THEMA Wildforschungsprojekt Luchs Luchse wurden in Österreich vor rund hundert Jahren ausgerottet. In der Grenzregion zwischen Wald- und Mühlviertel wurde der Luchs erstmals Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre wieder vereinzelt gespürt. Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs intensivierte sich die Zuwanderung. Martin Forstner, Christina Wolf-Petre D Wozu ein Luchs-Projekt? Um die Auswirkungen des Luchses auf seinen Lebensraum in der wiederbesiedelten Grenzregion des Wald- und Mühl- 10 viertels zu untersuchen, wurde von Dipl.Ing. Martin Forstner ein Luchs-Projekt initiiert. Dieses wird vom NÖ Landesjagdverband, dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft sowie der Naturschutzabteilung des Amtes der NÖ Landesregierung gefördert. Neben der Durchführung von wildökologischen und jagdlichen Erhebungen werden vor allem die Auswirkungen des Luchses auf Forstund Landwirtschaft untersucht. Basierend auf dieser Studie wird unter Einbindung der betroffenen Grundbesitzer und/oder deren Vertretern sowie der Jägerschaft ein Maßnahmenkatalog für alle vom Luchs betroffenen Interessensgruppen entworfen. Das Hauptprojektgebiet erstreckt sich entlang der Grenze Waldviertel/Mühlviertel von der Donau bis zur tschechischen Grenze – auf Mühlviertler Seite etwa 20 Kilometer, auf Waldviertler Seite bis zu 40 Kilometer parallel zur oö./nö. Grenze. Wissenschaftliche Erhebungen Wildökologie: Die Raumnutzung des Luchses im Untersuchungsgebiet wird durch direkte (z. B. Sichtbeobachtung) und indirekte (z. B. Risse) Beobachtungen sowie die Sammlung von Hinweisen Foto Dieter Hopf ie Aussetzung von einigen Exemplaren in Tschechien in den achtziger und neunziger Jahren unterstützte die Ausbreitung über die Grenze nach Österreich. Die Wiederkehr einer ehemals ausgerotteten Art in ihren ursprünglichen Lebensraum bleibt nicht ohne Auswirkungen. So zeigt sich im Fall des Luchses zum Beispiel, daß das Schalenwild sich erst wieder auf die Anwesenheit eines natürlichen Feindes einstellen muß. Dies führt anfangs (Zeitraum von ca. 2 Jahren) in den vom Luchs wiederbesiedelten Lebensräumen zu einem überdurchschnittlich großen Beuteerfolg der Katze. Diese Tatsache trifft bei manchen Jägern auf wenig Verständnis, andere wiederum begegnen dem Luchs mit Toleranz und sehen in ihm einen Teil unserer ursprünglichen heimischen Fauna. Aber auch unter Landwirten wird die Rückkehr des Luchses manchmal mit Skepsis verfolgt. Andererseits erhoffen sich Forstleute vom Luchs eine Minderung der Wildschäden. Welche Auswirkungen hat der Luchs aber tatsächlich auf seinen Lebensraum? Was ist Gerücht, was ist Faktum? Seit etwa 30 Jahren besiedelt der Luchs wieder seinen ursprünglichen Lebensraum in Österreich WEIDWERK 6/2001 anderer Beobachter dokumentiert. Zusätzlich dazu werden einige Luchse besendert und telemetriert. Die sehr exakten telemetrischen Daten sollen weiteren Aufschluß über die Lebensraumnutzung, die Lebensweise, das Beutespektrum und die Reviergrößen der Luchse im Untersuchungsgebiet geben. Jagd: Der Einfluß des Luchses auf die Hauptwildart der Region (Rehwild) wird untersucht. Dazu wird ein Vergleich der Jagdstatistik innerhalb und außerhalb des Luchslebensraumes durchgeführt. Auch die Fuchsstrecke wird dahingehend untersucht. Forstwirtschaft: Zur Untersuchung des Einflusses von Luchsen auf die Wildschadenssituation wird die Schadenssituation auf repräsentativen Kontrollflächen innerhalb und außerhalb des Luchslebensraumes verglichen. Landwirtschaft: Neben der Untersuchung der Risse von Weidetieren werden auch die Lage der Weiden sowie die Absicherung der Weidetiere durch unterschiedliche Zäunungen dokumentiert und untersucht. Ein effizientes Entschädigungssystem für Luchsschäden wird darauf basierend entwickelt werden. Erste Ergebnisse Raumnutzung: Luchse sind ganzjährig betrachtet vorwiegend in Waldgebieten anzutreffen, halten sich jedoch zeitweise auch auf offenen landwirtschaftlichen Flächen und in nächster Nähe von Siedlungen und Gebäuden auf. Vor allem bei hoher Schneelage nutzen sie gerne Forststraßen, Loipen sowie zugefrorene Teiche und Flußläufe. Konzentrationen von (Schalen-)Wild werden gezielt aufgesucht und auch Hochsitze erklettert. Luchse wurden sowohl in der Dämmerung und während der Nacht als auch tagsüber beobachtet. Die Lebensraumnutzung ist im Winter vor allem am Nahrungsangebot orientiert, in der Ranzzeit zusätzlich an den Aufenthaltsorten möglicher Partner, und verlagert sich in der Vegetationszeit zum Teil auch in den landwirtschaftlichen Raum. Beutespektrum: Es wurden vermehrt Rehwildrisse gefunden, aber auch Rotwild (vor allem Kälber) wird vereinzelt vom Luchs erbeutet. Neben Hase zählen WEIDWERK 6/2001 Foto Hans Kuczka THEMA Mit der Anwesenheit des Luchses im Revier ändert sich auch das Verhalten des Schalenwildes – die Äsungsflächen werden häufiger gewechselt, das Wild sichert in kürzeren Abständen und ist allgemein schwieriger zu bejagen auch Fuchs und Marder zum Beutespektrum des Luchses. Es gibt bisher aber keine Hinweise darauf, daß die Großkatze Fuchs und Marder als Nahrungsquelle nutzt. Als Nahrungsquelle genutzte Beute wird meist verblendet und wiederholt genutzt, Fuchs und Marder hingegen nicht. Die Beutetiere werden durch Kehl- oder Nackenbiß getötet. Beim Reh wird das Muskelfleisch im Bereich des Schlegels bevorzugt genutzt. Verhalten vom Luchs zum Menschen: Der Luchs zieht sich bei Konfrontation mit dem Menschen meist langsam und ruhig zurück, wird er aber überrascht, zeigt er Fluchtverhalten. Verhalten des Schalenwildes: Das Verhalten des Schalenwildes ändert sich mit der Anwesenheit des Luchses im Lebensraum. Wild-Konzentrationen werden gesprengt und die Äsungsflächen häufiger gewechselt. Das Wild sichert in kürzeren Abständen und ist allgemein schwieriger zu bejagen. Fütterungen bleiben für kurze Zeit unbesucht, nachdem ein Stück durch den Luchs erbeutet wurde. Das Schwarzwild verhält sich neutral gegenüber dem Luchs. Nahrungskonkurrenz: Das Schwarzwild zählt zu den Nahrungskonkurrenten des Luchses. Manchmal schon am gleichen Tag, meist aber erst nach 2 bis 3 Tagen wird vom Luchs gerissene Beute als Nahrungsressource genutzt. Auch Füchse, Krähen und Kolkraben wurden an Luchsrissen wiederholt beobachtet und gespürt. Lebensraumsituation Die lokal hohen Rehwilddichten bieten dem Luchs ein reiches Nahrungsangebot. Die Chancen für das Überleben des Luchs-Nachwuchses sind daher gut. Jungluchse müssen nach Auflösung der Familie das Revier der Mutter verlassen. Diese Zeit ist kritisch, da sich die Tiere auf der Suche nach einem eigenen Revier in unbekannte Gebiete vorwagen. Dabei müssen sie Artgenossen aus dem Weg gehen und laufen immer wieder Gefahr, auf der Straße überfahren zu werden. Hat der Luchs aber ein unbesetztes Revier gefunden, sind seine Überlebenschancen gut. Die Großkatze hat im Untersuchungsgebiet keine natürlichen Feinde, begrenzender Faktor für eine Luchspopulation ist 11 Foto Claude Morerod THEMA Öffentlichkeitsarbeit Die geschilderten Konfliktsituationen sind klare Hinweise auf Informationsdefizite unter den Betroffenen. Das Bestreben des Projektteams ist in Zukunft daher auch verstärkt auf sachliche Öffentlichkeitsarbeit ausgerichtet. Dabei soll keine Schönfärberei betrieben werden, sondern eine fundierte Sachinformation über die Auswirkungen des wiederkehrenden Luchses auf seinen wiederbesiedelten Lebensraum sowohl an den unmittelbar mit 12 dem Luchs befaßten Personenkreis als auch an die interessierte Öffentlichkeit weitergegeben werden. Für die Jägerschaft finden im Sommer gemeinsame Treffen zum Informationsaustausch statt, die genauen Termine werden demnächst im WEIDWERK bekanntgegeben. Zukunft für den Luchs? Der Lebensraum im Projektgebiet ist auch heute für den Luchs sehr gut geeignet. Vielleicht kann künftig das Wissen darüber, wie Schäden vermieden oder zumindest entschädigt werden können, aber auch über mögliche, noch eingehend zu untersuchende jagdliche oder forstliche Vorteile im Luchsgebiet (Reduktion des Fuchsbesatzes, günstigere Verbißverteilung und Wildschadensreduktion im Wald) dazu beitragen, daß der Luchs in der Grenzregion des Wald- und Mühlviertels sowie Südböhmens wieder dauerhaft Fuß fassen kann. Lebensweise: Territoriale Katze, die keine gleichgeschlechtlichen Artgenossen im Revier duldet und Nahrungskonkurrenten (Fuchs, Marder) tötet. Wechseltreuer Birschjäger, dessen Jagderfolg von der Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit der Beutetiere abhängt. Foto Heinz Lehmann Obwohl der Luchs nach OÖ und NÖ Jagdgesetz als ganzjährig geschont gilt, kam es im Herbst des letzten Jahres zum illegalen Abschuß eines Jungluchses bei einer Treibjagd im Mühlviertel. Auf weitere illegale Abschüsse im Wald- und Mühlviertel sowie in Südböhmen gibt es konkrete Hinweise. Weiters wurde ein Jungluchs überfahren und ein geschwächter Jungluchs, der sich in einer Kastenfalle in Hofnähe gefangen hatte, erschlagen. Lebensraum: Bevorzugt in deckungsreichen Lebensräumen (im Winter v. a. Wäldern, in der Vegetationsperiode auch landwirtschaftlicher Raum) mit ausreichendem Nahrungsangebot. Nahrung: v. a. Rehwild, vereinzelt aber auch Rotwild und kleinere Säuger. Beute für Nahrungszwecke wird verblendet, der Luchs kehrt meist wiederholt zur Beute zurück. Fortpflanzung & Jungenaufzucht: Paarungszeit (Ranzzeit) im Februar/März 1–4 Junge werden nach 10 Wochen Tragzeit (Mai/Juni) zur Welt gebracht Foto Manfred Rogl Konfliktsituationen Kennzeichen: Kopf-Rumpf-Länge 80–105 cm Schulterhöhe 55–70 cm Gewicht: 17–20 kg Luchsin, 17–25 kg Kuder Trittsiegel ca. 7 cm Schrittlänge 80–120 cm Beschreibung: Hochbeinige Katze mit individuell variabel geflecktem Fell mit rotbräunlicher (Sommer) bis graubräunlicher (Winter) Färbung. Charakteristisch sind der ca. 20 cm kurze Stummelschwanz mit schwarzer Spitze und die ca. 4 cm langen Ohrbüschel (Pinsel). Das runde Gesicht ist durch einen ausgeprägten Backenbart gekennzeichnet. Der Luchs in Österreich hat keine natürlichen Feinde, der begrenzende Faktor seiner Population ist das Angebot an freien Territorien daher das Angebot an freien Territorien. Wie aber läßt sich dann der in den letzten zwei Jahren deutlich spürbare Rückgang von Luchsbeobachtungen und -hinweisen erklären? STECKBRIEF Dipl.-Ing. Martin Forstner – WWN Wildökologische, waldwirtschaftliche, naturräumliche Planung und Beratung – A 3925 Arbesbach, Neustiftstraße 62, Tel. 0 28 13/72 09 – 0 664/382 04 00, E-mail: [email protected] http://www.wwn-forstner.at Junge werden 4–5 Monate gesäugt und folgen der Mutter zum Riß Trennung vom Muttertier erfolgt nach ca. 10 Monaten WEIDWERK 6/2001
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