REDE von Susanne Schaper - Fraktion DIE LINKE im Sächsischen

040. Sitzung des 6. Sächsischen Landtages, 1.09.2016
Rede von MdL Susanne Schaper zum Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drs 6/6123
„Wohnortnahe Haus- und Facharztversorgung sowie ambulante Heil- und Gesundheitsversorgung als Teil der sozialen Daseinsvorsorge sichern!“
Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede,
zuerst einmal großes Dankeschön an das Sozialministerium. So viel Transparenz hätten
wir wahrlich nicht erwartet.
Wenn man aus dem Radio von den Ergebnissen des „Gutachtens zur Weiterentwicklung
des Versorgungs- und Ärztebedarfs im Freistaat Sachsen 2030“ erfährt, wird einem der
Stellenwert der parlamentarischen Opposition in diesem hohen Hause erst so richtig bewusst.
Wir stellen fest, dass das Gutachten schlecht lesbar und vollumfänglich wohl nur für den
Ersteller nachvollziehbar ist. Zwar wird auf Seite 21 als weiteres Vorgehen die „Zusammenführung mit den Ergebnissen des in der Erstellung befindlichen Gutachtens zum stationären Sektor“ vorgeschlagen. Doch ich bezweifle, dass das einfach so gehen wird, da
das Vorgehen der KPMG bei der Planung ein ganz anderes ist. Von Anfang an hätte ein
Gutachten, das sich mit der Entwicklung des Versorgungs- und Ärztebedarfs befasst, die
Krankenhausplanung berücksichtigen müssen. Stattdessen wurden zwei voneinander unabhängige Gutachten in Auftrag zu geben.
Auch aus diesem Grund behandeln wir heute unseren Antrag, der Sie dazu auffordert, die
Gutachten zu verzahnen.
Schon jetzt ist die wohnortnahe und qualitativ hochwertige gesundheitliche Versorgung für
alle Bevölkerungsgruppen, die Sie ja laut Koalitionsvertrag sicherstellen wollen, gerade im
ländlichen Raum akut gefährdet.
So gibt es ländliche Regionen, in denen auf einen Hausarzt über 2.000 Einwohner kommen. Selbst in den Großstädten nehmen einige Hausärzte keine neuen Patienten mehr
an.
Das liegt aber nicht an der Fallzahlbudgetierung wie bei Fachärzten, sondern daran, dass
sie wirklich voll ausgelastet sind und nicht wissen, wie sie es bewältigen sollen. Das ist
Ergebnis Ihres Versagens. Erlauben Sie mir an dieser Stelle ein Zitat:
„Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Die Gesunden bedürfen nicht eines Arztes,
sondern die Kranken“
So steht es in der Bibel, Neues Testament, Buch Lukas, Kapitel 5, Vers 31. Und genau
daran sollte sich ihr Handeln ausrichten, wenn Sie, werte Staatsregierung, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele ernst nehmen. Denn für den Gesunden spielt es wahrscheinlich wirklich keine Rolle, ob er den Arzt in einer halben Stunde oder in 10 Minuten
erreichen kann. Für den Notfallpatienten hingegen ist jede Minute entscheidend. Und hier
liegt auch das eigentliche Problem. Sie betrachten die medizinische Versorgung aus einer
rein betriebswirtschaftlichen Perspektive und vernachlässigen den demografischen Wandel, der gerade den ländlichen Raum noch stärker trifft. Sie glauben, dass die Marktgesetze, die beispielsweise für Discounter gelten, eins zu eins auf den medizinischen Bereich
übertragen werden können.
Ähnlich sieht es auch die Sächsische Landesärztekammer, was sie in einer Stellungnahme zu unserem Antrag, für die wir uns sehr bedanken, zum Ausdruck gebracht hat. Zitat:
„Dem Antragsbegehren der Fraktion Die Linke ist grundsätzlich zuzustimmen, wenn es um
die Sicherung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung geht.“
Zwar kommt die Landesärztekammer zu dem Schluss, dass wir die „abnehmende Bevölkerungsdichte in den ländlichen Regionen außer Betracht“ lassen. Das ist aber nicht der
Fall.
Ja, wir nehmen nicht nur die rein ökonomische Perspektive ein. Und ja, wir müssen zur
Kenntnis nehmen, dass im ländlichen Raum ein Bevölkerungsrückgang zu erwarten ist.
Aber: Durch den demografischen Wandel bleibt die Zahl an älteren Menschen dennoch in
etwa die gleiche.
Das wiederum heißt, dass insbesondere eine immobilere und vom Gesundheitszustand
daher multimorbidere Bevölkerung übrigbleibt. Diese hat offensichtlich einen höheren Bedarf an medizinischer Versorgung als die jüngeren Bevölkerungsschichten. Dem Staat
obliegt die Aufgabe zur medizinischen Daseinsvorsorge für alle Bevölkerungsgruppen.
Diese delegiert er zwar auf die Ärzteschaft. Das erlaubt es ihm aber nicht, seine Pflicht zu
vernachlässigen. Er muss helfen, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.
Zwar merkt die Landesärztekammer an, dass die Ärzteschaft in Sachsen die zweitjüngste
in ganz Deutschland ist. Doch laut Gutachten sind durchschnittlich 50 % der praktizierenden Hausärzte bereits 59 Jahre oder älter. Sie werden im Jahr 2030 das Renteneintrittsalter erreichen. Oder, wenn es nach Schäuble geht, wird es erst gegen 2040 so weit sein.
Schon heute schließen Praxen, ohne dass ein Nachfolger gefunden werden kann. Dabei
stellte der Erlös aus dem Verkauf derselben nicht selten früher einen Teil der Altersvorsorge für die Ärzte dar.
Die Sächsische Landesärztekammer schließt mit den Worten: „Wenn der Landtag, auch
im Haushalt, den durch das SMS eingebrachten Maßnahmenkatalog unterstützt, kann eine Entspannung erreicht werden.“
Und genau hier setzt unser Antrag an. Wir fordern, dass:
1. Sie ausgehend vom vorgelegten Gutachten eine Verzahnung mit der Krankenhausplanung vornehmen um eine qualitativ hochwertige gesundheitliche Versorgung für alle
Bevölkerungsgruppen zu sichern. Eine Forderung, die im Übrigen auch von der Sächsischen Landesärztekammer in der Stellungnahme unterstützt wird.
2. Sie umgehend, also ab sofort, mit der weiteren Öffnung für Krankenhäuser im ländlichen Bereich beginnen, um die Angliederung von Medizinischen Versorgungszentren
zu ermöglichen und zu erleichtern, nicht zuletzt um der bereits heute bestehenden Unterversorgung zu begegnen.
3. Sie endlich die Aufgaben umsetzen, die sie sich selbst zum Beispiel im sog. „Maßnahmenkatalog für eine bedarfsgerechte hausärztliche Versorgung in ländlichen Gebieten
im Freistaat Sachsen“ geschrieben haben.
4. Sollte sich all dies adäquat im Haushalt wiederspiegeln.
Handeln statt Reden ist jetzt angesagt!
Beantworten Sie sich dafür einfach folgende Fragen:
 Wo und wann erfolgte eine Erhöhung der Studienplätze für Medizin an den sächsischen Hochschulen?
 Wo gibt es mobile Arztpraxen in den ländlichen Gebieten?
 Wo werden flächendeckend nichtärztliche Praxisassistenten als moderne Gemeindeschwestern eingesetzt?
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Welche Maßnahmen haben ganz konkret zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und
Familie für Ärztinnen geführt?
Welche Zu- und Rückläufe gibt es mit den Kommunen und KV, um sie dabei zu unterstützen, Ärzte anzuziehen?
Wie oft ist ambulant vor stationär nur eine Phrase?
Im Sozialministerium laufen die Fäden zusammen. Es ist nicht weitsichtig, wenn in Ihrem
Haus ein Personalabbau stattfindet. Wir brauchen auch im Ministerium einen Personalaufbau. Sorgen Sie für das notwendige Personal, das sich auch mit diesen Themen auseinandersetzt und gegensteuernde Strategien entwickelt. So können Informationen besser
eingeholt und ausgegeben werden.
Ziehen Sie bitte die richtigen Schlüsse aus dem von Ihnen in Auftrag gegebenen Gutachten! Nehmen Sie bitte die sich selbst gestellten Aufgaben ernst und stimmen Sie letztendlich unserem Antrag zu!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!