Bericht aus der Weltwoche vom 25.08.2016 (83,3 KiB)

Zehn Millionen für Roma
Die Berner Gemeinde Meinisberg wehrt sich gegen einen Standplatz für Fahrende auf ihrem
Territorium. Dass die Bevölkerung schlecht auf herumziehende Ausländer zu sprechen ist, erstaunt
nicht: Diese geniessen Sonderrechte und halten sich kaum je an Abmachungen. Von Alex Reichmuth
und Schmutz, dazu Angst um die eigene Sicherheit.» Die Befürchtungen sind nicht aus der
Luft gegriffen. Ein Teil der ausländischen Fahrenden, insbesondere Roma-Clans, sorgt, wo
immer er sich niederlässt, regelmässig für Ärger
bei der ansässigen Bevölkerung. Die ausländischen Fahrenden benutzen keine Toiletten und
hinterlassen überall Fäkalien. Viele von ihnen
respektieren keine Abmachungen und fallen
durch Lärm auf, auch mitten in der Nacht. Zudem sind sie für ihr mitunter bedrohliches Auftreten berüchtigt. Auch von Diebstählen ist immer wieder die Rede. «Wir kennen diese Leute»,
sagt Boulhaut. «Sie kommen schon heute regelmässig bei uns vorbei, um zu hausieren. Sie sind
aufdringlich und aggressiv.»
Weder Gewerbepolizei noch Suva
«Wir kennen diese Leute».
Die Organisatoren des «Wehrt-euch!»-Festes
in Meinisberg im Berner Seeland vom letzten
Sonntag setzten auf Symbolik. Sie stellten
einen überdimensionalen Hut auf. «Wir Seeländer grüssen den Gesslerhut nicht», verkündeten Referenten dann vor mehreren hundert
Teilnehmern, die sich zur Kundgebung gegen
den geplanten Standplatz für ausländische
Fahrende eingefunden hatten. So wie einst
Wilhelm Tell gegen den herrischen Vogt Gessler sollten sich die Bewohner gegen das Diktat
aus Bern wehren. So viel Militanz ist ungewöhnlich im sonst friedlichen Berner Seeland.
Doch auch der Gemeinderat von Meinisberg
kämpft gegen einen Standplatz, seit der Kanton entsprechende Pläne präsentiert hat. Und
Behördenvertreter umliegender Gemeinden
haben an der Protestveranstaltung ihre Solidarität mit dem 1300-Seelen-Dorf bekundet.
Angst um die Sicherheit
Für die Demonstranten gibt es kaum einen Ort,
der ungeeigneter ist für einen Standplatz als die
Wiese bei der Autobahn A5. Der Platz, der für
bis zu 200 Fahrende vorgesehen ist, würde in
einer archäologischen Schutzzone gebaut. Vor
der Inbetriebnahme wären darum umfangreiche Sicherungsgrabungen nötig. Auch läge
der Platz hinter dem Kugelfang einer Schiessanlage. Vom Bau einer vierzig Meter langen
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Mauer ist die Rede, um die entsprechenden
Gefahren zu begrenzen. Auch ist der vorgesehene Ort heute bestes Landwirtschaftsland und
grenzt an eine Natur- und Gewässerschutzzone.
Als «klar rechtswidrig» bezeichnet der parteilose Christian Sahli, Vize-Gemeindepräsident
von Meinisberg, die Baupläne des Kantons.
Die Opposition gegen den Standplatz fiele
wohl verhaltener aus, wenn dieser nicht explizit für ausländische Fahrende vorgesehen
wäre. Im Gegensatz dazu stehen fast alle anderen Plätze inländischen Jenischen offen, oft sogar ausschliesslich. Diese haben einen roten
Pass, sind als ethnische Minderheit anerkannt
und verfassungsmässig vor Diskriminierung
geschützt. Die Schweiz hat sich aber im Rahmen eines europäischen Abkommens verpflichtet, auch für durchreisende Fahrende aus
dem Ausland Standplätze bereitzustellen. Der
Platz in Meinisberg wäre schweizweit erst der
dritte, der für Ausländer vorgesehen ist.
«Wenn der Platz kommt, verkaufen wir unser Haus und ziehen weg», sagt Daniel Boulhaut. Er ist einer der beiden direkten Anwohner
des Terrains. Boulhaut droht, den Kanton haftbar zu machen, sollte er mit Verlust verkaufen
müssen. Er und seine Familie fürchten, dass
sich ihre Lebensqualität mit den neuen Nachbarn drastisch verschlechtern würde: «Lärm zu
allen Tages- und Nachtzeiten, überall Dreck
Erfahrungen, die die Einwohner mehrerer
Seeländer Gemeinden in diesem Sommer
gemacht haben, scheinen Boulhaut recht zu
geben. Eine Gruppe von Roma aus Frankreich
liess sich hintereinander an mehreren Orten
nieder. Fast überall führten ihr Auftreten und
ihre Hinterlassenschaft zu Wut bei den Anwohnern. Aus Sicht des zuständigen Regierungsrats Christoph Neuhaus (SVP) sind aber
gerade solche Vorkommnisse ein Argument
für den Bau des Standplatzes in Meinisberg.
Denn nur mit einem offiziellen Angebot
liessen sich wilde Camps verhindern. Die Berner Regierung will darum tief in die ziemlich
leeren Kassen des Kantons greifen: Fast zehn
Millionen Franken soll der neue Platz kosten.
Ein offizieller Standplatz könnte aber auch zu
einem Magneten werden und noch mehr ausländische Fahrende ins Seeland locken. Der
Platz wäre dann schnell besetzt, was möglicherweise zu noch mehr wilden Camps in der Umgebung führte.
Die sesshafte Bevölkerung stört sich aber
nicht nur an Belästigungen, sondern an faktischen Sonderrechten, die ausländische Fahrende besitzen. Diese verdienen sich ihren
Lebensunterhalt meist mit kleingewerblichen
Tätigkeiten wie Fassadenreinigung, Ablaugearbeiten oder Altmetallhandel und konkurrenzieren dabei nicht selten lokale Anbieter.
Im Gegensatz zu diesen übertreten durchreisende Fahrende aber folgenlos Gewässerschutzbestimmungen und Naturschutzgesetze. Sie können Sicherheitsbestimmungen
missachten und sich Mehrwertsteuerzahlungen sparen. Denn bei ihnen schaut kaum je die
g
Gewerbepolizei oder die Suva vorbei.
Weltwoche Nr. 34.16
Bild: Anne-Camille Vaucher