwandt. Oft wird der
bei die Intoleranz. Stattdessen solle man sich für die „inBegriff kritisch gegen das Verhalten von Personen mit
9
dividuellen Freiheiten des Bourgeois und Citoyen“ engagieren und Skepsis haben gegenüber „Sinnstiftern, die das
gute Leben in neuen und alten Kollektiven verheißen“.[60]
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Literatur
• Christiane Barz: Weltflucht und Lebensglaube. Aspekte der Dekadenz in der skandinavischen und deutschen Literatur der Moderne um 1900; Kirchhof
7 Franke (Hgg.), Leipzig–Berlin 2003, ISBN 3933816-20-3.
• Alexandra Beilharz: Die Décadence und Sade: Untersuchungen zu erzählenden Texten des französischen Fin de Siècle. M&P, Stuttgart 1996, ISBN 3476-45161-5.
• Karl Heinz Bohrer / Kurt Scheel (Hgg.): Kein Wille
zur Macht – Dekadenz, MERKUR Doppelheft 9/10,
2007, Jubiläumsheft Merkur 700. ISBN 3-60897094-0.
• Wolfgang Drost (Hg.): Fortschrittsglaube und Dekadenzbewußtsein im Europa des 19. Jahrhunderts.
Winter, Heidelberg 1986, ISBN 3-533-03662-6
• Sabine Haupt / Stefan Bodo Würffel (Hgg.): Handbuch Fin de Siècle. Kröner, Stuttgart 2008, ISBN
978-3-520-83301-3.
• Kurt Lenk: Das Problem der Dekadenz seit Georges
Sorel. In: Heiko Kauffmann / Helmut Kellershohn /
Jobst Paul (Hgg.): Völkische Bande. Dekadenz und
Wiedergeburt – Analysen rechter Ideologie. Unrast,
Münster, 2005, ISBN 3-89771-737-9.
7 Weblinks
Wikiquote: Dekadenz – Zitate
Wiktionary: Dekadenz – Bedeutungserklärungen,
Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
8 Einzelnachweise
[1] Helmut G. Koenigsberger: Sinn und Unsinn des Dekadenzproblems in der europäischen Kulturgeschichte der
frühen Neuzeit. In: Johannes Kunisch (Hrsg.): Spätzeit.
Studien zu den Problemen eines historischen Epochenbegriffs, Berlin 1980, S. 137-157.
[2] Historisches Wörterbuch der Philosophie, Geschmack, Bd.
3, S. 446
[3] Vgl. Edward Gibbons verwandtes decline-Konzept.
[4] Montesquieu: Considérations sur les causes de la grandeur
des Romains et de leur décadence
[5] Kindlers Neues Literatur-Lexikon. Bd. 11, S. 902, Montesquieu: Considérations sur les causes de la grandeur des
Romains et de leur décadence
[6] Historisches Wörterbuch der Philosophie. Dekadenz, Bd.
2, S. 47
[7] Wilhelm Weischedel: Die philosophische Hintertreppe,
Rousseau oder der unglückliche Gefühlsdenker
[8] Siehe dazu auch: „Kindlers Neues Literatur-Lexikon“, Bd.
6, Edward Gibbon, The History of the Decline and Fall of
the Roman Empire, S. 279, München 199
[9] Vgl. jedoch das „Dritte Rom“.
[10] Zit. nach „Kindlers Neues Literatur-Lexikon“, a. a. O.
• Henning Mehnert: Zur Bedeutung der Begriffe „sym- [11] “Sokrates gehörte, seiner Herkunft nach, zum niedersten
bolisme“, „décadentisme“ und „dégénérescence“ im
Volk: Sokrates war Pöbel. Man weiss, man sieht es selbst
noch, wie häßlich er war […]. Die Anthropologen un19. Jahrhundert, in: Wolfgang Drost (Hg.): Fortter den Criminalisten sagen uns, dass der typische Verbreschrittsglaube und Dekadenzbewußtsein im Eurocher hässlich ist: monstrum in fronte, monstrum in animo.
pa des 19. Jahrhunderts, Winter, Heidelberg 1986,
Aber der Verbrecher ist ein decadent.” Friedrich Nietzsche
ISBN 3-533-03662-6, S. 75–84
6
Siehe auch
• Degeneration, entartete Kunst
• Verschwendung, Habgier, Konsumismus
• Goldenes Zeitalter, Palingenese
• Edward Gibbon, Ein Kampf um Rom
• Dysgenik, Zivilisationskrankheit
• Nachhaltige Entwicklung
in Götzen-Dämmerung; in Friedrich Nietzsche: Der Fall
Wagner, Götzen-Dämmerung, Der Antichrist, Ecce homo,
Kritische Studienausgabe, Bd. 6, Hrsg.: Giorgio Colli und
Mazzino Montinari, dtv, S. 68 u. 69
[12] „Wo in irgendeiner Form der Wille zur Macht niedergeht, giebt es jedes Mal auch einen physiologischen Rückgang, eine decadence. Die Gottheit der décadence, beschnitten an ihren männlichsten Tugenden und Trieben,
wird nunmehr nothwendig zum Gott der physiologischZurückgegangenen, der Schwachen.“ ; Friedrich Nietzsche
in Der Antichrist; in Friedrich Nietzsche a. a. O. S. 183
[13] Friedrich Nietzsche: Ecce homo, Der Fall Wagner. Ein
Musikanten-Problem, KSA 6, S. 357
[14] Friedrich Nietzsche: Ecce homo, Der Fall Wagner. Ein
Musikanten-Problem, a. a. O., S. 21