Thüringer Landtag

Thüringer Landtag
6. Wahlperiode
Plenarprotokoll 6/31
05.11.2015
31. Sitzung
Donnerstag, den 05.11.2015
Erfurt, Plenarsaal
Zweites Gesetz zur Änderung
des Thüringer Gesetzes über
die Finanzierung der staatlichen Schulen
Gesetzentwurf der Landesregierung
- Drucksache 6/1159 ERSTE und ZWEITE BERATUNG
2330,
Der Gesetzentwurf wird in ZWEITER BERATUNG und in der
Schlussabstimmung jeweils angenommen.
Ohler, Staatssekretärin
Kowalleck, CDU
Wolf, DIE LINKE
Tischner, CDU
Dr. Voigt, CDU
Thüringer Gesetz zur Anpassung der Besoldung und der
Versorgung in den Jahren 2015 und 2016 sowie zur
Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften
Gesetzentwurf der Landesregierung
- Drucksache 6/978 -
2330,
2331,
2332, 2332,
2332, 2333, 2333,
2332,
2333,
2334,
2322
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
dazu: Beschlussempfehlung des
Haushalts- und Finanzausschusses
- Drucksache 6/1255 ZWEITE BERATUNG
Die Beschlussempfehlung wird angenommen.
Der Gesetzentwurf wird unter Berücksichtigung der Annahme der
Beschlussempfehlung in ZWEITER BERATUNG und in der
Schlussabstimmung jeweils angenommen.
Schulze, CDU
Dr. Pidde, SPD
Kräuter, DIE LINKE
Kowalleck, CDU
Dittes, DIE LINKE
Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Dr. Schubert, Staatssekretär
Erstes Gesetz zur Änderung
des Thüringer Nachbarrechtsgesetzes
Gesetzentwurf der Landesregierung
- Drucksache 6/1173 ERSTE BERATUNG
2334,
2335,
2336,
2338, 2339,
2339, 2339, 2340,
2339,
2340,
2341,
2342,
Der Gesetzentwurf wird an den Ausschuss für Migration, Justiz und
Verbraucherschutz überwiesen.
Dr. Martin-Gehl, DIE LINKE
Scherer, CDU
Marx, SPD
Möller, AfD
Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Thüringer Gesetz zur Änderung der Rechtsverhältnisse
im juristischen Vorbereitungsdienst
Gesetzentwurf der Fraktionen
DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 6/1216 - Neufassung ERSTE BERATUNG
2342,
2343,
2343,
2344,
2346,
2347,
Der Gesetzentwurf wird an den Ausschuss für Migration, Justiz und
Verbraucherschutz überwiesen.
Marx, SPD
Walsmann, CDU
Dr. Martin-Gehl, DIE LINKE
Brandner, AfD
Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Dr. Albin, Staatssekretärin
2347,
2348,
2350,
2351,
2352,
2354, 2354,
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Zweites Gesetz zur Änderung
des Thüringer Feiertagsgesetzes
Gesetzentwurf der Fraktion der
CDU
- Drucksache 6/1212 - Neufassung ERSTE BERATUNG
2323
2355,
Der Gesetzentwurf wird an den Innen- und Kommunalausschuss –
federführend – und den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen.
Marx, SPD
Walk, CDU
König, DIE LINKE
Brandner, AfD
Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Pelke, SPD
Emde, CDU
Dittes, DIE LINKE
Neuen Strommarkt im Thüringer Interesse gestalten
Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 6/1092 -
2355,
2356,
2357,
2358, 2359,
2361,
2361,
2362,
2363, 2363,
2364, 2364, 2364,
2364, 2364,
2365,
Ministerin Siegesmund erstattet einen Sofortbericht zu Nummer I des
Antrags. Die Erfüllung des Berichtsersuchens wird festgestellt.
Die Nummer II des Antrags wird angenommen.
Harzer, DIE LINKE
Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz
Gruhner, CDU
Möller, AfD
Mühlbauer, SPD
Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Brandner, AfD
Henke, AfD
2365, 2373,
2379, 2384,
2365, 2385,
2369, 2381,
2376, 2378,
2378, 2379, 2379, 2384,
2379, 2380,
2381, 2381,
2381,
2383,
2384,
Fragestunde
2386,
a) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bühl (CDU)
Verringerung der Schlüsselzuweisung in Ilmenau
- Drucksache 6/1174 -
2386,
wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen.
Bühl, CDU
2386, 2387,
2387,
2324
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Götze, Staatssekretär
Kuschel, DIE LINKE
b) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE)
Unterbringung von Flüchtlingen in Genossenschaftswohnungen in Thüringen
- Drucksache 6/1197 -
2386, 2387,
2387, 2387, 2387,
2387, 2387,
2388,
wird von Staatssekretärin Dr. Albin beantwortet.
Kuschel, DIE LINKE
Dr. Albin, Staatssekretärin
c) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Walk (CDU)
Religiöser Extremismus in Thüringen
- Drucksache 6/1198 -
2388,
2388,
2388,
wird von Staatssekretär Götze beantwortet.
Walk, CDU
Götze, Staatssekretär
d) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Stange (DIE LINKE)
Studentisches Wohnen in der alten Zahnklinik in Erfurt?
- Drucksache 6/1199 -
2388,
2389,
2389,
wird von Staatssekretär Hoppe beantwortet. Zusatzfrage.
Stange, DIE LINKE
Hoppe, Staatssekretär
Schaft, DIE LINKE
e) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kowalleck (CDU)
Landesregierung plant zentrale Verteilstelle für Flüchtlinge in Saalfeld
- Drucksache 6/1211 -
2389,
2389, 2390,
2390,
2390,
wird von Staatssekretärin Dr. Albin beantwortet. Zusatzfragen. Staatssekretärin Dr.
Albin sagt dem Fragesteller Abgeordneten Kowalleck die schriftliche Beantwortung
seiner zweiten Zusatzfrage zu.
Kowalleck, CDU
Dr. Albin, Staatssekretärin
f) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Mühlbauer (SPD)
Wahl eines Vorsitzenden des Gemeinderats
- Drucksache 6/1214 -
2390, 2391,
2391,
2390, 2391,
2391,
2391,
wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen.
Mühlbauer, SPD
Götze, Staatssekretär
Kuschel, DIE LINKE
2391, 2392,
2391, 2392,
2392, 2392,
2392, 2392,
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
g) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten König (DIE LINKE)
Entwicklung der Neonazi-Szene in Saalfeld
- Drucksache 6/1215 -
2325
2392,
wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen. Staatssekretär Götze
sagt der Fragestellerin Abgeordnete König die schriftliche Beantwortung ihrer Zusatzfragen zu.
König, DIE LINKE
Götze, Staatssekretär
Kowalleck, CDU
h) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Henfling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Anerkennung der Studienabschlüsse „Bildung und Erziehung von Kindern“ und
„Pädagogik der Kindheit“
- Drucksache 6/1219 -
2392, 2393,
2393,
2393, 2393,
2393, 2393,
2393,
2393,
wird von Staatssekretärin Ohler beantwortet. Zusatzfragen. Staatssekretärin Ohler
sagt der Fragestellerin Abgeordnete Henfling und dem Abgeordneten Wolf die
schriftliche Beantwortung ihrer jeweiligen Zusatzfrage zu.
Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Ohler, Staatssekretärin
Wolf, DIE LINKE
i) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Floßmann (CDU)
Aktueller Verhandlungsstand zu Straßenausbaubeiträgen
- Drucksache 6/1220 -
2394, 2395,
2394, 2395,
2395,
2395,
2395,
wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen.
Floßmann, CDU
Götze, Staatssekretär
j) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Leukefeld (DIE LINKE)
Umsetzung des Landesprogramms „Arbeit für Thüringen“ – Berufliche Integration
spezieller Zielgruppen –
- Drucksache 6/1222 -
2395, 2396,
2395, 2396,
2396,
wird von Ministerin Werner beantwortet.
Leukefeld, DIE LINKE
Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie
k) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Krumpe (fraktionslos)
Ökonomische Auswirkungen des 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens in Thüringen
- Drucksache 6/1223 -
2396,
2396,
2397,
wird von Staatssekretär Möller beantwortet. Zusatzfrage. Staatssekretär Möller
sagt dem Fragesteller Abgeordneten Krumpe die Beantwortung seiner Zusatzfrage
zu.
Krumpe, fraktionslos
Möller, Staatssekretär
2397, 2398,
2398, 2398,
2326
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
l) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Gentele (fraktionslos)
Einführung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens in Thüringen
- Drucksache 6/1224 -
2398,
wird von Staatssekretär Möller beantwortet. Zusatzfragen.
Gentele, fraktionslos
Möller, Staatssekretär
Krumpe, fraktionslos
Digitalfunk im Bereich nicht
polizeilicher Gefahrenabwehr
auf den Weg bringen
Antrag der Fraktion der CDU
- Drucksache 6/507 dazu: Beschlussempfehlung des
Innen- und Kommunalausschusses
- Drucksache 6/1025 dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD
- Drucksache 6/1256 -
2398,
2399, 2399,
2400,
2399, 2400,
2400,
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Alternativantrag wird in namentlicher Abstimmung bei 85 abgegebenen Stimmen mit 6 Jastimmen und 79 Neinstimmen abgelehnt
(Anlage).
Thamm, CDU
Henke, AfD
Fiedler, CDU
Dittes, DIE LINKE
Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Höhn, SPD
Götze, Staatssekretär
Brandner, AfD
Radverkehr in Thüringen planvoll und zielstrebig verbessern
Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 6/616 dazu: Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Infrastruktur, Landwirtschaft
und Forsten
- Drucksache 6/1120 Die Beschlussempfehlung wird angenommen.
Der Antrag wird unter Berücksichtigung der Annahme der Beschlussempfehlung angenommen.
2400,
2400, 2402,
2408,
2401, 2405,
2407, 2407, 2408, 2408,
2401, 2406,
2408,
2403,
2403,
2403, 2404,
2409,
2409,
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Malsch, CDU
Dr. Lukin, DIE LINKE
Warnecke, SPD
Kießling, AfD
Keller, Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft
Wassertourismus als regional
bedeutendes Tourismusangebot in Thüringen hier:
Nummer II
Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 6/828 dazu: Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft
- Drucksache 6/1005 -
2327
2409, 2412,
2409,
2410,
2411,
2411,
2414,
2414,
Die Beschlussempfehlung wird angenommen.
Die Nummer II des Antrags wird unter Berücksichtigung der Annahme der Beschlussempfehlung angenommen.
Bühl, CDU
Korschewsky, DIE LINKE
Warnecke, SPD
Kießling, AfD
Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maier, Staatssekretär
Informationsdefizite der Landesregierung bei der Unterbringung von Flüchtlingen beseitigen
Antrag der Fraktion der CDU
- Drucksache 6/1050 -
2415, 2416,
2415,
2417,
2418,
2418,
2420,
2420,
Der Antrag wird abgelehnt.
Herrgott, CDU
Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Berninger, DIE LINKE
Möller, AfD
Lehmann, SPD
Fiedler, CDU
Brandner, AfD
Dr. Albin, Staatssekretärin
Freifunk in Thüringen stärken
2420, 2422,
2422, 2422, 2423, 2424, 2430, 2430,
2422, 2422,
2427, 2428,
2423, 2424,
2424, 2424,
2425, 2425,
2425, 2425,
2429, 2429,
2430, 2430, 2430, 2430, 2430,
2430, 2432,
2431,
2432,
2433,
2328
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 6/1217 dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD
- Drucksache 6/1257 Die beantragte Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft wird abgelehnt.
Der Antrag wird angenommen. Wegen der Annahme des Antrags
unterbleibt die Abstimmung über den Alternativantrag.
Schaft, DIE LINKE
Dr. Voigt, CDU
Marx, SPD
Rudy, AfD
König, DIE LINKE
Krumpe, fraktionslos
Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Maier, Staatssekretär
2433,
2434,
2435,
2437,
2437,
2439,
2439,
2441,
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Anwesenheit der Abgeordneten:
Fraktion der CDU:
Bühl, Carius, Emde, Fiedler, Floßmann, Geibert, Grob, Gruhner, Herrgott,
Heym, Holbe, Holzapfel, Kellner, Kowalleck, Lehmann, Lieberknecht,
Liebetrau, Malsch, Meißner, Mohring, Primas, Reinholz, Scherer, Schulze,
Tasch, Thamm, Tischner, Dr. Voigt, Walk, Walsmann, Wirkner, Worm,
Wucherpfennig, Zippel
Fraktion DIE LINKE:
Berninger, Blechschmidt, Dittes, Engel, Hande, Harzer, Hausold,
Hennig-Wellsow, Huster, Jung, Kalich, König, Korschewsky, Kräuter,
Kubitzki, Kummer, Kuschel, Leukefeld, Lukasch, Dr. Lukin, Dr. Martin-Gehl,
Mitteldorf, Müller, Schaft, Dr. Scheringer-Wright, Skibbe, Stange, Wolf
Fraktion der SPD:
Becker, Hey, Höhn, Lehmann, Marx, Matschie, Mühlbauer, Pelke, Dr. Pidde,
Rosin, Taubert, Warnecke
Fraktion der AfD:
Brandner, Henke, Herold, Kießling, Möller, Rudy
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Adams, Henfling, Kobelt, Müller, Pfefferlein, Rothe-Beinlich
fraktionslos:
Gentele, Helmerich, Krumpe
Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung:
Ministerpräsident Ramelow, die Minister Taubert, Prof. Dr. Hoff, Keller, Dr.
Poppenhäger, Siegesmund, Werner
2329
2330
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Beginn: 9.03 Uhr
Zu TOP 12 wurde eine Neufassung des Antrags in
Drucksache 6/1052 verteilt.
Präsident Carius:
Jetzt frage ich, ob den Ergänzungen widersprochen
wird, weitere Ergänzungen gewünscht werden. Das
ist nicht der Fall, sodass ich in die Tagesordnung
einsteige.
Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen.
Ich freue mich, dass ich als Gäste auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen aus der Edith-Stein-Schule in Erfurt und aus
dem Otto-Schott-Gymnasium in Jena begrüßen
darf. Herzlich willkommen.
(Beifall im Hause)
Außerdem freue ich mich, dass der Rechnungshofpräsident, der auf den Tag genau heute sein 25jähriges Dienstjubiläum in Thüringer Diensten hat
und der vor 25 Jahren hier im Landtag angefangen
hat, heute bei uns ist.
(Beifall im Hause)
So viel sei mir gestattet: Es gibt viele, die gewünscht hätten, Sie wären immer hier im Landtag
geblieben, aber das spricht ja auch für Ihre Arbeit
als Rechnungshofpräsident.
(Heiterkeit im Hause)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung und heiße Sie herzlich willkommen.
Für die Plenarsitzung hat als Schriftführer Abgeordneter Schaft neben mir Platz genommen. Die Redeliste führt Herr Abgeordneter Kobelt.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt:
Abgeordnete Muhsal, Abgeordneter Höcke, Minister Prof. Hoff zeitweise, Ministerin Dr. Klaubert, Minister Dr. Poppenhäger zeitweise und Minister Tiefensee zeitweise.
Wir sind bei der Feststellung der Tagesordnung
übereingekommen, das Thüringer Gesetz zur Anpassung der Besoldung und der Versorgung in den
Jahren 2015 und 2016 sowie zur Änderung weiterer
dienstrechtlicher Vorschriften als neuen Tagesordnungspunkt 3 a aufzurufen. Die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses dazu
hat die Drucksachennummer 6/1255.
Der Tagesordnungspunkt 14 wird heute vor der Mittagspause und der Tagesordnungspunkt 18 heute
als letzter Punkt aufgerufen.
Weiterhin sind wir bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen, den Tagesordnungspunkt 3 in erster und zweiter Beratung zu beraten,
soweit keine Ausschussüberweisung beschlossen
wurde.
Zu TOP 6 wurde eine Neufassung des Gesetzentwurfs in Drucksache 6/1212 verteilt.
Zu TOP 7 wurde ein Alternativantrag der Fraktion
der AfD in Drucksache 6/1256 verteilt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3
Zweites Gesetz zur Änderung
des Thüringer Gesetzes über
die Finanzierung der staatlichen Schulen
Gesetzentwurf der Landesregierung
- Drucksache 6/1159 ERSTE und ZWEITE BERATUNG
Der Landtag war bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen, dieses Gesetz in erster
und, sofern keine Ausschussüberweisung beschlossen wird, in zweiter Beratung zu behandeln.
Ich frage: Wünscht die Landesregierung das Wort
zur Begründung? Frau Staatssekretärin Ohler, Sie
haben das Wort.
Ohler, Staatssekretärin:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf
wollen wir das Thüringer Gesetz zur Finanzierung
der staatlichen Schulen entfristen. Das aktuelle
Thüringer Gesetz zur Finanzierung der staatlichen
Schulen ist bis zum 31.12.2015 befristet. Der Regelungsbedarf besteht freilich weiterhin. Das aktuelle
Gesetz hat sich bewährt und kann entfristet werden. Eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände hat stattgefunden, Bedenken wurden nicht
erhoben. Ich bitte das Hohe Haus um Zustimmung
zur Entfristung.
Sehr geehrte Damen und Herren, gestatten Sie mir
noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen zur
Schulfinanzierung: In Deutschland sind die Lasten
bei der Finanzierung der staatlichen Schulen klar
verteilt. Das Land trägt die Personalkosten, die
Kommunen, die Gemeinden und Landkreise übernehmen als Schulträger die Sachkosten. Der Bund
kann sich nicht verlässlich einbringen. Grund ist
das Kooperationsverbot. In den vergangenen Jahren hat sich immer wieder gezeigt, vor welche Probleme uns dieses Verbot stellt. Der Bund kann zwar
Solarzellen auf dem Schuldach finanzieren, für ein
gutes Schulklima braucht es aber mehr als ein warmes Klassenzimmer. Für ein gutes Klima an den
Schulen brauchen alle, die Schule gestalten, eine
nachhaltige Unterstützung – gerade jetzt.
Sie wissen, wir stehen vor großen Herausforderungen. Landesweit werden derzeit circa 5.000 Kinder
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2331
(Staatssekretärin Ohler)
nichtdeutscher Herkunftssprache beschult. In den
kommenden Wochen und Monaten wird sich die
Zahl der ausländischen Kinder deutlich erhöhen. An
unseren Schulen gibt es aktuell 875 Lehrkräfte, die
mit unterschiedlichem Stundenumfang im Sprachunterricht für Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache eingesetzt werden. Wir haben die Zahl der
Lehrkräfte, die Deutsch als Zweitsprache anbieten,
verstärkt. 50 Stellen sind in diesem Jahr bereitgestellt worden, weitere Stellen sind im Doppelhaushalt vorgesehen.
Wir haben unser Wahlversprechen umgesetzt und
in diesem Jahr 500 neue Lehrkräfte eingestellt. Zusätzlich dazu haben wir die Vertretungsreserve im
Umfang von 100 Stellen aufgebaut. Wir haben so
viele Lehrerinnen und Lehrer eingestellt wie schon
lange nicht mehr. Und dennoch: Unsere Schulen
brauchen angesichts des anhaltenden Schülerzuwachses durch die Flüchtlinge mehr Unterstützung.
Wir wollen Klassen, in denen jedes Kind das bekommt, was es braucht für einen erfolgreichen Bildungsweg. Die neu dazukommenden genauso wie
die einheimischen Kinder. Das Land darf in seinen
Bemühungen nicht alleingelassen werden. Wir
brauchen die finanzielle Beteiligung des Bundes,
nicht in Form von Sonderpaketen, sondern in Form
einer dauerhaften Förderung. Die Aufhebung des
Kooperationsverbots gehört auf die politische Agenda. Dafür setzen wir uns ein. Vielen Dank.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich eröffne
hiermit die Aussprache und das Wort erteile ich
Herrn Abgeordneten Kowalleck für die CDU-Fraktion.
Abgeordneter Kowalleck, CDU:
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Schulklassen, das ist heute auch
passend zum Thema, dass die Schülerinnen und
Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer uns hier heute
Morgen im Thüringer Landtag besuchen und die
Debatte verfolgen.
Wie es der Name schon sagt, regelt das vorliegende Gesetz die Finanzierung der staatlichen
Schulen, insbesondere im Hinblick auf den Personal- und den Schulaufwand, die Beförderungs- und
Erstattungspflicht bei der Schülerbeförderung sowie
den Kostenausgleich bei Gastschulverhältnissen.
Das Gesetz besteht bereits seit dem Jahr 2003 und
wurde seitdem nur marginal verändert. Inhaltliche
Änderungen sind mit der heutigen Verhandlung im
Plenum nicht vorgesehen. Auch wenn es sich hier
mit der Entfristung um einen formellen Akt handelt,
möchte ich kurz auf das vorliegende Gesetz eingehen. Das hat die Staatssekretärin eben auch getan.
Insgesamt liegen die Ausgaben pro Schüler in Thüringen bundesweit im Spitzenvergleich und dieses
Spitzenfeld haben wir auch den vergangenen Landesregierungen zu verdanken und den entsprechenden Entscheidungen, die hier in dem Hohen
Haus gefällt wurden. Diese Zahlen der Schüler verändern sich zwar von Jahr zu Jahr, aber bleiben
grundsätzlich doch auf einem recht stabilen Niveau.
Das zeigen gerade im aktuellen Haushalt die Entwicklungen der Lernmittel, die entsprechend an die
Schülerzahlen gekoppelt sind. Da die Kulturhoheit
und damit der größte Teil der Bildungspolitik in
Deutschland im Kompetenzbereich der Länder
liegt, sind die Länder auch maßgeblich für die Finanzierung der staatlichen Schulen verantwortlich.
Die Finanzierung des öffentlichen Schulwesens erfolgt grundsätzlich im Wege einer Aufgabenteilung
zwischen Ländern und Kommunen. Wir haben
eben auch an den Ausführungen der Staatssekretärin gesehen, dass da durchaus unterschiedliche
Auffassungen bestehen, denn wir sehen das schon
als eine erfolgreiche Entwicklung an. Da müssen
Sie auch mal auf die Schulen vor Ort schauen, sehr
geehrte Frau Staatssekretärin.
(Beifall CDU)
Während die Kommunen die Sachkosten der
Schulen und in der Regel auch die Kosten für das
nicht lehrende Personal tragen, sind die Kultusministerien der Länder für die Personalkosten der
Lehrkräfte zuständig. Sie sind auch auf einige
Punkte der zukünftigen Entwicklung eingegangen
und erst vor einigen Tagen haben wir den Einzelplan des Bildungsministeriums beraten, auch in Bezug auf die Finanzierung der staatlichen Schulen.
In einigen Wochen werden wir an dieser Stelle den
Landeshaushalt besprechen. Da wird auch das
Thema Bildung intensiv diskutiert werden. Die
staatlichen Schulen spielen dabei eine wichtige
Rolle und auch natürlich die Entwicklung im Rahmen der Flüchtlingsfrage. Da sagen wir als CDUFraktion auch ganz klar: Nicht nur immer auf den
Bund zeigen, liebe Landesregierung! Auch Sie
müssen Ihre Hausaufgaben hier im Land machen.
Das verlangen die Thüringerinnen und Thüringer
(Beifall CDU)
und das verlangt auch die aktuelle Situation.
(Beifall AfD)
(Zwischenruf Abg. Adams, Bündnis 90/Die
Grünen: Das ist Ihre Art, Verantwortung zu
übernehmen!)
Denn es ist viel zu einfach – Herr Adams, Sie können sich gleich melden und Ihre Stellungnahme an
dieser Stelle anbringen –,
2332
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Kowalleck)
(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
wenn Sie immer auf den Bund zeigen. Wichtig ist,
dass wir hier entsprechende Maßnahmen einleiten
und auch unterstützen gerade im Bereich der
Schulen, denn ich denke, das liegt dem Hohen
Hause hier besonders am Herzen. Die Anwendbarkeit des Gesetzes über die Finanzierung der staatlichen Schulen ist auch über den 31. Dezember
2015 hinaus erforderlich, deshalb werden wir einer
Entfristung zustimmen. Danke schön.
(Beifall CDU, AfD)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Herr Kowalleck. Das Wort hat nun Abgeordneter Wolf für die Fraktion Die Linke.
Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:
Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler auf
der Tribüne und natürlich auch Lehrkräfte, mit der
Verlängerung des Thüringer Gesetzes über die Finanzierung der staatlichen Schulen vom 30. April
2003 wollen wir ohne inhaltliche Änderung eine einfache Entfristung erreichen. Dies ist notwendig, da
das Gesetz bis zum 31. Dezember 2015 befristet
ist, gleichzeitig aber alle wesentlichen Bereiche der
Funktionsfähigkeit staatlicher Schulen beinhaltet.
Das Gesetz bildet die Grundlage für die Finanzbeziehungen und für die Funktionsfähigkeit der staatlichen Schulen in Verbindung mit dem Schulgesetz
und unter anderem – ich gehe dann noch darauf
ein – dem Thüringer Finanzausgleichsgesetz.
Wir haben gerade vom Kollegen Kowalleck gehört,
dass die Schulen natürlich immer wieder vor neue
Herausforderungen gestellt werden, derzeit insbesondere die Bewältigung der großen Aufgabe der
Integration von Kindern, von Jugendlichen, die zu
uns kommen. Ich sage hier: Egal ob aus Syrien
oder Sachsen, sie sind uns alle willkommen.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Unruhe CDU)
Sie haben uns aufgefordert, Herr Kowalleck, die
Thüringer Landesregierung soll ihre Hausaufgaben
machen. Wie wir das nun von Ihnen gewohnt sind
– ich würde ja etwas konstruktivere Oppositionsarbeit dort erwarten –,
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
haben Sie mitnichten einen Vorschlag gemacht, wie
das gehen soll. Wir wissen, dass wir dort – das wissen wir auch als Koalition – mit steigenden Kinderzahlen zu rechnen haben. Wir wissen aber auch,
dass wir eben nicht genau wissen, wie viel Kinder
es sind, die in den nächsten Jahren zu uns kom-
men, ja, zum Teil wissen wir noch nicht einmal, weil
die statistische Grundlage durchs Bundesamt fehlt,
wie viel Kinder derzeit zu uns kommen und in den
nächsten Wochen und Monaten in die Schulen einmünden. Das alles macht die Arbeit nicht leichter.
Trotz alledem, Herr Emde, ist die Landesregierung,
sind die Schulämter und ist jede einzelne Schule,
staatliche oder freie Schule, derzeit intensiv dabei,
zu schauen, welche Möglichkeiten sie haben, in
Sprachförderung als Erstes und als Zweites dann in
Einmündung in den regulären Unterricht, die Kinder
auch wirklich zu integrieren, die zu uns kommen.
Da haben die Schulen unsere volle Unterstützung
verdient. Da reicht es nicht, einfach sich einen
schlanken Fuß zu machen und zu sagen: „Landesregierung mach mal!“, sondern es gehört natürlich
auch mit zur Wahrheit dazu, dass das im Maßnahmenpaket der Bundesregierung einfach nicht abgebildet ist. Da kann man auf die Kultushoheit der
Länder verweisen, es bringt uns nur nicht weiter.
Wir brauchen hier noch einmal Nachverhandlungen. Wir wissen, dass die Nachverhandlungen
auch in den nächsten Tagen weiterlaufen werden.
Wir wünschen der Landesregierung viel Erfolg, um
dort auch mit dem Bund ein ehrliches Ergebnis zu
erzielen, damit Integration der Menschen, die zu
uns kommen, gelingen kann.
Nichtsdestotrotz erledigen wir natürlich unsere Aufgaben. Wir haben im Schulfinanzierungsgesetz,
das ist ja schon angesprochen worden, diverse Aufgaben beschrieben, unter anderem auch die …
Präsident Carius:
Herr Wolf, es gibt eine Anfrage des Kollegen Tischner. Würden Sie die beantworten?
Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:
Aber sicher.
Präsident Carius:
Herr Tischner.
Abgeordneter Tischner, CDU:
Herr Kollege Wolf, Sie haben gerade davon gesprochen, Sie möchten auf Bundesebene nachverhandeln. Um auf Bundesebene nachverhandeln zu
können, muss man konkrete Zahlen haben. Können
Sie uns vielleicht heute mitteilen, wie viele Flüchtlinge momentan in den Thüringer Schulen beschult
werden?
Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:
Herr Tischner, wie Sie wissen, ändern sich die Zahlen fast täglich, auf jeden Fall wöchentlich, sodass
ich Ihnen eine taggenaue Analyse nicht liefern
kann. Ich kann Ihnen aber in etwa sagen, dass wir
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2333
(Abg. Wolf)
derzeit – das wissen Sie auch aus dem Bildungsausschuss, das haben wir besprochen – in etwa
5.100 Kinder und Jugendliche an den Thüringer
Schulen haben. Das steigt aber rasant an. Allein
die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge – das wissen Sie auch – ist in den letzten Wochen von knapp 300 auf über 700 angestiegen. Da
sehen Sie schon – und da sind wir auch im Gespräch, auch gerade im Bildungsausschuss –, wie
schwierig die Bewältigung dieser Aufgabe ist. Aber,
wie schon gesagt, die Schulen stellen sich dieser
Aufgabe und sie werden von uns unterstützt.
(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Hoffentlich sieht das Ihre Regierung auch so!)
Präsident Carius:
Herr Wolf, es gibt eine weitere Anfrage. Lassen Sie
die auch zu?
Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:
Ich hatte gar nicht erwartet, dass wir bei der Verlängerung eines Gesetzes so eine Diskussion haben.
Bitte schön, Herr Voigt.
Abgeordneter Dr. Voigt, CDU:
Ich bin ja immer für Lernen, auch im Plenarsaal.
Mich interessiert jetzt: Sie haben die Zahl genannt – 5.100. Ich kann mir vorstellen, dass Sie damit nicht die Flüchtlingszahl meinen, sondern die
Kinder nichtdeutscher Herkunft, denn das kann es
maximal sein. Wir wissen ja, wie viele Flüchtlinge in
diesem Jahr nach Thüringen gekommen sind. Insofern interessiert uns: Wie hoch ist die Zahl der
Flüchtlingskinder, die in den Einrichtungen sind?
Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:
Die Statistik, auf die ich mich hier beziehe, bezieht
sich auf Kinder und Jugendliche, die in den letzten
zwei Jahren nach Deutschland gekommen und
dementsprechend auch so erfasst sind. Wir wissen
natürlich, dass allein seit September mehrere Hundert, Tausend
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Da war
ein Komma!)
– ich kann es Ihnen nicht genau sagen, denn diese
Zahlen liegen mir nicht vor und soweit ich weiß
auch dem Ministerium nicht, weil sie erst vom Bund
gegeben werden, wieviele – Kinder in den Erstaufnahmeeinrichtungen sind. Wir wissen, dass sie
nach drei Monaten in das Schulsystem einmünden
und etwa nach einem halben Jahr nach Ankunft die
Sprachvoraussetzungen haben sollten, bei intensiver Sprachförderung, um auch in den regulären Unterricht einzumünden.
Aber, Herr Dr. Voigt, wie schon gesagt: Dort sind
die Schulen, dort sind die Schulämter, das Ministerium intensiv dran, diese Aufgabe zu bearbeiten.
Wir nehmen uns auch immer wieder – das haben
wir auch im Bildungsausschuss beschlossen – die
notwendige Zeit, um uns im Bildungsausschuss darüber zu verständigen.
Zur Beförderung von Schülerinnen und Schülern:
Thüringen ist ein Flächenland und die Beförderung
der Schülerinnen und Schüler ist zwingende Voraussetzung für die Aufrechterhaltung eines flächendeckenden Schulangebots in allen Altersstufen.
Den bewährten Schlüssel in der Verteilung der Mittel zur Schülerbeförderung nach § 4 Schulfinanzierungsgesetz in Verbindung mit § 18 Finanzausgleichsgesetz, nach dem zwei Fünftel der Mittel anhand der Zahl der Schüler und drei Fünftel der Mittel anhand der Fläche ausgereicht werden, werden
wir beibehalten. Im Haushaltsansatz 2016 bringt
Rot-Rot-Grün 172.000 Euro mehr zum Ansatz
– das ist ein Anwachsen auf 9,803 Millionen Euro
und
im
Jahr
2017
noch
mal
auf
9,975 Millionen Euro. Damit kommen wir der Verpflichtung nach, dort auch einen Kostenausgleich
vorzunehmen.
Politisch gestalten wird Rot-Rot-Grün vor allem bei
den Schulbauten, also der baulichen Voraussetzung für das Gelingen guter Schule. Hier werden
wir neben den angesetzten 15 Millionen Euro
pro Jahr für den Sonderlastenausgleich der Schulbauten nach § 22 Finanzausgleichsgesetz im
Jahr 2016 zusätzlich 9 Millionen Euro und im
Jahr 2017 24 Millionen Euro für ein Schulinvestitionsprogramm zur Verfügung stellen. Damit setzen
wir einen wichtigen Bereich des Koalitionsvertrags
um und sorgen dafür, dass gute Bildung in der
räumlichen Ausstattung möglich ist und der durch
die Vorgängerregierungen angelaufene Sanierungsstau und Neubaubedarf abgearbeitet wird.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wie ich ausführen konnte, ist
die Entfristung des Schulfinanzierungsgesetzes
notwendig, und die inhaltliche Ausgestaltung findet
ihre Umsetzung im Regierungshandeln von RotRot-Grün. Daher werbe ich für die Zustimmung zur
Entfristung. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Herr Wolf. Weitere Wortmeldungen
aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht
vor, auch seitens der Regierung nicht, sodass ich
die Aussprache schließe. Ich eröffne damit die
zweite Beratung des Gesetzentwurfs.
Vielleicht für die Schülerinnen und Schüler auf der
Tribüne: Wenn der Landtag, der normalerweise ein
2334
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Präsident Carius)
Gesetz immer an den Ausschuss überweist, übereinkommt, dass die Gesetzesänderung sehr überschaubar ist, dann macht man eine erste Beratung
und kommt dann sofort zur zweiten Beratung. Das
machen wir heute.
Ich eröffne damit die zweite Beratung. Aussprache
ist nicht gewünscht. Wir kommen damit direkt zur
Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 6/1159 in zweiter Beratung. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das
Handzeichen. Das sind die Stimmen der Linken,
von Bündnis 90/Die Grünen, der SPD, der CDUFraktion, der AfD-Fraktion und von den fraktionslosen Abgeordneten. Vielen Dank. Gegenstimmen?
Keine. Enthaltungen? Auch keine. Damit ist dieser
Gesetzentwurf angenommen.
Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung. Wer dafür
ist, den bitte ich, sich jetzt von den Plätzen zu erheben. Vielen Dank. Das sind auch alle, soweit ich es
sehen kann. Gegenstimmen? Enthaltungen? Das
ist nicht der Fall. Damit ist dieses Gesetz angenommen. Herzlichen Dank. Ich schließe damit diesen
Tagesordnungspunkt.
Ich rufe auf den neuen Tagesordnungspunkt 3 a
Thüringer Gesetz zur Anpassung der Besoldung und der
Versorgung in den Jahren 2015 und 2016 sowie zur
Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften
Gesetzentwurf der Landesregierung
- Drucksache 6/978 dazu: Beschlussempfehlung des
Haushalts- und Finanzausschusses
- Drucksache 6/1255 ZWEITE BERATUNG
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schulze aus dem
Haushalts- und Finanzausschuss zur Berichterstattung.
Abgeordnete Schulze, CDU:
Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident, liebe
Abgeordnete, liebe Besucher, liebe Schüler – speziell auf den Tribünen! Das Thüringer Gesetz zur
Anpassung der Besoldung und Versorgung in den
Jahren 2015 und 2016 sowie zur Änderung weiterer
dienstrechtlicher Vorschriften wurde auf Beschluss
des Landtags in seiner 26. Plenarsitzung am
11. September 2015 an den Haushalts- und Finanzausschuss federführend und an den Innenund Kommunalausschuss zur Mitberatung überwiesen.
Der federführende Haushalts- und Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 13. Sitzung
am 25. September 2015 und in seiner 17. Sitzung
am 30. Oktober 2015 beraten sowie ein schriftliches Anhörungsverfahren zu dem Gesetzentwurf
und ein ergänzendes schriftliches Anhörungsverfahren zu dem dazu vorliegenden Änderungsantrag
in der Vorlage 6/644 durchgeführt.
Der Innen- und Kommunalausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 15. Sitzung am 4. November
2015 beraten. Die Annahme des Gesetzentwurfs
wird mit den folgenden Änderungen empfohlen. Artikel 2 wird wie folgt geändert: Nummer 7 erhält folgende Fassung: „7. Anlage 1 Besoldungsordnung A
wird wie folgt geändert: a) Dem Abschnitt II der Vorbemerkungen wird folgende Nummer 10 angefügt:
‚10. Zulage für die Verwendung bei Erstaufnahmeeinrichtungen – Beamte, die für mindestens einen
Monat überwiegend bei einer Erstaufnahmeeinrichtung verwendet werden, erhalten für die Dauer der
Verwendung eine Stellenzulage nach Anlage 8.‘“
– Die Anlage 8 liegt Ihnen in der Drucksache 6/1255 mit vor. – „‚Die Stellenzulage wird ab
dem Beginn der Verwendung und längstens bis
zum 31. Dezember 2017 gewährt.‘“ Diese Stellenzulage beinhaltet eine Höhe von 120 Euro, was Sie
aus der Drucksache ersehen können.
Weitere Änderungen sind: „b) Die Besoldungsgruppen A 3, A 4 und A 5 werden aufgehoben. c) Es
wird in der aa) Besoldungsgruppe A 13 unter dem
Amt ‚Akademischer Rat‘, bb) Besoldungsgruppe A 14 unter dem Amt ‚Akademischer Oberrat‘, cc)
Besoldungsgruppe A 15 unter dem Amt ‚Akademischer Direktor‘, dd) Besoldungsgruppe A 16 unter
dem Amt ‚Leitender Akademischer Direktor‘ jeweils
der Funktionszusatz ‚– in der Hochschulaufsicht –‘
eingefügt.“
Weitere Änderungen: „2. In Nummer 8 erhält Anlage 8 folgende Fassung: Zulagen in Monatsbeträgen“ – ich werde Ihnen das jetzt nicht alles vortragen. In der Drucksache 6/1255 sind, wie schon angemerkt, die Anlagen beigefügt und liegen Ihnen
vor. In Artikel 3 enthält Anlage 8 – gültig ab September 2016 – wiederum Tabellen, deren Änderungen Ihnen vorliegen.
„In Artikel 4 wird Nummer 9 wie folgt geändert:
1. Der bisherige Inhalt in § 92 d wird Absatz 1.
2. Folgender Absatz 2 wird angefügt: (2) ‚Die am
Tag der Verkündung des Thüringer Gesetzes zur
Anpassung der Besoldung und der Versorgung in
den Jahren 2015 und 2016 sowie zur Änderung
weiterer dienstrechtlicher Vorschriften nach Maßgabe des Thüringer Besoldungsgesetzes in der bis
zum 31. August 2015 geltenden Fassung vorhandenen Empfänger von Mindestversorgung nach
§ 21 Abs. 4 Satz 2 sowie Empfänger von Versorgungsbezügen, die auf Grundlage des § 21 Abs. 4
Satz 2 berechnet werden, die wegen des Vorlie-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2335
(Abg. Schulze)
gens der Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 für berücksichtigungsfähige Kinder einen Erhöhungsbetrag zum Familienzuschlag nach Anlage 6 in der bis
zum 31. August 2015 geltenden Fassung des Thüringer Besoldungsgesetzes erhalten haben, erhalten den am 31. August 2015 zustehenden Erhöhungsbetrag weiter, solange für das jeweilige Kind
ein Familienzuschlag nach § 64 gezahlt wird.‘“
Das war jetzt sehr theoretisch. Im Grunde genommen auch für die Besucher und die Schüler auf der
Tribüne geht es in dieser Anpassung des Gesetzes
um die Erhöhung der Dienst- und Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung des Tarifabschlusses
für die Beschäftigten der Länder vom März 2015.
Demnach sollen die Beträge in der Besoldung ab
September 2015 um 1,9 Prozent und ab September
2016 um 2,1 Prozent erhöht werden. Es erfolgt eine
Erhöhung der Grundgehaltssätze aller Besoldungsordnungen sowie der Familienzuschläge, der Amtsund allgemeinen Stellenzulagen. Mindestens jedoch um 75 Euro wird diese Erhöhung in den Besoldungsgruppen stattfinden, gemindert natürlich
um 0,2 Prozent, die der Versorgungsrücklage zugeführt werden. Erhöhungen gibt es auch bei der
Mehrarbeitsvergütung sowie Erschwerniszulagen.
Die Kinderzuschläge und die pflegebezogenen Zuschläge werden ebenfalls erhöht. Des Weiteren
werden die Anwärtergrundbeträge um jeweils
30 Euro zu den genannten Terminen erhöht. Weitere Anpassungen, die sich aus der Rechtsprechung
und aus der Anwendungspraxis ergeben haben,
hier nenne ich einige Beispiele: Zum Beispiel ist es
jetzt möglich, das Gehaltskonto auch im Ausland zu
führen, des Weiteren wurde geändert: Der Begriff
„Grundwehrdienst“ wurde ersetzt durch „Wehrdienst“. Änderungsgrund war, dass jetzt der Grundwehrdienst nicht mehr geleistet wird, sondern dass
es auch einen freiwilligen Wehrdienst gibt und dass
diese Zeiten mit berücksichtigt werden können. Des
Weiteren gab es Regelungen zum Mindestruhegehalt.
Zu diesem Gesetzentwurf gab es zahlreiche Stellungnahmen. Die schriftliche Anhörung wurde von
den kommunalen Arbeitgeberverbänden beantwortet, die keine Bedenken äußerten. Die Gewerkschaft ver.di kritisierte die zeitliche Verschiebung
um sechs Monate und errechnete an einem Beispiel, dass die Beamten – übrigens auch Ihre Lehrer und Lehrerinnen und die Polizisten sind damit
gemeint – durch diese Verschiebung einen Realeinkommensverlust von circa 721 Euro in den
zwei Jahren auf sich nehmen müssen. Die Verbände der Thüringer Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte kritisieren diese
zeitliche Verschiebung auch. Sie verweisen aber
auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
Mai 2015, indem sie anmerken, dass es bei der abweichenden Übernahme des Tarifergebnisses in
diese Besoldungsgesetzänderung einer qualifizier-
ten Begründung bedarf und merken an, dass sie
diese in dem Gesetzentwurf nicht finden, da fiskalische Gründe, die genannt werden, nicht zulässig
sind. Ebenso die Gewerkschaft der Polizei: Da wird
die Minderung der Mindesterhöhung um 0,2 Prozent, wie auch bei ver.di, kritisiert. Der Beamtenbund und die Tarifunion sehen ebenfalls diese Zeitverschiebung von einem halben Jahr kritisch. Die
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kritisiert
unter anderem noch zusätzlich, dass dieser Gesetzentwurf erst im November 2015 im Landtag
verabschiedet wird, und meint dazu, dass dies eine
weitere Verzögerung der Erhöhung der Gehaltszahlungen der Beamten nach sich zieht. In der Stellungnahme der Landesregierung, der Drucksache
zum Gesetzentwurf mit beiliegend, begründet die
Landesregierung die vorgesehene Lösung als fairen Kompromiss, der die Erwartungen und die finanziellen Möglichkeiten des Freistaats angemessen berücksichtigt. Auch der Thüringer Rechnungshof hat in der Vorlage 6/634 Stellung genommen
und beziffert die Ersparnis für den Thüringer Haushalt mit 35,4 Millionen Euro, was natürlich zulasten
der Besoldungserhöhung der Beamten, Richter,
Lehrer und Polizisten geht. Problematisch sieht der
Rechnungshof weiter Artikel 4 Nr. 1, weil im Ergebnis, in dem es um die Neufestsetzung des Mindestruhegehalts bzw. des Mindestunfallruhegehalts
geht, ein Versorgungsempfänger mit Anspruch auf
Familienzuschlag schlechtergestellt wird als nach
der bisherigen Rechtslage. Das sind nur einige
Auszüge aus den vielseitigen Stellungnahmen dazu. Nichtsdestotrotz, die Beamten möchten gern
auch zeitnah ihre Bezahlungen und die Erhöhung
des Tarifs angelehnt an den Tarifabschluss. Deshalb bedanke ich mich und hoffe, dass der Gesetzentwurf heute so verabschiedet wird.
(Beifall CDU)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Frau Schulze, für diese sehr umfangreiche Berichterstattung aus dem Ausschuss. Ich
eröffne damit die Aussprache. Das Wort erteile ich
zunächst einmal Herrn Abgeordneten Kräuter für
die Fraktion der Linken. Er ist aber nicht da. Dann
fahren wir fort mit Herrn Dr. Pidde; ich erteile Ihnen
das Wort.
Abgeordneter Dr. Pidde, SPD:
Herr Präsident, meine Damen und Herren, rückwirkend ab September 2015 werden die Grundgehaltssätze aller Besoldungsordnungen sowie der
Familienzuschlag, die Amts- und die allgemeinen
Stellenzulagen um 1,9 Prozent erhöht. Ab September 2016 gibt es eine weitere Besoldungserhöhung
um 2,1 Prozent. Durch diese inhaltsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses wird sichergestellt, dass
die Bezahlung der Beamten und Richter nicht hinter
2336
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Dr. Pidde)
der Bezahlung vergleichbarer Angestellter zurückbleibt. Dies ist auch ein wichtiges Signal im Wettbewerb um die besten Kräfte, dem wir uns bereits zu
stellen haben und in den kommenden Jahren deutlich verstärkt stellen müssen. Der Freistaat Thüringen bleibt ein attraktiver Arbeitgeber. Das ist die
Kernbotschaft des vorliegenden Gesetzentwurfs,
der natürlich noch zahlreiche weitere Detailregulierungen für das Thüringer Besoldungsgesetz und
das Thüringer Beamtenversorgungsgesetz enthält.
Meine Damen und Herren, finanziell ist das natürlich ein Kraftakt für das Land. Der Gesetzentwurf
führt zu zusätzlichen Kosten in Höhe von 57 Millionen Euro in den kommenden beiden Jahren. Eine
Alternative dazu sieht meine Fraktion allerdings
nicht. Gerade in so schwierigen Zeiten wie jetzt
leisten alle Landesbediensteten, nicht nur die Beamten und Richter, eine hervorragende Arbeit. Deshalb richte ich von hier aus im Namen der SPDFraktion ein herzliches Dankeschön an sie.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Politik und Bevölkerung erwarten zu Recht, dass
sie täglich das Funktionieren des Gemeinwesens
durch ihre Tätigkeit als Lehrer, in den Gerichten,
den Justizvollzugsanstalten, bei der Polizei, der
Feuerwehr oder in der Steuerverwaltung organisieren. Dann können die Beamten andererseits aber
auch verlangen, dafür angemessen bezahlt zu werden. Ich hoffe sehr, dass der Gesetzentwurf und die
damit verbundenen Besoldungserhöhungen auch
als entsprechende Wertschätzung in unseren Landesbehörden verstanden werden.
Meine Damen und Herren, natürlich ist der Ruf
nach Mehr verführerisch und auch einfach, solange
man nicht sagen muss, woher das Geld kommen
soll. Bezogen auf den Gesetzentwurf wird vom Beamtenbund, von Gewerkschaften und Interessenvertretern und auch von der Opposition kritisiert,
dass es nur eine inhaltsgleiche, aber keine zeitgleiche Übertragung des Tarifergebnisses ist. Natürlich
hätte sich auch die SPD-Fraktion eine zeitgleiche
Übertragung gewünscht, aber nicht alle Wünsche
können finanziert werden. Deshalb finde ich den
gefundenen Kompromiss der zeitlich verzögerten,
inhaltsgleichen Übertragung in Ordnung, den übrigens die meisten anderen Bundesländer ebenso
vollziehen.
Liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, gebetsmühlenartig haben Sie sowohl in der Einbringungsrede
zum Gesetzentwurf und auch im Haushalts- und Finanzausschuss die zeitlich verzögerte Übertragung
des Tarifergebnisses kritisiert. In eine Aktion Ihrerseits ist die Kritik allerdings nicht gemündet. Es hat
im Ausschuss keinen Änderungsantrag von Ihnen
gegeben und es gibt auch heute keinen Änderungsantrag aus Ihren Reihen. Das ist schon wider-
sprüchlich, dass Sie einerseits die große Keule
schwingen und andererseits nichts tun.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
So stelle ich fest, dass Sie in der Opposition angekommen sind. Von konstruktiver Opposition kann
aber keine Rede sein.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Aber vielleicht sind Sie auch ganz zufrieden mit
dem, was hier vorliegt, und dürfen es nur nicht so
sagen. Im Grunde genommen passiert ja nichts anderes als das, was CDU und SPD vor zwei Jahren
auf Vorschlag von Finanzminister Voß bereits getan
haben. Vorher hat es zeitverzögerte Anpassungen
gegeben, die die Union allein zu verantworten hatte.
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Besser
machen!)
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen
haben im Haushalts- und Finanzausschuss noch
einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf als Reaktion auf die bestehenden Herausforderungen vorgelegt. Als Ansatz zur Gewinnung und Bindung von
geeignetem Personal sieht der Gesetzentwurf außerdem eine Stellenzulage für Beamte vor, die in
Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes tätig sind.
Diese Regelung soll zunächst auf die nächsten
zwei Jahre befristet bleiben. Zudem wurde eine Bestandsschutzklausel für Bezieher der Mindestversorgung eingeführt, um für diesen Personenkreis
nachteilige Auswirkungen durch das vorliegende
Gesetz zu vermeiden. Die Änderungen finden sich
in der Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses, die Frau Schulze eben erläutert
hat, wieder. Wir bitten um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung und zum Gesetzentwurf. Vielen
Dank.
(Beifall SPD)
Präsident Carius:
Danke, Herr Dr. Pidde. Wir kommen jetzt noch mal
zu Herrn Kräuter. Bitte schön, Herr Kräuter.
Abgeordneter Kräuter, DIE LINKE:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren am Livestream, meine sehr geehrten
Damen und Herren hier im Plenarsaal! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Thüringer Gesetzes zur
Anpassung der Besoldung und Versorgung in den
Jahren 2015 und 2016 sowie zur Änderung weiterer
dienstrechtlicher Vorschriften sollen die Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richter
des Freistaats Thüringen an der Entwicklung der
allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Ver-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2337
(Abg. Kräuter)
hältnisse durch die inhaltsgleiche Übernahme des
Tarifabschlusses für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder vom 28. März 2015 teilhaben. Jedoch soll in den Jahren 2015 und 2016
eine um sechs Monate versetzte Übernahme erfolgen.
Der Diskussionsprozess bis zum vorliegenden Gesetzentwurf war nicht einfach. Allen kritischen Hinweisen mangelt es aber an einer entscheidenden
Feststellung: Es ist der Gesetzentwurf der Landesregierung. Diese Landesregierung wird von
drei Fraktionen getragen, und alle Partner haben
sich in den Ergebnisprozess mit den jeweils ihrigen
Vorstellungen eingebracht. Dieser Fakt bleibt bei
den kritischen Hinweisen unberücksichtigt. Ich hätte
mir schon gewünscht, genau wie mein Kollege Vorredner, dass wir tatsächlich eine zeit- und inhaltsgleiche Übernahme des Tarifergebnisses gleich zu
Beginn für die Beamtinnen und Beamten zustande
gebracht hätten. Wünsche sind das eine und reale
politische Machbarkeit ist das andere. Grundsätzlich wird auch von den Kritikern der Wille begrüßt,
dass wir die Beamtinnen und Beamten seit nunmehr sechs Jahren kontinuierlich an der Einkommensentwicklung beteiligen. Das ist im Bundesmaßstab nicht selbstverständlich. Bei aller Kritik an
den jeweiligen Änderungen des Thüringer Besoldungsgesetzes darf man diese Feststellung auch
gegenüber der vorherigen Landesregierung treffen
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das waren
aber wir, nicht Sie!)
– Herr Mohring – und so formulieren. Ich erinnere
hier auch an eine Nullrunde im Freistaat Bayern.
Wir sollten auch nicht auf andere schauen, sondern
uns fragen lassen, ob es nicht noch besser geht.
Na klar, gibt es immer ein Schneller, ein Höher und
ein Weiter. Das ist nicht der Punkt. Der Punkt – und
da ist die Regierungskoalition stabil – ist, immer
wieder alle Beteiligten mitzunehmen und deren Argumente im Entscheidungsprozess zu berücksichtigen. Das hat die Regierung getan und dafür ist ihr
ausdrücklich zu danken.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Der Tarifabschluss 2015/2016 soll grundsätzlich inhaltsgleich, aber mit zeitlicher Verschiebung auf
Thüringer Beamte und Richter übertragen werden.
So sollen die Dienst- und Versorgungsbezüge in
diesem Jahr sechs Monate später ab dem 1. September 2015 und im darauf folgenden Jahr ebenfalls sechs Monate später ab dem 1. September
2016 nochmals angehoben werden. Durch die
grundsätzlich inhaltsgleiche Übertragung des Tarifabschlusses werden die Thüringer Beamten und
Richter nicht von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt. Alle Besoldungsgruppen
nehmen – wenn auch zeitlich später – gleichmäßig
an der Besoldungserhöhung teil. Die zeitliche Ver-
schiebung der Anpassung über sechs Monate im
Jahr 2015 und 2016 hat keine Auswirkungen auf
das Niveau der Beamtenbesoldung und -versorgung. Damit erfolgt auch keine dauerhafte Abkopplung von der Einkommensentwicklung im Tarifbereich. Meine Bemerkung liegt hier auf der „dauerhaften Abkopplung“.
Bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2015 ist dies unproblematisch.
Das Bundesverfassungsgericht hat seine Entscheidung in Kenntnis der in vielen Ländern üblichen
Praxis der zeitverzögerten Übernahme des Tarifergebnisses getroffen, diese auch in der für den Gesetzgeber nunmehr verbindlichen Berechnungsmethode zur Feststellung der Verfassungsmäßigkeit
der Besoldung unberücksichtigt gelassen. Daher
kann davon ausgegangen werden, dass wegen
zeitlicher Verzögerung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.
Mit dieser Begründung der Landesregierung sind
die Gewerkschaften und Fachverbände natürlich
nicht zufriedenzustellen. Sie greift für die Gewerkschaften zu kurz. Sie beinhaltet nämlich kein Verbot
oder verfassungsrechtliche Bedenken, was gegen
eine zeitinhaltsgleiche Übertragung spricht. Jede
Begründung, auch ein Vergleich mit Regelungen
der Altersvorsorge für die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer (VBL) greift da nicht durch und bietet
die Möglichkeit von Rede und Gegenrede oder gar
Streit. Die Argumente und Hinweise der Gewerkschaften und Fachverbände sind gerechtfertigt. Ich
habe auch in den Debatten meiner Fraktion nichts
davon gehört, dass wir von unseren Wahlprüfsteinen in dieser Frage abrücken. Aber ich verweise
noch einmal auf die Situation, dass wir eine Koalition im Gleich- und Dreiklang tragen, wo jedes Argument seine Berechtigung hat. Aus dieser Gemengelage hat die Landesregierung den Gesetzentwurf
entwickelt und vorgelegt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es ist nun aber nicht so, dass die Gewerkschaften
und Fachverbände den Gesetzentwurf in Gänze
ablehnen. Die Gewerkschaften und Fachverbände
schließen sich in weiten Teilen dem vorgelegten
Gesetzentwurf auch ausdrücklich an und begrüßen
einzelne Regelungen.
Ich möchte hier beispielhaft einige Regelungen aufführen. Der Familienzuschlag wurde sachgerecht
weiterentwickelt. Gerade die Differenzierung nach
den niedrigen Besoldungsgruppen und höheren Besoldungsgruppen bei Beamtenkindern war nicht
mehr zeitgemäß und war auch mit meinen Wertvorstellungen nie vereinbar gewesen. Wir haben die
Mindestversorgungsbezüge beim Ruhegehaltssatz,
beim Unfallruhegehaltssatz und der Hinterbliebenenversorgung entsprechend angepasst.
An dieser Stelle möchte ich auch einem Argument
entgegentreten, das besagt, dass Thüringer Beam-
2338
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Kräuter)
tinnen und Beamte ausreichend versorgt seien.
Das stimmt ausdrücklich nicht. Da überzeugt mich
auch kein anderes Argument, denn die Wahrheit in
dieser Frage ist, dass die ruhegehaltsfähige Dienstzeit erst ab dem 03.10.1990 beginnt und die Ruhensregelung für die Zeit davor eine klare
Schlechterstellung für die Betroffenen beinhaltet.
Insoweit hätte ich diese Hinweise der Gewerkschaften und Fachverbände nicht gebraucht. Für die Damen und Herren in diesem Haus, die da anderer
Auffassung sind, sind diese aber nicht nur lesenswert, sondern dienen dazu, zu verstehen, warum
Gewerkschaften hierzu andere Regelungen aus der
Bundesgesetzgebung erwarten, dass mit dieser
Ungleichbehandlung Schluss gemacht wird.
(Beifall DIE LINKE)
Neben diesen beiden Beispielen haben wir das Reisekostenrecht novelliert und den Anrechnungsbetrag von 15 auf 17 Cent pro privaten Fahrtkilometer
angepasst.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Thüringer Besoldungsrecht gibt es auch noch einige
Baustellen, die wir in dieser Legislaturperiode angehen wollen. Dazu gehört die Beförderungspraxis,
die Praxis der Stellenbesetzung oder Änderungen
von Besoldungsgruppen im Schulbereich. Wer aber
von der Landesregierung diese Schritte per Lichtschalterverfahren – also Regierungsübernahme
und Lichtschalter an – erwartet, hat eine falsche Erwartungshaltung. Die Wertschätzung für unsere Beamtinnen und Beamten ist es uns wert, dass wir an
diesen Themen ergebnisorientiert arbeiten. Hätten
wir diese Baustellen jetzt berücksichtigt, hätte dies
zu weiteren zeitlichen Verzögerungen geführt.
Die vorliegende Anpassung der Besoldungs- und
Versorgungsbezüge trägt sowohl dem Interesse der
Beamten, Richter und Versorgungsempfänger an
einer angemessenen Teilhabe an der allgemeinen
Einkommensentwicklung als auch an den begrenzten finanziellen Möglichkeiten der öffentlichen
Haushalte und des Landes Thüringen Rechnung.
Meine Fraktion stimmt dem vorgelegten Gesetzentwurf mit Änderungsantrag zu. Danke.
(Beifall DIE LINKE)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Herr Kräuter. Wir kommen nun zu
Herrn Abgeordneten Kowalleck von der CDU-Fraktion. Sie haben das Wort.
Abgeordneter Kowalleck, CDU:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten
Damen und Herren, keine Angst, liebe Koalitionsfraktionen, ich werde heute nicht zu jedem Punkt
sprechen.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir
sind aber darauf vorbereitet!)
Es ist gut, dass wir in der Berichterstattung zum
Gesetzentwurf noch mal die wesentlichen Positionen der Anzuhörenden gehört haben. Frau Schulze
ist darauf auch ganz intensiv eingegangen. Dafür
herzlichen Dank! Ich möchte aber auch noch mal
einführend auf die Ausführungen des Kollegen
Dr. Pidde eingehen. Herr Dr. Pidde, mir kam das
ein bisschen so vor, als würden Sie hier darstellen:
Ich mache die Welt, so wie sie mir gefällt. Sie sind
ja mit dem Anspruch rangegangen, als Sie gemeinsam mit Linken und Grünen diese Koalition gebildet
haben, dass Sie alles besser machen wollen. Aber
wir sehen mittlerweile,
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Vieles – alles schaffen wir nicht!)
die Versprechungen, die Sie gemacht haben, sammeln Sie nacheinander ein und dazu gehört eben
auch die zeitliche Anpassung der Besoldung. Die
Beamtinnen und Beamten in diesem Land wissen
ganz genau, was sie davon halten sollen. Da nützen Ihnen dann auch die Ausreden nichts. Ich sage
hier auch ganz klar: Wir als CDU-Fraktion halten Ihnen da auch weiterhin den Spiegel vor. Das müssen Sie aushalten und wir stehen auch dazu.
(Beifall CDU)
Meine Damen und Herren, ich hatte bereits zur Einbringung des Gesetzes auf verschiedene Stellungnahmen hingewiesen. Leider sind die Koalitionsfraktionen im September nicht so intensiv darauf
eingegangen. Heute haben wir da mehr gehört, zumindest vom Abgeordneten Kräuter. Aber ganz
schlüssig ist die Argumentation trotzdem nicht, ich
hätte mir an dieser Stelle gewünscht, dass Sie noch
intensiver auf die einzelnen Stellungnahmen der
Betroffenen eingehen. Aber ich denke, die Anzuhörenden werden auch noch mal in der einen oder anderen Sache auf Sie zukommen.
Ich habe in meiner letzten Rede die Kritik vom
Deutschen Beamtenbund, vom Deutschen Gewerkschaftsbund und vom Verein der Thüringer Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen angebracht. Es kamen jetzt in unserer Anhörung noch
weitere Argumente und Anzuhörende hinzu. Wir
haben das im Haushalts- und Finanzausschuss
entsprechend behandelt und besprochen, aber es
ist eben wichtig, dass wir die einzelnen Fakten
auch hier an dieser Stelle noch einmal intensiv beraten. Ein Fakt ist unter anderem, dass der Gesetzentwurf im Schneckentempo von der Landesregierung eingebracht wurde – immerhin haben wir jetzt
November 2015 – und das müssen Sie eben auch
den Beamtinnen und Beamten an dieser Stelle erklären.
Meine Damen und Herren, die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes erhal-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2339
(Abg. Kowalleck)
ten zum 1. März 2015 ein Tariferhöhung von
2,1 Prozent und zum 1. März 2016 von 2,3 Prozent.
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eine Anpassung ab 1. September 2015 um 1,9 Prozent und ab
1. September 2016 um 2,1 Prozent vor. Das bedeutet eine zeitliche Verschiebung von jeweils
sechs Monaten für die rund 30.000 Thüringer Beamten. Wenn ich dann von den Koalitionsfraktionen
höre, es gibt keine zeitliche Verschiebung, dann
weiß ich auch nicht mehr, was Sie hier darstellen,
denn auch die Beamtinnen und Beamten und die
Anzuhörenden haben das hier ganz klar in der
schriftlichen Anhörung dargestellt. Es hat die bedeutende Rolle in der Anhörung eingenommen. Übrigens habe ich auch im September an dieser Stelle
Ausführungen zu diesem Punkt gemacht. Und wissen Sie, welche Wortmeldung aus den Reihen der
Linken kam? Herr Kräuter guckt mich schon
an – ändern! Meine Damen und Herren von den
Koalitionsfraktionen, „ändern“ hieß es aus Ihren
Reihen im September 2015. Aber da frage ich jetzt:
Wo ist Ihr Änderungsantrag zu diesem Punkt? Mir
kommt es so vor
(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Herr
Kräuter hat es doch erläutert!)
– das hat Herr Kräuter dargestellt, ja –, als ob da
zwei Herzen in Ihrer Brust schlagen. Einerseits verteidigen Sie die zeitversetzte Angleichung, andererseits rufen Sie „ändern“. Vor allem, Sie rufen in die
falsche Richtung.
bracht. Die frühere stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Thüringer Landtag und damalige Stellvertreterin von Bodo Ramelow sagte in ihrem Redebeitrag an dieser Stelle, ich zitiere: „Mit
unserem Änderungsantrag entsprechen wir ganz
genau den Forderungen der SPD, wie sie von Ihnen in den vorangegangenen Debatten formuliert
wurden.“
Präsident Carius:
Herr Abgeordneter Kowalleck.
Abgeordneter Kowalleck, CDU:
„Wir fordern die zeit- und inhaltsgleiche Übernahme
des Tarifabschlusses für die Beamtinnen und Beamten des Landes, nicht mehr und nicht weniger.“ – so Frau Renner vor zwei Jahren an dieser
Stelle. Meine Damen und Herren, wie sich die Zeiten ändern! Herzlich willkommen in der Realität!
(Beifall CDU, AfD)
Präsident Carius:
Herr Abgeordneter Kowalleck, es gibt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dittes. Lassen Sie
diese zu?
Abgeordneter Kowalleck, CDU:
Gern, Herr Dittes, bitte.
(Beifall CDU)
Wenn jemand an diesem Gesetzentwurf etwas ändern muss, dann sind Sie das, meine Damen und
Herren von den Koalitionsfraktionen.
(Beifall CDU)
Sie haben die Mehrheit in diesem Haus und das
muss Ihnen auch bewusst sein. Da können Sie
nicht die CDU am Ende vors Loch schieben.
Der Vollständigkeit halber bringe ich an diesem
Punkt auch noch mal die Vergleiche mit den anderen Bundesländern: In Bayern, Sachsen, Rheinland-Pfalz und in Hamburg erfolgt die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses. Andere Länder wie eben Thüringen wollen den Tarifvertrag zwar der Höhe nach übertragen, aber nehmen eine zeitliche Verschiebung vor. Sie müssen
sich heute auch daran messen lassen, was Sie vor
noch nicht allzu langer Zeit an dieser Stelle gesagt
und vertreten haben. Da brauchen Sie nicht mit
dem Finger auf die CDU-Fraktion zu zeigen. Das
treffendste Beispiel hat der Verein der Thüringer
Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen in
seiner Stellungnahme gebracht. Der Verein bezieht
sich auf den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke zur Besoldungsanpassung in der Landtagssitzung vom 18. September 2013. Das hatte ich auch
schon in der letzten Debatte an dieser Stelle ge-
Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:
Herr Kowalleck, Sie geben mir sicherlich recht,
dass Politik ja auch vom Vertreten eigener Position
lebt, nur habe ich Ihre noch nicht gehört. Vielleicht
können Sie noch einmal die Position der CDU-Fraktion bzw. Ihre eigene hier in die Debatte mit einbringen?
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Abgeordneter Kowalleck, CDU:
Danke, Herr Dittes, für diese Frage. Ich denke, ich
habe meine Position ganz klargemacht.
(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Nein,
eben nicht!)
(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Zuhören!)
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie sind in Verantwortung und Sie müssen
sich daran messen lassen, was Sie gestern noch
gesagt haben, was Sie in den Koalitionsvertrag geschrieben haben und was Sie heute nicht umsetzen, meine Damen und Herren.
(Beifall CDU)
2340
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Kowalleck)
(Unruhe DIE LINKE)
Es ist unverantwortlich gegenüber den Thüringerinnen und Thüringern und in diesem Fall gegenüber
den Beamtinnen und Beamten, dass Sie gestern
noch etwas ganz anderes sagten, als Sie heute
machen. Daran müssen Sie sich an dieser Stelle
auch messen lassen .
(Beifall CDU)
(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LINKE: Was ist jetzt Ihre Position?)
Meine Damen und Herren, die Thüringerinnen und
Thüringer, die Beamtinnen und Beamten …
Präsident Carius:
Herr Kowalleck, es gibt noch eine Zwischenfrage
des Abgeordneten …
Abgeordneter Kowalleck, CDU:
Ich würde gern meine Rede beenden.
(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: Welche Position haben Sie?)
Herr Dittes hat ja die Möglichkeit, wie beim letzten
Mal hier auch noch die Stellungnahme seiner Fraktion zu bringen und vielleicht nimmt er dann auch
noch die Anregung aus meiner Rede auf. Ich habe
ja gesagt, es wäre gut, wenn hier auch noch einmal
näher auf die Anregungen der Anzuhörenden eingegangen wird. Erklären Sie das doch bitte auch
den Anzuhörenden, warum Sie gestern ganz andere Dinge gesagt haben als heute.
Meine Damen und Herren, die Thüringer Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter verfolgen diese Diskussion mit großem Interesse und
konnten sich auch ihr Bild machen, ein Bild davon,
was von Teilen der Koalitionsfraktionen einmal gesagt wurde und heute nicht gehalten wird. Wieder
einmal heißt es an dieser Stelle von Ihnen: Versprochen und dann doch gebrochen!
(Beifall CDU)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Herr Kowalleck. Nun kommt Abgeordneter Brandner für die AfD-Fraktion zu Wort. Bitte.
Sie sind von Ihrer Fraktion gemeldet worden.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Zu 3 a nicht!)
Okay, dann kommen wir zu Frau Rothe-Beinlich
von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – oder?
Herr Adams, okay. Wir sehen jetzt die Redeliste
einfach noch einmal durch. Herr Adams, Sie haben
das Wort.
Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten
Damen und Herren, lieber Herr Kowalleck, jetzt haben wir bis zum Ende doch nicht die Position der
Union erfahren, aber vielleicht gibt es ja die Möglichkeit, dass Sie uns das noch in einem nachfolgenden Beitrag mitteilen, oder wir werden es nachher bei der Abstimmung sehen.
Eigentlich, sehr geehrter Herr Kowalleck, wollte ich
meine Rede damit beginnen, dass ich Ihnen antworte und mich Ihnen an die Seite stelle, indem Sie
nämlich gesagt haben: Ich will gar nicht alles noch
einmal wiederholen, was hier schon gesagt wurde.
Auch der sehr ausführliche Beitrag Ihrer Kollegin
hat uns in die Thematik eingeführt. Und so will ich
es trotzdem halten, auch wenn Sie uns Ihre Position nicht verraten haben. Vielleicht so viel: Ich habe
herausgehört, dass die CDU die Oppositionsposition übernommen hat, aber – so wie es Kollege Pidde schon gesagt hat – eben nicht die einer konstruktiven Opposition, die durchaus durch eine argumentativ vorgetragene Kritik die regierungstragenden Fraktionen treiben könnte. Ich habe nur
wahrgenommen, dass Sie beim Verfassen Ihrer
Rede davon ausgegangen waren, dass Sie erwarten würden oder wohl erwartet haben, dass wir mit
Fingern auf die CDU zeigen. Das ist überhaupt
nicht unsere Aufgabe und das haben auch, wenn
ich ordentlich zuhören konnte, Herr Pidde und Herr
Kräuter überhaupt nicht gemacht.
Die rot-rot-grüne Landesregierung setzt mit diesem
Gesetz einen wichtigen Punkt um. Das haben alle
Rednerinnen und Redner so, denke ich, bekräftigt
und deutlich gemacht, nämlich ein wichtiges Erfordernis, das besteht, die Beamtenbezüge und die
Angestelltengehälter nicht weiter auseinanderdriften zu lassen. Zum 01.09., rückwirkend, werden in
diesem Jahr deshalb alle Beamtinnen und Beamten
1,9 Prozent mehr erhalten und im nächsten Jahr
wird es noch einmal um 2,1 Prozent steigen. Uns
Bündnisgrünen ist das wichtig, weil wir mit dieser
Erhöhung – auch das ist schon von den Rednern
der regierungstragenden Fraktionen sehr deutlich
gesagt worden – die Wertschätzung für die Arbeit
der Beamtinnen und Beamten nicht nur in dieser
Zeit, sondern insgesamt im Freistaat Thüringen
schätzen. Ich denke, das auch für das gesamte
Parlament sagen zu dürfen, dass uns dieser Ausdruck der Wertschätzung hier eint, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die enormen Leistungen, die Beamtinnen und Beamte im Augenblick gerade bei der Aufnahme von
Flüchtlingen, bei den ersten Schritten der Integration durchführen müssen, diese Wertschätzung für
diese ganz besondere Arbeit versuchen wir, wenigstens ansatzweise in einer Stellenzulage auszu-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2341
(Abg. Adams)
drücken, die wir in einem Änderungsantrag hier in
das Gesetz mit eingefügt haben. Insofern denke
ich, dass wir bei der vielen Zustimmung, die es
heute hier im Parlament gegeben hat, ein Abstimmungsergebnis haben werden und damit auch dieses Besoldungsgesetz dann auf den Weg bringen.
Vielen Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Herr Adams. Weitere Wortmeldungen
aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt
nicht vor, sodass ich für die Regierung Herrn
Staatssekretär Schubert das Wort erteile.
Dr. Schubert, Staatssekretär:
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich denke, mit dem Entwurf der Regierung,
der mit kleinen Änderungen heute zur Abstimmung
steht, haben wir einen guten Kompromiss eingebracht, der einerseits die Leistungen der Beamtinnen und Beamten im Freistaat würdigt, auf der anderen Seite aber auch die finanziellen Rahmenbedingungen beachtet. Mit der Angleichung der Besoldung an die Tariferhöhung jeweils zum 01.09. ist
das – denke ich – gelungen. Auch wird damit erreicht, dass es kein weiteres Auseinandertriften der
Einkommen der Tarifbeschäftigten und der Beamten gibt. Ich kann gar nicht verstehen, Herr Kowalleck, dass Sie das hier so kritisieren, denn das ist
die gängige Praxis, die auch unter Minister Voß so
eingebracht worden ist und die auch von Ihnen und
Ihrer Fraktion immer so mitgetragen worden ist.
Vielleicht noch zwei wichtige Punkte, denn die Inhalte sind jetzt ausführlich diskutiert worden. Wir
werden oft auf Personalratssitzungen oder in Beschäftigtenversammlungen gefragt, was denn nun
mit der Besoldungsanpassung ist, es sollte doch
am 1. September passieren und jetzt haben wir
doch schon November und es ist immer noch nichts
passiert. Dazu muss man noch mal sagen, dass wir
die Aufgabe hatten, die Verfassungsmäßigkeit der
Besoldung zu überprüfen. Das gilt sowohl für die
Vergangenheit, also für die letzten Jahre, das hat
uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben, als
auch für einen gewissen Ausblick auf die vor uns
liegenden Jahre, wobei man das eben nicht genau
abschätzen kann, weil da auch die Entwicklung des
Bruttoinlandsprodukts eine Rolle spielt und die
kann man natürlich nur schätzen bzw. prognostizieren, aber nicht genaue Voraussagen treffen. Wir
sind dann zu der Erkenntnis gekommen, die Besoldung in der Vergangenheit war verfassungsgemäß.
Wir gehen davon aus, dass das für die jetzt vorgeschlagene Besoldungserhöhung auch zutrifft. Das
hat ein bisschen gedauert, weil wir das wirklich exakt abprüfen mussten. Deshalb ist der Gesetzent-
wurf erst nach zwei Kabinettssitzungen dann im
September eingebracht worden. Aber ich denke
und bin mir ganz sicher, wenn wir heute zur Beschlussfassung kommen, werden wir das dann Ende November/Anfang Dezember auch bei der
nächsten Gehaltszahlung berücksichtigen und rückwirkend zum 1. September die Zahlung vornehmen,
sodass dies also in diesen Jahr noch zur rechten
Zeit erfolgt.
Eine zweite Sache, auf die ich noch kurz eingehen
möchte, sind die Änderungen, die von den Koalitionsfraktionen eingebracht worden sind. Das ist
einmal die Änderung bei der Mindestversorgung,
was wichtig ist, aber eben auch die Zuschläge, die
möglich sind, für die Beschäftigten, die in den Erstaufnahmeeinrichtungen große Arbeit leisten. An
dieser Stelle noch meinen herzlichen Dank an alle,
die dort tätig sind.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Wir möchten das in gewisser Weise, weil das wirklich über das normale Maß hinausgeht, würdigen
und die Möglichkeit schaffen, eine Stellenzulage
von 120 Euro pro Monat zu ermöglichen. Für Tarifbeschäftigte brauchen wir das nicht im Gesetz zu
regeln, da können wir mit außertariflichen Zulagen
arbeiten.
Das sind wichtige Änderungen, die sich im Laufe
des Gesetzgebungsverfahrens noch ergeben haben. Ausdrücklicher Dank an die Koalitionsfraktionen, dass das aufgenommen worden ist. Ich hoffe
jetzt auf Zustimmung zum Gesetzentwurf, damit wir
die Anpassung zur Besoldung auch noch rechtzeitig vornehmen können. Herzlichen Dank.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir haben jetzt
keine weiteren Wortmeldungen, sodass wir zur Abstimmung kommen zunächst über die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses in der Drucksache 6/1255. Ich frage, wer
dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen – aus
den Koalitionsfraktionen, danke schön, aus der
AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Enthaltungen? Enthaltungen aus der CDU-Fraktion.
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Keine
Position. Genau. Jetzt wissen wir es!)
Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen.
Wir kommen dann zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 6/978
2342
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Präsident Carius)
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Man
traut sich nicht einmal zu sagen, welche Position man hat!)
in zweiter Beratung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung zur Beschlussempfehlung in der Drucksache 6/1255. Wer dafür ist, den
bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Vielen Dank,
Zustimmung aus den Koalitionsfraktionen und der
AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Enthaltungen? Aus
der CDU-Fraktion. Vielen Dank. Damit ist auch der
Gesetzentwurf angenommen.
Wir kommen damit zur Schlussabstimmung über
den Gesetzentwurf. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt,
sich von seinen Plätzen zu erheben. Danke schön.
Gegenstimmen? Enthaltungen? Vielen Dank. Mit
Enthaltungen aus der CDU-Fraktion mit übergroßer
Mehrheit angenommen.
Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt und
rufe auf den Tagesordnungspunkt 4
Erstes Gesetz zur Änderung
des Thüringer Nachbarrechtsgesetzes
Gesetzentwurf der Landesregierung
- Drucksache 6/1173 ERSTE BERATUNG
Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Ich eröffne damit
die Aussprache und das Wort erhält Abgeordnete
Frau Dr. Martin-Gehl von der Fraktion Die Linke.
Abgeordnete Dr. Martin-Gehl, DIE LINKE:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren! „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Sie alle kennen dieses Sprichwort und manch
einer hat diese Erfahrung auch sicher schon selbst
machen müssen. Doch in den wenigsten Fällen
geht es um den bösen Nachbarn, wenn es zu Streitigkeiten kommt. Meist beruhen nachbarliche Unstimmigkeiten auf Missverständnissen, auf Unkenntnis rechtlicher Vorgaben oder schlichtweg auf
Unklarheit der Rechtslage.
Der vorliegende Gesetzentwurf zielt darauf ab, eine
Lücke zu schließen, nämlich eine bislang unklare
Rechtslage zu klären. Denn der Entwurf schreibt
das Thüringer Nachbarrecht nicht einfach im Wege
einer Entfristung fort, sondern er nimmt sich einer
Problematik an, die sich in den letzten Jahren als
konfliktträchtig gezeigt hat und die auch unsere Gerichte zunehmend beschäftigt. Es geht dabei speziell um die Frage, ob ein Grenzüberbau aufgrund
von Wärmedämmungsmaßnahmen von Grundstücksnachbarn geduldet werden muss. Nach den
bundesgesetzlichen Regelungen besteht ein sol-
cher Duldungsanspruch in der Regel nicht bzw. nur
unter engen, speziellen Voraussetzungen. Auch
nach dem Thüringer Nachbarrecht besteht das Problem, dass der Grundstücksnachbar quasi ein „Vetorecht“ hat, um eine ökologisch sinnvolle Wärmedämmmaßnahme am Nachbargrundstück zu verhindern. Das heißt, er kann einem Überbau auf sein
Grundstück seine Zustimmung verweigern und damit die Maßnahme undurchführbar machen.
Diese Rechtslage ist unbefriedigend. Denn die
Nachrüstung gerade älterer Gebäude mit wärmedämmendem Fassadenmaterial ist ein wichtiger
Beitrag zum Natur- und Klimaschutz und liegt damit
im Interesse des Allgemeinwohls. Um hier Abhilfe
zu schaffen, werden mit dem vorgesehenen § 14 a
des Gesetzentwurfs, der überschrieben ist mit
„Überbau durch Wärmedämmung“, nun im Thüringer Nachbarrecht die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um die energetische Sanierung
von Gebäuden zu fördern und damit zugleich ein
wichtiges Anliegen des Koalitionsvertrags umzusetzen.
Diese Änderung des Thüringer Nachbarrechts sieht
vor, dass an bestehenden Gebäuden, Fassadendämmungen, die bis maximal 25 Zentimeter in das
Nachbargrundstück hineinreichen, von Grundstücksnachbarn zu dulden sind, wobei – und das
findet sich dann in der Regelung im Einzelnen wieder – der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu
wahren ist. Immerhin geht es um einen Eingriff in
das Eigentumsrecht.
Dass eine solche landesgesetzliche Regelung mit
der konkurrierenden Gesetzgebung von Bund und
Ländern im Einklang steht bzw. dass der Thüringer
Landesgesetzgeber eine solche Duldungspflicht
überhaupt festlegen kann, hat ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007 bereits
klargestellt. Nach dieser Entscheidung bestehen für
den Landesgesetzgeber hinsichtlich des nachbarrechtlichen Überbaus eigene Gestaltungsmöglichkeiten, die durch die in Artikel 14 Grundgesetz verankerte Sozialbindung des Eigentums gedeckt sind,
denn „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“, so
heißt es in Artikel 14 Abs. 2 Grundgesetz.
Dass die energetische Wärmedämmung von Gebäuden nicht nur dem einzelnen Grundstückseigentümer, sondern letztlich auch dem Allgemeinwohl
dient, liegt auf der Hand. Energiesparmaßnahmen
und nachhaltige Energienutzung sind Bestandteil
des gesellschaftspolitischen Konzepts der Energiewende und diese beginnt im Kleinen, im eigenen
Grundstück, und sie endet eben nicht an der
Grundstücksgrenze. Diesem Anspruch trägt § 14 a
des Gesetzentwurfs Rechnung. Zugleich schafft die
Regelung Rechtssicherheit im nachbarschaftlichen
Miteinander und damit zumindest in dieser Frage
eine Basis für mehr gute als böse Nachbarschaft.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2343
(Abg. Dr. Martin-Gehl)
Weitere Regelungen des Gesetzentwurfs beinhalten notwendig gewordene inhaltliche und gesetzestechnische Anpassungen an andere Gesetze und
Verordnungen. Dabei geht es unter anderem um
nachbarliche Duldungspflichten für die Anbringung
von Schornsteinen, um Grenzabstände von Anpflanzungen im öffentlichen Verkehrsbereich, um
Abstände von Gebäuden zum Wald und das Zurückschneiden von Hecken.
Ich will auf Details hier nicht weiter eingehen. Zusammenfassend bleibt zunächst festzuhalten, dass
der Gesetzentwurf zum einen Bewährtes fortschreibt und zum anderen notwendige Regelungsbedarfe umsetzt, die sich seit der letzten inhaltlichen Änderung des Thüringer Nachbarrechts im
Jahr 2006 ergeben haben. Der Gesetzentwurf wird
daher von meiner Fraktion befürwortet und die
Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz beantragt. Danke schön.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Carius:
Vielen Dank. Damit erteile ich Herrn Abgeordneten
Scherer für die CDU-Fraktion das Wort. Herr Scherer, Sie haben das Wort.
Abgeordneter Scherer, CDU:
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, das
Nachbarrechtsgesetz enthält wichtige Regelungen
für ein friedliches Miteinander der Nachbarn. Viele
können sich vielleicht noch an das Lied erinnern –
das betrifft zwar das sächsische Nachbarrecht –:
(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:
Jetzt müssen Sie auch singen!)
Ich versuche mal, das Wort „Maschendrahtzaun“
– aber ich kann es, glaube ich, nicht richtig – sächsisch auszusprechen.
(Heiterkeit CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Wer sich an das Lied erinnert, weiß, worum es
geht, nämlich um das Nachbarrecht und vor allen
Dingen um den Frieden zwischen den Nachbarn.
Dem dient das Nachbarrechtsgesetz; es hat diverse
Regelungen über Grenzwände, Hammerschlag,
Leiterrechte, Durchleitung von Wasser und Abwasser usw. Die wesentliche Änderung – das ist eben
schon von meiner Kollegin angesprochen worden –
ist der § 14 a. Wir begrüßen, dass es dort jetzt eine
Regelung gibt, wobei ich schon noch etwas Diskussionsbedarf habe, wenn ich die 25 Zentimeter anschaue. Also wenn ich mir vorstelle, dass da einer
eine 25 Zentimeter dicke Dämmung draufpappt
– zum Nachteil des Nachbarn –, das erscheint mir
sehr viel, das macht doch kein Mensch. 15 Zentimeter reichen vielleicht auch. Aber darüber kann
man sich ja im Ausschuss noch mal unterhalten. Es
gibt noch zwei, drei kleinere Punkte, bei denen ich
meine, dass sie diskussionswürdig sind, zum Beispiel die Abstandsregelung in § 46 Abs. 2
Nummer 2, wo im Moment drinsteht, dass zu Grünflächen und zu Gewässern kein Abstand gehalten
werden muss mit Sträuchern und Bäumen. Jetzt
kommt noch dazu, dass auch zu öffentlichen Verkehrsflächen kein Abstand gehalten werden muss.
Das kann ich mir gar nicht so richtig vorstellen.
Dann pflanzt einer an die öffentliche Verkehrsfläche
direkt nebendran einen riesigen Baum. Der Baum
ragt dann in die öffentliche Verkehrsfläche hinein.
Dann kommen die Probleme mit den Lkws, die 3,
4 Meter hoch sind und nicht mehr darunter durchkommen. Das sind Punkte, bei denen ich meine,
darüber muss man noch einmal reden. Was ich
auch nicht so richtig nachvollziehen kann ist, in
demselben Paragrafen, dass auch ohne Abstandsflächen Anpflanzungen auf öffentlichen Straßen zulässig sein sollen. Auch da habe ich Verständnisprobleme, wie das geht. Und was ich für nicht
glücklich halte, ist, dass in § 49 steht, dass bei Neuanpflanzungen von Wald und bei Verjüngungen von
Wald ein Abstand von 30 Meter zum Grundstück zu
halten ist, also zu bebauten oder zu bebaubaren
Grundstücken. Meines Erachtens wäre es besser,
wenn man die 30 Meter zu Gebäuden als Abstand
halten würde, anstatt zu Grundstücken. Wenn das
Grundstück 300 Meter tief ist, ist es völliger Unsinn,
wenn ich von der Grundstücksgrenze dann noch
einmal 30 Meter Abstand halten soll. Und im Übrigen ist diese Regelung dadurch dann eigentlich obsolet, weil eine Übergangsregelung drin steht, dass
sie erst wirksam wird, wenn ein nach der Regelung
neu angepflanzter Wald verjüngt wird, das ist wahrscheinlich in 30 oder in 40 Jahren. Also ist es eine
Regelung, die in 40 Jahren in Kraft tritt, das halte
ich auch für wenig sinnvoll. Deshalb sind wir dafür,
im Ausschuss darüber zu debattieren. Danke
schön.
(Beifall und Heiterkeit CDU)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Herr Scherer. Das Wort erteile ich nun
Abgeordneter Marx für die SPD-Fraktion.
Abgeordnete Marx, SPD:
Verehrter Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Tat, Nachbarrecht ist immer so ein
bisschen vermintes Gelände, denn wenn die Nachbarn sich immer gut vertragen würden, bräuchten
wir das Nachbarrecht nicht. Es ist, wie auch sonst
im Rechtssystem, ein Konfliktrecht. Solange man
sich – wie gesagt – freundlich mit dem Nachbarn
über den Zaun oder ohne Zaun unterhält, brauchen
wir das alles nicht. Die Kollegin Frau Dr. MartinGehl hat schon sehr gründlich berichtet, was ei-
2344
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Marx)
gentlich der Kerninhalt dieses Gesetzes ist. Es geht
vor allen Dingen um die Duldungspflicht bei Wärmedämmung, allerdings natürlich nur bei nachträglich aufgebrachter Wärmedämmung. Jemand, der
neu baut, kann jetzt nicht sagen, ich darf mit meiner
Dämmung noch einmal bis zu 25 Zentimeter aufs
Nachbargrundstück, der muss natürlich von vornherein den Abstand einhalten. Ja, 25 Zentimeter ist
schon ordentlich, aber entscheidend ist, dass in
dem Gesetz auch eine Rückbauverpflichtung vorgesehen ist. Wenn der Nachbar seine Nutzung des
Grundstücks insoweit zum Beispiel ändert, als dass
er eine Einfahrt anlegen will und wenn die bis zu
25 Zentimeter im Weg sind, entsteht unter Umständen auch wieder eine Rückbauverpflichtung. Insofern ist das jetzt nicht ein für alle mal festgeschrieben, dass ein Viertelmeter Grundstücksgrenze an
einer Bauwand für den duldungspflichtigen Nachbarn endgültig verlustig gehen würde. Es gibt natürlich auch noch andere Fragen. Die halte ich schon
noch einmal einer vertieften Beratung für würdig.
Der Kollege Scherer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Bepflanzungsgrenze Null zum öffentlichen Straßenraum oder vom öffentlichen Straßenraum zum Grundstück schon ein Problem darstellen kann.
(Beifall CDU)
Wenn ich einen öffentlichen Verkehrsraum habe,
geht es auch um Übersichtlichkeit. Ich bin im richtigen Leben Rechtsanwältin. Ich habe auch schon
Fälle gehabt, wo eine Hecke an der Grundstücksgrenze, die direkt an eine Verkehrsfläche angrenzt,
den Blick zum Beispiel auf eine Einfahrtsstraße beschränkt und dass es dort dann zu unfallträchtigen
Situationen kommt. In meiner Heimat Sondershausen hat man jetzt, es hat mir eigentlich leid getan um die schönen Bäume, entlang der B 4 die
ganzen Bäume zwischen der Bahnstrecke Bahnübergang im Graß abgesägt. Wer die Strecke
kennt, das war eine sehr unübersichtliche Strecke.
Da gab es wohl auch häufiger Unfälle. Jetzt sind
die Bäume weg, finde ich eigentlich schade, aber
wie gesagt, das sind Dinge, die wir auch im zuständigen Ausschuss noch einmal vertieft beraten sollten. Nur darum geht es heute, dass wir diesen Gesetzesvorschlag, der ansonsten wichtige und unerlässliche Anpassungen enthält und auch wegen der
Überbaupflicht im Grunde wichtig ist, im zuständigen Fachausschuss noch einmal gründlich beraten,
denn, wie gesagt, Nachbarrecht – vermintes Gelände. Auch wir beantragen die Überweisung an den
zuständigen Ausschuss für Migration, Justiz und
Verbraucherschutz.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Frau Marx. Das Wort hat nun Abgeordneter Möller für die AfD-Fraktion.
Abgeordneter Möller, AfD:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Nachbarrechtsgesetzes macht auf den ersten Blick den
Eindruck, als gehe es in der Hauptsache um ein
paar gesetzestechnische Details, namentlich um
die Entfristung eines ja längst bestehenden Gesetzes und um ein paar Anpassungen an andere
Bestimmungen wie etwa an Regelungen des Straßengesetzes.
Allerdings zeigt sich rasch, dass es hier auch eine
durchaus erhebliche und relevante materiell-rechtliche Änderung gibt. Dies betrifft die Frage, ob ein
Grundstückseigentümer, der ein bestehendes Gebäude mit einer Außendämmung versehen will, die
Zustimmung des Nachbarn – also genauer, des Eigentümers des Nachbargrundstücks – einholen
muss, wenn das Gebäude an der Grundstücksgrenze steht. Mit anderen Worten geht es darum, ob es
als Grundstückseigentümer noch meiner Einwilligung bedarf, wenn ich der Nachbar bin, ob eben
der Nachbar mir de facto einen Teil meines Grundstücks wegnehmen darf, um eben beispielsweise
seine Ausdämmung auf meinem Grundstück unterzubringen. Da muss ich eben der Kollegin Marx widersprechen, die meint, man nimmt da dem Nachbarn nichts weg. Es gibt einen alten, einfachen physikalischen Grundsatz und der lautet: Wo ein Körper ist, kann kein anderer sein. Der gilt natürlich
auch im Nachbarrecht.
(Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz: Das kann
man so und so sehen!)
Nein, den kann man nicht so und so sehen. Der gilt
absolut. Es tut mir leid, Frau Siegesmund. Ja, auch
bei den Grünen, dafür werden Sie sich also keine
Ausnahme von der Physik einräumen lassen können.
Nach den Grundsätzen unseres seit über hundert Jahren geltenden Zivilrechts bedarf es in Fällen der Nutzung eines Grundstücks, was mir nicht
gehört, der Zustimmung des Grundstückseigentümers. Es gibt sogar Regelungen für Fälle der willkürlichen Verweigerung. Es gibt also – da muss ich
auch Frau Dr. Martin-Gehl widersprechen – in diesem Fall keine Regelungslücke, sondern es gibt eine Regelung, nur gefällt die Ihnen nicht. Sie möchten nämlich einführen, dass man in den genannten
Fällen einfach zu dulden hat, wenn ein Nachbar
vorsätzlich in das Nachbargrundstück hineinbaut,
solange dieser damit ein Ziel verfolgt, welches das
besondere Wohlwollen der rot-rot-grünen Klima-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
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(Abg. Möller)
ideologen hat. Genau das ist der Kern der Angelegenheit.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Da knüpfen wir an gestern
an!)
Dieser Kern betrifft das Eigentumsrecht, das Recht,
über die Dinge, deren Eigentümer man ist, autonom, also frei zu verfügen.
Warum will die Landesregierung derart ins Eigentumsrecht eingreifen? In Ihrer Begründung zum Gesetzentwurf verweist die Regierung auf den sogenannten Stand der Technik und auf die Energiewende, die durch Verbesserung der Energieeffizienz voranzutreiben ist. So heißt es wörtlich: „Dies“
– gemeint ist die bisher notwendige Zustimmung
des betroffenen Nachbarn – „erschwert die Anpassung von Bestandsbauten an den heutigen Stand
der Technik einerseits und verhindert die Verbesserung der Energieeffizienz bei Bestandsgebäuden,
die einen wesentlichen Bestandteil der Energiewende darstellt, andererseits.“
Meine Damen und Herren, natürlich kann man sagen, dass das doch nur Lappalien seien, wenn jemand ein paar Quadratmeter seines Grundstücks
ungefragt opfern muss, wo es doch immerhin mit
der Energiewende um die Rettung der ganzen Welt
geht.
(Beifall AfD)
Und gewiss kann man erst mal behaupten, dass
das ja bestimmt nicht allzu viele Fälle beträfe, dass
die Eingriffe doch nur recht geringfügig seien, dass
die De-facto-Wegnahme von Grundstücksfläche
ohnehin nur unter engen Bedingungen geduldet
werden müsse und dann ja auch noch ein Ausgleich in Geld – also eine Entschädigung – gezahlt
werde. Aber, meine Damen und Herren, so kann
man nur argumentieren, wenn man sich bereits an
die krakenhafte Ausbreitung des bevormundenden
Staats gewöhnt hat, wenn es einem ganz selbstverständlich erscheint, dass die Obrigkeit schon weiß,
was richtig ist und wenn man meint, dass die Freiheit, zu der auch die Eigentumsfreiheit gehört, und
die Interessen der Individuen nicht so wichtig sind,
wenn es um die von jener rot-rot-grünen Obrigkeit
zu gestaltende Zukunft des Planeten geht.
(Beifall AfD)
Aber von alldem, meine Damen und Herren, sind
wir von der AfD nicht überzeugt. Ich darf Sie daran
erinnern, dass es hier um ein grundlegendes Prinzip der freiheitlichen Gesellschaft geht, nämlich um
das Prinzip der Privatautonomie. Auf der Privatautonomie ruht unser gesamtes Zivilrecht. Die Privatautonomie ist verfassungsrechtlich durch die Handlungsfreiheit, Artikel 2, garantiert. Zur Privatautonomie gehört, dass der Eigentümer über seine Sache
frei verfügen darf, so er andere damit nicht schä-
digt. Zu ihr gehört, dass man seine Freiheit auch in
einer Weise gestalten darf – jetzt hören Sie gut zu,
Frau Rothe-Beinlich –, die der rot-rot-grünen Obrigkeit nicht gefällt, solange man andere damit nicht
schädigt.
(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Dabei wollten
Sie gestern noch die Verfassung ändern!)
Das hätte ja unserer Demokratie genutzt, aber da
waren Sie dagegen, Frau Marx. Tut uns leid, noch
haben wir nicht die Mehrheiten, aber irgendwann.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Das wäre ja wohl gelacht!)
Wenn Sie so weitermachen, dann haben wir die irgendwann.
Die Privatautonomie ist heute aus verschiedenen
Gründen gefährdet, und zwar heute mehr denn je.
Unter anderem ist es ein bevormundender Staat
rot-rot-grüner Prägung und im europäischen Fall ist
es auch noch die EU, die mit immer mehr Regeln in
das Privatleben und in die Freiheitsrechte der Menschen eingreift. Das gilt im Großen, wenn beispielsweise sogenannte Antidiskriminierungsgesetze
oder Quotenregelungen die unternehmerische Freiheit einzwängen und alle möglichen gesetzlichen
Auflagen einen überbordenden bürokratischen oder
finanziellen Aufwand für die Privaten hervorbringen.
Aber es gilt auch im Kleinen, wie beispielsweise
hier im Zivilrecht, wo die betroffenen Grundstückseigentümer bzw. Nutzungsberechtigten gezwungen
werden, Eingriffe Dritter in ihre Rechte zu dulden,
weil damit die Rettung der Welt vorangebracht werden soll.
(Beifall AfD)
Natürlich können Freiheitsrechte, ja sogar Grundrechte beschränkt werden, wenn sie mit anderen
Rechtsgütern in Ausgleich gebracht werden müssen. Das ist klar und gilt im Übrigen entgegen einer
landläufig linken Rechtsmeinung sogar für das
Asylrecht. Und natürlich gilt auch die Privatautonomie nicht absolut, aber eine Beschränkung der privaten Freiheit muss gut begründet werden. Davon
ist dieser Regierungsentwurf meilenweit entfernt.
(Beifall AfD)
Tatsächlich geht es nämlich um ein überaus fragwürdiges und durchideologisiertes Projekt, dem die
private Freiheit hier einmal mehr weichen soll. Es
ist das Projekt der Energiewende, ein Projekt, das
die Bürger auch in Thüringen schon jetzt teuer zu
stehen kommt, und zwar nicht nur in finanzieller
Hinsicht. Das liegt daran, dass die Energiewende
bei Ihnen sozusagen quasi religiöse Züge bzw. ersatzreligiöse Züge hat und damit entsprechend moralisch überhöht ist.
(Beifall AD)
(Heiterkeit SPD)
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(Abg. Möller)
Dieser Moral sollen nun die Eigentumsrechte einmal mehr weichen. Aber, meine Damen und Herren
von der rot-rot-grünen Fraktion, das ist die Politik
der Illiberalen, das ist eine Politik der Freiheitszerstörung, das ist eine typische links-grüne Gouvernantenpolitik, die Sie da betreiben.
(Beifall AfD)
(Heiterkeit SPD)
Die Freiheit wird heute nicht mit einem Schlag abgeräumt, sondern durch links-grüne Besserwisser
mit Missionierungsattitüde im täglichen Kleinklein
der staatlichen Bevormundung Stück für Stück abgeschafft.
(Beifall AfD)
(Heiterkeit SPD)
Sie dienen mit diesem Gesetzentwurf auch nicht
dem Nachbarschaftsfrieden. Das ist absurd. Wenn
ich hinnehmen soll, dass mein Nachbar ohne meine
Zustimmung mein Grundstück nutzt, wie soll das
denn dem Nachbarschaftsfrieden dienen? Das ist
absurd, Ihre Vorstellung. Es tut mir leid, anders
kann man es nicht bezeichnen.
(Beifall AfD)
Die AfD ist mit dem Ziel angetreten, einer solchen
antiliberalen Politik und Bevormundung und Gängelung der Bürger entgegenzutreten. Wir wollen nicht
immer mehr Willkür auf Kosten der Freiheit, sondern wir wollen wieder mehr Freiheit in diesem
Land und daher lehnen wir diesen Gesetzentwurf
komplett ab. Wir werden auch keiner Überweisung
an den Ausschuss zustimmen. Danke.
(Beifall AfD)
(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Jawohl, Freiheit!)
Präsident Carius:
Vielen Dank. Das Wort hat nun Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten
Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler. Herr Möller, ich kann Ihre Rede nur als untauglichen Versuch, den abwesenden Fraktionsvorsitzenden zu kompensieren, verstehen.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Der
ist schon schwach, aber der hier ist noch
schwächer!)
Die Aneinanderreihung der immer gleichen Wortgruppen wird auch nicht besser, egal zu welchem
Thema Sie die hier vortragen. Wenn Sie etwas zum
vormundschaftlichen Staat lesen wollen, empfehle
ich Ihnen die Lektüre von Rolf Henrich, ein sehr lesenswertes Buch.
(Unruhe AfD)
Doch nun zum Nachbarrechtsgesetz, was uns heute hier eigentlich beschäftigt. Da geht es eben nicht
um krakenhafte Ausbreitungen vom bevormundenden Staat, ganz und gar nicht, sondern – Herr
Scherer hat es hier dargestellt – es geht um maximal 25 Zentimeter Bebauung durch Wärmedämmung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da
sollten wir vielleicht auch die Wärmedämmung quasi beim Haus lassen und nicht ausufernd in die Welt
tragen.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Mit gutem
Recht!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, acht Bundesländer haben in den letzten fünf Jahren in ihren
Gesetzen einen solchen Duldungsanspruch verankert, und es ist in der Tat ein in die Jahre gekommenes Gesetz, über das wir hier reden. Es stammt
nämlich aus dem Jahr 1992, wurde erstmals geändert im Jahr 2010 und ist befristet bis zum 31.12.
dieses Jahres. Genau deshalb müssen wir uns jetzt
damit beschäftigen und ich bin der Landesregierung sehr dankbar, dass sie nicht nur eine formale
Entfristung vornimmt, sondern sich tatsächlich auch
den Fragen stellt, die im Nachbarrecht immer wieder zu Diskussionen führen, die einer Regelung bedürfen, und sich da auch den Herausforderungen
stellt, die der Klimawandel mit sich bringt und
dementsprechend auch einer beispielsweise notwendigen Wärmedämmung.
Die inhaltlichen Änderungen hat meine Kollegin Iris
Martin-Gehl sehr umfangreich vorgetragen. Vielen
Dank dafür. Ich will auch nur noch einmal kurz zusammenfassen, was die wesentlichen Neuerungen
des Gesetzes tatsächlich anbelangt. Da geht es um
die energetische Sanierung von Bestandsbauten.
Es besteht also eine privatrechtliche Duldungspflicht, wenn durch das Anbringen einer Außenisolierung an einer Gebäudewand auf der Grundstücksgrenze ein Überbau entsteht. Ob da die
25 Zentimeter genau die richtige Marge sind oder
nicht, darüber kann man sicherlich diskutieren. Es
darf jedenfalls nicht mehr sein. Das regelt dann das
Gesetz und das ist, glaube ich, auch entscheidend
und im wahrsten Sinne des Wortes auch überschaubar. Die anderen etwas unbedeutenderen Änderungen beziehen sich auf die Schornsteinhöhen,
auf Grenzabstände bei Anpflanzungen. Darüber
muss man sicherlich tatsächlich nachdenken, was
den direkten Straßenraum betrifft. Frau Marx hat ja
darauf hingewiesen, dass man die Übersichtlichkeit
in jedem Fall gewährleisten muss. Es geht um
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
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(Abg. Rothe-Beinlich)
Grenzabstände bei Gebäuden zum Waldrand, da
fand ich den Hinweis von Herrn Scherer ganz richtig, darüber nachzudenken, ob man nicht tatsächlich ausschließlich von Gebäuden ausgehen sollte
und weniger von Grundstücksflächen, gerade wenn
es sich dabei um unbebautes Gelände handelt.
Und es geht auch um das Zurückschneiden von
Pflanzen.
Was sind die Argumente für die Änderungen? Natürlich Wärmedämmmaßnahmen, die einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten – durch Verbesserung der Energieeffizienz, durch den hohen
Anteil der Raumwärme am Endenergieverbrauch
wirken sich Energieeinsparungen in diesem Sektor
auch besonders günstig auf die bessere CO2-Bilanz
aus. Wir werden das Gesetz ja auch im Ausschuss
beraten, ich hoffe, zeitnah, denn wie gesagt, zum
Ende des Jahres läuft das jetzige Gesetz aus. Ich
freue mich auf eine sachliche Debatte. Ich glaube,
den gesamten ideologischen Ballast, den wir eben
vom Vorredner hören mussten, können wir da außen vor lassen. Ich bitte in diesem Sinne um Überweisung an den Justiz- und Migrationsausschuss.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Präsident Carius:
Herzlichen Dank, Frau Rothe-Beinlich. Weitere
Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten
liegen mir nicht vor. Seitens der Landesregierung
gibt es auch keinen Redewunsch, sodass wir zur
beantragten Ausschussüberweisung kommen.
Es ist die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz
beantragt worden. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt
um sein Handzeichen. Vielen Dank. Gegenstimmen? Gegenstimmen aus den Reihen der AfDFraktion. Mit übergroßer Mehrheit an den Ausschuss überwiesen. Wir schließen damit diesen Tagesordnungspunkt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5
Thüringer Gesetz zur Änderung der Rechtsverhältnisse
im juristischen Vorbereitungsdienst
Gesetzentwurf der Fraktionen
DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 6/1216 - Neufassung ERSTE BERATUNG
Frau Marx wünscht das Wort zur Begründung.
Abgeordnete Marx, SPD:
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit
diesem Gesetzentwurf sollen sich die Rechtsverhältnisse im juristischen Vorbereitungsdienst ändern, und zwar insoweit, dass das bisherige befristete Beamtenverhältnis – das Beamtenverhältnis
auf Zeit – in ein Angestelltenverhältnis umgewandelt wird. Natürlich hätte es der eine oder andere
vielleicht schöner gefunden, es wäre dabei geblieben. Aber wir sind das einzige Bundesland, das
sich noch diese Verbeamtung auf Zeit leistet. Deswegen ist es eine Anpassung – wie wir denken –
überfällig und auch nicht schädlich. Mit der Umstellung auf ein Angestelltenverhältnis sinkt formal erst
einmal die Besoldungshöhe, das ist richtig. Bisher
sind das rund 1.300 Euro im Beamtenverhältnis, die
ein Rechtsreferendar oder eine Rechtsreferendarin
erhält. Das wird nun künftig weniger sein, und zwar
1.100 Euro Bruttosalär, aber es gibt nicht nur Nachteile, es wird auch Vorteile geben, beispielsweise
die Einbeziehung in die gesetzliche Versicherungspflicht. Damit einher geht dann eben auch die Berechtigung, falls im Anschluss an das Referendariat
Arbeitslosigkeit eintritt, dass dann ALG-Leistungen
in Anspruch genommen werden können. Das hat
es bisher alles nicht gegeben. Die Befürchtungen,
die manche damit verbunden haben, dass junge
Juristen in der Ausbildung vielleicht nach Thüringen
kommen, weil man dort ein kurzfristiges Beamtenverhältnis ergattern kann, und dass das, wenn das
wegfiele, ein Wettbewerbsnachteil sei, kann man so
nicht bestätigen. Bisherige Gespräche mit Betroffenen haben gezeigt, dass eigentlich niemand von
den auswärtigen jungen Juristinnen und Juristen
wegen dieses Beamtenstatus nach Thüringen eingewandert oder vorübergehend zu uns gekommen
wäre, sodass wir meinen, dass diese Anpassungen
an bundesweite Regularien vertretbar und im Rahmen einer sparsamen Haushaltsführung auch den
Betroffenen zuzumuten sind.
Wie gesagt, wenn wir hier in Thüringen im Reich
der Seligen und des fließenden, sprudelnden Geldes leben würden, dann hätten wir auch gern das
Salär hochgesetzt, um möglicherweise noch diesen
Wettbewerbsvorteil zu erreichen, aber unter den
gegenwärtigen Bedingungen ist diese Anpassung
etwas, was wir Sie bitten wollen, positiv zu begleiten. Aber auch hier kommt natürlich erst einmal die
Befassung im zuständigen Ausschuss, bevor wir
hier endgültig das Recht verändern. Die Haushaltswirksamkeit würde sich allerdings erst ergeben,
wenn die derzeitigen Ausbildungsjahrgänge durch
sind. Aber trotzdem können wir jetzt und heute hier
anfangen, Vorsorge zu treffen. Auch hier wird beantragt, dann im Ausschuss die Sache fachlich weiter
zu beraten. Vielen Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
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Präsident Carius:
Vielen Dank, Frau Marx. Ich eröffne damit die Aussprache und erteile Frau Walsmann für die CDUFraktion das Wort.
Abgeordnete Walsmann, CDU:
Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Anrede wollte ich eigentlich ein bisschen anders beginnen, aber, Frau Marx, ich bin einfach sprachlos
über Ihren Beitrag. So viel Realitätsausblendung,
also das kann ich gar nicht verstehen. Ich meine,
Sie haben das ja alles verfolgt in den letzten Jahren.
„Thüringer Gesetz zur Änderung der Rechtsverhältnisse im juristischen Vorbereitungsdienst“ – mit diesen wunderschönen Worten wird der vorliegende
Gesetzentwurf überschrieben, der meiner Meinung
nach tatsächlich eigentlich nur ein Ziel hat, nämlich
die Ausbildungsvergütung der Thüringer Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare abzusenken
und das drastisch. Zu den am Grundbetrag orientierten Einkommenseinbußen von 200 Euro im Monat – bisher 1.309 Euro, nach Ihren Planungen nur
noch 1.100 Euro – kommen verschärfend noch die
Sozialversicherungsbeiträge hinzu, die den Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren zusätzlich
aufgebürdet werden. Je nach Steuersatz gehen
dann von den 1.100 Euro Brutto nochmals um die
200 Euro an Sozialabgaben ab. Die Steuerquote
liegt in diesem Bereich in einer zu vernachlässigenden Höhe um die 50 Euro.
Was bringt das insgesamt für den Landeshaushalt?
Ab dem Jahr 2018 vielleicht eine jährliche Ersparnis
von 300.000 Euro. Die zweijährige Ausbildung eines jeden Rechtsreferendars wird dann um rund
7.000 Euro billiger. Kurzum, meine Damen und
Herren, anderenorts laufen die Programme zur
Fachkräftegewinnung, und die Thüringer Justiz will
7.000 Euro an jedem berufsfertig ausgebildeten Juristen sparen.
(Beifall CDU)
(Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Andere machen das schon lange!)
Leider ist der Herr Minister nicht persönlich da. Ich
sage nur, Zahlen sind manchmal unangenehm.
Zahlen beleuchten die Wahrheit und wir sollten uns
einmal genau vor Augen führen, welche Konsequenzen die Zahlen haben, die sich hinter diesem
Gesetzentwurf verbergen. Bei um die 900 Euro netto – und das ist schon aufgerundet –, in diesem
Einkommensbereich werden Thüringer Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare landen.
900 Euro, das wäre ein Einkommensverlust von
mehr als 20 Prozent. Sozial sieht anders aus.
Gut, Sie sagen, dass wir uns damit an das niedrige
Niveau anderer Länder anpassen. Wollen wir das?
Können wir uns das mit Blick auf die Zukunft leisten? Wir brauchen gut ausgebildete junge Juristinnen und Juristen und wir brauchen sie genauso wie
gut ausgebildete Polizisten und Polizistinnen, gut
ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, gut ausgebildete Beamtinnen und Beamte. Wir brauchen diese
jungen Leute und Sie wollen ihnen mit diesem Gesetz einen massiven Einkommensverlust zumuten.
Wir brauchen sie für die Rechtspflege in unserem
Land und Sie vertreiben diese jungen Menschen
durch gravierende Gehaltskürzungen. In weniger
als fünf Jahren wird in der Thüringer Justiz ein Generationenumbruch beginnen, der selbst mit den
heutigen Absolventenzahlen kaum zu bewältigen
sein wird. Das gilt für den ganzen staatlichen Bereich, aber nicht nur für diesen, auch die Wirtschaft
braucht gut ausgebildete Juristinnen und Juristen.
Schon heute sehen wir, dass die Nachfrage deutlich über den Ausbildungszahlen liegt. Und in dieser
Situation – ich kann mich da nur wiederholen – wollen Sie die Ausbildung und den Ausbildungsstandort Thüringen schwächen.
Angesichts des schon heute bestehenden Bedarfs
an Juristinnen und Juristen frage ich: Frau Staatssekretärin, glauben Sie wirklich, dass Sie dem Gebot der hinreichenden Nachwuchsgewinnung nicht
nur für die Justizjuristen, sondern für die juristische
Kompetenz in allen Bereichen Thüringens mit diesen Gehaltsabsenkungen gerecht werden? Wollen
Sie wirklich, dass sich Justiz, öffentliche Verwaltung, aber eben auch die Wirtschaft und der Dienstleistungsbereich wieder auf den Weg der qualitativen Abwärtsspirale begeben? Wollen Sie wirklich,
dass Thüringen in den nächsten Jahren wieder jeden einstellt, der sein Examen irgendwie und irgendwo bestanden hat? Gerade für die besten Absolventen der juristischen Fakultät in Jena, die auch
in anderen Bundesländern den Vorbereitungsdienst
beginnen können, wird es noch weniger Gründe geben, sich für Thüringen zu entscheiden.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Die kriegen auch nicht
mehr!)
(Beifall CDU)
Angesichts des schon heute bestehenden Bedarfs,
meine Damen und Herren, ist das eigentlich eine
Unverschämtheit.
(Beifall CDU)
Sie haben mit dem Haushaltsgesetz 2015 die Ermächtigung erhalten, im Justizbereich 17 neue Proberichterinnen und Proberichter einzustellen. Genau dies haben Sie auch öffentlich verkündet. Ich
frage Sie: Haben Sie diese 17 Stellen mittlerweile
besetzen können, wenn nein, warum nicht? Fehlt
es etwa bereits heute an der ausreichenden Absolventenzahl? Warum streichen Sie dort, wo dringender Bedarf besteht? Die Not der rot-rot-grünen Re-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
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(Abg. Walsmann)
gierung ist andernorts offenbar so groß, dass diese
Regierung und die sie tragenden Fraktionen bereit
sind, um der 200 Euro im Monat willen junge Menschen in der Ausbildung mit einem Nettoeinkommensverlust in doppelter Höhe zu bestrafen.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Andere Bundesländer zahlen noch weniger!)
Gehaltskürzungen um jeden Preis durch einen Gesetzentwurf der Parteien, die sich mit den Attributen
„sozial“ und „sozialistisch“ schmücken und anderswo als Mindestlohnverfechter und Retter auftreten.
Sozial, meine Damen und Herren, sieht anders aus.
(Beifall CDU, AfD)
Oder ist das Ihr erster Schritt zur stärkeren Belastung der sogenannten Besserverdiener? Sie verschlechtern mit diesem Gesetz die Einkommensseite junger Rechtsreferendarinnen und -referendare
gravierend, junger Menschen, die sich in ihrer berufspraktischen Ausbildung befinden, junger Menschen, die wir gerne hier in Thüringen halten wollen
und junger Menschen, die vielleicht schon eine Familie gegründet haben, junger Menschen, auf die
das Land, dieses Land, dieser Freistaat angewiesen ist.
(Beifall AfD)
Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, wird dazu führen, dass sowohl der Justiz und der öffentlichen Verwaltung, aber auch der Wirtschaft eben
nicht mehr die besten Juristen und Juristinnen in
ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Dieses
Gesetz macht aber auch Schluss mit einem besonderen Thüringer Weg der Nachwuchsgewinnung,
der bisher auch über Parteigrenzen hinweg Konsens war. Thüringen hat für das Amt von Richtern
und Beamten immer im Status von Richtern und
Beamten ausgebildet. Das besondere Treue- und
Pflichtenverhältnis war uns wichtig. Junge Menschen wurden damit auf Augenhöhe an ihren künftigen Beruf herangeführt. Und das wollen Sie – ich
richte das an Herrn Minister Lauinger speziell – nun
aufgeben? Dabei verfängt der Hinweis auf die anderen deutschen Länder nun wirklich nicht. Die Aufgabe des Beamtenstatus für Rechtsreferendarinnen
und Rechtsreferendare war bis zum Jahr 2009 der
rechtlich einzig mögliche Wege, Referendargehälter
zu senken. Deshalb sind alle anderen Länder diesen Weg gegangen und deshalb stehen alle anderen Länder heute bereits genau vor der Notsituation, die ich eben beschrieben habe. Sie wissen
nicht, woher sie ihren juristischen Nachwuchs nehmen sollen. Es gibt erste Länder, die nicht mehr in
der Lage sind, Proberichterstellen zu besetzen, es
gibt erste Programme, man höre und schreibe, zur
Personalgewinnung in diesem Bereich und es fehlt
in anderen deutschen Ländern schlicht an Absolventen. Alle Thüringer Justizminister, gleich wel-
cher Partei, die Verantwortung für das Thüringer
Justizressort getragen haben, haben sich diesem
„Race to the bottom“ bislang aus den von mir aufgezeigten Gründen verweigert – Otto Kretschmer,
Andreas Birkmann, Karl Heinz Gasser, Harald
Schliemann, meine Person und der heutige Innenminister. Wir alle waren uns darüber im Klaren, was
geschieht, wenn man die Axt an die Wurzeln der
Justiz, an ihren Nachwuchs, legt, und wir haben gesehen, dass der Beamtenstatus für junge Juristinnen und Juristen der einzig richtige Weg ist. Warum
können Sie das nicht nachvollziehen? Herr Minister, Frau Staatssekretärin, das Argument „Alle anderen haben doch auch!“ ist für sich gesehen nur
der Ruf des letzten Lemmings, der hinter seinen
Artgenossen über die Klippe springt. Die Ausbildung im Status des Beamten auf Widerruf hat ihren
eigenen Wert und ihre eigene Attraktivität. Ein Status, den die Regierungsfraktionen merkwürdigerweise auch nur für die Justiz bereit sind zu opfern.
Ein Blick über die Regierungsbank, soweit sie denn
besetzt ist, lässt schon die Frage aufkommen,
warum nur die Justizanwärter daran glauben sollen.
Warum soll wiederum allein die Justiz Opfer bringen, von denen andere Ressorts schon verschont
bleiben oder sogar profitieren? Burden Sharing
nach Art von Rot-Rot-Grün? Ausgebildet wird in nahezu jedem Ressort, aber der Bereich mit den geringsten Anwärterzahlen soll bluten. Die Zahl der
Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare beläuft sich auf rund 100 Neueinstellungen im Jahr.
Die Ausbildung ist zweijährig, sodass wir auf die
doppelte Bestandszahl 200 kommen und auch der
aktuelle Haushaltsentwurf bildet diese Zahlen so
ab. Die höchste Zahl an Anwärterinnen und Anwärtern weist das Ministerium für Bildung, Jugend und
Sport auf. Die Zahl der Lehramtsreferendare
übersteigt diejenigen der Rechtsreferendare um ein
Vielfaches. Warum schließt sich Frau Ministerin
Klaubert diesem Gesetzesvorhaben nicht an? Das
Einsparpotenzial im Lehramtsbereich ist ungleich
größer. Frau Ministerin Taubert ist nicht da, aber
wir könnten doch auch die Finanzanwärter im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis ausbilden. Es wäre interessant, dieses Einsparpotenzial
zu ermitteln. Keine Sorge, es ist nicht ernst gemeint. Oder ist dieses Gesetz nur der Testlauf für
eine zweite, eine deutlich einträglichere Kürzungsrunde? Ist dieses Gesetz vielleicht der Versuch, für
Aufgaben, die der Justiz aufgebürdet wurden, irgendeine finanzielle Kompensation zu finden, sei
sie auch noch so gering? Sparen Sie, Herr Minister
Lauinger, Frau Staatssekretärin, die Justiz für andere Politikfelder kaputt?
Sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Gesetz wollen die Regierungsfraktionen Einsparungen
erzielen. Sparwille und Haushaltsdisziplin sind
grundsätzlich unterstützenswert,
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Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Walsmann)
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Aber nicht da?)
nur wird uns am Ende dieses Gesetz deutlich teurer
zu stehen kommen als die 7.000 Euro, die wir pro
Referendar sparen. Und das ist unsozial, es zielt
auf die niedrigste Einkommensgruppe der Auszubildenden, Sie belasten junge Menschen und junge
Familien und Sie graben dem Land den dringend
benötigten juristischen Nachwuchs ab. Diesem Gesetz muss eigentlich die Zustimmung verweigert
werden, aber es gibt ja noch Hoffnung auf die Ausschussbefassung. Vielleicht ist noch ein Einsehen
möglich. Danke schön.
(Beifall CDU, AfD)
Präsident Carius:
Vielen Dank, Frau Walsmann. Als Nächste hat das
Wort Frau Abgeordnete Dr. Martin-Gehl.
Abgeordnete Dr. Martin-Gehl, DIE LINKE:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren! Frau Walsmann, Sie haben die Umstellung des juristischen Referendariats in ein Anstellungsverhältnis in sehr düsteren Farben geschildert und völlig ausgeblendet, dass es sehr viel Positives mit sich bringt, wenn diese Umstellung vollzogen wird.
Positiv zu bewerten ist nämlich, dass befristet angestellte Rechtsreferendare, anders als im Beamtenverhältnis, in die gesetzliche Sozialversicherung
eingegliedert sind. So erwerben sie mit ihren Beitragszahlungen Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung und können, falls sie keine Anschlussbeschäftigung finden, Arbeitslosengeld I beziehen. Dieses unterliegt als beitragsgestützte Leistung keiner Bedürftigkeitsprüfung und dürfte in der
Höhe über den bisher für Referendare zugänglichen Leistungen liegen.
Bisher konnten Rechtsreferendare nach ihrem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis bei entsprechender Bedürftigkeit lediglich Arbeitslosengeld II,
also das sogenannte Hartz IV, in Anspruch nehmen. Als Beamte haben sie keine Beiträge in die
Arbeitslosenversicherung eingezahlt und damit
auch keinen Anspruch auf ALG I erwerben können.
Dies wäre nur dann kein Problem, wenn sich nach
dem Referendariat nahtlos eine Beamtenlaufbahn
anschließen würde, was indes nur wenigen Rechtsreferendaren heutzutage vergönnt ist. Vor dieser
Realität darf man die Augen nämlich auch nicht verschließen. Zuweilen ergeben sich nach dem Referendariat für die Betroffenen Zeiten der beruflichen
Orientierung, die auch finanziell überbrückt werden
müssen. Der bisher verbeamtet gewesene Referendar musste hierfür auf seine Ersparnisse zurückgreifen, wenn eben wegen dieser Ersparnisse kein
Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestand. Diese Si-
tuation wird sich mit der neuen Rechtslage und
dem Anspruch auf Arbeitslosengeld I für alle Referendare gleichermaßen grundlegend verbessern.
Problematisch an dem Gesetzentwurf ist indes, das
ist ausgeführt, dass die Statusänderung der
Rechtsreferendare mit einer spürbaren Nettogehaltskürzung verbunden ist. Zwar liegt die vorgesehene Ausbildungsvergütung – Unterhaltsbeihilfe genannt –, das sollte man auch sehen, mit 1.100 Euro
monatlich etwa im Mittelfeld der Bundesländer.
Doch im Hinblick darauf, dass die Besoldung der
Rechtsreferendare im Beamtenstatus bisher netto
höher lag, ergeben sich Bedenken dahin gehend,
dass Gleiches ohne erkennbaren Grund ungleich
behandelt wird. Denn, wenn die bisherige höhere
Besoldung für die Tätigkeit der Rechtsreferendare
mit Beamtenstatus als angemessen angesehen
wurde, erschließt sich nicht, weshalb für dieselbe
Tätigkeit im Angestelltenverhältnis nunmehr eine
geringere Summe angemessen sein sollte. Zumindest drängt sich die Frage auf, ob hier der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gewahrt ist.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass von einem
tatsächlich existenzsichernden, das heißt einem
auskömmlichen, Einkommen abhängt, ob sich die
Referendare mit vollem Einsatz ihren Aufgaben im
Vorbereitungsdienst widmen können oder ob ihnen
dies etwa nicht möglich ist, weil sie einem Nebenerwerb nachgehen müssen. Eine nicht auskömmliche
Bezahlung der Rechtsreferendare birgt zudem die
Gefahr, dass mancher Betroffene allein aus wirtschaftlichen Gründen von der Teilnahme am juristischen Vorbereitungsdienst absieht oder absehen
muss, also seine Ausbildung letztlich nicht zu Ende
führen kann. Einer damit einhergehenden sozialen
Auslese beim Zugang zu höheren juristischen Berufen ist in jedem Fall zu begegnen, weshalb die Höhe der Vergütung von Rechtsreferendaren im Auge
behalten werden muss.
Fazit: Der vorliegende Gesetzentwurf stellt einen
Kompromiss dar. Die Änderung des Status der
Rechtsreferendare bringt besseren Schutz gegen
soziale Risiken, insbesondere bei Arbeitslosigkeit.
Zugleich ist die Absenkung des Grundgehalts für
Rechtsreferendare im Zuge der zwingend erforderlichen Haushaltskonsolidierung notwendig, was die
wirtschaftliche Situation der Betroffenen im Vergleich mit der früheren Rechtslage verschlechtert.
Deshalb bedarf es einer Evaluierung der Auskömmlichkeit der Vergütungshöhe und Nachbesserung
des Gehaltsniveaus – jedenfalls dann, sobald sich
haushalterische Verhandlungsspielräume hierfür
auftun. Das strukturelle Kernanliegen des Gesetzentwurfs, die Statusänderung vom Beamtenverhältnis zum Anstellungsverhältnis im öffentlichen
Dienst, findet die volle Unterstützung meiner Fraktion. Details der Regelungen werden im Ausschuss
für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zu diskutieren sein. Vielen Dank.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
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(Abg. Dr. Martin-Gehl)
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Präsident Carius:
Vielen Dank. Ich erteile nun das Wort Herrn Abgeordneten Brandner für die Fraktion der AfD.
Abgeordneter Brandner, AfD:
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe
Schüler! Frau Walsmann, das Einzige, was mich an
Ihrer Rede gewundert hat, war Ihre Verwunderung
darüber, dass Sie Realitätsausblendung bei den
Sozialdemokraten festgestellt haben. Ansonsten,
Frau Walsmann, kann ich Ihre Rede fast unterschreiben. Die Regierungsfraktionen bringen mit
dem Entwurf für ein Thüringer Gesetz zur Änderung
der Rechtsverhältnisse im juristischen Vorbereitungsdienst einen Entwurf in dieses Haus ein, dessen so harmlos und etwas sperrig klingender Titel
den in ihm lauernden sozialen Sprengstoff hinterhältig verbrämt und damit unkenntlich macht. Die
Entwurfsbegründung beginnt mit der Feststellung,
dass Thüringen das einzige Bundesland sei, in dem
Referendare im juristischen Vorbereitungsdienst
noch zu Beamten auf Widerruf ernannt werden. Unter dem Vorwand, lediglich eine Angleichung an die
bundesweiten Verhältnisse vornehmen zu wollen,
werden dann jedoch in Wahrheit, wie der folgende
Teil der Entwurfsbegründung erkennen lässt, an einer eng umgrenzten Personengruppe Haushaltssparmaßnahmen exekutiert. Ausgesucht dafür hat
man sich die Schwächsten. Bei den Zahlen, die
dann in diesem Entwurf stehen, handelt es sich zudem um Schönwetterberechnungen. Ob diese Zahlen jemals erreicht werden, steht in den Sternen.
Zudem werden Effekte, die über einen Zeitraum
von zwei Jahren, nämlich den Ausbildungszeitraum
der Referendare, insgesamt erreicht werden können, auf einen Zeitpunkt projiziert und nur damit
überhaupt sichtbar.
Ganz anders, meine Damen und Herren, stellt sich
der Wunsch zur Gesetzesänderung aus Sicht der
betroffenen Referendare dar, für die ich jetzt hier
rede. An die Stelle von Dienstbezügen von heute
monatlich etwa 1.250 Euro soll nun eine Unterhaltsbeihilfe von lediglich 1.100 Euro treten. Unter Berücksichtigung von Steuern und Abgaben ist das eine Einkommenskürzung per Federstrich um fast
20 Prozent. Damit sinkt das Einkommen bei Annahme einer 40-Stunden-Woche auf einen Betrag zwischen 5,00 und 6,00 Euro pro Stunde – und damit
weit unter den Mindestlohn – für Menschen mit Abitur und einem mehrjährigen, erfolgreich abgeschlossenen Hochschulstudium. Ihr Linken, die ihr
nur wenige da seid: Was habt ihr euch dabei gedacht, so etwas Verwerfliches auf den Weg zu bringen? Die Intelligenz soll wahrscheinlich wieder lei-
den, so wie zu DDR-Zeiten, zu dunkelsten DDRZeiten.
(Beifall AfD)
Unsere Diäten steigen im nächsten Jahr wahrscheinlich wieder. Heute haben wir die Erhöhung
der Beamtenbesoldung beschlossen. An den Ärmsten der Armen, an den Schwächsten vergreifen
Sie sich heute und legen so einen Skandalentwurf
vor.
Auch wie angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten und der Mieten die soziale Sicherung
der Referendare gewährleistet sein soll, muss die
Landesregierung – sofern sie hier ist – mal erklären. Sie möge nicht nur mir, sondern vor allem den
betroffenen Referendaren erklären, warum man
ausgerechnet Hochschulabsolventen, die eine der
schwersten Prüfungen dieses Landes erfolgreich
abgelegt haben und häufig schon Familie haben,
mit einem „Almosen“ etwa in Höhe des Pfändungsfreibetrags und weit unterhalb des Mindestlohns abspeisen will. Das versteht kein Mensch. Da wird allerorts über einen angeblichen Fachkräftemangel
schwadroniert, der nur durch den Zustrom Hunderttausender oder Millionen Menschen aus dem Morgenland oder Schwarzafrika beseitigt werden könne
und der selbstverständlich äußerste finanzielle Anstrengungen verlange. Gleichzeitig spart man aber
an der Ausbildung derjenigen, die später einmal an
den Schaltstellen der Verwaltung, der Gerichte, der
Wirtschaft unseres Landes wichtige Entscheidungen treffen und durch eine hervorragende Ausbildung befähigt sein sollen, unser Land in die Zukunft
zu führen.
(Beifall AfD)
Dass jetzt schon die Ausbildung des juristischen
Nachwuchses an allen Ecken und Enden zu wünschen übrig lässt, ist kein durch diesen Gesetzentwurf neu auftretendes Phänomen. Seit Jahren – wir
wissen das – wird bei der Justiz gespart, was das
Zeug hält, was selbstverständlich auch negative
Auswirkungen auf die Ausbildung der jungen Juristen hat.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Merkt man
bei Herrn Lauinger!)
Wie – hat der hier studiert? Weiß ich nicht, er ist
aber ein Zugereister, oder?
Wie – so frage ich die Landesregierung – wollen
Sie aber hoch qualifizierte und hoch motivierte junge Menschen dazu befähigen, die anstehenden
großen Aufgaben zu bewältigen, wenn deren Ausbildung auf einem unzureichenden Niveau belassen
wird und jetzt zusätzlich die soziale Sicherheit der
Referendare gefährdet wird und Sie die Referendare in die Armut treiben? Es ist ein weiterer Offenbarungseid des Thüringer Ramelow-Vereins, der unentwegt von sozialer Gerechtigkeit faselt, gleichzei-
2352
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Brandner)
tig aber den dringend benötigten akademischen
Nachwuchs finanziell ausbluten lässt.
beabsichtigten Art und Weise nie und nimmer eine
Gegenfinanzierung erreicht werden.
Herr Ramelow, wo immer Sie gerade sind, hat sich
Ihre Landesregierung auch nur einmal kurz Gedanken dazu gemacht, wie talentierte Referendare aus
finanziell nicht auf Rosen gebetteten Familien sich
dieses Referendariat noch leisten können sollen?
Sie behaupten, um die besten Köpfe zu werben,
gleichzeitig aber verprellen Sie durch diese Politik
des Sparens an der falschen Stelle talentierte junge
Juristen, die gern nach Thüringen kommen würden,
sich dies aber schlichtweg nicht mehr leisten können werden.
Die Kürzung der Bezüge im juristischen Vorbereitungsdienst ist ein fieser Schlag ins Gesicht des juristischen Nachwuchses, meine Damen und Herren. Wenn man bedenkt, dass die der Landesregierung verbundene Asyl- und Sozialindustrie durch finanzielle Wohltaten gepäppelt und Demonstrationstourismus aus Steuergeldern finanziert wird, ist dieser Gesetzentwurf eine Versündigung, eine weitere
Versündigung an der Zukunft dieses Landes und
der Menschen, die hier wohnen. Sie schaffen mit
diesem Gesetz – sollte es beschlossen werden –
ein akademisches Lumpenproletariat.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Ein Blödsinn!)
Blödsinn?
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie leben natürlich von Luft und Liebe, Frau Rothe-Beinlich!)
Nein, das war Frau Henfling. Das mit der Liebe
verstehe ich bei der eher.
Herr Ramelow, Sie treffen damit eine soziale Selektion, die in Zustände zurückführen wird, die wir
längst überwunden geglaubt haben. Es ist glücklicherweise lange her, dass nur Sprösslinge aus reichen Familien in der Lage waren, den Vorbereitungsdienst zu absolvieren. Dahin kehren wir zurück.
(Beifall AfD)
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: … in allen anderen Bundesländern längst gang und gäbe!)
Vor diesem Hintergrund, Frau Marx, wird es Sie
wenig überraschen, dass wir diesen Gesetzentwurf
genauso wenig positiv begleiten werden, wie den
Gesetzentwurf zu Tagesordnungspunkt 4 – dieses
Enteignungsgesetz, was Sie hier auf den Weg gebracht haben. Dieser Gesetzentwurf, der hier jetzt
vorgelegt wird, unter diesem Tagesordnungspunkt,
ist schlicht eine Frechheit, die man als vernünftiger
Mensch nur ablehnen kann. Weil wir in der AfDFraktion inzwischen nur noch Vernünftige haben,
lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. Vielen Dank.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das muss
mal gesagt werden!)
Oder ist es das Ansinnen der Landesregierung, den
juristischen Vorbereitungsdienst in diesem Lande
nur noch für jene zugänglich zu machen, die aus
staatsnahen – weil aus staatlicher Besoldung sicher
finanzierten – Familien stammen? Jedenfalls wird
es Referendare, die aus familiären Gründen auf eine Unterhaltsbeihilfe generell nicht angewiesen
sind, kaum zu einer Landesregierung dieser Couleur ziehen, was dann vielleicht positive Effekte
beinhaltet.
Vizepräsidentin Jung:
Herr Ramelow, wo immer Sie sind, Sie betreiben
einen sozialen Kahlschlag in derselben kurzsichtigen und hektischen Art und Weise, in der Sie bereits Interessen dieses Landes auf anderen Themenfeldern Ihren ideologisch begründeten Irrwegen
– Hommage an Björn – geopfert haben.
Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN:
(Beifall AfD)
Der Gipfel dieses Unvermögens in diesem Gesetzesverfahren ist es, wenn ein aus dem Sparpotenzial pro Referendar und einem Ausbildungsgang
errechnetes Gesamtvolumen von nicht einmal
700.000 Euro genutzt wird, die zukünftigen Referendare in das soziale Abseits zu stellen. Angesichts der Millionen und Milliarden, die die von Ihnen beabsichtigten Integrationsmaßnahmen bei
und für Menschen ohne jedes Bleiberecht dieses
Land kosten, wird durch die Sparmaßnahmen der
(Beifall AfD)
Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordnete
Marx zu Wort gemeldet. Abgeordnete Marx hat ihren Redebeitrag zurückgezogen. Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen hat sich Abgeordnete Rothe-Beinlich zu Wort gemeldet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will mit nüchternen Zahlen beginnen, weil uns das vielleicht tatsächlich
wieder auf den Boden der Realität zurückbringt.
Das sind die Zahlen der Beihilfen, die die Referendare in den einzelnen Bundesländern erhalten. Wir
wissen alle, das Referendariat ist Teil der Ausbildung – das nur noch mal zur Erinnerung, darauf
sind wir sonst auch immer hingewiesen worden.
Jetzt die Zahlen: In Baden-Württemberg erhalten
die Referendare 1.152,51 Euro, in Bayern
1.202,08 Euro, in Berlin 1.008,25 Euro, in Brandenburg 1.228,89 Euro, in Bremen 1.133,61 Euro, in
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2353
(Abg. Rothe-Beinlich)
Hamburg 950 Euro, in Hessen 1.030 Euro, in Mecklenburg 950 Euro, in Niedersachsen 1.058,94 Euro,
in Nordrhein-Westfalen 1.104,17 Euro, in Rheinland-Pfalz
1.083,96
Euro,
im
Saarland
1.046,89 Euro, in Sachsen 1.205,20 Euro, in Sachsen-Anhalt 1.081,75 Euro,
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Nicht so
schnell, ich komme mit dem Mitschreiben gar
nicht mit!)
in Schleswig-Holstein 1.104,79 Euro und in Thüringen derzeit noch 1.309,97 Euro. Wir sind damit absoluter Spitzenreiter. Fragen Sie sich einfach mal,
wie viele der Referendarinnen und Referendare aus
den anderen Bundesländern wegen dieses Standortvorteils nach Thüringen gekommen sind. Es sind
so gut wie keine.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Vielleicht liegt es nicht am
Geld. Hört, hört!)
Vielleicht liegt das, meine Kollegin Henfling hat das
richtig eingeworfen, nicht am Geld, meine sehr geehrten Damen und Herren. Thüringen ist das einzige Bundesland, das Referendare als Beamte auf
Widerruf einstellt. In allen anderen Bundesländern
stehen die angehenden Referendare in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Und wer
hier von „Lumpenproletariat“ spricht, hat tatsächlich
einmal mehr das Plenum mit einem Marktplatz verwechselt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall DIE LINKE)
Weil Frau Walsmann auch auf diejenigen verwiesen hat, die vielleicht in dem Alter schon Familie
haben: Es gibt selbstverständlich zusätzlich zu den
Grundgehältern bei Bedarf auch einen Familienzuschlag. Das sind im Schnitt etwa 119 Euro, die da
gezahlt werden. Zusätzlich gibt es auch einen Zuschlag pro Kind in Höhe von etwa 102 Euro, das ist
Stand August 2015, meine sehr geehrten Damen
und Herren. Wer hier von einer qualitativen Abwärtsspirale spricht, dem geht es offenkundig nicht
um eine sachliche Debatte. Uns geht es in der Tat
um eine Angleichung an die anderen Bundesländer
und ja, das verhehle ich nicht, ich werde darauf
auch noch eingehen, es wird dadurch dem Land
auch etwas gespart.
(Unruhe CDU)
Liebe Frau Walsmann und sehr geehrte Kollegen
von der CDU-Fraktion, man kann nicht Tag für Tag
Rot-Rot-Grün zum Sparen auffordern, sobald wir
aber irgendwo einen Vorschlag machen, der sich
im Übrigen völlig im Rahmen hält, schreien: Hier
aber auf keinen Fall. Auch mit der jetzt beabsichtigten Zahlung von 1.100 Euro liegen wir im Bundesvergleich immer noch im oberen Drittel, meine sehr
geehrten Damen und Herren. Ich glaube, das ist für
einen Teil der Ausbildung immer noch eine vernünf-
tige Bezahlung. Wenn die CDU dann plötzlich ihr so
soziales und christliches Herz entdeckt und über
den Mindestlohn spricht, frage ich sie einmal: Wer
hat denn dafür gesorgt, dass Jugendliche und Auszubildende vom Mindestlohn ausgenommen sind?
Das waren Sie! Wer hier vorn so janusköpfig argumentiert, meine sehr geehrten Damen und Herren,
der kann nicht für sich in Anspruch nehmen, eine
tatsächlich ernsthafte Debatte zu führen.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Mit der Neuregelung des Gesetzentwurfs wird die
Verbeamtung auf Widerruf von Rechtsreferendaren, ein Thüringer Einstellungsmerkmal – wie ich es
eben schon sagte –, eingestellt. Stattdessen findet
die Juristenausbildung zukünftig in einem öffentlichrechtlichen Ausbildungsverhältnis statt. Das ist
dann genauso wie in anderen Bundesländern auch.
Genau dafür sind die Änderungen im Thüringer Gesetz und auch hier in dem vorliegenden Gesetzentwurf notwendig. Eine Verbeamtung, meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird Sie nicht wundern, dass ich das sage, ist mitnichten erforderlich,
denn der Vorbereitungsdienst ist keine Voraussetzung zur Berufsausübung, auch außerhalb der öffentlichen Verwaltung. Schauen Sie doch mal, wo
die Mehrzahl der Referendarinnen und Referendare
anschließend arbeitet. Das ist nicht im öffentlichen
Dienst, sondern in der Regel als Rechtsanwalt, als
Notar oder in anderen Bereichen der Privatwirtschaft. Das heißt, wir brauchen dieses Alleinstellungsmerkmal auch hierfür überhaupt nicht.
Jetzt kommen wir zur Frage der Haushaltskonsolidierung und welchen Beitrag das Gesetz auch hier
leistet. Pro Einstellungsjahrgang – so haben wir es
berechnet – könnten 682.000 Euro eingespart werden. Durch die Absenkung des Grundgehalts auf
1.100 Euro im Monat ergeben sich Einsparungen
pro Rechtsreferendar. Um es ganz genau zu machen – Frau Walsmann, Sie haben von 7.000 Euro
gesprochen –, es sind genau 6.825 Euro jährlich.
Die Befürchtungen, dass für Thüringen ein Standortnachteil entstehen könnte, wenn die Verbeamtung wegfällt, dürfte sich nicht bewahrheiten, denn
ich habe es Ihnen bereits gesagt, es findet sich nur
eine sehr überschaubare Anzahl Referendarinnen
und Referendare aus anderen Bundesländern hier
wieder. Vielleicht müssen wir eher über andere
Standortfaktoren nachdenken, die dazu ermutigen,
nach Thüringen zu kommen und dafür wollen wir
beispielsweise mit einer gelebten Willkommenskultur gern sorgen, meine sehr geehrten Damen und
Herren. Ich freue mich auf die Beratungen zu dem
Gesetzentwurf im Ausschuss und bitte Sie um die
Überweisung. Vielen herzlichen Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
2354
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Vizepräsidentin Jung:
Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt
keine Wortmeldungen vor. Möchte die Landesregierung sprechen? Frau Staatssekretärin Dr. Albin, bitte.
Dr. Albin, Staatssekretärin:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Die Fraktionen der
Parteien Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben einen Gesetzentwurf zur Änderung der
Rechtsverhältnisse im juristischen Vorbereitungsdienst eingebracht. Ziel des Gesetzentwurfs ist die
Änderung des Status der Rechtsreferendarinnen
und Rechtsreferendare des Freistaats Thüringen.
Wir haben es gehört, sie sollen zukünftig nicht mehr
verbeamtet werden, sondern den juristischen Vorbereitungsdienst stattdessen in einem öffentlichrechtlichen Ausbildungsverhältnis absolvieren und
das bei gleichzeitiger Absenkung der Bezüge.
Hintergrund für den Gesetzentwurf ist folgender – lassen Sie mich hierzu zunächst ein paar
Ausführungen zur bisherigen Rechtslage machen:
Vor wenigen Tagen, nämlich am 2. November
2015, wurden in Thüringen 42 junge Bewerberinnen und Bewerber noch unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zu Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren ernannt. Thüringen
ist zurzeit, das haben wir gehört, das einzige Land,
in dem der juristische Vorbereitungsdienst grundsätzlich noch im Beamtenverhältnis auf Widerruf
abgeleistet wird, soweit nicht beamtenrechtliche
Vorschriften entgegenstehen. Die verbeamteten
Referendarinnen und Referendare erhalten Anwärterbezüge, die sich an den Bezügen des Eingangsamts orientieren. Dieser Anwärtergrundbetrag beträgt derzeit circa 1.300 Euro. Dieser kann sich
durch weitere Leistungen wie Familienzuschlag und
Zuschläge für zu berücksichtigende Kinder erhöhen. Thüringen ist damit auch das Land, in dem die
Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare im
Vergleich zu allen anderen Ländern die höchste
Vergütung erhalten. Hinzu kommt, dass diejenigen
Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare, die
nach ihrem Ausscheiden aus dem regulär 24 Monate dauernden juristischen Vorbereitungsdienst nicht
im öffentlichen Dienst tätig werden, in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert werden
müssen. Dies trifft in der Praxis auf die Mehrzahl
der ausscheidenden Referendarinnen und Referendare zu. Hierfür fallen pro Person in der Regel circa 6.000 Euro an. Mit der vorliegenden Gesetzesänderung schließt sich Thüringen der Verfahrensweise aller anderen Länder an, nach der der juristische Vorbereitungsdienst in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis absolviert wird. Letztendlich soll die Ausbildungssituation der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare, das heißt
sowohl deren Status als auch die Höhe der Bezü-
ge, an die der anderen Länder angepasst werden.
Und im Übrigen, die Abgeordnete Frau Rothe-Beinlich hat darauf bereits hingewiesen: Der juristische
Vorbereitungsdienst ist auch Voraussetzung zur
Ausübung eines Berufs außerhalb der öffentlichen
Verwaltung ohne Bezug zu hoheitlichen Tätigkeiten. Da, wie ich gerade ausgeführt habe, die Mehrzahl, sogar die deutliche Mehrzahl der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare nach Abschluss des juristischen Vorbereitungsdiensts nicht
im öffentlichen Dienst tätig wird – und diese Tendenz nimmt eher zu –, ist eine Verbeamtung während des Vorbereitungsdiensts nicht erforderlich,
denn für eine Verbeamtung ist auch ein sachlicher
Grund notwendig. Das haben auch die anderen
Länder bereits erkannt. Allein das Festhalten am
Status quo rechtfertigt diese nicht.
Nach Inkrafttreten des Gesetzes, über das wir heute im Plenum beraten, sollen die in Zukunft einzustellenden Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare den Vorbereitungsdienst in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis absolvieren
und eine Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 1.100 Euro
monatlich erhalten. Für die Zahlen, die Frau RotheBeinlich hier zum Vergleich mit anderen Bundesländern vorgetragen hat, bin ich an dieser Stelle nochmals dankbar.
Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Walsmann, es ist uns bewusst, dass diese Statusänderung einen Einkommensverlust der Rechtsreferendare in Thüringen zur Folge haben wird. Wir bewegen uns künftig nur noch oder immer noch im Mittelfeld der in allen anderen Ländern gezahlten Unterhaltsbeihilfe. Wir machen damit aber nicht zwingend Thüringen als Standort weniger attraktiv, da
sich die Attraktivität nicht allein am Salär bemisst.
Das wurde hier auch schon von den Abgeordneten
entsprechend ausgeführt. Mit dieser Absenkung
des Grundgehalts leisten wir aber einen wichtigen
Beitrag zu der auch von dieser Landesregierung
immer wieder eingeforderten und zwingend erforderlichen Haushaltskonsolidierung. Dieses Gesetz
ist Teil eines Gesamtkompromisses für den kommenden Doppelhaushalt, der darauf abzielt, die Situation bei der Festeinstellung für junge Juristinnen
und Juristen zu verbessern.
Vizepräsidentin Jung:
Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Anfrage
der Abgeordneten Walsmann?
Dr. Albin, Staatssekretärin:
Nein.
(Unruhe CDU, AfD)
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Die berühmtberüchtigte Dialogbereitschaft von Rot-RotGrün!)
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2355
(Staatssekretärin Dr. Albin)
Denn die Einsparung würde es uns ermöglichen,
dem absehbaren Mehrbedarf an Richterinnen und
Richtern besser gerecht zu werden. Frau Walsmann hat hier auch auf die demografische Entwicklung abgestellt, die wir in der Richterschaft im Blick
behalten müssen. Die 17 Proberichterstellen sind
bereits besetzt und wir haben sogar noch zwei weitere zur Besetzung, vielleicht hat sich damit auch
die Nachfrage erledigt. Bei Absenkung des Grundgehalts auf 1.100 Euro monatlich sind Einsparungen pro Person in Höhe von etwa 6.800 Euro während des juristischen Vorbereitungsdienst s möglich
und damit bewegt sich das Potenzial der jährlichen
Ersparnis für unseren Freistaat abhängig von den
Einstellungszahlen und -daten sowie von Abbrechern bei etwa 682.000 Euro pro Einstellungsjahrgang.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich wird
sich an der Ausbildung im Rahmen des juristischen
Vorbereitungsdiensts durch die Statusänderung
weder qualitativ noch quantitativ etwas verändern.
Bereits in der Vergangenheit wurden immer wieder
einzelne Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare nicht verbeamtet, sondern wurden in ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis berufen,
nämlich Ausländerinnen und Ausländer, die nicht
Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nach Artikel 17 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft sind. Mit dem heute in Rede
stehenden Gesetz würde dann gleichzeitig auch die
Ungleichbehandlung zwischen deutschen und ausländischen Referandarinnen und Referendaren beendet. Zur Vermeidung von Missverständnissen
darf ich darauf hinweisen, dass das Gesetz eine
Übergangsregelung für die bereits unter Berufung
in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ernannten
Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare erhält. Diese sollen bis zum Abschluss ihrer Ausbildung im Beamtenverhältnis auf Widerruf verbleiben.
Meine Damen und Herren, aus den von mir dargelegten Gründen halten wir dieses Gesetz als wichtigen Beitrag zur zwingend erforderlichen Haushaltskonsolidierung für unabdingbar. Ich danke für Ihre
Aufmerksamkeit.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen
vor. Es ist Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz
beantragt. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das
Handzeichen. Gegenstimmen? Enthaltungen? Bei
den Gegenstimmen der AfD-Fraktion ist die Ausschussüberweisung beschlossen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6
Zweites Gesetz zur Änderung
des Thüringer Feiertagsgesetzes
Gesetzentwurf der Fraktion der
CDU
- Drucksache 6/1212 - Neufassung ERSTE BERATUNG
Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das kann ich nicht erkennen. Dann eröffne ich die Aussprache und das Wort hat Abgeordneter Walk von der CDU-Fraktion. – Keiner da?
Okay. Dann rufe ich Frau Abgeordnete Marx von
der SPD-Fraktion auf.
(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das ist
aber jetzt schwach von der CDU!)
Abgeordnete Marx, SPD:
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
es geht noch mal ums Feiertagsgesetz, dem haben
wir uns in diesem Haus erst vor Kurzem zugewendet, und die Frage, welche weiteren Gedenktage es
in Thüringen über den 8. Mai hinaus noch geben
sollte. Sie hatten eigentlich einen fast wortgleichen
Änderungsantrag schon in der letzten Sitzung, in
der es um dieses Feiertagsgesetz ging, eingebracht. Das bringen Sie jetzt als eigenen Antrag.
Das ist auch in Ordnung, weil wir Ihnen bereits gesagt haben, dass wir grundsätzlich überhaupt
nichts dagegen haben, auch für weitere wichtige
Daten der Thüringer Geschichte die Gedenktagswürdigkeit zu überprüfen. Insbesondere der 17. Juni spielt da für uns und für meine Fraktion eine herausgehobene Rolle. Ich erinnere hier auch an den
Redebeitrag meiner Kollegin Birgit Pelke, den sie in
dem Zusammenhang gehalten hat.
Deswegen kann ich mich hier relativ kurzfassen.
Selbstverständlich unterhalten wir uns gern mit Ihnen im zuständigen Ausschuss darüber, welche
weiteren Gedenktage es in Thüringen geben sollte,
auch noch mal darüber, ob es sinnvoll ist, jetzt wieder so eine Sammelregelung vorzusehen, die Sie
beantragt haben, oder ob wir vielleicht doch einzelne Tage wegen der besonderen Bedeutung herausgreifen sollten. Wie gesagt, darüber reden wir gern
mit Ihnen, verhandeln wir gern mit Ihnen, das hatten wir auch angekündigt. Wir könnten uns als Koalition vorstellen, möglicherweise auch einen eigenen Antrag einzubringen, der erst einmal nur den
17. Juni herausnimmt. Aber, wie gesagt, darüber
wollen wir mit Ihnen allen in einen konstruktiven
Dialog eintreten. Deswegen habe ich möglicherweise jetzt gar nichts anderes gesagt als der Kollege
Walk, der nun den Saal betreten hat. Herr Walk, ich
habe Ihren Redebeitrag vielleicht schon mitgehalten. Wir beantragen deswegen die Überweisung Ihres Antrags an den zuständigen Innen- und Kom-
2356
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Marx)
munalausschuss und sehen und sprechen uns
dann weiter. Vielen Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Für die CDU-Fraktion hat Abgeordneter Walk das
Wort.
Abgeordneter Walk, CDU:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher auf der Tribüne und am Livestream, ich bitte zunächst um Nachsicht für mein verspätetes Erscheinen. Das hatte
Gründe, die ich jetzt hier nicht näher erläutern
möchte.
(Heiterkeit im Hause)
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir
wollen das jetzt wissen!)
Die CDU-Fraktion hat heute ein weiteres Änderungsgesetz zum Thüringer Feiertagsgesetz eingebracht. Warum wir dies tun, hat zwei Gründe. Zum
einen sind wir nach wie vor davon überzeugt, dass
der 8. Mai nicht alleine im jetzigen Thüringer Feiertagsgesetz stehen sollte, zum Zweiten haben wir
gern aufgegriffen, was der Ministerpräsident in der
letzten Plenarsitzung gesagt hat. Er hat uns nämlich aufgefordert – uns alle – eine Initiative zu ergreifen, weitere Gedenktage in das Feiertagsgesetz
aufzunehmen.
Ich möchte aber zunächst die Gelegenheit nutzen,
rückblickend nochmals den aktuellen Stand der
parlamentarischen Beratungs- und Beschlusslage
darzulegen. Aber der Reihe nach und damit zunächst zum Inhalt unseres Gesetzentwurfs.
Nach wie vor halten wir daran fest, den Gesetzestitel zu ändern. Mit der beantragten Änderung der
Überschrift in „Thüringer Feier- und Gedenktagsgesetz“ entspräche dies dann auch dem Umstand,
dass sich hier neben den gesetzlichen Feiertagen
auch eine ganze Reihe von weiteren Gedenktagen
wiederfinden.
Zu den neu ins Gesetz aufzunehmenden Gedenktagen im Einzelnen: Der 18. März steht für die ersten allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und
geheimen Wahlen in der DDR im Jahr 1990. Mit
diesen Wahlen hatte die friedliche Revolution 1989/1990 in der DDR ihr erstes, das politische
System tiefgreifend und grundsätzlich veränderndes Ziel erreicht. Der Tag verweist zugleich auf den
ersten umfassenden Versuch, mit der Revolution
von 1848/49 in ganz Deutschland eine verfassungsgebende Nationalversammlung und Demokratie durchzusetzen. Der 18. März gilt als das bedeutendste Datum der Märzrevolution von 1848.
Wiederum soll der 17. Juni in Erinnerung an den
gescheiterten Volksaufstand vom 17. Juni 1953
zum Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur werden. Er steht gleichermaßen für die Forderung nach
freien Wahlen, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Wiedervereinigung wie die blutige Niederschlagung
des Volksaufstands durch die SED und die sowjetische Besatzungsmacht in der DDR. Es handelte
sich um den ersten in einer ganzen Reihe politischer Aufstände in dem von der Sowjetunion kontrollierten Ostmitteleuropa.
Nun zum 25. Oktober: Der 25. Oktober gehört als
Tag der Verfassung und des Landtags bereits seit
vielen Jahren zur politischen Gedenk- und Erinnerungspraxis in Thüringen, ist jedoch bisher nicht gesetzlich geregelt. Er erinnert an die Verabschiedung
der Verfassung des Freistaats Thüringen auf der
Wartburg und damit an den entscheidenden Akt zur
demokratischen Ausgestaltung der Landesstaatlichkeit im deutschen Bundesstaat.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist allgemein bekannt, alle von mir jetzt angeführten Gedenktage hätten wir als CDU-Fraktion bereits beim
bestehenden Feiertagsgesetz gern im Gesetzestext
wiedergefunden. Bereits in der 29. Sitzung warben
wir hierfür intensiv um Ihre Zustimmung. Das Ergebnis ist allerdings ebenso bekannt. Leider scheiterte unser Werben an der rot-rot-grünen Stimmenmehrheit. Neu in unserer heutigen Vorlage ist nunmehr die Aufnahme des 9. November.
Sehr geehrte Damen und Herren, der 9. November
steht wie kein anderer Tag für die an Aufbrüchen
und Abgründen reiche deutsche Demokratiegeschichte. An einem 9. November wurde 1848 der
Paulskirchenparlamentarier Robert Blum standrechtlich erschossen, riefen Philipp Scheidemann
1918 die Republik und Karl Liebknecht eine sozialistische Räterepublik aus, putschten 1923 Ludendorff und Hitler in München, inszenierten 1938 die
Nationalsozialisten die Novemberpogrome
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das ist
so unerträglich! Unerträglich!)
und fiel 1989 die Mauer.
Damit zum Stand der parlamentarischen Beratungs- und Beschlusslage. Ich denke, es macht
Sinn, an dieser Stelle nochmals eine kurze Zusammenfassung der letzten Plenarsitzung vorzunehmen. Die Medien berichteten im Anschluss von einer hitzigen Debatte um den Gedenktag 8. Mai.
Dieser Auffassung, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, kann ich mich allerdings nur zum
Teil anschließen. Abgesehen von einzelnen nicht
sachdienlichen Debattenbeiträgen und Zwischenrufen fand ich die Diskussion jedenfalls im Kern offen,
konstruktiv und auch zielführend, wenngleich das
Endergebnis allerdings nicht unseren Vorstellungen
entsprechen konnte.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2357
(Abg. Walk)
(Beifall AfD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allen dargelegten unterschiedlichen Standpunkten zeichnete sich
aber in der Debatte deutlich erkennbar, und das
fraktionsübergreifend, ab, neben dem vermeintlich
singulär zu betrachtenden 8. Mai eben auch weitere
Gedenktage aufzunehmen.
(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:
Was heißt denn „vermeintlich“!)
Dieser breite Konsens ist aus meiner Sicht positiv
und lässt mich hoffen, die von uns vorgeschlagenen Gedenktage gesetzlich doch noch zu normieren. Der 9. November übrigens wurde von Herrn
Ministerpräsidenten ausdrücklich neben dem
17. Juni, neben dem 18. März und neben dem
25. Oktober ins Gespräch gebracht. Im Übrigen
– das will ich hier auch noch mal ganz deutlich sagen – teile ich ganz und gar nicht die Auffassung eines Abgeordneten dieses Hauses, der sich noch im
letzten Plenum offenbar einer angeblichen Gedenktagsinflation ausgesetzt sah. Sehr geehrte Damen
und Herren, ganz im Gegenteil, die von uns eingebrachten und geschichtlich wegweisenden Gedenktage verdeutlichen in der Gesamtschau das historische Ringen um einen freiheitlichen und demokratischen Verfassungsstaat. Damit wird Geschichte
auch begreifbar und erfahrbar gemacht.
(Beifall CDU)
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, zusammenfassend und abschließend greife ich gern
noch mal die Bitte des Ministerpräsidenten auf. Als
es im letzten Plenum um die weitere Aufnahme von
Gedenktagen ging, hat er Folgendes gesagt – und
ich bitte um Zustimmung, dass ich das zitieren
darf –: „Meine Bitte“ – sagte Ministerpräsident Ramelow – „an die Parlamentarier ist: […] nicht nur reden, sondern eine gemeinsame Entscheidung vorbereiten.“ Das haben wir als CDU-Fraktion gern getan. Unser Gesetzentwurf liegt Ihnen vor. In diesem
Sinne beantrage ich die Überweisung an den zuständigen Innen- und Kommunalausschuss. Ich
freue mich auf die dortigen Beratungen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall CDU)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion Die Linke hat die Abgeordnete König das Wort.
Abgeordnete König, DIE LINKE:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen
und Kollegen, liebe Besucher auf der Tribüne und
auch diejenigen, die am Livestream zugeschaltet
haben! Die CDU-Fraktion hatte ursprünglich einen
anderen Änderungsantrag vorgelegt, den wir hier
gern inhaltlich debattiert hätten und zu dem wir
auch sehr gern bereit gewesen wären, im Innenausschuss in die inhaltliche Auseinandersetzung zu
gehen.
(Unruhe CDU)
Manchmal tut es gut, zuzuhören, und ich glaube,
gerade der CDU angesichts ihres neuerlich vorgelegten Änderungsantrags tut es mehr als gut, zuzuhören.
(Beifall DIE LINKE)
(Unruhe CDU)
Ja, das empfehle ich Ihnen jetzt an dieser Stelle.
Der neu vorgelegte Änderungsvorschlag der CDUFraktion führt zumindest bei einigen Abgeordneten
meiner Fraktion dazu, dass wir a) kein Interesse
mehr haben, diesen Antrag zu verweisen und b)
diesen inhaltlich auch nicht diskutieren wollen.
(Unruhe CDU)
Ich möchte Ihnen kurz erklären, woran das liegt.
Sie nennen es Heuchelei, dass ich sage, dass einige Abgeordnete meiner Fraktion diesem Antrag keine Verweisung mehr erteilen können, und ich erkläre Ihnen das: Sie haben nämlich unter Artikel 1
Nr. 2 beantragt: „(5) Der 9. November ist der Tag
der demokratischen Selbstbesinnung.“ So eine Geschichtsvergessenheit, die die CDU hier offenbart,
ist schändlich, ist wirklich schändlich.
(Beifall DIE LINKE)
(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Ihr seid die
Geschichtsdeuter!)
Der 9. November 1938 ist – dass die AfD lacht, ist
mir klar, dass die CDU da mitschmunzelt, zeigt umso mehr, wie geschichtsvergessen Sie hier sind –
der Tag der Reichspogromnacht.
(Unruhe CDU)
Es ist der Tag, an dem die Diskriminierung der Juden überging in die Verfolgung, die letztlich in der
Schoah, der industriellen Massenvernichtung, endete. Diesen 9. November als einen Tag der demokratischen Selbstbesinnung zu erklären, ist fatal
und ist – ehrlich gesagt – so was von ahistorisch,
dass zumindest ich der Verweisung nicht mehr zustimmen werde, weil ich das für schändlich halte,
gerade angesichts der aktuellen Aufmärsche, die
wir hier in Thüringen haben,
(Beifall DIE LINKE)
angesichts der Debatten, die die AfD lostritt, angefangen damit, dass man 70 Jahre danach nicht
mehr darüber reden müsste usw. usf. Sie steigern
aber Ihren Antrag noch, indem Sie in der Begründung zum 9. November schreiben, warum Sie diesen als Gedenktag mit aufnehmen wollen, dass am
9. November 1938 die Nationalsozialisten die Novemberpogrome „inszenierten“. Sie inszenierten die
2358
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. König)
Novemberpogrome! Ich weiß nicht, ob Ihnen überhaupt bewusst ist, welche sprachlichen Fehler Sie
da begehen oder welche Einordnung inhaltlicher Art
Sie vornehmen. Ich möchte Ihnen für den Fall, dass
Sie es nicht wissen, zumindest kurz erklären, woher
„inszenieren“ kommt, für was „inszenieren“ steht,
nämlich vom griechischen Skene, für das Einrichten
und die öffentliche Zurschaustellung eines Werks
oder einer Sache oder auch, um es Ihnen mit dem
Duden vielleicht noch mal von der Bedeutung her
zu erklären: Ein Stück beim Theater technisch und
künstlerisch vorbereiten. Und das erklären Sie zum
9. November 1938 – eine Inszenierung. Eine Inszenierung, bei der 400 Menschen ermordet wurden, in
den Suizid getrieben wurden, bei der mehr als
1.400 Synagogen in Brand aufgingen und im Anschluss Tausende Geschäfte jüdischer Menschen
in Deutschland zerstört und vernichtet wurden. Das
ist so beschämend von Ihnen, das ist wirklich beschämend. Der 9. November 1938 gehört in dieser
Darstellung definitiv nicht in das „Thüringer Gedenk- und Feiertagsgesetz“ und ich bin der Überzeugung, dass Bodo Ramelow, unser Ministerpräsident, auch diese Vermischung von historischen Daten, die letztlich an eine ahistorische Erinnerungskultur glauben lässt, nicht gemeint hat, als er uns
hier anriet, doch den 9. November möglicherweise
mit als einen Gedenktag aufzunehmen. Ich glaube,
dass er eher im Sinne Ihres Nordhäuser Oberbürgermeisters gesprochen hat. Dr. Klaus Zeh hat sich
nämlich zu dem am nächsten Montag anstehenden
Neonaziaufmarsch geäußert und hat ganz klargemacht: Ein Aufmarsch genau an jenem Tag, an
dem wir an den Beginn der Verfolgung und systematischen Ermordung der 6 Millionen europäischen Juden am 9. November erinnern, ist geschmacklos und anmaßend. – Und geschmacklos
ist zumindest auch Ihre Erklärung, warum Sie den
9. November 1938 in das „Thüringer Gedenk- und
Feiertagsgesetz“ aufnehmen wollen.
öffentlich genannt wird, Thomas Kretschmer, ein
Holzbildhauer, der in DDR-Zeiten zu viereinhalb
Jahren Haft, zum Teil Isolationshaft, verurteilt wurde und das nur, weil er ein Batiktuch mit dem Aufdruck „Sprecht polnisch“ per Post an seine Freunde
und Bekannten verschickte.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es ist mir etwas peinlich, nach Frau König zu sprechen, aber es lässt sich wahrscheinlich hier, was
die Reihenfolge angeht, nicht vermeiden.
Wissen Sie, ich hätte gerne mit Ihnen über die Notwendigkeit eines Gedenktags für die Opfer der
SED-Diktatur gesprochen. Ich halte das, was in der
DDR unter der SED-Diktatur mit vielen Menschen
passiert ist, für schlimm und für so schlimm, dass
wir es wirklich dringend möglich machen müssen,
hier in Thüringen einen Gedenktag für diese einzurichten, um deren Geschichten zu hören, ihre Geschichten zu erzählen und die Geschichte weiterzugeben an Jugendliche von heute,
(Beifall CDU)
für die die DDR oftmals gar nicht mehr in dem Bewusstsein vorhanden ist, wie es zumindest unter
anderem die Familie von Matthias Domaschk betrifft, wie es aber auch den Bundesbeauftragten Roland Jahn betrifft oder auch jemanden, der selten
All das hätte ich wirklich gerne mit Ihnen debattiert,
aber das, was Sie hier aufmachen, diese unsägliche Mischung, Entschuldigung, die verbietet es mir
– und da bin ich auch froh drum –, Ihrem Antrag
hier zuzustimmen und dem die Verweisung zu erteilen. Den 9. November 1938 als Inszenierung zu
bezeichnen, offenbart das, was die CDU gerade
hier in Thüringen versucht zu vollziehen, nämlich
zumindest in Teilen eine offen …
(Unruhe CDU)
(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Ihr seid die
Geschichtsdeuter!)
Eine Frechheit ist Ihr Antrag und Ihrem Antrag werde ich zumindest nicht zustimmen in der Verweisung an den Innen- und Kommunalausschuss. Ich
denke, dass wir als Koalition definitiv einen eigenen
Antrag einbringen werden, um einen Gedenktag für
die Opfer der SED-Diktatur hier in Thüringen einzurichten. Danke schön.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion der AfD hat Abgeordneter Brandner das Wort.
Abgeordneter Brandner, AfD:
Meinen Damen und Herren – liebe Schüler kann ich
nicht mehr sagen –, also liebe Zuhörer auf der Tribüne, das ältere Semester, herzlich willkommen!
Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat
die Einführung des 8. Mai, die vor einiger Zeit durch
die Ramelow-Koalition beschlossen wurde, zum
Anlass genommen, weitere Gedenktage zu fordern.
Die Überlegung dabei ist wahrscheinlich, eine ausgewogenere Gestaltung des öffentlichen Gedenkens zu erreichen, weshalb vorgeschlagen wird,
neben dem 8. Mai zusätzlich den 18. März, den
17. Juni, den 25. Oktober und den 9. November zu
Gedenktagen zu erheben.
Liebe Freunde von der CDU, wenn ich mal einen
Annäherungsversuch wagen darf: Wir können uns
mit einigen Aspekten eures Antrags durchaus anfreunden, dazu sage ich gleich etwas, und ihr habt
ja gerade gehört, dass die AfD am Ende schuld
sein wird, wenn euer Antrag abgelehnt wird. Dafür
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2359
(Abg. Brandner)
entschuldige ich mich jetzt schon mal. Frau König
hat das ja in wunderbarer Art und Weise hergeleitet.
Viele andere Aspekte, die allerdings von der CDU
angesprochen wurden, finden nicht unsere Zustimmung. Wir sind der Auffassung, dass die Sache
nicht ganz zu Ende gedacht ist. Deshalb werden wir
zu gegebener Zeit einen Änderungsantrag einbringen, der die Sache auf ein vernünftiges Maß stutzt.
Der 8. Mai ist seit Kurzem ein gesetzlicher Gedenktag in Thüringen, und zwar bislang der einzige. Wir
alle hier haben in den Debatten mitbekommen, die
um den 8. Mai 1945 geführt wurden, was es für ein
ambivalentes Datum in der deutschen Geschichte
ist, und so ist es natürlich mit der gesamten Geschichte. Die Sicht auf die Geschichte steht immer
im Streit der Gegenwart, sei es wissenschaftlich,
sei es politisch, sei es gesellschaftlich. Die offene
Auseinandersetzung um die und mit der Geschichte
ist gut, denn zu einer freien und globalen Gesellschaft gehört die freie und kritische Diskussion um
und über ihre Geschichte. Problematisch wird es
dann, wenn die Geschichte okkupiert wird, wenn
ein bestimmtes Geschichtsbild festgeschrieben und
dekretiert werden soll, also meist dann, wenn sich
Betonideologen, zum Beispiel aus Staatskanzleien,
in die Geschichtsdebatte einschalten.
(Beifall AfD)
Dann werden beispielsweise die Bauernkriege zum
Ausdruck der weltgeschichtlichen Klassenkampfdialektik, die in der kommunistischen Gesellschaft
– hören Sie zu, Herr Blechschmidt – enden soll.
Dann wird aus den Bauernkriegen ein frühbürgerlicher Vorläufer der sozialistischen Revolution und
Thomas Müntzer eine Art Prä-Lenin oder PräHonecker. So etwas kann passieren, wenn Geschichte zum Spielball politischer Machtinteressen
wird. Da fällt mir immer dieser Spruch ein: Was unterscheidet die Linke vom lieben Gott? Die Linke
versucht immer, die Vergangenheit zu ändern, der
liebe Gott beschränkt sich auf die Zukunft. Ja, ja,
da ist etwas dran.
(Beifall AfD)
Das ist ja auch die Tendenz, die sich im Umgang
mit dem 8. Mai gezeigt hat. Deshalb ist es höchst
problematisch, alle möglichen historischen Ereignisse zu politischen Projekten zu machen, und das
gilt selbstredend ganz grundsätzlich und hat geradezu ein Paradox zur Folge. Denn natürlich kommt
ein Staat einerseits nicht ohne historisches Gedächtnis aus, Herr Gruhner nannte es mal „Geschichtsvergessenheit“ – so etwas wollen wir natürlich auch nicht –, andererseits ist es problematisch,
wenn ein Staat die Geschichte instrumentalisiert.
Nun ist der 8. Mai wegen Ramelow und Hoff und ihrer rot-grünen Claqueure Gedenktag in Thüringen
geworden, der an das Ende des Dritten Reichs an-
knüpft. Der CDU-Gedanke ist ja durchaus richtig,
zu sagen, das ist etwas einseitig, da muss wieder
ein Gleichgewicht hergestellt werden.
(Beifall AfD)
Denn neben der braunen hatten wir auch eine rote
Diktatur, in der das Volk massiv unterdrückt wurde.
Der eine oder andere – ich schaue mal zu dem linken Spitzelpaar Kuschel und Leukefeld – in diesem
Hause war ja sehr aktiv und ambitioniert bei der
Unterdrückung dabei und hat nun maßgeblichen
Einfluss auf die Regierungsarbeit. Anders aber als
im sogenannten Dritten Reich gab es in der DDR
eine breite gesellschaftliche Opposition gegen das
sozialistisch-diktatorische System.
Vizepräsidentin Jung:
Herr Abgeordneter Brandner, gestatten Sie eine
Anfrage des Abgeordneten Blechschmidt?
Abgeordneter Brandner, AfD:
Gern am Ende. Ich weiß nicht, ob die Zeit reicht.
In der DDR gab es eine breite gesellschaftliche Opposition gegen das sozialistisch-diktatorische Linksregime und diese Opposition brach sich am 17. Juni 1953 Bahn. Bekanntlich wurde der Volksaufstand
gegen das linke SED-Regime gewaltsam niedergeschlagen. In der Folge dieser Ereignisse kam es zu
tausendfacher Verhaftung, zu Verfolgung, zu Schikanen, zu Todesurteilen, also zu staatlichen Morden. Der Freiheitswille der Deutschen in der DDR
konnte sich dann erst über 35 Jahre später in einem zweiten Anlauf im Herbst 1989 doch noch
durchsetzen. Die sozialistische Diktatur wurde niedergerungen, und zwar von innen, vom Volk.
(Beifall AfD)
Bis es so weit war, waren allerdings Tausende Opfer der linken Ideologie und Verbohrtheit zu beklagen. Vor diesem Hintergrund spricht die Forderung
einer ausgewogenen Gedenkpolitik oder Gedenkkultur dafür, dass neben dem 8. Mai in seiner Erinnerung an das Dritte Reich und dessen Opfer auch
an die DDR-Diktatur und deren Opfer erinnert wird.
Da bietet sich der 17. Juni in der Tat sehr gut an.
(Beifall CDU, AfD)
Eben deshalb schlagen wir den 17. Juni als Gedenktag vor bzw. tragen das mit. Aber damit soll es
dann auch gut sein. Denn nicht sinnvoll finden wir,
dass der CDU-Antrag im Grunde zu einer – Herr
Walk, verzeihen Sie! – Gedenktagsinflation führt,
die wir nicht wollen. Zunächst einmal beginnt da
nämlich die Diskussion um die richtigen Daten. Also
wenn man lange genug in die Geschichte zurückgeht, wird man wahrscheinlich jeden Tag zu irgendeinem Gedenktag machen können. Wir fangen hier
mit dem 18. März an, dem kann man durchaus et-
2360
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Brandner)
was abgewinnen, 1848 Berliner Barrikadenaufstand.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Das meinen Sie doch nicht ernst,
oder?)
War der da nicht, der Barrikadenaufstand? Wann
war der denn? Also nach meiner Kenntnis war am
18. März 1848 der Berliner Barrikadenaufstand und
das meine ich ganz ernst, Herr Adams. Damit kann
man das Datum gewiss den Genossen und den
grünen Fundis – gucken Sie mal, jetzt kommen Sie
sogar in meiner Rede vor – schmackhaft machen;
das klingt nach Revolution und nicht mehr ganz so
nach frühgutbürgerlichem Klassenkampf. Und gewiss war die Märzrevolution ein wichtiges Ereignis,
wer wollte das leugnen. Und dann fand natürlich
am 18. März die erste und letzte freie Volkskammerwahl der DDR statt, 1990, ein großartiges Ereignis.
(Beifall CDU, AfD)
Und doch, meine Damen und Herren, wollen wir im
Ernst einen Gedenktag einführen, der einerseits ja
einer irgendwie gescheiterten Revolution, 18. März
1848, Herr Adams, huldigt und andererseits die
letzten Zuckungen der DDR würdigt, eines sozialistischen Unrechtsstaats von UdSSR-Gnaden, der allenfalls eine klitzekleine Fußnote
(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Aber eine
wichtige!)
in der Geschichte wert ist? Kann man machen,
muss man aber nicht machen. Jedes Gesetz, was
nicht sein muss, sollte man lassen.
(Beifall AfD)
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Eine Rede, die nicht sein muss,
kann man auch lassen!)
Da kämen Sie ja nie zum Zuge, Herr Adams. Also
der Schuss geht aber ganz gewaltig nach hinten
los, da könnten Sie ja alle hier immer sitzen bleiben.
Wir von der AfD-Fraktion – hören Sie genau zu –
sind also der Auffassung, dass es ausreichend ist,
wenn wir einen bundesweiten Tag der Deutschen
Einheit als gesetzlichen Feiertag haben, und das ist
der 3. Oktober. Mit diesem Feiertag geraten jährlich
die Ereignisse von 1989/1990 im Ganzen in den
Blick. Das ist gedenkpolitisch aus unserer Sicht genug. Was den 25. Oktober angeht, so ist auch das
gewiss ein wichtiges Datum, aber in den vergangenen Jahren hat uns nichts daran gehindert, diesen
Verfassungstag in der einen oder anderen Weise
öffentlich zu begehen, ich denke hier an Weimar
zurück, und eine öffentliche Debatte an diesem Tag
zu führen. Also dafür braucht man auch kein Gesetz.
Sehr ambivalent ist auch der 9. November. Ich
muss sagen, dem gehören eigentlich meine Sympathien. Wenn man die deutsche Geschichte anschaut,
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Das passt!)
müsste man den 9. November eigentlich wirklich
als Gedenktag anerkennen und in allen seinen Facetten gedenken oder teilweise auch feiern, je
nachdem, welchen Schwerpunkt man legt. Aber
auch das würde zu einer Gedenktagsinflation führen. Also man könnte schon mal darüber reden, ob
man den 3. Oktober als Feiertag abschafft und dafür den 9. November einführt.
(Beifall AfD)
Auch Joschka Fischer soll so einen Gedanken mal
gehabt haben, also insoweit ganz sympathisch.
Meine Damen und Herren, die AfD-Fraktion lehnt
also eine Gedenktagsinflation ab. Inflation bedeutet
auch Entwertung. Wenn nahezu jeder Tag ein Gedenktag werden soll, winken die Leute bald gelangweilt ab. Zwei Gedenktage im Jahr, die die deutschen Diktaturen von links und von rechts in den
Blick nehmen, reichen völlig aus,
(Beifall AfD)
um unseren hoffentlich – ich guck da mal nach
links – antitotalitären Konsens in Erinnerung zu rufen.
Im Ganzen wenden wir uns entschieden gegen eine Verstaatlichung der Geschichte, weil damit die
Gefahr verbunden ist, dass die Geschichte einseitig
instrumentalisiert wird. Bleiben wir also auf dem Boden und begnügen wir uns mit dem nun einmal eingeführten 8. Mai und darüber hinaus mit dem
17. Juni. Vielleicht tauschen wir noch, wenn Sie
wollen, den 3. Oktober gegen den 9. November.
Zum Schluss der Hinweis, dass das Gesetz in der
Tat einen neuen Namen braucht, weil es nicht nur
Feiertage, sondern auch Gedenktage regelt. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, lassen Sie
uns gedenkpolitisch Maß halten. Jetzt freue ich
mich, Herr Blechschmidt, auf unsere ideologische
Auseinandersetzung.
(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE:
Ich möchte Ihren Beitrag nicht intellektuell
aufwerten mit meiner Frage!)
Das werden Sie nicht schaffen. Also keine Frage
mehr? Dann bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall AfD)
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Vizepräsidentin Jung:
Herr Abgeordneter Brandner. Für Ihre Aussage „linkes Spitzelpaar“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf, weil auch das eine Herabwürdigung von Menschen in diesem Hause ist.
(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Aber es
stimmt, er hat doch die Wahrheit gesagt!)
Ich ermahne Sie, das nächste Mal …
Abgeordneter Brandner, AfD:
Aber es ist die Wahrheit, Frau Präsidentin. Ich nehme es zur Kenntnis, ich kommentiere es nicht. Danke schön.
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich
die Abgeordnete Rothe-Beinlich zu Wort gemeldet.
Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage jetzt auch nichts
zur Reihenfolge der Rednerinnen und Redner. Die
ist, wie sie ist.
Wir reden heute über den Gesetzentwurf der CDU,
der in der Tat an eine Debatte anknüpft, die wir erst
vor wenigen Wochen in diesem Haus geführt haben. Ich habe den Aufruf unseres Ministerpräsidenten Bodo Ramelow etwas anders verstanden, nämlich, gemeinsam zu überlegen, welche Feier- oder
Gedenktage vielleicht ebenso Eingang in ein solches Gesetz finden sollten. Sie als CDU-Fraktion
haben das für sich so interpretiert, dass Sie einen
eigenen Vorschlag vorlegen. Das ist Ihr gutes
Recht, das ist überhaupt gar keine Frage. Wir sind
selbstverständlich hier zur Diskussion bereit. Schöner wäre es in der Tat gewesen, man hätte sich
vielleicht vorab verständigt und nach gemeinsamen
Vorschlägen geschaut.
Ich gebe zu, dass mich Ihre Neufassung, die mich
auch eben erst erreichte, hat schlucken lassen,
meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich hoffe,
das ist nur der Tatsache geschuldet, dass Sie sehr
schnell noch erweitert wurde. Vielleicht hat sich da
hoffentlich auch nur der eine oder andere kleine
Fehler eingeschlichen, denn in der Bewertung, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Blick auf
den 9. November muss ich mich den Ausführungen
meiner Kollegin Katharina König durchaus anschließen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen alle, dass Feiertage Landesrecht sind und dass
es in der Gesetzlichkeit bundesweit eine Abstufung
quasi in vier Kategorien gibt: Es gibt gesetzliche
Feiertage, es gibt religiöse Feiertage, es gibt weite-
2361
re Gedenk- und Feiertage mit Gesetzesrang und es
gibt weitere Gedenktage – diese legen zumeist die
jeweiligen Regierungen fest – ohne Gesetzesrang.
Ich habe bei der Bundeszentrale für politische Bildung einen sehr spannenden Beitrag zur Funktion
von Gedenktagen gefunden. Vielleicht möchte ihn
der eine oder die andere einmal nachlesen. Da
heißt es nämlich zum Beispiel: „Gedenktage sind
‚Denkmäler in der Zeit‘. Sie sind zwar weder ortsgebunden noch von einem Medium abhängig, doch
sie sind zeitgebunden und bedürfen der ständigen
Pflege durch die Gesellschaft.“ Weiter heißt es: „Ihre periodische Wiederkehr ist ambivalent: Einerseits ermöglicht sie regelmäßiges Erinnern, andererseits birgt sie aber auch die Gefahr der Erstarrung in Routine.“ Diejenigen, die in der ehemaligen
DDR groß geworden sind, wissen, glaube ich, was
Erstarrung in Ritualen und Routine auch so mit sich
bringen kann.
Nichtsdestotrotz ist es entscheidend, wie die erinnerungskulturelle Praxis dann in der Bedeutung eines Gedenktags aussieht, denn es geht um Selbstverständnis und Vergangenheitsdeutung. Welche
Deutungen es da so gibt, mussten wir heute hier
schon von unterschiedlicher Seite wahrnehmen,
meine sehr geehrten Damen und Herren.
Gedenktage haben natürlich auch eine herrschaftsbewahrende und auch loyalitätserzeugende Funktion, das ist auch vielerorts nachlesbar. Sie sollen
aber vor allem konsensstiftend und stabilisierend
wirken. Außerdem haben sie durchaus auch ein kritisches Potenzial, weil sie als Stimulus für geschichtswissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit dienen. Gedenktage sollen ermöglichen, innezuhalten und Anlass bieten zu kritischer Selbstreflexion – ich weiß, das fällt manchen schwer –,
auch zur Korrektur von stereotypen Geschichtsbildern, die bisweilen sehr leichtfertig produziert werden.
Zu den konkreten Vorschlägen, die Sie von der
CDU jetzt gemacht haben, will ich so viel sagen:
Sie haben den 18. März als Tag der parlamentarischen Demokratie benannt. Das ist ja auch nicht
neu, das wurde beispielsweise 2008 auch schon
einmal von der bremischen CDU vorgeschlagen,
auch in Sachsen ist es einmal diskutiert worden.
Sie haben diesen Tag damit begründet, dass da die
erste freie Kommunalwahl in der DDR stattfand. Ich
habe auch noch mal nach einem Bezug zu Thüringen geschaut. Am 18. März 1990 fand übrigens
nicht die erste freie Kommunalwahl in Thüringen
statt, wenn wir schon über Geschichte sprechen.
Diese fand bereits nach dem Zusammenschluss
zum Land Thüringen am 10. September 1922 statt.
Trotzdem finde ich es richtig, über diesen Tag
nachzudenken.
Am 18. März gab es auch noch andere Ereignisse,
die stattgefunden haben, auf einige wurde verwie-
2362
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Rothe-Beinlich)
sen. Diese sind allerdings bewusst nicht zum Bezugspunkt in dem CDU-Gesetzentwurf gemacht
worden wie beispielsweise die Märzrevolution. Am
18. März 1793 gab es übrigens die Proklamation
des rheinisch-deutschen Freistaats. Da entstand im
Raum Mainz während der Französischen Revolution ein kurzlebiges republikanisches Staatswesen,
das auf Menschenrechten und demokratischen Ideen gründete. Auch solche spannenden Bezüge finden wir, wenn wir einmal genauer nachschauen,
was hinter diesen Daten steht.
Der 17. Juni als Gedenktag für die Opfer der SEDDiktatur, glaube ich, ist ein Tag, auf den wir uns sicher hoffentlich schnell verständigen können, denn
ohne Zweifel ist das ein Tag, der uns alle immer
wieder innehalten lässt und dem auch, glaube ich,
ein entsprechender Stellenwert gegeben sein sollte.
Er ist nationaler Gedenktag, er ist allerdings im Moment kein Feier- und Gedenktag mehr. Deswegen
meinen wir durchaus, es lohnt sich, darüber weiter
nachzudenken.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der
25. Oktober, der Tag der Verfassung und des Landtags. Ich habe mich schon gefragt, welche Verfassung gefeiert werden soll, vermutlich die Thüringer
Verfassung. Ich weiß nicht, ob es angemessen ist,
einen Tag einzurichten, um sich selbst zu feiern als
Tag des Landtags und der Verfassung.
(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das ist durch
Volksentscheid in Kraft getreten!)
Gesetzesrang. Es gibt nur drei Ausnahmen, das ist
der 8. Mai in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie in Sachsen die Möglichkeit eines
örtlichen Gedenktags zur Erinnerung an die friedliche Revolution im Jahr 1989. Den können dort die
Gemeinden und Kommunen per Satzung festlegen.
In Bayern und nur für Augsburg gibt es das Friedensfest am 8. August.
Ich hoffe tatsächlich auf eine offene Diskussion und
will einen weiteren Tag heute hier mit zu bedenken
geben, nämlich den 10. Dezember, den Tag der
Menschenrechte. An diesem Tag verleiht die Stadt
Weimar seit vielen Jahren den Menschenrechtspreis. Ich glaube, der Tag der Menschenrechte ist
auch ein Tag, der sich sicherlich als Tag des Nachdenkens, als Gedenktag eignen würde. Ich jedenfalls hoffe auf eine gute, auf eine inhaltlich vertiefte
Debatte in den Ausschüssen und beantrage die
Überweisung auch an den Ausschuss für Migration,
Justiz und Verbraucherschutz. Vielen herzlichen
Dank!
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordnete Pelke zu Wort gemeldet. Ich möchte an dieser Stelle
noch den Hinweis geben, dass wir danach den Tagesordnungspunkt 14 aufrufen.
Abgeordnete Pelke, SPD:
Ich kann das schon nachvollziehen. Ich weiß, dass
die Verfassung durch Volksentscheid in Kraft getreten ist. Aber Sie wollen ihn ja nicht nur als Tag der
Verfassung, sondern auch als Tag des Landtags – und darauf bezog sich das Sich-selbst-Feiern. Das liegt mir nicht so. Außerdem hatte Thüringen auch vor 1990 schon mal eine Verfassung und
einen Landtag, vielleicht kommt man auch dazu
mal ins Gespräch. Trotzdem ist es ein Vorschlag,
über den zu diskutieren sich lohnt.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und
Herren, bevor ich zu dem eigentlichen Punkt komme, weshalb ich mich noch mal zu Wort gemeldet
habe, vielleicht doch noch einen Satz zum Redner
der AfD. Als ich seine Ausführungen gehört habe,
ist mir eingefallen, dass ich noch mal ganz besonders stolz darauf bin, dass wir in Thüringen nun
endlich ein Bildungsfreistellungsgesetz haben. Ich
denke, Sie sollten es nutzen, um Ihre Geschichtskenntnisse aufzufrischen.
Sie haben jetzt noch den 9. November nachgereicht, den 9. November in all seiner – ich glaube,
hier passt der Begriff tatsächlich – Ambivalenz, der
9. November, der der Beginn des millionenfachen
Mords war, der industriellen Vernichtung von Menschen, von Juden, derer wir immer wieder gedenken und aus der für uns eine tiefe Verpflichtung entsteht, „nie wieder“ zu sagen zu derartiger Ideologie,
„nie wieder“ zu sagen zu Faschismus, zu Rassismus, zu Antisemitismus, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da fand ich Ihre Redewendung,
Herr Walk, auch ein wenig lapidar, als Sie über den
8. Mai gesprochen haben.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Zusammenfassend will ich feststellen, kein anderes
deutsches Bundesland hat außer den üblichen
weltlichen und religiösen Tagen Gedenktage mit
Aber sehr viel mehr fällt mir dann da auch nicht
mehr ein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich
verstehe die Emotionalität von Frau König und
auch, was Frau Rothe-Beinlich gesagt hat. Ich gehe
davon aus, werte Kolleginnen und Kollegen von der
CDU, dass wohl doch tatsächlich aufgrund der
Schnelle des Schreibens und des Einbindens eines
weiteren Gedenktagvorschlags, was den 9. November angeht, Ihnen ein Fehler unterlaufen ist, und
dass Sie nicht meinten, dass am 9. November im
Rahmen der Reichspogromnacht etwas „inszeniert“
wurde, sondern dass etwas „initiiert“ wurde und et-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2363
(Abg. Pelke)
was in Gang gesetzt wurde, was an Grausamkeit in
dieser Welt nicht mehr zu überbieten war. Ich muss
nicht für irgendjemand anderen reden, aber ich
würde mir wünschen, dass wir an dem Thema der
Gedenktage doch eine gemeinschaftliche Diskussion auf normalem Maß zustande bekommen, wie es
eben auch Frau Rothe-Beinlich formuliert hat. Insofern finde ich es missverständlich in Ihrem Antrag,
dass der 9. November ein Tag der „demokratischen
Selbstbesinnung“ sei und diese Begrifflichkeit „inszeniert“. Vielleicht könnte das an dieser Stelle
noch heute entsprechend von Ihnen verdeutlicht
werden, was tatsächlich dahintersteht. Ansonsten
wünsche ich mir sehr, wir bleiben dabei, dass dieser Antrag überwiesen wird. Wir werden uns auch
als SPD-Fraktion noch mal sehr deutlich dazu positionieren. Der 17. Juni, das habe ich für die SPDFraktion schon gesagt, ist für mich ganz persönlich
eine Selbstverständlichkeit als Gedenktag für die
Opfer des DDR-Regimes und der SED-Diktatur. Wir
sollten auch über den 9. November nachdenken.
Wir sollten auch über andere mögliche Gedenktage
noch mal miteinander ins Gespräch kommen.
Wenngleich ich auch sage, was den 9. November
angeht, dass bei alldem, was dieser Tag in seiner
Ambivalenz auch an Positivem gegebenenfalls mit
sich bringt, für mich dieser Tag immer überschattet
ist von der Erinnerung an die Reichspogromnacht.
Ich hoffe und wünsche, dass viele auch an diesem
9. November wieder hier – entweder in Erfurt oder
an anderer Stelle – ihr Gedenken am Jüdischen
Friedhof auch offenkundig werden lassen und dieses parteiübergreifend. Insofern hoffe ich, dass wir
uns gemeinschaftlich einigen können, ohne Gedenktage und die Anzahl derer überstrapazieren zu
wollen, aber dass wir auch deutlich machen, dass
es bestimmte Tage gibt, die in der Erinnerung haften bleiben sollten, man sie deshalb durchaus auch
als Gedenktag bezeichnen sollte und in den beiden
von mir angesprochenen Fällen auch muss. Herzlichen Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion der CDU hat sich Abgeordneter
Emde zu Wort gemeldet.
Abgeordneter Emde, CDU:
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich möchte einfach ein paar Dinge noch mal klarstellen zu den Hintergründen unseres Antrags, weil
von einigen Rednern doch falsche Dinge hier hineininterpretiert wurden.
Meine Damen und Herren, aus der Geschichte lernen, dazu gehört zum einen historische Sachkenntnis, und zwar tiefgründig und nach allen Richtungen, damit man sich ein eigenes Urteil bilden kann,
am besten liest man natürlich Primärquellen, damit
niemand vorher schon kommentiert und zensiert
und in eine bestimmte Richtung gelenkt hat. Das
sage ich jetzt als einer, der in der DDR auch Geschichte studiert hat und wo es mir verwehrt wurde,
Originalquellen zu lesen.
(Beifall AfD)
Aber das ist eben nur die eine Seite, zunächst erst
einmal wirklich historische Kenntnisse haben und
sich aneignen. Aber dann muss ich eben auch sagen, für uns als Politiker heißt es dann, wenn es
darum geht, aus der Geschichte zu lernen: Wenn
man politische Prozesse lenken will, dann muss
man im Gespräch sein, und zwar mit allen. Das
schließt die ein, mit denen man gut reden kann.
Das schließt aber auch die ein, mit denen es
schwer ist zu reden und wo man vielleicht auch
emotionale Probleme hat, mit denen zu reden. Und
trotzdem muss man im Gespräch bleiben. Das lehrt
für mich jedenfalls die Geschichte.
(Beifall AfD)
Deswegen ist es ganz wichtig, dass man sich diese
Haltung bewahrt, das Gespräch zu suchen, den anderen zu akzeptieren, auch andere Haltungen, zumindest zu versuchen, zu verstehen und zu ergründen, wo kommen sie her. Nur dann kann man Politik in demokratischen Prozessen gestalten.
(Beifall CDU)
Deswegen möchte ich noch mal etwas zu dem
Verstehen des Textes hier sagen. Frau König, das
hat mir überhaupt nicht gefallen, was Sie da in unsere Begründung hineininterpretieren. Wenn jetzt
hier das Wort steht, die Novemberpogrome wurden
1938 von den Nationalsozialisten „inszeniert“, dann
ist natürlich mit „inszenieren“ keine Verharmlosung
gemeint, sondern es ging doch damals darum, öffentlich wirksam gegen die Juden zu Felde zu ziehen und Hass zu schüren und den Juden Angst
einzutreiben und damit einen Prozess in Gang zu
setzen, vielleicht auch Aggressionen auf der einen
Seite loszutreten, auf der anderen Seite tiefe Einschüchterung und Verängstigung. Jetzt können wir
gerne darüber reden, welche Begriffe wir wählen –
darum werbe ich natürlich – und welchen Gedenktagen wir uns in Thüringen zukünftig widmen. Aber
dass wir natürlich hier auch darüber reden, welche
Hintergründe stehen und wie das zu verstehen ist,
und dann können wir gerne an dem Text und an
den Begründungen feilen.
Vizepräsidentin Jung:
Herr Abgeordneter Emde, …
Abgeordneter Emde, CDU:
Ja.
2364
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Vizepräsidentin Jung:
… gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten
Dittes?
Abgeordneter Emde, CDU:
Nein.
Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:
Herr Emde, Sie haben jetzt ... – bin ich falsch?
Vizepräsidentin Jung:
Er hat Nein gesagt.
Abgeordneter Emde, CDU:
Nein, ist alles in Ordnung, Herr Dittes. Sie können
gern fragen.
Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:
Herr Emde, wenn wir uns einig sind, ist das ausreichend in dem Moment. Sie haben gerade eine
Funktion des 9. November, Reichspogrome, nicht
falsch beschrieben, aber genau vor dem Hintergrund der von Ihnen vorgenommenen Beschreibung dieses Tages: Halten Sie es wirklich für sachgerecht, diesen Tag als Gedenktag der demokratischen Selbstbesinnung einzuführen?
Abgeordneter Emde, CDU:
Ich wollte gerade dazu kommen, Herr Dittes, denn
es ist ja am Ende auch so, dass Herr Ministerpräsident Ramelow, als er zu diesem Tagesordnungspunkt gesprochen hat, als wir zuletzt dieses Gesetz
besprachen, diesen 9. November vorgeschlagen
hat. Und nun weiß Herr Ramelow genauso wie wir
alle, dass es an dem 9. November eine ganze Reihe von Ereignissen in der deutschen Geschichte
gibt. Es ist eben nicht nur der Tag des Mauerfalls.
Es gibt positive Ereignisse, die auch die Demokratie in diesem Lande stützen, es gibt aber eben genauso gut sehr negative Ereignisse an diesem
9. November, wozu natürlich die Reichspogromnacht gehört. Wir können doch die Dinge nicht ausblenden. Jetzt ist eben die Frage: Wie gehen wir
damit um? Verschweigen bringt gar nichts. Wir
müssen darüber reden. Ob wir es nun als einen
Gedenktag ausdrücken oder ob es darum geht,
dass wir nachdenken oder dass wir erinnern, darüber können wir gern noch mal sprechen und können ja auch über die Art und Weise, wie wir das im
Gesetz dann letztendlich formulieren, noch einmal
reden. Aber wichtig ist, dass wir an die Ereignisse,
ob sie nun positiv oder negativ sind, erinnern, ihrer
gedenken und dass wir das immer wieder ins Gedächtnis rufen. Da sind wir doch vollkommen auf einer Linie. Deswegen möchte ich einfach noch mal
bitten, Frau König, Sie sollten wirklich noch mal
nachdenken, ob Sie uns als CDU-Fraktion in Gänze
eine Nähe, so habe ich das herausgehört, zu der
von den Nationalsozialisten in Gang gesetzten Judenverfolgung unterstellen. Das ist in keinster Weise gerechtfertigt. Ich sage das jetzt auch in ganz ruhigem Ton, weil ich es nicht für angemessen halte,
wenn man hier solche Unterstellungen in den Raum
stellt.
(Beifall CDU, AfD)
(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:
Das hat sie nicht gesagt!)
Deswegen noch einmal: Es gibt einen Konsens zu
Gedenktagen. Welche das sind und wie wir genau
die Hintergründe beleuchten und begründen wollen,
lassen Sie uns das gemeinsam in den Ausschüssen erörtern. Vielen Dank.
(Beifall CDU, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos)
Vizepräsidentin Jung:
Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt
keine weiteren Wortmeldungen vor. Wünscht die
Landesregierung das Wort? Das kann ich nicht erkennen.
Es ist Ausschussüberweisung beantragt. Wir stimmen zunächst über die Überweisung an den Innenund Kommunalausschuss ab. Wer dem zustimmt,
den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen?
3 Gegenstimmen aus der Fraktion Die Linke.
Stimmenthaltungen? Damit ist die Ausschussüberweisung angenommen.
Wir stimmen nun über die Überweisung an den
Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz ab. Wer dieser Überweisung zustimmt, den
bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen?
Stimmenthaltungen? Bei einigen Stimmenthaltungen
(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:
Und 1 Gegenstimme!)
und 1 Gegenstimme aus der Fraktion Die Linke ist
die Ausschussüberweisung angenommen. Ich
schließe diesen Tagesordnungspunkt.
(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE:
Federführung!)
Entschuldigung. Wir müssen noch über die Federführung abstimmen. Ich gehe davon aus, dass es
der Innen- und Kommunalausschuss sein soll. Wer
dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.
Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Mit einigen
Stimmenthaltungen liegt die Federführung beim Innen- und Kommunalausschuss.
Entsprechend unserer Vereinbarung rufe ich jetzt
auf den Tagesordnungspunkt 14
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2365
(Vizepräsidentin Jung)
Neuen Strommarkt im Thüringer Interesse gestalten
Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 6/1092 Wünscht jemand aus den Fraktionen das Wort zur
Begründung? Herr Abgeordneter Harzer, Sie haben
das Wort.
Abgeordneter Harzer, DIE LINKE:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Neuen Strommarkt im Thüringer Interesse gestalten“ heißt der Antrag, den die
Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die
Grünen heute in den Thüringer Landtag eingebracht haben. Kurz zur Begründung: Mit dem Energiekonzept hat die Bundesregierung bis zum
Jahr 2050 die Leitziele für die Umgestaltung des
Energiesystems in Deutschland gesetzt. So soll bis
2050 unser Bedarf an Primärenergie nur noch halb
so groß sein wie im Jahr 2008. Gleichzeitig soll der
Anteil der erneuerbaren Energien ausgebaut werden auf 60 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs im Jahr 2050. Die Energieversorgung in
Deutschland soll unabhängig werden von begrenzt
verfügbaren fossilen Energieträgern und damit nicht
nur umweltfreundlicher, sondern auch dauerhaft sicher und wettbewerbsfähig. Mit dem Weißbuch, im
Juli 2015 veröffentlicht, „Ein Strommarkt für die
Energiewende“ sowie dem Eckpunktepapier für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende hat
die Bundesregierung ausgehend von dem Energiekonzept Grundsatzentscheidungen vorgelegt, die
im Wesentlichen bis Ende 2016 in Form von Gesetzesnovellen und Verordnungen umgesetzt werden sollen. Natürlich wird davon aufgrund der Bundesgesetzgebung auch Thüringen betroffen sein –
Thüringen mit seiner speziellen Struktur, mit einer
Stromversorgung, die weitgehend in kommunaler
Hand ist, ohne Kernkraftwerke, ohne Kohleverstromung, mit hauptsächlich erneuerbarer Energieerzeugung und KWK und einem großen Anteil an
Importenergie, da Thüringen knapp die Hälfte seines Stromverbrauchs selbst herstellt.
Diese Auswirkungen für Thüringen mit seinen Besonderheiten, die ich gerade genannt habe, sind
natürlich zu beachten und zu betrachten. Es ist zu
versuchen, dort direkt bei der Gesetzgebung in den
nächsten Monaten Einfluss zu nehmen für die Thüringer Interessen, die sich aus KWK-Novelle, aus
dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, aus Ausschreibungen Photovoltaik/Windenergie sowie aus dem
Netzausbau ergeben. Ich möchte daran erinnern,
gerade beim Netzausbau ist Thüringen stark betroffen, nicht nur mit der jetzigen gebauten Thüringer
Strombrücke, auch mit der P44 Schalkau-Grafen-
rheinfeld und mit den geplanten HGÜ-Hochspannungstrassen, Gleichstromtrassen.
Thüringen legt seine Schwerpunkte in den Bereichen auf die Senkung des Endenergieverbrauchs,
auf die Erhöhung der Energieeffizienz, auf die Minderung des CO2-Ausstoßes, auf den Ausbau der
Nutzung von erneuerbaren Energien und auf die
stärkere Einbeziehung des Themas „Energie und
Klima“ in Forschung und Entwicklung und natürlich
auch in Aus- und Weiterbildung.
Von daher halten wir es für notwendig, hier im
Landtag auch über die energiepolitischen Ziele im
Zusammenhang mit der Gesetzgebung zur Energiewende in Deutschland zu debattieren und der
Landesregierung für die Verhandlung im Bundesrat
vorzugeben und aufzugeben, wie der Landtag diese Probleme sieht. Deswegen heute dieser Antrag
und es wäre, denke ich, ein deutliches Zeichen,
wenn die Opposition diesen Punkten auch zustimmen könnte und wenn Thüringen hier gegenüber
dem Bund mit einer Stimme spricht und somit der
von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten
Umwandlung der Energiesysteme in Deutschland
im Zuge der Verbesserung des Klimas oder des
Schutzes unseres Klimas zustimmen könnte. Damit
ist der Antrag eingebracht. Danke.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht
zu Nummer I des Antrags. Für die Landesregierung
erteile ich Frau Ministerin Siegesmund das Wort.
Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie
und Naturschutz:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mich bei den
Fraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die
Grünen ausdrücklich für den Antrag „Neuen Strommarkt im Thüringer Interesse gestalten“ bedanken
und erstatte dazu gern einen Sofortbericht.
Gerade im Vorfeld von Paris, gerade jetzt, wo wir
uns mitten im Klima- und Energieherbst befinden, in
dem entscheidende Weichenstellungen auf Bundesebene getroffen werden, ist es wichtig, darüber
zu sprechen, welche Interessen das Land Thüringen Richtung Bund adressiert. Die aktuelle Agenda
der Energiepolitik ist komplex, sie ist zukunftsweisend. Das ist eben bei der Antragseinbringung
schon deutlich geworden.
Worüber reden wir? Wir reden über das Strommarktgesetz, die Novelle des KWK-Gesetzes, wir
reden über die Novelle der Anreizregulierungsverordnung, das Ausschreibungsdesign zur Förderung
von Anlagen für erneuerbare Energien – viele ver-
2366
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Ministerin Siegesmund)
schiedene Baustellen. Die derzeit auf Bundesebene
sich in Planung befindlichen Änderungen haben erhebliche Auswirkungen für das Gelingen der Energiewende und die eben genannten vier Gesetze
werden die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch entscheidend bestimmen. Sie werden
auch Einfluss darauf haben, wie die Energiewende
in Thüringen in den nächsten Monaten, ja, Jahren
vorankommt. Ich begrüße es daher noch mal ausdrücklich, dass wir uns damit heute beschäftigen
können und will zu einigen Punkten gemäß dem
Antrag auch dezidiert Stellung nehmen.
Zum Stichwort „Erzeugung“: Meine sehr geehrten
Damen und Herren, der Transformationsprozess ist
in vollem Gang. Der Anteil der Erneuerbaren nimmt
zu. Wir hatten im Juli einen Tag, an dem über
84 Prozent erneuerbarer Strom im Netz war und
der deutlich macht, was möglich ist. Der Strommarkt befindet sich aber auch in einer Übergangsphase, in der er vor allen Dingen eines braucht:
ganz viele Mechanismen, um Flexibilität zu organisieren. Er muss es schaffen, Erzeugung und Verbrauch eben auch bei steigenden Anteilen von
Wind- und Sonnenstrom zu synchronisieren – eine
Herkulesaufgabe. Der Markt muss dafür sorgen,
dass ausreichend Kapazitäten vorhanden sind und
dass diese Kapazitäten auch tatsächlich effizient
eingesetzt werden. Das Stichwort dafür ist Flexibilität im Stromsystem, das heißt flexible Erzeugung,
flexible Nachfrage und Speicher. Das Ganze
braucht auch einen neuen rechtlichen Rahmen, der
ein hohes Maß an Versorgungssicherheit garantiert. Da darf es keine Abstriche geben. Deswegen
unterstütze ich ausdrücklich die Entscheidung des
Bundeswirtschaftsministeriums, den erweiterten
Strommarkt 2.0 als Säule, als Grundinstrumentarium für diese große Aufgabe zu wählen. Die Bundesregierung hat sich damit für eine Weiterentwicklung des Strommarkts und gegen die Kapazitätsmärkte entschieden. Damit ist sie auf dem richtigen
Weg. Es besteht damit die Chance, die Effizienz
des künftigen Stromsystems maßgeblich zu stärken.
Ein Entwurf des Strommarktgesetzes liegt uns seit
Mitte September vor. Was genau sind die Details?
Zum einen die rechtliche Verankerung der freien
Preisbildung, die bessere Einbindung des deutschen Strommarkts in den europäischen Markt,
auch – und das ist wichtig – die Überwachung der
Versorgungssicherheit durch ein Monitoring, die
Einführung einer Kapazitätsreserve und diverse andere Punkte. Fakt ist aber auch, dass Braunkohlekraftwerke ein Teil dieser Reserve ausmachen. Die
Diskussion um die Frage der Braunkohle kommt in
Thüringen immer zu kurz, weil man meint, dadurch,
dass wir keine Kraftwerke haben, müssten wir auch
nicht darüber sprechen. Das halte ich aber für
falsch und ich will auch begründen, warum.
Ich bedaure – und das will ich vorausschicken –,
dass die Bundesregierung ihren Vorschlag vom
Frühjahr nicht weiter verfolgt hat. Der Vorschlag
war, einen Klimaschutzbeitrag einzuführen, ein intelligentes Instrument, um die geplanten CO2-Minderungen im Stromsektor effizient zu erreichen. Allein, man ist eingeknickt vor der Kohlelobby. Wenn
man aber langfristig die Energie- und Klimaziele –
das Stichwort „Dekarbonisierung“ hat diesen Sommer an ganz vielen Stellen eine Rolle gespielt –
verfolgt, kommt man um das Stichwort „Kohle“ auch
nicht herum. Stattdessen gibt es jetzt Folgendes:
Es gibt eine sogenannte Klimareserve mit 2,7 Gigawatt, die allein nur für Braunkohlekraftwerke gedacht ist. Damit steht eines fest, die Klimareserve
ist in Wahrheit eine Kohlekraftreserve. Warum hat
das für uns auch eine Bedeutung? Weil diese Kohlereserve uns 230 Milliarden Euro Kosten im Jahr
bescheren wird und diese 230 Milliarden Euro
– Entschuldigung: 230 Millionen Euro – Kosten im
Jahr werden auf die Verbraucherinnen und Verbraucher, also auch auf Thüringen umgelegt. Und
zum Zweiten werden diese auch auf die Netzentgelte gewälzt und damit sind auch wir diejenigen,
die davon betroffen sind. Da hat die Bundesregierung eine Entscheidung getroffen, die wir aus Thüringen heraus nur rundherum ablehnen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will
zum zweiten Gesetzespaket kommen, zur Novelle
des KWK-Gesetzes. Wir haben die Novellierung
eingefordert, weil wir nachhaltig eine Verbesserung
der Marktsituation klimafreundlicher KWK-Anlagen
brauchen. Unstrittig unter uns allen über alle Parteigrenzen hinweg ist doch Folgendes: KWK ist ein
wesentlicher Baustein für eine bedarfsgerechte
Strom- und Wärmeversorgung. Wir als Landesregierung haben uns für die Stärkung kleinerer Erzeugungseinheiten eingesetzt, weil das nun mal Thüringen ist, weil kleine KWK-Anlagen Thüringens Akteure ausmachen. Konkret haben wir uns mit eigenen Anträgen über den Bundesrat eingebracht. Ich
werde die Thüringer Interessen dazu morgen im
Bundesrat vertreten. Um welche Punkte wird es da
gehen? Erstens, die Förderung kleinerer KWK-Anlagen unter 2 Megawatt, die erhalten bleiben soll,
und zweitens um eine Erhöhung der Bestandsförderung von 1,5 Cent pro Kilowattstunde auf
2,5 Cent.
Wir haben die Initiative ergriffen, weil wir uns gegen
eine drohende Schlechterstellung von Anlagen, die
bereits durch das bisherige Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz gefördert wurden, stellen wollen, stellen müssen, um in Thüringen unsere Interessen zu
vertreten. Die Hürde – das ist die positive Nachricht
hier – der Ausschüsse im Bundesrat haben unsere
Anträge genommen. Jetzt müssen wir sehen, wie
der Bundesrat morgen entscheidet. Wir werden Sie
dazu auf dem Laufenden halten.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2367
(Ministerin Siegesmund)
Ich will zum Bereich Fotovoltaik kommen und in die
Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes einsteigen. Im EEG ist die jährlich angestrebte Gesamtleistung neu installierter Fotovoltaikanlagen
gesetzlich verankert. Das Ziel sind 2.400 bis maximal 2.600 Megawatt; mit einem Zubau von
1.900 Megawatt wurde das Ziel im vergangenen
Jahr deutlich verfehlt. Das merken wir auch, wenn
wir uns in der Thüringer Fotovoltaikbranche umhören. Wir brauchen also wieder einen realistischen
Zubaupfad und müssen uns über die weitere Erhöhung verständigen.
Dezentrale Versorgungsprojekte und Bürgerenergieprojekte gehören für die Akzeptanz erneuerbarer
Energien ebenso mit dazu, weil es hier auch um regionale Wertschöpfung geht. Deswegen setzen wir
uns bei dieser Novelle umso mehr dafür ein, dass
der Erhalt der Bürgerenergie und die Akteursvielfalt
gesichert werden. Das sind zentrale Bausteine aus
Thüringen hinaus. Auch hier bereiten wir Initiativen
vor und setzen uns dafür nachdrücklich ein.
Ich möchte zum Thema „Verteilung und Transport“
kommen – ebenso ein Punkt, der im Antrag angesprochen wird: Fakt ist doch, eine wettbewerbsfähige und sichere Stromversorgung braucht auch
moderne und leistungsfähige Netze. Unsere Maximen lauten aber ganz klar: strikte Befolgung des
sogenannten NOVA-Prinzips, das heißt: Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau und Einsatz neuer Technologien, wie Hochspannungsgleichstromübertragung, Erdverkabelung oder Hybrid. Diese
Ziele finden sich auch im Landesprogramm 2025
wieder. Dort haben wir den Anspruch der Trassenbündelung, den Vorrang der Modernisierung und
die Vermeidung von wesentlichen Beeinträchtigungen von Mensch, Natur und Umwelt sowie des
Landschaftsbilds verankert.
Viel Bewegung gibt es derzeit in der politischen
Diskussion beim Thema „Erdkabel“. Die Bundesregierung hat am 1. Juli energiepolitische Eckpunkte
beschlossen. Danach soll bei der Errichtung der
HGÜ-Stromautobahn vorrangig die Erdverkabelung
zum Einsatz kommen. Bis dato ist aber – das muss
man hier heute so klar konstatieren – noch vieles in
dem Bereich sehr unklar. Die Landesregierung unterstützt den Einsatz von Erdkabeln. Wir sind aber
der Meinung, dass man im Einzelfall die verträglichste Lösung umsetzen muss. Deswegen bringen wir
uns in diesen Diskussionsprozess ganz aktiv ein.
Sehr geehrte Damen und Herren, frisch auf dem
Tisch liegt der erste Entwurf zum „Netzentwicklungsplan 2015 bis 2025“. Den haben die vier Übertragungsnetzbetreiber am 30. Oktober veröffentlicht
und der BNetzA übergeben. Der Bericht beschreibt
keine konkreten Trassenverläufe von Leitungen,
sondern dokumentiert den notwendigen Übertragungsbedarf zwischen einzelnen Netzknoten. Im
Entwurf wird die „EEG-Novelle 2014“ vollständig
berücksichtigt. Außerdem waren die Übertragungsnetzbetreiber aufgefordert, Alternativen zu bestimmten Vorhaben zu entwickeln. Zu diesem Entwurf wird die Landesregierung bis zum 13.12. Stellung nehmen. Für Thüringen stellt sich vor allen
Dingen die Frage: Was passiert mit der sogenannten P44? Der Abgeordnete Harzer hatte das angesprochen. Dieses Vorhaben sah bisher die Errichtung zweier Drehstromsysteme 380 kV zwischen
Altenfeld und Grafenrheinfeld vor und war in die
Einzelmaßnahmen Altenfeld-Schalkau und Schalkau-Grafenrheinfeld gegliedert. Zu seiner Umsetzung war bisher der Neubau einer Trasse durch
das sensible Heldrunger Unterland vorgesehen,
was die Thüringer Landesregierung ganz strikt abgelehnt hat. Diese strikte Ablehnung scheint endlich
Früchte zu tragen, denn die Betreiber präsentieren
im „Netzentwicklungsplan 2015“ erstmals eine Alternative zur P44, die ohne Trassenneubau in Thüringen auskommt. Stattdessen ist die Aufrüstung
bestehender Leitungen vorgesehen. Der Druck der
Landesregierung zeigt also Wirkung.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Ebenso wichtig ist für Thüringen der sogenannte
HGÜ-Korridor D. Sein Eckpunkt soll von Gundremmingen nach Landshut an der Isar verlagert werden, das ist in Bayern. Die Planungen der Netzbetreiber zeigen, dass dies aus technischer Sicht
möglich wäre. Die letzte Entscheidung fällt hier
aber der Bundesgesetzgeber. Ich will einen Punkt,
den der Abgeordnete Harzer erwähnt hat, ausdrücklich unterstreichen. Das eine ist das Sitzen
hier auf den Oppositionsbänken, das andere, wenn
wir wissen, dass wir beim HGÜ-Korridor D den
Bundesgesetzgeber als Adressaten haben, der entscheidet, dann muss klar sein, dass auch die Opposition sich zu ihrer Verantwortung bekennen muss.
Wer im Bund mitregiert, hat auch Einfluss auf die
Frage, wo der sogenannte HGÜ-Korridor D entlanggeht. Also erwarte ich auch, dass Sie an dieser
Stelle Verantwortung für das Land übernehmen.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum
Stichwort „Netzentgelte“ will ich auch zwei Worte
verlieren, weil es eine müßige Diskussion ist. Wir
haben uns in Grünbuch- und in Weißbuch-Debatten
intensiv eingebracht, weil es nicht fair und schon
gar nicht solidarisch ist, dass wir in der Regelzone
50Hertz die höchsten Netzentgelte zahlen. Schon
gar nicht fair und schon gar nicht solidarisch ist,
dass 50Hertz diese überproportional noch mal um
30 Prozent erhöhen möchte.
Man sollte sich aber sehr genau anschauen, welche Lösungen es gibt. Im Weißbuch steht ja nur,
man will sich auf Bundesebene für ein solidarisches
Netzentgelt einsetzen. Das finde ich höchst span-
2368
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Ministerin Siegesmund)
nend. Heißt solidarisch, die anderen werden auf unser Niveau angehoben, oder heißt solidarisch, man
findet eine Regelung, die das Ganze nivelliert und
ein Mittel findet? Ein Kurzgutachten der TU Dresden – danach sollten wir uns richten und uns
dementsprechend orientieren – hat sich mit dieser
Frage der Ungleichverteilung der Netzentgelte auseinandergesetzt und kommt zu folgendem Ergebnis: Für einen solidarischen und fairen Ausgleich
der Netzentgelte gibt es einen Weg und dieser Weg
würde 12 von 16 Ländern besserstellen. Deswegen
müssen wir uns aus Thüringen heraus dafür einsetzen, dass das auch umgesetzt wird. Das ist unsere
Aufgabe.
Meine sehr geehrte Damen und Herren, auch bei
der Entlastung der Stromspeicher von Netzentgelten machen wir Druck. Neben der Flexibilisierung
von Angebot und Nachfrage sind Speicher eine
zentrale Flexibilisierungsoption. Ihre Bedeutung
nimmt bei steigendem Anteil der Erneuerbaren zu,
und wenn man weiß, dass wir ein Fünftel der gesamten durch PSW bereitgestellten Energie in Thüringen für die Bundesrepublik generieren, dann
heißt das auch, dass wir hier eine hohe Verantwortung haben. Die Bundesregierung ist hier völlig zögerlich, um nicht zu sagen, versteckt sich. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass bewährte und
neue Speichertechnologien, die zur Flexibilisierung
der Stromversorgung und zur Netzstabilität gebraucht werden, auch sicher finanziert sind. Dazu
braucht es unser Engagement. Dass die Energiewende auch eine technologische Herausforderung
ist, ist doch unbenommen. Und beim Thema „Speicher“ keine zukunftsweisenden Entscheidungen
seitens des Bundes zu treffen, führt nicht in die
richtige Richtung. Deswegen müssen wir hier sehr
klar intervenieren und deutlich machen, warum das
wichtig ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum vorletzten Punkt innerhalb der derzeitigen
energiepolitischen Debatte. Das Thema „Anreizregulierungsverordnung“ ist ein Spezial-, ich will sagen, ein Expertenthema, aber trotzdem ist es wichtig, es zu benennen. Die jetzt laufende Novellierung
dient dem Ziel, die Rahmenbedingungen für die
Verteilernetzbetreiber an die Erfordernisse der
Energiewende anzupassen; gleichzeitig sollen die
Investitionsbedingungen für nachgelagerte Netzbetreiber verbessert werden. Unter den Ländern
besteht Einigkeit darin, dass diese Vorschläge nicht
geeignet sind, die Investitionsbedingungen für die
Betreiber zu verbessern. Deswegen sind wir auch
hier gefordert und ich will die drei Punkte nennen,
die wir hier an den Bund herantragen:
1. keine Verschärfung der Effizienzvorgaben und
Beibehaltung der derzeitigen Abrechnung,
2. keine Änderung der Schwellenwerte für das vereinfachte Verfahren – unsere Stadtwerke würden
mit dem, was da gefordert ist, bürokratisch komplett
lahmgelegt, das geht nicht – und
3. die Beseitigung des Zeitverzugs für die Geltendmachung von Investitionskosten.
Diese Punkte haben wir auch dem Bundeswirtschaftsministerium im Sinne unserer Struktur in
Thüringen gespiegelt und diese in die Diskussion
gebracht.
Last, but not least: Der Umbau des Energiesystems
ist eine Gemeinschaftsaufgabe, der vor allem eines
bedarf, er bedarf der Abstimmung mit allen Akteuren. Die Mitglieder der Landesregierung haben viele Gespräche mit der Energiewirtschaft, den Stadtwerken, der TEAG und der Erneuerbare-EnergienBranche geführt. Wir können heute zurückblicken
auf eine sehr erfolgreiche Erneuerbare-EnergienKonferenz in der vergangenen Woche. Der Dialog
mit zentralen Akteuren ist institutionalisiert. Es gibt
in meinem Haus einen Beirat für die Thüringer
Energiewende. Künftig werden wir uns hier regelmäßig mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, der Energiebranche und Umwelt- und Verbraucherverbänden zusammensetzen,
um gemeinsam die Herausforderungen der Energiewende und mögliche Lösungsansätze zu erörtern. Diesen Dialog – und damit will ich schließen –
wird es auch bei der Erarbeitung unserer Energieund Klimastrategie geben. Auch hier werden wir all
jene einbeziehen, die mit uns nach vorn an diesem
Konzept arbeiten wollen, weil das breite Wissen
und die gesellschaftliche Akzeptanz nur Gutes zu
dieser Strategie beitragen werden. Davon bin ich
überzeugt und der Weg ist bei manchen Gesetzesvorhaben das Ziel. Auch das dürfte nichts Neues
sein. Sie sehen, das Thema „Energie und energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen“ bleibt in den
nächsten Monaten hochaktuell, ist komplex, aber in
jeder Faser zukunftsweisend. Wir wollen, dass die
Energiewende in Thüringen eine Erfolgsgeschichte
ist. Wir wollen, dass Thüringen Energiegewinner
wird. Dazu brauchen wir auch den bundespolitischen Rahmen. Deswegen setzen wir uns im Bund
und im Bundesrat nach Kräften ein – genau in dem
Sinne, wie der Antrag der Regierungsfraktionen
überschrieben ist –, den neuen Strommarkt im Interesse von Thüringen zu gestalten. Herzlichen
Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Meine Damen und Herren, gemäß unserer Geschäftsordnung werden Beratungen zu Berichten
der Landesregierung grundsätzlich in langer, also in
doppelter Redezeit verhandelt. Ich frage: Wer
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2369
(Vizepräsidentin Jung)
wünscht die Fortberatung des Sofortberichts? Auf
Antrag der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die
Grünen, SPD und CDU gibt es die Fortberatung
des Sofortberichts. Ich eröffne die Beratung zum
Sofortbericht zu Nummer I des Antrags, gleichzeitig
eröffne ich die Aussprache zu Nummer II des Antrags. Abgeordneter Gruhner, CDU-Fraktion, hat
sich zu Wort gemeldet.
Abgeordneter Gruhner, CDU:
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und
Herren, ich habe jetzt die ganze Zeit überlegt, was
mir zum Energieherbst der Ministerin einfällt. Mir ist
zumindest eingefallen, dass im Herbst die grünen
Blätter von den Bäumen fallen
(Beifall CDU)
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Die sind gelb oder braun,
wenn sie herunterfallen!)
und ich hoffe, dass bei Ihrer energiepolitischen
Konzeption sich nicht schon der Wintereinbruch andeutet.
Aber zurück zum eigentlichen Thema. Ich will Ihnen
herzlich für Ihren Sofortbericht danken, will auch
gleich noch auf die eine oder andere Aussage eingehen. Ich will zunächst aber erst noch mal feststellen, dass wir in der Tat hochaktuell sind, wenn wir
über das Thema „Strommarktreform“ sprechen,
denn genau am gestrigen Tag hat die Bundesregierung einen Beschluss zum Strommarktgesetz auf
den Weg gebracht. Es wurde ein Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende beschlossen sowie die
Kapazitätsreserveverordnung. Damit sind weitreichende energiepolitische Beschlüsse auf Bundesebene in der Bundesregierung gefasst worden. Damit stehen zumindest vonseiten der Bundesregierung sehr wichtige energiepolitische Koordinaten
fest. Man muss einfach feststellen, dass diese
Strommarktreform der Bundesregierung seit der Liberalisierung des Strommarkts in den 1990er-Jahren die größte Reform im Bereich der Energiepolitik
ist. Man könnte es vielleicht auch so sagen: Mit
dem neuen Strommarktgesetz steht nun eine Art
Grundgesetz für den Strommarkt im 21. Jahrhundert zur Verfügung.
Warum ist eine Reform notwendig? Die Ministerin
hat das angesprochen. Der Strommarkt durchläuft
eine Phase des Übergangs. Erneuerbare Energien
– und das wollen wir auch – übernehmen mehr Verantwortung in der Stromversorgung. Die Kernenergie wird bis 2022 vom Netz gehen und die europäischen Märkte im Bereich des Stroms wachsen weiter zusammen. In dieser Übergangsphase haben
wir eine Situation, wo vor allem die Verwirklichung
des europäischen Strombinnenmarktes, der Ausbau der erneuerbaren Energien, sinkender Stromverbrauch, aber auch die Liberalisierung der Strom-
märkte zeitweise zu einem erheblichen Überangebot an Kapazitäten im Strommarkt führen. In dieser
Übergangsphase ist es wichtig, dass wir am Strommarkt Versorgungssicherheit gewährleisten und
dass wir Einspeisung und Entnahme im Strommarkt
tatsächlich eben auch synchronisieren. Es muss sichergestellt sein, dass jederzeit genauso viel Strom
in das Stromnetz eingespeist wird, wie aus diesem
entnommen wird. Zu diesem Sachverhalt haben wir
in der Tat noch einige Probleme, einige Hemmnisse
und deswegen ist diese Reform notwendig und
deswegen ist sie sinnvoll und deswegen ist es auch
richtig, dass die Bundesregierung hier mit einem
sehr großen Paket handelt.
Bevor ich auf einzelne Aspekte des Antrags der Koalitionsfraktionen eingehe, will ich zunächst noch
mal sagen, dass das Paket, das die Bundesregierung hier vorgelegt hat, hier durchaus angemessen
ist, dass es vernünftig ist und dass es vor allem in
der Grundsubstanz richtige Antworten auf die Fragestellungen des Strommarkts im 21. Jahrhundert
gibt.
Ich will noch mal sechs Punkte nennen, einige hatten Sie auch schon genannt, warum wir sagen,
dass diese Reform, die die Bundesregierung hier
vorgelegt hat, richtig ist.
Erstens: Wir stärken einen marktwirtschaftlichen
Ordnungsrahmen im Bereich des Strommarkts und
vor allem verzichten wir auf einen kompletten Kapazitätsmarkt, der tatsächlich teuer und ineffizient geworden wäre. Und ich glaube, dieses Signal in
Richtung von mehr Marktwirtschaft im Strommarkt
ist genau richtig.
Zweitens – und das korrespondiert mit dem ersten
Punkt –: Die erneuerbaren Energien werden stärker
in den Wettbewerb gestellt. Sie müssen sich stärker
dem Wettbewerb stellen – auch das ist richtig –,
weil wir natürlich wollen, dass die erneuerbaren
Energien immer mehr zur Marktreife geführt werden, weil das letztlich auch dem Verbraucher und
der Wirtschaft nutzt.
Drittens: Diese Reform ist wichtig, weil sie die Frage von Versorgungssicherheit europäisch einbettet
und weil eben erstmals auch deutlich stärker der
europäische Binnenmarkt mitgedacht wird.
Viertens: Die Versorgungssicherheit wird mit einer
Kapazitätsreserve, die eben nicht Bestandteil des
Markts ist – auch das ist wichtig –, und mit einer Sicherheitsbereitschaft garantiert, und zu Letzterem
haben Sie ja vorhin ausgeführt.
Und ich will als fünften Punkt deswegen schon sagen: Ja, man könnte im Bereich der Braunkohle
durchaus Ehrgeizigeres verlangen. Aber ich möchte
trotzdem darauf hinweisen, dass im jetzt vorliegenden Konzept der Bundesregierung Braunkohlekraftwerksblöcke mit einer Gesamtleistung – das hatten
Sie gesagt – von 2,7 Gigawatt schrittweise ab dem
2370
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Gruhner)
Jahr 2016 aus dem Markt genommen werden. Und
das entspricht circa 13 Prozent der deutschen
Braunkohlekapazität. Da kann man immer mehr
wollen, aber ich glaube schon, das ist ein wichtiger
Beitrag, um auch Kohlendioxidemissionen zu senken. Und das ist ja der Kern, warum wir Energiewende machen. Wir reden bei diesen 2,7 Gigawatt
Braunkohle von 11 bis 12,5 Millionen Tonnen CO2,
die im Jahr eingespart werden, und das ohne Strukturbrüche.
Und da will ich schon einmal sagen: Ich finde, man
kann es sich – auch gerade mit Blick auf die Grünen – eben nicht immer so einfach machen und sagen: Wir steigen jetzt sofort aus der Braunkohle
aus. Natürlich muss die langfristige Perspektive
sein, dass wir die Braunkohle als riesigen Umweltverschmutzer vom Netz nehmen. Das ist gar keine
Frage. Aber erstens müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass man nicht parallel aus der Kernkraft und
der Braunkohle aussteigen kann. Das ist mit Blick
auf Versorgungssicherheit überhaupt nicht darstellbar, das ist Traumtänzerei. Und zweitens will ich
auch sagen: Frau Ministerin, Sie haben vorhin gesagt, Sie sind traurig darüber, dass die Klimaabgabe des Bundesministers Gabriel nicht gekommen
ist. Ich bin, offen gestanden, ganz froh darüber und
ich glaube, mit mir sind 27.000 Beschäftigte in der
ostdeutschen Braunkohle darüber froh, weil eines
doch Fakt ist: Wenn diese Klimaabgabe – oder
nennen wir sie Kohleabgabe – sofort gekommen
wäre, hätte das ein sofortiges Aus der ostdeutschen Braunkohle bedeutet. Es hätte ein sofortiges
Aus für alle Arbeitsplätze bedeutet. Und ich finde
es, offen gestanden, nicht gut, dass sich Thüringen
aus der Solidarität mit den anderen ostdeutschen
Ländern hier verabschiedet.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Wo waren Sie, als es um ostdeutsche Solarwirtschaft ging?)
(Beifall CDU)
Und deswegen ist dieser Beitrag, der jetzt hier gebracht wird, sicher nicht – das kann er gar nicht
sein – das Ende vom Lied. Aber es ist ein substanzieller Beitrag, das sollte man zur Kenntnis nehmen. Sie haben vorhin – ich glaube, versehentlich –
von 230 Milliarden Euro gesprochen, die das kosten würde –, also 230 Millionen Euro haben Sie mit
Sicherheit gemeint. Wenn man mal bedenkt, dass
man mit 230 Millionen Euro in diesem Bereich
12,5 Millionen Tonnen CO2 einsparen kann, dann
ist das ein vergleichsweise kostengünstiger Weg.
Mit 230 Millionen Euro könnten Sie im Bereich der
Energieeffizienz nicht so viel machen, um so viel
CO2 einzusparen. Deswegen, finde ich, muss man
da in den Relationen realistisch bleiben und muss
durchaus anerkennen, dass es natürlich eine Notwendigkeit gibt, hier auszusteigen, aber dass es
maßvoll sein muss mit Blick auf Arbeitsplätze, und
es darf keine Strukturbrüche geben.
Schließlich der sechste Punkte, warum diese Reform wichtig und richtig ist: Die Digitalisierung der
Energiewende wird eingeleitet. Hier geht es vor allem – das Stichwort heißt „Smart Metering“ – darum, dass wir im 21. Jahrhundert intelligente Netze
schaffen, und das ist der richtige Weg.
Nun will ich einige Bemerkungen zu Ihrem Antrag,
den Sie hier vorgelegt haben, machen. In der Tat
ist das ja sozusagen die ganze Bandbreite aller
energiepolitischen Themen, die wir gerade bundesweit und hier in Thüringen diskutieren, sozusagen
ein ganzes Potpourri, was Sie hier vorgelegt haben.
Und ich will zunächst sagen: Ja, wir sind uns in den
Dingen, die im Thüringer Interesse sind, absolut einig. Da ist es in der Tat so, dass wir keine Erinnerung brauchen, Verantwortung wahrzunehmen. Ich
will nur mal erinnern, beim Thema „Anreizregulierungsverordnung“ haben wir ja sehr gut zueinandergefunden und hier auch parteiübergreifend Verantwortung wahrgenommen. Gleiches gilt für Themen wie „Neue Stromtrassen“, insgesamt für die
Frage der Wettbewerbsfähigkeit der Stadtwerke
– auch das ist ja sozusagen Bestandteil der Frage
der Anreizregulierungsverordnung – oder auch die
Frage der Wirtschaftlichkeit von Stromspeichern.
Wir haben erst gestern über Vattenfall gesprochen,
über die Talsperren. Das korrespondiert ausdrücklich genau mit dieser Frage, wie wettbewerbsfähig
Speicher tatsächlich sind. Deswegen sind das Fragen, bei denen wir uns einig sind.
Dennoch muss ich feststellen, dass Ihr Antrag an
einigen Stellen hauptsächlich ein Schaufensterantrag ist, es werden Lippenbekenntnisse dargestellt
und an vielen Stellen – das muss ich ganz ehrlich
sagen – können wir überhaupt nicht nachvollziehen, was Sie da sagen. Ich will nur auf vier Punkte
in Ihrem Antrag eingehen bzw. diesen in vier Punkten zusammenfassen.
Als Erstes noch mal zum Netzausbau, da hat die
Ministerin auch einiges aufgeführt, und zu der Frage, wer hier welche Verantwortung wahrnimmt. Ich
will noch mal erinnern: In der Frage des Netzausbaus war es die damalige Ministerpräsidentin Lieberknecht, die gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern Seehofer sehr intensiv gekämpft hat, dass wir gerade in Ostthüringen
diese Gleichstromtrasse verhindern, weil wir immer
gesagt haben, Thüringen leistet mit der Thüringer
Strombrücke einen erheblichen Beitrag.
(Beifall CDU)
Es ist Ihr Ministerpräsident, der auf Konfrontationskurs zu Herrn Seehofer gegangen ist und dadurch,
glaube ich, keinen riesigen Beitrag geleistet hat, um
in dieser Frage voranzukommen.
(Beifall CDU)
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2371
(Abg. Gruhner)
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Wer hat denn im Bundesrat
zugestimmt? Die CDU!)
Dann haben Sie einiges zum Thema „Erdverkabelung“ gesagt. Ich glaube, es ist richtig, dass sich die
Koalitionsparteien in Berlin im Sommer darauf verständigt haben, der Erdverkabelung einen Vorrang
vor den Freileitungen zu geben. Wir müssen aber
auch – das ist nun mal die Wahrheit – an dieser
Stelle sagen, dass das zu deutlich mehr Kosten
führen wird, das ist in der Tat so. Allerdings – und
da sind wir uns wiederum einig – ist es schon so,
dass wir, bevor wir zur Erdverkabelung kommen,
darüber reden müssen, wie wir bestehende Trassen ertüchtigen können. Das ist an dieser Stelle besonders wichtig. Deswegen sage ich gerade mit
Blick auf die Gleichstrompassage Süd-Ost, über die
wir also in Ostthüringen reden: Bevor wir überhaupt
darüber sprechen, dass wir hier irgendetwas erdverkabeln, müssen wir mit 50Hertz und anderen
sehr deutlich sprechen, dass wir hier bestehende
Trassen auch nutzen.
Dann haben Sie zur Frage P44 einiges gesagt. Das
kommt ja auch im Antrag vor. Hier will ich nur sagen: In der Tat, hier ist der Bund verantwortlich, die
Landesregierung hat hier begrenzte Handlungsspielräume. Dennoch ist es wichtig, dass wir hier
kämpfen. Aber ich möchte auch darauf hinweisen
– und das sollte man schon mal deutlich sagen –,
dass die Koalitionsparteien in Berlin in dem benannten Eckpunktepapier am 1. Juli klar gesagt haben, dass man bei der betroffenen Strecke Schalkau-Grafenrheinfeld auf eine neue Leitungstrasse
verzichten will und auf eine bestehende Trasse
draufgehen möchte. Das ist Beschlusslage der
Großen Koalition in Berlin. Deswegen sollten wir
nicht so tun, als ob die Bundesregierung hier im Widerspruch zu dem steht, was wir in Thüringen wollen. Hier gibt es im Gegenteil Einigkeit, hier tut die
Bundesregierung das, was möglich ist, und hier
nehmen CDU und SPD im Bund auch Verantwortung in dieser Frage wahr.
(Beifall CDU)
Dann will ich auf die Frage des Netznutzungsentgelts eingehen, weil das auch immer wieder eine
große Debatte ist. Es ist gut, dass die Bundesregierung jetzt sagt, zumindest für den Bereich der vermiedenen Netznutzungsentgelte, dass die ab dem
1. Januar 2021 bei neuen Anlagen entfallen sollen.
Das ist ein guter Schritt, allerdings wird das nicht
substanziell die Netzentgelte senken. Deswegen
gibt es jetzt unterschiedliche Debatten, die wir in
dieser Frage führen. Fakt ist, uns eint das Ziel: Wir
wollen, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Thüringer Wirtschaft zu stärken, niedrigere Netzentgelte, weil wir natürlich erreichen wollen, dass die
Energiekosten für die Wirtschaft niedrig sind.
Ich habe großen Zweifel, dass eine bundeseinheitliche Wälzung in Deutschland erstens mehrheitsfähig ist, noch dass sie zweitens wirklich diesen Beitrag bringt, den Sie sich erhoffen. Die zitierte Studie
der TU Dresden kommt zu dem Ergebnis, dass es
marginale Effekte geben wird, wenn Sie eine bundesweite Wälzung machen. Ich will auch daran erinnern, dass Thüringen 2011 mit dieser Frage
schon mal im Bundesrat gewesen ist. Ich möchte
jetzt nicht sagen, welche Landesregierungen diesen Antrag abgelehnt haben, aber da sehen wir, die
Mehrheitsfähigkeit in dieser Frage ist offensichtlich
nicht gegeben. Deswegen glaube ich, dass wir in
dieser Frage wahrscheinlich nicht zu guten Ergebnissen kommen werden. Ich will es mal so sagen:
Wenn wir darüber reden, dass wir die EEG-bedingten Lasten im Hochspannungsübertragungsnetz
einheitlich wälzen, dann kann man da durchaus
mitgehen. Aber wenn Sie die Kosten für den gesamten Netzausbau, wenn Sie alle Netznutzungsentgelte bundesweit wälzen wollen, dann würde
das bedeuten, dass Sie auch im Bereich des Verteilnetzes bundesweit wälzen wollen. Wir haben
heute 900 Netzbetreiber in Deutschland; die können Sie dann alle abschaffen und wieder einen
staatlichen machen. Wenn Sie allerdings nur meinen, dass es um die EEG-bedingten Lasten im
Hochspannungsübertragungsnetz geht, dann kann
man tatsächlich darüber reden. Wir sagen aber
auch: Lassen Sie uns doch mal über andere Ideen
an dieser Stelle sprechen. Es gibt Überlegungen,
dass man sagt, man führt bei den Netzentgelten eine Erzeugerkomponente ein – man spricht von der
sogenannten G-Komponente. Da geht es darum,
dass man eben auch die Erzeuger am Netzentgelt
beteiligt, dass man Verbraucher an dieser Stelle
entlastet. Diese Erzeugerkomponente gibt es in
Österreich, in Schweden, in Großbritannien. Diese
Erzeugerkomponente könnte man regional so ausdifferenzieren, dass sie in verbrauchsnahen Gebieten mit hoher Energienachfrage niedrig ausfällt und
in Gebieten mit hohem Angebot und geringer Nachfrage ein höherer Beitrag fällig wird. Damit würden
wir endlich mal auch im Netz Anreize schaffen,
dass Energie dort erzeugt wird, wo sie tatsächlich
gebraucht wird. Warum streiten wir uns denn in
Deutschland so über den Netzausbau? Wir streiten
uns über den Netzausbau, der zudem teuer ist, weil
wir eine Situation haben, dass Energie dort erzeugt
wird, wo sie nicht gebraucht wird. Deswegen sollten
wir gemeinsam über kluge Lösungen reden, wie
man das ändern kann. Wie gesagt, ich glaube, Sie
kommen mit ihrem Vorschlag nicht weiter. Unser
Vorschlag wäre, dass man tatsächlich mal über so
eine G-Komponente im Bereich der Netznutzungsentgelte spricht. Das wäre ein Vorschlag, der im
Übrigen auch mehr Marktwirtschaft ins System bringen würde.
(Beifall CDU)
2372
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Gruhner)
Dann will ich Ihnen zum Thema „Netznutzungsentgelte“ noch etwas sagen. Ich kann Ihre Krokodilstränen an der Stelle nicht immer so ganz nachvollziehen, denn Sie sind es ja, die mit Ihrer Windkraftpolitik dazu beitragen, dass in Thüringen der
Strompreis geringfügig steigen wird. Sie selber tragen dazu bei.
(Beifall CDU, AfD)
Die Zahlen haben wir schon oft hier im Haus genannt. Mit dem Ausbau des Verteilnetzes in Thüringen, der infolge Ihrer Pläne notwendig wird, wird eine Strompreissteigung einhergehen.
Dann möchte ich zu einem zweiten Schwerpunkt
Ihres Antrags kommen, bei dem ich wirklich sehr
schmunzeln musste. Da reden Sie davon, dass in
der Energiepolitik ein Dialogprozess gestartet werden soll. Ich finde es schön, dass die Koalitionsfraktionen die Landesregierung auffordern, endlich in
den Dialog zu treten.
(Beifall CDU)
Genau das ist es, was wir die ganze Zeit beim Thema „Windenergie“ in den Ausschussberatungen sagen. Nur sind es die Koalitionsfraktionen, die wiederum diesen Dialogprozess ablehnen. Deswegen
– wie gesagt – ist es amüsant, dass die Koalitionsfraktionen Sie auffordern müssen, Dialog zu führen,
dass die Koalitionsfraktionen wiederum selbst eigentlich keinen wirklichen Dialog wollen, indem Sie
in Ausschüssen alles niederbügeln, was in Richtung Dialog geht.
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Herr
Gruhner, Sie wissen es doch besser!)
Dann haben Sie hier Ihren Energiebeirat angesprochen. Den finde ich schön, aber er findet offensichtlich ohne Opposition statt. Auch das ist nicht gerade im Sinne von Dialogkultur. Das müssen Sie sich
gefallen lassen. Deswegen sagen wir: Das sind an
dieser Stelle einfach nur Lippenbekenntnisse, die
Sie hier aufgeschrieben haben.
Zum dritten Schwerpunkt, den ich nennen will. Da
muss ich sagen: Es schlägt dem Fass wirklich den
Boden aus, was Sie zum Thema „Regionale Planungsgemeinschaften“ geschrieben haben. Sie sagen doch ernsthaft: Die Regionalplanungen seien
dahin gehend neu auszurichten, dass beim künftigen Aus- und Zubau von erneuerbaren Energien
die daraus resultierenden Investitionen in die
Stromnetze mit zu berücksichtigen sind, um sicherzustellen, dass Strom vorrangig dort eingespeist
wird, wo der Investitionsbedarf der Netze am geringsten ist. – Da muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Das finde ich schlichtweg einfach nur dreist.
Was heißt das denn? Das heißt am Ende, dass Sie
jetzt die regionalen Planungsgemeinschaften für Ihre Windausbaupläne in die Pflicht nehmen, dass
Sie hergehen und sagen: Wir verordnen euch jetzt
diese 1 Prozent Landesfläche, aber seht mal bitte
zu, dass ihr Bedingungen schafft, wie der Netzausbau günstig dazu passt. Das finde ich dreist und
wirklich billig, unabhängig von der Frage, dass Sie
hier auch die Verantwortung der regionalen Planungsgemeinschaften zusätzlich aushebeln.
(Beifall CDU)
Deswegen kann ich hier nur feststellen: Das ist ein
gutes Beispiel, wo deutlich wird, dass Sie Energiepolitik zulasten Dritter machen. Das wird an diesem
Beispiel besonders deutlich. Ich finde das wirklich
– mit Blick auf die Planungsgemeinschaften – eine
Frechheit.
Dann will ich zum vierten Schwerpunkt kommen,
schlichtweg, was ich einfach im Antrag der Koalitionsfraktionen vermisst habe. Sie haben über Fotovoltaik und anderes gesprochen, alles richtig, aber
ich habe heute nicht einmal das Wort „Biomasse“ in
der Diskussion gehört.
(Beifall AfD)
Sie haben gesagt, Sie wollen eine Bundesratsinitiative machen, kann man zumindest heute in der Zeitung lesen. Das ist gut. Das unterstützen wir auch
ausdrücklich. Das war auch in der Vergangenheit
die Linie der Landesregierung. Aber ich finde es
schade, dass in Ihrem Antrag zu diesem Thema
nichts gesagt wird. Da braucht man sich auch nicht
aufzuregen, Frau Ministerin. Aber gelegentlich dürfen Sie durchaus die Hinweise der Opposition auch
mal zur Kenntnis nehmen, auch wenn es Ihnen
nicht passt.
(Beifall CDU)
Ich fasse noch mal zusammen: Wir sind ausdrücklich an Ihrer Seite, wenn es um die Interessen Thüringens im Bereich der Energiepolitik geht.
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Dann
stimmen Sie doch zu!)
Aber wir sagen auch ganz klar, wenn es hier Dinge
gibt, die nicht zum Land passen, dann kann es keine Zustimmung geben. Und ich habe einzelne
Punkte angerissen, „Regionale Planungsgemeinschaften“ ist der Höhepunkt. Andere Themen habe
ich genannt. Das ist in Gänze nicht wirklich ein
sinnvoller Beitrag zur energiepolitischen Debatte.
Und deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall CDU)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter
Harzer zu Wort gemeldet.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Abgeordneter Harzer, DIE LINKE:
Viel Wind, wenig Aussage, wenig Substanz. Herr
Gruhner, das sind wir gewöhnt, dass in der Energiepolitik in den Reihen der Oppositionsfraktionen
nicht allzu viel Fachwissen vorhanden ist.
(Beifall DIE LINKE)
Damit müssen wir leben und das werden wir auch
weiterhin tun können.
(Unruhe CDU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau
Präsidentin, um die durchschnittliche globale Erwärmung noch auf 1,5 bis 2 Grad im Vergleich zur
vorindustriellen Zeit zu begrenzen und somit die
schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu
vermeiden, müssen wir effektive Rahmenbedingungen zur Dekarbonisierung der Gesellschaft, zum
Ausbau der erneuerbaren Energien beschließen.
Es gilt, die Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft im Rahmen der UN unter einem
Dach zu bündeln und zu forcieren. Die Ministerin
hat vorhin schon auf das Nachfolgeabkommen des
Kyoto-Protokolls hingewiesen, welches im Dezember 2015 in Paris verabschiedet werden soll. Wir
kommen an diesen Langfristzielen bis 2050, ich
hatte sie hier heute schon mal genannt, die globale
Erderwärmung auf weit unter 2 Grad, möglichst
aber 1,5 Grad Celsius zu reduzieren, nicht vorbei.
Die Staaten, so auch Deutschland, müssen dazu
verpflichtet werden, bis spätestens 2050 aus der
Verbrennung von Kohle, Öl und Gas auszusteigen
und ihre Energieversorgung zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energieträgern zu bestreiten. Im
Jahr 2020 soll der Höchststand der globalen Emissionen sein. Eine ambitionierte Treibhausgasemissionsreduktion und eine periodische Verschärfung
der Minderung – die Ziele müssen alle fünf Jahre
im Rahmen eines neu etablierten sogenannten Ambitionsmechanismus nach oben korrigiert werden –
sind unumgänglich. Und dazu muss die Bundesregierung jetzt verstärkt bi- und multilaterale Partnerschaften zur globalen Energiewende anstreben, die
nach Paris natürlich dazu beitragen müssen, die
Lücke bei den in den Pariser Minimalzielen festgelegten Treibhausgasemissionsminderungen – um
1,5 bis 2 Grad Celsius Limit – zu schließen. Das
Klima, liebe Damen und Herren, auch wenn Sie es
nicht gerne hören, ändert sich bereits heute und
wird sich auch in Zukunft weiter wandeln. Ein
großer Teil der beobachteten und vorhergesagten
Veränderungen lässt sich direkt mit dem Ausstoß
von Treibhausgasen durch den Menschen in Verbindung bringen. Der Klimawandel manifestiert sich
dabei sowohl in langfristigen Klimaänderungen, wie
langsam steigenden Durchschnittstemperaturen,
als auch in einer veränderten Klimavariabilität, also
stärkeren Klimaschwankungen und häufigeren extremen Wetterereignissen, wie Stürme, Dürren oder
Hitzesommer. Die Klimafolgen sind vielfältig und
2373
haben Einfluss auf unser tägliches Leben. Beispiele
hierfür sind:
Gesundheit der Menschen: Hitzewellen belasten
Menschen, Tiere und Pflanzen. Sie können vor allem bei älteren und kranken Menschen schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
Landwirtschaft: eine Verschiebung der Vegetationsperioden über Zeiträume, in denen Pflanzen
wachsen, blühen und Früchte tragen, hat Einfluss
auf die landwirtschaftliche Produktion.
Auch in der Energieproduktion: Viele konventionelle
Kraftwerke nehmen ihr Kühlwasser aus nahen Flüssen und speisen es erwärmt wieder ein. Durch
Flusswasser, das bei der Entnahme bereits zu
warm ist, oder durch sommerliches Niedrigwasser
kann es zukünftig an ausreichendem Kühlwasser
mangeln. Das kann im Extremfall dazu führen, dass
Kraftwerke abgeschaltet werden müssen. Außerdem gefährdet zu warmes Wasser die Tier- und
Pflanzenwelt der Flüsse. Wir haben also nicht nur
ein Salzproblem, sondern wir haben auch ein Wärmeproblem in den Flüssen. Auch die Klimasituation
und die Klimaentwicklung in Thüringen verändern
sich, zum Beispiel die Zeitreihen der Länge der
jährlichen thermischen Vegetationsperioden in Thüringen. Phänologische Beobachtungen – wenn Sie
nicht wissen, was phänologisch ist, es befasst sich
mit den im Jahresablauf periodisch wiederkehrenden Entwicklungserscheinungen – leisten auch in
Thüringen einen wichtigen Beitrag für die Klimaforschung und dienen der Beurteilung und Einschätzung der Klimaveränderungen. In Thüringen hat
sich die thermische Vegetationsperiode seit 1962
sichtlich verlängert. Waren es in den 60er-Jahren
des 20. Jahrhunderts noch 220 Tage im Jahr, so
hat sich die Dauer der Vegetationsperiode bis 2010
auf durchschnittlich 240 Tage erhöht. Derzeit liegt
der Beginn dieser Periode bei Mitte bis Ende März,
deutlich früher im Jahr als Anfang April in den 60erJahren. Ebenso verschob sich das Ende von Anfang auf Mitte November.
Die Auswertungen der Daten der Thüringer Klimastationen zeigen für den Zeitraum der letzten
50 Jahre folgende Klimaveränderungen – Quelle ist
die Thüringer Klimaagentur –: Anstieg der Jahresmitteltemperatur in ganz Thüringen, Abnahme der
Frosttage im April und November sowie Zunahme
der Sommertage, Abnahme der monatlichen Niederschlagssummen im Juni sowie die Zunahme der
Anzahl an Tagen mit Niederschlag im Juli, thüringenweite Zunahme der Sonnenscheindauer im Juni. Anhand der Klimaentwicklung der letzten Jahrzehnte erstellte die Thüringer Klimaagentur eine
ausführliche Einschätzung der aktuellen Klimasituation in Thüringen. Für den Zeitraum der nächsten
50 Jahre weisen die Modelle in Thüringen folgende
Entwicklungen aus: eine zunehmende Erwärmung
im Mittel um 1,9 Grad Celsius, eine Abnahme der
2374
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Harzer)
Frost- und Eistage und Zunahme der Sommer- und
heißen Tage, eine Zunahme des Winter- und Abnahme des Sommerniederschlags. Zu rechnen ist
mit einer Zunahme der Starkniederschlagsereignisse durch wachsendes Konvektionspotenzial und einer Zunahme der Sonnenscheindauer. Es kann natürlich die, die sich in die Sonne legen und brutzeln
lassen, freuen, aber die Natur wird es nicht freuen.
Da denke ich nicht nur an den Thüringer Wald, ich
denke auch an das Thüringer Becken. Ich denke an
den Harz und viele andere Regionen in Thüringen,
wo sich die Welt und die Landschaft durch diese
Erscheinungen dramatisch verändern werden,
wenn wir nicht endlich dazu kommen, diese zu ändern. Dazu ist der Antrag der Koalitionsfraktionen
ein erster Einstieg, den wir heute hier gewählt haben, weil der Strommarkt nur ein Bestandteil der
Energiewende ist, ein Bestandteil des Klimaschutzes. Der zweite Bestandteil ist der Wärmemarkt
und der dritte Bestandteil ist der individuelle Personenverkehr, der ebenfalls massiv zur CO2-Emission
beiträgt.
Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen, die
wir im Antrag beschrieben haben. Die ganze Frage
des Netzausbaus: Sie beschreiben, Herr Gruhner,
die Gleichstromtrasse als Verdienst von Frau Lieberknecht und Herrn Seehofer. Ich will hier die Verdienste der Ministerpräsidentin nicht unbedingt in
Zweifel ziehen, aber ich möchte auch mal fragen,
wer denn 2014 im Netzausbau in der vorgelegten
Form den Gleichstromtrassen mit den Drehstromtrassen zugestimmt hat. Das war nicht diese Landesregierung, es war auch nicht diese Koalition, lieber Herr Gruhner, und jetzt hierherzukommen und
zu sagen, Sie wollten den Netzausbau und Sie befördern den Netzausbau, das ist schon dreist. Das
ist schon dreist, was Sie hier behaupten, auch zur
P44 – Frau Ministerin hat die Anstrengungen der
Landesregierung dazu hervorgehoben. Ich möchte
auch mal die Anstrengungen der rot-rot-grünen Koalition dazu hervorheben, die wir getan haben. Wir
haben dazu eine öffentliche Anhörung im Umweltausschuss beantragt und durchgeführt. In dieser
Anhörung – Sie werden sich erinnern – wurde deutlich von den Netzbetreibern dargestellt – das war
nach dem 1. Juli –, dass man weiterhin an dem
Ausbau festhalten möchte, dass man die P44 so
bauen will. Alle anderen waren dagegen und deswegen ist es unabdingbar, weiterhin darauf zu pochen, auch wenn es die Beschlüsse gibt, dass es
P44 nicht gibt, weil dort kein Bündelungseffekt ist,
weil dort eine Natur zerstört wird, eine Landschaft
zerschnitten wird, die bisher nicht von solchen Projekten betroffen ist. Das muss man dann mal sagen. Auch dieser Bündelungseffekt, auf den Sie
sich immer berufen, den Sie für die vorhergehenden Trassen präferiert haben: Klar hat man gebündelt. Man hat gesagt, da ist die Autobahn, da ist die
ICE-Trasse und da bauen wir jetzt die 380-kV-Trasse lang. Man hat nur vergessen, dass die Autobahn
und die ICE-Trasse irgendwann unter dem Thüringer Wald verschwinden und dass die Trasse nicht
unter dem Thüringer Wald verschwindet, sondern
dass man die Trasse über den Thüringer Wald gebaut hat. Mit etwas Koordination und Nachdruck
der damaligen Thüringer Landesregierung wäre es
durchaus möglich gewesen, noch einen Tunnel zu
bohren und die 380-kV unter dem Thüringer Wald
hindurchzuführen, lieber Herr Gruhner. Auch das
gehört zur Wahrheit dazu. Verschweigen Sie nicht
die Geschichten, die vorher gelaufen sind. Sie waren damals zwar noch nicht im Landtag, aber trotzdem stehen Sie natürlich in der Verantwortung für
Ihre Partei und Ihre Fraktion.
Netznutzungsentgelte: Wenn ich davon ausgehe,
dass wir alles, was nicht mehrheitsfähig ist, gegenwärtig aufgeben und nicht weiterverfolgen sollten,
wo kommen wir dann hin? Wenn alles, was mal
nicht mehrheitsfähig war, aufgegeben worden wäre,
dann hätten wir heute noch AKW, dann hätten wir
keine Energiewende, dann hätten wir keine Stromwende, dann hätten wir keine Diskussion über Klimaschutz und dann hätten wir auch keine rot-rotgrüne Koalition in Thüringen, lieber Herr Gruhner.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das wäre mal
was gewesen!)
Die nicht gegebene Mehrheitsfähigkeit gegenwärtig
damit abzutun, weil es so ist, und deswegen lassen
wir die Projekte sausen, das ist völlig falsch. Gerade deswegen müssen wir kämpfen, dass es mehrheitsfähig wird.
(Beifall DIE LINKE, SPD)
Dazu brauchen wir die Opposition, weil die Opposition nur in Berlin in der Regierung ist. Deswegen
noch mal meine Einladung: Vergessen Sie Ihre Bedenken, glauben Sie auch mal Rot-Rot-Grün und
überwinden Sie sich und stimmen zu.
(Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Mit Sicherheit nicht!)
Ganz verrückt wird es, lieber Herr Gruhner, wenn
Sie uns vorwerfen, mit unserem Ausbau der Windenergie die Kosten für die Verteilernetze nach oben
zu treiben und damit die Netznutzungsentgelte zu
erhöhen. Wenn wir dann schreiben, wir wollen vorrangig die Regionalen Planungsgemeinschaften dazu animieren, dass nur dort erneuerbare Energien
aufgebaut werden, wo vorhandene Netzstrukturen
sind, und wollen damit zusätzliche Investitionen in
Verteilernetze vermeiden, dann sagen Sie uns, wir
gängeln die. Also was wollen Sie denn nun? Wollen
Sie Netznutzungsentgelte vermeiden? Wollen Sie
neue Verteilernetze vermeiden? Oder wollen Sie
das Gegenteil?
(Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Sagen Sie
mir, wie Sie das machen wollen!)
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2375
(Abg. Harzer)
Es ist einfach dreist, was Sie hier behaupten. Nicht
wir sind dreist, Sie sind dreist. Erst uns zu unterstellen, wir führen zu mehr Mehrkosten, wenn wir aber
Vorschläge machen, wie die Mehrkosten entfallen
könnten, dann sind wir die Blödköpfe der Nation,
die nix begreifen, die nix raffen und die hier nur
Schwachsinn vorschlagen. Irgendwo verstehe ich
es dann nicht mehr. Da muss man sich auch mal
an seinen eigenen Worten messen lassen, Herr
Gruhner. Sie haben es innerhalb von 5 Minuten einmal so dargestellt und einmal so dargestellt.
(Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Vielleicht –
das wäre die einfachste Lösung!)
Das ist einfach falsch, entspricht nicht den Tatsachen und muss auch mal an dieser Stelle klargestellt werden. Und wenn Sie noch so laut hereinrufen, deswegen wird Ihre Aussage nicht wahrer.
Deswegen werden Sie hier nicht die Wahrheit
pachten und werden das Gegenteil von dem behaupten, was wir Ihnen zum Beschließen vorlegen.
Auch zum Dialogprozess: Lieber Herr Gruhner, wir
haben den Bürgerdialog bereits im Koalitionsvertrag verankert. Wir führen den Bürgerdialog in einem nie da gewesenen Verfahren zum Windenergieerlass in Thüringen durch.
(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Da sind wir
mal gespannt, was da rauskommt!)
Regierungshandeln stellen wir der öffentlichen Debatte, stellen wir der öffentlichen Diskussion. Das
hat es unter schwarzer Regierungsführung nie gegeben; Regierungshandeln wurde nicht mal im
Landtag debattiert, weil ein Erlass Aufgabe der
Landesregierung ist. Wir diskutieren das mit den
Bürgerinnen und Bürgern auf einer extrem breiten
Basis.
(Unruhe CDU)
Wir haben es vom Juli bis 30. September öffentlich
zur Diskussion gestellt. Es gab dort 537 Beteiligungen. Wir machen jetzt über den Ausschuss eine
zweite Anhörung von anerkannten Naturschutzverbänden, von Bauernverbänden, von Landwirtschaftsverbänden, von Bürgerinitiativen. Wir holen
noch mal die Meinung ein.
(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Aber Sie
stellen sich nicht der Diskussion!)
(Zwischenruf Abg. Lehmann, CDU: Wann
denn?)
Wir werden Anfang des Jahres 2016 dazu noch mal
Regionalkonferenzen machen. Wie viele Bürgerbeteiligungen wollen Sie denn noch, liebe Damen und
Herren von der CDU? Sie meckern immer nur, dass
nichts gemacht wird, und wenn was gemacht wird,
nehmen Sie es nicht zur Kenntnis oder negieren es
einfach.
(Unruhe CDU)
Diesen Dialogprozess auch in Zukunft bei der zu
entwickelnden Energie- und Klimaschutzstrategie
für den Freistaat zu machen, das ist hiermit unser
Ziel und deswegen betonen wir dieses Ziel noch
mal als Aufforderung an die Landesregierung, weil
wir uns da mit der Landesregierung auch einig sind,
dies hier entsprechend gemeinsam umzusetzen.
Liebe Damen und Herren von der CDU, es würde
durchaus einer Schärfung Ihres Realitätssinns entgegenkommen, wenn Sie das, was hier steht, nicht
nur lesen, sondern auch verstehen würden und
wenn Sie gemeinsam mit uns hier die Positionen,
die sich aus der Besonderheit Thüringens im Bereich der Energieerzeugung, des Energieverbrauchs ergeben, entsprechend zur Kenntnis nehmen und damit mit uns gemeinsam in Berlin dafür
werben, dass Sie die Punkte – die Ministerin hat es
ja angesprochen –, die wir benötigen, um die Energiewende in Thüringen erfolgreich zu gestalten,
auch entsprechend begleiten und in Berlin entsprechend mit einbringen über Ihre Fraktionen, die Sie
dort vertreten.
Ich denke, wir haben mit unserem Antrag und den
zwölf Punkten, die wir benannt haben, entsprechend Zeichen gesetzt. Die Landesregierung hat
sie zum Teil bereits aufgenommen und wird sie aufnehmen, wie Frau Ministerin vorhin gesagt hat. Ich
denke, dazu gehört auch der Punkt 5: Die auskömmlichen Rahmenbedingungen für den weiteren
Ausbau erneuerbarer Energien und den Ausbau
von Energiespeichern. Gerade das Thema „Speicher“ ist so ein Thema, wo wir – das wurde vorhin
auch schon gesagt – extrem Probleme haben.
Dass es heute so weit ist, dass Geld dafür genommen wird, dass man Energie verkauft, also einen
negativen Preis, wie man sagt, dass Energie verschenkt wird, weil es immer noch billiger ist, als in
Speichertechnologien zu investieren, das ist der
falsche Weg. Das zeigt, dass auch an dieser Stelle
der Strommarkt nicht funktioniert.
(Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Deshalb
gibt es eine Reform!)
Ich habe über den Jetzigen gesprochen, Herr Gruhner, und nicht über eine Reform, deren Auswirkungen wir noch nicht kennen. Nur bezweifle ich, dass
mit dieser Reform auch die Speichertechnologien
marktfähig werden. Wir müssen dort mehr Technologieforschung betreiben, wir müssen mehr praxisnahe Forschung betreiben. Auch dazu hat sich RotRot-Grün bekannt. Deswegen ist es auch unter den
Punkten 11 und 12 noch mal explizit benannt, dass
wir hier mit „Power-to-heat“, „Power-to-gas“ entsprechend Technologien unterstützen, auch Thüringer Projekte unterstützen, die zur Fortentwicklung
dieser Speichertechnologien dienen, und dass wir
auch einen ganz neuen Punkt mal betrachten, der
bisher nie auf der Agenda stand, nämlich die Vermaschung der regionalen Netzstrukturen. Sie ha-
2376
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Harzer)
ben darauf hingewiesen, dass wir 900 Netzbetreiber in Deutschland haben. Das führt natürlich auch
zu 900 abgeschotteten Netzen. Das führt dazu,
dass wir in Sachsen-Anhalt an der Thüringer Landesgrenze Strom aus erneuerbaren Energien,
Windkraft erzeugen. Jena braucht Strom, das ist
keine 30 Kilometer weg. Was passiert? Der Strom
wird eingespeist in die 380-kV-Trasse, geht über
die 380-kV-Trasse nach Thüringen. In Thüringen
geht er wieder ins 110-kV-Netz und geht nach Jena, um dort verbraucht zu werden. Warum ist es
nicht möglich, auf der 110-kV-Ebene Vernetzungsstrukturen herzustellen, um dort diese Wege abzukürzen und dann entsprechend natürlich auch Leitungsverluste abzukürzen? Dazu gibt es auch ein
Forschungsprojekt an der TU Ilmenau. Ich denke,
wir sind gut beraten als Freistaat Thüringen, dieses
zu unterstützen und entsprechend mit voranzubringen. Also Sie sehen, auch in Thüringen wird viel für
die Energiewende getan, wird viel für die Energiewende geforscht. Gerade die Thüringer Landesregierung, die jetzige, hat sich ja diesem Thema verschrieben als eines der zentralen Politikfelder. Und
die Auswirkungen – ich habe es nicht umsonst am
Anfang so ein bisschen klimaschutzbezogen gemacht. Warum habe ich das gemacht? Um einfach
zu zeigen, wo wir hinkommen, wenn wir nichts tun
in dem Bereich, wenn wir weiter ruhig bleiben,
wenn wir weiter so tun wie die AfD-Fraktion: Die
Braunkohle wird in Sachsen-Anhalt und in Sachsen
und in NRW abgebaut, das interessiert uns nicht,
die AKWs stehen auch irgendwo anders, die Reste
der AKWs werden dorthin gebracht, wo wir nicht
hinfahren. Das wissen wir, dort machen wir auch
keinen Urlaub. Also geht uns das alles nichts an, also können wir doch den Strom weiter daraus beziehen. Aber ein Windrad, das stört uns, denn das
Windrad ist die große Crux und nicht die atomaren
Brennstoffe und nicht die Landschaftszerstörung
durch Braunkohle und vor allem der CO2-Ausstoß,
der dort massiv die Umwelt belastet.
Genau deswegen habe ich noch einmal auf die Bedeutung für den Klimaschutz, die auch der Strommarkt und die Stromerzeugung in Deutschland haben, hingewiesen. Von der Warte aus werbe ich
noch mal dafür, hier entsprechend gemeinsam mit
uns diesen Antrag zu beschließen, sich beim Bund
mit für die entsprechenden Regelungen für Thüringen, für die Besonderheit auch des Thüringer
Strommarkts einzusetzen, dass wir die Energiewende in Thüringen erfolgreich gestalten und dass
wir natürlich auch damit gemeinsam Verantwortung
übernehmen, nicht nur Verantwortung für uns, nicht
nur Verantwortung für dieses Land, sondern auch
Verantwortung für unsere Kinder und Kindeskinder,
denn auch die sollen in einer intakten Umwelt hier
in Thüringen leben und sie sollen auch in einer intakten Umwelt wieder in der Lage sein, Kinder in
diese Welt zu setzen. Ich denke, das sind wir ihnen
schuldig und dafür sollten wir gemeinsam arbeiten.
Und zu den Mehrkosten, die immer wieder angebracht werden – ein leider schon verstorbener Umweltpolitiker, der sich sehr für erneuerbare Energien
eingesetzt hat, ich glaube, er war SPD-Mitglied,
Hermann Scheer, hat mal vor ein paar Jahren kurz
vor seinem Tod gesagt: „Die Mehrkosten für erneuerbare Energien von heute sind gesicherte Energie,
vermiedene Umweltschäden und niedrige Energiekosten von morgen.“ Danke schön.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Harzer. Als Nächster hat Abgeordneter Möller, AfD-Fraktion, das
Wort.
Abgeordneter Möller, AfD:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, als ich das erste Mal von Ihrem Antrag gehört habe, das war, glaube ich, im Ältestenrat, da hätte ich fast losgelacht, dass gerade
Sie, liebe Kollegen von der rot-rot-grünen Regierungsfraktionsbank, den Strommarkt im Thüringer
Interesse gestalten möchten. Ganz offen: Rot-rotgrüne Politik denkt normalerweise nicht von den Interessen Thüringens her, das wäre etwas ganz
Neues. Sie sind bisher noch nie als Bewahrer der
Interessen dieses Freistaats wahrzunehmen gewesen, und das bei allen Themen, die irgendwo in diesem Land von Relevanz sind. Nein, Sie sind Vertreter der Interessen von lautstarken Minderheiten. Klientelbezogenes Handeln zieht sich durch alle Bereiche Ihrer Politik. Als Beispiel dafür könnte man
das rot-rot-grüne Bildungsfreistellungsgesetz nennen, bei dem die Arbeitgeber für 3 Prozent der Arbeitnehmer gequält werden, die dieses Gesetz
wahrscheinlich jemals in Anspruch nehmen werden. Sie quälen eben gern Mehrheiten für Minderheiten und …
(Beifall AfD)
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Sie quälen uns!)
Ja, das ist ja meine Aufgabe, Frau Kollegin.
Aber wie gesagt, Sie quälen eben gern Mehrheiten
für Minderheiten und so verhält es sich natürlich
auch im Bereich der Energiepolitik.
Die Frage wäre ja nun eigentlich: Was ist denn
energiepolitisch im Interesse Thüringens? Da haben Sie es natürlich schwer. Wer sozusagen von
seinem ideologischen Ausgangspunkt das ZweiGrad-Ziel hat und vor allem versucht, die Klimaerwärmung, also die Erderwärmung zu vermeiden,
der hat es natürlich schwer, sachlich irgendwo die
Interessen Thüringens zu formulieren. Der sollte
eher versuchen, mal mit der Sonne zu telefonieren,
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2377
(Abg. Möller)
denn die hat höchstwahrscheinlich mehr damit zu
tun, wie warm es wird,
(Beifall AfD)
als die wissenschaftlichen Studien, die Sie immer
heranziehen und die, ich sage es jetzt einmal ganz
vorsichtig, in ihrer wissenschaftlichen Substanz alles andere als unumstritten sind.
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie ist
so unumstritten wie die AfD!)
Wenn ich mir überlege, mit welcher Weltverbesserungsattitüde Sie hier ans Werk gehen! Zwei Tage
vor diesem Plenum liest man im „SPIEGEL“, dass
China – ich glaube – 1 Milliarde Tonnen CO2 mehr
in die Luft geblasen hat als ursprünglich erwartet.
Da merkt man doch eigentlich, was Sie hier für eine
Arbeit machen. Das ist die Arbeit des Sisyphos. Sie
kommen eh am Ende nicht dort an, wo Sie landen
wollen.
(Beifall AfD)
Was energiepolitisch im Interesse Thüringens ist,
das kann man mit einem Blick auf den Strompreis
bei uns und bei den Nachbarländern feststellen. Da
fällt uns nämlich etwas auf: Es ist ein großer Preisunterschied. Während man bei uns fast 29 Cent für
die Kilowattstunde Haushaltskundenstrom aufwenden muss, zahlt der Haushaltskunde in Frankreich
circa 11 Cent weniger als bei uns, in Österreich immer noch 9 Cent weniger und in Polen ganze
14 Cent weniger. Richtig an die Substanz unserer
Wirtschaft geht jedoch der Strompreisunterschied
für Industrieabnehmer. Da zahlen französische und
polnische Betriebe nur etwas mehr als die Hälfte
des deutschen Strompreises, der irgendwo bei
20 Cent pro Kilowattstunde liegt. Das ist ein ganz
gravierender wirtschaftlicher Nachteil, der zur Verlagerung von Produktion aus Thüringen ins Ausland
führt, das heißt ganz konkret, zum Verlust Thüringer Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Steuereinnahmen übrigens, die Sie brauchen,
(Beifall AfD)
die wir auch brauchen. Die politische Verantwortung hierfür haben Sie, liebe Kollegen vom rot-rotgrünen Lager, leider auch so ein bisschen die CDU
– muss ich sagen –, denn Sie alle haben in den
90er-Jahren, Ende der 90er-Jahre dieses System
von Subventionsumlagen auf den Strompreis immer weiter entwickelt. Ganz besonders hervorgetan
haben sich dabei die Grünen und dies nun mal leider mit der Konsequenz, dass wir nun eine Staatsquote auf den Strompreis haben, die bei über
50 Prozent liegt.
Die Lasten davon müssen die Thüringer Haushaltskunden, selbst die Hartz-IV-Empfänger, und die
Thüringer Wirtschaft tragen. Die Subventionen kassieren Projektentwickler, Grünstromproduzenten
und Grundeigentümer. Dass gerade die Linke bei
diesem Umverteilungssystem von unten nach oben
mitmacht, muss man immer wieder betonen, weil
es einfach sehr kurios ist. Dem Volk nimmt man
das Geld ab, um es den Ökostrominvestoren für ihre hohe und vor allem risikolose Rendite zu geben,
das ist die heutige linke Variante von Robin Hood.
(Beifall AfD)
Wenn ich Sozialist wäre, dann wäre mir das ziemlich unangenehm. Aber ich kann Ihnen sagen, als
überzeugter Anhänger der sozialen Marktwirtschaft
ist mir diese Subventionswirtschaft allemal ein
Graus. In dem Punkt muss ich leider auch ein
bisschen Herrn Gruhner widersprechen. Die Energiewirtschaft, Herr Gruhner, hat momentan so gut
wie nichts mehr mit Marktwirtschaft zu tun. Die Netze sind reguliert, die Speicher sind reguliert, der
Vertrieb ist reguliert. Sie können mal bei den Stadtwerken nachfragen, was die für Probleme bekommen, wenn die den Strompreis erhöhen wollen,
selbst wenn sich staatliche Preisbestandteile erhöht
haben. Es ist also kaum noch möglich, was nicht
gerade ein Merkmal für Marktwirtschaft ist. Die Erzeugung ist sowieso reguliert. Ohne Subventionen
wäre dieser Erzeugermarkt, so wie er sich hier in
Deutschland und in Thüringen zusammenstellt, gar
nicht möglich. Vor dem Hintergrund wundert es
mich natürlich nicht, dass Herr Adams beklagt,
dass die Solarwirtschaft nicht gerettet wurde. Die
Solarwirtschaft, die ja gerade von diesen Subventionen gelebt hat und im Grunde auf einem aufgeblähten Subventionskissen ruht, ist, als dieses geplatzt ist, natürlich untergegangen. Daran sieht
man, Herr Adams und der Rest der Grünen haben
von Marktwirtschaft genau so viel Ahnung wie ich
von vegetarischen Kochrezepten.
(Beifall AfD)
Ein weiteres Thüringer Interesse ist ein stabiles
Stromnetz. Das, werden Sie sagen, „haben wir
doch“ und da haben Sie sogar recht, aber das ist
eben nicht Ihr Verdienst. Im Gegenteil, richtiger wäre die Aussage, dass wir zwar ein stabiles Stromnetz haben, aber eben trotz Ihnen. Zu verdanken
haben wir das nämlich unseren Ingenieuren und
Technikern bei den regionalen Versorgern und den
Netzbetreibern, die es schaffen, dass die Netze stabil bleiben, obwohl aufgrund Ihrer Energiepolitik der
vergangenen 15 Jahre Investitionen in Netze
de facto bestraft wurden. Der BDEW, also der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, hat
es knackig auf die kurze Formel gebracht: Wer investiert, verliert. Sie hat es beim Subventionieren
grüner Projektentwickler und Grünstromproduzenten nie interessiert, dass es nicht ausreicht, irgendwann, irgendwo, irgendwie viele Kilowattstunden
einzuspeisen, und die Folge davon ist eben, dass
die Anzahl markt- und netzbezogener Eingriffe zum
Ausbalancieren des Stromnetzes ständig steigt.
Schon heute haben wir zum Beispiel im Kyffhäuser-
2378
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Möller)
kreis dank der von Ihnen so vergötterten volatilen
Windenergie zum Teil eine bis zu achtfache Überspeisung der Netzbezugslast.
Ich komme in dem Zusammenhang vielleicht gleich
noch mal zum Thema „Vernetzung der Verteilnetzbetreiber“, das hatte ja Herr Harzer angesprochen.
Also dass er sich jetzt für die weitere Vernetzung
der Verteilnetzbetreiber starkmacht und so ein wenig beklagt, dass wir so viele Verteilnetzbetreiber
haben, das ist ein bisschen widersprüchlich, denn
gerade Ihre Partei war es, die sich aus Konzernhass heraus in den letzten Jahren verstärkt für die
Rekommunalisierung eingesetzt hat. Und die Rekommunalisierung hat natürlich zur Folge, dass
man eben auch Neugründungen von Netzbetreibern hat und sich dadurch eine entsprechende Zersplitterung in der Energiewirtschaft einstellt.
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Eine
Vernetzung ist keine Verstaatlichung, Herr
Möller! – Nicht nur zuhören, sondern auch
verstehen, was man sagt!)
Also, Herr Harzer, Vernetzung macht auch keinen
Sinn, wenn ich die ganzen Teilbereiche immer weiter auseinandergliedere und immer neue kleine Einheiten gründe, das ist auch nicht gerade Vernetzung. Das ist Flickschusterei und nicht Vernetzung,
Herr Harzer!
(Beifall AfD)
Kommen wir wieder zurück zu den stabilen Netzen:
Für die Systembalance sind, wenn man wie Sie mit
dem Netzausbau nicht aus dem Knick kommt, steuerbare Kapazitäten das A und O. Nur finden wir die
in ihrem rot-rot-grünen Zauberwald nicht. Deshalb
träumen die unter Ihnen, welche gar keine Ahnung
haben, von wirtschaftlichen Stromspeichern und
diejenigen von Ihnen, die wissen, dass das eine Illusion ist, setzen auf massenweise subventionierte
Speichermodelle. Deshalb kommt dann eben nach
dem rot-rot-grünen Lightmodell zur EEG-Umlage
und zur Offshore-Umlage und zur KWK-Umlage
und zur 19-2-Umlage und zur Umlage für abschaltbare Lasten auch noch die Speicherumlage. Es
darf also noch teurer werden für die Wirtschaft und
den Haushaltskunden. So sieht das energiepolitische Konzept von Rot-Rot-Grün leider aus.
Und im Thüringer Interesse wäre natürlich auch eine umweltfreundliche Stromerzeugung. Darunter
versteht der Thüringer übrigens, liebe Kollegen,
dass der Wald und die auch für den Tourismus
wunderschönen Naturlandschaften unseres Landes
nicht mit Windkraftanlagen verunstaltet werden.
Und er tut das zu Recht. Denn jedem, der sich mit
der Materie befasst hat, ist bekannt, welche zerstörerische Wirkung Windkraftanlagen auf die Vogelwelt und auf andere Tiere wie Fledermäuse haben.
Doch leider ist genau das Teil Ihres energiepolitischen Programms, obwohl es jahrelang zu Ihrem
politischen Konzept zählte, also insbesondere spreche ich jetzt die Grünen an, jedes noch so sinnvolle
Infrastrukturprojekt mit Verweis auf Fledermäuse,
Frösche oder irgendwelche Kräuter zu verhindern.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Sie haben die Hamster
vergessen!)
Aber jetzt geht es eben um Ihre eigene Wählerklientel, Frau Kollegin, nämlich die Ökostrominvestoren, die staatlich garantierte und damit risikolose
Renditen fordern, um ihr Vermögen vor Draghis
Niedrigzinspolitik zu retten, natürlich auf Kosten unserer Natur in Thüringen und aller Stromkunden.
Das ist Ihre Wählerklientel und in deren Interesse
machen Sie eben auch Politik.
Zusammenfassend lässt sich daher mit Blick auf Ihre bisherige Energiepolitik sagen, dass Ihnen nichts
ferner liegt, als die originären Thüringer Interessen
zu vertreten, und das wird auch so bleiben, wie ein
Blick auf Ihren Antrag verrät. Dass Sie am Netzausbau zum Zweck Ihrer Energiewende festhalten, ist
Ihrem Gesamtkonzept geschuldet, im Grunde
schon konsequent, aber dann fängt es bei dem
Punkt II.2 schon mit der Besserwisserei an. Auf das
Leitungsbauprojekt P44 sollen die Netzbetreiber
verzichten. Mittlerweile haben Sie so einen großen
Druck ausgeübt, dass die das wohl offensichtlich
erst mal aus ihren Planungen haben verschwinden
lassen. Dafür wird dann irgendwo anders eine neue
Leitung entstehen. Der Punkt ist nämlich, Sie setzen sich für auskömmliche Rahmenbedingungen
für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien
ein, dort insbesondere für mehr Fotovoltaik und für
Energiespeicher natürlich auch, im Klartext also: für
mehr Subventionen.
Vizepräsident Höhn:
Herr Abgeordneter Möller, Abgeordneter Harzer
möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.
Abgeordneter Möller, AfD:
Ich würde das gern am Ende machen.
Vizepräsident Höhn:
Das haben wir so registriert.
Abgeordneter Möller, AfD:
Also das ist typisch Rot-Rot-Grün. Erst mit einer
sich immer weiter ins Absurde steigernden Energiewendepolitik die Notwendigkeit zum Netzausbau
schaffen, dann aber den Technikern Vorschriften
machen wollen, wo keine Leitung zu stehen hat,
weil man nämlich den Zorn des Wählers fürchtet.
Wissen Sie, auch Herr Harzer, an Sie richte ich
mich da, wenn das politische Personal wie bei Ihnen vor allem aus Sozialpädagogen, Erziehern und
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
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(Abg. Möller)
Philosophen besteht, dafür aber kaum aus Ingenieuren, sollte man sich bei technischen Aspekten
einfach mal zurückhalten und die Techniker machen lassen. Erkenne deine Grenzen – aber das
war noch nie Ihr Ding.
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Herr
Möller, ich bin Ingenieur!)
Na gut, mache ich mal eine Ausnahme, aber es gibt
eben auch schlechte Ingenieure, Herr Harzer.
(Beifall AfD)
Dass gerade Rot-Rot-Grün im Unterpunkt 6. einen
Dialogprozess mit den relevanten Akteuren der
Energiepolitik initiieren möchte, das brauche ich,
denke ich mal, nicht weiter kommentieren. Darauf
gehe ich jetzt gar nicht weiter ein, das hat Herr
Gruhner schon ausführlich gemacht.
Der einzige Lichtblick Ihres Antrags ist es aus unserer Sicht, dass Sie im Bereich der Anreizregulierung
Handlungsbedarf erkannt haben. Da gilt dann die
alte Bauernregel: Auch ein blindes Huhn findet mal
ein Korn. Aber das war es dann eben leider schon.
Ich sage es mal so: Wir wären ja gern, liebe Frau
Siegesmund, an Ihrer Seite, wenn es um Thüringer
Interessen geht. Aber da, wo die Thüringer Interessen sind, da sind eben leider nicht Sie. Von daher
können wir Ihren Antrag nicht unterstützen und haben auch so unsere Probleme mit der Energiepolitik
der rot-rot-grünen Landesregierung. Das habe ich,
denke ich, deutlich gemacht.
(Beifall AfD)
So, jetzt.
Vizepräsident Höhn:
So, jetzt die Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Harzer, bitte.
Abgeordneter Möller, AfD:
Ich will es mal so sagen. Ich bin ja kein Ingenieur,
ich bin Jurist und ein Jurist darf natürlich auch mal
ein bisschen palavern.
Also der Klimaschutz hat folgendes Problem: Er
krankt am Annahmen, die wissenschaftlich hoch
umstritten sind, aber er führt am Ende zu gigantischen Kostenbelastungen. Dieses Verhältnis von
relativ schwacher Substanz bei den Grundlagen
des Klimaschutzkonzepts und relativ großen, also
enorm großen Auswirkungen bei der wirtschaftlichen Belastung der Haushaltskunden und der Industrie, das ist eine Schieflage, die kann man so
nicht hinnehmen. Deswegen habe ich tatsächlich
ein Problem mit der Klimaschutzpolitik der rot-rotgrünen Landesregierung. Es ist keine Frage, die
AfD setzt sich für einen schonenden Umgang mit
den Ressourcen unserer Welt ein. Wir möchten diese Welt auch unseren Kindern erhalten, das liegt
uns sehr nah. Aber bei der Politik muss man auch
immer die Auswirkungen im Blick haben und da haben wir Zweifel, dass Sie das tun. Danke.
(Beifall AfD)
Vizepräsident Höhn:
Jetzt hat Frau Abgeordnete Mühlbauer, SPD-Fraktion, das Wort.
Abgeordnete Mühlbauer, SPD:
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen
und Kollegen, werte Frau Ministerin. Ich muss ein
bisschen durchatmen, Herr Möller, denn wie Sie
wissen, sind wir alle drei Ingenieure und ich habe
so meinen persönlichen Bezug zu Juristen. Den haben Sie heute verfestigt in meiner Annahme und
meiner Ansicht, das muss ich in der Deutlichkeit sagen.
Abgeordneter Harzer, DIE LINKE:
(Beifall DIE LINKE)
Herr Abgeordneter Möller, entnehme ich Ihren Äußerungen zu Recht, dass Sie Klimaschutz und die
daraus folgende Energiewende für überflüssig halten, dass wir das nicht benötigen und dass das alles Quatsch ist?
(Heiterkeit AfD)
Abgeordneter Möller, AfD:
Das ist eine Frage, dazu könnte ich jetzt zwei Stunden lang ausführen.
Vizepräsident Höhn:
Dafür reicht die Redezeit leider nicht.
Mögen mir die anwesenden Juristen verzeihen, vor
denen ich hohen Respekt habe, vor allem, wenn sie
sich mit den Fachbereichen beschäftigen, in denen
sie kompetent sind. Aber einen Juristen, der Ingenieuren – nicht nur im Raum anwesenden, vor allem denen, die draußen arbeiten – die Welt erklärt,
fand ich doch ein bisschen abenteuerlich.
Ich bin am Überlegen, Sie verfügen ja über genügend staatliche Zuschüsse, genannt Diäten, das
heißt, Weiterbildungsmaterial können Sie sich
selbst kaufen. Wir werden nicht sammeln, aber wir
werden Ihnen eine kompetente, von anerkannten
Wissenschaftlern ausgearbeitete Literaturliste zur
Verfügung stellen, um Ihnen die Thematik des Klimawandels näherzubringen. Wenn das mit dem Lesen nicht klappt, das Ganze gibt es auch auf Video-
2380
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Mühlbauer)
oder Hörbuchformaten, wodurch es durchaus möglich wäre, es nebenbei mal zu konsumieren.
(Heiterkeit AfD)
Das heißt, wir stellen hier – und da bin ich auch
sehr stolz auf die CDU in diesem Raum – den Klimawandel nicht infrage. Das habe ich aus Ihren
Reihen gehört und das ist für mich grotesk, skrupellos und das absolut Letzte. Das ist eine von diesen
infamen Theorien, dass hier auch noch die Frage
des Klimawandels infrage gestellt wird.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Gehen Sie doch bitte mal in Küstenregionen, es
gibt Inseln, die untergehen, die umsiedeln, wir haben Stürme, wir haben eine Zunahme der Naturkatastrophen. Reden Sie mit den Versicherern – auch
dort sitzen Juristen –, die sehr wohl mit den Änderungen des Klimawandels auch fiskalisch umgehen.
Also ich bin eigentlich sprachlos. Ich muss Ihnen in
der Deutlichkeit sagen, ich bin sprachlos, denn das
ist wissenschaftlich – Stand der Technik und Stand
der Debatte – das absolut Letzte, was Sie hier gebracht haben.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Und
vom Verstand her!)
Dann reden Sie noch, dann wagen Sie – wir haben
zumindest einen Plan, wir haben ein Konzept, wir
haben Ideen –, dann wagen Sie auch noch, der,
der Sie frei sind von jedem energiepolitischen Ansatz, diese Ideen hier krude zu diskutieren. Herr
Möller, eigentlich wollte ich Ihren Namen gar nicht
in den Mund nehmen,
(Unruhe AfD)
denn das entspricht nicht der Ingenieurausbildung,
das entspricht auch bei Weitem nicht dem Stand,
zu dem wir diskutieren und von dem wir ausgehen.
Des Weiteren: Jemand, der sich in die Ausschussarbeit nicht mit einbringt – und dort erkenne ich Sie
nicht – und Dinge fragt, über die er nicht einmal gelesen hat, ich weiß nicht, ob man dafür hier überhaupt so viel Zeit ansetzen sollte.
(Beifall DIE LINKE)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen
Sie mich mal einen Schluck Wasser trinken und
durchatmen, aber ich bin entsetzt.
Herr Gruhner, ich weiß, Sie hatten heute Mühe, in
Ihrem Vortrag die Gründe herauszuarbeiten, warum
Sie unseren Antrag ablehnen müssen. Selbst mir
ist es aufgefallen, dass Ihnen das schwergefallen
ist, hier die Gründe zur Ablehnung zu finden, weil
Sie ganz genau wissen, da sind Sie auf unserer
Seite, dass die Alternativen zu P44, die auf dem
richtigen Weg sind, und der HGÜ-Korridor D – und
da haben wir gemeinsame Verantwortung – die
Dinge sind, die wir hier diskutieren.
Dass Sie wissend – und Sie wissen, wovon Sie
sprechen, Herr Gruhner – dann auch noch meinen,
dass wir meinen, die Verteiler – ist gleich 110-kVNetze – in die Umlage mit hereinzunehmen, fand
ich dann doch ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Ich muss sagen, auch da weiß ich, das
Argument muss Ihnen gestern Nacht zwischen
22.00 Uhr und 23.00 Uhr eingefallen sein, denn Sie
brauchten ja noch eines, weshalb Sie hier nicht zustimmen können. Diesbezüglich denke ich mal, da
sind Sie relativ flach auf der Brust gewesen, das
ändert auch eine Redezeit von 25 Minuten nicht.
Netzentgelte – fair und solidarisch: Natürlich muss
das der Weg sein und natürlich ist das der Weg, um
diese Energiewende, für die es für mich – und ich
glaube auch für die meisten hier im Haus – gar keinen anderen Weg gibt, zu bezahlen. Natürlich muss
dies der richtige Weg sein und ist dies der richtige
Weg. Natürlich befinden wir uns im Dialogprozess.
Dialogprozesse sind vielfältig und wir haben Dialoge. Nur, wenn es nicht immer gleich nach Ihrer Nase geht, ist es nicht gleich kein Dialogprozess. Wir
werden ihn führen und wir sind vor Ort und führen
den auch regelmäßig. Das ist auch richtig.
Zu Ihrem Argument zum Thema „Regionale Planungsgemeinschaften“, um dort noch mal auf
Punkt 10 einzugehen: Er spricht von einer Überlastung im Kyffhäuserkreis. Ja, es ist richtig, die Unterlage habe ich auch, das ist so. Da wir das erkannt
haben, müssen wir mit der Erzeugung der Erneuerbaren dorthin, wo wir auch den Strom brauchen.
Genau das ist das Argument, um nicht in sinnlosen
Netzausbau investieren zu müssen, um Regionalität zu schaffen, um Eigenverantwortung zu schaffen. Das muss doch der Plan sein und deswegen
ist das genau richtig, das mit den Kommunalen gemeinsam zu entwickeln.
Erneuerbare, meine Damen und Herren, werden
nicht ohne Speichern gehen. Wir müssen speichern.
Vizepräsident Höhn:
Frau Abgeordnete Mühlbauer, einen Zwischenfragewunsch des Abgeordneten Gruhner gestatten
Sie bitte wann?
Abgeordnete Mühlbauer, SPD:
Am Schluss, bitte.
Vizepräsident Höhn:
Am Schluss.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Abgeordnete Mühlbauer, SPD:
Erneuerbare ohne Speichern, das wird nicht gehen,
da werden wir neue Wege beschreiten müssen. Einer diesen neuen Wege ist „Power-to-gas“, ist
„Power-to-Heat“. Die Kolleginnen und Kollegen haben es hier benannt. Wir werden noch weitere
Schritte gehen müssen. Wir werden eine Energiewende nicht erreichen, ohne über Wärme zu diskutieren. Wir werden es nicht schaffen, wenn wir hier
nicht jeden mitnehmen und die Vorteile auch regional verwenden. Denn die Energiewende ist die
größte Herausforderung der Gegenwart und sie ist
mit Sicherheit das größte industriepolitische und infrastrukturelle Projekt seit der Wiedervereinigung
Deutschlands. Meine werten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Ministerin, diesbezüglich
noch mal herzlichen Dank für den umfassenden
Sofortbericht. Werden Sie doch nicht wankelmütig.
Scheuen Sie sich doch nicht vor dieser Aufgabe,
diese Wege zu beschreiten. Seien Sie mutigen Herzens und gehen Sie mit uns weiter. Die Zukunft
können wir hier gestalten. Die Zukunft für Thüringen liegt hier. Aus diesem Grund werbe ich hier
noch mal um Zustimmung zu unserem Antrag. Danke.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank Frau Abgeordnete Mühlbauer. Jetzt
hat Herr Abgeordneter Kobelt das Wort. Entschuldigung, Fehler von mir. Herr Gruhner, Sie hatten den
Wunsch nach einer Frage.
Abgeordneter Gruhner, CDU:
Ich möchte Sie, Frau Abgeordnete Mühlbauer, ganz
kurz zwei Dinge fragen, weil auch Kollege Harzer
das Thema mit den Verteilnetzen noch mal angesprochen hatte und mir da irgendwelche konfusen
Gedanken unterstellt. Würden Sie mit mir darin
übereinstimmen, dass wir diese Debatte um den
teuren Verteilnetzausbau schlichtweg in Thüringen
nicht hätten, wenn Sie einfach mit Augenmaß die
Windkraft ausbauen würden? Die zweite Frage, die
ich habe, ist: Würden Sie mir mit Blick auf die Tatsache – die Sie bestätigen –, dass wir eine Situation haben, dass der Strom oft dort erzeugt wird, wo
er nicht gebraucht wird, zustimmen, dass wir tatsächlich über eine Reform der Netznutzungsentgelte reden sollten, die dahin geht, dass man auch eine Erzeugerkomponente, wie ich es erläutert hatte,
einführt?
Abgeordnete Mühlbauer, SPD:
Zur ersten Frage, zum Verteilnetzausbau, ist es so,
wenn Sie vor Ort sind und sich mit den Netzbetreibern über das 110-kV-Netz unterhalten würden,
2381
würden Sie die Antwort bekommen: Unsere Netze
sind ausreichend, wir müssen unsere Netze momentan nicht ausbauen. Das ist die Auskunft, wenn
Sie sich vor Ort mit den Menschen unterhalten.
(Beifall SPD)
Wir haben da auch Kapazität und hier bestehen
überhaupt keine Bedenken, was das 110-kV-Verteilnetz anbelangt – auch mit den Plänen. Die Problematik ist der Transport. Da habe ich Ihnen deutlich gesagt: Eine Flächenpolitik, wie sie mit pauschalen Antworten – leider auch aus Ihren Reihen –
viel zu platt an der Oberfläche geführt wurde, kann
nicht der Erfolg sein. Wir müssen vor Ort spezialisierte Antworten finden. Dort, wo wir Strom verbrauchen, müssen wir Strom erzeugen. Das hat
auch etwas damit zu tun, die Kommunalen mit einzubringen, die Bürgergenossenschaften mit einzubringen. Nur dann können wir verhindern, dass wir
über Kilometer neue Verteilungen bauen müssten,
die dann erforderlich wären. Das bestehende Netz
mit Erzeugern und Verbrauchern ist ausreichend.
Das ist übrigens nicht der Weisheit letzter Schluss,
was wir alles brauchen, um das Netzentgelt zur regulieren. Ich denke, da sollten wir offen im Dialog
sein. Das heißt, wir sind in einem Dialogprozess.
Wir sollen viele verschiedene Möglichkeiten diskutieren und man soll nicht jeden Gedanken vorweg
ausschließen. Diesbezüglich bedanke ich mich für
Ihre Anfrage.
(Beifall SPD)
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mühlbauer. Jetzt
hat Herr Abgeordneter Kobelt, Fraktion Bündnis
90/Die Grünen, das Wort.
Abgeordneter Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter
Herr Präsident, erlauben Sie mir kurz, noch zwei
Worte zur AfD und zur CDU zu sagen. Zur AfD wird
es ganz kurz. Ich habe jetzt wirklich mal mitgezählt.
Ich habe jetzt in den letzten Plenumssitzungen fünf
Reden von Ihnen, Herr Möller, zur Energiepolitik ertragen. Ich habe auch genau zugehört und habe
Sie auch schon ein paar Mal dazu gefragt.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Es werden
auch noch mehr!)
Ich habe in diesen fünf Reden und heute auch in
den über zehn Minuten nicht einen einzigen Vorschlag gehört, wo Sie Ihre eigene Position benannt
haben.
(Beifall DIE LINKE, SPD)
2382
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Kobelt)
Das sagt eigentlich schon alles. Motzen, meckern
und auf Marktplätzen quatschen, aber nicht konstruktiv hier im Landtag arbeiten.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Herr Gruhner, ich hätte mir gewünscht, dass Sie
sich zu den Naturschutzfragen vielleicht noch mal
mit Frau Tasch austauschen.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das können
Sie allein nicht!)
Dann hätten Sie von Frau Tasch auch gehört, dass
die Blätter im Herbst fallen, wenn sie braun sind.
Und wenn sie grün sind, dann sind sie am Baum,
da ist der Baum stark, wenn er grün ist. Das ist
auch gut so. Da müssen Sie sich noch mal ein
bisschen austauschen mit Ihren naturschutzfachlichen Abgeordneten. Aber ich bin Ihnen auch sehr
dankbar für Ihren Redebeitrag, denn Sie haben
eins ganz deutlich gemacht: Sie kämpfen als CDU
für die Braunkohle im Ruhrgebiet, in Sachsen und
wir kämpfen als rot-rot-grüne Koalition für Arbeitsplätze im Mittelstand in Thüringen.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Jetzt fragen Sie oder bestimmt viele sich: Was hat
der Strommarkt mit Thüringen zu tun, wenn doch
die Weichenstellungen in Berlin gemacht werden?
Uns ist es trotzdem ein sehr wichtiges Thema, wir
können auch versuchen, über den Bundesrat und
auch über Verhandlungen Einfluss zu nehmen. Das
ist uns aus drei Gründen besonders wichtig. Zum
Ersten wollen wir, entgegen der jetzigen Bundespolitik, eine regionale Energiewende mit regionalen
Kreisläufen zum Nutzen Thüringens. Wir wollen eine Energie in Bürgerhand, wo nicht Großkonzerne
das Geld verdienen, sondern Bürger in Thüringen,
Stadtwerke und Bürgerinitiativen und der Thüringer
Mittelstand. Und diese Ziele sind natürlich durch die
aktuelle Politik, auch der CDU-geführten Bundesregierung, gefährdet. Wir haben eine ganz starke
Tendenz, weg von einer Politik, die übrigens – das
stimmt, durch Rot-Grün ist das EEG entstanden,
das Modell ist weltweit exportiert. Und es hat gerade zum Ziel gehabt, die Energieversorger auch zu
verteilen, regionale Kreisläufe zu stärken. Was wir
jetzt erleben, ist, es wird davon weggegangen. Es
wird zu Ausschreibungsmodellen übergegangen,
die dazu einladen, und das ist leider zu befürchten,
dass wieder die drei/vier großen Energiekonzerne
zum Zuge kommen, die dort ihre Geschäfte machen. Und von der breiten Verteilung des Energiemarkts ist keine Rede mehr.
Als Nächstes haben wir eine ganz starke Bevorteilung der Kohle. Wir haben es in den Beschlüssen
gesehen, 1,5 Milliarden Euro wurden in einem
Handstreich von der Bundesregierung zusätzlich in
eine künstliche Beatmung der Kohle gesteckt, die
eigentlich in Teilbereichen einfach nur vom Netz
gehen kann. Niemand hat gesagt, Herr Gruhner,
dass wir nächste Woche alle Kohlekraftwerke abschalten wollen. Aber dass es einen geordneten
Ausstieg gibt und jetzt die Chance genutzt werden
soll, auch in diesen Regionen neue Arbeitsplätze in
zukunftsfähigen Bereichen zu schaffen, dazu stehen wir auch als Grüne. Und da finden wir, die
1,5 Milliarden Euro hätten gut zum Beispiel in Speichertechnologien und Innovation von Thüringer
Stadtwerken eingesetzt werden können.
Was wollen wir als Grüne speziell für Thüringen erreichen? Wir haben vier Schwerpunkte. Zum Ersten
muss man ganz klar sagen, die Solarenergie ist
durch die Bundesregierung am Boden. Als das
EEG begründet wurde, gab es eine starke Solarindustrie in Thüringen. Mittlerweile ist die Zahl der Arbeitsplätze gesunken. Aber immerhin haben wir
noch circa 3.000 bis 4.000 Arbeitsplätze in Thüringen direkt in der Solarindustrie und in den Installationsunternehmen. Und dafür wollen wir kämpfen.
Da sagen wir ganz klar, wir kämpfen für die Arbeitsplätze und für den Ausbau der Solarenergie in Thüringen. Das hat auch was mit Kosten zu tun. Während der Ausbau deutschlandweit von 5 auf circa
1,5 Gigawatt in diesem Jahr zurückgegangen ist,
sind die Kosten in den letzten zehn Jahren in der
Solarindustrie von 50 Cent auf circa 10 Cent gesunken. Das ist eine Preissenkung von 80 Prozent.
Und es ist für jeden Haushalt jetzt schon günstiger,
sich eine Solaranlage ohne jegliche Subventionen
auf das Dach zu schrauben, sich vielleicht noch
einen Speicher anzuschaffen, der in den Preisen
sinkt. Das sind Ansätze, wo wir die Bürgerinnen
und Bürger Thüringens unabhängig machen wollen
von Energieimporten und sie stärken wollen, und
das zusammen mit Bürgerenergiegenossenschaften. Das ist ein Weg, wo wir einen Schwerpunkt
setzen wollen. Natürlich, das muss ich ganz klar sagen, ist es total kontraproduktiv, wenn man einen
Solarstrom, der sich bei Eigenstrom schon rechnet,
dann noch mit einer Sonnenabgabe belegt. Da
muss es Änderungen geben in der Bundesrepublik,
in der Bundesregierung. Sie können sich das etwa
so vorstellen: Wenn Frau Tasch in ihren großen
Garten geht, was sie uns gestern erzählt hat, und
dort Äpfel pflückt und möchte diese Äpfel essen,
dann müsste sie für die Äpfel jetzt noch eine Abgabe zum Bürgermeister bringen oder zu wem auch
immer, zu den Stadtwerken oder zu den Netzbetreibern, damit sie kostenlos ihre Äpfel essen kann.
Das ist für uns vollkommen unlogisch. Das kann
nicht der Weg zu einer bürgergerechten Energiewende sein, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Der zweite Schwerpunkt – das wurde heute noch
gar nicht erwähnt – ist Biogas oder der Markt für
Biogas.
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2383
(Abg. Kobelt)
Dort, müssen wir sagen, hat die CDU in Thüringen
gute Arbeit geleistet. Sie hat einen Energiebereich
aufgebaut, der allerdings von ihren Parteifreunden
wissentlich oder zumindest ohne Widerstand am
Boden zerstört wird. Wir haben in den letzten zwei
Jahren eine einzige Biogasanlage gehabt, die entstanden ist. Das kann nicht die Zukunft für den
ländlichen Raum sein. Da wollen wir ganz andere
Hebel setzen.
Der dritte Punkt – das ist uns wirklich sehr viel wert
– sind unsere lokalen Stadtwerke. Wir denken, wir
brauchen keine vier großen Energieversorger, die
versuchen, sich den Markt in Deutschland aufzuteilen. Wir können mit unseren Thüringer Stadtwerken
und den Bürgerinnen und Bürgern zusammen den
Energiemarkt in die Hand nehmen, wenn wir die
Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen stärken, wenn wir
innovative Speicher fördern. Die Stadtwerke stehen
bereit. Sie haben die Netze, die da sind. Das ist fast
einmalig in Deutschland, was wir für eine, auch in
den Wohngebieten, gute Netzinfrastruktur haben.
Das muss gestärkt werden. Wir wollen die Wirtschaft in der Region stärken und nicht Großkonzerne aus Essen oder sonst woher.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte es kurz zusammenfassen. Wir stehen für eine
Energiewende, die nicht Großkonzerne bedient,
sondern für die Bürgerinnen und Bürger mit den
Mietern, den Stadtwerken, den Städten und Gemeinden und dem Thüringer Mittelstand zusammen
gestaltet wird. Das sehen wir als Schwerpunkt. Dort
können wir Innovationen schaffen, dort können wir
Arbeitsplätze schaffen und können auch langfristig
eine Energie gestalten, die umweltgerecht ist. Das
wollen wir in Thüringen stärken und deswegen bitte
ich Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag.
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kobelt. Aus den
Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine
Wortmeldungen – doch eine liegt mir vor. Herr Abgeordneter Brandner, AfD-Fraktion.
Abgeordneter Brandner, AfD:
Ich muss sagen, Frau Mühlbauer, toller emotionaler
Auftritt, den Sie hier hingelegt haben. Damit gehören Sie zu den Höhepunkten der SPD-Fraktion,
ganz klar. Bisher hat der eine oder andere von uns
die Auffassung vertreten, da sitzen nur Schlafmützen. Aber Sie haben uns alle aus dem Schlaf gerissen. Toller Auftritt.
Getroffene Hunde und Hündinnen bellen, hat Herr
Möller, glaube ich, gestern gesagt. Genauso kamen
Sie mir heute auch vor, Frau Mühlbauer. Herr Möl-
ler hat ganz sachlich argumentiert und damit wahrscheinlich Ihre verbohrt-ideologische Basis ins
Wanken gebracht, Ihre quasireligiöse Überzeugung, ach, da muss ein Klimawandel sein und ach,
die Menschen sind dafür erforderlich.
(Unruhe SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Und genau das – hören Sie mir zu, Herr Adams,
Sie kommen dann auch auf Ihre Kosten – hat Sie
getroffen und deshalb sind Sie hier vorn ausgerastet. Bisher dachte ich, diese schnappatmende Aufregung, das können nur Ramelow und Hoff. Aber
Sie können es auch. Respekt, Frau Mühlbauer, toll
gemacht. Wissen Sie, was den Klimawandel als
solchen angeht – vielleicht hören Sie mir jetzt zu –,
das ist wissenschaftlich nicht gesichert. Ich halte
ihn für eher wahrscheinlich, Kollege Möller sagt,
muss nicht unbedingt sein. Ich weiß es nicht. Der
eine sagt so, der andere sagt so. Da können Sie
seitenweise Literaturlisten wälzen und sich Hörbücher anhören, da werden Sie zu keiner einheitlichen Meinung kommen. Das wissen wir also nicht,
ob der Klimawandel überhaupt da ist. Wenn wir
jetzt unterstellen, er wäre da, wenn wir also diese
große Unwägbarkeit ausgeblendet haben,
(Unruhe SPD)
dann ist die nächste Frage: Kann man das überhaupt beeinflussen? Ist der Mensch überhaupt dafür verantwortlich, wenn wir einen Klimawandel unterstellen, dass er da irgendetwas ändern kann?
Dafür fehlen noch viel mehr die wissenschaftlichen
Grundlagen wie für die Annahme zum Klimawandel
überhaupt. Das heißt, Sie stochern in beiden Punkten so was von im Nebel, dass darauf keine vernünftige Politik aufbauen kann.
(Beifall AfD)
Dann stellen Sie vom Ramelow-Block – und die
CDU mischt da auch manchmal noch mit – sich hier
hin und sagen: So, jetzt müssen wir 50-Jahres-Pläne machen, um das Weltklima zu ändern, umzudrehen. 50-Jahres-Pläne! Ich sage, da stoßen wir an
eine Grenze, das kann man schon pathologisch,
megalomanisch nennen. Ich muss Ihnen das ganz
ehrlich sagen. Gucken Sie sich mal die Pläne an.
Sie haben mehrere Tagespläne im Asylbereich. Die
werfen Sie alle übern Haufen – jeden Tag, jede
Woche übern Haufen geworfen. Sie haben Pläne,
die über einige Monate gehen, was Griechenland
angeht. Das geht alles vor den Baum.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Zum Thema!)
Sie hatten – Kollege Blechschmidt ist leider nicht da
– zu Zeiten, die er wahrscheinlich heute noch gut
findet, Fünf-Jahres-Pläne, die wurden nie erreicht,
die gingen immer vor den Baum und so was an den
Plänen und am Ziel vorbei. Und jetzt stellen Sie
sich allen Ernstes hin und sagen, aber einen 50-
2384
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Brandner)
Jahres-Plan für eine Klimarettung, den kriegen wir
durch. Das müssen Sie den Leuten mal erklären.
Das werden Sie nicht schaffen.
(Beifall AfD)
Vizepräsident Höhn:
Es gibt weitere Wortmeldungen aus den Reihen der
Abgeordneten. Herr Abgeordneter Harzer, Fraktion
Die Linke, bitte.
Abgeordneter Harzer, DIE LINKE:
Es wurde, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute
viel über Juristen und Ingenieure usw. geredet.
Wenn sich der Jurist an Ingenieursthemen vergreift
oder an wissenschaftlichen Themen, dann geht das
manchmal schief, wie wir das heute erleben durften. Dann will ich mal als Ingenieur, zwar nur im
Maschinenbaubereich, aber ich habe auch immer
was mit Energetik zu tun gehabt, mal kurz eine Erläuterung dazu geben. Erwärmung entsteht durch
die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die
weltumfassende Entwaldung. Kohlendioxyd wird
dadurch in der Atmosphäre angereichert, die Anreicherung mit CO2 und den übrigen Treibhausgasen
führt zum sogenannten Treibhauseffekt. Die kurzwellige Strahlung der Sonne gelangt über die Atmosphäre auf die Erde. Die Treibhausgase, die wie eine weitere Isolation in der Atmosphäre wirken, lassen jedoch die langwellige Infrarotstrahlung der Erde nicht mehr vollständig in den Weltraum zurück.
Der Teil, der nicht in den Weltraum reflektiert wird,
verbleibt auf der Erde und wird in Form von Wärmeenergie gespeichert, was wiederum dazu führt,
dass die Temperatur auf der Erde sich erhöht, was
eine zweite wesentliche Ursache daran hat, dass
Gletscher und Eisflächen abschmelzen und die geringeren Gletscher und Eisflächen wiederum dazu
führen, dass weniger Sonnenenergie in den Weltraum zurückgeführt werden kann und damit mehr
Wärme absorbiert wird. Was der Mensch damit zu
tun hat, beweist eine andere Geschichte: Der CO2Gehalt der Luft wird in ppm – parts per million –
oder Teile auf eine Million ausgedrückt.
Eisbohrkerne haben ergeben, dass der CO2-Gehalt
in den letzten circa 800.000 Jahren, in denen der
Mensch auf der Erde aktiv war, nie mehr als
300 ppm betrug. Mit Beginn der Industrialisierung
stieg dieser Wert kontinuierlich auf den heutigen
Wert von 385 ppm, dem vermutlich höchsten Wert
in den letzten 20 Millionen Jahren, an. Die Differenz
der heutigen CO2-Konzentration von 385 ppm gegenüber der 100.000 Jahre bestehenden CO2-Konzentration kann daher nur dem Menschen zugeschrieben werden. Deshalb wird auch vom anthropogenen, vom menschengeschaffenen Treibhauseffekt gesprochen. Wenn das schwache Beweise
sind oder gar keine Beweise und keine Fakten,
dann weiß ich nicht, was Fakten sind, meine Da-
men und Herren in diesem Hohen Haus. Ich denke,
wir sollten jetzt zur Abstimmung schreiten und dieses Thema verlassen. Weil, es wird nicht besser,
wenn wir weiter darüber diskutieren – die Negierung der AfD.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Jetzt – Frau Ministerin, tut mir leid, Moment – habe
ich noch zwei Wortmeldungen aus den Reihen der
Abgeordneten. Zunächst, er war einen Moment
schneller, der Herr Möller, dann Herr Henke.
Abgeordneter Möller, AfD:
Lieber Herr Kobelt! Wo ist er denn? Egal. Ich habe
gemerkt, Sie fragen sich immer, was sind denn nun
die Argumente vom Möller. Ich verstehe das.
Manchmal versteht man nicht immer alles im ersten
Durchlauf. Aber dann fragen Sie mich das doch!
Fragen Sie mich doch: Möller, was ist denn nun
dein dunkles Wollen? Wie willst du denn nun die
Energiepolitik verbessern? Wie willst du denn nun
die Energiewirtschaft retten? Stattdessen fragen
Sie mich, was meine Meinung zum Klimaschutz ist.
Da verstehe ich Ihre Fragetechnik nicht. Vielleicht
arbeiten Sie da mal ein bisschen dran. Dann können wir auch an Ihrem Erkenntnisgewinn arbeiten.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Sagen Sie uns einfach, was Sie
wollen!)
Nun noch kurz zu Ihnen, Herr Harzer. Jetzt haben
Sie schön die Theorien vorgebetet, aber schauen
Sie sich doch mal die Praxis an. Sie wollen gern
vorhersagen, wie stark sich das Weltklima in den
nächsten 40 bis 50 Jahren erwärmt. Aber in der
Praxis kriegen es unsere studierten Wetterfrösche
nicht einmal hin, das Wetter für die nächsten fünf
Tage vorherzusagen. Genau das ist das Problem.
Ihre schönen Modelle funktionieren nicht mal im
Nahbereich, im Fernbereich sieht es dann schon
ganz schlimm aus. Das ist das Problem, was ich
vorhin angesprochen habe, dass die wissenschaftliche Basis viel zu gering ist, um entsprechend große
finanzielle Kostenaufwüchse für Unternehmen und
für die Verbraucher zu rechtfertigen. Da liegt im
Grunde des Pudels Kern. Das einfach nur noch mal
zur Ergänzung. Danke schön.
Vizepräsident Höhn:
Nun Herr Henke, bitte schön.
Abgeordneter Henke, AfD:
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte nur zwei
Sachen zu bedenken geben. In der geologischen
Geschichte war die Erde schon mal ein Eisklumpen
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2385
(Abg. Henke)
und sie war komplett eisfrei, und zwar ohne Menschen. Das sollten Sie sich mal zu Gemüte führen.
Vielen Dank.
(Beifall AfD)
Vizepräsident Höhn:
Sie hat auch schon mal geglüht.
(Heiterkeit im Hause)
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Henke. Jetzt hat
das Wort Frau Ministerin Siegesmund.
Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie
und Naturschutz:
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und
Herren, ich freue mich über die Leidenschaft in einer Debatte zum Thema „Energiewende“, die ganz
neue Ausmaße annimmt, die lässt mir aber die
Möglichkeit, noch mal fünf Dinge sehr klar zuzuspitzen.
Es ist gut und richtig, Energiewende und Klimaschutz zusammen zu diskutieren, und ich will auch
sagen, warum: weil die Energiewende das größte
Klimaschutzprogramm schlechthin ist. Jetzt kann
man sich in den Tunnel setzen und alles um sich
herum duster machen und versuchen, im Dunkeln
zu tappen, wie die AfD das gerne macht, oder man
kann versuchen herzugehen, sich klarzumachen,
was die Weltgemeinschaft eigentlich in Paris in den
kommenden Wochen gemeinsam stemmen will.
Man will stemmen, dass bis zum Jahr 2050, wenn
man sich in Paris nicht verabredet, 1.600 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden und damit das
Zwei-Grad-Ziel gerissen wird und damit Regionen
wie die Golfregion und andere Regionen dieser Erde unbewohnbar werden. Und gerade die AfD
müsste sich darüber Gedanken machen, was das
dann eigentlich heißt, wenn Regionen dieser Erde
unbewohnbar werden. Deswegen kann ich nur sagen: Kommen Sie raus aus Ihrem Tunnel und fangen Sie an, darüber nachzudenken, warum Klimaschutz wichtig ist.
Punkt 2: Sie sagen, na ja, Wetter ist ja nicht Klima.
Das stimmt, da haben Sie recht. Wenn man sich
aber anschaut, seitdem Wetter registriert und entsprechend auch wissenschaftlich aufbereitet, in Daten strukturiert ausgewertet, analysiert wird – Sie
sagen immer despektierlich „die Wissenschaft“ –,
seit 1880: Warum haben wir denn dann in den letzten 20 Jahren in Thüringen einen konsequenten
Anstieg? Dieser Sommer war 0,9 Grad über dem
Mittel, ein konsequenter Anstieg. Es ist so trocken
wie lange nicht mehr gewesen. Und diesen konsequenten Anstieg, den unterscheidet eben Ihre Interpretation von Wetter und Klima. Klimaveränderungen finden statt. Das müssen Sie zur Kenntnis neh-
men und deswegen treiben wir auch die Energiewende voran.
Dritter Punkt: Jetzt sagt Herr Gruhner, die Braunkohleindustrie ist das zentrale tragende Element
der Energiewirtschaft in der Bundesrepublik. Sie regen sich über die Veränderungen des Landschaftsbilds durch Windenergieanlagen auf, die rückstandslos zurückgebaut werden, wenn sie nicht
mehr in der Nutzung sind. Waren Sie eigentlich
noch nie in Ihrem Leben in der Lausitz und haben
sich die Braunkohletagebaue mal angeschaut?
Kennen Sie eigentlich die Region in Brandenburg
oder das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde? Wissen Sie, wie es dort aussieht? Wissen Sie, wie
kurzsichtig diese Art und Weise Ihrer Argumentation ist? Das finde ich wirklich bemerkenswert, was
Sie hier dazu vortragen.
Zum Thema „Biomasse“: Ich fand es ja schade,
dass Sie sich in Ihrer langen Rede, Herr Gruhner,
völlig auch nur einer Aussage entzogen haben zur
Frage, ja, auch diese CDU-Fraktion Thüringen und
ihre Abgeordneten im Bundestag übernehmen Verantwortung. Das hätte ich erwartet. Das hätte ich
erwartet beim Thema „KWK“ beim Thema „Strommarktdesign“, beim Thema „Anreizregulierung“ und
auch beim Thema „EEG-Novelle“. Was Sie stattdessen gemacht haben, ist, zu sagen: Was da auch
immer in Berlin passiert, der Thüringer Beitrag ist
jedenfalls nicht meiner, nicht der der CDU. Das finde ich bedauerlich. Und die Initiative zum Thema
„Biomasse“: Auch da zeigen wir im Übrigen, dass
Thüringen seine Interessen massiv Richtung Berlin
vertritt. Das wird ein gemeinsamer Antrag von –
halten Sie sich fest – Bayern und Thüringen sein,
denn manchmal muss man einfach parteipolitische
Grenzen im Kopf sprengen, sondern im Sinne des
Landes unterwegs sein. Sie haben nicht vor, auch
nur ein My Verantwortung in dieser Position zu beziehen. Das bedaure ich ausdrücklich. Wir als Landesregierung reichen jedenfalls die Hände und bieten Ihnen eine Zusammenarbeit im Sinne des Landes an, konstruktiv; das ist nämlich das, was das
Land voranbringt. Vielen Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor.
Ich frage: Widerspricht jemand meiner Feststellung,
dass das Berichtsersuchen durch den Bericht, den
Frau Ministerin gegeben hat, erfüllt ist? Gibt es Widerspruch? Diesen Widerspruch kann ich nicht erkennen. Ich habe auch keine Anträge auf Ausschussüberweisungen vernommen, weder für den
Sofortbericht selbst noch zur Nummer II des Antrags.
Demzufolge kommen wir jetzt gleich zur Abstimmung über die Nummer II des Antrags der Fraktio-
2386
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Vizepräsident Höhn)
nen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen in
der Drucksache 6/1092. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das
Handzeichen. Danke schön. Das sind die Stimmen
aus den Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis
90/Die Grünen. Die Gegenstimmen bitte. Gegenstimmen aus der CDU-Fraktion und der AfD-Fraktion. Stimmenthaltungen bitte. 1 Stimmenthaltung
vom Abgeordneten Gentele. Damit ist der Antrag
mit Mehrheit angenommen. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Wir treten jetzt vereinbarungsgemäß in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 14.35 Uhr mit der
Fragestunde fortgesetzt.
Meine Damen und Herren, wir setzen die Sitzung
fort mit dem Aufruf des Tagesordnungspunkts 21
Fragestunde
Die erste Frage in der Drucksache 6/1174 stellt
Herr Abgeordneter Bühl, CDU-Fraktion.
Abgeordneter Bühl, CDU:
Verringerung der Schlüsselzuweisung in Ilmenau
In den letzten Wochen hat die Landesregierung betont, den Städten und Gemeinden mehr Geld zur
Verfügung stellen zu wollen. Dies ist nach aktuellen
Zahlen nicht der Fall. Ein Beispiel ist die Stadt Ilmenau mit einer Lücke von 1 Million Euro durch die
verringerte Schlüsselzuweisung des Landes. Dabei
gibt es nicht wie im Land und Bund erhöhte Steuereinnahmen. Ilmenau ist durch diese Senkung gezwungen, die Förderung für Verbände und Vereine
zu senken und notwendige Investitionen nach hinten zu schieben.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie erklärt die Landesregierung die gesunkene
Schlüsselzuweisung an die Stadt Ilmenau?
2. Wohin werden die gekürzten Zuweisungen gegeben?
3. Wie schätzt die Landesregierung die nach Artikel 28 Grundgesetz verfassungsrechtlichen Probleme mit der kommunalen Selbstverwaltung ein,
wenn sie die Schlüsselzuweisung immer weiter
senken?
Vizepräsident Höhn:
Für die Landesregierung antwortet das Ministerium
für Inneres und Kommunales, Herr Staatssekretär
Götze.
Götze, Staatssekretär:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Anfrage möchte
ich wie folgt beantworten, wobei ich die Antworten
zu Frage 1 und 2 zusammenfasse:
Zunächst ist festzustellen, dass für das Jahr 2016
bislang nur Modellrechnungen auf Basis des Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung des Kommunalen Finanzausgleichs vorliegen und noch keine endgültige Festsetzung der Schlüsselzuweisungen erfolgt ist. Es ist zutreffend, dass die Stadt Ilmenau hiernach gegenüber dem Jahr 2015 relativ
stärker an Schlüsselzuweisungen einbüßt, als die
Schlüsselmasse absinkt. Im Fall Ilmenau ist diese
voraussichtliche Verringerung auf einen deutlichen
Anstieg der eigenen kommunalen Steuereinnahmen zurückzuführen. Infolgedessen steigt die Steuerkraftmesszahl in Ilmenau von 2015 auf 2016
deutlich um 913.000 Euro. Da dieser Anstieg damit
doppelt so hoch ausfällt, rund 6 Prozent, wie bei
den kreisangehörigen Gemeinden Thüringens insgesamt, rund 3 Prozent, ist der relativ starke Rückgang der Schlüsselzuweisungen für die Stadt entsprechend der gegenwärtigen Gesetzeslage systematisch bedingt. Die Schlüsselzuweisungen sollen einen horizontalen Ausgleich der Finanzkraft
zwischen den Thüringer Kommunen herbeiführen.
Wenn nun eine Stadt wie Ilmenau einen überdurchschnittlichen Anstieg an Steuereinnahmen zu verzeichnen hat, ist dies mindernd bei der Bemessung
der Schlüsselzuweisungshöhe zu berücksichtigen.
Der kritisierte Rückgang der Schlüsselzuweisungen
beruht damit vor allem auf der eigenen Stärke Ilmenaus als attraktiver Standort einer renommierten
technischen Universität. Sollte die kommunale
Steuereinnahmekraft Ilmenaus in künftigen Jahren
entgegen dem Landestrend wieder sinken, würde
sie auch wieder einen größeren Anteil an der
Schlüsselmasse erhalten. Neben den Schlüsselzuweisungen sind jedoch auch die weiteren Zuweisungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich zu
berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die höheren Pauschalen im Kita-Bereich, von denen auch
Ilmenau profitiert. Hierdurch wird nach Auffassung
der Landesregierung insgesamt eine bedarfsgerechte Verteilung der Finanzausgleichsmasse erreicht.
Die Antwort zu Frage 3: Das Land ist gemäß Artikel 93 Abs. 1 Satz 1 der Thüringer Verfassung als
Konkretisierung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie verpflichtet, abhängig von seiner eigenen Leistungsfähigkeit eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen bereitzustellen.
Dies stellt der Gesetzentwurf sicher. Die Finanzausgleichsmasse soll gegenüber 2015 um 48 Millionen Euro steigen. Auch ein Unterschreiten der unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes sicherzustellenden finanziellen Mindestausstattung
der Kommunen liegt nicht vor. Schließlich fließen
mit rund 64,8 Prozent nahezu zwei Drittel der Finanzausgleichsmasse in die Schlüsselmasse, sodass auch hier kein verfassungsrechtliches Pro-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2387
(Staatssekretär Götze)
blem im Hinblick auf die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung besteht. Im Jahr 2012 betrug
dieser Anteil beispielsweise nur 40,8 Prozent. Ich
danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Höhn:
Vizepräsident Höhn:
Danke, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, können
Sie zunächst bestätigen, dass in Bezug auf die Berechnung der Schlüsselkraft der kreisangehörigen
Gemeinden das System vom alten Finanzausgleich
übernommen wurde und es da keine Veränderungen gab?
Gibt es den Wunsch einer Nachfrage? Herr Bühl,
bitte schön.
Abgeordneter Bühl, CDU:
Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen. Die von Ihnen beschriebene positive Steuerentwicklung ist ja
nur ein zeitversetzter Prozess, der in den letzten
Jahren erfolgt ist. Nun haben wir in diesem Jahr,
wie sicherlich viele andere Thüringer Kommunen,
das Problem, dass die Steuerkraft in diesem Jahr
deutlich geringer ausfällt und sich somit eine viel,
viel größere Lücke ergibt. Planen Sie denn im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen, das im Kommunalen Finanzausgleich auch mit zu berücksichtigen,
dass praktisch dieser Versatz nicht mehr drin ist,
dass es nicht zu so großen Kumulierungen kommen kann, also Steuereinbruch auf der einen Seite
und auf der anderen Seite dann zurückgehende
Schlüsselzuweisungen?
Götze, Staatssekretär:
Also diesen Versatz werden Sie immer haben. Ich
glaube, da kann man auch nicht tagaktuell arbeiten.
Insofern werden sich die Korrekturen, wenn die
überhaupt möglich sind, dort in einem sehr geringen Rahmen bewegen können.
Vizepräsident Höhn:
Es gibt eine weitere Nachfrage. Herr Bühl und dann
hat sich Herr Kuschel gemeldet.
Abgeordneter Bühl, CDU:
Sie hatten eben auch ausgeführt, dass Sie kein
Problem hinsichtlich von Artikel 28 sehen. Nun ist ja
gerade die allgemeine Schlüsselzuweisung eines
der wesentlichen Elemente für die Kommunen,
auch unabhängig von Zweckbindung eigene Ausgaben zu tätigen. Welchen Prozentsatz sehen Sie
denn von dem ganzen Geld, was jetzt an die Kommunen geht, als notwendig an, damit man diesem
Artikel noch gerecht werden wird? Sie haben eben
von Prozentsätzen gesprochen. Wie viel Prozent
für die allgemeine Schlüsselzuweisung sind denn
Ihrer Meinung nach notwendig vom Gesamttopf?
Götze, Staatssekretär:
Das ist eine sehr hypothetische Frage. Ich habe Ihnen gesagt, dass der vorgelegte Gesetzentwurf auf
jeden Fall gesetzeskonform ist.
Herr Kuschel, bitte Ihre Nachfrage.
Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:
Götze, Staatssekretär:
Derart grundlegende Veränderungen haben wir
nicht vorgenommen.
Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:
Also war es ein CDU-System, was wir jetzt auch
zur Anwendung bringen.
Die zweite Frage, Herr Präsident: Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass sich aus der gestiegenen Steuerkraft der Stadt Ilmenau mit
912.000 Euro bei einem Verrechnungssatz von
80 Prozent 730.000 Euro Anrechnungen ergeben,
im Mehrbelastungsausgleich die Stadt Ilmenau
50.000 Euro mehr bekommt und durch die erhöhten
Kinderpauschalen eine zusätzliche Zuweisung an
die Stadt Ilmenau von 202.000 Euro fließt, durch
die zehnprozentige Übernahme des Landes am
Bundesinvestitionsprogramm die Stadt Ilmenau
weitere 60.000 Euro erspart und das Land auch
noch die 30 Prozent kommunalen Anteil an der Einführung des Digitalfunks für die Stadt Ilmenau übernimmt und damit die Stadt Ilmenau in der Summe
im Jahr 2016 im Vergleich zu 2015 voraussichtlich
115.000 Euro mehr bekommt?
Vizepräsident Höhn:
Das war aber eine lange Frage.
Götze, Staatssekretär:
Diese Zahlen kann ich Ihnen jetzt auf Heller und
Pfennig so nicht bestätigen, dazu müssten mir die
konkreten Rechnungen vorliegen. Ich hatte aber
schon erwähnt, dass natürlich hier noch andere Zuweisungen an die Stadt zu berücksichtigen sind. Insofern haben Sie recht.
Vizepräsident Höhn:
Der Fragebedarf, Frau Kollegin, ist laut Geschäftsordnung erschöpft, zwei Nachfragen des Fragestellers und zwei Nachfragen außerhalb des Fragestellers. Sie hätten sich etwas eher melden müssen.
Sorry, ich kann das nicht mehr zulassen.
2388
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Vizepräsident Höhn)
Wir kommen zur nächsten Anfrage in der Drucksache 6/1197. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Kuschel, Fraktion Die Linke.
Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:
Danke, Herr Präsident.
Unterbringung von Flüchtlingen in Genossenschaftswohnungen in Thüringen
Zur Unterbringung von Flüchtlingen könnten auch
Genossenschaftswohnungen angemietet werden.
Die Kostenerstattung für die Unterbringung von
Flüchtlingen erfolgt durch das Land.
Ich frage die Landesregierung:
1. Was müssen die Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Genossenschaftswohnungen, insbesondere mit Blick auf das Erbringen der
Genossenschaftsanteile, beachten?
2. Wie erfolgt die Kostenerstattung durch das Land
im Zusammenhang mit der Anmietung von Genossenschaftswohnungen für die Unterbringung von
Flüchtlingen?
3. Welche Beispiele sind der Landesregierung gegebenenfalls bekannt, bei denen in Thüringen die
Unterbringung von Flüchtlingen in Genossenschaftswohnungen erfolgte?
und zahlt nur die Anteile für die Wohnung. Diese
Regelung ist aus steuerlichen Gründen auf 10 Prozent des Bestands begrenzt. Solange die Kommunen in Wahrnehmung ihrer Aufgaben handeln und
sich nicht unternehmerisch betätigen, ist eine Anmietung geeigneter Unterkünfte in Verbindung mit
dem Erwerb der Mitgliedschaft an der Genossenschaft möglich, wenn am Markt keine anderen Mietmöglichkeiten bestehen.
Zu Frage 2: Durch die Thüringer Verordnung über
die Kostenerstattung nach dem Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz werden sämtliche im Zusammenhang mit der Anmietung einer Wohnung stehenden Kosten erstattet.
Zu Frage 3: Sowohl das Mitglieder-Modell als auch
das Nichtmitglieder-Modell werden nach Auskunft
des Verbands der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e. V. aktuell in Thüringer Kommunen umgesetzt.
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Nachfragen
kann ich nicht erkennen, dann kommen wir zur
nächsten Frage in der Drucksache 6/1198. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Walk, CDU-Fraktion.
Abgeordneter Walk, CDU:
Vizepräsident Höhn:
Für die Landesregierung antwortet das Ministerium
für Migration, Justiz und Verbraucherschutz.
Dr. Albin, Staatssekretärin:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage
des Abgeordneten Kuschel beantworte ich für die
Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: Grundsätzlich können kommunale Gebietskörperschaften Genossenschaftsanteile erwerben, soweit dies entsprechend der jeweiligen Satzung der Wohnungsgenossenschaft juristischen
Personen möglich ist. Hierbei gibt es zwei denkbare
Modelle, das Nichtmitglieder-Modell und das Mitglieder-Modell. Beim Mitglieder-Modell, bei dem die
kommunale Gebietskörperschaft Mitglied der Genossenschaft wird, müssen Eintrittsanteile erworben werden, in der Regel sind das zwei Geschäftsanteile. Danach mietet die Kommune als Mitglied
die Genossenschaftswohnung an und bringt für die
Wohnungen die entsprechenden Anteile auf. Die
Geschäftsanteile bilden das Geschäftsguthaben.
Wenn die Mitgliedschaft gekündigt wird, besteht ein
Anspruch auf Auszahlung. Beim NichtmitgliederModell, das teilweise auch von Genossenschaften
praktiziert wird, ist die Ausdehnung des Geschäftsbetriebs auf Nichtmitglieder zugelassen. Hier mietet
die Kommune die Wohnung als Nichtmitglied an
Danke, Herr Präsident. Sehr geehrte Kolleginnen
und Kollegen!
Religiöser Extremismus in Thüringen
Angesichts der aktuellen Flüchtlingsströme ist fraglich, ob auch Kämpfer terroristischer Organisationen, wie beispielsweise des Islamischen Staats
oder der Al-Nusra-Front nach Thüringen gelangen.
Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz hält laut eines Artikels der „Rheinischen
Post“ (RP-ONLINE) vom 18. September 2015 das
Einschleusen religiöser Extremisten derzeit nicht für
wahrscheinlich. Andererseits würden Salafisten
sunnitische Asylbewerber in Deutschland gezielt
ansprechen, um sie „für ihre Sache“ zu rekrutieren.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie viele Muslime in Thüringen sind islamistischen, salafistischen oder anderen extremistischen
Strömungen des Islam zuzurechnen?
2. Wie stellt sich die Entwicklung in den vergangenen drei Jahren dar, vor allem auch vor dem Hintergrund der in letzter Zeit stark gestiegenen Zahl ankommender Flüchtlinge in Thüringen?
3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung
über Aktivitäten von radikalen islamistischen oder
salafistischen Organisationen sowie von Einzelper-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2389
(Abg. Walk)
sonen, um Asylbewerber für ihre Ideologien zu gewinnen?
nicht nur behörden-, sondern auch länderübergreifend dazu ab.
4. Wie bewertet die Landesregierung die in Frage 3
gewonnenen Erkenntnisse und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus?
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Besten Dank.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Nachfragen gibt
es nicht. Dann ist die nächste Fragestellerin Frau
Abgeordnete Stange, Fraktion Die Linke, Drucksache 6/1199.
Vizepräsident Höhn:
Es antwortet für die Landesregierung Herr Staatssekretär Götze.
Vizepräsident Höhn:
Abgeordnete Stange, DIE LINKE:
Götze, Staatssekretär:
Danke, Herr Präsident.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage
des Abgeordneten Walk beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:
Studentisches Wohnen in der alten Zahnklinik in Erfurt?
Zu Frage 1: Im Jahr 2014 wurden 125 Personen in
Thüringen dem Islamismus zugerechnet. Für dieses Jahr ist eine nur geringfügige Steigerung zu
verzeichnen. Etwa die Hälfte davon wird dem extremistischen Salafismus zugeordnet.
Zu Frage 2: In den Jahren 2013 und 2012 belief
sich die Zahl auf circa 100 Personen. Demnach ist
eine leicht zunehmende Tendenz zu verzeichnen.
Zu Frage 3: Den Sicherheitsbehörden liegen gegenwärtig keine konkreten Hinweise auf Anwerbungsversuche von islamistischen Organisationen
oder Einzelpersonen unter Asylsuchenden in Thüringen vor. Allerdings engagieren sich Einzelpersonen, die aus der extremistischen salafistischen
Szene bekannt geworden sind, in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe, beispielsweise mit Übersetzungsdiensten, praktischen Unterstützungen oder
auch Hilfe bei Behördengängen.
Zu Frage 4: Entsprechend der jetzigen Erkenntnislage handelt es sich bei den Hilfsangeboten vor
dem Hintergrund landsmannschaftlicher und kultureller Verbundenheit eher um ein humanitäres Engagement. Auch dürfte angesichts der negativen
Erfahrungen vieler Flüchtlinge mit islamistischen
Bestrebungen im Herkunftsland ein Großteil von ihnen derartiger Propaganda ablehnend gegenüberstehen. Dennoch werden die Sicherheitsbehörden gemeinsam mit den Ordnungs- und Ausländerbehörden die Aktivitäten von Islamisten und extremistischen Salafisten an Flüchtlingseinrichtungen
konsequent aufklären, diese unter Ausnutzung aller
rechtlichen Möglichkeiten unterbinden und die Mitarbeiter in Flüchtlingseinrichtungen mithilfe von Informationsmaterial zum Thema „Islamismus und
extremistischer Salafismus“ weiter sensibilisieren.
Im Übrigen gehen Polizei und Verfassungsschutz in
enger Zusammenarbeit den Hinweisen, dass sich
unter den Flüchtlingen möglicherweise islamistisch
motivierte Einzelkämpfer befinden könnten, in jedem Einzelfall konsequent nach und stimmen sich
Gemäß einer Meldung der „Thüringer Allgemeinen“
vom 13. Oktober 2015 gibt es eine Einigung in der
Nutzung der alten Zahnklinik in der Nordhäuser
Straße in Erfurt. So soll hier ab Juni 2016 ein Studierendenwohnheim mit circa 270 Wohneinheiten
entstehen. Dabei sollen circa 8 Millionen Euro investiert werden.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche konkreten Planungen gibt es seitens des
zuständigen Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft für den Umbau der
alten Zahnklinik zu einem Wohnheim für Studierende?
2. Gibt es noch mögliche Hürden, die eine Verzögerung oder Verhinderung der Bebauung bedeuten
könnten und wenn ja, wie sollen diese gelöst werden?
3. Auf welcher Berechnungsgrundlage wurden die
zu investierenden 8 Millionen Euro ermittelt?
4. Welche Auswirkungen ergeben sich nach Auffassung der Landesregierung für die Stadt Erfurt, insbesondere in Bezug auf den Erbbaurechtsvertrag?
Vizepräsident Höhn:
Für die Landesregierung antwortet das Ministerium
für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft.
Hoppe, Staatssekretär:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und
Herren Abgeordneten, ich beantworte die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Stange für die Thüringer Landesregierung wie folgt:
Zu 1: Die alte Zahnklinik in unmittelbarer Campusnähe der Universität Erfurt soll zukünftig als Studierendenwohnanlage genutzt werden. Die Sanierung
soll durch das Studentenwerk Thüringen erfolgen.
Dazu wurde eine Zustandsanalyse des Gebäudes
erstellt, auf deren Grundlage der Umbaubedarf pro-
2390
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Staatssekretär Hoppe)
gnostiziert wurde. Die Realisierung des Vorhabens
wird bei optimalem Verlauf nach Angabe des Studentenwerks Thüringen einen Zeitraum von circa
27 Monaten zuzüglich Planungsvorlauf beanspruchen.
werten, sodass ich davon ausgehe, dass die genannte Investitionssumme von 8 Millionen Euro zutreffend ist.
Zu 2: Aus Sicht der Landesregierung sind derzeit
keine Hürden bekannt, die zu einer Verzögerung
oder Behinderung des Vorhabens führen können.
Der Sanierungsbeginn soll im November 2016 erfolgen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär Hoppe. Wir kommen zur nächsten Anfrage in der Drucksache 6/
1211, Fragesteller ist Herr Abgeordneter Kowalleck,
CDU-Fraktion.
Zu 3: Das Studentenwerk Thüringen hat für das
Vorhaben Investitionskosten von circa 8 Millionen Euro ermittelt. Diese Angabe basiert auf der
bereits erwähnten aktuellen Zustandsanalyse des
Gebäudes. Dabei wird davon ausgegangen, dass
BAföG-gerechte Mieten für 250 bis 270 Wohneinheiten ermöglicht werden.
Abgeordneter Kowalleck, CDU:
Zu 4: Nach Auffassung der Landesregierung wird
sich das Vorhaben positiv auf die Stadt Erfurt auswirken. Es wird ganz offensichtlich ein städtebaulicher Missstand beseitigt und die Unterbringungsquote für studentisches Wohnen in Erfurt kann
spürbar von 9 auf voraussichtlich 11 Prozent erhöht
werden.
Zum Erbbaurecht: Es existiert ein Erbbaurechtsvertrag zwischen der Stadt Erfurt als Erbbaurechtsgeber und dem Freistaat Thüringen als Erbbaurechtsnehmer. Der Vertrag wurde 1994 mit einer Laufzeit
von 99 Jahren abgeschlossen. Als Erbbauzweck
sind darin Forschung und Lehre sowie studentisches Wohnen festgeschrieben. Die Sanierung der
alten Zahnklinik mit dem Ziel der Nutzung für studentisches Wohnen steht somit im Einklang mit
dem Erbbaurechtsvertrag. Für die Durchführung
des Vorhabens ist es notwendig, dass das Erbbaurecht des Freistaats auf das Studentenwerk Thüringen übertragen wird, was im Juli 2016 erfolgen soll.
Vielen Dank.
Vizepräsident Höhn:
Gibt es Nachfragen? Herr Kollege Schaft, bitte.
Abgeordneter Schaft, DIE LINKE:
Die Stadt Erfurt hat im Jahr 2013 den Bedarf zur Investition auf 13,5 Millionen Euro beziffert. Was sind
die Gründe dafür, dass jetzt diese Differenz zwischen den in der Zustandsanalyse benannten 8 Millionen Euro und den von der Stadt Erfurt im
Jahr 2013 benannten 13,5 Millionen Euro besteht?
Hoppe, Staatssekretär:
Da ich die Kalkulation der Stadt Erfurt und deren
Planungs- und Kalkulationsgrundlagen nicht kenne,
kann ich dies nicht beurteilen. Die Planungen des
Studentenwerks Thüringen basieren auf einer eigenen Begehung und entsprechenden Erfahrungs-
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Herr Präsident.
Landesregierung plant zentrale Verteilstelle für
Flüchtlinge in Saalfeld
Nach einem Beitrag in der „Ostthüringer Zeitung“
vom 21. Oktober 2015 plant die Landesregierung
eine zentrale Verteilstelle für alle Flüchtlinge, die
nach Thüringen kommen. Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow habe gegenüber der Zeitung geäußert, dass aufgrund der Lage an der Zugstrecke aus Bayern diese wahrscheinlich in Saalfeld entstehen werde. Weiter heißt es, dass vor einer Woche ein Sonderzug mit 500 Flüchtlingen die
Saalestadt erreichte.
Ich frage die Landesregierung:
Aus welchen Gründen ist von der Landesregierung
die Einrichtung einer zentralen Verteilstelle in Saalfeld und nicht – wie zunächst vorgesehen – in Apolda oder an einem anderen Bahnhof an der Zugstrecke aus Bayern mit geringerem Pendlerverkehr
vorgesehen?
Wie viele Züge mit wie vielen Flüchtlingen werden
nach den Plänen der Landesregierung nach Einrichtung einer zentralen Verteilstelle am Bahnhof
Saalfeld voraussichtlich wöchentlich bzw. monatlich
ankommen?
Welche Auswirkungen hat die Einrichtung einer
zentralen Verteilstelle am Bahnhof Saalfeld auf den
Pendler- und weiteren Fahrgastverkehr vor Ort?
Inwieweit ist vorgesehen, den Bahnhof in Saalfeld
für das „beschleunigte Rückführungsmanagement“
(Zitat Ministerpräsident Bodo Ramelow, „Ostthüringer Zeitung“ vom 21. Oktober 2015) zu nutzen?
Vizepräsident Höhn:
Es antwortet Staatssekretärin Frau Dr. Albin.
Dr. Albin, Staatssekretärin:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage
des Abgeordneten Kowalleck beantworte ich für die
Landesregierung wie folgt:
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2391
(Staatssekretärin Dr. Albin)
Antwort zu Frage 1: Seitens der Landesregierung
ist nicht vorgesehen, eine zentrale Verteilstelle in
Saalfeld einzurichten. Aus betriebsorganisatorischen sowie technischen Gründen ist es aber so,
dass die Sonderzüge der Deutschen Bahn AG derzeit lediglich Saalfeld anfahren. Anzumerken ist zudem, dass Apolda an einer Ost-West-Bahnstrecke
liegt, die betroffenen Sonderzüge aber aus Bayern
– also aus südlicher Richtung – nach Thüringen
kommen.
Antwort zu Frage 2: Gegenwärtig wird mit der Ankunft von drei Zügen pro Woche mit jeweils etwa
560 Flüchtlingen gerechnet.
Antwort zu Frage 3: Seitens des Landesverwaltungsamts wird versucht, die Auswirkungen auf den
Pendler- und den Fahrgastverkehr möglichst gering
zu halten, indem die ankommenden Flüchtlinge
möglichst zügig in bereitgestellte Busse umsteigen
und weiterreisen. Im Übrigen verweise ich auf die
Antwort zu Frage 1.
Antwort zu Frage 4: Inwieweit der Bahnhof in Saalfeld gegebenenfalls bei einem beschleunigten
Rückführungsmanagement eine Rolle spielen wird,
lässt sich derzeit noch nicht abschließend sagen.
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir kommen
zur nächsten Anfrage. Fragestellerin ist Frau Abgeordnete Mühlbauer, SPD-Fraktion, und die Frage
hat die Drucksachennummer 6/1214.
Abgeordnete Mühlbauer, SPD:
Wahl eines Vorsitzenden des Gemeinderats
§ 23 Abs. 1 Thüringer Kommunalordnung eröffnet
einem Gemeinderat die Möglichkeit, statt des Bürgermeisters als seinem geborenen Vorsitzenden,
ein Mitglied aus seinen Reihen durch Wahl zum
Vorsitzenden zu bestimmen. Die Festlegung hat im
Rahmen der Hauptsatzung zu erfolgen, und zwar,
so Satz 3 der Vorschrift, zu Beginn der Amtszeit
des Gemeinderats.
Ich frage die Landesregierung:
Kann der Gemeinderat abweichend vom Gesetzestext mit Wirkung für seine laufende Amtszeit
die Hauptsatzung dahin gehend ändern, dass sein
Vorsitzender ein Mitglied des Gemeinderats anstatt
des Bürgermeisters sein soll und wenn ja, unter
welchen Bedingungen kann dies erfolgen?
Vielen Dank.
Vizepräsident Höhn:
Vizepräsident Höhn:
Eine Nachfrage. Herr Kollege Kowalleck, bitte
schön.
Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Götze.
Götze, Staatssekretär:
Abgeordneter Kowalleck, CDU:
Danke, Herr Präsident. Warum wurde dann der Ministerpräsident in dem genannten Beitrag in dem
Zusammenhang mit der Einrichtung einer zentralen
Verteilstelle erwähnt? Das muss ja eine Information
der Landesregierung gewesen sein.
Dr. Albin, Staatssekretärin:
Das entzieht sich meiner Kenntnis, wie es zu diesem Zitat gekommen ist.
Abgeordneter Kowalleck, CDU:
Sie sagten, der Bahnhof wird ja trotzdem entsprechend genutzt. Wie hoch sind die Kosten, die durch
die gegebenen Nutzungen am Bahnhof Saalfeld
durch das Ankommen der Flüchtlinge anfallen, für
das Land, die Stadt Saalfeld und den Landkreis?
Dr. Albin, Staatssekretärin:
Das sind meines Wissens keine signifikanten Kosten, aber wir können dazu gerne noch schriftlich
Genaueres berichten.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage
der Abgeordneten Mühlbauer beantworte ich für die
Landesregierung wie folgt:
Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 Thüringer Kommunalordnung kann die Hauptsatzung zu Beginn der
Amtszeit des Gemeinderats bestimmen, dass den
Vorsitz ein vom Gemeinderat gewähltes Gemeinderatsmitglied führt. Der Terminus „zu Beginn der
Amtszeit“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff
dar. In den Kommentierungen zur Thüringer Kommunalordnung werden zur Auslegung unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das Thüringer Landesverwaltungsamt geht davon aus, dass das
Merkmal „zu Beginn der Amtszeit“ jedenfalls dann
erfüllt ist, wenn eine entsprechende Regelung in
der Hauptsatzung innerhalb eines Zeitraums von
ein bis vier Monaten ab Beginn der Amtsperiode
des Gemeinderats in Kraft tritt. Ich danke für Ihre
Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank. Herr Abgeordneter Kuschel hat eine
Nachfrage. Bitte.
2392
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:
Abgeordnete Mühlbauer, SPD:
Danke, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, in der
5. Legislaturperiode gab es dazu eine Anfrage des
Abgeordneten Kuschel mit einer Einzelaufstellung
all der Gemeinden, die während der Amtszeit einen
Gemeinderatsvorsitz gewählt haben, davon auch
im Ilm-Kreis insgesamt drei Gemeinden. Wie erklären Sie, dass das Landesverwaltungsamt jetzt die
Auffassung vertritt, dass sozusagen nach Ablauf einiger Monate diese Frist endet, wenn in der kommunalen Praxis bisher auch während der Amtszeiten eine Änderung der Hauptsatzung möglich war?
Welche Gründe sprechen jetzt für eine andere
Rechtsauffassung, gibt es da Urteile oder dergleichen?
Wenn die Amtszeit in diesem Gemeinderat im Frühjahr des Jahres 2014 begonnen hat, kann man
dann Ihre Äußerung so verstehen, dass wir Ende 2015 nicht mehr den Beginn der Amtszeit haben, weil jetzt definitiv ein Zeitfenster von 18 Monaten bereits überschritten ist?
Vizepräsident Höhn:
Götze, Staatssekretär:
Das können Sie so verstehen.
Vizepräsident Höhn:
Weiteren Fragebedarf sehe ich dazu nicht. Vielen
Dank, Herr Staatssekretär. Die nächste Fragestellerin ist Frau Abgeordnete König und ihre Frage trägt
die Nummer 6/1215.
Herr Staatssekretär, bitte schön.
Abgeordnete König, DIE LINKE:
Götze, Staatssekretär:
Sehr geehrter Herr Präsident.
Das bedarf – das geht auch aus meiner Antwort
hervor – dann immer einer Einzelfallbetrachtung.
Ich habe Ihnen hier dargelegt, in welchem Zeitraum
ganz sicher davon auszugehen ist, dass das Merkmal „zu Beginn der Amtszeit“ erfüllt ist, so wie es im
Gesetz normiert ist.
Entwicklung der Neonazi-Szene in Saalfeld
Vizepräsident Höhn:
Eine weitere Nachfrage von Herrn Kuschel.
Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:
Danke. Die bisherige Auffassung der Rechtsaufsichtsbehörden bestand darin, es handelt sich um
eine ordnungspolitische Regelung, die nicht das Ermessen des Gemeinderats bei der Formulierung
der Hauptsatzung ausschließt. Deshalb noch mal
die Frage: Wenn es sich um eine ordnungspolitische Regelung handelt, die wir ja auch an anderen
Stellen in der Kommunalordnung haben, weshalb
wird hier jetzt gesagt „im Einzelfall“ und erfolgt vom
Grundsatz her diese Einschränkung auf die ersten
vier Monate?
Götze, Staatssekretär:
Auch eine ordnungspolitische Regelung ist natürlich
erst einmal zu beachten. Ich habe nicht gesagt,
dass andere Regelungen damit zwingend beanstandet werden müssen.
Vizepräsident Höhn:
Jetzt hat die Fragestellerin, Frau Mühlbauer, noch
eine Frage.
Seit Anfang des Jahres tritt die Neonazi-Partei „Der
Dritte Weg“ stärker in Thüringen in Erscheinung. An
einer Demonstration der Partei am 1. Mai 2015 in
Saalfeld nahmen über 600 Personen teil. Dabei
kam es mehrfach zu Gewalttaten. In der Region
Saalfeld-Rudolstadt folgte nach dem 1. Mai 2015
die erste Stützpunkt-Gründung in Thüringen der
Partei „Der Dritte Weg“ unter dem Namen „Thüringer Wald/Ost“. Seither wurden wiederholt rassistische Flyer unter anderem gegen die Errichtung von
Flüchtlingsunterkünften verteilt. Neben der NPD im
Kreistag und dem „Dritten Weg“ sind auch andere
Neonazi-Gruppierungen mit Mitgliedern in der Region aktiv, wie die „Europäische Aktion“ sowie die
Partei „DIE RECHTE“, die vor einigen Wochen behauptete, einen Stützpunkt Saalfeld gegründet zu
haben. Auch das Netzwerk „Thügida“, deren Führungspersonen und deren Ableger wie „Wir lieben
Ostthüringen“ treten in der Region in Erscheinung.
Seit der Demonstration einer örtlichen NPD-Kreisrätin am 2. Oktober 2015 in Rudolstadt mit circa
350 Personen kam es in der Region vermehrt zu
neonazistischen Gewalttaten und Schmierereien.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Einordnung trifft die Landesregierung bezüglich dieser vorgenannten rechtsextremen Gruppierungen in Thüringen wie auch insbesondere in
der Region Saalfeld-Rudolstadt?
2. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung
zu dem Netzwerk „Thügida“ und insbesondere zu
deren regionalem Ableger „Wir lieben Ostthüringen“
vor dem Hintergrund der verantwortlichen Personen, deren Auftreten und den Verbindungen zur extrem rechten Szene?
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2393
(Abg. König)
3. Welche rechtsextremen Straftaten sind der Landesregierung seit Anfang 2015 im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt bekannt geworden?
Vizepräsident Höhn:
4. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung der rechtsextremen Szene in der Region Saalfeld-Rudolstadt in den letzten zwölf Monaten?
Abgeordnete König, DIE LINKE:
Vizepräsident Höhn:
Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Götze.
Götze, Staatssekretär:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage
der Abgeordneten König beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:
Antwort zu Frage 1: Bei den Organisationen „Der
Dritte Weg“, „DIE RECHTE“, „Europäische Aktion“,
„Thügida“ und „Wir lieben Ostthüringen“ handelt es
sich um rechtsextremistische Gruppierungen. Diese
werden durch das Amt für Verfassungsschutz in
Thüringen beobachtet.
Antwort zu Frage 2: „Thügida“ wird seit ihrem
Bestehen im März dieses Jahres als rechtsextremistisch eingeordnet. Diese Einstufung ist insbesondere durch die in dem Zusammenhang agierenden Personen begründet. Zu den Organisatoren
von „Thügida“ und den damit verbundenen Strukturen gehören Personen, die unter anderem im Zusammenhang mit der NPD, der Partei „DIE RECHTE“, der „Europäischen Aktion“ oder dem Neonazispektrum bekannt wurden. Eine Vielzahl der bei
den Veranstaltungen auftretenden Redner ist diesem Spektrum zuzuordnen. Zudem sind die Teilnehmer mit schwankenden Anteilen ebenfalls der
rechtsextremistischen Szene zuzurechnen. In den
Demonstrationszügen werden regelmäßig entsprechende Transparente und Fahnen mitgeführt.
Antwort zu Frage 3: Von Januar bis September
2015 wurden im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt insgesamt 62 Delikte der politisch motivierten Kriminalität rechts, davon 16 Gewaltdelikte, registriert.
Antwort zu Frage 4: Mit dem Stützpunkt der Partei
„Der Dritte Weg“ und einem aktiven NPD-Kreisverband gibt es nach gegenwärtiger Erkenntnislage
mehr aktive rechtsextremistische Gruppierungen in
der Region Saalfeld-Rudolstadt als noch vor einem
Jahr. Ferner versucht die Partei „DIE RECHTE“
dort Fuß zu fassen. Daneben gibt es in der Region
Saalfeld-Rudolstadt eine nicht bezifferbare Anzahl
unorganisierter Rechtsextremisten sowie Sympathisanten, die der Szene als Mobilisierungspotenzial
für Veranstaltungen zur Verfügung stehen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Abgeordnete König hat eine Nachfrage. Bitte.
Danke für die Antwort. Als Erstes: Kann denn bestätigt werden, dass die Gründung des Stützpunkts
„Der Dritte Weg“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt
in Piesau stattgefunden hat?
Götze, Staatssekretär:
Das kann ich jetzt hier so nicht bestätigen, müsste
ich recherchieren lassen, würde das dann schriftlich
verankern.
Abgeordnete König, DIE LINKE:
Die zweite Frage: Sind Ihnen denn weitere Veranstaltungen der Neonaziszene für das restliche Jahr
2015 im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt bekannt?
Götze, Staatssekretär:
Da gibt es mit Sicherheit noch Veranstaltungen.
Auch das würde ich noch einmal recherchieren lassen und Ihnen dann schriftlich zuarbeiten.
Vizepräsident Höhn:
Moment, Herr Staatssekretär. Es gibt noch eine
Nachfrage vom Abgeordneten Kowalleck.
Abgeordneter Kowalleck, CDU:
Danke, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, inwieweit wird denn vonseiten der Landesregierung auf
die von Ihnen beschriebene Entwicklung der rechten Szene im Bereich Saalfeld-Rudolstadt reagiert?
Götze, Staatssekretär:
Die Reaktionen rein repressiv sind natürlich entsprechende Strafverfolgungsmaßnahmen durch
Polizei, Staatsanwaltschaften, wenn Straftaten auftreten. Im präventiven Bereich durch eine verstärkte
Aufklärungstätigkeit und auch Unterstützung der lokalen Bündnisse, die sich den Rechtsextremisten
entgegenstellen.
(Beifall DIE LINKE)
Vizepräsident Höhn:
Wir kommen nun zur Anfrage von Frau Abgeordneter Henfling, Bündnis 90/Die Grünen, in der Drucksache 6/1219.
2394
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Abgeordnete Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
der Abgeordneten Henfling beantworte ich namens
der Landesregierung wie folgt:
Anerkennung der Studienabschlüsse „Bildung und
Erziehung von Kindern“ und „Pädagogik der Kindheit“
Die B.A.-Studiengänge „Bildung und Erziehung von
Kindern“ – berufsbegleitend – und „Pädagogik der
Kindheit“ sind an der Fachhochschule Erfurt angesiedelt. Zielstellung beider Studienangebote ist die
akademische Ausbildung von pädagogischem
Fachpersonal für die Arbeit mit Kindern im Vor- und
Grundschulalter. Diese Studiengänge werden sehr
gut nachgefragt. Die Struktur- und Entwicklungsplanung der Fachhochschule Erfurt sieht keine Änderung für diese Studiengänge vor. Die staatliche Anerkennung der Abschlüsse dieser Studiengänge als
Kindheitspädagogen ist unstrittig. Die staatliche Anerkennung der Studiengänge in der Kindheitspädagogik hat der Freistaat Thüringen bereits mit dem
Ersten Gesetz zur Änderung des Thüringer Sozialberufe-Anerkennungsgesetzes vom 7. Oktober
2012 geregelt. Mit dem Beschluss der fachlichen
Empfehlungen zu Fachkräften im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in Thüringen vom 4. Juni 2012
hat der Landesjugendhilfeausschuss geregelt, in
welchen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe welche sozialpädagogischen Studienabschlüsse zum Einsatz kommen können. Demnach kann
der staatlich anerkannte Kindheitspädagoge/die
-pädagogin neben den Kindertageseinrichtungen
auch in den Bereichen der Förderung der Erziehung in der Familie tätig werden. Dies umfasst den
Einsatz in Familienzentren ebenso wie die Tätigkeit
in Eltern-Kind-Zentren.
Seit September 2010 gibt es an der Fachhochschule Erfurt Absolventinnen und Absolventen des
berufsbegleitenden Studiengangs „Bildung und Erziehung von Kindern“; ab 2015 werden die ersten
Absolventinnen und Absolventen den grundständigen Studiengang „Pädagogik der Kindheit“ erfolgreich beenden. Eine angemessene Anerkennung
und Einstufung dieser Abschlüsse ist jedoch nicht
gegeben. In den „Fachlichen Empfehlungen zu
Fachkräften im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe
in Thüringen“ (Stand: 4. Juni 2012) sind die „staatlich anerkannten Kindheitspädagoginnen und -pädagogen B.A.“ nur in folgenden Bereichen im Fachkräftegebot namentlich aufgeführt: Handlungsfeld
Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis
18 SGB VIII) und Handlungsfeld Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Verwaltung). Berufspraktisch erfahrene Kindheitspädagoginnen und -pädagogen
sind nicht nur in der Kindertagesbetreuung in der
konkreten Arbeit mit den Kindern fachlich fundiert
ausgebildet, sondern geeignet für die Tätigkeit in
Eltern-Kind-Zentren, Familienzentren, als Einrichtungsleitungen und in der Fachberatung bzw. im
Bereich der Ganztagsschulen als koordinierende
Fachkräfte.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Perspektiven haben die Studiengänge
„Bildung und Erziehung von Kindern“ und „Pädagogik der Kindheit“ in der aktuellen Hochschulpolitik
des Landes?
2. Inwieweit werden die Hochschulabschlüsse der
staatlich anerkannten Kindheitspädagoginnen und
-pädagogen bei der Stellenvergabe im Fachkräftegebot anerkannt und berücksichtigt?
3. Inwieweit sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, den Abschluss der Kindheitspädagoginnen
und -pädagogen in weitere Tätigkeitsfelder des
Fachkräftegebots verbindlich einzupflegen?
4. Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um
den Anteil an Kindheitspädagoginnen und -pädagogen zu erhöhen und diese Tätigkeit attraktiv zu machen?
Vizepräsident Höhn:
Für die Landesregierung antwortet Frau Staatssekretärin Ohler.
Ohler, Staatssekretärin:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage
Die Fragen 2 bis 4 würde ich zusammen beantworten: Die Inhaber der genannten Hochschulabschlüsse sind anerkannte Fachkräfte für den Bereich der öffentlichen Kindertageseinrichtungen. Lediglich im Bereich der Jugendhilfe gibt es Einschränkungen dahin gehend, dass der Bacheloroder Masterabschluss in einem Studiengang der
Kindheitspädagogik mit staatlicher Anerkennung
per se nicht das Fachkräftegebot in den Handlungsfeldern Gemeinsame Wohnformen für Mütter, Väter
und Kinder, Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Hilfe für junge Volljährige im Sinne der §§ 19, 27 bis 35a,
41 SGB VIII erfüllt. Der jeweilige Träger einer solchen Einrichtung kann allerdings für eine Absolventin bzw. einen Absolventen eines solchen Studiengangs eine Zulassung nach § 23 Satz 2
ThürKJHAG bei dem Landesjugendamt auf Antrag
dann erhalten, wenn diese Person nach ihren Vorbildungsvoraussetzungen und Erfahrungswerten für
dieses spezielle Setting geeignet ist. Es gibt insoweit keinen Ausschluss in den beschriebenen Tätigkeitsfeldern, sondern die Fachkräfteanerkennung
bezüglich der genannten Bildungsabschlüsse bleibt
hier lediglich einer Einzelfallentscheidung des Landesjugendamts vorbehalten. Bezüglich der Attraktivität des Berufsbilds der genannten Bildungsabschlüsse bleibt festzustellen, dass zumindest der
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2395
(Staatssekretärin Ohler)
Abschluss „Pädagogik der Kindheit“ nicht als Eingruppierungsmerkmal in dem aktuellen Schlichtungsergebnis zum TVöD-SuE enthalten ist. Bezüglich des Abschlusses „Bildung und Erziehung von
Kindern“ ist diese ebenfalls nicht im aktuellen
Schlichtungsergebnis im TVöD-SuE enthalten, jedoch dürfte dieser Abschluss in der Regel darauf
ausgerichtet sein, künftige Führungsaufgaben
wahrzunehmen, zum Beispiel in Kindertageseinrichtungen. Für diesen Fall der Übernahme von
Führungs- bzw. Leitungsaufgaben ist bezüglich der
eigentlichen Eingruppierung der jeweilige Bildungsabschluss unbeschadet von etwaigen fachgesetzlichen Regelungen wie zum Beispiel § 14 Abs. 4
ThürKitaG eher sekundär, da hier weniger die Qualifikation als vielmehr die jeweilige Belegung der
Einrichtung maßgeblich ist. Eine Einflussnahme der
Landesregierung auf die jeweilige tarifvertragliche
Ausgestaltung ist allerdings ausgeschlossen. Ich
danke für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Höhn:
Es gibt eine Nachfrage von Frau Abgeordneter
Henfling.
Abgeordnete Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Können Sie mir sagen, wie weit Absolventinnen
und Absolventen der genannten Abschlüsse auch
im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländer zum Einsatz kommen
können?
Ohler, Staatssekretärin:
Das muss ich ebenfalls noch mal nachrecherchieren lassen und würde es schriftlich beantworten.
Vizepräsident Höhn:
Eine Nachfrage des Abgeordneten Wolf.
Abgeordneter Wolf, DIE LINKE:
Frau Staatssekretärin, gibt es seitens des Ministeriums die Absicht bzw. ist das schon erfolgt, beim
Kommunalen Arbeitgeberverband bzw. bei den tarifführenden Gewerkschaften eine Nachfrage anzustellen, inwiefern die Abschlüsse in Thüringen, die
natürlich nicht bundesweit im Tarifwerk hundertprozentig eingepflegt werden können, zukünftig Geltung erlangen können, sodass das, was auch im
Koalitionsvertrag steht, nämlich die Akademisierung
auch der frühkindlichen Bildung weiter voranzutreiben, auch in der Anerkennung der Abschlüsse weiter Rechnung trägt?
Ohler, Staatssekretärin:
Auch da müsste ich mich noch mal erkundigen und
würde es schriftlich nachreichen.
Vizepräsident Höhn:
Das haben wir zur Kenntnis genommen. Weitere
Fragestellungen sehe ich jetzt nicht. Vielen Dank,
Frau Staatssekretärin. Die nächste Fragestellerin
ist Frau Abgeordnete Floßmann, CDU-Fraktion,
Drucksache 6/1220.
Abgeordnete Floßmann, CDU:
Vielen Dank, Herr Präsident.
Aktueller Verhandlungsstand zu Straßenausbaubeiträgen
Laut Koalitionsvertrag der die aktuelle Landesregierung tragenden Parteien ist geplant, sich umfassend mit dem Thema der Straßenausbaubeiträge
zu befassen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Welche Schritte hat die Landesregierung bisher
getroffen, um über die Neugestaltung der Straßenausbaubeiträge zu diskutieren?
2. Welche Vereine, Verbände, Initiativen und andere Institutionen waren daran beteiligt?
3. Welche Ergebnisse sind daraus bisher abzuleiten?
4. Welche konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung zur Änderung der Straßenausbaubeiträge?
Vizepräsident Höhn:
Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Götze.
Götze, Staatssekretär:
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage
der Abgeordneten Floßmann beantworte ich für die
Landesregierung wie folgt:
Zu Frage 1: In Umsetzung der Vereinbarung aus
dem Koalitionsvertrag wurden Mitte Februar dieses
Jahres verschiedene Interessenvertreter um Stellungnahme gebeten, inwieweit das Thüringer Straßenausbaubeitragsrecht angemessen weiterentwickelt werden könnte. Im Anschluss daran fanden
bisher zwei Diskussionsforen zu diesem Thema in
Weimar statt.
Zu Frage 2: Folgende Vereine, Verbände, Initiativen nahmen an diesen Diskussionsforen teil: der
Gemeinde- und Städtebund Thüringen, die Bürgerallianz Thüringen, der Landesverband der Thürin-
2396
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Staatssekretär Götze)
ger Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e. V.,
der Landesverband Thüringen e. V. des Deutschen
Mieterbunds sowie der Verband der Thüringer
Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e. V. Durch
den Thüringer Landkreistag wurde mitgeteilt, dass
dieser von einer Teilnahme absehe.
Zu Frage 3: Im Rahmen des zweiten Diskussionsforums wurden verschiedene Modelle zur Weiterentwicklung des Straßenausbaubeitragsrechts in Thüringen vorgestellt. Aus dem sich daran anschließenden Dialog zwischen den Beteiligten ergab sich
noch weiterer Prüfbedarf. Anhand dieser Prüfergebnisse soll im dritten Diskussionsforum, welches im
Dezember 2015 stattfinden soll, der Dialog fortgesetzt werden.
Zu Frage 4: Hinsichtlich konkreter Maßnahmen der
Landesregierung bleibt zunächst der weitere Fortgang des Dialogs abzuwarten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich sehe keine
Wortmeldungen. Doch, Frau Floßmann, bitte
schön.
Abgeordnete Floßmann, CDU:
Wo wird das dritte Diskussionsforum geplant sein?
Wie ist der Kreis derer, die eingeladen werden? In
welchem Zeitrahmen oder Zeitplan beabsichtigen
Sie, konkrete Maßnahmen festzulegen?
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das
waren drei Fragen!)
Götze, Staatssekretär:
Das dritte Diskussionsforum wird in Weimar stattfinden. Die Einladungen werden sich an den gleichen
Teilnehmerkreis richten und wir planen, danach unverzüglich einen Regelungsvorschlag vorzulegen.
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Jetzt kommen wir
zur nächsten Anfrage. Die stellt Frau Abgeordnete
Leukefeld von der Fraktion Die Linke in der Drucksache 6/1222.
Abgeordnete Leukefeld, DIE LINKE:
Danke, Herr Präsident. Meine Mündliche Anfrage:
Umsetzung des Landesprogramms „Arbeit für Thüringen“ – Berufliche Integration spezieller Zielgruppen
Mit der Neufassung der Richtlinie zum Landesprogramm „Arbeit für Thüringen“ gibt es einen Teil 2.2,
der die Beschäftigungsförderung und berufliche Integration von benachteiligten Zielgruppen ein-
schließlich Migranten und Flüchtlingen beinhaltet.
Die Förderung soll die sozialen und beruflichen Integrationsmöglichkeiten verbessern sowie die
Nachhaltigkeit erfolgter Vermittlung in ein Beschäftigungsverhältnis stärken. Es werden zielgruppenspezifische Projekte zur beruflichen Qualifizierung
und zur beruflichen oder sozialen Integration einschließlich der Förderung von Begleitstrukturen unterstützt. Die Förderregeln sehen vor, dass für die
fachliche Auswahl von Projektkonzeptionen ein
Konzeptauswahlverfahren vorgeschaltet werden
kann. Die Bewertung der eingereichten Konzepte
im Rahmen des Konzeptauswahlverfahrens erfolgt
durch eine Jury. Für die in dem Verfahren ausgewählten Projekte erfolgt danach die Aufforderung
zur Antragstellung.
Ich frage die Landesregierung:
1. Aus wie vielen eingereichten Konzepten erfolgte
nach welchem Modus die Auswahl wie vieler Projektkonzeptionen?
2. Nach welchen Kriterien erfolgte die Bewertung
der Konzeptionen?
3. Ist die Entscheidung durch die Jury erfolgt und
wenn ja, welche Projekte welcher Träger wurden
ausgewählt?
4. In welchem finanziellen und zeitlichen Umfang
werden diese Projekte gefördert?
Herzlichen Dank.
Vizepräsident Höhn:
Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin
Werner.
Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Frau Leukefeld, namens der Landesregierung beantworte ich
die Mündliche Anfrage wie folgt:
Zunächst eine Vorbemerkung: In der Neufassung
der Richtlinie zum Landesprogramm „Arbeit für
Thüringen“ gibt es einen Teil 2.2 – Sie sprachen
das schon an –, der die Beschäftigungsförderung
und die berufliche Integration von benachteiligten
Zielgruppen einschließlich Migranten und Flüchtlingen beinhaltet. Es werden zielgruppenspezifische
Projekte zur beruflichen Qualifizierung und zur beruflichen und sozialen Integration einschließlich der
Förderung von Begleitstrukturen unterstützt und
– Sie sagten es – die Förderregeln sehen vor, dass
für die fachliche Auswahl von Projektkonzeptionen
ein Konzeptauswahlverfahren vorgeschaltet werden
kann. Die Bewertung der eingereichten Konzepte
im Rahmen des Konzeptauswahlverfahrens erfolgt
durch eine Jury. Für die in dem Verfahren ausge-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2397
(Ministerin Werner)
wählten Projekte erfolgt danach die Aufforderung
zur Antragstellung.
Zu Frage 1: Die Richtlinie zum Landesarbeitsprogramm „Arbeit für Thüringen“ ist nach einem intensiven Abstimmungsprozess mit der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur
für Arbeit, den Thüringer Jobcentern, den Thüringer
Wirtschafts- und Sozialpartnern, dem Thüringer Finanzministerium und dem Thüringer Rechnungshof
am 6. Oktober 2015 in Kraft getreten. Während die
vorwiegend durch Mittel des Europäischen Sozialfonds finanzierte Integrationsrichtlinie die berufliche
Integration von langzeitarbeitslosen Menschen fördert, schließt das ausschließlich aus Landesmitteln
gespeiste Programm „Arbeit für Thüringen“ unter
anderem die Förderung von Flüchtlingen explizit
ein, also von Personen, die in der Regel noch nicht
lange arbeitslos gemeldet sind, gleichwohl aber unserer Unterstützung bei der sozialen und beruflichen Integration bedürfen. Der von Frau Abgeordneter Leukefeld angesprochene Fördergegenstand
sieht die Möglichkeit vor, der Antragstellung und
Bewilligung ein sogenanntes Konzeptauswahlverfahren vorzuschalten. Dieses Verfahren hat den
Vorteil, dass aus vielen Konzepten die besten Ansätze herausgefiltert werden können. Der Nachteil
des Verfahrens besteht jedoch in dem hohen zeitlichen Aufwand von circa drei Monaten, mit dem
vom ersten Aufruf bis zur Bewilligung der Projekte
gerechnet werden muss. Der mit der aktuellen Entwicklung in der Flüchtlingsfrage verbundene dringende Handlungsbedarf hat uns bewogen, auf die
Durchführung von Konzeptauswahlverfahren zu
verzichten, um noch in diesem Jahr mit ersten Projekten beginnen zu können. Stattdessen war bereits
unmittelbar nach Inkrafttreten der Richtlinie eine
Antragstellung bei der GFAW möglich. Zum jetzigen Zeitpunkt liegen der GFAW und dem
TMASGFF bereits 14 Konzepte zur sozialen und
beruflichen Integration von Asylsuchenden, geduldeten und anerkannten Flüchtlingen vor. Zum
Stand 28. Oktober sind diese Konzepte in insgesamt 17 formgebundene Anträge eingeflossen. Verschiedene Vorhaben werden demnach durch mehrere Träger umgesetzt, die für ihre Teilprojekte separate Anträge gestellt haben.
Zu Frage 2, nach welchen Kriterien die Bewertung
der Konzeptionen erfolgte: Die vorliegenden Anträge wurden am 28. Oktober 2015 durch einen Förderausschuss, bestehend aus Vertreterinnen und
Vertretern der GFAW, der Regionaldirektion, des
Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und
Verbraucherschutz und meines Hauses bewertet.
Folgende Kriterien wurden zugrunde gelegt: Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des
bzw. der durchführenden Träger, das heißt unter
anderem Erfahrungen in den Projekten der beruflichen Integration, der Netzwerkarbeit, Nachweis von
interkulturellen und sprachlichen Kompetenzen; als
Nächstes Vernetzung in der Region, Kooperation
und Zusammenarbeit mit Arbeitsagenturen, Jobcentern, Unternehmen und weiteren relevanten Akteuren. Ein weiteres Kriterium war die Umsetzungsplanung, das methodische Vorgehen und die Qualitätssicherung und viertes Kriterium Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Finanzplanung.
Zu Frage 3, ob die Entscheidung durch eine Jury
erfolgte und wenn ja, welche Projekte ausgewählt
wurden: Die Förderentscheidung wurde letztendlich
durch die GFAW getroffen, die als beliehenes Unternehmen die Funktion einer Bewilligungsbehörde
wahrnimmt. Die in der Antwort zu Frage 2 beschriebene Bewertung des Förderausschusses ist in dem
Sinne eine fachliche Förderempfehlung. Die 17 Anträge bzw. Projekte wurden alle im Ansatz als
grundsätzlich förderwürdig eingeschätzt. Bei
vier Vorhaben sind jedoch wichtige Fragen offengeblieben. Hier besteht noch Konkretisierungsbedarf.
Drei Vorhaben waren fachlich so weit ausgereift,
dass eine Bewilligung empfohlen werden konnte.
Am 2. November 2015 können demnach zunächst
zwei große Verbundprojekte in Süd- und Nordthüringen beginnen. Weitere Projekte werden voraussichtlich Mitte November und im Dezember folgen.
Darunter ein thüringenweites Projekt aller Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammern, das
die Vorbereitung und Vermittlung von jungen
Flüchtlingen in Praktika und betriebliche Ausbildungsplätze zum vorrangigen Ziel hat.
Zu Frage 4, in welchem finanziellen und zeitlichen
Umfang diese Projekte gefördert werden: Die zum
Stand 28. Oktober 2015 vorliegenden 17 Anträge
summieren sich auf einen Betrag von circa 5 Millionen Euro für die beantragte Gesamtlaufzeit. Die
Laufzeit der Projekte ist grundsätzlich bis zum
31. Dezember 2017 bemessen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vizepräsidentin Jung:
Ich sehe keine Nachfragen. Dann rufe ich die Anfrage des Abgeordneten Krumpe, fraktionslos, in
der Drucksache 6/1223 auf.
Abgeordneter Krumpe, fraktionslos:
Ökonomische Auswirkungen des 10 Meter breiten
Gewässerrandstreifens in Thüringen
Mit der geplanten Einführung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens durch die angestrebte
Novellierung des Thüringer Wassergesetzes sind
ökonomische Effekte auf die Landwirtschaft nicht
auszuschließen. Seit dem 13. Oktober 2015 liegt
dem zuständigen Ministerium nach meiner Kenntnis
eine erste Stellungnahme über die ökonomischen
Auswirkungen vor.
Ich frage die Landesregierung:
2398
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Krumpe)
1. Wie viel Hektar Acker- und Grünlandfläche werden durch die Einführung eines 10 Meter breiten
Randstreifens gegenüber der derzeitigen landwirtschaftlichen Praxis in Thüringen betroffen sein?
2. Mit welcher Methodik und mit welchen Datensätzen bezogen auf die Landnutzung und auf die verwendeten Gewässertypen und -klassen wurde die
Berechnung der Acker- und der Grünlandfläche unter Frage 1 durchgeführt?
3. Welche ökonomischen Folgen hätte die gesetzliche Festlegung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens auf Erträge und Erntemengen für die
ersten fünf Arten der am häufigsten angebauten
Feldfrüchte?
4. Wurden im Entwurf zum Doppelhaushalt 2016/
2017 mögliche Ausgleichszahlungen für entgangene Gewinne als Folge der avisierten naturschutzbedingten Regelung, Einführung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens, veranschlagt und wenn
nein, warum nicht?
Vizepräsidentin Jung:
Für die Landesregierung antwortet das Ministerium
für Umwelt, Energie und Naturschutz, Herr Staatssekretär Möller.
schen Vorortanwendungen nach jeweiligem Fachrecht, verschiedener Regelungen in der Düngeverordnung, nicht gegeben.
Zu Frage 2: Die Abschätzung der möglich betroffenen landwirtschaftlichen Nutzfläche in einem
10 Meter breiten Gewässerrandstreifen wurde unter
Anwendung der Bodennutzungskategorien nach
Ackerland und Grünland auf der Basis der Feldblockeinteilung am Gewässernetz, Gewässer erster
und zweiter Ordnung, durchgeführt.
Zu Frage 3: Ich verweise dabei auf die Vorbemerkung und sage noch dazu: Da bisher noch kein abgestimmter Gesetzentwurf vorliegt, können auch
keine Kostenfolgen benannt werden, da diese von
den gesetzlichen Anforderungen für die Gewässerrandstreifen abhängig sind.
Zu Frage 4: Demzufolge wurden auch bisher keine
möglichen Ausgleichszahlungen für entgangene
Gewinne in den Entwurf des Doppelhaushalts
2016/2017 eingestellt. Ausgleichszahlungen sind
abhängig vom Umfang gesetzlicher Anforderungen
und diese sind derzeit noch nicht bekannt. Vielen
Dank.
Vizepräsidentin Jung:
Es gibt eine Nachfrage.
Möller, Staatssekretär:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Krumpe, Ihre Mündliche Anfrage beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:
Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung:
Die Novelle des Thüringer Wassergesetzes wird
gegenwärtig federführend bei uns im Haus, im Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz, erarbeitet. Die Meinungsbildung hinsichtlich der landesrechtlichen Bestimmung eines 10 Meter breiten
Gewässerrandstreifens ist dabei noch nicht abgeschlossen. Deshalb kann ich leider nicht alle Fragen zum Gewässerrandstreifen beantworten. Auch
liegt derzeit noch kein abgestimmter Referentenentwurf zum Wassergesetz mit einer Kostenfolgeabschätzung vor. Ein abgestimmter Referentenwurf
liegt dann vor, wenn der erste Kabinettsdurchgang
erfolgt ist. Die Thematik zu den Gewässerrandstreifen wurde, wie Sie ja wissen, in den letzten beiden
Sitzungen des Ausschusses für Umwelt, Energie
und Naturschutz im September und Oktober 2015
relativ ausführlich diskutiert.
Ich komme zu Ihren Fragen:
Zu Frage 1: Wenn ein 10 Meter breiter Gewässerrandstreifen im Gesetz so stehen würde, wären
nach Schätzungen circa 4.000 Hektar Ackerland
und circa 6.000 Hektar Grünland betroffen. Ein Vergleich mit den Abstandsregeln nach derzeitiger
landwirtschaftlicher Praxis ist aufgrund der spezifi-
Abgeordneter Krumpe, fraktionslos:
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär, für die Ausführungen. Ich habe eine Nachfrage zu Frage 2.
Darf ich Sie bitten, den konkreten digitalen Datenbestand beim Namen zu nennen – es geht mir hier
um das Gewässernetz –, damit wir eine Korrespondenz zu den Gesetzen und Verordnungen herstellen können, die die Erhebung dieser Daten regelt?
Möller, Staatssekretär:
Das werde ich Ihnen nachliefern. Ich kann Ihnen
nur sagen, dass es auf der Basis der Feldblockeinteilung gemacht worden ist, die auch in den Antragsverfahren für die Direktzahlungen der EU verwendet werden. Aber die konkrete Datenbezeichnung kann ich Ihnen nur nachliefern.
Vizepräsidentin Jung:
Es gibt keine weiteren Nachfragen mehr. Ich rufe
noch auf als letzte Anfrage die Anfrage des Abgeordneten Gentele, fraktionslos, in der Drucksache 6/1224.
Abgeordneter Gentele, fraktionslos:
Danke, Frau Präsidentin.
Einführung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens in Thüringen
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2399
(Abg. Gentele)
Ich frage die Landesregierung:
1. Welcher ursächliche Anlass führt zur Notwendigkeit einer Einführung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens, da es weder Probleme mit
Pflanzenschutzmitteln in Thüringen gibt noch die
Wirkung der verschärften Düngeverordnungsnovelle zum gegenwärtigen Zeitpunkt abgeschätzt werden kann?
2. Wie begründet die Landesregierung die Notwendigkeit eines generellen 10 Meter breiten Randstreifens gegenüber der Regelung von 2009, nämlich
der Einhaltung eines 10 Meter breiten Randstreifens bei Gewässern erster Ordnung und eines
Randstreifens von 5 Metern bei Gewässern zweiter
Ordnung?
3. Sollen landwirtschaftliche Betriebe, die durch die
Einführung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens betroffen sind und somit einen Beitrag zur
Entwicklung lebendiger Gewässer mit strukturreichen Ufern einschließlich zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie leisten, zukünftig
von der geplanten Wasserentnahmeabgabe ausgeschlossen werden und wenn nein, warum nicht?
4. Fallen Randstreifen an nicht ständig wasserführenden Steh- und Fließgewässern sowie Entwässerungsgräben unter die avisierte Gesetzesänderung?
Danke.
Vizepräsidentin Jung:
Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär
Möller vom Ministerium für Umwelt, Energie und
Naturschutz.
– die LaWa ist das oberste Gremium der Wasserwirtschaft, kann man so sagen, also das ist die Versammlung, die Länderarbeitsgemeinschaft der
Wasserabteilungsleiter, die sogenannten Wasserdirektoren der Länder, die geballte Kompetenz sozusagen – wird eingeschätzt, dass die Novelle der
Düngeverordnung zwar eine weitere Reduzierung
der Nährstoffeinträge bringt, aber die Ziele der
Wasserrahmenrichtlinie allein dadurch nicht erreicht
werden können. Aus diesem Grund sind weitergehende Maßnahmen zu prüfen. Der Gewässerrandstreifen stellt in Bezug auf Pflanzenschutzmittel
einen erweiterten Schutz der Thüringer Gewässer
dar und dient damit der Sicherung des derzeitigen
Zustands der Gewässer hinsichtlich der Belastung
durch Pflanzenschutzmittel.
Zu Frage 3: Zum Entwurf des Thüringer Gesetzes
zur Erhebung einer Wasserentnahmeabgabe finden
gegenwärtig noch Anhörungen der Verbände und
anderer außerhalb der Landesregierung stehender
Stellen statt. Eine Befreiung der landwirtschaftlichen Betriebe von dieser Abgabe als Kompensation für die Nutzungsbeschränkung in den Gewässerrandstreifen sieht der Gesetzentwurf nicht vor.
Es besteht hier auch kein sachlicher Zusammenhang.
Zu Frage 4: Auch hierzu ist die Meinungsbildung innerhalb der Landesregierung noch nicht abgeschlossen, sodass mir eine Beantwortung nicht
möglich ist.
Vielen Dank.
Vizepräsidentin Jung:
Gibt es Nachfragen? Herr Abgeordneter Krumpe.
Möller, Staatssekretär:
Abgeordneter Krumpe, fraktionslos:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Gentele, Ihre Mündliche Anfrage beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:
Ich hätte eine Frage zu dem Fragenkomplex 1 und
2: Wie schätzt die Landesregierung das Verhältnis
zwischen der Düngeverordnungsnovelle und der
Schaffung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens auf ihre Wirkung bezüglich der angestrebten Wasserqualität ein?
Noch mal ganz kurz eine Vorbemerkung. Das war
ja schon bei der vorangegangenen Mündlichen Anfrage von mir gesagt worden: Die Meinungsbildung
innerhalb der Landesregierung zu dem erfragten
Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, deswegen können auch für die Landesregierung hier nicht alle Fragen im Detail beantwortet werden.
Ich möchte die Frage 1 und die Frage 2 im Zusammenhang beantworten: Aufgrund des immer noch
hohen Anteils diffuser Nährstoffeinträge in die Thüringer Gewässer sind weitergehende rechtliche Anforderungen zu prüfen, um den guten Zustand der
Gewässer zu erreichen. Derzeit verfehlen mehr als
80 Prozent der Gewässer den guten Zustand aufgrund von Nährstoffbelastungen. Seitens der LaWa
Möller, Staatssekretär:
Beide Maßnahmen dienen der Verbesserung der
Gewässerqualität durch Reduzierung des Eintrags
von Nährstoffen in die Gewässer. Insofern ergänzen sich beide Maßnahmen. Aber beide alleine sind
nicht ausreichend, um einen guten Zustand der Gewässer gemäß der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie langfristig zu erreichen.
Vizepräsidentin Jung:
Es gibt eine weitere Nachfrage des Abgeordneten
Krumpe.
2400
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Abgeordneter Krumpe, fraktionslos:
Eine Frage noch: Wie können Sie das objektivieren,
denn die Düngeverordnung ist ja noch nicht in Kraft
getreten. Aus der landwirtschaftlichen Praxis entnimmt man, dass das – sage ich mal – bestimmt
drei, vier Jahre, vielleicht auch fünf Jahre dauert,
bis man die Wirkung einer solchen Verordnung vor
Ort auch feststellen kann. Wie können Sie jetzt objektivieren, dass sozusagen die Düngeverordnungsnovelle nicht ausreichend ist?
Möller, Staatssekretär:
Stoffeinträge in Gewässer entstehen durch verschiedene Dinge, zum einen durch Nährstoffaufbringung auf landwirtschaftliche Flächen, aber auch
durch Erosion. Gewässerrandstreifen dienen insbesondere als Pufferzone im Hinblick auf Erosion. Es
besteht durch die Einführung von Gewässerrandstreifen die Hoffnung, dass Ackerflächen im Rahmen des Greenings dann auch bezuschusst umgewandelt werden in Nichtackerflächen, also entweder in wirklich durch Gehölze bewachsene Gewässerrandstreifen oder eben in Grünlandflächen, und
dadurch auch durch Erosion verursachte Einträge
in Gewässer vermindert werden. Das kann die Düngeverordnung nicht leisten.
Vizepräsidentin Jung:
Ich sehe keine weiteren Fragen. Ich schließe damit
die Fragestunde und rufe auf den Tagesordnungspunkt 7
Digitalfunk im Bereich nicht
polizeilicher Gefahrenabwehr
auf den Weg bringen
Antrag der Fraktion der CDU
- Drucksache 6/507 dazu: Beschlussempfehlung des
Innen- und Kommunalausschusses
- Drucksache 6/1025 dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD
- Drucksache 6/1256 Das Wort hat Abgeordneter Thamm aus dem Innen- und Kommunalausschuss zur Berichterstattung.
Abgeordneter Thamm, CDU:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat in seiner Sitzung am 28. Mai 2015 den Antrag „Digitalfunk im
Bereich nicht polizeilicher Gefahrenabwehr auf den
Weg bringen“ in den Innen- und Kommunalausschuss zur Beratung überwiesen.
Der Innen- und Kommunalausschuss hat den Antrag in der 9. und in der 11. Sitzung beraten. In der
ersten Sitzung war der Innenminister anwesend
und konnte noch keine abschließenden Informationen zum Antrag geben. Man hat in der Beratung
vereinbart, die weitere Beratung in der 11. Sitzung
mit den aktuellen Informationen durch den Innenminister fortzusetzen. In der 11. Sitzung informierte
der Minister erneut über die vorgesehene Beschaffung, Finanzierung und den Zeitplan. Er sagte weiterhin zu, den Innen- und Kommunalausschuss
über neue Erkenntnisse und Umsetzungen auf dem
Laufenden zu halten und zu informieren. Der Ausschuss kam in der 11. Sitzung mit mehrheitlichem
Beschluss zur Auffassung, den Antrag in der Sitzung abzuschließen und – mit weiterem mehrheitlichen Beschluss – dem Landtag die Empfehlung zu
geben, den Antrag abzulehnen. Danke.
(Beifall CDU, AfD)
Vizepräsidentin Jung:
Wünscht die Fraktion der AfD das Wort zur Begründung ihres Alternativantrags? Herr Abgeordneter
Henke, Sie haben das Wort.
Abgeordneter Henke, AfD:
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Abgeordnete,
die Notwendigkeit der Ausstattung der Rettungsdienste mit digitalfunktauglichen Endgeräten steht
außer Frage. Gerade die vor Kurzem stattgefundene Katastrophenschutzübung im Finnetunnel hat
Presseberichten zufolge gezeigt, dass sich die
Kommunikation zwischen Feuerwehr, Rettungsdiensten und dem Katastrophenschutz verschiedener Bundesländer aufgrund der unterschiedlichen
Kommunikationssysteme – Analogsysteme, Digitalfunk – als hochgradig problematisch herausgestellt
hat.
Die Frage der technischen Vereinbarkeit von Analogfunk und Digitalfunk spielt gerade vor dem Hintergrund der in Thüringen bis 2021 geplanten vollständigen Einführung des Digitalfunks bei den nicht
polizeilichen Sicherheitsbehörden eine zentrale
Rolle im Rahmen eines von der Landesregierung
zu erstellenden Technikkonzepts. Hier hat die Landesregierung in den nächsten mehr als fünf Jahren
dafür zu sorgen, dass die Kommunikation zwischen
nicht polizeilichen Sicherheitsbehörden auch länderübergreifend optimal funktioniert. Vielen Dank.
(Beifall AfD)
Vizepräsidentin Jung:
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Abgeordneter Fiedler, CDU-Fraktion.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Abgeordneter Fiedler, CDU:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben heute den Antrag „Digitalfunk im Bereich nicht polizeilicher Gefahrenabwehr auf den Weg bringen“ hier in den
Landtag noch mal zur Beratung gestellt, weil wir mit
dem Ergebnis, was hierbei bis dato rausgekommen
ist, überhaupt nicht zufrieden sind. Ich möchte noch
mal erwähnen: Die flächendeckende Einführung
des sogenannten BOS-Digitalfunks stellt aus unserer Sicht eines der größten technischen Modernisierungsvorhaben und -herausforderungen in ganz
Deutschland dar. Wie den Fachleuten bekannt ist,
hat sich der Freistaat dieses Vorhabens schon frühzeitig angenommen und seit 2008 im Bereich der
Polizei den Auf- und Ausbau des Digitalfunks BOS
vorangetrieben. Hierdurch wurde erreicht, dass die
Thüringer Polizei seit Anfang 2012 in der Lage ist,
digital zu funken. Ich erwähne noch dazu, dass das
auch schon bei einigen ausgesuchten Feuerwehren
im Probelauf gelaufen ist. Demgegenüber ist für die
Thüringer Feuerwehren, Rettungsdienste und Katastrophenschutzeinheiten eine flächendeckende
Umstellung von Analog- auf Digitalfunk derzeit leider noch immer nicht in Aussicht. Nachdem unser
Antrag im Mai-Plenum von allen Fraktionen zur weiteren Beratung an den Innenausschuss überwiesen
wurde, war ich der Auffassung, dass wir in der Sache alle an einem Strang ziehen. Leider habe ich
mich geirrt. Daran änderte auch die zweite Befassung im Innenausschuss im Juni und September
nichts, denn am Ende wurde unser Antrag im Innenausschuss abgelehnt und wird es auch heute
mit großer Voraussicht, und zwar – jetzt will ich die
Dinge mal nennen – ohne dass dem Landtag ein
mit den Kommunen abgestimmtes Technik- und Finanzierungskonzept vorgelegt wurde, ohne dass
über die jährlichen Folge- und Betriebskosten informiert wurde, die auf die Kommunen zukommen,
und ohne dass wir informiert wurden, wie die Kommunikation aller Gefahrenabwehrkräfte untereinander gewährleistet werden soll, sofern nicht für alle
Gefahrenabwehrkräfte der Digitalfunk eingeführt
wird. Die jüngsten Pannen bei der Kommunikation
– der Kollege hat es gerade genannt – im Rahmen
einer Feuerwehrübung im ICE-Tunnel bei Eßleben
haben gezeigt, dass wir mit dem Digitalfunk alles
andere als auf einem guten Weg sind. Hier möchte
ich gleich einfügen, der AfD müsste bekannt sein,
dass wir für den nächsten Innenausschuss schon
längst eingereicht haben, dass darüber berichtet
wird. Übungen sind dazu da, dass man Mängel aufdeckt und, ich glaube, das ist nicht der richtige Ort,
das hier im Landtag im großen Plenum zu besprechen, sondern im Ausschuss.
(Beifall CDU)
Ich will es noch mal erwähnen, weil man meint,
man muss etwas Besonderes machen, aber
manchmal hilft es nicht.
2401
Auch die Spitzenverbände haben im Rahmen der
Anhörung zum KFA ausgeführt, dass die Landesregierung bei der Umsetzung und Finanzierung des
Digitalfunks keine vertretbaren Lösungen vorgelegt
hat. Auch hier will ich noch mal auf die AfD eingehen. Einfach zu sagen, alles muss finanziert werden, ist mir zu einfach, sondern es muss mit den
Kommunen ausgehandelt werden, wer finanziert
was, die Anschaffung und die Kosten usw., denn
man darf nicht vergessen, dass die Feuerwehr
Pflichtaufgabe der Kommunen ist und nicht nur alles Katastrophenschutz ist. Wir sind schon grundsätzlich der Meinung, dass alles finanziert werden
sollte, aber das muss mit den zuständigen Spitzenverbänden ausgehandelt werden. Deswegen können wir dem Antrag der AfD nicht zustimmen.
Alles in allem bleibt festzuhalten, dass die Landesregierung in Sachen Digitalfunk weiterhin im Hintertreffen und schlecht aufgestellt ist. Wir – meine
Fraktion und ich – sind der Meinung, das ist dringendst notwendig, weil keiner weiß, wie schnell es
wieder mal zu irgendwelchen Katastrophen kommt.
Wir werden in der letzten Zeit von allen Seiten von
Katastrophen überschüttet. Ich denke, es ist dringendst notwendig, dass die Landesregierung ihre
Aufgaben erfüllt und endlich etwas vorlegt, was
man auch bewerten kann. Deswegen bitten wir um
Zustimmung zu unserem Antrag.
(Beifall CDU)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter
Dittes zu Wort gemeldet.
Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr
Fiedler, ich glaube, es ist nicht sachgerecht, als Innenpolitischer Sprecher hier im Landtag zu sagen,
dass wir in letzter Zeit von allen Seiten von Katastrophen überschüttet werden. Das ist nun wirklich
mit einem Blick auch in die jüngste Zeit in Thüringen absolut nicht der Fall, wenngleich es an der
einen oder anderen Stelle durchaus Herausforderungen gibt, vor denen wir stehen. Aber ich glaube,
wir sollten uns auch in der Sprache mäßigen und
nicht Menschen zusätzlich verunsichern.
(Beifall DIE LINKE)
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie können
es ja halten, wie Sie wollen!)
Da will ich Ihnen mal Ihren eigenen Ausspruch entgegenhalten: „Man meint, man muss etwas Besonderes machen; nur, manchmal hilft es eben nichts.“
Und das trifft auch auf diesen Antrag der CDUFraktion zu. Denn ich will noch mal deutlich sagen,
Sie haben den Titel Ihres Antrags ja durchaus sehr
kritisch gewählt: „Digitalfunk im Bereich nicht poli-
2402
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Dittes)
zeilicher Gefahrenabwehr auf den Weg bringen“,
und Sie haben deutlich gemacht, das Motiv für diesen Antrag lag darin, dass Sie nicht zufrieden waren. Der Antrag stammt aus dem April 2015 und
das heißt de facto – und ich denke, das kann man
an dieser Stelle noch mal deutlich sagen –, Sie waren mit der Arbeit Ihrer Landesregierung, Ihres Innenministers absolut in diesem Punkt nicht zufrieden.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wir auch
nicht!)
Ich denke, es ist unstrittig, zumindest bei den vier
hier links sitzenden Fraktionen, dass bei der Einführung des Digitalfunks im nicht polizeilichen Gefahrenabwehrbereich für die Behörden Ordnung und
Sicherheit endlich auch etwas mehr Intensität und
Geschwindigkeit aufgenommen werden muss. Und
ich sage ganz deutlich: Mein Eindruck ist, dass in
Thüringen aus dem Bummelzug zumindest ein Interregio geworden ist, und wir müssen ihn jetzt bis
zum Anfang nächsten Jahres hin zur ICE-Tauglichkeit bringen, und das in diesem Punkt tatsächlich
im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich will aber auch noch mal deutlich auf Ihren Antrag eingehen, weil Sie sagen, es würde uns nicht
am Herzen liegen. Ihr Antrag bemüht sich in der
Sache selbst gar nicht um den Digitalfunk, sondern
der bemüht sich um das Verhältnis zwischen Landesregierung einerseits als verantwortliche Institution und Landtag auf der anderen Seite als Kontrollorgan der Landesregierung. Es geht also nur um
dieses Binnenverhältnis dieser zwei Organe: Legt
die Landesregierung zum Zeitpunkt X etwas dem
Landtag vor, was sie selbst in ihrem Verantwortungsbereich umsetzt oder umgesetzt hat? Da
muss ich sagen, da waren Sie, was die Zeitschienen anbetrifft, Herr Fiedler, durchaus noch im
Denken der alten Landesregierung verhaftet, denn
Sie haben der Landesregierung für diese Berichterstattung eine Zeit bis zum 31.12.2015 eingeräumt,
offensichtlich mit dem Motiv, um selbst mal zu
schauen, wie weit man innerhalb von zwölf Monaten bei der Einführung des Digitalfunks durchaus
gelangen kann. Und Sie haben eigentlich Anfang
September im Innenausschuss im Bericht des Innenministeriums zur Kenntnis nehmen müssen,
dass die Landesregierung in neun Monaten eigentlich schon sehr viel weiter ist, als Sie bis zum
31.12.2015 von vornherein unterstellen konnten
oder unterstellt haben. Ich will auch mal die konkreten Dinge benennen, die Sie angemahnt haben,
von denen Sie eigentlich Kenntnis haben müssten.
Und ich gehe davon aus oder bin mir eigentlich sicher, dass das Innenministerium in ähnlicher Form
noch mal detailliert auf diese Sachverhalte eingehen wird.
Erstens: Im Bereich der Tunnelfeuerwehren für den
bereits schon angesprochenen ICE wird die Ausrüstung mit Handfunkgeräten gewährleistet, und zwar
aus dem Landeskontingent. Die Ausschreibeverfahren laufen, sodass spätestens zur Aufnahme des
Probebetriebs der ICE-Strecke hier die Kommunikation gesichert ist. Die Betriebskosten sind bereits
in dem Ihnen vorliegenden Haushaltsentwurf für
das Jahr 2016/2017 etatisiert. Das Konzept Digitalfunk befindet sich gerade gegenwärtig in der Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden.
Es gibt eine Lenkungsgruppe, ich meine unter dem
Vorsitz des Staatssekretärs des Innenministeriums,
die auch derzeit arbeitet. Die Ausschreibung des
Rahmenvertrags zur Lieferung von Funktechnik für
die Einsatzstellen in Thüringen, für die Fahrzeuge
wird vorbereitet, sodass der Vertragsbeginn 2017,
I. Quartal, meine ich, gewährleistet ist. Es ist zugesichert, dass die notwendigen Kosten für einen gegebenenfalls anfallenden Netzausbau durch das
Land getragen werden. Insofern ist in der Tat eine
ganze Reihe geschehen und wir sollten, denke ich,
uns in der Sache hier auch weiter gegenüber der
Landesregierung als kritisch nachfragendes Parlament zeigen. Wir müssen aber nicht etwas abfordern, was die Landesregierung a) umgesetzt hat
und b) selbstredend auch im Innenausschuss zugesagt hat, permanent im Innenausschuss über den
Fortgang zu informieren. Deswegen sahen wir keine Notwendigkeit, einem Antrag hier unsere Zustimmung zu geben, der den Digitalfunk in der Sache selbst überhaupt nicht tangiert. Vielen Dank.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion der AfD hat sich Abgeordneter
Henke zu Wort gemeldet.
Abgeordneter Henke, AfD:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete,
werte Gäste, seit der ersten Beratung des vorliegenden Antrags hat sich einiges getan. Die Landesregierung hat in § 20 a des Thüringer Gesetzes zur
Novellierung des Kommunalen Finanzausgleichs
einen Sonderlastenausgleich für Betrieb und Einführung des Digitalfunks eingeführt. Hierbei sollen
sich die Thüringer Gemeinden und Landkreise ab
dem Jahr 2017 mit zunächst 40 Prozent an den Betriebskosten und mit 70 Prozent an der Beschaffung und dem Kfz-Einbau der Digitalfunkgeräte
selbst beteiligen. Die Landesregierung hat auch
ausgerechnet, was diese kommunale Beteiligung
kostet. Im Zeitraum 2017 bis 2021, wenn die Endstufe erreicht werden soll, 2,4 Millionen Euro für
den Betrieb und 7,5 Millionen Euro für die Beschaffung und den Einbau; insgesamt also fast 10 Millionen Euro.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2403
(Abg. Henke)
Die Notwendigkeit der Ausstattung der Rettungsdienste mit digitalfunkfähigen Endgeräten steht außer Frage. Umstritten ist die Kostenverteilung.
Wenn man diese Frage objektiv entscheiden will,
hilft ein Blick auf die Gesetzeslage. In § 2 Abs. 2
des Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetzes heißt es: „Die Gemeinden und Landkreise
erfüllen ihre Aufgaben des Brandschutzes und der
Allgemeinen Hilfe nach Absatz 1 Nr. 1 und 2 als
Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises. Die
Landkreise und kreisfreien Städte erfüllen die Aufgabe des Katastrophenschutzes nach Absatz 1
Nr. 4 als Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises.“ Es ist klar, dass die Digitalinfrastruktur und die
Digitalfunkgeräte im Fall einer Katastrophe eingesetzt werden, zum Beispiel um bei einer komplexen
Gefährdungslage gleichzeitig mit vielen verschiedenen Rettungsdiensten sowie mit der Polizei kommunizieren zu können. Das heißt aber, dass der
Betrieb des Digitalfunks und die Beschaffung von
Digitalfunkgeräten eine Erhöhung von Standards
bei einer übertragenen Aufgabe darstellen. Gemäß
§ 23 des bisherigen Thüringer Gesetzes zum Kommunalen Finanzausgleich und dem vorliegenden
Gesetzentwurf sind bei Standarderhöhungen im
übertragenen Wirkungskreis die Kosten vom Land
zu tragen. Ebenso eindeutig wird das in der Verfassung des Freistaats Thüringen geregelt, Artikel 91
Abs. 3 sowie Artikel 93 Abs. 1 Satz 2. Das Thüringer Verfassungsgericht schreibt in Urteilen aus den
Jahren 2011 sowie 2005 darüber hinaus die strikte
Konnexität vor, das heißt bildlich gesprochen, dass
jeder durch Aufgabenübertragung oder Standarderhöhung im übertragenen Wirkungskreis durch das
Land verursachte Cent an Mehrkosten für die kommunalen Gebietskörperschaften vom Land getragen werden muss. Folglich ist unsere Position
ebenso eindeutig wie gesetzlich reglementiert. Das
Land muss 100 Prozent der Kosten für den Betrieb
des Digitalfunks sowie die Beschaffung und den
Einbau der Digitalfunkgeräte bei den nicht polizeilichen Sicherheitsbehörden tragen, weil es das
Recht gebietet und weil es die Sicherheit unserer
Bürger wert ist. Vielen Dank.
(Beifall AfD)
ge zu tun, die längst im Gange sind. Ein Kostenverteilungsmodell für die Investitionskosten zur Ausstattung der nicht polizeilichen Funktechnik wird mit
dem Haushaltsentwurf in der übernächsten Plenarsitzung auf den Weg gebracht. Die Finanzierung
der Einbaukosten für die Funkgeräte erfolgt zu
70 Prozent aus dem Titel für Zuwendungen an
Kommunen für Brandschutzinvestitionen und zu
30 Prozent aus den Mitteln des Kommunalen Finanzausgleichs im Vorwegabzug. Damit sind die
Mittel bereitgestellt. Ebenso ist ein Kostenverteilungsmodell zur anteiligen Finanzierung der Betriebskosten auf den Weg gebracht und die Netzinfrastruktur kann damit in jedem Fall betrieben werden. Der Antrag ist also überflüssig. Deshalb werden wir ihn ablehnen.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordneter
Höhn zu Wort gemeldet.
Abgeordneter Höhn, SPD:
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Abgeordneter Fiedler, eigentlich hatte
ich mich schon von der Redeliste streichen lassen.
Das hatte auch seinen ganz bestimmten Grund gehabt. Nachdem wir nun zur Kenntnis genommen
haben, dass das Thema des Digitalfunks bei den
nicht polizeilichen Institutionen in der letzten Legislatur wirklich sträflich vernachlässigt worden ist
– das haben wir hier an dieser Stelle schon mal erörtert –, zeigt das aktuelle Handeln der Landesregierung in diesem Haushalt und mit Blick auf die
Ansätze des Haushalts 2016/17 auch Ihnen, jedenfalls normalerweise auch Ihnen, dass Ihrem Anliegen mit dem Regierungshandeln vollinhaltlich entsprochen worden ist. Deswegen erübrigt sich hier
von dieser Stelle aus jegliche Debatte und deswegen höre ich jetzt auch auf. Danke schön.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich
Abgeordneter Adams zu Wort gemeldet.
Für die Landesregierung hat sich Staatssekretär
Götze zu Wort gemeldet.
Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Götze, Staatssekretär:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Zuschauer, wir werden den Antrag ablehnen. Das hat Herr
Fiedler richtig prognostiziert. Die Begründung hat
mein Kollege Steffen Dittes schon gesagt: Weil wir
die Landesregierung nicht auffordern müssen, Din-
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, bereits im April dieses Jahres hat Herr Minister Dr. Poppenhäger auf
den Antrag der CDU-Fraktion zum Sachstand bei
der Einführung des Digitalfunks im Bereich der
nicht polizeilichen Gefahrenabwehr berichtet. Im
Weiteren – und das wurde hier bereits ausgeführt –
2404
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Staatssekretär Götze)
wurde der Antrag durch Beschluss des Parlaments
an den Innen- und Kommunalausschuss überwiesen und wurde in den Sitzungen am 11.06. und
03.09. ausführlich thematisiert. Nunmehr wurde die
Thematik „Einführung des BOS-Digitalfunks“ in den
Kommunen erneut auf die Tagesordnung gebracht.
Ich möchte heute über den aktuellen Sachstand informieren und Ihnen aufzeigen, welche Schritte die
Landesregierung bereits auf den Weg gebracht hat.
Aber zunächst zu Ihren Ausführungen, Herr Henke.
Sie liegen nicht ganz richtig, wenn Sie der Meinung
sind, dass das Land aufgrund verursachter höherer
Standards hier in der Pflicht wäre, die Kosten für
die Einführung des Digitalfunks komplett zu tragen.
Das digitale Zeitalter, das ist etwas eher angebrochen. Hier handelt es sich um eine Anpassung an
aktuelle technische Standards. Ich darf an die Einführung des Gleichwellennetzes in Thüringen erinnern. Es liegt einige Tage zurück, aber auch dort
sind selbstverständlich die Kommunen – Sie hatten
richtig ausgeführt, dass der Brandschutz eine kommunale Aufgabe des eigenen Wirkungskreises ist –
an den Einführungskosten beteiligt gewesen und
das ist auch richtig so. Ich denke, das Finanzierungskonzept, das wir jetzt auf den Tisch gelegt haben, das kann sich durchaus sehen lassen.
Zunächst noch einmal zur ICE-Neubaustrecke: Dort
haben wir in der Tat einen enormen Handlungsdruck. Dort werden die Tunnelbasiseinheiten befristet und kostenfrei mit Handsprechfunkgeräten aus
Beständen des Landes ausgerüstet, darauf hatte
Herr Abgeordneter Dittes bereits hingewiesen. Das
zur Beschaffung der Technik notwendige Vergabeverfahren wurde am 16.09.2015 initiiert und die
Funkgeräte werden spätestens im Frühjahr 2016
und somit rechtzeitig vor Beginn des Probebetriebs
auf der ICE-Neubaustrecke zur Verfügung stehen.
Ein Kostenverteilmodell für die Investitionskosten
zur Ausstattung der nicht polizeilichen BOS mit
Funktechnik ist weitgehend abgestimmt. Auch das
wurde bereits dargelegt und im Haushaltsentwurf
2016/2017 eingebracht.
Die Finanzierung der Funkgeräte und der Kfz-Migrationsleistungen erfolgt zu 70 Prozent aus dem
Titel für Zuwendungen an Kommunen für Brandschutzinvestitionen und zu 30 Prozent aus Mitteln
des Kommunalen Finanzausgleichs im Vorwegabzug. Da sind wir genau bei dem notwendigen kommunalen Anteil, der hier zu erbringen ist.
Ein Kostenverteilmodell zur anteiligen Finanzierung
der Betriebskosten für die gemeinsam zu nutzende
Netzinfrastruktur ist ebenfalls entwickelt und in den
Haushaltsentwurf eingebracht. Es ist vorgesehen,
dass sich die nicht polizeilichen BOS in Abhängigkeit davon, wie weit die Umstellung auf Digitalfunk
fortgeschritten ist, pauschal mit bis zu 70 Prozent
an den Betriebskosten beteiligen. Dieser Anteil wird
über die Jahre peu à peu aufwachsen. Der Anteil
der Kommunen an den Betriebskosten wird dem
KFA entnommen. Für die im Vorwegabzug aus
dem KFA zu entnehmenden Finanzierungsanteile
ist die Novellierung des ThürFAG notwendig. Ein
entsprechender Gesetzentwurf ist auf den Weg gebracht und wurde durch das Kabinett bereits bestätigt. Er liegt nun dem Landtag vor und wird im HuFA
diskutiert.
Im konzeptionellen Bereich wurden durch das TMIK
sechs Grundsatz- und Strategiepapiere erarbeitet,
auf deren Basis …
Vizepräsidentin Jung:
Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Unterbrechung. Ich bitte vor allem in den Reihen der CDU
die Gespräche nach draußen zu verlagern. Es ist
echt störend. Bitte, setzen Sie fort!
Götze, Staatssekretär:
Im konzeptionellen Bereichen wurden durch das
TMIK sechs Grundsatz- und Strategiepapiere erarbeitet, auf deren Basis eine effiziente Digitalfunkkommunikation zwischen den örtlichen und überörtlichen BOS entwickelt werden kann. Die Dokumente wurden den kommunalen Spitzenverbänden sowie den Landkreisen und kreisfreien Städten zur
Stellungnahme zugeleitet. Derzeit findet die Auswertung der Rückmeldungen statt.
Darüber hinaus wird die erste Sitzung des Lenkungskreises – Herr Dittes hatte das bereits erwähnt – zur Einführung des Digitalfunks in den
Kommunen voraussichtlich in diesem Monat stattfinden. Geplant war ursprünglich eine Sitzung bereits im Oktober, wir haben die auf Bitte der kommunalen Spitzenverbände in diesen Monat verschoben. Sie sehen, auch in diesem Bereich bewegt sich etwas. Gemeinsam mit den Vertretern
aus verschiedenen Behörden, Verbänden und Institutionen soll unter meinem Vorsitz in diesem Gremium die Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen bei der Einführung des Digitalfunks weiter
abgestimmt werden.
Im Landesverwaltungsamt wurde zudem eine Projektorganisation etabliert. Dort werden insbesondere Öffentlichkeitsarbeit betrieben, ein landesweiter
Plan zur Umrüstung der Einsatzfahrzeuge erarbeitet und regelmäßig fortgeschrieben, die Kfz-Migration fachlich unterstützt sowie Förderanträge bearbeitet. Das Projekt wird Mitte 2016 seine Arbeit aufnehmen.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die
Technik zur Umstellung der Feuerwehreinsatzzentralen auf Digitalfunk wird bei der Ausschreibung eines Rahmenvertrags zur Lieferung von Funktechnik
und Kfz-Migrationsleistungen berücksichtigt. Sobald
der kommende Doppelhaushalt durch Sie, werte
Damen und Herren Abgeordnete, verabschiedet ist,
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2405
(Staatssekretär Götze)
wird mit dem EU-weiten Ausschreibungsverfahren
begonnen. Der Rahmenvertrag soll im ersten Quartal 2017 mit einer vierjährigen Laufzeit abgeschlossen werden. Daraus ist das Projektende für die landesweite Digitalfunkmigration in den Kommunen
zum Jahr 2021 abzuleiten. Die Umrüstung der zentralen Leitstellen obliegt den jeweiligen Aufgabenträgern, also den Kreisen und kreisfreien Städten.
Eine Konsolidierung der Anzahl der Leitstellen in
Thüringen erscheint im Benchmarking zu anderen
Bundesländern dringend geboten. Das Land wird
die Kommunen bei der Errichtung effizienter Leitstellen unterstützen.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, entsprechend der Beschlussfassung des Innen- und
Kommunalausschusses vom 03.09.2015 empfehle
ich, den Antrag der CDU-Fraktion abzulehnen, weil
die in Drucksache 6/507 geforderten Aufgaben bereits weitgehend erledigt oder auf den Weg gebracht sind. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion der CDU hat sich Abgeordneter
Fiedler zu Wort gemeldet.
Abgeordneter Fiedler, CDU:
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ich sehe auf den Rängen gerade noch
einen, irgendjemand hat vorhin die vollen Ränge
gegrüßt. Ich will noch mal zu einigen Dingen Stellung nehmen, weil das hier so hingestellt wird unter
dem Motto, es wäre doch alles überflüssig, das
braucht man alles nicht und darüber braucht man
nicht zu reden. Das ist zu einfach. Wenn Herr Dittes
noch meint, das geht sinngemäß das Parlament gar
nichts an – also wo sind wir denn hier eigentlich!
Das Parlament ist dazu da und insbesondere die
Opposition, dass sie auch verfolgt und aufpasst,
was die Landesregierung tut. Dafür sind wir da und
dafür kriegen sogar ein bisschen mehr als die Regierenden. Deswegen, denke ich, ist es schon notwendig, dass wir der Stachel im Fleisch bleiben und
immer wieder darauf hinweisen. Und es ist zu einfach, Herr Dittes, zu sagen – ich habe es in der ersten Rede schon gesagt –, unser Minister, also
sprich Geibert, hätte damals nichts gemacht. Das
ist nicht so! Es ist vorbereitet worden, ich habe es
vorhin schon genannt, bis 2012 für die Polizei und
– ich will es noch mal wiederholen – insbesondere
auch die Feuerwehr hat zur damaligen Zeit gesagt:
Wir können kurztreten, langsam machen, wir haben
einen guten Analogfunk und wir brauchen das
nicht. Erst vor eineinhalb Jahren in etwa haben sie
ihre Meinung gedreht, weil sie natürlich gemerkt haben, dass es durch ICE-Tunnel und Ähnliches dort
zu Problemen kommt. Es sich so einfach zu ma-
chen, unter dem Motto, die Vorgängerregierung hat
nichts gemacht, Herr Kollege Höhn – Ihr habt mitregiert, darauf will ich noch mal hinweisen. Das
stimmt einfach nicht.
Ich will noch ausführen, weil der Herr Dittes ja
meint, hier in Thüringen gebe es keine Katastrophen oder Vorkommnisse: Ich erinnere nur an das
Busunglück, was leider vor Kurzem hier in der Nähe von Erfurt war, wo ein Kind zu Tode gekommen
ist. Das zählt für Sie wahrscheinlich alles nicht. Ich
könnte noch viele andere Dinge aufzählen. Aber so
einfach kann man es sich nicht machen. Und in Eßleben ging es auch besonders um den Funk, der
dort nicht funktioniert hat. Ich sage noch mal: Übungen sind dazu da, dass man daraus Erfahrungen
gewinnt und dann die Dinge abstellt. Nicht dass der
Eindruck entsteht, wir würden die Kräfte, die dort im
Einsatz waren, in irgendeiner Form kritisieren, aber
die benötigen einen entsprechenden Funk, damit
sie dort arbeiten können. Natürlich haben wir gehört, Herr Staatssekretär, was jetzt dort passieren
soll, aber das reicht uns noch nicht. Wir sind der
Meinung, es muss forciert werden. Und so einfach
zu sagen, ja, jetzt ist der Haushaltsgesetzgeber
dran – Herr Staatssekretär Götze, ich erinnere Sie
dran, wir hatten schon mal das Thema, da ging es
um kommunale Finanzen, da hatten sich eine Finanzministerin oder das Finanzministerium und das
Kommunalministerium geeinigt, dass die Kommunen entsprechend mehr Geld kriegen. Und was
passierte? Auf einmal hat man das weggeschoben
und auf einmal war es meine Fraktion und auf einmal haben die Fraktionen gestrichen. Wir wollen also schon in Vorbereitung des Haushalts darauf hinweisen, dass hier dringender Handlungsbedarf ist,
dass das entsprechend auch gemacht werden kann
und soll. Vor allen Dingen will ich da schon vorsorglich auf den Doppelhaushalt hinweisen, dass man
vor allem eins nicht macht – deswegen haben wir
das auch noch mal insbesondere auf die Tagesordnung genommen –, weil die kommunalen Spitzenverbände eindeutig gesagt haben, auch zur Anhörung zum KFA, dass da keine vertretbare Lösung
vorgelegt worden ist. Ich weiß, dass das durchaus
viele Facetten hat, deswegen habe ich auch vorhin
der AfD in einem Punkt widersprochen, dass man
sich das genau anschauen muss, wie sind die Anschaffungskosten, wie sind die Folgekosten. Aber
es sich so einfach zu machen „linke Tasche, rechte
Tasche“ und ich nehme 30 Prozent aus dem Kommunalen Finanzausgleich vorneweg weg und nehme das zur Finanzierung, so einfach geht die Welt
auch nicht. Deswegen muss man darauf schon immer wieder hinweisen. Und die Laufzeit 2017
– wenn ich es richtig verstanden habe, wie das
läuft –, wir haben 2015. Was machen wir denn,
wenn weitere Dinge passieren? Da sagen wir, wir
sind noch nicht so weit, wir müssen mal abwarten.
So einfach geht es nicht. Hier geht es auch um innere Sicherheit und ähnliche Dinge.
2406
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Fiedler)
Ich habe am Schluss Ihrer Ausführungen, denke
ich, vernommen, Herr Staatssekretär, Sie wollen
daran arbeiten, die Leitstellen zu verringern. Vielleicht wollen Sie es gleich mit der Gebietsreform
machen, da machen wir eben – was weiß ich – fünf
Kreise und da machen wir gleich mal fünf Leitstellen. Auch das geht nicht so einfach.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Eine
gute Idee, Herr Fiedler!)
Auch das geht nicht so einfach, sich einfach hinzustellen, das machen wir jetzt einfach. Das ist ein
Grund, wo natürlich die Kassen schon lange darauf
drängen, schon viele Jahre darauf drängen, aber
sich so mal heimlich still und leise, ja, da gehen wir
jetzt ran und das werden wir mal wegkassieren, so
einfach geht die Welt nicht. Deswegen mahnen wir
weiterhin an, dass man – und nicht, dass das überflüssig ist –, dass man hier insbesondere mit den
Kommunen das abspricht und dass man Lösungen
findet und die auch wirklich mit den Kommunen abgestimmt auf den Tisch legt. Da bleiben wir dran
und sagen, das ist noch nicht erledigt. Wir möchten,
dass unserem Antrag zugestimmt wird.
(Beifall CDU)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter
Dittes zu Wort gemeldet.
Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:
Wer hätte gedacht, dass das Thema „Digitalfunk“
hier noch mal Grundlage für eine harte politische
Auseinandersetzung im Landtag wird. Aber das
zeigt möglicherweise die Bedeutung. Aber, Herr
Fiedler, ich muss es Ihnen noch mal zurückgeben:
Sie sollten aufhören, von derartigen Tragödien zu
sprechen und diese für Ihre politische Argumentation zu benutzen. Das Unglück, was in der letzten
Woche auf der Autobahn passiert ist, taugt nicht zur
Untersetzung Ihrer politischen Zielstellung und
auch nicht zur Instrumentalisierung von Vorwürfen
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
oder zu Vorwürfen gegenüber der Landesregierung. Sie haben gesagt, Sie möchten ein Stachel
im Fleisch sein und ich sage Ihnen, Sie sollten sich
vielleicht nicht allzu weit hinein begeben, sondern
Sie sollten die Ohren frei halten. Wenn Sie hier einfordern, dass die Kommunikation mit den Kommunen geführt werden muss, dann glaube ich, dass
Sie am 03.09. im Innenausschuss tatsächlich nicht
zugehört haben, weil das doch einer der wesentlichen Bestandteile der Debatte im Innenausschuss
war, wie die Beteiligung der Kommunen sichergestellt wird. Dazu hat die Landesregierung ausführlich Stellung genommen. Wir werden natürlich
darüber auch zu debattieren haben, wenn am
22. November das Parlament die Anhörung zum
Kommunalen Finanzausgleich tatsächlich durchführt. Ich will auch eine Sache noch einmal deutlich
sagen, weil Sie das immer argumentativ hineinbringen, dass die Kommunen hier ihren Eigenanteil
selbst aus dem Kommunalen Finanzausgleich finanzieren. Natürlich finanzieren die Kommunen
systematisch etwas aus dem Kommunalen Finanzausgleich selbst, was diesem entnommen wird,
aber ich will dennoch deutlich sagen: Sie selbst
kennen doch die Bedarfsberechnung des Innenministeriums auf der Grundlage der Zahlen von Herrn
Voß, der sagte, der ungedeckte Finanzbedarf bei
den Kommunen beträgt in Thüringen 1,6 Milliarden Euro. Diese Landesregierung stellt im Kommunalen Finanzausgleich im nächsten Jahr den Kommunen 1,901 Milliarden Euro zur Verfügung und
auch deshalb in dieser Höhe, weil darin ein Vorwegabzug für die Kommunen für die Aufwendungen, die sie im Bereich des Digitalfunks haben, integriert ist, weil erkannt wird, dass die Kommunen
tatsächlich sehr unterschiedlich leistungsfähig sind,
aber dieses Land ein Interesse daran haben muss,
dass der Digitalfunk flächendeckend funktioniert
und eingeführt wird. Das wird mit dem Kommunalen
Finanzausgleich sichergestellt und das heißt nicht,
dass den Kommunen hier Geld entzogen wird. Es
wird den Kommunen tatsächlich im Kommunalen
Finanzausgleich zusätzlich zur Verfügung gestellt
werden.
(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Das stimmt
doch gar nicht! Nicht zusätzlich! Das ist absurd!)
Herr Geibert, Sie haben diese Diskussion auch
schon im Haushalts- und Finanzausschuss geführt.
Sie können natürlich auch sagen, diese 1,901 Milliarden Euro, das ist das, was zwangsläufig den
Kommunen zusteht und wenn man daraus etwas finanziert, was die Leistungsfähigkeit der Kommunen
nicht widerspiegelt, um es Ihnen letztendlich auch
zu ermöglichen, denn wenn wir als Land daran ein
Interesse haben, dann würden wir den Kommunen
das Geld wegnehmen. Das ist doch nun eine wirklich blödsinnige Argumentation, die Sie führen.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nein, die Gesamthöhe des Kommunalen Finanzausgleichs kommt doch gerade deswegen zustande, weil eben auch solche besonderen Leistungen
wie die Mitfinanzierung des Digitalfunks in dieser
Zahl mit integriert ist und das ist doch eine andere
Sichtweise,
(Unruhe CDU)
die Sie letztendlich annehmen müssen. Aber da Sie
sich eben schon zu Wort gemeldet haben, will ich
zumindest auch eine sehr abenteuerliche Argumentation von Herrn Fiedler noch einmal zurückweisen,
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2407
(Abg. Dittes)
wenn er sich jetzt hier vorne hinstellt und de facto
mit dem Finger auf den Thüringer Feuerwehrverband zeigt.
Herr Fiedler, im Frühjahr des Jahres 2010 hat die
damalige Thüringer Landesregierung den Innenminister aufgefordert, Herr Geibert wird das gleich bestätigen können, ein Konzept zur Einführung des
Digitalfunks bei der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr der Landesregierung vorzulegen. Bis zum Ende Ihrer Verantwortung in der Regierungstätigkeit
ist dieses Konzept durch das Innenministerium
nicht erarbeitet bzw. auch nirgendwo vorgelegt worden, sodass es heute etwa vorrätig wäre. Dies nun
jetzt darauf zu schieben, dass der Feuerwehrverband gesagt hat, man könne das auch alles langsam machen, ist doch wirklich ein Davonstehlen
aus der eigenen Verantwortung, Herr Fiedler.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Das sollten Sie hier an dieser Stelle nicht tun und
diese Verantwortung permanent auf andere abwälzen. Wir haben als Parlament eine Verantwortung,
nämlich das tatsächlich zu kontrollieren, und nichts
anderes habe ich gesagt, als dass eingehalten
wird, was die Landesregierung dem Innenausschuss zugesagt hat und zwar in Umsetzung vieler
inhaltlich angesprochener Themen in Ihrem Antrag,
aber auch in puncto der Information des Innenausschusses über die permanenten oder verstetigten
Prozesse der Einführung des Digitalfunks. Da werden wir auch die Landesregierung nicht aus der
Verantwortung entlassen, aber was Sie hier betreiben, mit Fingern auf andere zeigen, sich der Verantwortung entledigen und versuchen, hier ein politisches Feuerwerk abzubrennen – das funktioniert
nicht. Das wollte ich Ihnen noch einmal deutlich auf
den Weg mitgeben für die weitere Debatte. Herzlichen Dank!
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Es gibt eine weitere Wortmeldung des Abgeordneten Fiedler.
Abgeordneter Fiedler, CDU:
Meine Damen und Herren! Herr Dittes, Sie machen
es sich zu einfach. Alles Schönreden hilft nichts
und in dem Zusammenhang von politischem Feuerwerk zu sprechen, passt überhaupt nicht. Ich will
nur eines sagen, weil Sie gesagt haben, das Busunglück wäre ein falsches Beispiel, ich finde schon,
dass man noch weitere Beispiele finden kann, wo
es darum geht. Oder andersrum: Morgen oder
übermorgen kann es sein, dass woanders was passiert, weil wir einfach sagen, weil nichts passiert,
machen wir nichts. Wo sind wir denn eigentlich?
(Beifall CDU)
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Wir machen etwas! Im Gegensatz
zu Ihnen machen wir etwas!)
Wir haben dafür zu sorgen, dass die innere Sicherheit – und dazu gehört das auch mit – auch im Lande garantiert wird und dass die Dinge auf den Weg
gebracht werden. Immer wieder zu sagen: Der Geibert war es. Sie können das hinstellen, wie Sie wollen, ich kann Ihnen nur sagen und ich war und bin
in ständigen Gesprächen mit dem Feuerwehrverband, ich kann Ihnen nur sagen,
Vizepräsidentin Jung:
Herr Abgeordneter Fiedler, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Dittes?
Abgeordneter Fiedler, CDU:
– am Schluss –, dass der Thüringer Feuerwehrverband das immer wieder gesagt hat. Warum hat er
das gesagt? Weil natürlich auch die Feuerwehren
wissen, und bis dato war es auch so und das ist
auch teilweise heute noch so, der Analogfunk ist ja
nicht schlecht, es gibt auch noch Probleme beim
Digitalfunk gegebenenfalls in Garagen, Tiefgaragen
oder Ähnlichem, es sind ja einige Dinge noch gar
nicht ausgemacht. Aber Fakt ist eins: Das ist kein
Vorschieben vor die Lücke, sondern weil die Feuerwehren gesagt haben, also das ist alles nicht so
einfach, wollen wir doch erst einmal andere Dinge
machen, wichtigere Dinge machen – aus ihrer
Sicht. Und das ist nicht, die vor die Lücke zu schieben, das ist überhaupt nicht so. Es geht ja nicht nur
um die Feuerwehren, Rettungsdienste etc. pp. Am
Ende muss man auch wissen, wer denn die Hauptanteile bezahlt. Das sind natürlich die Kommunen.
Die wissen wohl, was in den Kommunen los ist. Ich
erinnere Sie daran, auch zu unserer Zeit – damit
Sie nicht gleich wieder einen Grund haben, das zu
sagen – ist im Haushalt eingespart worden. Aber
Sie wollen ja alles besser machen. Ich kann Ihnen
nur sagen, das Bessermachen hat sich gezeigt,
weil Sie sich so hinstellen, ist doch alles paletti,
läuft doch alles. Sie haben den Kommunen in dem
15er-Haushalt 100 Millionen Euro weniger geben
und jetzt in dem Doppelhaushalt wollen sie ihnen
wieder etwa 100 Millionen Euro weniger gegeben.
Das bringt die Kommunen mit dem Rücken an die
Wand, dass die also selbst dort hingucken müssen.
Wir haben das Geld nicht. Das ist das Hauptproblem.
(Beifall CDU, AfD)
Deswegen muss man wohl hierüber reden, denn
die Kommunen stehen hier wirklich mit dem
Rücken an der Wand und wenn Sie ein bisschen
Verbundenheit haben …
2408
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Fiedler)
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Sie
haben bei der Regionalkonferenz gesagt, es
ist alles in Ordnung! Sie haben gesagt, die
Gemeinden sind leistungsfähig!)
Das ist unsere Aufgabe und wir werden dranbleiben.
(Beifall CDU, AfD)
Ach, Herr Kuschel.
Vizepräsidentin Jung:
Vizepräsidentin Jung:
Sie haben eine Nachfrage des Abgeordneten Dittes
zugelassen, Herr Abgeordneter Fiedler.
Herr Abgeordneter Kuschel, Sie können sich gern
zu Wort melden. Herr Fiedler hat das Wort.
Abgeordneter Fiedler, CDU:
Herr Kuschel, ich habe überhaupt nichts gesagt,
sondern ich habe darauf hingewiesen, dass es Probleme in der Finanzierung der Kommunen gibt. Tun
Sie doch nicht so dämlich und unterstellen mir hier
solches Zeug. Das ist ja wohl die Höhe! Wo sind wir
denn hier eigentlich?
(Unruhe DIE LINKE)
Wenn Sie was wollen, gehen Sie hier vor!
(Beifall CDU, AfD)
(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Ihr
sagt die Wahrheit?)
Also, was bei Ihnen Wahrheit ist, da würde ich aber
mal ein dickes Fragezeichen dranmachen, aber
was soll‘s. Man kann nicht die Gebietsreform hier
vermischen mit diesen Dingen.
(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Können Sie ja im Rahmen der Gebietsreform.)
Ach, ja, Sie wollen große Einheiten und denken
dann, dadurch wird es billiger oder weniger. Das ist
überhaupt nicht so. Wenn Sie drei Arme zusammentun, werden es auch keine Reichen.
(Unruhe DIE LINKE)
(Beifall CDU)
Und deswegen werden wir das im Blick behalten,
dass die Landesregierung das alles umsetzt und
das auch wirklich macht. Denn ich denke, die Landesregierung weiß wohl, dass das eine wichtige
Geschichte ist. Ich könnte Ihnen ein Beispiel nennen, da hüpfen Sie aus sofort aus dem Sessel
hoch.
(Heiterkeit SPD)
(Unruhe DIE LINKE)
Ja, das wollen Sie alles nicht registrieren. Ich will
Ihnen nur sagen, erinnern Sie sich daran, was in
Suhl passiert ist, wo es diese Randale gab. Was
dort passiert ist, wie die Feuerwehr auch dort in die
Bredouille geraten ist und so weiter und so fort. Es
ist nicht so einfach alles wegzuschieben, sondern
wir haben noch Voraussetzungen zu schaffen, dass
auch die Feuerwehren hier ordentlich mit den anderen Kräften entsprechend kommunizieren können.
Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:
Möglicherweise werden Sie sich gleich ärgern, Herr
Fiedler. Aber jetzt haben Sie das zweite Mal versucht, wiederzugeben, was ich gesagt hätte. Sind
Sie eigentlich nicht in der Lage, zu verstehen, was
ich sage?
(Unruhe CDU)
Abgeordneter Fiedler, CDU:
Ach, Herr Dittes, wissen Sie, wer im Glashaus sitzt,
sollte nicht mit Steinen werfen.
(Beifall CDU)
Sie sind und bleiben ein alter Steinewerfer!
Vizepräsidentin Jung:
Herr Abgeordneter Fiedler, ich bitte Sie, wirklich.
(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Er hat angefangen!)
(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Jetzt lassen
Sie doch mal meine Präsidentin in Ruhe!)
(Heiterkeit CDU)
Ich kann jetzt keine Wortmeldung mehr erkennen.
Doch, Entschuldigung. Herr Abgeordneter Henke
hat das Wort.
Abgeordneter Henke, AfD:
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Zur Beruhigung,
Herr Staatssekretär Götze, ich muss darauf zurückkommen: Dass das Land 100 Prozent der Kosten
übernimmt, das ist keine Forderung von uns, sondern es ist eine Forderung des Thüringer Landkreistags gewesen. Darüber sollte man doch noch
mal nachdenken. Vielen Dank.
(Beifall AfD)
Vizepräsidentin Jung:
Gibt es weitere Wortmeldungen? Das kann ich jetzt
nicht erkennen und deswegen kommen wir direkt
zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der
CDU in der Drucksache 6/507. Wer dem Antrag die
Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen.
(Heiterkeit DIE LINKE)
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2409
(Vizepräsidentin Jung)
Das sind die Stimmen der Fraktion der CDU, des
fraktionslosen Abgeordneten Gentele und von Teilen der AfD. Gegenstimmen?
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: 1 Stimme in
der SPD!)
Stimmenthaltungen? Bei einer Mehrheit von Gegenstimmen ist der Antrag damit abgelehnt. Damit
kommen wir …
Abgeordneter Brandner, AfD:
Wir beantragen namentliche Abstimmung zu unserem Alternativantrag.
Vizepräsidentin Jung:
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktion der AfD. Es ist namentliche
Abstimmung beantragt und ich bitte die Schriftführer. Ich eröffne die namentliche Abstimmung.
Hatten alle Abgeordneten Gelegenheit, ihre Stimme
abzugeben? Dann bitte ich um Auszählung.
Ich darf Ihnen das Ergebnis bekannt geben: Es sind
89 Abgeordnete anwesend, abgegeben wurden 85
Stimmen. Mit Ja stimmten 6, mit Nein 79 (namentliche Abstimmung siehe Anlage). Damit ist der
Alternativantrag abgelehnt.
Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf
den Tagesordnungspunkt 8
Radverkehr in Thüringen planvoll und zielstrebig verbessern
Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 6/616 dazu: Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Infrastruktur, Landwirtschaft
und Forsten
- Drucksache 6/1120 Das Wort hat Herr Abgeordneter Kobelt aus dem
Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und
Forsten zur Berichterstattung.
Abgeordneter Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte
Frau Präsidentin, „Radverkehr in Thüringen planvoll
und zielstrebig verbessern“ ist die Drucksache 6/
616. Am 28. Mai dieses Jahres wurde dieser Antrag
in den Landtag eingebracht und federführend im
Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und
Forsten am 11.06., am 02.07. und am 03.09. beraten, zwischenzeitlich überwiesen an den Ausschuss
für Wirtschaft und Wissenschaft und dort am 24.09.
beraten.
Die Fraktionen der Koalition von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Linken und die Fraktion der CDU konnten sich dort auf einen veränderten Text einigen, der die wesentlichen Anliegen der
Koalition weiter deutlich benennt. So liegen dieser
vor allem die Weiterentwicklung des Radverkehrskonzepts und die Erhöhung der Mittel für den Radverkehr auf 10 Prozent der Straßenbaumittel am
Herzen.
Die Fraktion der CDU brachte ihrerseits einige
Punkte in den Änderungsbeschluss ein, so etwa eine verbesserte Verkehrsschulung insbesondere für
Kinder und Jugendliche.
Mit dem vorliegenden Antrag erreichen wir, dass
dem Radverkehr eine wesentlich größere Aufmerksamkeit gegeben wird als in der Vergangenheit, in
der vor allem der Alltagsradverkehr oft das fünfte
Rad am Wagen war. Die zahlreichen Änderungen,
die aber auch oft redaktionellen Charakter und nur
geringe inhaltliche Bedeutung haben, liegen Ihnen
vollständig vor. Ich verzichte an dieser Stelle darauf, alle vorzulesen. Der Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten und der Ausschuss
für Wirtschaft und Wissenschaft empfehlen mit diesen Änderungen einstimmig die Annahme des Antrags. Ich freue mich auf eine Debatte dazu. Vielen
Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Abgeordneter Malsch, CDU-Fraktion.
Abgeordneter Malsch, CDU:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen
und Kollegen Abgeordnete, dass der Radverkehr in
Thüringen uns als CDU-Fraktion wichtig ist, habe
ich von dieser Stelle aus bereits bekundet. Beispiele hierfür sind die in den letzten Jahren erreichten,
teils überregionalen Radwege, wie zum Beispiel der
Werratal-Radweg, Saale-Radweg, SchwarzatalRadweg, Rennsteig-Rad- und Mountainbike-Radweg, der Ilmtal-Radweg und die Städtekette.
Die derzeitige Einweihung von Radverkehrsprojekten, wie zum Beispiel in Mihla und in Treffurt, welche von der Vorgängerregierung auf den Weg gebracht worden sind, sind ein weiteres Beispiel. Daher haben wir in einer intensiven Ausschussdiskussion und in der Abwägung über sinnvolle und eher
ideologisch geprägte Inhalte beraten. Uns war es
wichtig, praktische Bestandteile und erreichbare
Ziele zu diskutieren, so zum Beispiel die Sensibilisierung im Radverkehr von Kindern und Jugendli-
2410
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Malsch)
chen hinsichtlich der Gefahren im täglichen Verkehr, der Sicherheit und der Aufklärung mittels entsprechender Unterrichtsangebote.
Die Berücksichtigung des Radtourismus war ebenso bei der Fortschreibung der Landestourismuskonzeption vor allem im Bereich des E-Bike-Tourismus
und der Verknüpfung mit anderen touristischen Aktivitäten wichtig. Wir haben im Ausschuss sehr konstruktiv darüber beraten, was machbar ist und was
nicht, worauf wir verzichten können und was zusätzlich aufgenommen werden soll.
Empirische Untersuchungen, Aufklärungskampagnen, ja gar Konferenzen sind ebenso nicht mehr
im Antrag wie die Forderung nach der Aufstellung
von Schlauchautomaten und der Errichtung von
Fahrradwaschanlagen. Das Ergebnis ist eine Beschlussempfehlung, mit der wir das gemeinsame
Ziel, den Radverkehr voranzubringen, gut zum Ausdruck bringen können. Was jetzt natürlich noch
kommen muss, ist die Umsetzung durch das Infrastrukturministerium. Die Aufstockung der Mittel für
den Radwegebau ist da ein erster wichtiger Schritt.
Wir werden Frau Keller genau auf die Finger schauen, wie sie die gemeinsamen Forderungen umsetzt.
Daher werden wir diesem geänderten Antrag jetzt
auch zustimmen. Vielen Dank.
(Beifall CDU)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion Die Linke hat sich die Abgeordnete
Dr. Lukin zu Wort gemeldet.
Abgeordnete Dr. Lukin, DIE LINKE:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, das Thema „Radverkehr in Thüringen“ ist ein heiß debattiertes gewesen, aber es
war in der Diskussion sehr konstruktiv. Ich wollte eigentlich nur zur Beruhigung nach der hitzigen Debatte beim vorigen Tagesordnungspunkt vorwegstellen, dass bereits Adam Opel, seines Zeichens
Automobilbauer, äußerte: „Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden wie beim Fahrrad.“ Das heißt, wir
haben hier mit diesem „Fahrrad“-Antrag eigentlich
eins geschafft, dass wir uns auf ein gemeinsames
Thema hinbewegt haben und dass wir konstruktiv
einige Vorschläge von allen aufgenommen und zusammengeführt haben. Wenn wir uns die Situation
in Deutschland anschauen, haben mindestens
72 Prozent der Haushalte ein Fahrrad, primär genutzt für Einkäufe, kurze Wege und Ausflüge.
35 Prozent fahren mit dem Rad zur Arbeit. Über die
Hälfte der Radfahrer fühlt sich im Straßenverkehr
sicher. Dringende Wünsche an die Politik werden
folgendermaßen geäußert: Ausbau und Bau neuer
Radwege, Verbesserung der Radwegebeleuchtung,
sichere Abstellanlagen und Unterstützung bei einer
besseren Kommunikation der Verkehrsteilnehmer
untereinander. Diese Punkte wurden auch 2013 bei
der – ich sage es noch mal – Nationalen Fahrradkommunalkonferenz, in Erfurt übrigens, noch mal
explizit unterstrichen. Hier zeigt sich, dass solche
Beratungen doch wichtig sind und vor allen Dingen
auch politische Aufgaben formulieren. Es ist sehr
beachtlich, dass zukünftig 37 Prozent der Deutschen das Auto und 30 Prozent das Fahrrad häufiger als Verkehrsmittel nutzen wollen.
Worin bestand nun der Handlungsbedarf hier in
Thüringen? Herr Malsch hat bereits ausgeführt,
dass die bisherige Thüringer Landesregierung auch
einen sehr konkreten Handlungsauftrag durchgesetzt hat, angefangen vom Radroutenplaner bis zur
Zielstellung, das Radwegekonzept zu überarbeiten.
Die Thüringer Tourismusgesellschaft hat eine Broschüre „Radverkehr in Thüringen“ herausgebracht.
Es gibt einen Landesradwegewart. Die Unterstützung der AG „Fahrradfreundliche Kommunen“ wurde betrieben und auch eine Förderung von Bikeand-ride-Anlagen. Die kostenlose Fahrradmitnahme
in Regionalzügen ist in Thüringen Usus.
Allerdings haben wir entsprechend einer Studie des
Bundesverkehrsministeriums in Thüringen auch
den geringsten Prozentsatz an straßenbegleitenden
Radwegen in Deutschland. 2010 waren es nur
4 Prozent der 4.700 Kilometer Straße, die durch
Radwege begleitet waren; nehmen wir Bayern
– 20 Prozent, selbst Sachsen – 14 Prozent. In Thüringen legten nur 7 Prozent der Einwohner ihre Wege mit dem Rad zurück; nehmen wir mal Münster
– 35 Prozent oder Holland – 38 Prozent. Das kann
durchaus der Topografie geschuldet sein, aber
auch gleichzeitig der Infrastruktur. Deswegen hat
dieser Antrag klare Zielvorgaben, Handlungsaufträge sowie einen planerischen und zukünftig haushalterischen Ansatz formuliert. Das war übrigens auch
ein Anliegen des Koalitionsvertrags, die Mobilität
mit dem Fahrrad zu erhöhen und das Radverkehrskonzept zu überarbeiten.
Ich möchte auch ausdrücklich noch mal dem Ministerium für die aussagekräftigen Zahlen zur Förderung von Radwegen und die vielfältigen Fördermöglichkeiten, die im Ausschuss übergeben wurden, danken. So ist es möglich, mit diesem Antrag
sowohl die umweltfreundlichen Verkehrsteilnehmer
auf dem Rad, zu Fuß und mit dem ÖPNV in den
Mittelpunkt der Landesentwicklung und der Verkehrswegeplanung zu rücken, als auch gleichzeitig
einige Festlegungen zu treffen, die die Infrastrukturplanung noch untersetzen.
Ein nicht zu vernachlässigender Punkt ist auch der
wirtschaftliche Effekt. In der Broschüre „Radverkehr
in Mitteldeutschland“, die von der Metropolregion
herausgegeben wurde, wurden die gesundheitlichen Effekte benannt, wurden die ökonomischen
Effekte benannt. Ich möchte sie jetzt hier nicht wie-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2411
(Abg. Dr. Lukin)
derholen. Ich will nur eines davon herausgreifen:
Der Umsatz des Radverkehrs im Tourismus in den
drei Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und
Thüringen wird auf 285 Millionen Euro jährlich geschätzt.
Für die zusätzlichen Bemerkungen bzw. für die zusätzlichen Änderungen im Bereich Verkehrssicherheit bin ich sehr dankbar. Das Thüringer Verkehrssicherheitsprogramm 2020 hat hier viele Schwerpunkte schon formuliert. Die Radfahrausbildung
selbst ist ein Schwerpunkt in der Schule und auch
bei der Arbeit der Präventionsbeauftragten der Polizei. Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und
Landwirtschaft unterstützt alle Viertklässler mit Ausbildungsmaterialien. Sie bekommen von den Ausbildungsheften bis hin zum Fahrradpass alles zur
Verfügung gestellt. Und ich möchte nur eine Zahl
nennen, 94,45 Prozent aller Viertklässler haben an
der Fahrradausbildung erfolgreich teilgenommen.
Hier hätte ich aber eine Bitte. Zunehmend wird festgestellt, dass die motorischen Fähigkeiten der Kinder zurückgehen, Wahrnehmungs- und Bewegungsauffälligkeiten zunehmen. Hier muss eigentlich noch viel früher in der Schule und auch im Freizeitverhalten – hier haben die Eltern eine sehr
große Verantwortung –, die Beweglichkeit der Kinder und ihre Fähigkeiten mehr geschult werden. Allerdings, lassen Sie mich mit einer Bitte abschließen, zahlreiche Projekte, die das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft unterstützt, helfen
ebenfalls dabei, aber wir möchten den Innenminister bitten, dass auch zukünftig die Polizei hier die
praktische Ausbildung unterstützt und die Prüfungen abnimmt. Das ist eine ganz wesentliche Aufgabe. Hier haben die Präventionsbeamten und die
Jungendverkehrsschulen, die Schulen und auch die
Verkehrssicherheitsaktive eine große Verantwortung. Wir würden uns wünschen, wenn den Fragen
der Verkehrssicherheit hier auch inhaltlich weiterhin
viel Aufmerksamkeit geschenkt wird.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
weiter bearbeitet und die Forderung aus dem Koalitionsvertrag somit umgesetzt werden. Im Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten
wurden die Schwerpunkte auf die Überarbeitung
des Thüringer Radverkehrskonzepts unter Einbeziehung neuester Trends und Entwicklungen gelegt, um nur einige Punkte zu nennen: die Verbesserung der Radinfrastruktur, die Erstellung eines
Landesradwegeplans für den Alltagsradverkehr, die
Berücksichtigung des Radtourismus bei der Fortschreibung der Landestourismuskonzeption. Hierbei liegt das besondere Augenmerk auf den Angeboten der Vernetzung des E-Bike-Tourismus. Ebenso zu beachten ist die Sicherstellung der Einbeziehung und Beteiligung aller relevanten Akteure. Unsere Ziele sind nach wie vor realistisch gesetzt und
im Rahmen der anfallenden Kosten im Sinne der
notwendigen Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit
gesteckt. Der Mehrwert, den wir damit erreichen,
nicht nur für die Radfahrer selbst, sondern für die
wirtschaftliche und touristische Entwicklung Thüringens generell, ist nicht zu unterschätzen. Auch,
wenn jetzt die herbstliche Jahreszeit anfängt, in der
das Wetter manchmal nicht mehr zum Radfahren
einlädt, wollen wir heute den besonderen Bedürfnissen der Radfahrenden ebenso viel Aufmerksamkeit schenken, wie dem motorisierten Individualverkehr oder dem öffentlichen Personennahverkehr
und mit diesem Antrag diese Zielgruppe konsequent unterstützen. Wenn wir uns abschließend die
unterschiedlichen Facetten und Trends des Radsports ansehen, zeigt sich, dass sich das Radfahren zu einem starken touristisch relevanten Markt
entwickelt hat. Kurzum, Radfahren hält fit, Radfahren schont die Umwelt, Radfahren ist im Trend.
Danke.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Das Wort hat Abgeordneter Kießling, Fraktion der
AfD.
Vizepräsidentin Jung:
Abgeordneter Kießling, AfD:
Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordneter
Warnecke zu Wort gemeldet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Abgeordnete
– lieber Zuschauer wollte ich gerade sagen, einer,
es sind drei –, liebe Zuschauer auf der Tribüne, liebe Zuschauer am Bildschirm! Auch der Radverkehr
soll in Thüringen immer mehr an Beachtung erfahren und braucht eine gute Voraussetzung, um im
Nahverkehr den Pkw-Verkehr zu entlasten sowie
auch touristisch optimal genutzt zu werden. Die
Thüringer sollten auf jeden Fall die Möglichkeit haben, schnell und sicher mit dem Fahrrad anzukommen, gerade auch im Bereich Berufsverkehr, wobei
auf die nicht vorhandenen Radwege gerade an den
Bundesstraßen hinzuweisen ist. Beispielsweise
fehlt es an Expressverbindungen an der Thüringer
Abgeordneter Warnecke, SPD:
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sicherlich ist die eine oder der
andere, wie beispielsweise unser Kollege Roberto
Kobelt, heute früh mit dem Fahrrad zum Landtag
gekommen. Aber es wird Sie auch interessieren
und freuen, dass wir heute abschließend den Antrag „Radverkehr in Thüringen planvoll und zielstrebig verbessern“, für den die Koalition verantwortlich
zeichnet, vorlegen. Das bisher nicht ausreichend
behandelte Thema Radverkehr soll nun endlich
2412
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Kießling)
Städtekette. Hier müsste ein wichtiger Beitrag geleistet werden, dass von Gera bis Eisenach eine
Mobilität möglich ist, die den Thüringern und den
Touristen die Entscheidung fürs Rad vereinfacht.
Auch eine Verknüpfung mit dem ÖPNV halten wir
für wichtig. Gerade im Hinblick auf die Entwicklung
der Elektrofahrräder wäre es sinnvoll, diese Fortbewegungsmöglichkeit mit ausgewiesenen Expressstrecken zu vereinfachen, sofern dies möglich ist.
Mountainbiketourismus ist eine Möglichkeit, die
Thüringer Berge auch im Sommer für mehr Tourismus zu erschließen. Dafür müsste aber gezielt in
Mountainbikestrecken investiert werden und Fachleute herangezogen werden, gerade vor dem Hintergrund, dass es in Bundesländern wie in BadenWürttemberg Auseinandersetzunge zwischen Bauern und Wanderern und Mountainbikern gab. Das
muss aber genau beobachtet werden und es müssen die Interessen jeder Gruppe entsprechend Beachtung finden.
Die Investitionen in die Infrastruktur erachten wir als
AfD-Fraktion als sehr wichtig! Zurzeit leben wir leider von der Substanz! Das heißt wie gesagt, die Infrastruktur ist ein Lock- und Bleibefaktor im Wettbewerb um die Bürger. Doch sehen wir, dass die Gesamtinvestitionsquote des Landes Thüringen laut
Landeshaushalt 2017 zurückgeht. 2015 sind es im
Landeshaushaltsplan noch 13,53 Prozent gewesen.
2016 sollen es dann 13,14 Prozent sein und 2017
fällt die Quote auf 13,02 Prozent. Anteilig an einem
Landeshaushalt von bis zu 10 Milliarden Euro sind
das mittlere zweistellige Millionenbeträge, die weniger investiert werden. Im Haushalt für das Jahr
2015 wurde die Radinfrastruktur bereits durch die
rot-rot-grüne Regierung vernachlässigt. Eine interessante Zahl aus dem Infrastrukturhaushalt, die
das zeigt: 2014 wurden 3,1 Millionen Euro für den
Neubau, Um- und Ausbau und die Erhaltung von
Radwegen ausgegeben. Die Landesregierung hat
diese Zahl im Ansatz für das Jahr 2015 auf 1,5 Millionen Euro gesenkt, Herr Kobelt, und wird 2016 die
Zahl wieder auf 2 Millionen Euro und 2017 auf
3 Millionen Euro erhöhen und so immer noch nicht
mit den Vorgängerregierungen gleichgezogen sein.
Die von Ihnen geforderte Mitnahme von Fahrrädern
in ICEs und in allen ÖPNV-Bereichen führt zum
Rückgang von Sitz- und Stehplätzen und müsste
entsprechend punktuell ausgeglichen werden. Auch
die Einrichtung von Schlauchautomaten sowie Luftpumpenstationen, Scherbentelefonen und Fahrradwaschanlagen halten wir im Rahmen der Haushaltsdebatte für überflüssig und unangemessen.
Auch ist eine Auslastung solcher Stationen mehr
als fragwürdig, genau wie die Reparaturservices.
Dies könnte nur punktuell erfolgen, sofern hier entsprechende Nachfrage besteht.
In Ihrem Antrag werden jedoch immer wieder pauschale Prozentsätze und Förderzahlen genannt.
Wichtig ist, die Finanzmittel anhand des Bedarfs
und anhand von nachgewiesenen Potenzialen zu
investieren. Hier müssen auf alle Fälle die Kreise
und Kommunen bei der Planung aktiv im Vorfeld
mit einbezogen werden. Es muss mit spitzer Feder
gerechnet werden, wo wirklich Fahrradstraßen gebraucht werden, gerade vor dem Hintergrund, dass
der Haushalt von Rot-Rot-Grün kurz vor der Neuverschuldung steht.
Wir können aufgrund dieser überflüssigen Forderungen, wie zum Beispiel Fahrradwaschanlagen,
diesem Antrag, der vom Grundsatz her eigentlich
gut und richtig ist, nicht zu 100 Prozent zustimmen
und müssen uns daher leider enthalten. Aber wir
hoffen natürlich, dass die eine oder andere Änderung im Landestourismuskonzept noch Berücksichtigung finden wird. Hier sollte bei den Radwegen im
größeren Thüringer Gewerbegebiet bei Arnstadt eigentlich mal begonnen werden, welche auch touristisch mehr genutzt werden würden, sofern es dort
einen zusammenhängenden Radweg geben würde.
Lücken in Wirtschaftswegen können dort relativ
kostengünstig geschlossen werden und so auch
den Radfahrern anteilig zur Verfügung stehen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall AfD)
Vizepräsidentin Jung:
Das Wort hat nun Abgeordneter Kobelt, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen, der zu Fuß ans Rednerpult
kommt.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Abgeordneter Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte
Frau Präsidentin! Herr Kießling, ich muss Ihnen
gleich noch mal mein Unverständnis ausdrücken.
Herr Malsch hat es eigentlich ganz eindeutig gesagt
– und ich dachte auch, dass Sie zumindest körperlich anwesend waren in den Ausschusssitzungen –,
dass wir den Antrag zusammen noch einmal verändert haben. Das, was Sie als Kritik genannt haben,
ist überhaupt nicht mehr in dem jetzt abstimmungsfähigen Antrag vorhanden. Ich empfehle ganz stark
auch aktiv an den Ausschusssitzungen teilzunehmen und nicht nur körperlich, dann würde Ihre Kritik, die Sie uns unterstellen, vielleicht unterbleiben.
Aber jetzt zurück zum Thema. Radfahren ist etwas
Besonderes. Radfahren ist zum Beispiel preisgünstig. Der Durchschnittspreis pro Kilometer, wenn
man ein Rad besitzt und das wartet und pflegt, liegt
maximal bei 5 Cent. Beim Auto liegt es durchschnittlich beim Zehnfachen, bei 50 Cent pro Kilometer. Das ist ein starkes Argument, glaube ich,
auch für die Bürgerinnen und Bürger, eher die Möglichkeit zu nutzen, mehr Rad zu fahren.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2413
(Abg. Kobelt)
(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Ich lade Sie
mal ein, jeden Tag mit dem Rad von Zeulenroda nach Erfurt zu fahren!)
Das können wir zusammen mal machen, gern, ja.
Im Straßenbau ist der Unterschied noch eklatanter.
Dort kostet ein Kilometer Radweg durchschnittlich
150.000 Euro und beim Straßenbau sind es durchschnittlich über 3 Millionen Euro. Also ein zwanzigfacher Betrag, den die öffentliche Hand immerhin
für die Infrastruktur zur Verfügung stellen muss. Ein
starkes Argument, um auf mehr Radverkehr zu setzen, finden wir. Radfahren ist aber auch gut für die
Umwelt. Während weltweit zahlreiche Autoingenieure versuchen, mehr oder weniger transparent
den CO2-Verbrauch zu senken, gibt es seit
200 Jahren das perfekte umweltfreundliche Fahrzeug – das Rad.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Radfahren ist aber auch gesund. Neueste Untersuchungen ergeben, dass durch Radfahren oder
Sport und Bewegung natürlich auch allgemein
Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückgehen. Man ist
an der frischen Luft und die Lebenserwartung steigt
sogar um zehn Jahre. Das ist für uns als Grüne ein
wichtiger Grund, in dem Bereich Radverkehr im
wahrsten Sinne des Wortes Gas zu geben und für
die Thüringer Städte und Gemeinden, aber auch
das Land gute Bedingungen zu schaffen und die
Lebensqualität vor allem für Kinder und Familien
bis hin zu Senioren zu verbessern.
Sehr geehrte Damen und Herren, in vielen Regionen können wir bereits deutlich sehen, welche
Möglichkeiten der Radverkehr für mehr Lebensqualität der Menschen hat. Kopenhagen zum Beispiel
war in den 70er-Jahren noch eine autozentrierte
Stadt, wo es überhaupt keinen Ansatz gab, sich mit
dem Rad zu bewegen. Durch konsequente Förderung ist es heute eine der zum Leben begehrtesten
Fahrradmetropolen Europas. Heute finden dort
26 Prozent aller Fahrten mit dem Fahrrad statt. In
Amsterdam sind es sogar 38 Prozent. Auch in
Deutschland zeigen Regionen wie das Münsterland, welche Möglichkeiten das Fahrrad bietet. So
hat der Landkreis Steinfurt im Umland von Münster
einen Anteil des Fahrrads an allen Wegen von
28 Prozent, obwohl dieser keinen rein städtischen
Charakter hat, sondern auch das Umland mit einbezieht und dort auch auf längeren Strecken gute Bedingungen bietet. Zudem erhöhen mittlerweile Elektrofahrräder die Reichweiten auch für vielleicht nicht
so sportliche Radfahrer oder Senioren und ältere
Menschen auf 10 bis 20 Kilometer und mehr. So
wird es möglich, gerade für die kleinteiligen Thüringer Mittelstädte, sich untereinander zu vernetzen
und auch mal bequem ins Büro zu fahren. Von Gera nach Jena und von Gotha nach Erfurt ist das
dann kein Problem mehr, wenn wir es schaffen, in
Thüringen auch die entsprechenden Radwege zur
Verfügung zu stellen.
Von den oben genannten Beispielen in Europa und
im Münsterland sind wir jedoch noch weit entfernt.
Erste Schritte wurden in den letzten Jahren in Thüringen vor allem im touristischen Bereich zwar unternommen; auch auf kommunaler Ebene haben einige Aktivitäten schon zum Erfolg geführt. So hat
sich das Netzwerk der fahrradfreundlichen Kommunen vor drei Jahren auch in Thüringen gegründet.
Daran sind derzeit allerdings erst neun Städte und
drei Landkreise beteiligt. Doch auf Landesebene
hatten die bisherigen Landesregierungen vor einer
klaren Zielsetzung und damit verbundenen Verpflichtungen besonders im Alltagsradverkehr zurückgeschreckt. Der Radverkehr war so oftmals der
Sparbüchse unterlegen und dem Ausbau von Straßen wurde der Vorzug gegeben. Dies führte unter
anderem dazu, dass Thüringen im Vergleich der
Bundesländer einen der letzten Plätze bei Radwegen an Bundes- und Landesstraßen einnimmt.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir freuen uns
deshalb besonders, dass Rot-Rot-Grün und die
CDU sich jetzt auf klare Zielstellungen einigen
konnten. So wird das neue Radverkehrskonzept
einen Landesradweg – geplant für den Alltagsradverkehr – beinhalten, der alle zentralen Orte berücksichtigt und diese miteinander vernetzt. Mit den
Kommunen werden wir eng zusammenarbeiten und
uns am bundesweiten Nationalen Radverkehrsplan
2020 orientieren, der in vielen Aspekten vorbildlich
ist. Mittelfristig wollen wir damit den Radnutzungsanteil von jetzt 6 Prozent bis 2025 auf mindestens
12 Prozent im Alltagsradverkehr verdoppeln. Bei
den Investitionen legen wir gemeinsam Wert darauf, dass von den Straßenbaumitteln mindestens
10 Prozent in Radwege investiert werden. Dort gibt
es in dem 2015er-Haushalt und vor allem jetzt im
2016er und 2017er in dem Vorschlag der Landesregierung und des Infrastrukturministeriums die ersten Erfolge und dies wollen wir auch für die darauf
folgenden Jahre fortsetzen.
Der Radverkehr wird verstärkt in der ÖPNV-Planung berücksichtigt werden. Beispiele sind gut verbundene Verknüpfungen zwischen Bike-and-rideStationen, barrierefreie Einstiege bei Bahnen und
Bussen sowie durchgängige und verlässliche Radmitnahmen im Regionalbusverkehr. Zudem werden
wir den Radtourismus bei der Fortschreibung der
Landestourismuskonzeption angemessen berücksichtigen und die guten Ansätze im Tourismusbereich weiter vertiefen.
Als weiterer Punkt ist uns wichtig, dass in den Kommunen das Angebot an öffentlichen Parkflächen für
Fahrräder erhöht wird. Schließlich werden wir die
Öffentlichkeitsarbeit zur Förderung der Verkehrssicherheit und Verkehrsverträglichkeit verstärken.
2414
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Kobelt)
Einen besonderen Schwerpunkt wollen wir auf ein
gutes Miteinander aller Verkehrsteilnehmerinnen
und Verkehrsteilnehmer legen, um gerade Kindern
und Jugendlichen hier bessere, sicherere Bedingungen in den Städten und Gemeinden zu geben.
Doch auch das Verhalten der Erwachsenen kann
mit intuitiven Maßnahmen beeinflusst werden. Positives Beispiel ist hier die Kampagne „Lächeln rettet
Leben“, die eine angemessene Geschwindigkeit
der Autofahrer anzeigt und damit sowohl zu umweltbewusstem Fahren, aber auch zum Schutz von
Fußgängern und Autofahrern einlädt.
Mit einem Lächeln möchte ich auch ganz herzlich
allen Beteiligten von SPD, Linken, CDU und Bündnis 90/Die Grünen für die konstruktive Arbeit an diesem Antrag danken. Ich freue mich auf die Arbeit
des Ministeriums, das es hoffentlich aufgreift und
ich bin mir ganz sicher, dass da auch in der Regierung eine sehr gute Umsetzung erfolgt. Ich danke
Ihnen noch mal recht herzlich und bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir keine
Wortmeldungen vor. Damit hat das Wort Ministerin
Keller.
Keller, Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Radfahrerinnen und Radfahrer! Die Koalitionsvereinbarung
beinhaltet zum Thema „Radverkehr“ mehrere Vorhaben, die sich in dem Antrag „Radverkehr in Thüringen planvoll und zielstrebig verbessern“ so auch
wiederfinden. Der Antrag wurde im Infrastrukturausschuss und im Wirtschaftsausschuss beraten und
auch ich möchte mich an dieser Stelle für die konstruktive Arbeit in den Ausschüssen bedanken.
Der nun abschließend vorliegende Antrag belegt
dies auch aus meiner Sicht sehr ausdrücklich. Er
benennt ausgewählte Schwerpunkte für die Fortschreibung des Radverkehrskonzepts in Bezug auf
den Alltagsradverkehr, den Radtourismus und die
Verknüpfung des Radverkehrs mit anderen Verkehrsmitteln. Zudem werden messbare Ziele für die
Entwicklung des Radverkehrs gefordert. Der Antrag
macht aber auch deutlich, dass die Beteiligung der
Akteure innerhalb und außerhalb der Landesverwaltung ein wichtiger Baustein ist, um zu einem
Konzept zu kommen, das von allen getragen und
dann auch umgesetzt wird. Für die Fortschreibung
des Radverkehrskonzepts ist ein Bearbeitungszeitraum von zwei Jahren geplant. So wird es möglich
sein, die Meinungen vieler Akteure zu der bekann-
termaßen großen Themenvielfalt rund um den Radund Fußverkehr in die Arbeiten einbeziehen zu können. Die Fortschreibung des Radverkehrskonzepts
wird so als Chance genutzt, die Kommunikation
zwischen den Kommunen und mit der Landesregierung weiter zu intensivieren. Gleichzeitig sehe ich
eine intensive Beteiligung der Akteure als eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Umsetzung des geplanten Konzepts unter breiter Beteiligung gelingt. Je mehr die Kommunen und Verbände in diesem Prozess mitwirken, umso höher ist die
Chance, bessere Bedingungen für den nicht motorisierten Verkehr zu erreichen. Deshalb ist es wichtig, dass die Landesregierung Anreize schafft und
gute Beispiele bekannt werden. Ein Blick in den
Haushalt 2016 und 2017 und auch in die gegenwärtige Debatte zeigt, dass wir im Jahr 2016 dafür
2 Millionen Euro zur Verfügung stellen und im Jahr
2017 3 Millionen Euro. Ich plädiere dafür, dem Radund Fußverkehr künftig einen größeren Stellenwert
auf allen Ebenen einzuräumen. Mit der Fortschreibung des Radverkehrskonzepts werden wir den
Handlungsrahmen für die Landesregierung und die
Kommunen erweitern können und dafür „Gut Rad“.
Vielen Dank.
(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Ich habe
schon ein Projekt, Frau Ministerin! Darf ich
mal vorbeikommen?)
(Zwischenruf Keller, Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft: Sie dürfen immer vorbeikommen!)
Vizepräsidentin Jung:
Es liegen jetzt keine Wortmeldungen mehr vor. Wir
kommen zur Abstimmung zunächst über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten in der Drucksache 6/1120. Wer der Beschlussempfehlung die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen.
Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei den
Stimmenthaltungen der AfD-Fraktion ist die Beschlussempfehlung angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die
Grünen in der Drucksache 6/616 unter Berücksichtigung der Zustimmung zur Beschlussempfehlung
in Drucksache 6/1120. Wer dafür ist, den bitte ich
jetzt um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei den Stimmenthaltungen der AfDFraktion ist der Antrag angenommen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9
Wassertourismus als regional
bedeutendes Tourismusange-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2415
(Vizepräsidentin Jung)
bot in Thüringen hier:
Nummer II
Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 6/828 dazu: Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft
- Drucksache 6/1005 Das Wort hat Herr Abgeordneter Bühl aus dem
Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft zur Berichterstattung.
Abgeordneter Bühl, CDU:
Kurz zum Bericht, was wir im Ausschuss besprochen haben: Die Regierungskoalition hat im Plenum am 10. Juli 2015 diesen Antrag zum Wassertourismus eingebracht. Hierzu erfolgte ein ausführlicher Bericht des zuständigen Ministeriums. Die
CDU-Fraktion hatte in diesem Plenum einen Alternativantrag mit Fokus auf den länderübergreifenden
Charakter des Wassertourismus eingebracht. Beide
Anträge wurden gemeinsam überwiesen an den
Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft, wo wir
diese am 3. September 2015 beraten haben und
mit einem gemeinsamen Änderungsantrag der
Fraktionen CDU, Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen eine Ergänzung zum länderübergreifenden Charakter des Wassertourismus eingearbeitet haben. Daraus resultiert die Beschlussempfehlung, die heute vorliegt, nämlich zu
ergänzen „und die länderübergreifende Zusammenarbeit zu intensivieren“ und zu ergänzen „der gegenseitigen Verknüpfung mit anderen Tourismussegmenten, wie dem Rad-, Wander- und Kulturtourismus, Rechnung zu tragen“. Ich freue mich auf die
Diskussion.
(Beifall CDU)
Vizepräsidentin Jung:
Ich eröffne die Aussprache und das Wort hat Abgeordneter Korschewsky, Fraktion Die Linke.
Abgeordneter Korschewsky, DIE LINKE:
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und
Herren, ich glaube, es ist sehr gut, dass wir heute
über diesen Antrag noch einmal kurz reden können.
Wir haben, glaube ich, sehr intensiv – das hat der
Kollege Bühl schon gesagt – auch im Ausschuss
beide überwiesenen Anträge beraten. Ich will noch
einmal ein paar Essentials herausstellen. Wir wissen alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der
Wassertourismus sicherlich in Thüringen nun nicht
das Hauptsegment sein wird, weder heute noch zukünftig, aber der Wassertourismus ist ein verbindendes Element, und das muss man ganz deutlich
sagen, welches sowohl den Tourismus als solches
beinhaltet, den Wassertourismus, aber auch den
Kulturtourismus und den Naturtourismus. Man kann
dort ganz viele Dinge im Zusammenhang sehen
und ich glaube, deshalb ist es auch gut, dass die
Frage des bisher ein wenig unterrepräsentierten
Wassertourismus durchaus eine größere Rolle in
diesem Plenum, in diesem Hause hier spielt.
Man sollte es nicht gering schätzen, neben der Talsperrenregion, den Saalekaskaden mit dem größten aufgestauten zusammenhängenden Wassergebiet Deutschlands und den fast 400 Kilometern
Möglichkeiten des Wasserwanderns auf Werra, Unstrut und Saale ist noch einiges möglich im Zusammenhang mit Wassertourismus. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich die letzten
Marktforschungsergebnisse Thüringens anschaut,
die vom 22. September 2015 herrühren und die
sehr intensiv in Vorbereitung der neuen Landestourismuskonzeption für das Jahr 2020/25 vorbereitet
wurden, so muss man sagen, dass die Frage Natururlaub mit 31 Prozent und die Frage Aktivurlaub
mit 17 Prozent einen sehr hohen Stellenwert in diesen Marktforschungsergebnissen spielen. Das ist
sicherlich auch damit zu erklären, dass immer mehr
Menschen sich zu diesen Bereichen – und dazu gehört auch der Wassertourismus – hingezogen fühlen und hier auch etwas machen wollen. Gleichzeitig – auch hier möchte ich noch einmal aus dieser
Marktforschungsanalyse zitieren – hat derzeitig
Thüringen mit 11 Prozent durchaus einen hohen
Anteil mit Position Acht im Länderranking in diesem
Bereich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Jahren ist sehr viel darauf hingewiesen worden, dass
die Frage des Tourismus eben eine umfassende
Frage sein muss. Deshalb noch einmal meine Bitte,
Tourismus nicht als einzelne Segmente zu sehen,
wie zum Beispiel den Städtetourismus, wie zum
Beispiel den Tourismus auf dem Bauernhof oder
aber auch den Wassertourismus. Ich möchte noch
einmal ganz stark dafür werben, dass wir den Tourismus als einen ganzheitlichen Tourismus sehen.
Ganzheitlich heißt eben auch, nicht nur entlang der
Autobahn, sondern wir haben sowohl in unseren
nördlichen Regionen zum Beispiel des Harzes oder
im Unstrut-Hainich-Gebiet als auch in den südlichen Regionen um den Sonneberger Raum, aber
gleichzeitig natürlich auch in der Frage der schon
genannten Saalekaskaden oder in Ostthüringen
sehr schöne touristische Gebiete, die Touristikerinnen und Touristiker auch anlocken und natürlich
auch Urlauberinnen und Urlauber.
Der Ministerpräsident hat vor Kurzem gesagt: Der
Tourismus ist einer der möglichen Wachstumsfaktoren im Wirtschaftsbereich in Thüringen. Dem sollten wir uns stellen. Denn hier sind noch große Möglichkeiten, um diesen Bereich auch weiter zu fördern und diesen Bereich als einen Wirtschaftsfaktor
2416
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Korschewsky)
weiter nach vorn zu bringen, um die Wirtschaftskreisläufe auch in den einzelnen Regionen damit
anzukurbeln.
Ich bin froh, dass es gelungen ist, in diesem Bereich des Tourismus eine tatsächliche übergreifende Diskussion zu erreichen. Beide Anträge sind zusammengeführt worden, Kollege Bühl sprach davon. Ich denke, dass mit diesem Antrag, mit der Beschlussfassung zu diesem Antrag, eine gute Grundlage da ist, um im Bereich des Wassertourismus
entsprechende Signale zu senden, entsprechende
Entwicklungen vorzunehmen und diesem in Bezug
auf die Tourismuskonzeption 2025 eine höhere Bedeutung beizumessen. In diesem Sinne bitte ich um
Zustimmung zu dem genannten Antrag. Danke.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion der CDU hat Abgeordneter Bühl
das Wort.
(Beifall CDU)
Abgeordneter Bühl, CDU:
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr verehrte
Präsidentin, zu diesem Punkt Wassertourismus ist
eigentlich schon viel gesagt. Wir haben eine intensive Diskussion dazu gehabt, deswegen will ich
gern allgemein noch etwas dazu sagen. Zum einen
möchte ich mich noch einmal herzlich bedanken
beim Wirtschaftsministerium und dem Staatssekretär für seine Einführung in die Fortschreibung der
Tourismuskonzeption. Ich denke, er hat dort auch
gut umrissen, dass gerade die Nischen – jetzt mal
festgemacht am Radtourismus –, aber auch Wassertourismus wichtige Entwicklungsmöglichkeiten
für Thüringen sind. Die schon angesprochene Studie, die die Zukunftschancen des Tourismus auswertet, hat auch aufgezeigt, dass es kein wesentliches Wachstum mehr in Deutschland in diesem Bereich geben wird. Jeder, der sich von diesem Stück
Kuchen, was wir jetzt haben, etwas abschneiden
will, der muss sich mit Nischen und mit neuen Angeboten gegenüber anderen Angeboten, die es in
Deutschland schon gibt, durchsetzen. Damit man
das schafft, wird es uns nichts bringen, einfach nur
auf die Punkte zu gucken, die wir schon gut können, wie zum Beispiel den Wandertourismus. Die
sind wichtig, das sind die Bereiche, die uns sicherlich eine gute Grundlast an Besuchern bringen.
Aber wir müssen vor allen Dingen darauf gucken,
dass wir darüber hinaus Nischen abdecken und
schauen, wie wir zusätzliche Angebote schaffen
können, um Leute nach Thüringen zu ziehen.
Wir waren neulich in Österreich und ich hatte die
Möglichkeit, dort mit dem Präsidenten des Hotel-
und Gaststättengewerbes für Österreich zu sprechen.
(Beifall CDU)
Kollege Voigt und ich hatten ein intensives Gespräch
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Gemeinsamer Urlaub, viel
Spaß!)
und ich fand es sehr, sehr erhellend,
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Am
nächsten Tag war es dunkel!)
(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
was uns dort berichtet wurde, nämlich dass die
Österreicher nicht wie wir schauen, wo man schon
stark ist – das ist bei denen ja auch Wandern und
Ski –, sondern die schauen in Nischen und in
Trends und besetzen diese Trends dann offensiv.
Sie sagen zum Beispiel, sie sind die zukünftige erste Destination für E-Bike-Tourismus in Europa,
schaffen da Angebote und bewerben sich dann
auch intensiv. Ich glaube, da sind wir in Thüringen
noch etwas zu zögerlich, dass wir nur schauen, wo
sind wir schon gut, aber gucken nicht, wo sind
Trends, wo wir noch was Neues setzen können. Da
finde ich auch gerade die Diskussion, die wir eben
zum ganzen Bereich Fahrradfahren hatten, unheimlich lohnenswert für den Tourismus. Nicht nur die
Fahrradwege, sondern auch der Mountainbike-Tourismus, wo ja jetzt der Regionalverbund Thüringer
Wald eine Mountainbike-Strecke um den Rennsteig
angelegt hat, sind da wesentliche Sachen. Das ist
für mich Ausdruck, dass wir diese Nischen wie
auch den Wassertourismus intensiv besetzen müssen und mit anderen Tourismusarten verknüpfen
müssen. Deswegen ist diese Ergänzung, die wir
jetzt vorliegen haben, auch sehr gut, dass wir auf
den Städtetourismus, den Kulturtourismus gucken,
all das, was an den Flüssen liegt, kann man damit,
denke ich, ganz gut erreichen. Wichtig ist auch,
dass wir die Grenzregionen vor allen Dingen mit
dem grenzübergreifenden Charakter mit berücksichtigen. Wir haben ja gerade grenzübergreifend
im Tourismus in Richtung Harz, in Richtung Rhön,
in Richtung Vogtland schon gute Ansätze, wie auch
eine grenzübergreifende Tourismusorganisation
funktioniert. Wenn wir uns von unseren Nachbarländern in Sachen Wassertourismus noch inspirieren lassen können über die guten Sachen, die dort
bereits laufen, dann können wir sicherlich den Tourismus und Wassertourismus bei uns noch ankurbeln und verstärken. Ich bin gespannt, wie sich die
Diskussion in der Fortschreibung der Landestourismuskonzeption weiterentwickelt. Ich bin da aktuell
guter Hoffnung, dass wir da gemeinsam gut vorankommen. Ich werbe deswegen heute für die Zustimmung zu diesem Antrag. Vielen Dank.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
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(Abg. Bühl)
(Beifall CDU, SPD)
Vizepräsidentin Jung:
Für die Fraktion der SPD hat Abgeordneter Warnecke das Wort.
Abgeordneter Warnecke, SPD:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fast 3,7 Millionen Besucher kamen 2014
nach Thüringen und buchten insgesamt 9,82 Millionen Übernachtungen. Das war ein neuer Rekordwert. Auch für das laufende Jahr sind die Zahlen erfreulich: Die Zahl der Übernachtungen erhöhte sich
nach Mitteilung des Thüringer Landesamts für Statistik im Zeitraum von Januar bis Juli 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 1,9 Prozent auf 5,5 Millionen. Auch für die Zukunft sieht die Prognose gut
aus für den Thüringer Tourismus. Laut Reiseanalyse 2015 der Forschungsgemeinschaft „Urlaub und
Reisen“ planen 11,2 Prozent der Deutschen – das
sind 7,9 Millionen potenzielle Gäste – zwischen
2015 und 2017 eine Reise in unseren Freistaat
oder ein solcher Urlaub kommt für sie zumindest infrage.
Wir tun also gut daran, hier im Parlament gemeinsam auch an der weiteren Stärkung des Tourismus
in der ganzen Bandbreite zu arbeiten, heute speziell zum Wassertourismus. Das Thema „Wassertourismus“ war bereits Bestandteil der Tourismuskonzeption der letzten Landesregierung und darüber
hinaus bescheinigt die vom Wirtschaftsministerium
in Auftrag gegebene und im Jahr 2014 veröffentlichte Studie „Wassertourismus in Thüringen“ dem
Freistaat ein großes Potenzial in diesem Tourismussegment. Die Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, dieses vorhandene Potenzial zu heben. Um
dieses Ziel zu erreichen, müssen die Ergebnisse
und Empfehlungen dieser Studie in der kommenden Landestourismuskonzeption berücksichtigt
werden. Ferner gilt es, um uns von den Mitbewerbern am Markt abzuheben, ein Alleinstellungsmerkmal für den Wassertourismus zu entwickeln. In diesem Sinne soll eine enge Verknüpfung von unseren
Topthemen Wandern, Radfahren und Kulturstädtetourismus mit Angeboten wie zum Beispiel Angeln,
Kanufahren, Rudern und Tauchen bei der Produktentwicklung und Produktvermarktung von Vorteil
sein, um so zu einem Thüringenprofil für den Wassertourismus zu werden.
Stichwort „Länderübergreifende Kooperation“: Dabei wollen wir auch verstärkt mit anderen Bundesländern zusammenarbeiten und unser touristisches
Angebot mit denen anderer Länder verzahnen. Im
Bereich des Radtourismus haben wir hier schon gute Erfahrungen gemacht. So ist Thüringen zum Beispiel durch den 403 Kilometer langen Saale-Radweg bereits Teil eines attraktiven länderübergrei-
fenden touristischen Angebots und trägt durch verschiedenste Attraktionen und Sehenswürdigkeiten
dazu bei, dass er zu einem der reizvollsten und abwechslungsreichsten Flussradwege in Deutschland
zählt. Für den Wassertourismus in Thüringen sind
– neben der Saale – vor allem die ganzjährig befahrbaren Streckenabschnitte der Wasserwanderflüsse Werra und Unstrut von Bedeutung.
Stichwort „Barrierefreier Wassertourismus“: Hier
möchte ich gern einen Blick auf die zukünftige touristische Nachfragestruktur werfen. Aufgrund des
demografischen Wandels bahnt sich im barrierefreien Tourismus ein lukrativer und vielversprechender
Wachstumsmarkt an. Es wird eine zunehmend höhere Nachfrage nach barrierefreien Angeboten geben. Damit auch Gäste mit Aktivitäts- und Mobilitätseinschränkungen und ältere Gäste wassertouristische Angebote – wie zum Beispiel in den Bereichen Camping, Angeln und Baden – in den Regionen an kleinen Gewässern wahrnehmen können,
müssen wir dies im Blick behalten, auch unter dem
Gesichtspunkt, dass diese Gäste ihren Urlaub häufiger im Inland verbringen und den Tourismusbetrieben auch außerhalb der Hauptsaison und der Ferienzeit Einnahmen generieren werden.
Auf eine Stärken- und Schwächenanalyse über Entwicklungshemmnisse in den einzelnen, für den
Wassertourismus relevanten Regionen, die auch in
der genannten Studie „Wassertourismus in Thüringen“ für die jeweilige Region ausführlich aufgezeigt
werden, hat bereits Minister Wolfgang Tiefensee in
seiner Rede im Juli-Plenum Bezug genommen.
Hier müssen wir nachhaken, denn einige Ergebnisse sind für die genannte Zielgruppe der älteren
Gäste oder der Gäste mit Aktivitäts- und Mobilitätseinschränkungen besonders relevant, zum Beispiel
eine Optimierung der Umtragungsstrecken, fehlende Zugänge zum Wasser oder fehlende Beschilderung, wasser- oder landseitig.
Wir tun also gut daran, in Zukunft auch im Bereich
der barrierefreien touristischen Angebote beim Thema „Wassertourismus“ Schwerpunkte für die Zielgruppe der Gäste mit Aktivitäts- und Mobilitätseinschränkungen sowie für ältere Gäste zu setzen,
denn bereits 2013 war mit 9,4 Prozent der Menschen fast jeder Zehnte in Deutschland auf barrierefreie Angebote angewiesen. Diesen Trend steigender Zahlen dürfen wir auch beim Thema „Wassertourismus“ und beim Tourismus allgemein nicht
aus den Augen verlieren.
Abschließend möchte ich den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion meinen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit bei diesem Antrag aussprechen.
(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD)
Es freut mich sehr, dass es uns gelungen ist, eine
gemeinsame Position zu finden und vom Landtag
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Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Warnecke)
aus ein klares Signal zu senden, dass sich die hier
vertretenen demokratischen Fraktionen zusammen
für eine Stärkung des Tourismusstandorts Thüringen engagieren. Danke.
(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Jung:
Das Wort hat Abgeordneter Kießling, Fraktion der
AfD.
Abgeordneter Kießling, AfD:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Abgeordnete,
liebe Zuschauer, es ist schon viel Gutes gesagt
worden. Es bleibt mir nicht mehr allzu viel zu sagen, doch habe ich schon noch ein paar Worte zu
sagen. Thüringen ist ein Binnenland mit gerade mal
1,2 Prozent Wasserfläche. Die Wasserfläche umfasst somit 19.871 Hektar. Das ist die Hälfte der
durchschnittlichen Wasserflächen anderer Bundesländer. Die größten Wasserflächen Thüringer Gemeinden sind in den Städten Saalburg-Ebersdorf
mit 770 Hektar, Erfurt mit 379 Hektar, Heringen/
Helme mit 338 Hektar zu finden. Die Priorität des
Landes Thüringen sollte aber weiterhin auf dem
Schwerpunkt Kultur-, Wander- und Wintertourismus
liegen. Eine weitere Option, die sich hier mit dem
Bereich Wassertourismus auftut, kann auf alle Fälle
den Tourismus insgesamt beleben und es schadet
nicht, dieses Potenzial hier entsprechend zu heben.
Aber, wie gesagt, es muss auch entsprechend finanziell möglich sein, wenn es zum Wohl der Bürger ist – warum nicht? –, ohne auch Abstriche hier
bei den Haupttourismuszweigen zu machen. Dies
darf aber auch nicht zulasten der Umwelt und der
Natur gehen. Der Wassertourismus muss zwingend
im Einklang mit der Natur stehen. Das ist sicherlich
auch den Grünen ganz wichtig und uns als AfD
auch. Wenn wir in den aktuellen Bericht zum Wassertourismus schauen, so steht da tatsächlich, dass
die wirtschaftliche Bedeutung Thüringens verglichen mit anderen Aktivtourismussegmenten wie
Wander- und Fahrradtourismus, bezogen auf den
ganzen Freistaat, vergleichsweise gering ist. Einzelne Regionen in Thüringen sollen jedoch auch
einen wirtschaftlich bedeutenden Wassertourismus
haben, dessen Bedeutung aber leider im Bericht
nicht anhand von Zahlen belegt wird. Wir würden
uns daher wünschen, dass der Wassertourismus in
Zukunft besser mit Zahlen belegt werden kann,
denn anhand dieser Zahlen kann beurteilt werden,
wie und wo am besten investiert werden sollte oder
ob wir ihn uns in Zukunft anhand der aktuellen Entwicklung überhaupt noch leisten können.
Auf der Tourismusinternetseite des Landes „Thüringen entdecken“ wird bereits das Wasserwandern
beworben. Das ist eigentlich ein Schritt in die richtige Richtung und kann gern auch mit besonders
schönen Badeseen und weiteren Angeboten zum
Fischen und Tauchen ergänzt werden. Häufig gehört auch das Baden und Schwimmen im Sommerurlaub als Beiwerk dazu, selbst wenn man eine Kultur- oder Städtetour macht. Wer kann denn schon
zu einem schönen blauen Badesee Nein sagen?
Aber auch Tiere und Pflanzen müssen hier an und
in den Gewässern nach wie vor ihren Platz haben,
deshalb unterstützen wir von der AfD-Fraktion die
Aussage aus dem Wassertourismusbericht, dass
es in Thüringen leichter gemacht werden muss, den
Wander- und Fahrradurlaub mit dem Wassertourismus zu verbinden. Thüringen ist unter anderem
auch ein Tourismusland, welches optimiert werden
kann. Die Betonung liegt hier aber auf „kann“.
Der Antrag bzw. die Antworten daraus helfen bei
der Optimierung des Wassertourismus. Sehr gespannt sind wir auch auf den Bericht der Landesregierung, wie der Wassertourismus in Thüringen finanziell unterstützt werden kann. Deshalb unterstützen wir von der AfD gern den Antrag auf Bericht
der Landesregierung, jedoch stellt sich für uns die
Frage, wie die Weiterentwicklung des Wassertourismus gerade auch im Hinblick auf die finanzielle
Situation hier möglich sein soll. Auch die Haushaltslage ist sehr angespannt, das wissen viele, denn
monatlich steigen die Kosten im Bereich Asyl. Daher wird eine weitere Unterstützung durch die AfDFraktion nur dann erfolgen können, wenn es ein
schlüssiges Konzept geben sollte und es die Finanzlage in Thüringen zulässt. Es sollten in Zukunft
weiterhin zuerst die touristischen Markenkerne wie
Kultur und Geschichte die Hauptrolle spielen und
hier nicht unbedingt vernachlässigt werden. Daher
werden wir uns leider zum zweiten Teil des Antrags
nur enthalten können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall AfD)
Vizepräsident Höhn:
Weiterhin hat sich Abgeordneter Adams, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen, zu Wort gemeldet.
Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und
Kollegen, was für ein schöner Tag, was für ein
glückliches Land, in dem alle demokratischen Parteien den Wassertourismus stärken wollen, natürlich auch Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Es ist richtig, Frau Kollegin Mühlbauer, dabei sind
natürlich Frösche, Lurche und auch die Fische, die
Wasserpflanzen, aber auch die Weiden am Ufer ein
ganz wichtiger Bestandteil.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
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(Abg. Adams)
(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Aber das alles soll natürlich nur dem einen Zweck
dienen: Dass die Menschen sich am Wasser, im
Wasser, aber auch unter dem Wasser und auf dem
Wasser gut erholen können.
(Beifall SPD)
Hier kann Thüringen noch einiges leisten. Wir wissen alle, 3,2 Milliarden Euro Umsatz im Jahr werden in Thüringen durch den Tourismus generiert.
Richtig schon gesagt worden vom Kollegen Korschewsky und auch von dem Kollegen der CDUFraktion, um das mal zusammenzubringen an diesem Tag, ist, dass wir hier noch Ausbaumöglichkeiten haben. Das ist eine Wachstumsbranche. Hier
können wir noch vieles machen. Schaut man sozusagen nach Mecklenburg-Vorpommern, gewiss mit
viel mehr Wasser, gewiss mit viel mehr Touristen,
gewiss auf einem höheren Level, aber das kann
man sich mal anschauen in der Steigerungsrate. In
Mecklenburg-Vorpommern hat man es geschafft,
innerhalb von zehn Jahren den Anteil am Wassertourismus, am individuellen Tourismus zu verdreifachen. Wenn es uns jetzt nur gelingen würde, den
Wassertourismusanteil in Thüringen zu verdoppeln,
dann wären wir schon einen großen Schritt weiter
und hätten unseren Tourismusstandort Thüringen
gestärkt. Ganz wichtig ist uns Grünen, das wird niemanden verwundern, natürlich der Naturtourismus.
Hier ist Wassertourismus ein ganz wichtiger Bestandteil. Saale, Werra, Unstrut als die Hot Spots
natürlich, aber auch Gera, Elster usw., die vielen
kleinen Gewässer, an denen man etwas machen
kann. Jetzt ist Frau Tasch leider nicht da, aber alle
wissen, dass Frau Tasch ja ein von mir sehr bewundertes Projekt auf den Weg gebracht hat im
Eichsfeld, nämlich einen Biwakplatz an einer Wanderroute auszurichten, aufzubauen, kommunal zu
betreiben. Und das wäre, denke ich, auch ein Ansatzpunkt, um an unseren Flüssen Möglichkeiten
für Wasserwandertourismus zu schaffen, indem wir
mit ganz geringen Mitteln ganz naturnah und viel
Möglichkeit zum Naturerlebnis, viel Möglichkeit zum
Familientourismus über – bitte?
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Dirk, sage
doch, dass du dort mit Frau Tasch übernachten willst!)
(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ja, wenn es eingeweiht wird. So haben wir das vereinbart. Ich habe auch gehört, dass schon das Thema in der CDU-Fraktion gewesen ist, ob das offensichtlich parteikonform ist.
(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Richtig ist, den Biwakplatz im Eichsfeld, wenn er
dann da ist, werde ich sehr gern mit Kollegin Tasch
einweihen, natürlich. Ja, was denn sonst, was denn
sonst? Wer, wenn nicht wir, weihen diesen Biwakplatz ein? Also, zurück: Saale, Werra, Unstrut, Biwakplätze, da ist dann viel Platz zum Einweihen.
Lieber Herr Kollege Mohring, da gibt es auch für
Sie noch Möglichkeiten, den Schlafsack auszurollen
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nicht mit
euch beiden!)
(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und sich, aber man kann auch viel Naturerfahrung
als Einzeltourist sammeln.
(Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Das ist alles möglich. Biwak, Naturtourismus ermöglichen das.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kollege
Bühl hat einen ganz wichtigen Satz gesagt. Er hat
nämlich gesagt, wir müssen auch auf die Nischen
schauen. Wenn man sich aber verdeutlicht, dass
man – das ist natürlich, und ich setze ein „leider“
voran – in Thüringen an mehr Tagen im Jahr mit Sicherheit Wassertourismus betreiben können, als wir
Wintertourismus betreiben können, dann wird deutlich, dass dieser Wassertourismus eigentlich gar
keine Nische, sondern ein großes Feld ist, ein starkes Feld, in dem wir etwas machen können. Vielleicht werden dann irgendwann auch noch mal die
Winter schöner, der steht vor der Tür. Vielleicht haben wir einen schneereichen Winter. Das würde
mich sehr freuen, um den Wintertourismus hier in
Thüringen wieder auf Touren zu bringen. Aber wie
gesagt, der Wassertourismus ist hierbei keine Nische, sondern eigentlich ein ganz wichtiges Feld.
Und auch das noch der Vollständigkeit halber:
Wenn wir, Kollege Korschewsky hat es schon angesprochen, den Wassertourismus stärken wollen,
funktioniert das nicht neben dem Städtetourismus,
neben dem Wandertourismus, neben dem Wintertourismus und neben dem Radtourismus, sondern
im Prinzip nur in einer Verknüpfung. Und das wäre
natürlich eine wunderbare Sache, wenn man vom
Inselsberg nach Hörschel wandern würde, am
nächsten Tag gleich rein ins Kajak, weiterfährt und
dann natürlich den Werra-Hainich-Radweg, ganz
wunderbarer Radweg, mit dem Mountainbike zu
Ende fährt. Wenn man möchte, kann man den dann
bis zur Gera fahren und wieder ins Kanu steigen,
nach Erfurt rein, wie fantastisch wäre dieses Land,
wenn wir das alles hinbekommen. Insofern, wir
Grünen sind dabei, und ich freue mich darauf, dass
wir eine breite Zustimmung für diesen wassertouristischen Antrag haben. Vielen Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
2420
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Adams. Ich
schaue ins Rund. Ich sehe keine Wortmeldungen
aus den Reihen der Abgeordneten. Von der Regierungsbank sehe ich eine Wortmeldung von Staatssekretär Maier.
Maier, Staatssekretär:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete, ich mache es wirklich
ganz kurz, weil die meisten Argumente schon vorgetragen worden sind. Auch ich freue mich sehr,
dass dieser Antrag heute höchstwahrscheinlich auf
einer sehr breiten Basis verabschiedet werden
kann.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Ich habe die Zusammenarbeit mit allen Fraktionen
als Neuling hier sehr konstruktiv wahrgenommen,
auch dafür meinen Dank. Ich hoffe, dass das Vorbild für weitere touristische Projekte in Thüringen
ist.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich selbst war diesen Sommer sehr viel als Tourist
in Thüringen unterwegs und habe auch zum Beispiel Wassertourismus gemacht und ich habe sehr
viele Ideen, die ich dann auch gern in den weiteren
Prozess einbringen will, und freue mich ganz besonders auf die weitere Zusammenarbeit. Danke
schön.
(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Ich schließe die Aussprache und wir kommen zur
Abstimmung, zunächst einmal über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft
und Wissenschaft in der Drucksache 6/1005. Wer
dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen.
Danke schön. Das sind die Stimmen aus fast allen
Fraktionen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen?
Stimmenthaltungen aus den Reihen der AfD. Damit
ist diese Beschlussempfehlung angenommen.
Nun stimmen wir ab über die Nummer II des Antrags der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/828 unter
Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung
der Beschlussempfehlung. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt auch um
das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen?
Keine. Stimmenthaltungen? Aus der AfD-Fraktion.
Damit ist mit großer Mehrheit die Nummer II des
Antrags angenommen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10
Informationsdefizite der Landesregierung bei der Unterbringung von Flüchtlingen beseitigen
Antrag der Fraktion der CDU
- Drucksache 6/1050 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Ich sehe ein Kopfschütteln. Dann eröffne ich die Aussprache und ich rufe als Ersten den Abgeordneten Herrgott, CDU-Fraktion, auf.
Abgeordneter Herrgott, CDU:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten
Damen und Herren, die Liste der Informationsdefizite, welche die Landesregierung seit Monaten bei
der Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen offenbart, ist lang, sehr lang, meine Damen
und Herren. Von Transparenz sind wir auf diesem
Feld leider immer noch weit entfernt. Es waren die
Ereignisse Anfang September, die uns zu diesem
nun schon zweimal geschobenen Antrag veranlasst
haben. Nichtsdestotrotz sind die aufgezeigten Probleme von vor zwei Monaten heute noch genauso
aktuell wie damals. Am Freitag, dem 5. September,
erfuhren der Landrat des Saale-Holzland-Kreises
und der Bürgermeister von Hermsdorf von Aktivitäten in einer Industriehalle in Hermsdorf. Ohne vorherige Kenntnis der vor Ort verantwortlichen Kommunalpolitiker wurde dort eine Halle bereits seit Beginn der Woche für eine Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen als Notunterkunft hergerichtet. Reinigungsarbeiten wurden durchgeführt,
Toiletten aufgestellt und ein Wachschutz eingesetzt. Verbindliche Auskünfte bekamen die kommunalen Verantwortlichen, die von Anwohnern auf dieses Treiben aufmerksam gemacht wurden, selbst
auf Nachfrage nicht. So konnte nicht einmal genau
gesagt werden, wer denn nun hier verantwortlich
sei und ob es schon einen Mietvertrag gebe. Das
mit dem Mietvertrag für diese Halle hat dann nach
einigem Hin und Her wohl geklappt. Aber so spät,
dass die Helfer des DRK an dem Samstag für zwei
Stunden nicht das Gelände betreten konnten und
vor dem Tor warten mussten, um endlich die Feldbetten aufbauen zu können, wofür sie angefordert
worden waren. Der Wachschutz hatte noch keine
Freigabe. Am Samstagabend schließlich wurden
dann dort die ersten Menschen in einem Notquartier untergebracht. Diese Chronologie von Heimlichtuerei, Intransparenz oder schlicht mangelhaftem
Prozessmanagement ließe sich noch viel detaillierter ausführen. Das erspare ich Ihnen aber jetzt.
Denn das Bild der Handelnden im Migrationsministerium und im Landesverwaltungsamt wird dadurch
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2421
(Abg. Herrgott)
nicht mal im Ansatz besser oder nachvollziehbarer.
Weder die Kommunikation mit den kommunal Verantwortlichen noch mit den Freiwilligen vom DRK
klappte. Ein Unding, meine sehr verehrten Damen
und Herren. Hermsdorf ist hier aber nur ein unrühmliches Beispiel von weiteren.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ich
bin empört!)
Von den Vorgängen in Bad Lobenstein ganz zu
schweigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gut gemeint ist eben nicht das Gleiche wie gut gemacht.
In der Regel ist es sogar das Gegenteil. Gut gemacht ist es, die Leute erst zu informieren, wenn etwas auch wirklich feststeht. Da kann man problemlos mitgehen. Jede Idee gleich nach außen zu tragen, schürt mehr Unruhe als es Klarheit bringt.
Wenn aber die Unterschrift unter dem Mietvertrag
getrocknet ist, bereits Toiletten angeliefert werden
und man Betten aufbaut, dann ist es zu spät, von
rechtzeitiger Information zu sprechen. Jede Verzögerung an dieser Stelle ist nur noch gut gemeint,
vielleicht um weniger Diskussionen vor Ort aufkommen zu lassen. Es ist aber in keinem Fall gut gemacht.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Das haben wir doch gar nicht nötig!)
Dann tun Sie doch was anderes, Herr Adams. Seien Sie gewiss, die Menschen sind sehr aufmerksam geworden, meine Damen und Herren, und bekommen in unseren Tagen sehr schnell mit, wenn
in bisher ungenutzten Objekten plötzlich Betriebsamkeit herrscht. Da entsteht schnell eine unübersichtliche Gerüchteküche, die man hinterher kaum
noch vernünftig wieder einfangen kann.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Was würden Sie zum Zelten sagen?)
Wenn nach einem Jahr plötzlich um ein Objekt der
Rasen gemäht und die Eingangsbeleuchtung erneuert wird, sind die Befürchtungen groß, dass am
nächsten Tag ohne Vorwarnung und ohne Information der erste Bus mit Asylbewerbern vor der Tür
steht.
(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Menschen ängstigt hier nicht die Tatsache,
dass dort unter Umständen Asylbewerber und
Flüchtlinge untergebracht werden, Herr Adams.
Nein. Die Angst rührt zum Großteil aus der Ungewissheit, ob, wann und wie viele untergebracht werden, und ob man hierzu etwas erfährt, bevor die
Menschen einfach da sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine zeitgerechte Information der Verantwortlichen vor Ort
ist hier unerlässlich. Sind der Landrat und der Bürgermeister doch die ersten, an die Fragen, Ängste
und Sorgen artikuliert werden, und die diese auch
mit den richtigen Informationen entkräften können.
Wenn diese dann aber genauso ratlos vor der Einrichtung stehen wie die fragenden Bürger und
nichts sagen können, weil sie nichts wissen, ist das
ein fatales Signal. Ich war selbst bei der ohne Vorwarnzeit entschiedenen Räumung der Polizeistation Lobenstein vor Ort, mit dem Landrat, dem Bürgermeister und den Landtagskollegen Stefan Gruhner und Ralf Kalich. Der Vorgang war offensichtlich:
Die Menschen kamen vom nahegelegenen Supermarkt herüber und hatten natürlich viele Fragen, als
die Dienststellenschilder der Polizei abgeschraubt
wurden. Von den Medienvertretern mal ganz zu
schweigen. Nur, keiner von uns konnte eine belastbare Antwort geben. Dabei ist es völlig egal, welches Parteibuch hier Landrat, Bürgermeister oder
die Abgeordneten haben. Wir wurden im Vorfeld alle gleichberechtigt im Dunkeln gelassen. Ich hatte
nach den Beteuerungen der Landesregierung in
diesem Fall und dem Verweis auf einen Einzelfall
und eine absolute Not- und Ausnahmesituation im
Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz auf Besserung gehofft. Leider ist dies nur
punktuell eingetreten.
Dafür hier nur mal ein aktuelles Beispiel der letzten
zwei Wochen. Der Bürgermeister von eben jenem
Bad Lobenstein erfuhr in der vergangenen Woche
aus der Zeitung, in der ein Artikel Bundeswehrsoldaten beim Aufbau von Doppelstockbetten zeigte,
dass die Kapazität der Notunterkunft in Bad Lobenstein um 100 Prozent aufgestockt wurde. Nicht zwei
oder drei Plätze, sondern plötzlich 200 statt
100 Personen in der Notunterkunft. Der Landkreis
und der Betreiber waren schon mehrere Tage vorher informiert worden. Hier geht es nicht darum, ob
die Aufstockung notwendig, sinnvoll und praktikabel
ist, sondern hier geht es nur darum, das ordentliche
und vertrauensvolle Miteinander, das auf allen Konferenzen und Gipfeln immer so beschworen wird,
auch umzusetzen. Ich frage mich an dieser Stelle,
was daran so schwer ist, eine weitere E-MailAdresse in die Info-Mail für die Betroffenen einzufügen
(Beifall CDU, AfD)
oder an dieser Stelle einmal mehr einfach den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und statt zwei nun
drei Leute anzurufen und zu informieren.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Weil es die dreifache Zeit kostet!)
Wenn das so schwer ist, sollten Sie Ihr Prozessmanagement umgehend überprüfen.
(Beifall CDU, AfD)
2422
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Herrgott)
Herr Adams, an der Stelle die Zeit anzuführen, ist
völlig falsch, denn die Aufstockung wurde mit einer
Vorwarnzeit von einer Woche geplant. Da können
Sie mir nicht sagen, dass in der einen Woche nicht
die Zeit war, einen Bürgermeister noch zusätzlich
anzurufen oder ihm eine E-Mail zu schicken, dass
es passiert. Das können Sie mir nicht erklären!
Wenn das so schwer ist, sollten Sie Ihr Prozessmanagement wirklich eingehend überprüfen. Denn Sie
können nicht nur Verständnis von der kommunalen
Ebene für die derzeitigen Lasten einfordern, diese
sich dann aber auch jede Information hart erkämpfen lassen, um die Lasten in Verantwortung des
Landes vor Ort ihren Bürgern zu erklären und um
Verständnis zu werben.
Sehr geehrte Vertreter der Landesregierung, kommen Sie endlich Ihrem Auftrag nach, vor allem Ihrem eigenen Anspruch auch nach, zu informieren,
und zwar zeitgerecht und umfassend
(Beifall CDU, AfD)
und transparent für die Verantwortlichen vor Ort
über feststehende Maßnahmen.
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Hören
Sie doch mit Ihrer Hetze auf!)
– Das war ja jetzt ein nachhaltiger Einwurf, Herr
Harzer, vielen Dank. –
(Heiterkeit AfD)
(Beifall CDU)
Nur so können Sie hier ein wenig Vertrauen in die
derzeitige unbestritten schwierige Situation vor Ort
für die Organisation der Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen schaffen. Nicht informieren, nur teilweise informieren oder falsch informieren hilft in der Sache nicht weiter
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Wer wurde denn falsch informiert?)
und zerstört Vertrauen vor Ort in alle Ebenen von
Politik und Verwaltung. Bei einer Anzahl von weniger als 20 Einrichtungen des Landes inklusive der
bestehenden und auch in naher Zukunft zu schaffenden Notunterkünfte muss es doch möglich sein,
über hinzukommende Standorte und wesentliche
Veränderungen in den bestehenden Einrichtungen
zeitgerecht – und damit meine ich im Ausnahmefall
auch wenige Tage –, zu informieren.
Vizepräsident Höhn:
Herr Abgeordneter, die Kollegin Rothe-Beinlich
möchte Ihnen eine Frage stellen.
Abgeordneter Herrgott, CDU:
Sehr gern.
Vizepräsident Höhn:
Bitte schön.
Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN:
Herr Herrgott, Sie sprachen soeben vom falschen
Informieren. Könnten Sie bitte mal detailliert nachweisen, wo falsch informiert wurde?
Abgeordneter Herrgott, CDU:
Beispielsweise in Hermsdorf, wo dem Landrat noch
einen Tag vorher gesagt wurde, es kommen lediglich 150 oder man wisse es nicht genau, man wisse
nicht mal genau, wann man es betreiben möchte.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Richtig!)
Dann wurde auch nur einen Tag später, obwohl
man wusste, dass ein Zug mit entsprechender Kapazität in Saalfeld ankommen würde, diese Einrichtung belegt. Und an dieser Stelle ist es falsch, entweder aus Unkenntnis oder aus Absicht, das will
ich an dieser Stelle überhaupt nicht so deutlich machen. Aber für die Maßnahmen, wo Sie wissen –
und wenn Sie am Montag Maßnahmen bestellen für
eine Einrichtung, die am Wochenende ins Netz
geht, dann können Sie am Montag auch den Landrat informieren, dass es so ist, und nicht erst am
Freitag, wenn er selber vor Ort ist und sieht, wie die
Dixis in diesen Standort reingefahren werden. Das
ist zu spät an der Stelle.
(Beifall CDU, AfD)
Vizepräsident Höhn:
Ist das der Wunsch nach einer neuen Zwischenfrage? Bitte schön.
Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN:
Sie haben eben gesagt, es wurde in der Form informiert, dass gesagt wurde, entweder 150 Menschen
oder man wisse nicht genau, wie viele. Was ist jetzt
also falsch an dieser Information?
Abgeordneter Herrgott, CDU:
An dieser Information ist falsch, dass man hier nicht
deutlich gesagt hat, man rechnet an dem Samstag
mit einer Belegung, sondern man wisse es nicht genau, obwohl klar war, dass der Zug kommt.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN: Das wusste doch den Morgen
noch keiner, dass der Zug kommt.)
Natürlich wussten Sie das, das DRK wurde doch
am Morgen schon bestellt.
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
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(Abg. Herrgott)
(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ach,
wäre er doch nur Offizier geblieben!)
Vizepräsident Höhn:
Dazu möchte ich aus einer Ausschusssitzung des
Innenausschusses im Juli – glaube ich – 2014 den
damaligen Staatssekretär Rieder zitieren.
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das dürfen
Sie gar nicht!)
Der Abgeordnete Herrgott hat hier überwiegend
das Wort.
Doch, das darf ich. Ich zeige es Ihnen dann in der
Geschäftsordnung, Herr Fiedler – wo ist er
denn? –, wo drinsteht, dass ich das darf.
Abgeordneter Herrgott, CDU:
Herr Rieder sagte auf unsere Kritik über die Informationspolitik des damaligen Innenministeriums:
„Die Abstimmung und Unterrichtung des Oberbürgermeisters durch den Innenminister in der Woche
vor der Inbetriebnahme sei der Sache angemessen.“ Die Bevölkerung in Suhl hat von dieser Planung, dass auf dem Friedberg eine Erstaufnahmeeinrichtung eingerichtet werden sollte, am Tag der
Ankunft der ersten Flüchtlinge erfahren, als sie
nämlich gesehen haben, da steigen ausländische
Menschen aus Bussen aus. Da hat die Bevölkerung
davon erfahren. Das ist ein Jahr her, das stimmt,
aber ich will daran erinnern, dass es da um 136
Plätze ging und wir uns in einer völlig anderen Situation befunden haben als in diesem Jahr im Juli
oder im August, als es in Bad Lobenstein um diese
schnelle Entscheidung ging.
Überwiegend, das ist aber schön.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Forderung in unserem Antrag ist im Kern eine Selbstverständlichkeit. Dennoch müssen wir diese aufgrund der Ereignisse in den letzten Monaten noch
einmal deutlich einfordern. Daher werbe ich um Zustimmung für unseren Antrag und verbinde damit
die Hoffnung, dass wir über Selbstverständlichkeiten in Zukunft nicht mehr debattieren müssen. Und
für Notfallsituationen – um das noch mal klar zu sagen – hat hier jeder Verständnis, aber bei Maßnahmen, die eine Woche vorher bekannt sind und eine
Woche vorher informiert werden an einen Teil der
Betroffenen, aber eben nicht an alle, hat niemand
Verständnis, dass nur ein Teil informiert wird und
eben nicht alle. Da müssen Sie Ihre eigenen Prozesse überprüfen, und dann sind wir alle vor Ort
auch gern bereit, das mit durchzutragen und auch
zu begründen. Aber wenn wir es nicht wissen, dann
können wir Sie in Ihrer Aufgabe und in dieser
schwierigen Aufgabe der Unterbringung von Asylbewerbern, die da sind und untergebracht werden
müssen, auch nicht unterstützen, meine Damen
und Herren.
(Beifall CDU, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos)
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächste
spricht von der Fraktion Die Linke Frau Abgeordnete Berninger.
Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, mein lieber Herr Herrgott!
(Heiterkeit DIE LINKE)
Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht, das
stimmt ja im Prinzip. Dieser Spruch ist ja nicht so
weit hergeholt. Wie selbstgerecht der aber ist, wenn
er ausgerechnet aus der CDU-Fraktion kommt,
meine Damen und Herren, das will ich mal an dem
Beispiel der Einrichtung der Erstaufnahmestelle in
Suhl belegen.
(Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Meine Damen und Herren, das ist ein Jahr später!)
Dazu komme ich später, Herr Herrgott.
Sie verlangen, dass die Landesregierung ihre Informationspolitik, das Informationsmanagement verbessert. Meine Damen und Herren von der CDU,
ich verlange, dass Sie nicht länger Schlagzeilen
produzieren, die geeignet sind, Leute aufzuhetzen,
aufzuwiegeln, wie Herr Fiedler beispielsweise
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
am 05.09. in der „Ostthüringer Zeitung“. Da ging es
um diese schnelle Entscheidung in Hermsdorf und
Herr Fiedler hat da die Pferde scheu gemacht – das
ist ein bisschen salopp gesagt –, aber da einen Aufstand gemacht, die Zeitung dort mit angeschleppt
und ist mit Äußerungen zitiert worden, die eben geeignet sind, Menschen gegen die Unterbringung
von Flüchtlingen aufzuwiegeln. Und ich will mal darauf hinweisen, dass Hermsdorf als Notunterkunft
aufgemacht worden ist, für Notfälle, für Fälle, wenn
gerade die anderen Plätze in Erstaufnahmeunterkünften nicht reichen. Das, was Herr Fiedler damals
gemacht hat und vorher auch schon der Herr Abgeordnete Gruhner, das ist das Schüren von Unsicherheit, von Ängsten. Herr Gruhner hat Sodom
und Gomorrha herbeibeschworen, weil angeblich
keine Polizeiarbeit in Bad Lobenstein mehr möglich
sein solle. Völlig an der Realität vorbei, meine Damen und Herren! Und Herr Gruhner hat auch noch
die Entscheidung der Landesregierung kritisiert, Zitat aus dem „Freien Wort“: „Das gefährdet die öffentliche Akzeptanz für Asylbewerber.“
(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Das
war an der Realität vorbei!)
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(Abg. Berninger)
Es ist genau umgekehrt, Herr Gruhner. Das, was
Sie machen, nämlich zu versuchen, politisches Kapital aus dieser Notsituation zu schlagen, in der
nicht nur wir uns seit Anfang des Sommers permanent befinden, sondern in der sich Menschen befinden, die Schutz suchen. Sie gefährden damit die öffentliche Akzeptanz für Asylbewerber, meine Damen und Herren.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Frau Abgeordnete Berninger, entschuldigen Sie bitte, der Abgeordnete Herrgott möchte Ihnen eine
Zwischenfrage stellen.
Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:
Nein, eine Zwischenfrage nicht. Am Ende können
Sie mir gerne eine Frage stellen, aber ich möchte
nicht meinen Gedankengang unterbrechen.
Vizepräsident Höhn:
Dann machen wir das so.
Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:
Wie Sie das machen, das ist nicht deshalb verwerflich, weil Sie eben diese Notsituation ausnutzen, in
der sich die Landesregierung und das Landesverwaltungsamt befinden, sondern weil Sie es auf dem
Rücken der Betroffenen, der Schutz suchenden
Menschen austragen, weil Sie zulasten der Flüchtlinge sich an der rot-rot-grünen Landesregierung
abarbeiten – und das ist verwerflich, genauso wie
es der Landrat Krebs macht mit seinem offenen
Brief und dem verhängten Aufnahmestopp in dem
Landkreis Wartburgkreis, obwohl wir fast wöchentlich von Bürgerinnen und Bürgern Liegenschaften
genannt bekommen, in denen Flüchtlinge untergebracht werden könnten. Und genauso wie es die
Frau Oberbürgermeisterin Hahn in Gera gemacht
hat, die bereits im Februar 2015 angesprochen
wurde, wo es bereits im Februar erste Gespräche
gab bezüglich dieses Wismut-Krankenhauses, was
jetzt eingerichtet worden ist, und die noch im Juni,
meine Damen und Herren, dort Betten und Schränke entsorgt hat, hat wegschmeißen lassen und die
noch im Juni dafür gesorgt hat, dass dort die Medien rausgerissen werden, also Wasserleitungen,
Warmwasseranschlüsse beispielsweise, sodass es
jetzt so war, dass Flüchtlinge einige Tage lang nicht
überall in dem Haus warmes Wasser zum Duschen
gehabt haben oder um ihre Kinder zu waschen,
meine Damen und Herren. Und das von politisch
Verantwortlichen, die einfordern, man solle das Informationsmanagement verbessern.
Meine Damen und Herren der CDU, von verantwortlichen Politikerinnen und Politikern auch der
CDU erwarte ich eine andere Kommunikation und
eine andere Wahrnahme ihrer Verantwortung. – Die
Frage!
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Jetzt kommen wir zur beabsichtigten, ja, es ist keine Zwischen-, sondern eine Schlussfrage.
Abgeordneter Herrgott, CDU:
Frau Berninger, würden Sie mir zustimmen zu der
Aussage, dass in Lobenstein, in der Notentscheidung diese Polizeistation zu räumen und mit Asylbewerbern zu belegen, zunächst nicht geplant war,
am Standort Bad Lobenstein eine Polizeidienststelle zu belassen, sondern das alles von Schleiz aus
zu regeln und deshalb an diesem Tag der Eindruck
Tag entstand, dass eben keine Polizeipräsenz außer dem Kontaktbereichsbeamten in Lobenstein vor
Ort bliebe und erst auf hinterher großen Protest
parteiübergreifend aller Kommunal- und Landespolitikverantwortlichen dort eine neue Polizeistation in
dem entsprechenden Bereich eingerichtet wird?
(Beifall CDU)
Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:
Ich habe Ihre Frage verstanden. Sie müssen sie
nicht noch länger ausführen.
(Beifall DIE LINKE)
Ich würde Ihnen nicht zustimmen. Herr Herrgott,
nach meinen Informationen war es geplant, dort
einen Kontakt, also auch eine Ansprechstelle für
die Flüchtlinge, zu belassen. Nach meinen weiteren
Informationen ist es heute so, dass die Kommune
gern diese Unterbringung als Flüchtlingsunterkunft
belassen will, wenn sie nicht mehr als Erstaufnahmeeinrichtung gebraucht wird. Die Akzeptanz dort
in Lobenstein hat offensichtlich nicht gelitten.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Möller,
AfD-Fraktion, das Wort.
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Noch
ein Hetzer!)
Herr Abgeordneter Harzer, ich habe das gehört.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Das würde ich jetzt nicht
gleichsetzen!)
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Abgeordneter Möller, AfD:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Harzer, auch ich
muss mich von dieser unerträglichen Hetze von der
CDU erst einmal distanzieren. Es tut mir wirklich
leid, dass wir das hier ertragen müssen.
(Beifall AfD)
Aber gehen wir mal in medias res. Am ersten Septemberwochenende wurden in Hermsdorf in einer
Nacht- und Nebelaktion ohne Information der kommunalen Entscheidungsträger über 236 Asylbewerber untergebracht. Darauf brachte der Vorsitzende
des Stadtrats Friedhold Wöckel eine Petition an die
Landesregierung in den Stadtrat ein, in der die Landesregierung für die Anordnung der Unterbringung
durch den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow ohne jedwede Einbindung des Bürgermeisters oder
Landrats kritisiert wurde. 17 der 20 Stadträte, auch
die der Linken und der SPD, trugen die Petition mit.
(Beifall AfD)
Hermsdorf steht in einer ganzen Reihe vergleichbarer Fälle. Ein weiterer ist zum Beispiel die Belegung
der Polizeistation in Bad Lobenstein, darüber hatten
wir schon gesprochen. Sowohl die Polizei als auch
der Landkreis Saale-Orla wurden erst am Tag der
Räumung in Kenntnis gesetzt. Auch die Unterbringung von Asylbewerbern im Jenaer Schullandheim
„Stern“ zeigt, was passiert, wenn weder die Kommunalbehörden noch die Bürger rechtzeitig informiert werden. In Jena mussten trotz des Erreichens
der Kapazitätsgrenzen in den Erstaufnahmestellen
des Landes zusätzliche Asylbewerber aufgenommen werden. Das führte zur sehr kurzfristigen Belegungen des Schullandheims „Stern“ mit 29 Asylbewerbern und der zuständige städtische Fachdienst
Soziales wurde erst am selben Tag informiert. Über
zweieinhalb Wochen wurde das Schullandheim
„Stern“ gleichzeitig von Asylbewerbern und Kindern
genutzt. Das ist eine Situation, die angesichts des
mittlerweile offenkundigen Konfliktpotenzials in
Asylbewerberunterkünften nicht mehr akzeptabel
ist.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN: Ich würde meine Kinder eher
nicht mit Leuten wie Ihnen zusammenstecken!)
Also ich glaube, das ist ein großer Unterschied.
Wenn Sie heute mal aufmerksam die Zeitung gelesen haben, haben Sie zum Beispiel zur Kenntnis
nehmen können, dass in Suhl ein kleines Flüchtlingskind vermutlich von einem Afghanen schwer
misshandelt worden ist, und solche Fälle können
Sie jeden Tag lesen, wenn Sie die Presse lesen. Also so etwas kann man natürlich auch leugnen, weil
es nicht ins eigene Weltbild passt,
2425
(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
aber so ist die Realität nun mal und das ist keine
Hetze, das ist Faktenlage.
(Beifall AfD)
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: ...
Herr Möller, blenden Sie das nicht aus!)
Gehen wir mal weiter.
Vizepräsident Höhn:
Herr Möller, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Abgeordneten Wolf.
Abgeordneter Möller, AfD:
Ich würde es gern am Ende der Sitzung…
Vizepräsident Höhn:
Ende der Sitzung?
Abgeordneter Möller, AfD:
Am Ende meiner Rede würde ich das dann gern
zulassen.
Vizepräsident Höhn:
Einigen wir uns auf Ende der Rede?
Abgeordneter Möller, AfD:
Ja, genau.
Elisabeth Wackernagel, die Vorsitzende des Stadtsportbunds, war einem Artikel in der „Thüringer Allgemeine“ zufolge schockiert, als man sie darüber
unterrichtete, dass die Ferienfreizeit des Stadtsportbunds in Gefahr ist. 25 Kinder waren dazu nämlich
angemeldet und nach Ihrer Aussage bot man dann
Zelte an, in denen die Kinder hätten übernachten
können. Doch, so Frau Wackernagel, wir hatten mit
den Eltern Verträge abgeschlossen, die nun nicht
mehr umgesetzt werden konnten, da die Vertragsbedingungen nicht mehr eingehalten werden können. Manche Eltern hatten Verständnis, andere dagegen nicht. Die Kinder waren natürlich traurig, die
Eltern bekamen ihr Geld zurück. Aber was der
springende Punkt aus meiner Sicht ist, auf die Idee,
stattdessen nun die Asylbewerber in Zelten unterzubringen, ist im grünen Migrationsministerium offensichtlich niemand gekommen.
(Beifall AfD)
Da fragt man sich, ob man da der Meinung ist, dass
man so eine Unterbringung zwar Kindern zumuten
kann, Asylbewerbern aber nicht. Das finde ich, ehrlich gesagt, etwas seltsam.
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Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Möller)
Es gab in den Sommerferien noch weitere Veranstaltungen im Schullandheim „Stern“. Andere Veranstalter wollen nicht in der Öffentlichkeit zitiert
werden aus Angst, dass ihnen zukünftig die Eltern
abspringen, wenn sie sich öffentlich dazu äußern,
dass sie Ferienkinder und Flüchtlinge in einer Unterkunft unterbringen, so die „Thüringer Allgemeine“. Das habe ich mir nicht ausgedacht. Übrigens
musste im Schullandheim „Stern“ auch das internationale studentische Workcamp abgesagt werden,
durch die Unterbringung der Asylbewerber fehlen
nämlich Übernachtungsplätze für Studenten aus
zwölf Ländern.
In der Gesamtschau gewinnt man über diese Ereignisse den Eindruck, dass der Landesregierung völlig egal ist, was für Auswirkungen ihre offensive und
von Rechtsbrüchen begleitete Landesasylpolitik für
unsere Gesellschaft hat. Da werden langjährige
Nutzungen beendet, bestehende Verträge ignoriert
und die Erfüllung anderer staatlicher Aufgaben hinten angestellt. Da werden dörfliche Gemeinschaften
mit außer Verhältnis stehenden Asylbewerberzahlen völlig überfordert, da werden Turnhallen zu
Asylbewerberunterkünften umfunktioniert, übrigens
ein klares Signal, welchen Stellenwert die Landesregierung schulischen und außerschulischen Sportangeboten beimisst, übrigens trotz der bereits bekannten Bewegungsarmut unserer Gesellschaft.
Man stellt sich dann die Frage: Gibt es ein Mitspracherecht für die Betroffenen? Nein. Fehlanzeige.
Einwände der Anwohner werden bestenfalls in
mehr oder weniger gut orchestrierten Bürgerveranstaltungen zur Kenntnis genommen und wolkige
Versprechungen verteilt, wie etwa, dass die Polizei
auf jeden Fall in der Lage sei, die Dinge im Griff zu
halten, dass es zu keinen Kriminalitätsschwerpunktbildungen kommt. Nur glauben tut das am Ende
eben keiner mehr. Daran schuld ist eben auch die
Informationspolitik der Landesregierung. Das Ganze wird dann natürlich noch ergänzt durch eine grotesk tendenziöse Presseberichterstattung, in der
zum Beispiel ständig Asylbewerberfamilien oder
Frauen und Kinder abgelichtet werden, obwohl zwei
Drittel der Asylbewerber muslimisch und männlich
sind. Vermeintlich positive Umstände werden von
Medien, aber auch von der Landesregierung überbetont bzw. frei erfunden, etwa das Märchen von
den zugewanderten Fachkräften, und negative
Aspekte wie Straftaten oder inakzeptable Verhaltensweisen von Asylbewerbern werden weggelassen, beschönigt oder als Einzelfall dargestellt. Wer
diese Fakten dann aber richtigstellt, wer sie benennt, der ist eben ein Hetzer oder eben ein „brauner Staubsauger“, das ist die Wortwahl, glaube ich,
von Ministerpräsident Ramelow.
All dies sind zum Teil schon absurde Umstände, die
uns Thüringer verdächtig an die Endzeit der DDR
erinnern. Das mag Migranten wie Frau Marx oder
dem Herrn Ramelow und Herrn Lauinger nicht ganz
so bewusst sein, die hatten die damalige Situation
auf der anderen Seite des Grenzzauns erlebt. Ein
Großteil dieser Umstände wird von der Landesregierung mit dem angeblich unabwendbaren Unterbringungsmehrbedarf begründet, wobei man natürlich nicht vergessen darf, dass es die Landesregierung ist, die auf freiwillige Ausreise von abgelehnten Asylbewerbern setzt und für die Blockade notwendiger Unterbringungskapazitäten durch die
ideologisch motivierte Verweigerung der Verbesserung einer Abschiebepraxis oder Maßnahmen zur
Beschränkung des Asylmissbrauchs, wie zum Beispiel die Einrichtung von Transitzonen, selbst mitverantwortlich ist.
Und dass nun gerade der Migrationsminister Ramelow sich in diesen Fragen zur rechtlichen Beurteilung aufschwingt, zum Oberexperten aufschwingt,
das ist schon mehr als seltsam, denn gerade er ist
ja einer der Väter des rechtswidrigen Winterabschiebestopps und er hat überhaupt kein Problem
damit, rechtswidrige Zustände im Ausländerrecht
zu dulden. Ausbaden dürfen das Ganze dann die
Kommunen und die Bürger unseres Landes. An
dieser Praxis zeigt sich, was regieren nach rot-rotgrüner Art bedeutet. Von oben herab werden Befehle erteilt, die umzusetzen sind, Bürgermeistern
oder Landräten, die gegen diese Praxis Kritik üben,
droht man im rot-rot-grünen Herrschaftsgebiet
schon mal präventiv mit einem Maulkorberlass. Und
das hat natürlich Folgen. Laut dem Thüringentrend
vom September haben 59 Prozent der Thüringer
Angst vor der Anzahl der nach Deutschland einreisenden Asylbewerber, mittlerweile werden es wahrscheinlich schon viel mehr sein. Es sind besorgte
Bürger und keine Brandstifter und auch keine Hetzer.
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Das
sind Sie ja!)
Die übergroße Mehrheit von diesen Menschen verurteilt nämlich in derselben Umfrage auch gewalttätige Ausschreitungen. Ich kann Ihnen sagen: Das
ist auch bei unseren Anhängern nicht anders und
es ist selbstverständlich auch bei uns nicht anders.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Das haben wir gestern
Abend wieder erlebt!)
Genau. Wenn Sie gestern Abend schön zugehört
hätten, dann hätten Sie gemerkt, dass wir tatsächlich Verfolgten durchaus helfend zur Verfügung stehen, dass wir da also auch bereit sind zu helfen.
Aber wir wenden uns eben gegen Asylmissbrauch
und vor allem wenden wir uns gegen die Verklärung von irgendwelchen Umständen. Wir wenden
uns gegen Lügen, gegen Halbwahrheiten. Das ist
eben in diesem Sachgebiet gerade in Ihrer Argumentation ganz häufig zu finden.
(Beifall AfD)
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
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(Abg. Möller)
Ja, wie gesagt, bei Ihrer Landesasylpolitik ist es im
Grunde kein Wunder, dass sich solche Ängste aufbauen. Und diese Ängste zeigen vor allem eines:
Sie zeigen nämlich allen medialen Unkenrufe von
der angeblichen Beliebtheit des Ministerpräsidenten
zum Trotz, dass das Vertrauen der Thüringer in die
Kompetenz der Landesregierung bei einem der
wichtigsten innenpolitischen Themen flächendeckend verloren gegangen ist. Vielen Dank.
(Beifall AfD)
Vizepräsident Höhn:
Es war noch der Wunsch nach einer Schlussfrage.
Herr Abgeordneter Wolf verzichtet. Wo ist Abgeordneter Harzer? Da ist er. Es gibt Worte, die benutzt
man schlicht nicht in diesem Plenarsaal. Für den
Zwischenruf „Hetzer“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf.
(Beifall AfD)
Jetzt kommen wir zum nächsten Redner bzw. der
nächsten Rednerin und das ist Frau Abgeordnete
Rothe-Beinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten
Damen und Herren, der Antrag ist überschrieben
mit „Informationsdefizite der Landesregierung bei
der Unterbringung von Flüchtlingen beseitigen“.
Und das, was wir hier gehört haben, das war schon
spannend. Denn auch ich erinnere mich sehr gut an
den 5. September, denn es geht ja ganz ursächlich
um den 5. September, glaubt man den Worten, die
Sie zur Begründung auch Ihres Antrags genutzt haben. Vielleicht erinnern Sie sich auch mal zurück an
Anfang September, welche Situation wir da hatten.
Und wir, damit meine ich nicht nur in Thüringen,
sondern wir, damit meine ich deutschlandweit, vor
allem die Situation in München, wo Tausende, ja
Zehntausende Flüchtlinge aus Österreich ankamen
und viele überwältigt waren von der Hilfsbereitschaft der Münchnerinnen und Münchner, die am
Bahnhof Kleidung, Essen, Spielzeug für die dort ankommenden Flüchtlinge bereitgestellt haben. Es
kamen Menschen, die teilweise seit Monaten auf
der Flucht waren, die einen Teil ihrer Familie verloren haben auf dieser gefährlichen Flucht, die völlig
erschöpft über Österreich in München ankamen
und die auf ein besseres Leben hofften. Und München bzw. Bayern war nicht in der Lage, all die vielen Menschen, die dort ankamen, auch entsprechend unterzubringen, meine sehr geehrten Damen
und Herren. Da gab es den Hilferuf aus Bayern an
alle anderen Bundesländer, sich zu beteiligen,
Menschen aufzunehmen. Und ich sage es hier
noch einmal: Ich bin froh, ich bin auch stolz, dass
Thüringen als ein Land, das eben nicht vor einer
solchen Situation wie München stand oder – in Anführungszeichen – dieser Herr werden musste, sofort gesagt hat: Ja, wir sind bereit, auch Flüchtlinge
aufzunehmen. An dem 5. September fand die Mitgliederversammlung des Landesfrauenrats in Weimar statt, wo ich als Delegierte zugegen war. Gegen Mittag bekam ich dann den Anruf, dass es sein
könnte, dass ein Zug mit Flüchtlingen aus München
nun auch nach Thüringen kommt. Niemand wusste
wann, niemand wusste genau wohin und es wusste
schon gar niemand, wie viele Menschen sich in diesem Zug befinden. Trotzdem haben alle, die in diesem Land Verantwortung tragen, sofort versucht,
alles möglich zu machen, um die ankommenden
Menschen hier herzlich willkommen zu heißen.
Auch das hatte nicht nur einen guten Grund: Wir alle hatten die Bilder aus Sachsen vor Augen, wo ein
wütender Mob auf Asylsuchende losgegangen ist
und wo bittere Assoziationen an die Zeit der rassistischen Pogrome in Rostock vor vielen Jahren
hochgekommen sind.
Uns war es wichtig, dass Flüchtlinge, die gerade
dem Tod im Krieg entronnen sind, unter denen viele Kinder waren, in Thüringen herzlich willkommen
geheißen werden. Dafür galt es, schnell eine Möglichkeit zu finden. Daraus nun den Vorwurf zu konstruieren, hier wäre zu spät informiert worden, wo
selbst die Staatssekretärin, der Minister, die Beauftragte, das Landesverwaltungsamt bis zum frühen
Abend nicht genau wussten, wann, wo und wie viele Menschen bei uns ankommen, das ist dann tatsächlich populistisch, meine sehr geehrten Damen
und Herren. Das ärgert mich auch so sehr an diesem Antrag.
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wie sollte man denn eher informieren, wenn man
gar nicht eher genau wusste, was passiert? Ganz
ehrlich, wir sind froh, dass in Thüringen keine
Flüchtlinge in Zelten untergebracht werden müssen. Wir hatten eine kurze Übergangszeit vor der
Erstaufnahme in Eisenberg, wo Menschen ankamen, wo es Zelte brauchte.
Aber erinnern Sie sich mal an die Temperaturen vor
wenigen Tagen, bei mir in Erfurt-Marbach auch minus 4 Grad – wenn jetzt Menschen in Zelten leben
müssten. Da ist Ihr Vergleich, Herr Möller, mehr als
zynisch, zu sagen, es würde deutschen Kindern zugemutet, in den Sommerferien während einer Freizeit mal in einem Zelt zu wohnen, während wir hier
über die Unterbringung von Menschen reden, die
geschwächt sind, die monatelang auf der Flucht
waren und die keine Sommerferien machen, sondern die schlichtweg Frieden, die schlichtweg eine
menschenwürdige Unterbringung suchen.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
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Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Rothe-Beinlich)
Ja, auch ich bin vielleicht manchmal ungeduldig,
das gehört zu meinem Naturell, das Ministerium
weiß das. Auch ich sage, ich wüsste gern manches
eher, ich wüsste manches gern genauer, ich wüsste auch als Stadträtin in Erfurt sehr gern manches
sehr viel eher, was, wo, wie passiert. Aber in der
Not stellt man, glaube ich, nicht so viele Fragen,
sondern in der Not hilft man oder man unterlässt
es, so wie Sie, insbesondere von der AfD, meine
sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN)
Thüringen hat sich entschieden zu helfen. Ich finde,
das ist gut so. Da saßen zum Glück auch alle in einem Boot, auf kommunaler Ebene, auf Landesebene. Deswegen halte ich es auch nicht für fair, jetzt
Ebenen gegeneinander auszuspielen oder gar Institutionen gegeneinander auszuspielen.
Wir wissen um die schwierige Situation, auch in
den Kommunen. Trotzdem haben sie immer wieder
getan, was sie konnten, das gilt auch für Hermsdorf, das gilt im Übrigen auch für Bad Lobenstein.
In Bad Lobenstein ist das offenkundig so gut gelungen, dass sich die Kommune sogar vorstellen kann,
diese Einrichtung – die ehemalige Polizeistation –
auch als eine kommunale Einrichtung fortzuführen,
meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir alle wissen um die Zahlen von Flüchtlingen, die
auch heute Tag für Tag hier ankommen. Es wird
immer kälter, und ich sage Ihnen, natürlich muss informiert werden, natürlich brauchen wir ein gutes
Miteinander, eine gute Projektsteuerung, wie Sie es
genannt haben, und gelingende Steuerungsprozesse. Vor allem aber braucht es auch den Willen, das
gemeinsam schaffen zu können. Wenn dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, hier wiederum nur Angst gemacht wird von der AfD-Fraktion,
von der ich allerdings auch nicht sehr viel mehr erwarte, dann muss ich sagen, das ist grob fahrlässig. Vergewaltigungsmythen wurden gestreut, wir
wissen das alle. Das ist in den Zeitungen zum
Glück klargestellt worden. Da wurden Ängste geschürt, da wurde Angstmacherei betrieben.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Fakten!)
Das finde ich, geht nicht. Wir müssen Ängste ernst
nehmen und keine Dinge erfinden, wie Sie von der
AfD es immer wieder tun, indem Sie sie auch noch
über Ihre Netze etc. weiterverbreiten.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Was haben
wir denn erfunden?)
Ich habe mir gestern auf dem Domplatz Ihre Rede
angehört, Herr Möller, ich habe sehr genau zugehört und das fällt wirklich schwer. Ich habe mir auch
die Rede von Herrn Brandner angehört. Nein, Sie
brauchen sich gar nicht bemühen, ich werde Ihnen
keine Frage beantworten, Herr Brandner.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Nennen Sie
doch mal ein Beispiel! Das können Sie nicht!)
Ich werde jetzt ein Beispiel bringen.
Vizepräsident Höhn:
Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, es gibt den
Wunsch auf eine Zwischenfrage des Abgeordneten
Brandner.
Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN:
Das mag sein, aber ich habe nicht den Wunsch,
diese zu beantworten.
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das ist
schade, sehr schade!)
Ich möchte ein Beispiel benennen, was ich wirklich
bitter finde. Auch wenn es sich nicht in Thüringen
zugetragen hat, so ist es doch symptomatisch. In
Berlin ist ein vierjähriger Junge vor einer Gemeinschaftssammelstelle verschwunden. Was mussten
sich die Eltern für rassistische Unterstellungen gefallen lassen, sie würden ja nur, um Asyl zu bekommen, behaupten, das Kind wäre weg. Ich sage
ganz deutlich: Unsere Anteilnahme ist bei den Eltern, die ihren Jungen vor wenigen Tagen begraben
mussten. Mir ist völlig egal, welche Nationalität
– das muss ich sagen – der Täter hatte. Menschen,
die anderen Menschen Schaden zufügen, Menschen, die aber auch angebliche Vergewaltigungen
etc. erfinden, nur um andere Menschen in Misskredit zu bringen, handeln schlichtweg unmenschlich.
Die Würde des Menschen ist unantastbar und sie
ist auch migrationspolitisch nicht zu relativieren.
Werte Kollegen von der AfD, lassen Sie sich das
gesagt sein.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das haben
wir auch nicht gemacht!)
Ich habe keine Angst vor Flüchtlingen – das unterscheidet uns vielleicht –, aber ich habe Angst vor
Menschen, die als Brandstifter unterwegs sind und
Brandreden halten,
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Wir haben
Angst vor Ihnen, Frau Rothe-Beinlich!)
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist einen
Ordnungsruf wert!)
Lassen Sie mich jetzt zum Schluss kommen. Das
Land erstattet den Kommunen annähernd 100 Prozent ihrer Kosten über die Flüchtlingserstattungsverordnung. Unbürokratisch können Investitionsmittel zur Schaffung von weiteren Unterbringungsplätzen abgerufen werden. Wir haben die Mittel für die
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2429
(Abg. Rothe-Beinlich)
Sozialbetreuung
in
den
Kommunen
zum
01.10.2015 auf 38 Euro und zum 1. Januar auf
46 Euro aufgestockt, sodass auch hier die Kommunen von der Landesregierung weiterhin unterstützt
werden. Auch im Bereich der unbegleiteten Minderjährigen, die jetzt ab 1. November noch verstärkt zu
uns kommen werden – meines Wissens sind es etwas über 700 unbegleitete Kinder und Jugendliche,
die im Moment schon in Thüringen sind –, übernimmt der Freistaat die wesentlichen Kosten, die
den örtlichen Trägern der Jugendhilfe entstehen.
Es lässt sich sicher noch vieles verbessern, auch in
der Kommunikation, da bin ich mir auch sicher. Wir
sehen beispielsweise auch Handlungsbedarfe bei
der Asylverfahrensberatung oder bei der Koordinierung des Ehrenamts. Wir brauchen natürlich dringend auch die schon lange versprochenen Stellen
beim BAMF. Noch immer haben wir gerade mal
zwölf Entscheider, wenn ich es richtig weiß, in
Hermsdorf sitzen. Das sind viel zu wenige, meine
sehr geehrten Damen und Herren.
Dieses Antrags der CDU jedoch bedarf es nicht und
deshalb werden wir ihn ablehnen. Vielen herzlichen
Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Nun hat Frau Abgeordnete Lehmann, SPD-Fraktion, das Wort.
Abgeordnete Lehmann, SPD:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete, es kommt, ehrlich gesagt,
selten vor, dass ich sprachlos bin. Wenn Sie meine
Eltern fragen würden oder meine Freunde, dann
würden die sagen, dass das eher der Ausnahmefall
ist, aber ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht mehr,
was ich sagen soll, wenn hier im Parlament offen
rassistische und fremdenfeindliche Lügen verbreitet
werden. Ja, dann beugt das Ängsten und Vorurteilen nicht vor, sondern das schürt Ängste und Vorurteile.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Dann muss man sich eben auch den Vorwurf gefallen lassen, dass man rassistische und fremdenfeindliche Hetze verbreitet.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Bringen Sie
doch mal ein Beispiel!)
(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Wer macht
denn so was?)
Grundsätzlich ist es natürlich richtig, was im CDUAntrag steht, es braucht einen engen Austausch
zwischen Kommunen und Land, wenn wir über
Flüchtlingspolitik sprechen. Es freut mich sehr,
dass das auch die CDU erkannt hat. Ich frage mich
ganz im Ernst, warum Sie das eigentlich nicht umgesetzt haben, als Sie selbst in Regierungsverantwortung waren und selber das damals noch zuständige Innenministerium geführt haben.
Vizepräsident Höhn:
Frau Abgeordnete Lehmann, es gibt den Wunsch
nach einer Zwischenfrage des Abgeordneten ...
Abgeordnete Lehmann, SPD:
Ich schließe mich den Worten von Frau RotheBeinlich an, ich habe nicht den Wunsch, sie zu beantworten.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Sehr
schüchtern von der linken Seite!)
Das hat nichts mit Schüchternheit zu tun.
Ich frage mich, warum sie das, als sie selbst in Regierungsverantwortung waren, nicht umgesetzt haben, und ich möchte noch mal ein anderes Beispiel
als die Einrichtung der Erstaufnahme in Suhl bringen, nämlich die Frage, wie frühzeitig eigentlich
Kommunen informiert wurden, wenn Flüchtlinge
aus den Gemeinschaftsunterkünften in die Kommunen verteilt wurden. Als Ende des vergangenen
Jahres die Regierung gewechselt hat, gab es eine
relativ intensive Debatte damals, dass den Kommunen die drei Tage, in denen sie bis dahin die Information vom Landesverwaltungsamt bekommen haben, zu kurzfristig waren, und da haben wir noch
über ganz andere Flüchtlingszahlen gesprochen,
wo es durchaus möglich gewesen wäre, da eine
längerfristige Planung zu haben, vor allem weil die
Menschen, die da in Thüringen waren, einfach
schon viel länger in den Erstaufnahmeeinrichtungen gewesen sind, als wir sie in dem Fall in
Hermsdorf bzw. Saalfeld hatten. Zur Redlichkeit gehört es nämlich auch, darzustellen, in welcher Situation die Belegung in Hermsdorf passiert ist.
Wenn wir daran denken, dass fast 20.000 Menschen am Münchner Hauptbahnhof standen, davon
600 Menschen ungefähr nach Saalfeld gekommen
sind, dann ist das eine Notsituation und vor allem
nicht unbedingt für die Kommunen, sondern für die
Menschen, die das betrifft. Da frage ich mich auch,
wie in der Situation Einbindung ganz praktisch aussehen kann. Herr Herrgott, Sie haben bestimmt
noch ein bisschen Redezeit, vielleicht können Sie
uns das noch mal erklären: Sollten die 600 Menschen in Saalfeld am Bahnhof stehen bleiben, bis
die Kommune in Hermsdorf da ausreichend informiert worden ist? Ich kann mir das schlicht und ergreifend nicht vorstellen. Hätten die draußen schla-
2430
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Lehmann)
fen sollen? Da ist mir, ehrlich gesagt, Ihre Antwort
nicht ganz klar.
Vizepräsident Höhn:
Wäre jetzt der Augenblick für die Frage?
(Beifall DIE LINKE)
Natürlich ist Bürgerbeteiligung wichtig. Natürlich ist
die Beteiligung von Kommunen wichtig. Aber
manchmal braucht es da auch mehr als eine EMail. Da braucht es einen intensiven Dialog. Ich
glaube, dass sich die Landesregierung das in diesem Fall tatsächlich nicht vorwerfen lassen muss,
denn ich kann mich nicht erinnern, dass wir in den
vergangenen Jahren ähnlich viele Bürgergespräche
hatten unter Beteiligung von Kommunalpolitikern,
von Landespolitikern wie in den vergangenen sechs
Monaten.
Abgeordnete Lehmann, SPD:
Ja.
Vizepräsident Höhn:
Dann, Herr Abgeordneter Herrgott.
Abgeordneter Herrgott, CDU:
Einen kleinen Augenblick, Frau Kollegin. Der Abgeordnete Herrgott möchte Ihnen eine Zwischenfrage
stellen.
Frau Lehmann, können Sie mir bitte sagen, wie lange ein Telefonanruf eines Verantwortlichen in Saalfeld beim Landrat im Saale-Holzland-Kreis gedauert
hätte mit den Informationen, wann wie viele und zu
welchem Zeitpunkt ankommen und im Vergleich
dazu, wie lange der Transport dieser Menschen
von Saalfeld nach Hermsdorf gedauert hat und ob
man das auch parallel hätte machen können?
Abgeordnete Lehmann, SPD:
Abgeordnete Lehmann, SPD:
Gern am Ende meines Beitrags. Sie können stehen
bleiben, es dauert nicht mehr lange.
Das hängt sicher auch davon ab, wie gut erreichbar
der Landrat in dem Fall gewesen ist.
Vizepräsident Höhn:
Abgeordneter Herrgott, CDU:
Es wird dann also eine Schlussfrage?
Der ist gut erreichbar.
Abgeordnete Lehmann, SPD:
Abgeordnete Lehmann, SPD:
Es wird gern eine Schlussfrage.
Aber die Frage ist, ob es in dem Moment nicht
wichtiger war, sicherzustellen, dass die Flüchtlinge
ein Dach über dem Kopf haben, dass sie was zu
essen haben, dass sie ein Bett haben können, in
dem die schlafen, dass es sanitäre Einrichtungen
gibt. Ich glaube, das ist unstrittig, dass das erst mal
die wichtigere Frage an der Stelle ist.
Vizepräsident Höhn:
Dass die Unterbringung von Flüchtlingen eine Herausforderung ist, das steht außer Frage; dass das
teilweise gerade nicht ganz unproblematisch ist,
auch wenn wir uns die Unterbringung zum Beispiel
auf der Messe in Erfurt anschauen, dann steht das,
glaube ich, auch außer Frage. Ich glaube auch,
dass wir sagen können, dass da alle Beteiligten,
und zwar sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene, gerade sehr bemüht sind, das gut umzusetzen. Dass uns solche Anträge da aber nichts
nützen, das steht genauso außer Frage.
Auf einen Aspekt des Antrags ist bisher relativ wenig eingegangen worden, das ist die Frage der Unterstützung der Kommunen bei der Ausweitung zusätzlicher Unterbringung. Auch das machen wir.
Wir hätten das jetzt schon anders gemacht, weil
viele Kommunen nach wie vor den Wunsch haben,
Flüchtlinge dezentral unterzubringen. Das ist leider
mit der Richtlinie, die uns das CDU-geführte Innenministerium hinterlassen hat, schlicht und ergreifend nicht möglich. Deswegen überarbeiten wir gerade auch die, sodass nicht nur Gemeinschaftsunterkünfte, sondern auch dezentrale Unterbringung
künftig vom Land für die Kommunen gefördert werden kann.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Gibt es noch Wortmeldungen aus den Reihen der
Abgeordneten? Herr Abgeordneter Fiedler. Ihre
Meldung habe ich auch gesehen, Herr Brandner.
Abgeordneter Fiedler, CDU:
Meine Damen und Herren, der Antrag der CDUFraktion liegt schon drei Tage zurück. Ich will aber
noch mal darauf verweisen, weil das hier gerade so
locker dargestellt wurde. Ich habe das in Hermsdorf
live erlebt, was dort passiert ist. Da gab es das Gerücht, es sollen welche kommen. Auf einmal wurde
an der Halle oben das Schild – da stand „zu verkaufen“ – abmontiert, auf einmal standen DIXIs da
und ähnliche Dinge und innen drin war vorbereitet.
Dass da der Bürgermeister, der Landrat und die
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2431
(Abg. Fiedler)
VG-Vorsitzende nichts darüber wissen, finde ich
schon ein Armutszeugnis.
(Beifall CDU, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos)
Die haben auch mich dann angerufen und ich habe
mich versucht kundig zu machen. Ich will mal eins
sagen, ich habe versucht, in dem grünen Ministerium jemanden zu kriegen. Die Auskunft, die ich dort
kriegte – ich sagte, es wird doch jemand da sein,
der was dazu sagen kann: Nein, im ganzen Haus
ist niemand da, der was dazu sagen kann. Daraufhin habe ich in der Staatskanzlei angerufen. Man
will es nicht glauben, nach 20 Minuten hatte ich zumindest eine Antwort. Ob die mich befriedigt hat
oder nicht, ich hatte eine Antwort. Die sagte aus,
heute nicht, mehr können wir nicht dazu sagen.
Aber das war wenigstens eine Information. Die Grünen propagieren immer, sie wollen sie alle mitnehmen, wollen jeden mit ins Boot nehmen und wollen
mit informieren. Und was passiert? Null. Das ist
doch das Problem.
(Beifall CDU, AfD)
Es geht doch einfach nur darum, dass die Informationspolitik – zu der Zeit war es noch nicht so
schlimm, wie es sich jetzt entwickelt hat, man weiß
ja kaum noch, wo man eine Unterkunft finden soll.
Mittlerweile ist der erste „Praktiker“, es wird nicht
lange dauern, dann sind der zweite und der dritte in
Betrieb.
abgesichert sein. Solche Dinge, die kann man wirklich im Vorfeld oder zumindest während solche Dinge anlaufen, kann man die Leute informieren, die
da eine Verantwortung tragen. Ich kann Ihnen noch
sagen, in Hermsdorf läuft das gut. Die Ehrenamtler
sind dort gut zugange, die helfen alle und so weiter
und so fort. Aber die Information fehlt und das müssen Sie sich ans Revers stecken. Sie haben immer
gesagt, informieren – machen Sie es auch!
(Beifall CDU, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos)
Vizepräsident Höhn:
Jetzt hat das Wort Herr Abgeordneter Brandner,
AfD-Fraktion.
Abgeordneter Brandner, AfD:
Herr Fiedler, dass Sie im grünen Ministerium keinen erreicht haben, wundert mich nicht. Ich vermute mal, die eine Hälfte war bei irgendwelchen Antifa-Demos und die andere bei Willkommens-Partys
und da war keiner mehr am Telefon. Das kann ich
Ihnen also erklären, wieso das nicht funktioniert
hat.
(Beifall AfD)
In der Staatskanzlei, warum da jemand war, das
weiß ich nicht. Wahrscheinlich haben die die Willkommens-Party verpasst.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Das
ist doch nur noch peinlich, Herr Brandner!)
Aber diese Information – Sie wollen mir doch nicht
erzählen, Frau Rothe-Beinlich, dass die Dinge auf
einmal über Nacht kommen. Natürlich werden die
vorbereitet. Natürlich muss man gucken, wo gibt es
überhaupt eine Unterkunft oder nicht. Natürlich hat
man auch nach der Halle in Hermsdorf geschaut.
Da kann ich doch wohl mal den Hörer in die Hand
nehmen und kann anrufen und kann sagen: Herr
Landrat, hören Sie zu, das und das. Wir sind in Not.
Wir können nicht anders.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aber nicht für
uns!)
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Das passiert doch!)
Dort ging es vor allen Dingen – ich gucke nur Sie
an, weil Sie immer so alles wissen. Ich könnte auch
in die Richtung gucken, ins grüne Ministerium. Es
ist doch wohl das Mindeste, dass man informiert: In
so eine Halle sollen Menschen hinein. Der Landrat
hat eine Verfügung gemacht, weil der Brandschutz
und alles nicht gewährleistet ist, da hat sich gar keiner drum geschert. Das deutsche Recht zählt nicht
mehr. Da hat man einfach – ach ja, da wurde das
noch dreimal hin- und hergeschoben, am Ende hat
wohl der Präsident des Landesverwaltungsamts unterschrieben, weil, irgendeiner muss vergattert werden. Es kann auch mal passieren, dass dort was
passiert. Und dann müssen doch die Leute auch
Ich frage mich, was hat Herr Herrgott, was ich nicht
habe? Wie kriegen Sie auch die schüchternsten
Mädels aus der rot-roten Ecke dazu, dass Sie denen Zwischenfragen stellen dürfen? Ich wollte fragen, aber durfte nicht. Ich denke noch mal drüber
nach.
(Unruhe DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Den sexistischen Mist können Sie sich sparen!)
Ich denke mal ein bisschen darüber nach, an mir zu
arbeiten. Frau Rothe-Beinlich und der Rest von Ihnen, was Sie hier ablassen, sind immer die gleichen Wortblasen, die gleichen Worthülsen und die
gleichen Textbausteine. Fällt Ihnen das gar nicht
auf?
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN: Sie haben gestern die gleiche Rede gehalten wie neulich schon in Gera!)
2432
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Brandner)
Mit der gleichen – dazu komme ich gleich – Inbrunst, wie Sie vorhin von Herrn Möller zu unserem
Energiekonzept konkrete Aussagen verlangt haben,
frage ich Sie: Nennen Sie mir mal eine einzige Sache, die die AfD im Rahmen dieser Asylproblematik
erfunden haben soll! Nennen Sie mir von gestern
Abend einen einzigen Satz, der Hetze beinhalten
soll, Lügen beinhalten soll oder Übertreibung beinhalten soll! Eine konkrete Sache würde mir schon
reichen. Wenn das so wäre, ich würde sogar eine
Flasche Rotwein spendieren, Frau Rothe-Beinlich,
glauben Sie mir das.
(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn ich dann noch höre, in Deutschland ist es im
Winter kalt, und zwar so kalt, dass die Asylbewerber nicht in Zelten übernachten können oder wohnen können, dann erinnere ich doch mal an das
vergangene Jahr. Da hatten wir einen Winterabschiebestopp mit der Begründung, in den Herkunftsländern wäre es zu kalt. Wenn ich jetzt heute
höre, in Deutschland sei es zu kalt, und mir den
Winterabschiebestopp vom letzten Jahr vor Augen
führe, braucht es keine allzu großen logischen Verbiegungen, um daraus zu folgern, wenn es in
Deutschland dieses Jahr zu kalt ist, dann müsste
doch aus dem Winterabschiebestopp eine Winterabschiebepflicht werden, damit die Flüchtlinge dahin zurückgehen können, wo es wärmer ist, oder
nicht? Dazu habe ich von Ihnen auch noch nichts
gehört. Vielleicht sagen Sie dazu was und zu unseren angeblichen Erfindungen.
(Beifall AfD)
Vizepräsident Höhn:
So, weitere Wortmeldungen aus den Reihen der
Abgeordneten kann ich momentan nicht erkennen.
Doch, schon geht der Arm vom Abgeordneten Fiedler nach oben. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Abgeordneter Fiedler, CDU:
Zu unseren Zeiten, Frau Kollegin, zu unseren Zeiten, Frau Becker, als wir hier in dem Haus angefangen haben, da haben wir uns nicht gescheut von
früh 8.00 Uhr bis in der Nacht um 3.00 Uhr zu tagen
und wir haben es alle überlebt.
(Beifall CDU, AfD)
Nicht jetzt, wenn gerade mal ein Thema ist, was einem vielleicht nicht so ganz gefällt, mag ja sein.
(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mir geht es noch mal um eines, ich habe es vorhin
vergessen. Wenn ich mich recht entsinne, und ich
bitte hier unsere Leute in der ersten Reihe, im Ältestenrat, das Protokoll genau nachzulesen, hat
die, ich glaube, es war die Frau Rothe-Beinlich, uns
hier als Rassisten bezeichnet.
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das macht
sie alle 10 Minuten!)
Und das bitte ich, das weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. So kann man doch hier nicht miteinander umgehen.
(Beifall CDU, AfD)
Deswegen bitte ich, das Protokoll nachzulesen und
gegebenenfalls Konsequenzen daraus zu ziehen.
So kann man nicht miteinander umgehen!
(Beifall CDU, AfD)
Vizepräsident Höhn:
Wenn sich die Gemüter wieder etwas beruhigt haben, dann erteile ich der Landesregierung das
Wort. Frau Dr. Albin, bitte schön.
Dr. Albin, Staatssekretärin:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete! Ich werde Ihnen jetzt
nicht den Gefallen tun, mich auf die Polemik der
Oppositionsfraktionen hier einzulassen.
(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das wäre
aber Demokratie!)
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich werde Ihnen aber antworten. Die im Titel des
Antrags getroffene Aussage, dass Landräte und
Bürgermeister im Falle der Unterbringung von
Flüchtlingen in Thüringen durch das Land generell
nicht rechtzeitig informiert würden, trifft so nicht zu.
Auch die mit der Ziffer 2 des Antrags zum Ausdruck
kommende Annahme, die Verantwortlichen in den
Kommunen für die Unterbringung von Flüchtlingen
würden nicht umfassend unterstützt, trifft nicht zu.
Die von der CDU-Fraktion gelieferte Begründung
für die beiden Teile des Antrags und die zwei Forderungen an die Landesregierung überzeugt nicht.
Die Unterbringung von Flüchtlingen in Hermsdorf
und Bad Lobenstein musste, das ist heute bereits
ausgeführt worden, extrem kurzfristig erfolgen. Es
sollte hier der Landesregierung und den für die
Landesregierung handelnden Personen nicht zum
Vorwurf gemacht werden, dass sich die Vorlaufzeiten für die notwendige Unterbringung der aus Bayern ankommenden Flüchtlinge am besagten Wochenende der 36. Kalenderwoche extrem verkürzt
haben und Informationen aus Sicht der Betroffenen
damals nicht ausreichend erfolgt sein sollen. Vor
die Alternative gestellt, Flüchtlinge im Freien übernachten zu lassen oder ihnen eine, unter den gegebenen Bedingungen einigermaßen menschenwürdige Unterbringung zu garantieren, hätte mit Sicher-
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2433
(Staatssekretärin Dr. Albin)
heit jeder andere Verantwortliche kurzfristig gehandelt.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Im Hinblick auf die im Antrag ebenfalls genannte
Nutzung einer Turnhalle in Friemar liegen der Landesregierung keine detaillierten Informationen vor.
Offensichtlich handelt es sich hierbei um einen Fall
kommunaler Unterbringung.
Lassen Sie uns vielmehr gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, wie alle gesellschaftlichen Kräfte an
einem Strang ziehen können, um die enormen Herausforderungen und Aufgaben bewältigen zu können. Damit können wir die vielen ehrenamtlichen
und hauptamtlichen Helfer unmittelbar unterstützen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Welcher Vorwurf der Landesregierung im Hinblick
auf die Unterstützung der in den Kommunen Verantwortlichen für die Unterbringung von Flüchtlingen gemacht wird, ist aus der Begründung nicht ersichtlich.
Die dramatischen Entwicklungen insbesondere in
Syrien und jetzt auch in Afghanistan stellen Thüringen und die handelnden Personen im Land und insbesondere auch die Kommunen vor unvorhersehbare Herausforderungen. Es kann nicht oft genug
betont und hervorgehoben werden, mit welch hohem Einsatz die Handelnden vor Ort versuchen und
es auch immer wieder schaffen, den auf der Flucht
vor Gefahren für Leib und Leben befindlichen Personen eine menschenwürdige Unterbringung und
Betreuung zu ermöglichen. Gerade das bewusste
Wochenende nach dem 4. September war an Dramatik nicht zu überbieten. In Thüringen waren über
600 Flüchtlinge unterzubringen. In der darauf folgenden Woche musste die Messe in Erfurt mit für
die Flüchtlingsunterbringung genutzt werden. Die
Monate September und Oktober waren mit Flüchtlingsankünften in Deutschland in Höhe von jeweils
deutlich über 150.000 die Monate mit den bisher
höchsten Zugangszahlen. Nach Thüringen kamen
im Monat September über 6.000 Flüchtlinge und
über 7.000 Flüchtlinge im Oktober. Nur dank der
Aufnahmebereitschaft der Landkreise und kreisfreien Städte war es überhaupt möglich, diese Kraftanstrengung zu bewältigen.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Selbstverständlich erfordert dies auch eine gute
und schnelle Kommunikation sowohl innerhalb des
Landes als auch mit den Kommunen und Verantwortungsträgern. Damit verbunden ist auch die Notwendigkeit, die Bevölkerung zu informieren und einzubeziehen. Natürlich ist es richtig, festzustellen,
dass es immer etwas zu verbessern gibt. Das kann
bei der geschilderten Situation auch nicht anders
sein. Es wäre aber höchst ungerecht und es widerspricht auch den tatsächlichen Abläufen und Geschehnissen der letzten Monate, wenn der Landesregierung eine fragwürdige Informationspolitik und
nicht akzeptable Informationsdefizite vorgeworfen
werden, womöglich gar aus Absicht. Der berühmt
gewordene Auftritt von Minister Lauinger in GeraLiebschwitz spricht hier eine ganz andere Sprache
der Informationspolitik, für die diese Landesregierung steht, wenn sie einen geordneten Zuzug von
Flüchtlingen hat.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich schließe
die Aussprache. Ausschussüberweisung habe ich
nicht wahrgenommen. Deswegen kommen wir direkt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion
der CDU in der Drucksache 6/1050. Wer diesem
seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um das
Handzeichen. Das sind die Stimmen aus der CDUFraktion, der Fraktion der AfD und des Abgeordneten Gentele. Die Gegenstimmen bitte. Das sind die
Stimmen aus den Fraktionen Die Linke, Bündnis
90/Die Grünen, SPD und des Abgeordneten Helmerich. Die Stimmenthaltungen bitte. 1 Stimmenthaltung vom Abgeordneten Krumpe. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Ich schließe den Tagesordnungspunkt und vereinbarungsgemäß komme ich zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 18
Freifunk in Thüringen stärken
Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
- Drucksache 6/1217 dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD
- Drucksache 6/1257 Gibt es zunächst aus den Koalitionsfraktionen den
Wunsch nach Begründung für den Antrag? Das
übernimmt der Abgeordnete Schaft, bitte schön.
Abgeordneter Schaft, DIE LINKE:
Werte Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen, die
digitale Welt ist in vielen Fällen ein Spiegelbild der
analogen, alltäglichen politischen Auseinandersetzungen, die wir auch hier führen und gleichzeitig erleben. Damit meine ich gar nicht in erster Linie die
zunehmenden Hassbotschaften in sozialen Netzwerken, die derzeit ja auch oft in den Medien rauf
und runter diskutiert werden und zu Recht auch angeprangert werden, die sich nämlich auch letztlich
als pure Gewalttat tagtäglich auch physisch gegen
Menschen und Unterkünfte richten. Nein, ich spreche auch über andere Bereiche, nämlich Bereiche,
2434
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Schaft)
die grundlegende Fragen von Demokratie und gesellschaftlicher Teilhabe betreffen. Während im
Europäischen Parlament in der vergangenen Woche die Netzneutralität beerdigt wurde und am
16. Oktober im Bundestag die erneute Einführung
der Vorratsdatenspeicherung beschlossen wurde,
zeigen die rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen in
Thüringen heute mit diesem hier vorgelegten Antrag, dass sie der zunehmenden Kommerzialisierung des Internets und der Überwachungsstaatslogik im Rahmen ihrer Möglichkeit klare Grenzen entgegensetzen wollen.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ein wichtiger Baustein dafür ist ein offenes Netz,
welches allen Menschen den gleichberechtigten
Zugang zum Internet ermöglichen will, und damit
auch die Stärkung von Freifunkinitiativen. Unter
dem Begriff „Freifunk“ verbinden sich netzaffine
Menschen, die ehrenamtlich Hardware bereitstellen
und diese eben auch warten, um möglichst flächendeckend kostenfreies und offenes Internet möglich
und zugänglich zu machen. Viele von ihnen sind
zudem beispielsweise bei der Durchführung und
Konzeption von Veranstaltungen wie CryptoPartys
zu Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit und zum Erlernen von Verschlüsselungstechniken engagiert. Der Ihnen vorliegende Antrag will
dieses Verständnis von Netzpolitik fördern und unterstützen und eben auch konkrete Maßnahmen
untermauern. So wird die Koalition und die von ihr
getragene Regierung mit dem Beschluss des Antrags den Weg dafür ebnen, dass wir bis zum Ende
des Jahres einen Maßnahmenplan zur Etablierung
von Freifunkhotspots auf Landesimmobilien verabschieden und den Freifunkinitiativen einen gesicherten Zugang zu den jeweiligen Liegenschaften
ermöglichen. Und zugleich wird der Freistaat verstärkt unsere Kommunen darauf hinweisen, welche
Möglichkeiten sich aus der Zusammenarbeit mit
Freifunkinitiativen und damit auch den Freifunkerinnen und Freifunkern für sie ergeben.
Zum anderen wird sich die rot-rot-grüne Landesregierung bei der morgigen Beratung des Telemediengesetzes im Bundesrat gemäß dem Koalitionsvertrag für die vollständige Abschaffung der Störerhaftung auch bei privaten und kommunalen Anbietern freier Netzzugänge einsetzen, um klarzustellen, dass wir bei einem wichtigen Grundpfeiler der
Daseinsvorsorge keine Privilegierung kommerzieller Anbieter wollen, sondern eben tatsächlich einen
freien Zugang zum Internet für alle Menschen. Das
bereits angekündigte Votum wollen wir heute mit
dem Beschluss des vorgelegten Antrags unterstützen. Wir freuen uns dabei auch, dass es im Vorfeld
bereits Signale beispielsweise seitens des Kollegen
Mohring gab, sich unserem Vorgehen anzuschließen, möchten damit auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion dazu einladen, diesem An-
trag im Sinne einer transparenten, demokratischen
und gleichberechtigten Teilhabe und Netzkultur entsprechend zuzustimmen. Danke schön.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Ich schaue jetzt mal in Richtung AfD-Fraktion. Gibt
es den Wunsch nach Begründung Ihres Alternativantrags? Das sehe ich nicht. Dann eröffne ich die
Aussprache und es hat das Wort Herr Dr. Voigt,
Fraktion der CDU.
Abgeordneter Dr. Voigt, CDU:
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen
und Kollegen! Sehr geehrter Kollege Schaft, schönen Dank für die Einführung. Ich glaube, dass es
relativ unstrittig ist – das weiß die Kollegin König
auch –, dass wir bei der Frage der Störerhaftung
schon sehr lange die Position einnehmen, dass da
das Telemediengesetz geändert werden muss. Darauf hat sich auch Mike Mohring bezogen und da
können Sie sicher sein, dass wir diese Meinung
nicht geändert haben. Also insofern ...
(Zwischenruf aus dem Hause: Die von der
Bundesebene ist eher bescheiden!)
Die von Bundesebene sei bescheiden. Ich will noch
kurz daran erinnern, dass die Bundesregierung das
Gesetz vorgeschlagen hat, was Ihre Landesregierung morgen im Bundesrat unterstützen möchte,
leicht geändert. Also insofern sehen Sie daran,
dass wir da keinen Nachholbedarf haben.
Ich will auf Ihre Vorlage kurz eingehen: Ich glaube,
das Thema „offene WLAN-Netze“ und auch gleichzeitig Hotspots für Freifunk ist etwas, was Teil der
modernen Welt ist. Wenn Sie international unterwegs sind, wissen Sie, dass es in vielen Ländern
viel einfachere Zugänge zu öffentlichen Netzen
gibt. Das hängt unter anderem damit zusammen,
dass dort das Thema „Störerhaftung“ in unterschiedlicher Art und Weise eben nicht so präsent ist
wie bei uns bzw. da auch anders gehandhabt wird.
Ich glaube, dass wir da auch in einer etwas antiquierten Art und Weise unterwegs sind und spätestens mit dem BGH-Urteil vom Januar 2013, dass
Zugang zum Internet eben auch ein Grundrecht
materieller Lebensgrundlage ist, denke ich, wird
deutlich, wie wichtig das für uns auch in Deutschland sein sollte.
Ihr Antrag geht auf unterschiedliche Aspekte ein.
Ich will es kurz mal in den Blick nehmen. Beginnen
wir mal mit dem Thema „vollständige Abschaffung
der Störerhaftung für die privaten und kommunalen
Anbieter freier Netzzugänge“. Das ist eine Sache,
die unterstütze ich schon seit Jahren, die haben wir
auch schon häufiger hier diskutiert und haben da
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2435
(Abg. Dr. Voigt)
auch schon gemeinschaftlich zu dem Thema „Telemediengesetz“ gesprochen.
(Beifall SPD)
Ich glaube, dass die Initiative der Bundesregierung
in der Tat nachbesserungsbedürftig ist, weil sie
nicht konkret genug ist. Da freue ich mich, dass die
Linke und die Grünen die Kollegen von der SPD
überreden konnten, dass sie diesen Gesetzentwurf
aus dem Bundeswirtschaftsministerium noch mal
nachbessern wollen. Das ist schon mal beachtlich.
Frau Marx, ich weiß, dass man Sie da nicht überreden muss, aber vielleicht hätten sie vorher mal
Herrn Gabriel ein bisschen genauer die Feder führen sollen, dann wäre der Gesetzentwurf vielleicht
präziser gewesen. Trotzdem will ich sagen, dass
wir in dem Punkt, glaube ich, eine Präzisierung hinbekommen. Es gibt ja andere Bundesländer, die
das mit unterstützen. Bayern ist da auch unterwegs, Sachsen-Anhalt; da gibt es wirklich eine sehr
breite Front, die das verbessern will, auch viele
– der „SPIEGEL“ hat ja darüber berichtet – SPDgeführte Länder. Eine Präzisierung tut not, vor allen
Dingen in der Fragestellung, dass man auf der
einen Seite sagt, diejenigen, die offene WLAN-Netze anbieten, sind tatsächlich erst mal nur Zugangsanbieter und dann natürlich auch in der Fragestellung des § 8 Telemediengesetz, dass man eben die
Konkretisierung hinbekommt, wenn man bestimmte
Pflichtanforderungen erfüllt, dann kann man dafür
nicht als Störer haftbar gemacht werden. Das ist für
mich ein Punkt, der sehr begrüßenswert ist.
Sie wissen ja, dass das Gesetz eigentlich in dem
Maße nicht zustimmungspflichtig ist. Insofern werben wir dafür, dass man vielleicht auch noch ein
bisschen darüber hinaus über Ihren Antrag im Ausschuss diskutieren sollte, weil es schon noch ein
paar Punkte gibt, die meiner Meinung nach verbesserungswürdig erscheinen. Die AfD hat einen Alternativantrag vorgelegt, der sicherlich auch einen
Aspekt in den Blick nimmt, den des ländlichen
Raums, worüber man noch mal reden könnte.
Ich finde, wenn man mal das Begrüßenswerte, die
Störerhaftung, zur Seite nimmt, gibt es zwei Punkte, die ich inhaltlich zumindest hinterfragen will, weil
ich glaube, da zeigen Sie wieder eine etwas wenig
ambitionierte Art, wenn es um das Thema „Digitalisierung“ im Freistaat geht. Das haben wir schon
mal diskutiert bei der Fragestellung „30 Mbit pro
Sekunde“, wo Sie deutlich, sage ich mal, hinter den
bundesweiten Maßstab zurückfallen und das auch
weiterhin propagieren. Dasselbe wird jetzt hier wieder sichtbar bei der Frage: Wie gehen wir mit solchen offenen Netzen um und bei der Stärkung von
Freifunkinitiativen vor? Da wird mit einer Verordnung bis zum Ende des Jahres 2016 gewinkt. Das
ist offen gestanden ziemlich lang, wenn Sie sich vor
allen Dingen andere Bundesländer angucken, die
da sehr viel schneller und auch sofortiger unter-
wegs sind. Ich glaube, da darf Ihr Antrag schon ein
wenig ambitionierter sein. Darüber sollte man sich
mal gemeinschaftlich unterhalten, denn wenn da
drinsteht, spätestens Dezember 2016 Zugang zu
Freifunkinitiativen, auch zu Landesimmobilien, dann
ist das offen gestanden zumindest keine digitalpolitische Ambitionsleistung, die Sie da vorlegen.
Deswegen würde ich weiterhin dafür werben, das
im Ausschuss intensiver zu beraten, weil mich auch
ein zweiter Punkt näher interessiert. Sie wollen mit
Ihrem Antrag auch lokale Initiativen unterstützen,
und wenn Sie lokale Initiativen unterstützen, bedeutet das wahrscheinlich auch finanzielle Förderprogramme. Wir hatten erst kürzlich die Übergabe eines Förderbescheids von Minister Tiefensee in Gera zu einem Pilotprojekt, bei dem ich glaube, dass
das durchaus eher in den städtischen Milieus stärker nachgefragt ist. Dagegen ist erst mal nichts einzuwenden, nur in eine Situation möchten wir im
Freistaat gemeinschaftlich nicht kommen, nämlich
in die Situation, dass die vom Ministerium doch
sehr, sage ich mal, eng begrenzten Mittel für die Digitalisierung letztlich zwischen Freifunk und Breitbandausbau gegeneinander ausgespielt werden.
Ich glaube, darin sind wir uns einig, dass wir das
nicht wollen. Herr Staatssekretär hat das auch mal
im Gespräch signalisiert. Weil das aber so ist, denke ich, sollte man in so einem Antrag präziser sein
und sollte klar sagen: Wir wollen Freifunkinitiativen
fördern, aber wir wollen sie nicht im Gegensatz zu
Breitbandausbau im Land schwächen. Das ist ein
Punkt, bei dem ich denke, hier sollten wir noch einmal ins Gespräch kommen. Wir würden deswegen
beantragen, das an den Wirtschafts- und Wissenschaftsausschuss zu überweisen und weisen noch
einmal darauf hin, es ist kein zustimmungspflichtiges Gesetz. Es ist, glaube ich, ausreichend deutlich
geworden, dass wir morgen die Intervention im
Bundesrat unterstützen. Lassen Sie uns deswegen
in der Sache weiterdiskutieren. Schönen Dank.
(Beifall CDU)
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächste hat
Frau Abgeordnete Marx, SPD-Fraktion, das Wort.
Abgeordnete Marx, SPD:
Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und
Kollegen, verehrter Herr Kollege Voigt, vielen Dank
für Ihren fundierten und sachkundigen Beitrag. Das
ist schön in diesem Haus, wenn man auch solche
Beiträge hier hört, wenn die Fraktion neben Ihnen
davon nicht so viel zu bieten hat.
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Welche
jetzt? Die hier?)
Nein.
2436
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Marx)
(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Nein, die
andere Seite!)
Der Freifunk in Thüringen – der Kollege Schaft hat
ja noch einmal erklärt, was Freifunk ist, also eine
Vernetzung von Privaten, die praktisch selbst Rechnerkapazität zur Verfügung stellen in einer Vernetzung, die dann über Router den WLAN-Zugang
kostenlos für mehr Menschen ermöglicht, als das
bisher möglich ist. Vor allen Dingen ist das eine
nicht kommerzielle Sache.
Ich denke schon, dass wir diesen Antrag heute so
verabschieden können, denn die Digitalisierung der
Gesellschaft oder auch das bessere digitale Netz in
Thüringen ist ein Dauerthema. Das beschäftigt uns
sicherlich nicht nur in Bezug auf das Thema „Freifunk“, aber wir denken schon, dass es auch ein
schönes Zeichen wäre, diesen Antrag heute mit einer möglichst breiten Zustimmung von uns zu verabschieden, um da noch einmal Rückendeckung
für unsere Position im Bund zu haben. Sie haben
zu Recht darauf hingewiesen, Herr Dr. Voigt, da
gibt es Defizite, leider auch in meinem eigenen Laden, aber der Herr Gabriel, den Sie genannt haben,
ist auch nicht so richtig internetaffin. Dafür haben
wir jetzt hier ein Ministerium in Thüringen, was die
digitale Gesellschaft im Namen führt, und auch
einen digitalen Staatssekretär, der hier auch noch
zu uns sprechen wird und der die Sachen sicherlich
im Griff hat und dem ich auch ohne Weiteres zutraue, schon vor Ende Dezember 2016 eine Verordnung zu erarbeiten in seinem Haus, die es uns ermöglichen würde,
(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ihr habt
doch dafür Matthias Machnig!)
schneller zum Zuge zu kommen. Da haben Sie
durchaus recht, Herr Voigt, das ist nicht so ambitioniert, erst Ende des Jahres. Trotzdem meine ich,
dass wir eine Ausschussüberweisung nicht brauchen und ich glaube auch, dass diese Aspekte, auf
die die AfD hier glaubt zusätzlich aufmerksam machen zu müssen, hier an dem Punkt eigentlich relativ überflüssig sind. Besonderen Wert auf die Stärkung der Netz- und WLAN-Infrastruktur in Kleinstädten, Dörfern und dem ländlichen Raum zu legen, das ist eigentlich eine gerade dem Freifunk innenliegende Stärke, dass eben genau nicht nur
städtische Räume versorgt sind, sondern überall,
wo sich Leute finden und da Initiativen bilden. Nordrhein Westfalen, das als einziges Bundesland bisher solche Freifunkinitiativen auch staatlicherseits
unterstützt, zeigt schon, dass sich dort auch schon
in relativ kleinen Gemeinden solche Initiativen gebildet haben. Das ist gerade die Chance, dass
durch den Freifunk dort, wo die geschäftsmäßigen,
die kommerziellen Provider keine Abdeckung bringen, die Abdeckung besser durch Private erfolgen
kann.
Dass das wirtschaftliche Potenzial des Freifunknetzes bei der Unternehmensansiedlung in strukturschwachen Räumen noch mal geprüft werden
müsste, ist auch bereits erwiesen aus den Erfahrungen mit den bisherigen Freifunkinitiativen, dass
das gerade befürwortet wird und dass es mittlerweile auch schon oftmals eine Vernetzung gibt zwischen lokalen Freifunkinitiativen und etwa Anbietern von Firmen, von Cafés, von Hotels. Denn es
geht darum, dass ich nicht nur eine partielle WLANZugangsmöglichkeit eröffne, sondern eben eine
möglichst flächendeckende. Das kann ich in ländlichen, in strukturschwachen Regionen mit Providern
allein meistens nicht sichern. Da wird es dann auch
keine kommunale Initiative geben, um ein öffentlich
finanziertes WLAN-Netz aufzustellen.
Interessanter ist aber, was im Antrag der AfD fehlt,
denn ausgerechnet die Störerhaftung, also den
Wegfall der Störerhaftung, haben Sie weggelassen.
Das ist absurd. Der Wegfall der Störerhaftung ist eine existenzielle Notwendigkeit dafür, dass Freifunkinitiativen überhaupt ernsthaft an den Start gehen.
Denn wenn sie mit einer Störerhaftung überzogen
werden könnten, dann wäre der Freifunk zum
Scheitern verurteilt, denn da wird kein Privater Internetidealist – sage ich jetzt mal – seine Rechnerkapazität zur Verfügung stellen und sich mit anderen vernetzen, um anderen Bürgerinnen und Bürgern kostenlos WLAN zu ermöglichen, wenn er
dann auch noch in die Haftungsfalle tritt. Die Abschaffung dieser Störerhaftung, da sehen wir uns
nicht nur hier im Landtag in einem breiten Konsens,
sondern da haben wir mittlerweile auch einen breiten Konsens mit vielen Firmen, mit Hotels, mit
Cafés, mit Restaurants, Kaufhäusern, Bahnhöfen,
denen es auch ein Dorn im Auge ist, wenn sie da
immer irgendwie Benutzerdaten dann doch wieder
noch abfragen und speichern müssen, was absolut
benutzerunfreundlich ist oder dann solche Regelungen finden, dass die Zeit begrenzt wird. All das
kennen Sie schon, wenn Sie mal unterwegs gewesen sind und sich geärgert haben, dass an einer
Stelle WLAN ist und an der nächsten wieder nicht.
Nach alledem ist sozusagen aus Ihrem Alternativantrag die Kernvoraussetzung für einen funktionierenden Freifunk herausgebrochen, deswegen ist er
wirklich neben der Sache, wie so häufig die Initiativen aus Ihrem Laden.
Morgen ist das Telemediengesetz im Bundesrat auf
der Tagesordnung und ich freue mich mit Ihnen gemeinsam – den anderen, die hier sachkundig
sind –, darüber, dass wir unserer Landesregierung
mit diesem Antrag mit auf den Weg geben, dass wir
hier vorankommen wollen.
Vielleicht noch was zu den Haushaltsmitteln, wenn
ich mich recht entsinne, haben wir, speziell ausgewiesen für Freifunk, einen sechsstelligen Betrag im
Haushalt eingestellt. Das heißt, es ist nicht so, dass
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2437
(Abg. Marx)
das auf Kosten des Breitbands geht, sondern wir
gehen hier nach Nordrhein-Westfalen als zweites
Bundesland wirklich den Weg, dass wir diese sinnvolle Initiative zur Stärkung der Daseinsvorsorge
unterstützen. Vielen Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD)
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächster hat
Abgeordneter Rudy, AfD-Fraktion, das Wort.
Abgeordneter Rudy, AfD:
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, liebe Abgeordnete, geschätzte Zuschauer, wir haben einen Alternativantrag zum Antrag der Regierungskoalition
eingereicht. Wir erkennen die Stärken des Antrags
der Regierungskoalition gern an, bezüglich einiger
Kleinigkeiten sind wir allerdings anderer Meinung
und möchten den verbessern. Dafür ist die Opposition da.
Die Freifunker als zivilgesellschaftliche Initiative
sind anerkennungswürdig und unterstützenswert.
Deshalb wollen wir auch mithilfe unseres Antrags
dafür sorgen, dass die Freifunkinitiativen die langfristige Möglichkeit haben, auf die Landes- und
möglicherweise auch die Kommunalimmobilien ihre
Router samt Antennen zu setzen. Effektiv könnte
damit in den Städten und auch im ländlichen Raum
die Netzabdeckung gestärkt werden. Dies ist gut für
die Privatpersonen, die in der Umgebung leben,
aber auch wirtschaftlich könnten hier abgehängte
Gebiete mit stärkerer Netzabdeckung zusätzliche
Unternehmen anlocken. Besseres Netz führt ganz
klar zu einer höheren Lebensqualität und wenn dies
von den Freifunkern freiwillig übernommen wird,
dann kann man nur dankbar sein.
(Beifall AfD)
Die Kosten für die Stromversorgung der Router
sollten nicht besonders ins Gewicht fallen.
Eine unserer Verbesserungen ist die Aufmerksamkeit für das Thema „Unternehmensansiedlung“. Die
Landesregierung soll prüfen, welche Möglichkeiten
mit stärkerer WLAN-Abdeckung bei der Anwerbung
von neuen Unternehmen im ländlichen Raum und
zuvor strukturschwachen Räumen möglich ist. Wir
möchten aber auch darauf hinweisen, dass die Störerhaftung weiterhin so gelten muss wie bisher.
Der Antrag der Regierungskoalition will darauf hinwirken, diese Störerhaftung abzuschaffen. Es ist
klar, dass die Haftung eine Hürde für die Freifunker
ist, aber diese Störerhaftung hat ihren Sinn. Das
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
spricht von: Wer sein WLAN anderen überlässt,
leistet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs willentlich und adäquat kausal einen Beitrag zu einer potenziellen Rechtsverletzung. – Denn
ohne Störerhaftung ist die Gefahr da, dass Terroristen und Kriminelle aller Art die Gutmütigkeit der
Freifunker ausnutzen, um ihre Taten zu planen,
durchzuführen und abzusprechen.
(Unruhe SPD)
Schon jetzt wird die Störerhaftung häufig umgangen, indem ein VPN-Tunnel über Schweden gelegt
wird. Doch es ist kein Wunderding, von den Freifunkern zu verlangen, dass jeder neue WLAN-Benutzer seine Daten eingibt, um zu wissen, wer da handelt, bevor er sich im Netz anmeldet. Das sollte die
fleißige Freifunkergemeinschaft nicht davon abhalten, ihr Ziel von einer flächendeckenden WLANVersorgung zu erreichen.
Darauf freuen wir uns und auf die Hilfe der Landesregierung bei diesem Ziel auch. Natürlich freuen wir
uns auch auf die Zustimmung der Regierungsfraktionen zu unserem progressiven Vorschlag. Vielen
Dank.
(Beifall AfD)
Vizepräsident Höhn:
Als Nächste hat das Wort Frau Abgeordnete König,
Fraktion Die Linke.
Abgeordnete König, DIE LINKE:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren, liebe Menschen am Livestream – da
schauen, glaube ich, gerade auch einige Freifunker
zu! Ausgehend von dem zuletzt gehörten Redebeitrag müssten wir höchstwahrscheinlich anstelle von
V-Leuten jetzt V-Router einführen für den Fall, dass
sich Terroristen des bösartigen Freifunknetzes bedienen und darüber dann hier in Thüringen ganz
schlimme Dinge machen. Ich glaube, was sich gezeigt hat, ist, dass seit dem Ausstieg des Herrn
Krumpe aus der AfD-Fraktion jegliche Kompetenz
im digitalen Bereich verlorengegangen ist.
(Beifall SPD)
Deswegen will ich mich gar nicht größer inhaltlich
zu diesem Änderungsantrag äußern, der uns hier
vorgelegt wurde. Vielleicht nur so viel: Das Weimarnetz unterstützt schon längst im ländlichen Raum in
kleineren Dörfern und baut dort Freifunk mit aus.
Was Sie grundsätzlich nicht verstanden haben, ist,
dass es letztlich immer die Ehrenamtler braucht, die
das Freifunknetz ausbauen. Und das ist nichts, was
die AfD per Änderungsantrag beschließen kann,
dass sozusagen jetzt der Freifunk auch im ländlichen Raum gestärkt werden muss.
Das Zweite, woran man auch erkennt, dass Sie
nicht verstanden haben, worum es bei Freifunk
geht, ist, dass Sie prüfen lassen wollen, welches
wirtschaftliche Potenzial das Freifunknetz bei der
Unternehmensansiedlung in strukturschwachen
2438
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. König)
Räumen bieten kann. Entschuldigung, das ist
manchmal ein sehr positiver Nebeneffekt, wenn
Freifunker sich im ländlichen Raum oder auch in
Städten zusammenschließen, wenn Hotels und
Cafés Freifunk bei sich mit einführen. Allerdings
geht es beim Freifunk nicht darum, an erster Stelle
oder an dritter Stelle ein wirtschaftliches Potenzial
zu erzeugen. Das nächste Mal sollten Sie einfach
nur „Freifunk“ bei Google eingeben und die ersten
drei Sätze lesen. Das hätte höchstwahrscheinlich
schon geholfen, um uns zumindest diesen Alternativantrag hier zu ersparen. Und zwar: Freifunk steht
für freie Kommunikation in digitalen Datennetzen
und die Freifunker verstehen es als öffentlich zugänglich, nicht kommerziell, im Besitz der Gemeinschaft und unzensiert. Das ist – wenn man dann Ihren Alternativantrag anschaut – natürlich überhaupt
nicht mit Ihrem Alternativantrag vereinbar.
Darüber hinaus als Erstes ein Dankeschön an
Herrn Voigt, der sich hier ganz klar gegen den Beschluss der Großen Koalition im Bundestag bezüglich der Störerhaftung ausgesprochen hat. Da kann
ich mich nur anschließen und sagen: Respekt dafür. Ich hoffe, dass Sie das auch innerhalb Ihrer
Partei so klar äußern und sich dort mit den Möglichkeiten, die Sie haben, für die komplette Abschaffung der Störerhaftung einsetzen, denn das, was
jetzt beschlossen wurde, ist definitiv nicht das, was
wir uns als Rot-Rot-Grün bzw. als Koalition hier in
Thüringen vorstellen. Jeder, der hier nur irgendwie
einen Bezug zum Thema hat, weiß, dass die Störerhaftung in der Form, wie sie morgen dann auch
im Bundesrat beschlossen werden soll, definitiv
nicht dazu beiträgt, dass es hier zu einer Verbesserung im Sinne der digitalen Gesellschaft kommt und
dass es letztlich auch eine Behinderung darstellt für
die Freifunker beispielsweise oder überhaupt zur
Etablierung von mehr größeren, offenen WLANs,
so wie wir es aus anderen Ländern kennen, und
das deswegen, weil nämlich die Störerhaftung aktuell noch vorsieht – in der Form, wie sie morgen beschlossen werden soll, und glücklicherweise kommt
ja sowohl aus Thüringen ein Antrag dagegen als
auch aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen –, dass Menschen, die ihr WLAN offen zur
Verfügung stellen wollen, dieses verschlüsseln
müssen und Sorge dafür tragen müssen, dass darüber keine – was auch immer für illegale oder
sonstige – Aktivitäten stattfinden können. Das ist eines der Hauptprobleme, welches wir mit Störerhaftung haben.
Da haben auch die Freifunker ein Hauptproblem,
weil, wenn man sozusagen die Störerhaftung weiterhin beibehält für die Privatpersonen, Privatinitiativen, bedeutet das letztlich, dass wir von vornherein
einen Hindernisgrund eingebaut haben. Das heißt,
wenn man das nicht will und wenn man Freifunk
unterstützen will – und das haben Sie, Herr Voigt,
hier ganz klar erklärt –, dann ergibt es keinen ande-
ren Sinn, als heute hier unserem Antrag von RotRot-Grün zuzustimmen, um eben auch gleichzeitig
morgen im Bundesrat das Zeichen aus Thüringen
– und da würde ich mich sehr freuen, wenn dieses
Zeichen von der CDU mit kommen würde – rüberzugeben: Wir wollen, dass die Störerhaftung in der
Form, wie sie von der Großen Koalition beschlossen wurde, abgeschafft wird und dass weder für
kommerzielle noch private Anbieter von WLAN, diejenigen, die es offen zur Verfügung stellen wollen,
zu erwarten ist, dass dieses verschlüsselt wird.
Insofern können wir Ihrem Antrag auf Verweisung
nicht zustimmen, weil morgen das Ganze im Bundesrat Thema ist. Da verweise ich an der Stelle auf
unseren Punkt 5 im Antrag „Freifunk in Thüringen
stärken“, in dem es heißt, „sich im Bundesrat für die
vollständige Abschaffung der Störerhaftung für die
privaten und kommunalen Anbieter freier Netzzugänge zusammen mit weiteren Bundesländern einzusetzen“. Wenn man das heute nicht beschließt,
dann ist es vorbei, dann hat der Bundesrat das beschlossen. Insofern, wenn Sie es ernst meinen, heben Sie doch einfach nachher mit die Hand. Das
ändert nichts daran, dass wir bestimmt an den
einen oder anderen Stellen nochmals in die gemeinsame Debatte und vielleicht sogar zu einem
gemeinsamen Antrag kommen können. Ich glaube,
da treffen Sie bei uns auf sehr viel Unterstützung.
Zuletzt ein großes Dankeschön an die Freifunker,
an diejenigen, die das schon seit einigen Jahren
machen, an diejenigen, die da ehrenamtlich ihre
Zeit, ihre Kraft, ihre Technik
(Beifall SPD)
und zum Teil auch Geld zur Verfügung stellen, um
eben dazu beizutragen, dass es zu einem höheren
WLAN-Nutzungsaufbau kommt, auch wenn WLAN
nicht der einzige Effekt ist, der über Freifunk erreicht werden soll, sondern es geht vielmehr auch
um die Form der freien Kommunikation. Es geht
vielmehr auch darum, einer digitalen Spaltung, der
digitalen Kluft entgegenzuwirken. Dazu tragen die
Freifunker mit ihrem Engagement massiv bei. Dafür
ein Riesendankeschön, auch dafür, dass mehrere
Freifunkinitiativen, nicht nur in Thüringen, sondern
auch in anderen Bundesländern, gerade in Flüchtlingsunterkünften dafür sorgen, dass die Menschen
dort eine Chance haben, mit ihren Familien und ihren Angehörigen zu Hause in Kontakt zu bleiben.
Das können wir durch so einen Antrag überhaupt
nicht genug wertschätzen, aber wir werden alles
Mögliche tun, um die Freifunker hier in Thüringen
zu unterstützen. Insofern hoffe ich auf die Zustimmung der CDU und dann morgen im Bundesrat
auch darauf, dass die Störerhaftung in der Form,
wie sie die Große Koalition beschlossen hat, abgelehnt wird. Danke schön.
(Beifall DIE LINKE)
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Vizepräsident Höhn:
Jetzt hat Abgeordneter Krumpe das Wort.
Abgeordneter Krumpe, fraktionslos:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Herren
und Damen Abgeordnete, der vorliegende Antrag
zielt darauf ab, den Aufbau eines auf WLAN basierenden eigenständigen Bürgernetzes zu stärken.
Diesem Ansinnen kann ich selbstverständlich
grundsätzlich zustimmen. Allerdings kann ich zum
einen aber dem nicht zustimmen, dass mit der Förderung des Freifunks Lücken in der Thüringer Breitbandversorgung geschlossen werden sollen. Zum
anderen sollten ergänzende Serviceleistungen wie
öffentliches WLAN nicht mit gleicher Priorität gefördert werden wie der Glasfaser- oder der LTE-Funktechnologieausbau – und da schließe ich mich der
Argumentationskette des Kollegen Voigt an.
Ein erstes Problem habe ich darin identifiziert, dass
bei einer Schließung von Breitbandversorgungslücken durch eine Freifunkförderung ein öffentliches
Gut, nämlich Internetzugang mit einer garantierten
Mindestgeschwindigkeit auch durch Bürger bereitgestellt werden soll. Damit wird meines Erachtens
gegen das Prinzip der Nichtausschließbarkeit beim
Konsum eines öffentlichen Guts verstoßen, und
zwar deshalb, weil ein Freifunknetz in erster Linie
auf der freiwilligen Bereitstellung von WLAN-Routern basiert und eben durch die Freiwilligkeit eine
gleichberechtigte Nutzungsmöglichkeit von allen
Mitgliedern einer Gesellschaft nicht garantiert werden kann.
Im Weiteren wird gegen das Prinzip der Nichtrivalität verstoßen. Dieses besagt nämlich, dass ein öffentliches Gut durch theoretisch unendlich viele
Personen – wir beschränken das mal auf die Thüringer Bürger – in gleicher Weise genutzt werden
kann, ohne dass dieses Gut in der Qualität gemindert wird. Die Qualität der Netzgeschwindigkeit ist
aber abhängig von der Qualität der Funkverbindung, der Anzahl der Knoten, aber natürlich auch
von der jeweiligen Hardwarekonfiguration der Knoten selbst. Mit dieser Architektur können in einer
Bund-Länder-Übereinkunft avisierte Geschwindigkeitsstandards von 50 Megabit pro Sekunde und
mehr nicht garantiert werden.
Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache,
dass ein ergänzendes WLAN-Angebot auf dem
Land bei dem derzeitigen Breitbandausbau die Bürger nicht befriedigen wird. Wem nützt, ehrlich gesagt, ein freier Funknetzzugang, wenn aufgrund der
langsamen Übertragungsgeschwindigkeiten weder
digitale Verwaltungsdienstleistungen, telemedizinische Serviceleistungen noch Homeofficeangebote
von den Bürgern genutzt werden können. Auch
Touristen werden unzufrieden sein, da das Surfverhalten in der Freizeit eine Menge an Multimediadaten verschlingt und der Flaschenhals beim Breit-
2439
bandangebot im ländlichen Raum einfach noch viel
zu eng ist. Das heißt, dort, wo in Thüringen bereits
eine schnellere Breitbandversorgung existiert, wird
ein zusätzlicher öffentlicher Service durch freie
WLAN-Angebote geschaffen und das führt zur digitalen Benachteiligung der ländlichen Bevölkerung.
Liebe Kollegen, wir können uns leider nicht mit Berlin vergleichen, wo Internetgeschwindigkeiten von
50 Mbit/s und mehr flächendeckend bereitstehen
und diese Basisinfrastruktur aktuell mit zusätzlichen
Serviceleistungen noch attraktiver gemacht wird.
Wir machen Politik hier für Thüringen, meine werten Kollegen, und das bedeutet, sich dieser Realität
zu stellen. Die Realität ist nun leider so, dass der
digitale Wettbewerb nicht durch einen WLAN-Zugang am Rathausgebäude entschieden wird, sondern durch eine landesweite IT-Basis-Infrastruktur.
Um diese bereitzustellen, muss entgegen den Vorstellungen von Herrn Minister Tiefensee bis 2018
jeder Cent auch aus den Erlösen der Digitalen Dividende II in den Glasfaser- und in einem geringen
Anteil in den LTE-Ausbau gesteckt werden, um
nicht Gefahr zu laufen, dass sich Thüringen bereits
innerhalb der nächsten drei Jahre digital vollständig
isoliert.
(Beifall AfD)
Genau das Geld und eigentlich mehr benötigt Thüringen, da durch die Mittelgebirgslage der Ausbau,
insbesondere mit LTE-Sendern, um einiges mehr
kosten wird als in topografisch flachen Ländern wie
Brandenburg, Mecklenburg oder Schleswig-Holstein. Ich würde mich in diesem Zusammenhang
dafür aussprechen, Synergieeffekte beim Windkraftanlagenausbau und gleichzeitiger LTE-Planung
auszuloten. Vielleicht kann eine Win-win-Situation
erreicht werden, wenn Windkraftanlagenmasten mit
einer weiteren Nutzung, nämlich einem LTE-Sender, belegt werden können. Das könnte möglicherweise die Akzeptanz von Windkraftanlagen bei den
Bürgern deutlich steigern. Einer Überweisung an
den zuständigen Ausschuss stimme ich zu. Herzlichen Dank.
(Beifall AfD)
Vizepräsident Höhn:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krumpe. Jetzt hat
das Wort Frau Abgeordnete Henfling, Bündnis
90/Die Grünen.
Abgeordnete Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Es steht natürlich außer Frage, die AfD-Fraktion hat
es nicht verstanden, Herr Krumpe hat es gerade
noch mal kurz erklärt, dass ohne Breitbandausbau
auch kein Freifunk stattfindet. Das stellt hier auch
keiner infrage, so schlau sind wir dann schon, dass
wir das begriffen haben. Es ist auch nicht gegenein-
2440
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
(Abg. Henfling)
ander zu stellen. Wir sagen nicht, wir ziehen jetzt
Geld beim Breitbandausbau ab und stecken das in
den Freifunk, sondern das sind sozusagen parallel
laufende Initiativen, über die wir da sprechen. Was
mich an dieser Argumentation stört, ist diese reine
wirtschaftliche Orientierung. Freifunk hat nichts mit
Wirtschaftsförderung zu tun,
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
hat auch nichts damit zu tun, dass wir wollen, dass
Unternehmen sich ansiedeln, weil wir hier Freifunk
haben. Das sind zwei Sachen, die so nicht zusammengehören. Freifunk folgt einem Prinzip des Bürgernetzes. Das heißt also, Menschen haben ohne
Barrieren und ohne großartige Einschränkungen
und ohne Zensur Zugang zu einem Netz. Dass es
natürlich schön wäre, wenn das entsprechend
schnell ist, das ist, glaube ich, auch klar.
Um noch mal so zwei Sachen zu präzisieren, Herr
Voigt. Das meinte ich vorhin in meinem Zwischenruf mit der Aussage, das, was von Bundesebene
kommt, ist dann doch eher dünn und unbefriedigend, weil nämlich die Rechtsunsicherheit, die wir
jetzt im Telemediengesetz haben, eben in dem jetzigen Entwurf nicht klargestellt wirs, sondern die
Rechtsunsicherheit bleibt weiterhin insbesondere
mit der Aussage, es müssen angemessene Sicherungsmaßnahmen getroffen werden. Was zum Teufel sind angemessene Sicherungsmaßnahmen? Da
ziehen wir uns wieder zurück auf das, was wir jetzt
schon haben, nämlich dass wieder richterlich entschieden werden muss, was an welcher Stelle eine
angemessene Sicherungsmaßnahme ist. Wenn
man möchte, dass tatsächlich die Hürde abgeschafft wird, die wir hier haben, nämlich die Störerhaftung, muss man den § 8 Abs. 4 Satz 2 aus meiner Sicht komplett streichen. Dann können wir tatsächlich über eine Sicherheit für die Menschen reden, die das zur Verfügung stellen wollen. Die Bundesregierung erhebt den Anspruch zu sagen, wir
wollen öffentliches WLAN fördern. Nur wenn sie
das so drinstehen lässt, dann begeht sie einfach
den Fehler, die größte Hürde drinzulassen, nämlich
dass Leute unsicher sind, darf ich das jetzt, werde
ich dafür belangt oder werde ich dafür nicht belangt. Dem wird es nicht gerecht. Es wird erst durch
die Anträge, die von uns kommen, tatsächlich auch
geradegezogen. Das kann man der Bundesregierung an dieser Stelle schon deutlich vorwerfen.
Zu dem ganzen Zeug, was hier gesagt wurde zum
Thema „Urheberrechtsverletzung“ und alles ganz
böse, was die da in diesem Internet machen: Also
erst mal ist die Bedeutung von Filesharing bei Urheberrechtsverletzung marginal. Das spielt eigentlich keine Rolle mehr. Das größte Problem sind momentan eigentlich Urheberrechtsverletzungen durch
Streaming. Ausgerechnet Streaming ist nun etwas,
was man bei Freifunk und auch bei öffentlich zu-
gänglichem WLAN wahrscheinlich eher nicht
macht. Wir hatten auch ein eingeschränktes Breitband bei diesen Freifunk- und WLAN-Angeboten,
einfach weil Leute einen Teil ihres eigenen Breitbands zur Verfügung stellen. Es gibt auch mittlerweile wirklich Studien und genug Beweise dafür,
dass durch das Öffnen von WLAN und Freifunk die
Urheberrechtsverletzungen und die Straftaten nicht
zugenommen haben. Das können Sie einfach mal
so zur Kenntnis nehmen. Dieser Mythos, von wegen wir würden hier der Internetkriminalität durch
Freifunk Tür und Tor öffnen, das ist wirklich ganz
großer Blödsinn. Nichts anderes habe ich allerdings
von der AfD erwartet. Sie haben wirklich in Ihrem
Antrag den Kern weggelassen. Wenn man sich hinstellt und den Antrag nimmt, ein bisschen drin rumfuchtelt, ein bisschen was von „ländlicher Raum“
reinschreibt, aber dann den Kern des Antrags,
nämlich die Störerhaftung, vergisst, dann zeigt das
deutlich – das hat auch der Redebeitrag gezeigt –,
dass Sie eben nicht verstanden haben, worum es
hier geht.
Lassen Sie mich noch zwei Sätze zu der Wichtigkeit von Freifunk und vor allen Dingen von dezentralen, vermaschten Netzen sagen. Diese vermaschten Netze haben nämlich einen Vorteil: Sie
können nicht so schnell ausfallen wie beispielsweise zentrale Netze. Das bietet eine gewisse Widerstandsfähigkeit dieser Netze. Gerade so ein Freifunknetz ist dafür sehr gut geeignet. Zum Beispiel
nach dem Hurrikan Sandy, der in Brooklyn wütete,
danach lag wirklich alles brach, da funktionierte
nichts mehr, aber die Leute konnten vorhandene
Netze nutzen, funktionsfähige vermaschte Netze
nutzen. Wir hatten es heute schon vom digitalen
Funk. Vielleicht sollte man auch mal im Naturkatastrophenbereich darüber nachdenken. Vielleicht können dann auch solche vermaschten Netze, wie der
Freifunk sie nutzt, dort besser eingesetzt werden.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin
sehr froh darüber, dass unsere Landesregierung
hier progressiv nach vorn geht, die sinnlose und absolut hemmende Störerhaftung hier tatsächlich
auch abschaffen möchte. Wir sind eines der wenigen Länder, die das überhaupt hat. Ich halte das für
ein ganz großes Hemmnis, was die Gleichberechtigung in der digitalen Gesellschaft und den Zugang
zum Internet für alle angeht, und hoffe, dass das
morgen im Bundesrat die Mehrheit auch so sieht.
Vielen Dank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete. Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten sehe ich
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
2441
(Vizepräsident Höhn)
momentan nicht. Für die Landesregierung Herr
Staatssekretär Maier.
Maier, Staatssekretär:
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete, ich weiche jetzt ganz bewusst von meinem Redetext ab, den ich vorbereitet
bekommen habe, weil die meisten Dinge hier schon
gesagt wurden. Ich möchte den Bogen noch ein
bisschen weiter spannen. Ich möchte drei Dinge sagen oder drei Punkte erwähnen, die aus meiner
Sicht ganz entscheidend sind, wenn wir den Sprung
ins digitale Zeitalter schaffen wollen. Der erste
Punkt ist natürlich tatsächlich Infrastruktur. Das sind
genau die beiden Dinge, über die wir heute reden.
Das ist das Thema „Breitband“ und das ist das Thema „Störerhaftung“, was zu dem Themenkomplex
gehört. Für mich ist die Störerhaftung das Ausschlaggebende, um freies WLAN zu erreichen. Es
ist hier schon mehrfach erwähnt worden, in anderen Ländern funktioniert das ohne rechtliche Probleme. Deswegen sollte es hier auch gehen.
Es gibt zwei Möglichkeiten, für Infrastruktur zu sorgen. Von oben und von unten. Ich begreife Freifunk
als eine Initiative, die von unten kommt, ein bürgerschaftliches Engagement, das auf Freiwilligkeit beruht und für eine Infrastruktur in der Breite sorgt.
Deswegen wollen wir das auch gezielt unterstützen.
Zweitens, natürlich, der Breitbandausbau, und hier
spreche ich ganz eindeutig von Glasfaser, das ist
eine staatliche Aufgabe, und das ist die Infrastruktur von oben, wenn man es mal so formulieren darf.
Das sind beides Dinge, die sich nicht widersprechen, sondern die wunderbar zusammenpassen.
Aber ganz klar ist, und das hat der Kollege
Dr. Voigt angesprochen, das wird teuer. Das wird
sehr teuer, wenn wir überall in alle Bereiche das
Glasfaserkabel legen wollen. Das wird auch Zeit
beanspruchen, nicht nur Geld. Aber lassen Sie
mich noch einen anderen Punkt ansprechen. Wir
brauchen, wenn wir, wie gesagt, den Sprung ins digitale Zeitalter schaffen wollen, Standards, Kommunikationsstandards, weil die beste Breitbandinfrastruktur uns nichts nützt, wenn wir zum Beispiel in
der Wirtschaft, und ich spreche hier mal von Industrie 4.0, wenn sich die einzelnen digitalen Systeme
in der Wertschöpfungskette nicht untereinander
verstehen. Das ist auch eine staatliche Aufgabe,
dass wir dafür sorgen, dass wir im digitalen Zeitalter Kommunikationsstandards haben, die weit verbreitet sind.
Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist
Datensicherheit. Wir müssen dafür sorgen, dass
diese Netze, die dann verfügbar sind, hoffentlich
bald auch sicher sind. Weil, nur dann wird das auch
für Akzeptanz sorgen in der Wirtschaft, aber auch
in der Gesellschaft. Wenn wir heute schon feststellen müssen, dass pro Tag deutsche Unternehmen
Cyberkriminalität
feststellen
müssen,
über
100.000 Angriffe pro Tag, dann müssen wir feststel-
len, dass dieses Ziel noch lange nicht erreicht ist.
Deswegen der dritte Punkt: Cyberkriminalität.
Das waren aus meiner Sicht die Rahmenbedingungen, die wir noch setzen müssen, auch aus wirtschaftspolitischer und gesellschaftspolitischer Sicht.
Ich denke, dass wir morgen im Bundesrat einen
wichtigen Akzent setzen können. Das Land Thüringen hat eine Stimme und die wird morgen deutlich
mit einem wichtigen Punkt, jetzt die Störerhaftung.
Mal sehen, was morgen passiert. Hoffentlich haben
wir Erfolg. Danke schön.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Vizepräsident Höhn:
Redemeldungen sehe ich jetzt nicht mehr. Damit
schließe ich zunächst erst mal die Aussprache. Ich
habe vom Abgeordneten Dr. Voigt einen Antrag auf
Ausschussüberweisung vernommen. Ist das richtig? Es bleibt auch so. Das wäre jetzt zum Antrag
der Fraktionen Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die
Grünen in der Drucksache 6/1217. Darüber lasse
ich zunächst abstimmen, über den Antrag auf Ausschussüberweisung. Wer dem seine Zustimmung
erteilt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist
die CDU-Fraktion, der Abgeordnete Krumpe. Die
Gegenstimmen, bitte. Das sind die Gegenstimmen
aus den Fraktionen Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die
Grünen und AfD und des Abgeordneten Helmerich.
Die Enthaltungen bitte. 1 Enthaltung vom Abgeordneten Gentele. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.
Dann kommen wir direkt zur Abstimmung über den
Antrag in der Drucksache 6/1217. Wer dem seine
Zustimmung erteilt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Zustimmung der Fraktionen Die
Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, der Abgeordneten Gentele, Helmerich und Krumpe. Die
Gegenstimmen bitte. Die Gegenstimmen kommen
aus den Reihen der AfD-Fraktion. Damit ist der Antrag angenommen.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN)
Damit hat sich auch die Abstimmung über den Alternativantrag der AfD erledigt. Damit schließe ich
diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf – keinen
mehr.
(Heiterkeit im Hause)
Ich schließe die Sitzung für heute und wir sehen
uns pünktlich morgen um 9.00 Uhr hier in diesem
Saal. Einen schönen Abend noch.
Ende: 19.22 Uhr
2442
Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
Anlage
Namentliche Abstimmung in der 31. Sitzung am
05.11.2015 zum Tagesordnungspunkt 7
Digitalfunk im Bereich nicht polizeilicher
Gefahrenabwehr auf den Weg bringen
Antrag der Fraktion der CDU
- Drucksache 6/507 hier zu: Alternativantrag der Fraktion der AfD
- Drucksache 6/1256 1. Adams, Dirk
(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
2. Becker, Dagmar (SPD)
3. Berninger, Sabine (DIE LINKE)
4. Blechschmidt, André (DIE LINKE)
5. Brandner, Stephan (AfD)
6. Bühl, Andreas (CDU)
7. Carius, Christian (CDU)
8. Dittes, Steffen (DIE LINKE)
9. Emde, Volker (CDU)
10. Engel, Kati (DIE LINKE)
11. Fiedler, Wolfgang (CDU)
12. Floßmann, Kristin (CDU)
13. Geibert, Jörg (CDU)
14. Gentele, Siegfried (fraktionslos)
15. Grob, Manfred (CDU)
16. Gruhner, Stefan (CDU)
17. Hande, Ronald (DIE LINKE)
18. Harzer, Steffen (DIE LINKE)
19. Hausold, Dieter (DIE LINKE)
20. Helmerich, Oskar (fraktionslos)
21. Henfling, Madeleine
(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
22. Henke, Jörg (AfD)
23. Hennig-Wellsow, Susanne
(DIE LINKE)
24. Herold, Corinna (AfD)
25. Herrgott, Christian (CDU)
26. Hey, Matthias (SPD)
27. Heym, Michael (CDU)
28. Höcke, Björn (AfD)
29. Höhn, Uwe (SPD)
30. Holbe, Gudrun (CDU)
31. Holzapfel, Elke (CDU)
32. Huster, Mike (DIE LINKE)
33. Jung, Margit (DIE LINKE)
34. Kalich, Ralf (DIE LINKE)
35. Kellner, Jörg (CDU)
36. Kießling, Olaf (AfD)
37. Kobelt, Roberto
(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
38. König, Katharina (DIE LINKE)
39. Korschewsky, Knut (DIE LINKE)
40. Kowalleck, Maik (CDU)
41. Kräuter, Rainer (DIE LINKE)
42. Krumpe, Jens (fraktionslos)
43. Kubitzki, Jörg (DIE LINKE)
44. Kummer, Tilo (DIE LINKE)
45. Kuschel, Frank (DIE LINKE)
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Lehmann, Annette (CDU)
Lehmann, Diana (SPD)
Leukefeld, Ina (DIE LINKE)
Lieberknecht, Christine (CDU)
Liebetrau, Christina (CDU)
Lukasch, Ute (DIE LINKE)
Lukin, Dr. Gudrun (DIE LINKE)
Malsch, Marcus (CDU)
Martin-Gehl, Dr. Iris (DIE LINKE)
Marx, Dorothea (SPD)
Matschie, Christoph (SPD)
Meißner, Beate (CDU)
Mitteldorf, Katja (DIE LINKE)
Mohring, Mike (CDU)
Möller, Stefan (AfD)
Mühlbauer, Eleonore (SPD)
Muhsal, Wiebke (AfD)
Müller, Anja (DIE LINKE)
Müller, Olaf
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Pelke, Birgit (SPD)
Pfefferlein, Babett
(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Pidde, Dr. Werner (SPD)
Primas, Egon (CDU)
Reinholz, Jürgen (CDU)
Rosin, Marion (SPD)
Rothe-Beinlich, Astrid
(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Rudy, Thomas (AfD)
Schaft, Christian (DIE LINKE)
Scherer, Manfred (CDU)
Scheringer-Wright, Dr. Johanna
(DIE LINKE)
Schulze, Simone (CDU)
Skibbe, Diana (DIE LINKE)
Stange, Karola (DIE LINKE)
Tasch, Christina (CDU)
Taubert, Heike (SPD)
Thamm, Jörg (CDU)
Tischner, Christian (CDU)
Voigt, Dr. Mario (CDU)
Walk, Raymond (CDU)
Walsmann, Marion (CDU)
Warnecke, Frank (SPD)
Wirkner, Herbert (CDU)
Wolf, Torsten (DIE LINKE)
Worm, Henry (CDU)
Wucherpfennig, Gerold (CDU)
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Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015
91. Zippel, Christoph (CDU)
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