Es gilt das gesprochene Wort!

Es gilt das gesprochene Wort!
Rede des Oberbürgermeisters Schneider anl. der Verleihung der Bürgermedaille in Silber an Herr Günter
Reckenbeil und Herr Dieter Schulz am 07.09.2016, 17:30 Uhr im Deutschen Ledermuseum
Sehr geehrter Herr Reckenbeil,
sehr geehrter Herr Schulz,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich begrüße Sie heute recht herzlich im Deutschen Ledermuseum, um mit Ihnen gemeinsam
zwei engagierte Persönlichkeiten auszuzeichnen. Eigentlich wollte ich heute Drei Herren für
ihr Lebenswerk auszeichnen, aber einer von Ihnen, Herr Walter Scheller, sitzt heute schon
wieder im Ruderboot bei der „World Rowing Masters Regatta“ in Kopenhagen, der
Weltmeisterschaft der Rudersenioren. Auf seinen eigenen Wunsch haben wir seine Ehrung
vorgezogen.
Er hätte gerne heute mit Ihnen gemeinsamen gefeiert, aber Herr Reckenbeil, Herr Schulz,
Sie werden es am besten verstehen, das Engagement für den Verein genießt hier die
Priorität. Walter Scheller lässt Sie heute auf diesem Weg recht herzlich grüßen.
…
Hätte es 1948 nicht ein paar Probleme mit Schuhen gegeben, könnte ich meine Rede so
beginnen:
Die heutige Ehrung ist im wahrsten Sinne des Wortes eine „runde Sache“, denn es dreht sich
alles um eine runde Sache. Zum einen hätten wir da 2,7 Gramm Zelluloid und zum anderen
den Ikosaederstumpf. Meine Damen und Herren, Sie haben es sofort erkannt, es handelt
sich um einen Tischtennisball und um einen Fußball.
Der Tischtennisball gehört zu Dieter Schulz, aber was hat es mit dem Fußball auf sich und
welche Probleme hatte Günter Reckenbeil mit seinen Schuhen?
Genaugenommen hatte die Mutter von Herrn Reckenbeil das Problem. Denn ihr Filius
besuchte Anfang 1948, gemeinsam mit seinem Freund Hermann Nuber, eine
Trainingsstunde bei der Kickers Offenbach. Das Training war erfolgreich, die Schuhe aber
völlig ramponiert, was wiederum Mutter Reckenbeil auf den Plan rief. Damit war eine
Karriere als zukünftiger Fußballprofi bereits beendet, bevor sie überhaupt anfangen konnte.
Günter Reckenbeil musste sich einen anderen, einen „Schuh schonenden“, Sport suchen.
Dass fiel ihm überhaupt nicht schwer, denn er hatte sich nicht nur auf den Fußball festgelegt.
Für ihn war es das Wichtigste, Sport zu treiben. So fand er schnell seine neue sportliche
Ausrichtung beim TVO.
Am 07.03.1948 – im Alter von 11 ½ Jahren, trat er in den Turnverein Offenbach am Main von
1824 ein.
Die 1943 im Krieg völlig zerstörte Turnhalle war noch nicht wieder aufgebaut, deshalb fanden
die ersten Turnstunden von Günter Reckenbeil in der Mathildenschule statt. 1949 begann
man dann, mit Materialien aus den Trümmern, ein Turnplatz und eine kleine Halle, durch die
Mitglieder aller Abteilungen, wieder aufzubauen.
Lieber Herr Reckenbeil, Sie engagierten sich fast unmittelbar nach Eintritt in den TVO
ehrenamtlich und begannen die „Karriereleiter“ zu erklimmen. Sie waren von
- 1952 – 1954 Jugendleiter
- 1952 – 1955 Vorturner
- 1975 – 1987 Sportwart
- 1980 – 1984 2. Vorsitzender
- 1987 – 2014 1. Vorsitzender.
Heute sind Sie Ehrenvorsitzender und stehen dem Verein weiterhin mit Rat und Tat zur
Verfügung.
Weiterhin waren Sie von 1978 – 1980 stellvertretender Vorsitzender und von 1980 – 1985
Vorsitzender der Leichtathletikgemeinschaft Offenbach (LGO).
Sie haben sich bis heute für die Belange des Vereins und den Offenbacher Sport eingesetzt.
Mit viel Engagement und herausragenden Verdiensten in der Sportführung haben Sie sich
besonders verdient gemacht.
Zielorientiert haben Sie immer die richtigen Wege eingeschlagen. Zum Beispiel bei der
Eröffnung des Sportzentrums im Jahre 1995, einer Abteilung im Turnverein mit Kraftraum,
Sauna und einem Fitnessangebot, das den heutigen Bedürfnissen der Mitglieder gerecht
wird.
In Ihrer Zeit als Vereinsvorsitzender wurde die neue Halle gebaut. Es kamen viele neue
Angebote in den Verein. Unter anderem:
-
Sport in der Krebsnachsorge,
Tischtennis,
Triathlon,
Schach,
Karate.
Und die Gründung der Herzsportgruppe war Ihnen ein besonders Anliegen.
Auch das 175-jährige Jubiläum des Turnvereins lag in Ihrer Amtszeit. Hier waren Sie
verantwortlich für die Erstellung der Festschrift, die Restaurierung der historischen Fahnen
und die Jubiläumsausstellung.
2005 wurde in die vereinseigene Anlage eine neue Lüftung mit Kühlung eingebaut, das Dach
wurde erneuert und eine Wärmekopplungsanlage wurde installiert, die dem Verein langfristig
gesehen hilft, Kosten zu sparen.
Capoeira wurde zuletzt als neueste Abteilung ins Leben berufen. Der brasilianische
Kampftanz, dessen Ursprung auf den afrikanischen NiGolo (Zebratanz) zurückgeführt wird,
ist vor allem auch ein Magnet für junge Mitglieder.
Und Sie haben die Leidenschaft für die TVO an Ihre Kinder weitervererbt. Ihr Sohn, Dr.
Dieter Reckenbeil ist inzwischen der 1. Vorsitzende des TVO und Ihre Tochter Claudia
Hohmann ist stark in die Vereinsarbeit eingebunden. Sie machte zum Beispiel damals den
aktuellen Trend Inlineskaten im Verein bekannt und förderte diesen.
Lieber Herr Reckenbeil, ich bin mir ganz sicher, hätte es damals die ramponierten Schuhe
nicht gegeben, Sie würden heute trotzdem vor mir sitzen. Vielleicht wäre es nicht diese
beeindruckenden Vita als TVO’ler geworden. Aber Sie hätten ein „Amt“ gefunden!
…
Lieber Herr Schulz,
ich hatte es ja schon zu Beginn meiner Rede gesagt, Ihr ehrenamtliches Engagement dreht
sich um 2,7 Gramm Zelluloid.
Auch Sie fanden schon sehr früh den Weg zur Ihrem Sport und Ihrem Ehrenamt. Über die
Pfadfindergruppe der Paul-Gerhard-Gemeinde stießen Sie auf den Tischtennissport. Sie
wollten Ihre neu gewonnen Fähigkeiten im Tischtennis weiter ausbauen, am besten in einem
Tischtennisverein. Da es diesen noch nicht gab musste er noch gegründet werden. Im Mai
1961 war es dann soweit. Aber da gab es ein Hindernis, Sie waren erst 17 Jahre alt. Und
volljährig war man damals erst mit 21. Aus diesem Grund übernahm Wolfgang Vogt den
Vorsitz und Sie wurden gleich Mitglied des Vorstandes mit den Aufgaben des Kassierers und
Schriftführers.
Auch in den folgenden Jahren standen Sie immer an vorderster Stelle, wenn es darum ging,
neue Ideen zu entwickeln und in die Tat umzusetzen. Sie betreuten in den ersten Jahren
nach der Vereinsgründung verschiedene Jugendmannschaften und auf Ihre Initiative hin
wurde 1963 eine Damenmannschaft gegründet, die Sie selbst in die Geheimnisse des
Tischtennissports einführten. Auch außerhalb des Spielbetriebs waren Sie der Motor beim
Zusammenwachsen und Zusammenhalt der Vereinsmitglieder. Dies war die Grundlage für
spätere, jahrzehntelange Freundschaften.
Als der Wehrdienst viele Spieler in die Pflicht nahm, ließen Sie sich nicht entmutigen und
bohrten solange, bis Zaudernde und träge Gewordene wieder an die „Grüne Platte“
zurückkehrten. Es gelang Ihnen sogar, mit Ihrer ganz eigenen „Überredungskunst“ auch
noch neue Mitglieder zu werben.
1993 wurden auf Ihre Initiative hin die Offenbacher Stadtmeisterschaften wiederbelebt, die
bis heute vom TTV ausgerichtet werden. Wer schon einmal eine große Veranstaltung
organisiert hat, weiß, wie groß der Aufwand bei der Vorbereitung und Durchführung einer
solchen Veranstaltung mit bundesweiter Beteiligung ist. Sie haben sich jedoch nie davor
gescheut, die Hauptlast auf Ihre Schultern zu nehmen. Neben der alljährlichen
Stadtmeisterschaft richteten Sie zusammen mit Ihren Vereinsmitgliedern weitere Turniere,
Vereins- und Pokalmeisterschaften, Kreis- und Bezirksmeisterschaften aus, es gelang Ihnen
sogar, zeitweise eine Fußballmannschaft auf die Beine zu stellen.
Im Juni 1998 gelang es Ihnen sogar, ein Freundschaftsspiel mit der
Jugendnationalmannschaft Sri Lankas zu organisieren. Unvergesslich waren auch das
Freundschaftsspiel in San Franzisco und der Teilnahme an den Seniorenweltmeisterschaften
in Vancouver. Dies waren sicher einige der Höhepunkte in der Vereinsgeschichte des TTV.
Aktuell sind sie mit dem Sportmanagement Offenbach und dem Referat für
Städtepartnerschaften an der Planung eines Turniers mit Spielern aus den Partnerstädten
Mödling/Österreich und Esch-sur-Alzette/Luxemburg.
2011 war der TTV Veranstalter und Ausrichter der hessischen Einzelmeisterschaften der
Damen und Herren der A-Klasse. Zahlreiche Nationalspieler zeigten ihr Können in der neuen
ESO-Sportfabrik in Bürgel.
Ihr Hauptaugenmerk richtet sich aber vor allem auf die Jugendarbeit. „Kinder dürfen dem
Sport auch in Zukunft nicht verloren gehen!“ Diese Schlagzeile, wie man sie oft in den
Tageszeitungen lesen kann, haben Sie und der TTV sich zum Motto gemacht. Vor vielen
Jahren gingen Sie in die Schulen und überzeugten Schulleiter und Sportlehrer von einer
Zusammenarbeit. Dies war zweifelsfrei nicht immer leicht. Aber der Erfolg gibt Ihnen Recht.
Heute arbeitet der TTV mit sechs Schulen in Offenbach sehr erfolgreich zusammen. Durch
diese Arbeit konnte der TTV auch einen enormen Zuwachs verzeichnen. Der Verein hat
heute 100 Mitglieder und über die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche.
Dieter Schulz ist auch immer zu Stelle, wenn das Sportmanagement ruft. Zusammen mit
seinem Team unterstützt er städtische Sportveranstaltungen.
Einen Verein zu führen stellt den Vorstand immer wieder vor neue Herausforderungen. Sie
sagen selbst, man steht immer mit einem Bein im Graben. Immer mehr Vorschriften und
Auflagen erschweren die Arbeit. „Mittlerweile muss man zu jedem Kuchen das Rezept
beilegen“…
Wir sind Ihnen unendlich dankbar, dass es Menschen gibt, wie Sie, die sich trotz aller
Widrigkeiten nicht beirren lassen und weitermachen. Denn wir alle, unsere Gesellschaft,
braucht Menschen wie Sie.
Vereine sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft sowie eine soziale Sicherung
für viele Jugendliche und Schüler. Soziales Engagement nutzt einem Einzelnen wenig, in der
Gruppe oder in der Mannschaft umso mehr, zumal dort Fairness oberstes Gebot ist. Auch
die Integrationskraft des Sports wird durch die Zusammenarbeit Schule und Verein gestärkt.
Sport ist der soziale Kitt zwischen den vielen Nationalitäten. Sport ist ein wichtiges
Instrument der Zusammenführung von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Sprache,
Kultur und Bildung.
Der TTV weiß dieses Instrument sehr gut zu spielen!
Neben Ihrer Arbeit im Vorstand des TTV sind sie seit 6 Jahren der Leiter des
Tischtenniskreises Offenbach.
Von 1993 – 2010 waren Sie dort der Kreissportwart, seit 2010 bis heute sind Sie der
Kreiswart, also der Vorsitzende des Tischtenniskreises Offenbach und damit verantwortlich
für alle sportlichen Veranstaltung im Tischtenniskreis.
2012 gehörten Sie auch zu den Gründungsmitgliedern einer Tischtennisfördergruppe, die in
Zusammenarbeit mit dem Hessischen Tischtennisverband und dem Land Hessen ins Leben
gerufen wurde.
Lieber Herr Reckenbeil, lieber Herr Schulz, ich habe es vor einigen Tagen schon zu Herrn
Scheller gesagt: „Sie sind im besten Sinne verrückt nach Rudern!“ Das kann man auch von
Ihnen beiden behaupten. Sie sind im besten Sinne verrückt im Engagement für Ihre Vereine.
Und dafür möchte Ihnen heute die Stadt Offenbach DANKE sagen.
Bevor ich Sie jetzt zu mir nach vorne bitte, möchte ich meine Rede mit einem Zitat von
Friedrich Rückert beenden. Ich habe es in der Festschrift zum 175. Jubiläum des TVO
gelesen und ich finde es passt sehr gut zu Ihnen beiden.
Es lassen Schein und Sein sich niemals einen,
nur sein allein besteht durch sich allein.
Wer etwas ist, bemüht sich nicht zu scheinen.
Wer scheinen will, wird niemals etwas sein.
Ich darf Sie jetzt zu mir nach vorne bitten.