SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Clemens Fuest, Präsident Ifo-Institut, gab heute, 09.09.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Südeuropa-Gipfel: Ende des Sparens?“ Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marie Gediehn. Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 09.09.2016 Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Ifo-Präsident: Deutschland sollte weniger Predigten halten in Europa Baden-Baden: Vor dem Treffen der EU-Südstaaten in Athen warnt der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Fuest, vor großen Zugeständnissen. Clemens Fuest sagte im SWRTagesgespräch, Griechenlands Regierungschef versuche, "eine Art Koalition zu schaffen, um die Schuldenschranken in Europa loszuwerden". Da der Stabilitätspakt sowieso nicht besonders beachtet werde, sei das "schon ein bisschen besorgniserregend". Fuest sagte: "Verheerend könnten zwei Signale sein, einmal dass wieder zur Schuldenpolitik zurückgekehrt wird, die uns ja in die Krise gebracht hat; zweitens muss man erwarten, dass Tsipras natürlich weiß, dass er die Auflagen des Reformprogramms für Griechenland nicht einhält und dass die Eurozone darauf eigentlich reagieren müsste". Jetzt, so vermutete der ifoChef im SWR-Interview, versuche der griechische Regierungschef vermutlich, "Verbündete zu gewinnen, die sagen werden, wir drücken ein weiteres Mal ein Auge zu". Es sei schwierig, so Fuest weiter, "da große Zugeständnisse zu machen, denn die Schuldenschranken werden ja schon weitgehend ignoriert". Der ifo-Chef sagte: "Aus meiner Sicht muss Deutschland schon darauf achten, dass in Zukunft diese Regeln doch einigermaßen eingehalten werden, oder man müsste sich zusammensetzen und vollkommen neu über die Eurozone sprechen". Mit Blick auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit warnt Fuest vor der Gefahr einer verlorenen Generation in Südeuropa: "Die Schwierigkeit ist nur, dass es eben schwer ist, dass vom Ausland her zu beeinflussen, dass müssen wirklich die Länder in Südeuropa selbst machen. Und da haben wir das Problem, dass die politischen Systeme dysfunktional sind". In Griechenland regiere eine Koalition aus einer Rechtsradikalen und einer Linksradikalen, die statt sich darauf zu konzentrieren, Probleme im eigenen Land zu lösen, das Ausland zum Sündenbock mache. Fuest konstatierte: "Ich glaube eine Lehre daraus ist vielleicht, dass wir aus Europa auch aus Deutschland den anderen weniger Predigten darüber halten sollten, wie die Wirtschaftspolitik gemacht werden soll, sondern wir sollten sagen, wir zahlen weniger und dafür machen wir auch weniger Vorschriften". Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Wortlaut des Live-Gesprächs: Gediehn: Sie warnen vor schuldenfinanzierten Konjunkturprogramm. Wie viel Sorge bereitet ihnen denn dieses prominent-besetzte Treffen in Athen? Fuest: Man muss es nicht übertreiben, aber nachdem was nach außen dringt, ist natürlich schon klar, dass vor allem Tsipras versucht, hier eine Art Koalition zu schaffen, um die Schuldenschranken loszuwerden in Europa. Der Stabilitätspakt wird ja sowieso nicht besonders beachtet, insofern ist das schon ein bisschen besorgniserregend. Gediehn: Was wäre das verheerendste Signal heute aus Athen, aus ihrer Sicht? Fuest: Es könnten zwei Signale sein. Einmal, dass wieder zur Schuldenpolitik zurückgekehrt wird, die uns ja in die Krise gebracht hat. Zweitens, muss man erwarten dass Tsipras natürlich weiß, dass er die Auflage des Reformprogramms für Griechenland nicht einhält und, dass die Eurozone darauf eigentlich reagieren müsste. Er versucht jetzt vermutlich Verbündete zu gewinnen, die sagen werden, naja, Griechenland hat die Auflagen nicht eingehalten, aber wir drücken ein weiteres Mal ein Auge zu. Gediehn: Mal andersrum gefragt, was wäre denn konkret ein mögliches Zugeständnis, zum Beispiel aus deutscher Regierungssicht, in Richtung der Südländer? Fuest: Es ist schwierig da große Zugeständnisse zu machen, denn die Schuldenschranken werden ja schon weitgehend ignoriert. Aus meiner Sicht muss Deutschland schon darauf achten, dass in Zukunft diese Regeln doch einigermaßen eingehalten werden oder man müsste sich zusammensetzen und vollkommen neu über die Eurozone sprechen. Aber jetzt Zugeständnisse zu machen, in dem Sinne, dass man sagt, na ja wir setzen mal die Schuldenschranken für zwei Jahre aus oder wir machen wirklich einen Kurswechsel zur großen Schuldenpolitik, das ist ganz schwierig. Gediehn: Was sagen Sie aber denen, die jenseits der konkurrierenden Wirtschaftstheorien fragen, was machen wir, wenn die EU bei Millionen perspektivlosen Jugendlichen ohne Ausbildung und Job ihre Legitimation verliert? Fuest: Das ist das Problem. Die Zuständigkeit für die arbeitslosen Jugendlichen, die liegt erst mal bei den Mitgliedsstaaten selbst und das Schuldenmachen wird den Jugendlichen nicht helfen. Was wir da brauchen, das sind die berühmten Strukturreformen über die viel geredet wird. Konkret heißt das, Systeme der beruflichen Lehre aufbauen, wirklich in den Ländern Detailarbeit leisten, aber das ist ein mühsamer und langer Weg. Es ist viel bequemer zu behaupten, die Probleme der Jugendlichen seien in Brüssel gemacht oder sogar in Berlin. Das heißt, das Ganze würde an der Konsolidierungspolitik liegen und mit einer Schuldenpolitik könnte man denen helfen - das ist aber nicht so – die werden auch dann arbeitslos bleiben, hier sind ganz andere Politiken gefragt, aber dieser Weg ist langsam und mühselig. Es ist viel einfacher, hier Brüssel zum Sündenbock zu machen oder eben Deutschland. Gediehn: Nur in dieser Länge, die Sie hier gerade selber auch zugestehen, bleibt natürlich die legitimierende Stabilität, die die politischen Systeme bleiben auf der Strecke, egal ob national oder auf EU-Ebene. Fuest: Das ist völlig richtig. Wir haben in Europa sicherlich eine große Gefahr da vor uns, nämlich die, dass wir eine verlorene Generation schaffen in Südeuropa. Die Schwierigkeit ist nur, dass es eben schwer ist, das vom Ausland her zu beeinflussen. Das müssen wirklich die Länder in Südeuropa selbst machen und da haben wir das Problem, dass die politischen Systeme dysfunktional sind. Wir haben in Griechenland eine Koalition auf einer rechts- und einer linksradikalen Regierung, die statt Probleme im eigenen Land zu lösen, sich darauf konzentriert, das Ausland zum Sündenbock zu machen. Ich glaube eine Lehre ist daraus, ist vielleicht, dass wir aus Europa, auch aus Deutschland, den anderen weniger Predigten darüber Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) halten sollten, wie die Wirtschaftspolitik gemacht werden soll, sondern, wir sollten sagen, wir zahlen weniger und dafür machen wir auch weniger Vorschriften. Gediehn: Trotzdem, wenn ich Sie richtig verstehe heißt das, weiter Sparen bis keiner mehr mitmacht und Deutschland salopp gesagt, zwar Klassenbester ist aber auch alleine im Klassenzimmer sitzt? Fuest: Naja ich wäre eigentlich dafür, etwa im Fall Griechenlands, zu sagen, gut, ihr müsst eure Staatsausgaben schon selbst erwirtschaften, daran werden wir nichts ändern können und ansonsten sollte man den Griechen aber selbst überlassen, wie sie ihr Land sanieren sollten. Also in diesem Sinne würde ich schon einen Wechsel vorschlagen. Deutschland sollte weniger Predigten halten in Europa. Wenn die Länder in Südeuropa Menschen finden, Investoren finden, die ihnen Geld leihen und die dann auch haften, wenn das Geld verloren geht, dann können sie ja ruhig neue Schulden machen. Das Problem ist ja, dass die erwarten, dass die Europäische Zentralbank und damit auch nordeuropäische Länder für sie haften, wenn sie Schulden machen und das geht nicht. Man kann nicht auf Kosten anderer Leute Schulden machen. Gediehn: Nun ist es so, dass nicht nur innerhalb der EU oder in Deutschland auch von Seiten der SPD, sondern auch weltweit, zuletzt konnte man das beim G20-Treffen sehen, dass Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble mit ihrer Sparwut immer mehr anecken. Wenn es um ein Weg aus der lahmenden Weltkonjunktur geht, wie viel Gegenwind, was glauben Sie, halten denn die Kanzlerin und ihr Kassenwart noch aus? Fuest: Ach das geht, Deutschland steht da gar nicht so im Mittelpunkt der Kritik. Die chinesische Regierung zum Beispiel hat ja beim letzten G20-Gipfel betont: Strukturreformen müssen her, Konjunkturprogramme alleine werden es nicht bringen. Auch Mario Draghi wiederholt das immer wieder. Aber Deutschland ist da nicht so isoliert. Ganz im Gegenteil gibt es schon immer mehr Politiker, denen auch klar ist, dass es ohne die Strukturreformen nicht geht und das Schulden nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Es ist doch eine Teilgruppe, die stärker auf das Schuldenmachen setzt. Das sind einfach Meinungsverschiedenheiten, aber in diesem Punkt nachzugeben, führt, glaube ich, nicht weiter. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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