«Grüne Wirtschaft» gegen «grünen Zwang»

Datum: 27.08.2016
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«Grüne Wirtschaft» gegen «grünen Zwang»
Die Massnahmen, mit denen die Ziele der Initiative konkret erreicht werden müssten, würden nach einer Annahme vom Parlament ausgerarbeitet.
Bild Key
VON ALEXA SCHERRER
Das Stimmvolk entscheidet
am 25. September über die
«Grüne Wirtschaft»-Initiative. Dass Ressourcen geschont
werden sollen, ist unbestritten - über das Wie herrscht
allerdings Uneinigkeit.
Würde die ganze
Menschheit so leben wie die Einwohner der Schweiz, hätten ihren Lebensstil und würden gleich viel Abfall produzieren wie sie, wären dazu dreimal
so viele Ressourcen nötig, wie die Erde
zur Verfügung stellt. Zeit, daran etwas
SCHAFFHAUSEN
Wirtschaft (Grüne Wirtschaft)», die am gefährden. Dafür müsste der Bund
25. September zur Abstimmung ge- mittel- und langfristige Ziele festlegen.
langt. Schliesslich gibt es nur eine Werden diese nicht erreicht, kann er
Erde. Die Initiative fordert deshalb, gemäss Initiativtext Kantone und Gedass die Schweiz bis ins Jahr 2050 so meinden dazu verpflichten, zusätzliche
nachhaltig wirtschaftet, dass der hie- Massnahmen zu ergreifen. Zudem
sige «ökologische Fussabdruck» (siehe könnte er Vorschriften erlassen, etwa
Kasten) auf die Weltbevölkerung hoch- für Produktionsprozesse. Nicht zuletzt
gerechnet diese eine Erde nicht über- könnte der Bund Steueranreize schafschreitet. «Die Übernutzung von natür- fen - oder im Gegenzug Lenkungslichen Ressourcen - zum Beispiel Wald, steuern auf den Verbrauch natürlicher
Ackerland oder Ozeane - zerstört die Ressourcen erheben.
Lebensgrundlagen unserer Kinder und
Grosskinder», heisst es vonseiten der Gegner pochen auf Föderalismus
Initianten.
Die Gegner laufen Sturm gegen die
Um dem entgegenzuwirken, sollen Initiative. Sie sprechen von einem «radie Prinzipien der Kreislaufwirtschaft dikalen Ziel», das wiederum einen «raund der nachhaltigen Ressourcennut- dikalen Strukturwandel» erzwinge. Die
zung in der Verfassung verankert wer- Bürger seien genötigt, ihren gewohnden. Bund, Kantone und Gemeinden ten Lebensstil anzupassen. «Jeder
zu ändern, sagen sich die Initianten
hinter der Volksinitaitve «Für eine sollen sich dafür einsetzen, die Umwelt
nachhaltige und ressourceneffiziente möglichst wenig zu belasten und zu Schweizer muss sein Essverhalten ändern, seine eigene Mobilität einschrän-
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ken und mit weniger Komfort wohnen», aus. Erfahrungsgemäss wird dieser Jaheisst es auf der Website des Gegenko- Anteil in den kommenden Wochen aber
mitees. Es geht ihnen aber nicht nur noch sinken Während die «Grüne Wirtum die Einschränkungen der Bürger, schaft» bei der Bevölkerung offensichtsondern auch um die Beschneidung lich auf eine gewisse Sympathie stösst,
der kantonalen Kompetenzen. Diese wird die Initiative sowohl vom Bundeswürden auf Bundesebene verschoben - rat als auch vom Parlament abgelehnt -
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Konsumentenschutz, der Wirtschaftsverband Swisscleantech sowie Firmen
wie Ikea stehen hinter dem Anliegen.
Die meisten bürgerlichen Parteien wie
SVP, FDP, CVP oder BDP finden sich
im Nein-Lager. Sie kämpfen zusammen
mit verschiedenen Wirtschaftsverbän-
und der Föderalismus so geschwächt.
Gleiches gelte für den Werkplatz
Schweiz. Neue Vorschriften und Verbote behinderten sowohl Wettbewerb
als auch Innovation. Lenkungsorien-
und zwar eindeutig. Der Nationalrat den wie Economiesuisse oder dem
sprach sich bei lediglich zwei Enthal- Arbeitgeber- und dem Gewerbever-
tierte Umweltabgaben würden zu-
Aus Sicht des Bundesrats will die
Initiative zu viel in zu kurzer Zeit. Das
sagte Umweltministerin Doris Leuthard vergangene Woche vor den Medien. Sie warnte vor Schaden für die
Wirtschaft. Das Anliegen der Initiative
dem Reisen, Nahrungsmittel und Mie-
ten verteuern - die «Hochpreisinsel
tungen mit 128 zu 62 Stimmen dagegen band gegen den «grünen Zwang».
aus, im Ständerat waren 31 gegen die Messverfahren Drei Erden
Annahme der Initiative, 13 dafür.
Schweiz» werde zementiert, die Kaufkraft sinke, und importierte Waren wie
Kaffee oder Zitrusfrüchte würden für
den Mittelstand unerschwinglich. «Die liegt ihr aber am Herzen: Leuthard
Initiative führt zu einer Zweiklassen- wollte es aufgreifen und im Umweltgesellschaft», so das Fazit der Gegner.
schutzgesetz Regeln für mehr Ressour-
Dem halten die Initianten ent- ceneffizienz verankern. Allerdings
gegen, dass es weder um Verzicht noch scheiterte sie im Parlament - die Wirt-
um Massnahmen bei den Konsumenten gehe. Es gebe bereits heute die nötigen technischen Lösungen für nachhaltiges Wirtschaften. Genau diese umweltfreundlichen Technologien
würde die Initiative fördern. Das Argument der Gegner, kein anderes Land
würde einen derart extremen Ansatz
kennen, parieren die Initianten damit,
dass die Zielsetzung im Einklang mit
dem Pariser Klimaabkommen stehe.
schaft hatte sich dagegen gestellt.
«Weiter wie bisher ist keine Option»,
sagt Leuthard. Die Belastungsgrenzen
der Erde würden überschritten, das
zeige sich zum Beispiel am Klimawandel. Auf lange Sicht führe kein Weg daran vorbei, die Ressourceneffizienz zu
verbessern. Der Bundesrat wolle das
Ziel jedoch schrittweise und auf freiwilliger Basis erreichen.
Umweltverbände gegen Bürgerliche
Unterstützt wird die Initiative von
Eine erste SRG-Trendumfrage zeig- den Grünen, von der SP, der EVP und
te vor einer Woche breite Unterstüt- den Grünliberalen sowie von diverzung für die Initiative - 61 Prozent der sen Umweltorganisationen wie WWF,
Bundesrat und Parlament dagegen
und ein Fussabdruck
Der ökologische Fussabdruck
misst den Verbrauch natürlicher
Ressourcen und drückt in globalen Hektaren (gha) die Fläche
aus, welche für die Produktion
dieser Ressourcen notwendig
wäre. Er zeigt also auf, inwieweit
eine Region, ein Land oder die
gesamte Menschheit die Regenerationsfähigkeit der natürlichen
Umwelt ausschöpft. Auch der
Bundesrat verwendet in seinem
Masterplan «Cleantech» den ökologischen Fussabdruck. Der Bund
bestätigt, dass die Schweiz drei
mal mehr Umweltleistungen und
-ressourcen konsumiert als global verfügbar sind. Daher kommt
die Aussage, dass drei Erden
nötig wären, würde die ganze
Menschheit so leben wie wir. Der
Konsum der Schweiz ist somit
nicht nachhaltig. Fast drei Viertel
des ökologischen Fussabdrucks
macht hierzulande der Verbrauch
fossiler Energie aus.
über 1200 Befragten sprachen sich dafür Greenpeace oder Pro Natura. Auch der
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Arbeitsplätze statt Abfallberge
VON REGULA RYTZ
Heute würden 61 Prozent der Bevölkerung
der Initiative «Für eine grüne Wirtschaft»
zustimmen. Das hat eine erste Umfrage
gezeigt. Diese klare Unterstützung erstaunt mich
persönlich nicht. Denn die Schweiz war immer
stolz auf ihre Umweltpolitik. Kein Land hat früher den Wald, die Gewässer oder die Moore vor
Raubbau und Verschmutzung geschützt und die
Verlagerung des Transitgüterverkehrs auf die
Schiene beschlossen. Doch diese Pionierrolle ist
Vergangenheit. Längst haben uns die Nachbarländer überrundet. Die Schweiz ist heute nicht
nur das europäische Schlusslicht bei der Solarund der Windenergie, sondern erlaubt als einziges Land in Europa den Import von illegal geschlagenem Tropenholz. Düster sieht die Bilanz
bei Abfall und Elektroschrott aus. Hier gehört die
Schweiz (pro Kopf) zu den Grossproduzenten.
Zwar werden 50 Prozent der Abfälle rezykliert.
Doch San Francisco führt heute schon 80 Prozent
seiner Abfälle in die Wirtschaft zurück. Noch vernünftiger wäre für mich, die Abfallberge gar nicht
erst entstehen zu lassen, sondern bereits bei der
Herstellung, der Verpackung und dem Einkaufen
von Produkten verantwortungsvoll mit wertvollen
Rohstoffen umzugehen. So wie es die Initiative
«Für eine grüne Wirtschaft» ermöglicht.
Die Umstellung auf eine grüne Wirtschaft ist
die Antwort auf Klimaerwärmung und Rohstoff-
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verknappung. Die heutige Wegwerfwirtschaft
soll Schritt für Schritt durch eine Kreislaufwirtschaft abgelöst werden. Diese setzt auf langlebige, reparierbare Produkte und will knappe Ressourcen intelligent nutzen. So kann der ökologische Fussabdruck der Schweiz bis 2050 auf das
Niveau von einer Erde gesenkt werden. Heute
brauchen wir dreimal mehr. Das kann auf die
Dauer nicht gut gehen. Das Ziel «Nachhaltig bis
2050» ist nicht nur vernünftig, sondern überlebenswichtig. Deshalb hat sich Bundesrätin Doris
Leuthard für einen Gegenvorschlag zur Initiative
starkgemacht. Leider wurde er von den gleichen
Kreisen abgeschmettert, die nun mit einer
lächerlichen Angstkampagne gegen die Initiative
wettern und von grünem «Zwang» reden. Offenbar haben sie nicht einmal den Text gelesen.
Umso mehr freut es mich, dass die Initiative
von einer breiten Allianz aus Umweltverbänden,
Konsumentenschutz und Unternehmen getragen
wird, von KMU bis Ikea. Sie alle wissen, dass es
bei der «grünen Wirtschaft» nicht um Verzichtsappelle geht, sondern um bessere Rahmenbedingungen für Innovation und neue Lösungen.
Gemeinsam wollen wir unseren Kindern und
Grosskindern intakte Lebensgrundlagen weitergeben. Wenn wir es bis 2050 nicht schaffen wann dann?
Regula Rytz ist Nationalrätin und Präsidentin Grüne Schweiz.
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Bevormundung der Gesellschaft
VON DAMIAN MULLER
m September stimmen wir über die Initiative
«Für eine grüne Wirtschaft» ab. Diese sieht
vor, dass wir den Ressourcenverbrauch bis
2050 um zwei Drittel reduzieren. Nachhaltigkeit
ist ein sinnvolles und erstrebenswertes Ziel.
Diese Initiative ist aber viel zu extrem: Sie führt
zu Zwang, Steuererhöhungen und schwächt die
Wirtschaft durch Bevormundung. Der Bundesrat
warnt vor dieser extremen Initiative. Er sagt,
dass schon eine Reduktion unseres Ressourcenverbrauchs um 40 Prozent zu «sehr einschneidenden Massnahmen» führen würde. Die 65 Prozent,
die von der Initiative verlangt werden, dürften
somit nur mit massiven Zwangsmassnahmen zu
erreichen sein. Um die verlangte Reduktion zu
erreichen, müssten Kantone und Bund hart intervenieren. Zwangsmassnahmen wie neue Vorschriften für Produktionsprozesse, Produkte und
den Umgang mit Abfällen, aber auch Importverbote oder Lenkungsabgaben wären unumgänglich. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen würden zu starken Regulierungen und Bürokratie
führen. Schliesslich würden sie die Kosten massiv ansteigen lassen, und der Industriestandort
Schweiz würde an Attraktivität verlieren.
Ausserdem müssten neue Steuer- und Budgetmassnahmen eingeführt werden. Dies trifft dann
vor allem die nationalen Unternehmen und
gefährdet unsere Wettbewerbsfähigkeit. Im heu-
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tigen wirtschaftlichen Kontext ist es äusserst
wichtig, unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Mit dieser Initiative würden
wir uns selbst ein Bein stellen.
Nicht nur die Schweizer Unternehmen werden unter den Konsequenzen der Initiative leiden, auch die Konsumenten sind betroffen. Güter
mit hohem Ressourcenverbrauch werden bei
Annahme der Initiative deutlich teurer. So wollen
uns die Grünen in unserer Wahl einschränken
und umerziehen. Diese Preissteigerungen würden vor allem die Ernährung, das Reisen und das
Wohnen betreffen. Gewisse Produkte werden
nicht mehr bezahlbar sein für die Mittelschicht;
dies führt zu einer Zweiklassengesellschaft beim
Konsum. Auch ich engagiere mich für eine nachhaltige und ressourcenorientierte Wirtschaft. Die
Massnahmen, die von der Initiative verlangt sind,
sind jedoch kontraproduktiv und schädlich. Die
Initiative kreiert nur Zwang, Verbote und staatliche Bevormundung. Dabei gefährdet sie das
eigentliche Rezept unseres Erfolgs: eine liberale,
auf individuelle Freiheit und Eigenverantwortung basierte Wirtschaft. Kurz gesagt, ist diese
Initiative extrem, unverhältnismässig und führt
zu inakzeptablen zusätzlichen Kosten für die
ganze Gesellschaft. Aus diesen Gründen werde
ich die Initiative am 25. September ablehnen.
Damian Müller ist FDP -Ständerat aus dem Kanton Luzern.
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