Vorsicht, Treibjagd

WEIDMANN
JAGDPRAXIS
Vorsicht, Treibjagd!
In den nächsten Wochen werden in vielen Revieren wieder Jagden auf das Niederwild
abgehalten. Genauso wie bei Riegeljagden auf Schalenwild muss auch hier im Vorfeld
penibel geplant werden, um einen möglichst reibungslosen und vor allem unfallfreien
Jagdtag gewährleisten zu können. – Praxisbeispiele & „erzieherische“ Maßnahmen.
Fritz Wolf
Fotos Fritz Wolf
Jagdgehilfen und Grund­
eigen­
tümer einer fortschrittlichen Ge­
nossenschaftsjagd haben für den
Jagdtag drei verschiedenfärbige,
folierte Karten vorbereitet – blau,
gelb und rot – in Anlehnung an
die Karten des Schiedsrichters
beim Fußball. Blau bedeutet ein
kleines Regelvergehen (zum Bei­
spiel, wenn die Patronenhülsen
nach dem Abfeuern aus der Flinte
fliegen und vom Schützen liegen
gelassen werden . . .). Bei Gelb
handelt es sich zumeist um eine
Verwarnung, den Bereich Sicher­
heit betreffend. Rot bedeutet den
sofortigen Ausschluss von der
Jagd bei „Wiederholungs­tätern“.
Zumeist ist hier ein grob fahr­
lässiger Umgang mit dem Jagd­
gewehr zu beobachten, wieder­
holt gieriges Schussverhalten ge­
Eine „erziehe­
rische“ Maß­
nahme kann mit
der Blauen, der
Gelben und der
Roten Karte
gesetzt werden
42
genüber einem Nachbarschützen
oder ein grob unweidmännisches
Fehlverhalten gegenüber dem
Jagd­
hund. Dabei schützt auch
Titel, Alter oder Ansehen in der
Bevölkerung nicht vor der Roten
Karte.
Eine Verwarnung oder ein sofor­
tiger Ausschluss von der Jagd
wird selbstverständlich vom Jagd­
leiter ausgesprochen. Die gleich­
gesinnten Beobachtungen der
Jagdgehilfen bzw. des „Obertrei­
bers“ unterstützen den Jagdleiter
jedoch in seiner Entscheidung.
Da der Jagdleiter oder das Jagd­
schutzorgan des jeweiligen Re­
viers naturgemäß selten einen
genauen Gesamtüberblick über
den Jagdverlauf haben kann, stellen
in diesem Fall die Beobachtungen
der an einem weid­gerechten und
vor allem sicheren Jagdablauf
interessierten Jagdgehilfen eine
wünschenswerte Unterstützung
der Jagdleitung dar.
Diese durchaus „erzieherische“
Zusatzmaßnahme hat sich in dem
Revier bestens bewährt, und von
den bunten Karten muss nicht
bis sehr selten Gebrauch gemacht
werden. Niemand der anwesen­
den Jäger möchte beim Schüssel­
trieb als „Negativbeispiel“ er­
wähnt werden, und so kann man
eine höchst aufmerksame und
sicherheitsorientierte Gruppe von
Jagdteilnehmern beobachten. Zu­
sätzlich hat sich dieser „Brauch
der Jagdgehilfen“ schnell herum­
gesprochen und somit bei den
geladenen Gästen auch schnell die
Spreu vom Weizen getrennt.
Gelbe Karte!
Alle beobachteten „Missgeschi­
cke“ der geladenen Jäger und
Hundeführer werden von der
Treiberschar genau verfolgt und
dokumentiert. Am Abend beim
Schüsseltrieb werden die Beob­
achtungen mit der Blauen und
Gelben Karte sowie dem Namen
des betreffenden Jägers vorgetra­
gen; mit einer „Geldspende“ an
die Jagdgehilfen wird der Erhalt
einer Karte vom betreffenden
Jäger quittiert. Mit diesem Geld
können die anwesenden Treiber
mit ihren Frauen im Jagdlokal in
der „jagdruhigen Zeit“ essen
gehen. Diese Maßnahme fördert
WEIDWERK 10/2014
WEIDMANN
wiederum eine erhöhte Bereit­
schaft, den Ehepartner für einige
Einsätze im Herbst als Jagdge­
hilfe ziehen zu lassen.
In manchen Revieren kontrolliert
die Polizei die Jagdkarten und
will den eingezahlten Beleg für
das geltende Jagdjahr sehen. Da­
mit wird auch der Nachweis
erbracht, dass eine Versicherung
des Jagdteilnehmers vorliegt. Zu­
meist werden die Jagddokumente
vom Jagdleiter selbst oder einer
von ihm bestimmten Person,
eventuell vom Jagdschutzorgan,
geprüft. Zusätzlich kann in
Niederösterreich damit auch Ein­
blick auf die eingetragene Bereit­
schaft, seine Schießfertigkeit auf
hohem Niveau zu halten, Ein­
blick genommen werden (Frei­
williges Übungsschießen in den
Kategorien Flinte und Büchse).
Manche Jagdleiter kontrollieren
stichprobenartig auch die ver­
wendeten Schrotgrößen der gela­
denen Schützen. Versehentlich
kann es vorkommen, dass sich im
Patronengurt auch Wurfschei­
benmunition des letzten Übungs­
schießens auf dem Schießstand
befindet. Der unkontrollierte
Griff in die Patronenlade und der
damit einhergehende Schuss dür­
fen keinesfalls zum Auslöser von
Tierleid werden!
Bereits beim Ausgehen darf Wild
erlegt werden – so sehen es zu­
mindest die meisten Jagdleiter in
Niederösterreich. Da jedoch in
den Jungjägerkursen der Inhalt
des Jagdprüfungsbehelfs gelehrt
wird und dort steht, dass erst
nach dem Anblasen geladen wer­
den und Wild erlegt werden darf,
sollte das durch den Jagdleiter
bei der Begrüßung entsprechend
erwähnt werden – vor allem der
anwesenden Jungjäger wegen!
lBereitschaft, im dichtesten
Linie halten und
eine sichere
Waffenführung
gehören zu den
wichtigsten
Sicherheits­
regeln einer
Niederwildjagd
auf Feldern
Unterwuchs zu treiben, sollte
vorhanden sein;
lMelden und Schreien bei An­
sichtigwerden des Wildes mit
Richtungsangabe („Hase nach
vor!“);
lden Anweisungen des Ober­
treibers – mitgehenden Jägers –
muss Folge geleistet werden;
lAufnehmen und Erstversorgen
des erlegten Wildes;
lAbnahme des Wildes von den
Schützen;
lAufhängen am Wildwagen
nach Wildart verschieden –
Schnüre mitnehmen;
lferme und bringtreue Jagd­
hunde verwenden.
Möglicher Ablauf
lBegrüßung durch die Jagd­
hornbläser;
lAnsprache des Jagd­leiters:
– Bekanntgabe der Anzahl der
Triebe;
– eindeutige und klare Freigabe
der Wildarten – auch nach
Geschlecht – Hahn/Henne;
– Sicherheitshinweise – Linieren
– Kugelfang – Signal-Hutbän­
der – Signaljacken – Hunde­
halsung usw.; der Jagdveran­
stalter hat für die Verfügbar­
keit von Signalbekleidung für
die Jagdgehilfen zu sorgen;
– die drei Signale: 1. Signal =
angeblasen, 2. Signal = nicht
mehr in den Trieb schießen,
3. Signal = abgeblasen;
– der Jagdleiter erteilt einem
der Hundeführer das Wort –
Sicherheit der Jagdhunde;
– der Jagdleiter erteilt dem
„Obertreiber“ das Wort –
Blaue, Gelbe und Rote Karte
werden besprochen;
– Bekanntgabe, wo der Schüs­
seltrieb stattfindet;
les dürfen keine Jagdgehilfen
unter 14 Jahren an der Jagd
teilnehmen;
les dürfen keine Kinder mit auf
den Stand genommen werden;
les wird auf die Verwendung
weidgerechter Schrotgrößen
Wie soll
getrieben werden?
lEher lauter und lärmend (Stock
– Klappe);
lin einer Linie – auf gleicher
Höhe – keine Sackbildung;
WEIDWERK 10/2014
Wichtig
ist auch,
seinen Hund
fest im Griff
zu haben . . .
43
WEIDMANN
Achtung! Beim
Ausgeben des
Wildes aus dem
Hundefang wird
oft im Eifer des
Gefechts auf die
Waffenführung
vergessen.
Die zumeist
geladene Flinte
zielt dann je
nach Situation
auf Mensch und
Tier . . .
und Schussdistanzen hinge­
wiesen – eventuell Kontrolle
der Schrotgrößen bei einigen
Jägern (Stichproben);
ldie Flinte wird zwischen den
Trieben im gut sichtbar ent­
ladenen und gebrochenen
Zustand getragen;
lvor und während der Jagd gilt
absolutes Alkoholverbot;
lder Stand darf nicht verlassen
werden (Wald-/Standtreiben);
lweidgerechte Schussdistanzen
einhalten (auf Feder- und
Haarwild);
ldie Signale (angeblasen und
abgeblasen) verlässlich weiter­
sagen – vor allem dort, wo die
Schützen es nicht hören könn­
ten, zum Beispiel in der Nähe
einer Autobahn;
ldie Schützen sollen fremden
Hunden kein Wild abnehmen;
labgefeuerte Schrotpatronen
werden selbstverständlich ein­
gesammelt und mitgenommen;
ldas erlegte Wild muss aufge­
nommen werden – kein Aus­
drücken der Hasen;
lHunde sollen nur krank ge­
schossenes, nicht aber sauber
erlegtes Wild apportieren
(Wildbret-Hygiene);
lWild, das in näherer Umge­
bung verendet liegt, wird vom
Jagdgehilfen oder vom Schüt­
zen aufgenommen;
lnach jedem Trieb wird Strecke
gelegt, das Wild ausgeweidet
und mit Trinkwasser gereinigt;
lgrobes Fehlverhalten wird mit
dem Ausschluss von der Jagd
geahndet – ohne Rücksicht auf
Name und Titel;
ljeder ist für seinen Schuss
selbst verantwortlich;
lVerwendung von bleifreier
Munition bei der Jagd auf
Wasserwild im Uferbereich;
lJagdpapiere sind kontrolliert –
Jäger ohne gültige Jagdpapiere
dürfen als Jagdgehilfen ohne
Gewehr an der Jagd teilnehmen;
lvergessene Jagdkarte von zu
Hause holen ist möglich – es
wird klarerweise nicht auf
den Jäger gewartet;
lDurchsage der Ansteller bei
Waldjagden und eventuell
Zuteilung der Schützen nach
Namen;
les darf bereits beim Ausgehen
Wild erlegt werden – wichtig
für Jungjäger;
lbei Wald-/Standtreiben – so­
bald man angestellt wird, darf
geschossen werden;
lHinweis auf das sichere Ver­
wahren des Gewehres im Auto:
bis zu 6 Stunden bei Tageslicht
und bis zu 3 Stunden bei
Dunkelheit unter Verwendung
eines Abzugsschlosses.
Häufige Gründe für Miss­
erfolge oder Unfälle
lUngünstige Wahl des Standes
(Kugelfang);
Foto Fritz Wolf
lfalscher Zeitpunkt;
lungeübte Schützen;
lFehler beim Anstellen (Wind,
44
Harsch, laute Konversation,
Autotüren, Hundegebell usw.);
lunpassionierte Jagdgehilfen;
lzu wenig Hunde oder nicht
ferme Hunde;
lnicht durchsetzungskräftiger,
„schwacher“ Jagdleiter;
lfahrlässige Sicherheit (Linieren,
Kugelfang usw.);
lNichtbeachten der Jagdhorn­
signale;
lgeladene Flinten zwischen den
Trieben;
lAlkohol vor und während der
Jagd;
lGeller bei gefrorenem Boden
oder Schüssen ins Wasser;
lNichteinhaltung der Anwei­
sungen des Jagdleiters;
lfalsche Schrotgrößen;
lSchnee, Wassertropfen oder
Erde im Lauf;
llautes Laden am Stand – Fuchs;
lunnötiges Telefonieren wäh­
rend des Triebes.
Vorgangsweise
bei Jagdunfällen
lJagd sofort abbrechen – Erste
Hilfe leisten, bis ärztliche Ver­
sorgung gewährleistet ist;
lsofortige Maßnahmen durch
den Jagdleiter:
– Kennzeichnung der Stand­
orte der betroffenen Perso­
nen/Zeugeneinvernahme;
– Sicherstellung abgefeuerter
Patronenhülsen;
– Einholen der technischen
Daten (Marke, Type, Schrot­
durchmesser);
– Feststellung der Schussrich­
tung aller zum fraglichen
Zeitpunkt abgegebener
Schüsse;
– Sicherung von Schuss-Spuren
(Bäume, Äste usw.);
– Überprüfung, ob Anweisun­
gen des Jagdleiters missachtet
wurden (Stand, Beachtung
der Jagdsignale usw.);
– Anfertigung einer Lageskizze;
– Ermittlungen in Richtung
Alkoholisierung;
– Festhalten von Unfall-Zeit­
punkt und Wettersituation;
– Aufnahme der Personalien und
Merkmale der Jagddokumente
aller beteiligten Schützen;
– rasche Erstattung einer
Anzeige bei der zuständigen
Polizeidienststelle.
WEIDWERK 10/2014