Thüringer Landtag 6. Wahlperiode Plenarprotokoll 6/31 05.11.2015 31. Sitzung Donnerstag, den 05.11.2015 Erfurt, Plenarsaal Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die Finanzierung der staatlichen Schulen Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/1159 ERSTE und ZWEITE BERATUNG 2330, Der Gesetzentwurf wird in ZWEITER BERATUNG und in der Schlussabstimmung jeweils angenommen. Ohler, Staatssekretärin Kowalleck, CDU Wolf, DIE LINKE Tischner, CDU Dr. Voigt, CDU Thüringer Gesetz zur Anpassung der Besoldung und der Versorgung in den Jahren 2015 und 2016 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/978 - 2330, 2331, 2332, 2332, 2332, 2333, 2333, 2332, 2333, 2334, 2322 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 dazu: Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses - Drucksache 6/1255 ZWEITE BERATUNG Die Beschlussempfehlung wird angenommen. Der Gesetzentwurf wird unter Berücksichtigung der Annahme der Beschlussempfehlung in ZWEITER BERATUNG und in der Schlussabstimmung jeweils angenommen. Schulze, CDU Dr. Pidde, SPD Kräuter, DIE LINKE Kowalleck, CDU Dittes, DIE LINKE Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Schubert, Staatssekretär Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Nachbarrechtsgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/1173 ERSTE BERATUNG 2334, 2335, 2336, 2338, 2339, 2339, 2339, 2340, 2339, 2340, 2341, 2342, Der Gesetzentwurf wird an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen. Dr. Martin-Gehl, DIE LINKE Scherer, CDU Marx, SPD Möller, AfD Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Thüringer Gesetz zur Änderung der Rechtsverhältnisse im juristischen Vorbereitungsdienst Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/1216 - Neufassung ERSTE BERATUNG 2342, 2343, 2343, 2344, 2346, 2347, Der Gesetzentwurf wird an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen. Marx, SPD Walsmann, CDU Dr. Martin-Gehl, DIE LINKE Brandner, AfD Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Albin, Staatssekretärin 2347, 2348, 2350, 2351, 2352, 2354, 2354, Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 6/1212 - Neufassung ERSTE BERATUNG 2323 2355, Der Gesetzentwurf wird an den Innen- und Kommunalausschuss – federführend – und den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen. Marx, SPD Walk, CDU König, DIE LINKE Brandner, AfD Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Pelke, SPD Emde, CDU Dittes, DIE LINKE Neuen Strommarkt im Thüringer Interesse gestalten Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/1092 - 2355, 2356, 2357, 2358, 2359, 2361, 2361, 2362, 2363, 2363, 2364, 2364, 2364, 2364, 2364, 2365, Ministerin Siegesmund erstattet einen Sofortbericht zu Nummer I des Antrags. Die Erfüllung des Berichtsersuchens wird festgestellt. Die Nummer II des Antrags wird angenommen. Harzer, DIE LINKE Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz Gruhner, CDU Möller, AfD Mühlbauer, SPD Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandner, AfD Henke, AfD 2365, 2373, 2379, 2384, 2365, 2385, 2369, 2381, 2376, 2378, 2378, 2379, 2379, 2384, 2379, 2380, 2381, 2381, 2381, 2383, 2384, Fragestunde 2386, a) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bühl (CDU) Verringerung der Schlüsselzuweisung in Ilmenau - Drucksache 6/1174 - 2386, wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen. Bühl, CDU 2386, 2387, 2387, 2324 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Götze, Staatssekretär Kuschel, DIE LINKE b) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE) Unterbringung von Flüchtlingen in Genossenschaftswohnungen in Thüringen - Drucksache 6/1197 - 2386, 2387, 2387, 2387, 2387, 2387, 2387, 2388, wird von Staatssekretärin Dr. Albin beantwortet. Kuschel, DIE LINKE Dr. Albin, Staatssekretärin c) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Walk (CDU) Religiöser Extremismus in Thüringen - Drucksache 6/1198 - 2388, 2388, 2388, wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Walk, CDU Götze, Staatssekretär d) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Stange (DIE LINKE) Studentisches Wohnen in der alten Zahnklinik in Erfurt? - Drucksache 6/1199 - 2388, 2389, 2389, wird von Staatssekretär Hoppe beantwortet. Zusatzfrage. Stange, DIE LINKE Hoppe, Staatssekretär Schaft, DIE LINKE e) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kowalleck (CDU) Landesregierung plant zentrale Verteilstelle für Flüchtlinge in Saalfeld - Drucksache 6/1211 - 2389, 2389, 2390, 2390, 2390, wird von Staatssekretärin Dr. Albin beantwortet. Zusatzfragen. Staatssekretärin Dr. Albin sagt dem Fragesteller Abgeordneten Kowalleck die schriftliche Beantwortung seiner zweiten Zusatzfrage zu. Kowalleck, CDU Dr. Albin, Staatssekretärin f) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Mühlbauer (SPD) Wahl eines Vorsitzenden des Gemeinderats - Drucksache 6/1214 - 2390, 2391, 2391, 2390, 2391, 2391, 2391, wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen. Mühlbauer, SPD Götze, Staatssekretär Kuschel, DIE LINKE 2391, 2392, 2391, 2392, 2392, 2392, 2392, 2392, Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 g) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten König (DIE LINKE) Entwicklung der Neonazi-Szene in Saalfeld - Drucksache 6/1215 - 2325 2392, wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen. Staatssekretär Götze sagt der Fragestellerin Abgeordnete König die schriftliche Beantwortung ihrer Zusatzfragen zu. König, DIE LINKE Götze, Staatssekretär Kowalleck, CDU h) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Henfling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Anerkennung der Studienabschlüsse „Bildung und Erziehung von Kindern“ und „Pädagogik der Kindheit“ - Drucksache 6/1219 - 2392, 2393, 2393, 2393, 2393, 2393, 2393, 2393, 2393, wird von Staatssekretärin Ohler beantwortet. Zusatzfragen. Staatssekretärin Ohler sagt der Fragestellerin Abgeordnete Henfling und dem Abgeordneten Wolf die schriftliche Beantwortung ihrer jeweiligen Zusatzfrage zu. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ohler, Staatssekretärin Wolf, DIE LINKE i) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Floßmann (CDU) Aktueller Verhandlungsstand zu Straßenausbaubeiträgen - Drucksache 6/1220 - 2394, 2395, 2394, 2395, 2395, 2395, 2395, wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen. Floßmann, CDU Götze, Staatssekretär j) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Leukefeld (DIE LINKE) Umsetzung des Landesprogramms „Arbeit für Thüringen“ – Berufliche Integration spezieller Zielgruppen – - Drucksache 6/1222 - 2395, 2396, 2395, 2396, 2396, wird von Ministerin Werner beantwortet. Leukefeld, DIE LINKE Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie k) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Krumpe (fraktionslos) Ökonomische Auswirkungen des 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens in Thüringen - Drucksache 6/1223 - 2396, 2396, 2397, wird von Staatssekretär Möller beantwortet. Zusatzfrage. Staatssekretär Möller sagt dem Fragesteller Abgeordneten Krumpe die Beantwortung seiner Zusatzfrage zu. Krumpe, fraktionslos Möller, Staatssekretär 2397, 2398, 2398, 2398, 2326 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 l) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Gentele (fraktionslos) Einführung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens in Thüringen - Drucksache 6/1224 - 2398, wird von Staatssekretär Möller beantwortet. Zusatzfragen. Gentele, fraktionslos Möller, Staatssekretär Krumpe, fraktionslos Digitalfunk im Bereich nicht polizeilicher Gefahrenabwehr auf den Weg bringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/507 dazu: Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses - Drucksache 6/1025 dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/1256 - 2398, 2399, 2399, 2400, 2399, 2400, 2400, Der Antrag wird abgelehnt. Der Alternativantrag wird in namentlicher Abstimmung bei 85 abgegebenen Stimmen mit 6 Jastimmen und 79 Neinstimmen abgelehnt (Anlage). Thamm, CDU Henke, AfD Fiedler, CDU Dittes, DIE LINKE Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Höhn, SPD Götze, Staatssekretär Brandner, AfD Radverkehr in Thüringen planvoll und zielstrebig verbessern Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/616 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten - Drucksache 6/1120 Die Beschlussempfehlung wird angenommen. Der Antrag wird unter Berücksichtigung der Annahme der Beschlussempfehlung angenommen. 2400, 2400, 2402, 2408, 2401, 2405, 2407, 2407, 2408, 2408, 2401, 2406, 2408, 2403, 2403, 2403, 2404, 2409, 2409, Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Malsch, CDU Dr. Lukin, DIE LINKE Warnecke, SPD Kießling, AfD Keller, Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft Wassertourismus als regional bedeutendes Tourismusangebot in Thüringen hier: Nummer II Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/828 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft - Drucksache 6/1005 - 2327 2409, 2412, 2409, 2410, 2411, 2411, 2414, 2414, Die Beschlussempfehlung wird angenommen. Die Nummer II des Antrags wird unter Berücksichtigung der Annahme der Beschlussempfehlung angenommen. Bühl, CDU Korschewsky, DIE LINKE Warnecke, SPD Kießling, AfD Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Maier, Staatssekretär Informationsdefizite der Landesregierung bei der Unterbringung von Flüchtlingen beseitigen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/1050 - 2415, 2416, 2415, 2417, 2418, 2418, 2420, 2420, Der Antrag wird abgelehnt. Herrgott, CDU Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Berninger, DIE LINKE Möller, AfD Lehmann, SPD Fiedler, CDU Brandner, AfD Dr. Albin, Staatssekretärin Freifunk in Thüringen stärken 2420, 2422, 2422, 2422, 2423, 2424, 2430, 2430, 2422, 2422, 2427, 2428, 2423, 2424, 2424, 2424, 2425, 2425, 2425, 2425, 2429, 2429, 2430, 2430, 2430, 2430, 2430, 2430, 2432, 2431, 2432, 2433, 2328 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/1217 dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/1257 Die beantragte Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft wird abgelehnt. Der Antrag wird angenommen. Wegen der Annahme des Antrags unterbleibt die Abstimmung über den Alternativantrag. Schaft, DIE LINKE Dr. Voigt, CDU Marx, SPD Rudy, AfD König, DIE LINKE Krumpe, fraktionslos Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Maier, Staatssekretär 2433, 2434, 2435, 2437, 2437, 2439, 2439, 2441, Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Anwesenheit der Abgeordneten: Fraktion der CDU: Bühl, Carius, Emde, Fiedler, Floßmann, Geibert, Grob, Gruhner, Herrgott, Heym, Holbe, Holzapfel, Kellner, Kowalleck, Lehmann, Lieberknecht, Liebetrau, Malsch, Meißner, Mohring, Primas, Reinholz, Scherer, Schulze, Tasch, Thamm, Tischner, Dr. Voigt, Walk, Walsmann, Wirkner, Worm, Wucherpfennig, Zippel Fraktion DIE LINKE: Berninger, Blechschmidt, Dittes, Engel, Hande, Harzer, Hausold, Hennig-Wellsow, Huster, Jung, Kalich, König, Korschewsky, Kräuter, Kubitzki, Kummer, Kuschel, Leukefeld, Lukasch, Dr. Lukin, Dr. Martin-Gehl, Mitteldorf, Müller, Schaft, Dr. Scheringer-Wright, Skibbe, Stange, Wolf Fraktion der SPD: Becker, Hey, Höhn, Lehmann, Marx, Matschie, Mühlbauer, Pelke, Dr. Pidde, Rosin, Taubert, Warnecke Fraktion der AfD: Brandner, Henke, Herold, Kießling, Möller, Rudy Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Adams, Henfling, Kobelt, Müller, Pfefferlein, Rothe-Beinlich fraktionslos: Gentele, Helmerich, Krumpe Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung: Ministerpräsident Ramelow, die Minister Taubert, Prof. Dr. Hoff, Keller, Dr. Poppenhäger, Siegesmund, Werner 2329 2330 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Beginn: 9.03 Uhr Zu TOP 12 wurde eine Neufassung des Antrags in Drucksache 6/1052 verteilt. Präsident Carius: Jetzt frage ich, ob den Ergänzungen widersprochen wird, weitere Ergänzungen gewünscht werden. Das ist nicht der Fall, sodass ich in die Tagesordnung einsteige. Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen. Ich freue mich, dass ich als Gäste auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der 9. Klassen aus der Edith-Stein-Schule in Erfurt und aus dem Otto-Schott-Gymnasium in Jena begrüßen darf. Herzlich willkommen. (Beifall im Hause) Außerdem freue ich mich, dass der Rechnungshofpräsident, der auf den Tag genau heute sein 25jähriges Dienstjubiläum in Thüringer Diensten hat und der vor 25 Jahren hier im Landtag angefangen hat, heute bei uns ist. (Beifall im Hause) So viel sei mir gestattet: Es gibt viele, die gewünscht hätten, Sie wären immer hier im Landtag geblieben, aber das spricht ja auch für Ihre Arbeit als Rechnungshofpräsident. (Heiterkeit im Hause) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich eröffne die Sitzung und heiße Sie herzlich willkommen. Für die Plenarsitzung hat als Schriftführer Abgeordneter Schaft neben mir Platz genommen. Die Redeliste führt Herr Abgeordneter Kobelt. Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Abgeordnete Muhsal, Abgeordneter Höcke, Minister Prof. Hoff zeitweise, Ministerin Dr. Klaubert, Minister Dr. Poppenhäger zeitweise und Minister Tiefensee zeitweise. Wir sind bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen, das Thüringer Gesetz zur Anpassung der Besoldung und der Versorgung in den Jahren 2015 und 2016 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften als neuen Tagesordnungspunkt 3 a aufzurufen. Die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses dazu hat die Drucksachennummer 6/1255. Der Tagesordnungspunkt 14 wird heute vor der Mittagspause und der Tagesordnungspunkt 18 heute als letzter Punkt aufgerufen. Weiterhin sind wir bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen, den Tagesordnungspunkt 3 in erster und zweiter Beratung zu beraten, soweit keine Ausschussüberweisung beschlossen wurde. Zu TOP 6 wurde eine Neufassung des Gesetzentwurfs in Drucksache 6/1212 verteilt. Zu TOP 7 wurde ein Alternativantrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/1256 verteilt. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3 Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die Finanzierung der staatlichen Schulen Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/1159 ERSTE und ZWEITE BERATUNG Der Landtag war bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen, dieses Gesetz in erster und, sofern keine Ausschussüberweisung beschlossen wird, in zweiter Beratung zu behandeln. Ich frage: Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Frau Staatssekretärin Ohler, Sie haben das Wort. Ohler, Staatssekretärin: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir das Thüringer Gesetz zur Finanzierung der staatlichen Schulen entfristen. Das aktuelle Thüringer Gesetz zur Finanzierung der staatlichen Schulen ist bis zum 31.12.2015 befristet. Der Regelungsbedarf besteht freilich weiterhin. Das aktuelle Gesetz hat sich bewährt und kann entfristet werden. Eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände hat stattgefunden, Bedenken wurden nicht erhoben. Ich bitte das Hohe Haus um Zustimmung zur Entfristung. Sehr geehrte Damen und Herren, gestatten Sie mir noch ein paar grundsätzliche Anmerkungen zur Schulfinanzierung: In Deutschland sind die Lasten bei der Finanzierung der staatlichen Schulen klar verteilt. Das Land trägt die Personalkosten, die Kommunen, die Gemeinden und Landkreise übernehmen als Schulträger die Sachkosten. Der Bund kann sich nicht verlässlich einbringen. Grund ist das Kooperationsverbot. In den vergangenen Jahren hat sich immer wieder gezeigt, vor welche Probleme uns dieses Verbot stellt. Der Bund kann zwar Solarzellen auf dem Schuldach finanzieren, für ein gutes Schulklima braucht es aber mehr als ein warmes Klassenzimmer. Für ein gutes Klima an den Schulen brauchen alle, die Schule gestalten, eine nachhaltige Unterstützung – gerade jetzt. Sie wissen, wir stehen vor großen Herausforderungen. Landesweit werden derzeit circa 5.000 Kinder Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2331 (Staatssekretärin Ohler) nichtdeutscher Herkunftssprache beschult. In den kommenden Wochen und Monaten wird sich die Zahl der ausländischen Kinder deutlich erhöhen. An unseren Schulen gibt es aktuell 875 Lehrkräfte, die mit unterschiedlichem Stundenumfang im Sprachunterricht für Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache eingesetzt werden. Wir haben die Zahl der Lehrkräfte, die Deutsch als Zweitsprache anbieten, verstärkt. 50 Stellen sind in diesem Jahr bereitgestellt worden, weitere Stellen sind im Doppelhaushalt vorgesehen. Wir haben unser Wahlversprechen umgesetzt und in diesem Jahr 500 neue Lehrkräfte eingestellt. Zusätzlich dazu haben wir die Vertretungsreserve im Umfang von 100 Stellen aufgebaut. Wir haben so viele Lehrerinnen und Lehrer eingestellt wie schon lange nicht mehr. Und dennoch: Unsere Schulen brauchen angesichts des anhaltenden Schülerzuwachses durch die Flüchtlinge mehr Unterstützung. Wir wollen Klassen, in denen jedes Kind das bekommt, was es braucht für einen erfolgreichen Bildungsweg. Die neu dazukommenden genauso wie die einheimischen Kinder. Das Land darf in seinen Bemühungen nicht alleingelassen werden. Wir brauchen die finanzielle Beteiligung des Bundes, nicht in Form von Sonderpaketen, sondern in Form einer dauerhaften Förderung. Die Aufhebung des Kooperationsverbots gehört auf die politische Agenda. Dafür setzen wir uns ein. Vielen Dank. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Carius: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich eröffne hiermit die Aussprache und das Wort erteile ich Herrn Abgeordneten Kowalleck für die CDU-Fraktion. Abgeordneter Kowalleck, CDU: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Schulklassen, das ist heute auch passend zum Thema, dass die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer uns hier heute Morgen im Thüringer Landtag besuchen und die Debatte verfolgen. Wie es der Name schon sagt, regelt das vorliegende Gesetz die Finanzierung der staatlichen Schulen, insbesondere im Hinblick auf den Personal- und den Schulaufwand, die Beförderungs- und Erstattungspflicht bei der Schülerbeförderung sowie den Kostenausgleich bei Gastschulverhältnissen. Das Gesetz besteht bereits seit dem Jahr 2003 und wurde seitdem nur marginal verändert. Inhaltliche Änderungen sind mit der heutigen Verhandlung im Plenum nicht vorgesehen. Auch wenn es sich hier mit der Entfristung um einen formellen Akt handelt, möchte ich kurz auf das vorliegende Gesetz eingehen. Das hat die Staatssekretärin eben auch getan. Insgesamt liegen die Ausgaben pro Schüler in Thüringen bundesweit im Spitzenvergleich und dieses Spitzenfeld haben wir auch den vergangenen Landesregierungen zu verdanken und den entsprechenden Entscheidungen, die hier in dem Hohen Haus gefällt wurden. Diese Zahlen der Schüler verändern sich zwar von Jahr zu Jahr, aber bleiben grundsätzlich doch auf einem recht stabilen Niveau. Das zeigen gerade im aktuellen Haushalt die Entwicklungen der Lernmittel, die entsprechend an die Schülerzahlen gekoppelt sind. Da die Kulturhoheit und damit der größte Teil der Bildungspolitik in Deutschland im Kompetenzbereich der Länder liegt, sind die Länder auch maßgeblich für die Finanzierung der staatlichen Schulen verantwortlich. Die Finanzierung des öffentlichen Schulwesens erfolgt grundsätzlich im Wege einer Aufgabenteilung zwischen Ländern und Kommunen. Wir haben eben auch an den Ausführungen der Staatssekretärin gesehen, dass da durchaus unterschiedliche Auffassungen bestehen, denn wir sehen das schon als eine erfolgreiche Entwicklung an. Da müssen Sie auch mal auf die Schulen vor Ort schauen, sehr geehrte Frau Staatssekretärin. (Beifall CDU) Während die Kommunen die Sachkosten der Schulen und in der Regel auch die Kosten für das nicht lehrende Personal tragen, sind die Kultusministerien der Länder für die Personalkosten der Lehrkräfte zuständig. Sie sind auch auf einige Punkte der zukünftigen Entwicklung eingegangen und erst vor einigen Tagen haben wir den Einzelplan des Bildungsministeriums beraten, auch in Bezug auf die Finanzierung der staatlichen Schulen. In einigen Wochen werden wir an dieser Stelle den Landeshaushalt besprechen. Da wird auch das Thema Bildung intensiv diskutiert werden. Die staatlichen Schulen spielen dabei eine wichtige Rolle und auch natürlich die Entwicklung im Rahmen der Flüchtlingsfrage. Da sagen wir als CDUFraktion auch ganz klar: Nicht nur immer auf den Bund zeigen, liebe Landesregierung! Auch Sie müssen Ihre Hausaufgaben hier im Land machen. Das verlangen die Thüringerinnen und Thüringer (Beifall CDU) und das verlangt auch die aktuelle Situation. (Beifall AfD) (Zwischenruf Abg. Adams, Bündnis 90/Die Grünen: Das ist Ihre Art, Verantwortung zu übernehmen!) Denn es ist viel zu einfach – Herr Adams, Sie können sich gleich melden und Ihre Stellungnahme an dieser Stelle anbringen –, 2332 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Kowalleck) (Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) wenn Sie immer auf den Bund zeigen. Wichtig ist, dass wir hier entsprechende Maßnahmen einleiten und auch unterstützen gerade im Bereich der Schulen, denn ich denke, das liegt dem Hohen Hause hier besonders am Herzen. Die Anwendbarkeit des Gesetzes über die Finanzierung der staatlichen Schulen ist auch über den 31. Dezember 2015 hinaus erforderlich, deshalb werden wir einer Entfristung zustimmen. Danke schön. (Beifall CDU, AfD) Präsident Carius: Vielen Dank, Herr Kowalleck. Das Wort hat nun Abgeordneter Wolf für die Fraktion Die Linke. Abgeordneter Wolf, DIE LINKE: Sehr geehrter Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Schülerinnen und Schüler auf der Tribüne und natürlich auch Lehrkräfte, mit der Verlängerung des Thüringer Gesetzes über die Finanzierung der staatlichen Schulen vom 30. April 2003 wollen wir ohne inhaltliche Änderung eine einfache Entfristung erreichen. Dies ist notwendig, da das Gesetz bis zum 31. Dezember 2015 befristet ist, gleichzeitig aber alle wesentlichen Bereiche der Funktionsfähigkeit staatlicher Schulen beinhaltet. Das Gesetz bildet die Grundlage für die Finanzbeziehungen und für die Funktionsfähigkeit der staatlichen Schulen in Verbindung mit dem Schulgesetz und unter anderem – ich gehe dann noch darauf ein – dem Thüringer Finanzausgleichsgesetz. Wir haben gerade vom Kollegen Kowalleck gehört, dass die Schulen natürlich immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt werden, derzeit insbesondere die Bewältigung der großen Aufgabe der Integration von Kindern, von Jugendlichen, die zu uns kommen. Ich sage hier: Egal ob aus Syrien oder Sachsen, sie sind uns alle willkommen. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Unruhe CDU) Sie haben uns aufgefordert, Herr Kowalleck, die Thüringer Landesregierung soll ihre Hausaufgaben machen. Wie wir das nun von Ihnen gewohnt sind – ich würde ja etwas konstruktivere Oppositionsarbeit dort erwarten –, (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) haben Sie mitnichten einen Vorschlag gemacht, wie das gehen soll. Wir wissen, dass wir dort – das wissen wir auch als Koalition – mit steigenden Kinderzahlen zu rechnen haben. Wir wissen aber auch, dass wir eben nicht genau wissen, wie viel Kinder es sind, die in den nächsten Jahren zu uns kom- men, ja, zum Teil wissen wir noch nicht einmal, weil die statistische Grundlage durchs Bundesamt fehlt, wie viel Kinder derzeit zu uns kommen und in den nächsten Wochen und Monaten in die Schulen einmünden. Das alles macht die Arbeit nicht leichter. Trotz alledem, Herr Emde, ist die Landesregierung, sind die Schulämter und ist jede einzelne Schule, staatliche oder freie Schule, derzeit intensiv dabei, zu schauen, welche Möglichkeiten sie haben, in Sprachförderung als Erstes und als Zweites dann in Einmündung in den regulären Unterricht, die Kinder auch wirklich zu integrieren, die zu uns kommen. Da haben die Schulen unsere volle Unterstützung verdient. Da reicht es nicht, einfach sich einen schlanken Fuß zu machen und zu sagen: „Landesregierung mach mal!“, sondern es gehört natürlich auch mit zur Wahrheit dazu, dass das im Maßnahmenpaket der Bundesregierung einfach nicht abgebildet ist. Da kann man auf die Kultushoheit der Länder verweisen, es bringt uns nur nicht weiter. Wir brauchen hier noch einmal Nachverhandlungen. Wir wissen, dass die Nachverhandlungen auch in den nächsten Tagen weiterlaufen werden. Wir wünschen der Landesregierung viel Erfolg, um dort auch mit dem Bund ein ehrliches Ergebnis zu erzielen, damit Integration der Menschen, die zu uns kommen, gelingen kann. Nichtsdestotrotz erledigen wir natürlich unsere Aufgaben. Wir haben im Schulfinanzierungsgesetz, das ist ja schon angesprochen worden, diverse Aufgaben beschrieben, unter anderem auch die … Präsident Carius: Herr Wolf, es gibt eine Anfrage des Kollegen Tischner. Würden Sie die beantworten? Abgeordneter Wolf, DIE LINKE: Aber sicher. Präsident Carius: Herr Tischner. Abgeordneter Tischner, CDU: Herr Kollege Wolf, Sie haben gerade davon gesprochen, Sie möchten auf Bundesebene nachverhandeln. Um auf Bundesebene nachverhandeln zu können, muss man konkrete Zahlen haben. Können Sie uns vielleicht heute mitteilen, wie viele Flüchtlinge momentan in den Thüringer Schulen beschult werden? Abgeordneter Wolf, DIE LINKE: Herr Tischner, wie Sie wissen, ändern sich die Zahlen fast täglich, auf jeden Fall wöchentlich, sodass ich Ihnen eine taggenaue Analyse nicht liefern kann. Ich kann Ihnen aber in etwa sagen, dass wir Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2333 (Abg. Wolf) derzeit – das wissen Sie auch aus dem Bildungsausschuss, das haben wir besprochen – in etwa 5.100 Kinder und Jugendliche an den Thüringer Schulen haben. Das steigt aber rasant an. Allein die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge – das wissen Sie auch – ist in den letzten Wochen von knapp 300 auf über 700 angestiegen. Da sehen Sie schon – und da sind wir auch im Gespräch, auch gerade im Bildungsausschuss –, wie schwierig die Bewältigung dieser Aufgabe ist. Aber, wie schon gesagt, die Schulen stellen sich dieser Aufgabe und sie werden von uns unterstützt. (Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Hoffentlich sieht das Ihre Regierung auch so!) Präsident Carius: Herr Wolf, es gibt eine weitere Anfrage. Lassen Sie die auch zu? Abgeordneter Wolf, DIE LINKE: Ich hatte gar nicht erwartet, dass wir bei der Verlängerung eines Gesetzes so eine Diskussion haben. Bitte schön, Herr Voigt. Abgeordneter Dr. Voigt, CDU: Ich bin ja immer für Lernen, auch im Plenarsaal. Mich interessiert jetzt: Sie haben die Zahl genannt – 5.100. Ich kann mir vorstellen, dass Sie damit nicht die Flüchtlingszahl meinen, sondern die Kinder nichtdeutscher Herkunft, denn das kann es maximal sein. Wir wissen ja, wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr nach Thüringen gekommen sind. Insofern interessiert uns: Wie hoch ist die Zahl der Flüchtlingskinder, die in den Einrichtungen sind? Abgeordneter Wolf, DIE LINKE: Die Statistik, auf die ich mich hier beziehe, bezieht sich auf Kinder und Jugendliche, die in den letzten zwei Jahren nach Deutschland gekommen und dementsprechend auch so erfasst sind. Wir wissen natürlich, dass allein seit September mehrere Hundert, Tausend (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Da war ein Komma!) – ich kann es Ihnen nicht genau sagen, denn diese Zahlen liegen mir nicht vor und soweit ich weiß auch dem Ministerium nicht, weil sie erst vom Bund gegeben werden, wieviele – Kinder in den Erstaufnahmeeinrichtungen sind. Wir wissen, dass sie nach drei Monaten in das Schulsystem einmünden und etwa nach einem halben Jahr nach Ankunft die Sprachvoraussetzungen haben sollten, bei intensiver Sprachförderung, um auch in den regulären Unterricht einzumünden. Aber, Herr Dr. Voigt, wie schon gesagt: Dort sind die Schulen, dort sind die Schulämter, das Ministerium intensiv dran, diese Aufgabe zu bearbeiten. Wir nehmen uns auch immer wieder – das haben wir auch im Bildungsausschuss beschlossen – die notwendige Zeit, um uns im Bildungsausschuss darüber zu verständigen. Zur Beförderung von Schülerinnen und Schülern: Thüringen ist ein Flächenland und die Beförderung der Schülerinnen und Schüler ist zwingende Voraussetzung für die Aufrechterhaltung eines flächendeckenden Schulangebots in allen Altersstufen. Den bewährten Schlüssel in der Verteilung der Mittel zur Schülerbeförderung nach § 4 Schulfinanzierungsgesetz in Verbindung mit § 18 Finanzausgleichsgesetz, nach dem zwei Fünftel der Mittel anhand der Zahl der Schüler und drei Fünftel der Mittel anhand der Fläche ausgereicht werden, werden wir beibehalten. Im Haushaltsansatz 2016 bringt Rot-Rot-Grün 172.000 Euro mehr zum Ansatz – das ist ein Anwachsen auf 9,803 Millionen Euro und im Jahr 2017 noch mal auf 9,975 Millionen Euro. Damit kommen wir der Verpflichtung nach, dort auch einen Kostenausgleich vorzunehmen. Politisch gestalten wird Rot-Rot-Grün vor allem bei den Schulbauten, also der baulichen Voraussetzung für das Gelingen guter Schule. Hier werden wir neben den angesetzten 15 Millionen Euro pro Jahr für den Sonderlastenausgleich der Schulbauten nach § 22 Finanzausgleichsgesetz im Jahr 2016 zusätzlich 9 Millionen Euro und im Jahr 2017 24 Millionen Euro für ein Schulinvestitionsprogramm zur Verfügung stellen. Damit setzen wir einen wichtigen Bereich des Koalitionsvertrags um und sorgen dafür, dass gute Bildung in der räumlichen Ausstattung möglich ist und der durch die Vorgängerregierungen angelaufene Sanierungsstau und Neubaubedarf abgearbeitet wird. Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wie ich ausführen konnte, ist die Entfristung des Schulfinanzierungsgesetzes notwendig, und die inhaltliche Ausgestaltung findet ihre Umsetzung im Regierungshandeln von RotRot-Grün. Daher werbe ich für die Zustimmung zur Entfristung. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Carius: Vielen Dank, Herr Wolf. Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor, auch seitens der Regierung nicht, sodass ich die Aussprache schließe. Ich eröffne damit die zweite Beratung des Gesetzentwurfs. Vielleicht für die Schülerinnen und Schüler auf der Tribüne: Wenn der Landtag, der normalerweise ein 2334 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Präsident Carius) Gesetz immer an den Ausschuss überweist, übereinkommt, dass die Gesetzesänderung sehr überschaubar ist, dann macht man eine erste Beratung und kommt dann sofort zur zweiten Beratung. Das machen wir heute. Ich eröffne damit die zweite Beratung. Aussprache ist nicht gewünscht. Wir kommen damit direkt zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 6/1159 in zweiter Beratung. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Linken, von Bündnis 90/Die Grünen, der SPD, der CDUFraktion, der AfD-Fraktion und von den fraktionslosen Abgeordneten. Vielen Dank. Gegenstimmen? Keine. Enthaltungen? Auch keine. Damit ist dieser Gesetzentwurf angenommen. Wir kommen damit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Schlussabstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich, sich jetzt von den Plätzen zu erheben. Vielen Dank. Das sind auch alle, soweit ich es sehen kann. Gegenstimmen? Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit ist dieses Gesetz angenommen. Herzlichen Dank. Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt. Ich rufe auf den neuen Tagesordnungspunkt 3 a Thüringer Gesetz zur Anpassung der Besoldung und der Versorgung in den Jahren 2015 und 2016 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/978 dazu: Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses - Drucksache 6/1255 ZWEITE BERATUNG Das Wort hat Frau Abgeordnete Schulze aus dem Haushalts- und Finanzausschuss zur Berichterstattung. Abgeordnete Schulze, CDU: Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Abgeordnete, liebe Besucher, liebe Schüler – speziell auf den Tribünen! Das Thüringer Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung in den Jahren 2015 und 2016 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften wurde auf Beschluss des Landtags in seiner 26. Plenarsitzung am 11. September 2015 an den Haushalts- und Finanzausschuss federführend und an den Innenund Kommunalausschuss zur Mitberatung überwiesen. Der federführende Haushalts- und Finanzausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 13. Sitzung am 25. September 2015 und in seiner 17. Sitzung am 30. Oktober 2015 beraten sowie ein schriftliches Anhörungsverfahren zu dem Gesetzentwurf und ein ergänzendes schriftliches Anhörungsverfahren zu dem dazu vorliegenden Änderungsantrag in der Vorlage 6/644 durchgeführt. Der Innen- und Kommunalausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 15. Sitzung am 4. November 2015 beraten. Die Annahme des Gesetzentwurfs wird mit den folgenden Änderungen empfohlen. Artikel 2 wird wie folgt geändert: Nummer 7 erhält folgende Fassung: „7. Anlage 1 Besoldungsordnung A wird wie folgt geändert: a) Dem Abschnitt II der Vorbemerkungen wird folgende Nummer 10 angefügt: ‚10. Zulage für die Verwendung bei Erstaufnahmeeinrichtungen – Beamte, die für mindestens einen Monat überwiegend bei einer Erstaufnahmeeinrichtung verwendet werden, erhalten für die Dauer der Verwendung eine Stellenzulage nach Anlage 8.‘“ – Die Anlage 8 liegt Ihnen in der Drucksache 6/1255 mit vor. – „‚Die Stellenzulage wird ab dem Beginn der Verwendung und längstens bis zum 31. Dezember 2017 gewährt.‘“ Diese Stellenzulage beinhaltet eine Höhe von 120 Euro, was Sie aus der Drucksache ersehen können. Weitere Änderungen sind: „b) Die Besoldungsgruppen A 3, A 4 und A 5 werden aufgehoben. c) Es wird in der aa) Besoldungsgruppe A 13 unter dem Amt ‚Akademischer Rat‘, bb) Besoldungsgruppe A 14 unter dem Amt ‚Akademischer Oberrat‘, cc) Besoldungsgruppe A 15 unter dem Amt ‚Akademischer Direktor‘, dd) Besoldungsgruppe A 16 unter dem Amt ‚Leitender Akademischer Direktor‘ jeweils der Funktionszusatz ‚– in der Hochschulaufsicht –‘ eingefügt.“ Weitere Änderungen: „2. In Nummer 8 erhält Anlage 8 folgende Fassung: Zulagen in Monatsbeträgen“ – ich werde Ihnen das jetzt nicht alles vortragen. In der Drucksache 6/1255 sind, wie schon angemerkt, die Anlagen beigefügt und liegen Ihnen vor. In Artikel 3 enthält Anlage 8 – gültig ab September 2016 – wiederum Tabellen, deren Änderungen Ihnen vorliegen. „In Artikel 4 wird Nummer 9 wie folgt geändert: 1. Der bisherige Inhalt in § 92 d wird Absatz 1. 2. Folgender Absatz 2 wird angefügt: (2) ‚Die am Tag der Verkündung des Thüringer Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und der Versorgung in den Jahren 2015 und 2016 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften nach Maßgabe des Thüringer Besoldungsgesetzes in der bis zum 31. August 2015 geltenden Fassung vorhandenen Empfänger von Mindestversorgung nach § 21 Abs. 4 Satz 2 sowie Empfänger von Versorgungsbezügen, die auf Grundlage des § 21 Abs. 4 Satz 2 berechnet werden, die wegen des Vorlie- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2335 (Abg. Schulze) gens der Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 für berücksichtigungsfähige Kinder einen Erhöhungsbetrag zum Familienzuschlag nach Anlage 6 in der bis zum 31. August 2015 geltenden Fassung des Thüringer Besoldungsgesetzes erhalten haben, erhalten den am 31. August 2015 zustehenden Erhöhungsbetrag weiter, solange für das jeweilige Kind ein Familienzuschlag nach § 64 gezahlt wird.‘“ Das war jetzt sehr theoretisch. Im Grunde genommen auch für die Besucher und die Schüler auf der Tribüne geht es in dieser Anpassung des Gesetzes um die Erhöhung der Dienst- und Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung des Tarifabschlusses für die Beschäftigten der Länder vom März 2015. Demnach sollen die Beträge in der Besoldung ab September 2015 um 1,9 Prozent und ab September 2016 um 2,1 Prozent erhöht werden. Es erfolgt eine Erhöhung der Grundgehaltssätze aller Besoldungsordnungen sowie der Familienzuschläge, der Amtsund allgemeinen Stellenzulagen. Mindestens jedoch um 75 Euro wird diese Erhöhung in den Besoldungsgruppen stattfinden, gemindert natürlich um 0,2 Prozent, die der Versorgungsrücklage zugeführt werden. Erhöhungen gibt es auch bei der Mehrarbeitsvergütung sowie Erschwerniszulagen. Die Kinderzuschläge und die pflegebezogenen Zuschläge werden ebenfalls erhöht. Des Weiteren werden die Anwärtergrundbeträge um jeweils 30 Euro zu den genannten Terminen erhöht. Weitere Anpassungen, die sich aus der Rechtsprechung und aus der Anwendungspraxis ergeben haben, hier nenne ich einige Beispiele: Zum Beispiel ist es jetzt möglich, das Gehaltskonto auch im Ausland zu führen, des Weiteren wurde geändert: Der Begriff „Grundwehrdienst“ wurde ersetzt durch „Wehrdienst“. Änderungsgrund war, dass jetzt der Grundwehrdienst nicht mehr geleistet wird, sondern dass es auch einen freiwilligen Wehrdienst gibt und dass diese Zeiten mit berücksichtigt werden können. Des Weiteren gab es Regelungen zum Mindestruhegehalt. Zu diesem Gesetzentwurf gab es zahlreiche Stellungnahmen. Die schriftliche Anhörung wurde von den kommunalen Arbeitgeberverbänden beantwortet, die keine Bedenken äußerten. Die Gewerkschaft ver.di kritisierte die zeitliche Verschiebung um sechs Monate und errechnete an einem Beispiel, dass die Beamten – übrigens auch Ihre Lehrer und Lehrerinnen und die Polizisten sind damit gemeint – durch diese Verschiebung einen Realeinkommensverlust von circa 721 Euro in den zwei Jahren auf sich nehmen müssen. Die Verbände der Thüringer Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte kritisieren diese zeitliche Verschiebung auch. Sie verweisen aber auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2015, indem sie anmerken, dass es bei der abweichenden Übernahme des Tarifergebnisses in diese Besoldungsgesetzänderung einer qualifizier- ten Begründung bedarf und merken an, dass sie diese in dem Gesetzentwurf nicht finden, da fiskalische Gründe, die genannt werden, nicht zulässig sind. Ebenso die Gewerkschaft der Polizei: Da wird die Minderung der Mindesterhöhung um 0,2 Prozent, wie auch bei ver.di, kritisiert. Der Beamtenbund und die Tarifunion sehen ebenfalls diese Zeitverschiebung von einem halben Jahr kritisch. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kritisiert unter anderem noch zusätzlich, dass dieser Gesetzentwurf erst im November 2015 im Landtag verabschiedet wird, und meint dazu, dass dies eine weitere Verzögerung der Erhöhung der Gehaltszahlungen der Beamten nach sich zieht. In der Stellungnahme der Landesregierung, der Drucksache zum Gesetzentwurf mit beiliegend, begründet die Landesregierung die vorgesehene Lösung als fairen Kompromiss, der die Erwartungen und die finanziellen Möglichkeiten des Freistaats angemessen berücksichtigt. Auch der Thüringer Rechnungshof hat in der Vorlage 6/634 Stellung genommen und beziffert die Ersparnis für den Thüringer Haushalt mit 35,4 Millionen Euro, was natürlich zulasten der Besoldungserhöhung der Beamten, Richter, Lehrer und Polizisten geht. Problematisch sieht der Rechnungshof weiter Artikel 4 Nr. 1, weil im Ergebnis, in dem es um die Neufestsetzung des Mindestruhegehalts bzw. des Mindestunfallruhegehalts geht, ein Versorgungsempfänger mit Anspruch auf Familienzuschlag schlechtergestellt wird als nach der bisherigen Rechtslage. Das sind nur einige Auszüge aus den vielseitigen Stellungnahmen dazu. Nichtsdestotrotz, die Beamten möchten gern auch zeitnah ihre Bezahlungen und die Erhöhung des Tarifs angelehnt an den Tarifabschluss. Deshalb bedanke ich mich und hoffe, dass der Gesetzentwurf heute so verabschiedet wird. (Beifall CDU) Präsident Carius: Vielen Dank, Frau Schulze, für diese sehr umfangreiche Berichterstattung aus dem Ausschuss. Ich eröffne damit die Aussprache. Das Wort erteile ich zunächst einmal Herrn Abgeordneten Kräuter für die Fraktion der Linken. Er ist aber nicht da. Dann fahren wir fort mit Herrn Dr. Pidde; ich erteile Ihnen das Wort. Abgeordneter Dr. Pidde, SPD: Herr Präsident, meine Damen und Herren, rückwirkend ab September 2015 werden die Grundgehaltssätze aller Besoldungsordnungen sowie der Familienzuschlag, die Amts- und die allgemeinen Stellenzulagen um 1,9 Prozent erhöht. Ab September 2016 gibt es eine weitere Besoldungserhöhung um 2,1 Prozent. Durch diese inhaltsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses wird sichergestellt, dass die Bezahlung der Beamten und Richter nicht hinter 2336 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Dr. Pidde) der Bezahlung vergleichbarer Angestellter zurückbleibt. Dies ist auch ein wichtiges Signal im Wettbewerb um die besten Kräfte, dem wir uns bereits zu stellen haben und in den kommenden Jahren deutlich verstärkt stellen müssen. Der Freistaat Thüringen bleibt ein attraktiver Arbeitgeber. Das ist die Kernbotschaft des vorliegenden Gesetzentwurfs, der natürlich noch zahlreiche weitere Detailregulierungen für das Thüringer Besoldungsgesetz und das Thüringer Beamtenversorgungsgesetz enthält. Meine Damen und Herren, finanziell ist das natürlich ein Kraftakt für das Land. Der Gesetzentwurf führt zu zusätzlichen Kosten in Höhe von 57 Millionen Euro in den kommenden beiden Jahren. Eine Alternative dazu sieht meine Fraktion allerdings nicht. Gerade in so schwierigen Zeiten wie jetzt leisten alle Landesbediensteten, nicht nur die Beamten und Richter, eine hervorragende Arbeit. Deshalb richte ich von hier aus im Namen der SPDFraktion ein herzliches Dankeschön an sie. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Politik und Bevölkerung erwarten zu Recht, dass sie täglich das Funktionieren des Gemeinwesens durch ihre Tätigkeit als Lehrer, in den Gerichten, den Justizvollzugsanstalten, bei der Polizei, der Feuerwehr oder in der Steuerverwaltung organisieren. Dann können die Beamten andererseits aber auch verlangen, dafür angemessen bezahlt zu werden. Ich hoffe sehr, dass der Gesetzentwurf und die damit verbundenen Besoldungserhöhungen auch als entsprechende Wertschätzung in unseren Landesbehörden verstanden werden. Meine Damen und Herren, natürlich ist der Ruf nach Mehr verführerisch und auch einfach, solange man nicht sagen muss, woher das Geld kommen soll. Bezogen auf den Gesetzentwurf wird vom Beamtenbund, von Gewerkschaften und Interessenvertretern und auch von der Opposition kritisiert, dass es nur eine inhaltsgleiche, aber keine zeitgleiche Übertragung des Tarifergebnisses ist. Natürlich hätte sich auch die SPD-Fraktion eine zeitgleiche Übertragung gewünscht, aber nicht alle Wünsche können finanziert werden. Deshalb finde ich den gefundenen Kompromiss der zeitlich verzögerten, inhaltsgleichen Übertragung in Ordnung, den übrigens die meisten anderen Bundesländer ebenso vollziehen. Liebe Kollegen von der CDU-Fraktion, gebetsmühlenartig haben Sie sowohl in der Einbringungsrede zum Gesetzentwurf und auch im Haushalts- und Finanzausschuss die zeitlich verzögerte Übertragung des Tarifergebnisses kritisiert. In eine Aktion Ihrerseits ist die Kritik allerdings nicht gemündet. Es hat im Ausschuss keinen Änderungsantrag von Ihnen gegeben und es gibt auch heute keinen Änderungsantrag aus Ihren Reihen. Das ist schon wider- sprüchlich, dass Sie einerseits die große Keule schwingen und andererseits nichts tun. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) So stelle ich fest, dass Sie in der Opposition angekommen sind. Von konstruktiver Opposition kann aber keine Rede sein. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber vielleicht sind Sie auch ganz zufrieden mit dem, was hier vorliegt, und dürfen es nur nicht so sagen. Im Grunde genommen passiert ja nichts anderes als das, was CDU und SPD vor zwei Jahren auf Vorschlag von Finanzminister Voß bereits getan haben. Vorher hat es zeitverzögerte Anpassungen gegeben, die die Union allein zu verantworten hatte. (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Besser machen!) (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, die Koalitionsfraktionen haben im Haushalts- und Finanzausschuss noch einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf als Reaktion auf die bestehenden Herausforderungen vorgelegt. Als Ansatz zur Gewinnung und Bindung von geeignetem Personal sieht der Gesetzentwurf außerdem eine Stellenzulage für Beamte vor, die in Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes tätig sind. Diese Regelung soll zunächst auf die nächsten zwei Jahre befristet bleiben. Zudem wurde eine Bestandsschutzklausel für Bezieher der Mindestversorgung eingeführt, um für diesen Personenkreis nachteilige Auswirkungen durch das vorliegende Gesetz zu vermeiden. Die Änderungen finden sich in der Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses, die Frau Schulze eben erläutert hat, wieder. Wir bitten um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung und zum Gesetzentwurf. Vielen Dank. (Beifall SPD) Präsident Carius: Danke, Herr Dr. Pidde. Wir kommen jetzt noch mal zu Herrn Kräuter. Bitte schön, Herr Kräuter. Abgeordneter Kräuter, DIE LINKE: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren am Livestream, meine sehr geehrten Damen und Herren hier im Plenarsaal! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Thüringer Gesetzes zur Anpassung der Besoldung und Versorgung in den Jahren 2015 und 2016 sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften sollen die Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richter des Freistaats Thüringen an der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Ver- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2337 (Abg. Kräuter) hältnisse durch die inhaltsgleiche Übernahme des Tarifabschlusses für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder vom 28. März 2015 teilhaben. Jedoch soll in den Jahren 2015 und 2016 eine um sechs Monate versetzte Übernahme erfolgen. Der Diskussionsprozess bis zum vorliegenden Gesetzentwurf war nicht einfach. Allen kritischen Hinweisen mangelt es aber an einer entscheidenden Feststellung: Es ist der Gesetzentwurf der Landesregierung. Diese Landesregierung wird von drei Fraktionen getragen, und alle Partner haben sich in den Ergebnisprozess mit den jeweils ihrigen Vorstellungen eingebracht. Dieser Fakt bleibt bei den kritischen Hinweisen unberücksichtigt. Ich hätte mir schon gewünscht, genau wie mein Kollege Vorredner, dass wir tatsächlich eine zeit- und inhaltsgleiche Übernahme des Tarifergebnisses gleich zu Beginn für die Beamtinnen und Beamten zustande gebracht hätten. Wünsche sind das eine und reale politische Machbarkeit ist das andere. Grundsätzlich wird auch von den Kritikern der Wille begrüßt, dass wir die Beamtinnen und Beamten seit nunmehr sechs Jahren kontinuierlich an der Einkommensentwicklung beteiligen. Das ist im Bundesmaßstab nicht selbstverständlich. Bei aller Kritik an den jeweiligen Änderungen des Thüringer Besoldungsgesetzes darf man diese Feststellung auch gegenüber der vorherigen Landesregierung treffen (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das waren aber wir, nicht Sie!) – Herr Mohring – und so formulieren. Ich erinnere hier auch an eine Nullrunde im Freistaat Bayern. Wir sollten auch nicht auf andere schauen, sondern uns fragen lassen, ob es nicht noch besser geht. Na klar, gibt es immer ein Schneller, ein Höher und ein Weiter. Das ist nicht der Punkt. Der Punkt – und da ist die Regierungskoalition stabil – ist, immer wieder alle Beteiligten mitzunehmen und deren Argumente im Entscheidungsprozess zu berücksichtigen. Das hat die Regierung getan und dafür ist ihr ausdrücklich zu danken. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der Tarifabschluss 2015/2016 soll grundsätzlich inhaltsgleich, aber mit zeitlicher Verschiebung auf Thüringer Beamte und Richter übertragen werden. So sollen die Dienst- und Versorgungsbezüge in diesem Jahr sechs Monate später ab dem 1. September 2015 und im darauf folgenden Jahr ebenfalls sechs Monate später ab dem 1. September 2016 nochmals angehoben werden. Durch die grundsätzlich inhaltsgleiche Übertragung des Tarifabschlusses werden die Thüringer Beamten und Richter nicht von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt. Alle Besoldungsgruppen nehmen – wenn auch zeitlich später – gleichmäßig an der Besoldungserhöhung teil. Die zeitliche Ver- schiebung der Anpassung über sechs Monate im Jahr 2015 und 2016 hat keine Auswirkungen auf das Niveau der Beamtenbesoldung und -versorgung. Damit erfolgt auch keine dauerhafte Abkopplung von der Einkommensentwicklung im Tarifbereich. Meine Bemerkung liegt hier auf der „dauerhaften Abkopplung“. Bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Mai 2015 ist dies unproblematisch. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Entscheidung in Kenntnis der in vielen Ländern üblichen Praxis der zeitverzögerten Übernahme des Tarifergebnisses getroffen, diese auch in der für den Gesetzgeber nunmehr verbindlichen Berechnungsmethode zur Feststellung der Verfassungsmäßigkeit der Besoldung unberücksichtigt gelassen. Daher kann davon ausgegangen werden, dass wegen zeitlicher Verzögerung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Mit dieser Begründung der Landesregierung sind die Gewerkschaften und Fachverbände natürlich nicht zufriedenzustellen. Sie greift für die Gewerkschaften zu kurz. Sie beinhaltet nämlich kein Verbot oder verfassungsrechtliche Bedenken, was gegen eine zeitinhaltsgleiche Übertragung spricht. Jede Begründung, auch ein Vergleich mit Regelungen der Altersvorsorge für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (VBL) greift da nicht durch und bietet die Möglichkeit von Rede und Gegenrede oder gar Streit. Die Argumente und Hinweise der Gewerkschaften und Fachverbände sind gerechtfertigt. Ich habe auch in den Debatten meiner Fraktion nichts davon gehört, dass wir von unseren Wahlprüfsteinen in dieser Frage abrücken. Aber ich verweise noch einmal auf die Situation, dass wir eine Koalition im Gleich- und Dreiklang tragen, wo jedes Argument seine Berechtigung hat. Aus dieser Gemengelage hat die Landesregierung den Gesetzentwurf entwickelt und vorgelegt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Es ist nun aber nicht so, dass die Gewerkschaften und Fachverbände den Gesetzentwurf in Gänze ablehnen. Die Gewerkschaften und Fachverbände schließen sich in weiten Teilen dem vorgelegten Gesetzentwurf auch ausdrücklich an und begrüßen einzelne Regelungen. Ich möchte hier beispielhaft einige Regelungen aufführen. Der Familienzuschlag wurde sachgerecht weiterentwickelt. Gerade die Differenzierung nach den niedrigen Besoldungsgruppen und höheren Besoldungsgruppen bei Beamtenkindern war nicht mehr zeitgemäß und war auch mit meinen Wertvorstellungen nie vereinbar gewesen. Wir haben die Mindestversorgungsbezüge beim Ruhegehaltssatz, beim Unfallruhegehaltssatz und der Hinterbliebenenversorgung entsprechend angepasst. An dieser Stelle möchte ich auch einem Argument entgegentreten, das besagt, dass Thüringer Beam- 2338 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Kräuter) tinnen und Beamte ausreichend versorgt seien. Das stimmt ausdrücklich nicht. Da überzeugt mich auch kein anderes Argument, denn die Wahrheit in dieser Frage ist, dass die ruhegehaltsfähige Dienstzeit erst ab dem 03.10.1990 beginnt und die Ruhensregelung für die Zeit davor eine klare Schlechterstellung für die Betroffenen beinhaltet. Insoweit hätte ich diese Hinweise der Gewerkschaften und Fachverbände nicht gebraucht. Für die Damen und Herren in diesem Haus, die da anderer Auffassung sind, sind diese aber nicht nur lesenswert, sondern dienen dazu, zu verstehen, warum Gewerkschaften hierzu andere Regelungen aus der Bundesgesetzgebung erwarten, dass mit dieser Ungleichbehandlung Schluss gemacht wird. (Beifall DIE LINKE) Neben diesen beiden Beispielen haben wir das Reisekostenrecht novelliert und den Anrechnungsbetrag von 15 auf 17 Cent pro privaten Fahrtkilometer angepasst. Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Thüringer Besoldungsrecht gibt es auch noch einige Baustellen, die wir in dieser Legislaturperiode angehen wollen. Dazu gehört die Beförderungspraxis, die Praxis der Stellenbesetzung oder Änderungen von Besoldungsgruppen im Schulbereich. Wer aber von der Landesregierung diese Schritte per Lichtschalterverfahren – also Regierungsübernahme und Lichtschalter an – erwartet, hat eine falsche Erwartungshaltung. Die Wertschätzung für unsere Beamtinnen und Beamten ist es uns wert, dass wir an diesen Themen ergebnisorientiert arbeiten. Hätten wir diese Baustellen jetzt berücksichtigt, hätte dies zu weiteren zeitlichen Verzögerungen geführt. Die vorliegende Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge trägt sowohl dem Interesse der Beamten, Richter und Versorgungsempfänger an einer angemessenen Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung als auch an den begrenzten finanziellen Möglichkeiten der öffentlichen Haushalte und des Landes Thüringen Rechnung. Meine Fraktion stimmt dem vorgelegten Gesetzentwurf mit Änderungsantrag zu. Danke. (Beifall DIE LINKE) Präsident Carius: Vielen Dank, Herr Kräuter. Wir kommen nun zu Herrn Abgeordneten Kowalleck von der CDU-Fraktion. Sie haben das Wort. Abgeordneter Kowalleck, CDU: Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, keine Angst, liebe Koalitionsfraktionen, ich werde heute nicht zu jedem Punkt sprechen. (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir sind aber darauf vorbereitet!) Es ist gut, dass wir in der Berichterstattung zum Gesetzentwurf noch mal die wesentlichen Positionen der Anzuhörenden gehört haben. Frau Schulze ist darauf auch ganz intensiv eingegangen. Dafür herzlichen Dank! Ich möchte aber auch noch mal einführend auf die Ausführungen des Kollegen Dr. Pidde eingehen. Herr Dr. Pidde, mir kam das ein bisschen so vor, als würden Sie hier darstellen: Ich mache die Welt, so wie sie mir gefällt. Sie sind ja mit dem Anspruch rangegangen, als Sie gemeinsam mit Linken und Grünen diese Koalition gebildet haben, dass Sie alles besser machen wollen. Aber wir sehen mittlerweile, (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vieles – alles schaffen wir nicht!) die Versprechungen, die Sie gemacht haben, sammeln Sie nacheinander ein und dazu gehört eben auch die zeitliche Anpassung der Besoldung. Die Beamtinnen und Beamten in diesem Land wissen ganz genau, was sie davon halten sollen. Da nützen Ihnen dann auch die Ausreden nichts. Ich sage hier auch ganz klar: Wir als CDU-Fraktion halten Ihnen da auch weiterhin den Spiegel vor. Das müssen Sie aushalten und wir stehen auch dazu. (Beifall CDU) Meine Damen und Herren, ich hatte bereits zur Einbringung des Gesetzes auf verschiedene Stellungnahmen hingewiesen. Leider sind die Koalitionsfraktionen im September nicht so intensiv darauf eingegangen. Heute haben wir da mehr gehört, zumindest vom Abgeordneten Kräuter. Aber ganz schlüssig ist die Argumentation trotzdem nicht, ich hätte mir an dieser Stelle gewünscht, dass Sie noch intensiver auf die einzelnen Stellungnahmen der Betroffenen eingehen. Aber ich denke, die Anzuhörenden werden auch noch mal in der einen oder anderen Sache auf Sie zukommen. Ich habe in meiner letzten Rede die Kritik vom Deutschen Beamtenbund, vom Deutschen Gewerkschaftsbund und vom Verein der Thüringer Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen angebracht. Es kamen jetzt in unserer Anhörung noch weitere Argumente und Anzuhörende hinzu. Wir haben das im Haushalts- und Finanzausschuss entsprechend behandelt und besprochen, aber es ist eben wichtig, dass wir die einzelnen Fakten auch hier an dieser Stelle noch einmal intensiv beraten. Ein Fakt ist unter anderem, dass der Gesetzentwurf im Schneckentempo von der Landesregierung eingebracht wurde – immerhin haben wir jetzt November 2015 – und das müssen Sie eben auch den Beamtinnen und Beamten an dieser Stelle erklären. Meine Damen und Herren, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes erhal- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2339 (Abg. Kowalleck) ten zum 1. März 2015 ein Tariferhöhung von 2,1 Prozent und zum 1. März 2016 von 2,3 Prozent. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eine Anpassung ab 1. September 2015 um 1,9 Prozent und ab 1. September 2016 um 2,1 Prozent vor. Das bedeutet eine zeitliche Verschiebung von jeweils sechs Monaten für die rund 30.000 Thüringer Beamten. Wenn ich dann von den Koalitionsfraktionen höre, es gibt keine zeitliche Verschiebung, dann weiß ich auch nicht mehr, was Sie hier darstellen, denn auch die Beamtinnen und Beamten und die Anzuhörenden haben das hier ganz klar in der schriftlichen Anhörung dargestellt. Es hat die bedeutende Rolle in der Anhörung eingenommen. Übrigens habe ich auch im September an dieser Stelle Ausführungen zu diesem Punkt gemacht. Und wissen Sie, welche Wortmeldung aus den Reihen der Linken kam? Herr Kräuter guckt mich schon an – ändern! Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, „ändern“ hieß es aus Ihren Reihen im September 2015. Aber da frage ich jetzt: Wo ist Ihr Änderungsantrag zu diesem Punkt? Mir kommt es so vor (Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Herr Kräuter hat es doch erläutert!) – das hat Herr Kräuter dargestellt, ja –, als ob da zwei Herzen in Ihrer Brust schlagen. Einerseits verteidigen Sie die zeitversetzte Angleichung, andererseits rufen Sie „ändern“. Vor allem, Sie rufen in die falsche Richtung. bracht. Die frühere stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Thüringer Landtag und damalige Stellvertreterin von Bodo Ramelow sagte in ihrem Redebeitrag an dieser Stelle, ich zitiere: „Mit unserem Änderungsantrag entsprechen wir ganz genau den Forderungen der SPD, wie sie von Ihnen in den vorangegangenen Debatten formuliert wurden.“ Präsident Carius: Herr Abgeordneter Kowalleck. Abgeordneter Kowalleck, CDU: „Wir fordern die zeit- und inhaltsgleiche Übernahme des Tarifabschlusses für die Beamtinnen und Beamten des Landes, nicht mehr und nicht weniger.“ – so Frau Renner vor zwei Jahren an dieser Stelle. Meine Damen und Herren, wie sich die Zeiten ändern! Herzlich willkommen in der Realität! (Beifall CDU, AfD) Präsident Carius: Herr Abgeordneter Kowalleck, es gibt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dittes. Lassen Sie diese zu? Abgeordneter Kowalleck, CDU: Gern, Herr Dittes, bitte. (Beifall CDU) Wenn jemand an diesem Gesetzentwurf etwas ändern muss, dann sind Sie das, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen. (Beifall CDU) Sie haben die Mehrheit in diesem Haus und das muss Ihnen auch bewusst sein. Da können Sie nicht die CDU am Ende vors Loch schieben. Der Vollständigkeit halber bringe ich an diesem Punkt auch noch mal die Vergleiche mit den anderen Bundesländern: In Bayern, Sachsen, Rheinland-Pfalz und in Hamburg erfolgt die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses. Andere Länder wie eben Thüringen wollen den Tarifvertrag zwar der Höhe nach übertragen, aber nehmen eine zeitliche Verschiebung vor. Sie müssen sich heute auch daran messen lassen, was Sie vor noch nicht allzu langer Zeit an dieser Stelle gesagt und vertreten haben. Da brauchen Sie nicht mit dem Finger auf die CDU-Fraktion zu zeigen. Das treffendste Beispiel hat der Verein der Thüringer Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen in seiner Stellungnahme gebracht. Der Verein bezieht sich auf den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke zur Besoldungsanpassung in der Landtagssitzung vom 18. September 2013. Das hatte ich auch schon in der letzten Debatte an dieser Stelle ge- Abgeordneter Dittes, DIE LINKE: Herr Kowalleck, Sie geben mir sicherlich recht, dass Politik ja auch vom Vertreten eigener Position lebt, nur habe ich Ihre noch nicht gehört. Vielleicht können Sie noch einmal die Position der CDU-Fraktion bzw. Ihre eigene hier in die Debatte mit einbringen? (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abgeordneter Kowalleck, CDU: Danke, Herr Dittes, für diese Frage. Ich denke, ich habe meine Position ganz klargemacht. (Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Nein, eben nicht!) (Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Zuhören!) Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie sind in Verantwortung und Sie müssen sich daran messen lassen, was Sie gestern noch gesagt haben, was Sie in den Koalitionsvertrag geschrieben haben und was Sie heute nicht umsetzen, meine Damen und Herren. (Beifall CDU) 2340 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Kowalleck) (Unruhe DIE LINKE) Es ist unverantwortlich gegenüber den Thüringerinnen und Thüringern und in diesem Fall gegenüber den Beamtinnen und Beamten, dass Sie gestern noch etwas ganz anderes sagten, als Sie heute machen. Daran müssen Sie sich an dieser Stelle auch messen lassen . (Beifall CDU) (Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LINKE: Was ist jetzt Ihre Position?) Meine Damen und Herren, die Thüringerinnen und Thüringer, die Beamtinnen und Beamten … Präsident Carius: Herr Kowalleck, es gibt noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten … Abgeordneter Kowalleck, CDU: Ich würde gern meine Rede beenden. (Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: Welche Position haben Sie?) Herr Dittes hat ja die Möglichkeit, wie beim letzten Mal hier auch noch die Stellungnahme seiner Fraktion zu bringen und vielleicht nimmt er dann auch noch die Anregung aus meiner Rede auf. Ich habe ja gesagt, es wäre gut, wenn hier auch noch einmal näher auf die Anregungen der Anzuhörenden eingegangen wird. Erklären Sie das doch bitte auch den Anzuhörenden, warum Sie gestern ganz andere Dinge gesagt haben als heute. Meine Damen und Herren, die Thüringer Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter verfolgen diese Diskussion mit großem Interesse und konnten sich auch ihr Bild machen, ein Bild davon, was von Teilen der Koalitionsfraktionen einmal gesagt wurde und heute nicht gehalten wird. Wieder einmal heißt es an dieser Stelle von Ihnen: Versprochen und dann doch gebrochen! (Beifall CDU) Präsident Carius: Vielen Dank, Herr Kowalleck. Nun kommt Abgeordneter Brandner für die AfD-Fraktion zu Wort. Bitte. Sie sind von Ihrer Fraktion gemeldet worden. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Zu 3 a nicht!) Okay, dann kommen wir zu Frau Rothe-Beinlich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – oder? Herr Adams, okay. Wir sehen jetzt die Redeliste einfach noch einmal durch. Herr Adams, Sie haben das Wort. Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Herr Kowalleck, jetzt haben wir bis zum Ende doch nicht die Position der Union erfahren, aber vielleicht gibt es ja die Möglichkeit, dass Sie uns das noch in einem nachfolgenden Beitrag mitteilen, oder wir werden es nachher bei der Abstimmung sehen. Eigentlich, sehr geehrter Herr Kowalleck, wollte ich meine Rede damit beginnen, dass ich Ihnen antworte und mich Ihnen an die Seite stelle, indem Sie nämlich gesagt haben: Ich will gar nicht alles noch einmal wiederholen, was hier schon gesagt wurde. Auch der sehr ausführliche Beitrag Ihrer Kollegin hat uns in die Thematik eingeführt. Und so will ich es trotzdem halten, auch wenn Sie uns Ihre Position nicht verraten haben. Vielleicht so viel: Ich habe herausgehört, dass die CDU die Oppositionsposition übernommen hat, aber – so wie es Kollege Pidde schon gesagt hat – eben nicht die einer konstruktiven Opposition, die durchaus durch eine argumentativ vorgetragene Kritik die regierungstragenden Fraktionen treiben könnte. Ich habe nur wahrgenommen, dass Sie beim Verfassen Ihrer Rede davon ausgegangen waren, dass Sie erwarten würden oder wohl erwartet haben, dass wir mit Fingern auf die CDU zeigen. Das ist überhaupt nicht unsere Aufgabe und das haben auch, wenn ich ordentlich zuhören konnte, Herr Pidde und Herr Kräuter überhaupt nicht gemacht. Die rot-rot-grüne Landesregierung setzt mit diesem Gesetz einen wichtigen Punkt um. Das haben alle Rednerinnen und Redner so, denke ich, bekräftigt und deutlich gemacht, nämlich ein wichtiges Erfordernis, das besteht, die Beamtenbezüge und die Angestelltengehälter nicht weiter auseinanderdriften zu lassen. Zum 01.09., rückwirkend, werden in diesem Jahr deshalb alle Beamtinnen und Beamten 1,9 Prozent mehr erhalten und im nächsten Jahr wird es noch einmal um 2,1 Prozent steigen. Uns Bündnisgrünen ist das wichtig, weil wir mit dieser Erhöhung – auch das ist schon von den Rednern der regierungstragenden Fraktionen sehr deutlich gesagt worden – die Wertschätzung für die Arbeit der Beamtinnen und Beamten nicht nur in dieser Zeit, sondern insgesamt im Freistaat Thüringen schätzen. Ich denke, das auch für das gesamte Parlament sagen zu dürfen, dass uns dieser Ausdruck der Wertschätzung hier eint, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die enormen Leistungen, die Beamtinnen und Beamte im Augenblick gerade bei der Aufnahme von Flüchtlingen, bei den ersten Schritten der Integration durchführen müssen, diese Wertschätzung für diese ganz besondere Arbeit versuchen wir, wenigstens ansatzweise in einer Stellenzulage auszu- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2341 (Abg. Adams) drücken, die wir in einem Änderungsantrag hier in das Gesetz mit eingefügt haben. Insofern denke ich, dass wir bei der vielen Zustimmung, die es heute hier im Parlament gegeben hat, ein Abstimmungsergebnis haben werden und damit auch dieses Besoldungsgesetz dann auf den Weg bringen. Vielen Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Carius: Vielen Dank, Herr Adams. Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt nicht vor, sodass ich für die Regierung Herrn Staatssekretär Schubert das Wort erteile. Dr. Schubert, Staatssekretär: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich denke, mit dem Entwurf der Regierung, der mit kleinen Änderungen heute zur Abstimmung steht, haben wir einen guten Kompromiss eingebracht, der einerseits die Leistungen der Beamtinnen und Beamten im Freistaat würdigt, auf der anderen Seite aber auch die finanziellen Rahmenbedingungen beachtet. Mit der Angleichung der Besoldung an die Tariferhöhung jeweils zum 01.09. ist das – denke ich – gelungen. Auch wird damit erreicht, dass es kein weiteres Auseinandertriften der Einkommen der Tarifbeschäftigten und der Beamten gibt. Ich kann gar nicht verstehen, Herr Kowalleck, dass Sie das hier so kritisieren, denn das ist die gängige Praxis, die auch unter Minister Voß so eingebracht worden ist und die auch von Ihnen und Ihrer Fraktion immer so mitgetragen worden ist. Vielleicht noch zwei wichtige Punkte, denn die Inhalte sind jetzt ausführlich diskutiert worden. Wir werden oft auf Personalratssitzungen oder in Beschäftigtenversammlungen gefragt, was denn nun mit der Besoldungsanpassung ist, es sollte doch am 1. September passieren und jetzt haben wir doch schon November und es ist immer noch nichts passiert. Dazu muss man noch mal sagen, dass wir die Aufgabe hatten, die Verfassungsmäßigkeit der Besoldung zu überprüfen. Das gilt sowohl für die Vergangenheit, also für die letzten Jahre, das hat uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben, als auch für einen gewissen Ausblick auf die vor uns liegenden Jahre, wobei man das eben nicht genau abschätzen kann, weil da auch die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts eine Rolle spielt und die kann man natürlich nur schätzen bzw. prognostizieren, aber nicht genaue Voraussagen treffen. Wir sind dann zu der Erkenntnis gekommen, die Besoldung in der Vergangenheit war verfassungsgemäß. Wir gehen davon aus, dass das für die jetzt vorgeschlagene Besoldungserhöhung auch zutrifft. Das hat ein bisschen gedauert, weil wir das wirklich exakt abprüfen mussten. Deshalb ist der Gesetzent- wurf erst nach zwei Kabinettssitzungen dann im September eingebracht worden. Aber ich denke und bin mir ganz sicher, wenn wir heute zur Beschlussfassung kommen, werden wir das dann Ende November/Anfang Dezember auch bei der nächsten Gehaltszahlung berücksichtigen und rückwirkend zum 1. September die Zahlung vornehmen, sodass dies also in diesen Jahr noch zur rechten Zeit erfolgt. Eine zweite Sache, auf die ich noch kurz eingehen möchte, sind die Änderungen, die von den Koalitionsfraktionen eingebracht worden sind. Das ist einmal die Änderung bei der Mindestversorgung, was wichtig ist, aber eben auch die Zuschläge, die möglich sind, für die Beschäftigten, die in den Erstaufnahmeeinrichtungen große Arbeit leisten. An dieser Stelle noch meinen herzlichen Dank an alle, die dort tätig sind. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir möchten das in gewisser Weise, weil das wirklich über das normale Maß hinausgeht, würdigen und die Möglichkeit schaffen, eine Stellenzulage von 120 Euro pro Monat zu ermöglichen. Für Tarifbeschäftigte brauchen wir das nicht im Gesetz zu regeln, da können wir mit außertariflichen Zulagen arbeiten. Das sind wichtige Änderungen, die sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch ergeben haben. Ausdrücklicher Dank an die Koalitionsfraktionen, dass das aufgenommen worden ist. Ich hoffe jetzt auf Zustimmung zum Gesetzentwurf, damit wir die Anpassung zur Besoldung auch noch rechtzeitig vornehmen können. Herzlichen Dank. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Carius: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir haben jetzt keine weiteren Wortmeldungen, sodass wir zur Abstimmung kommen zunächst über die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses in der Drucksache 6/1255. Ich frage, wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen – aus den Koalitionsfraktionen, danke schön, aus der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Enthaltungen? Enthaltungen aus der CDU-Fraktion. (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Keine Position. Genau. Jetzt wissen wir es!) Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen. Wir kommen dann zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 6/978 2342 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Präsident Carius) (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Man traut sich nicht einmal zu sagen, welche Position man hat!) in zweiter Beratung unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung zur Beschlussempfehlung in der Drucksache 6/1255. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Vielen Dank, Zustimmung aus den Koalitionsfraktionen und der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Enthaltungen? Aus der CDU-Fraktion. Vielen Dank. Damit ist auch der Gesetzentwurf angenommen. Wir kommen damit zur Schlussabstimmung über den Gesetzentwurf. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt, sich von seinen Plätzen zu erheben. Danke schön. Gegenstimmen? Enthaltungen? Vielen Dank. Mit Enthaltungen aus der CDU-Fraktion mit übergroßer Mehrheit angenommen. Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 4 Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Nachbarrechtsgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/1173 ERSTE BERATUNG Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Ich eröffne damit die Aussprache und das Wort erhält Abgeordnete Frau Dr. Martin-Gehl von der Fraktion Die Linke. Abgeordnete Dr. Martin-Gehl, DIE LINKE: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Sie alle kennen dieses Sprichwort und manch einer hat diese Erfahrung auch sicher schon selbst machen müssen. Doch in den wenigsten Fällen geht es um den bösen Nachbarn, wenn es zu Streitigkeiten kommt. Meist beruhen nachbarliche Unstimmigkeiten auf Missverständnissen, auf Unkenntnis rechtlicher Vorgaben oder schlichtweg auf Unklarheit der Rechtslage. Der vorliegende Gesetzentwurf zielt darauf ab, eine Lücke zu schließen, nämlich eine bislang unklare Rechtslage zu klären. Denn der Entwurf schreibt das Thüringer Nachbarrecht nicht einfach im Wege einer Entfristung fort, sondern er nimmt sich einer Problematik an, die sich in den letzten Jahren als konfliktträchtig gezeigt hat und die auch unsere Gerichte zunehmend beschäftigt. Es geht dabei speziell um die Frage, ob ein Grenzüberbau aufgrund von Wärmedämmungsmaßnahmen von Grundstücksnachbarn geduldet werden muss. Nach den bundesgesetzlichen Regelungen besteht ein sol- cher Duldungsanspruch in der Regel nicht bzw. nur unter engen, speziellen Voraussetzungen. Auch nach dem Thüringer Nachbarrecht besteht das Problem, dass der Grundstücksnachbar quasi ein „Vetorecht“ hat, um eine ökologisch sinnvolle Wärmedämmmaßnahme am Nachbargrundstück zu verhindern. Das heißt, er kann einem Überbau auf sein Grundstück seine Zustimmung verweigern und damit die Maßnahme undurchführbar machen. Diese Rechtslage ist unbefriedigend. Denn die Nachrüstung gerade älterer Gebäude mit wärmedämmendem Fassadenmaterial ist ein wichtiger Beitrag zum Natur- und Klimaschutz und liegt damit im Interesse des Allgemeinwohls. Um hier Abhilfe zu schaffen, werden mit dem vorgesehenen § 14 a des Gesetzentwurfs, der überschrieben ist mit „Überbau durch Wärmedämmung“, nun im Thüringer Nachbarrecht die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um die energetische Sanierung von Gebäuden zu fördern und damit zugleich ein wichtiges Anliegen des Koalitionsvertrags umzusetzen. Diese Änderung des Thüringer Nachbarrechts sieht vor, dass an bestehenden Gebäuden, Fassadendämmungen, die bis maximal 25 Zentimeter in das Nachbargrundstück hineinreichen, von Grundstücksnachbarn zu dulden sind, wobei – und das findet sich dann in der Regelung im Einzelnen wieder – der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist. Immerhin geht es um einen Eingriff in das Eigentumsrecht. Dass eine solche landesgesetzliche Regelung mit der konkurrierenden Gesetzgebung von Bund und Ländern im Einklang steht bzw. dass der Thüringer Landesgesetzgeber eine solche Duldungspflicht überhaupt festlegen kann, hat ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2007 bereits klargestellt. Nach dieser Entscheidung bestehen für den Landesgesetzgeber hinsichtlich des nachbarrechtlichen Überbaus eigene Gestaltungsmöglichkeiten, die durch die in Artikel 14 Grundgesetz verankerte Sozialbindung des Eigentums gedeckt sind, denn „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“, so heißt es in Artikel 14 Abs. 2 Grundgesetz. Dass die energetische Wärmedämmung von Gebäuden nicht nur dem einzelnen Grundstückseigentümer, sondern letztlich auch dem Allgemeinwohl dient, liegt auf der Hand. Energiesparmaßnahmen und nachhaltige Energienutzung sind Bestandteil des gesellschaftspolitischen Konzepts der Energiewende und diese beginnt im Kleinen, im eigenen Grundstück, und sie endet eben nicht an der Grundstücksgrenze. Diesem Anspruch trägt § 14 a des Gesetzentwurfs Rechnung. Zugleich schafft die Regelung Rechtssicherheit im nachbarschaftlichen Miteinander und damit zumindest in dieser Frage eine Basis für mehr gute als böse Nachbarschaft. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2343 (Abg. Dr. Martin-Gehl) Weitere Regelungen des Gesetzentwurfs beinhalten notwendig gewordene inhaltliche und gesetzestechnische Anpassungen an andere Gesetze und Verordnungen. Dabei geht es unter anderem um nachbarliche Duldungspflichten für die Anbringung von Schornsteinen, um Grenzabstände von Anpflanzungen im öffentlichen Verkehrsbereich, um Abstände von Gebäuden zum Wald und das Zurückschneiden von Hecken. Ich will auf Details hier nicht weiter eingehen. Zusammenfassend bleibt zunächst festzuhalten, dass der Gesetzentwurf zum einen Bewährtes fortschreibt und zum anderen notwendige Regelungsbedarfe umsetzt, die sich seit der letzten inhaltlichen Änderung des Thüringer Nachbarrechts im Jahr 2006 ergeben haben. Der Gesetzentwurf wird daher von meiner Fraktion befürwortet und die Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz beantragt. Danke schön. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Carius: Vielen Dank. Damit erteile ich Herrn Abgeordneten Scherer für die CDU-Fraktion das Wort. Herr Scherer, Sie haben das Wort. Abgeordneter Scherer, CDU: Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, das Nachbarrechtsgesetz enthält wichtige Regelungen für ein friedliches Miteinander der Nachbarn. Viele können sich vielleicht noch an das Lied erinnern – das betrifft zwar das sächsische Nachbarrecht –: (Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Jetzt müssen Sie auch singen!) Ich versuche mal, das Wort „Maschendrahtzaun“ – aber ich kann es, glaube ich, nicht richtig – sächsisch auszusprechen. (Heiterkeit CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wer sich an das Lied erinnert, weiß, worum es geht, nämlich um das Nachbarrecht und vor allen Dingen um den Frieden zwischen den Nachbarn. Dem dient das Nachbarrechtsgesetz; es hat diverse Regelungen über Grenzwände, Hammerschlag, Leiterrechte, Durchleitung von Wasser und Abwasser usw. Die wesentliche Änderung – das ist eben schon von meiner Kollegin angesprochen worden – ist der § 14 a. Wir begrüßen, dass es dort jetzt eine Regelung gibt, wobei ich schon noch etwas Diskussionsbedarf habe, wenn ich die 25 Zentimeter anschaue. Also wenn ich mir vorstelle, dass da einer eine 25 Zentimeter dicke Dämmung draufpappt – zum Nachteil des Nachbarn –, das erscheint mir sehr viel, das macht doch kein Mensch. 15 Zentimeter reichen vielleicht auch. Aber darüber kann man sich ja im Ausschuss noch mal unterhalten. Es gibt noch zwei, drei kleinere Punkte, bei denen ich meine, dass sie diskussionswürdig sind, zum Beispiel die Abstandsregelung in § 46 Abs. 2 Nummer 2, wo im Moment drinsteht, dass zu Grünflächen und zu Gewässern kein Abstand gehalten werden muss mit Sträuchern und Bäumen. Jetzt kommt noch dazu, dass auch zu öffentlichen Verkehrsflächen kein Abstand gehalten werden muss. Das kann ich mir gar nicht so richtig vorstellen. Dann pflanzt einer an die öffentliche Verkehrsfläche direkt nebendran einen riesigen Baum. Der Baum ragt dann in die öffentliche Verkehrsfläche hinein. Dann kommen die Probleme mit den Lkws, die 3, 4 Meter hoch sind und nicht mehr darunter durchkommen. Das sind Punkte, bei denen ich meine, darüber muss man noch einmal reden. Was ich auch nicht so richtig nachvollziehen kann ist, in demselben Paragrafen, dass auch ohne Abstandsflächen Anpflanzungen auf öffentlichen Straßen zulässig sein sollen. Auch da habe ich Verständnisprobleme, wie das geht. Und was ich für nicht glücklich halte, ist, dass in § 49 steht, dass bei Neuanpflanzungen von Wald und bei Verjüngungen von Wald ein Abstand von 30 Meter zum Grundstück zu halten ist, also zu bebauten oder zu bebaubaren Grundstücken. Meines Erachtens wäre es besser, wenn man die 30 Meter zu Gebäuden als Abstand halten würde, anstatt zu Grundstücken. Wenn das Grundstück 300 Meter tief ist, ist es völliger Unsinn, wenn ich von der Grundstücksgrenze dann noch einmal 30 Meter Abstand halten soll. Und im Übrigen ist diese Regelung dadurch dann eigentlich obsolet, weil eine Übergangsregelung drin steht, dass sie erst wirksam wird, wenn ein nach der Regelung neu angepflanzter Wald verjüngt wird, das ist wahrscheinlich in 30 oder in 40 Jahren. Also ist es eine Regelung, die in 40 Jahren in Kraft tritt, das halte ich auch für wenig sinnvoll. Deshalb sind wir dafür, im Ausschuss darüber zu debattieren. Danke schön. (Beifall und Heiterkeit CDU) Präsident Carius: Vielen Dank, Herr Scherer. Das Wort erteile ich nun Abgeordneter Marx für die SPD-Fraktion. Abgeordnete Marx, SPD: Verehrter Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Tat, Nachbarrecht ist immer so ein bisschen vermintes Gelände, denn wenn die Nachbarn sich immer gut vertragen würden, bräuchten wir das Nachbarrecht nicht. Es ist, wie auch sonst im Rechtssystem, ein Konfliktrecht. Solange man sich – wie gesagt – freundlich mit dem Nachbarn über den Zaun oder ohne Zaun unterhält, brauchen wir das alles nicht. Die Kollegin Frau Dr. MartinGehl hat schon sehr gründlich berichtet, was ei- 2344 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Marx) gentlich der Kerninhalt dieses Gesetzes ist. Es geht vor allen Dingen um die Duldungspflicht bei Wärmedämmung, allerdings natürlich nur bei nachträglich aufgebrachter Wärmedämmung. Jemand, der neu baut, kann jetzt nicht sagen, ich darf mit meiner Dämmung noch einmal bis zu 25 Zentimeter aufs Nachbargrundstück, der muss natürlich von vornherein den Abstand einhalten. Ja, 25 Zentimeter ist schon ordentlich, aber entscheidend ist, dass in dem Gesetz auch eine Rückbauverpflichtung vorgesehen ist. Wenn der Nachbar seine Nutzung des Grundstücks insoweit zum Beispiel ändert, als dass er eine Einfahrt anlegen will und wenn die bis zu 25 Zentimeter im Weg sind, entsteht unter Umständen auch wieder eine Rückbauverpflichtung. Insofern ist das jetzt nicht ein für alle mal festgeschrieben, dass ein Viertelmeter Grundstücksgrenze an einer Bauwand für den duldungspflichtigen Nachbarn endgültig verlustig gehen würde. Es gibt natürlich auch noch andere Fragen. Die halte ich schon noch einmal einer vertieften Beratung für würdig. Der Kollege Scherer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Bepflanzungsgrenze Null zum öffentlichen Straßenraum oder vom öffentlichen Straßenraum zum Grundstück schon ein Problem darstellen kann. (Beifall CDU) Wenn ich einen öffentlichen Verkehrsraum habe, geht es auch um Übersichtlichkeit. Ich bin im richtigen Leben Rechtsanwältin. Ich habe auch schon Fälle gehabt, wo eine Hecke an der Grundstücksgrenze, die direkt an eine Verkehrsfläche angrenzt, den Blick zum Beispiel auf eine Einfahrtsstraße beschränkt und dass es dort dann zu unfallträchtigen Situationen kommt. In meiner Heimat Sondershausen hat man jetzt, es hat mir eigentlich leid getan um die schönen Bäume, entlang der B 4 die ganzen Bäume zwischen der Bahnstrecke Bahnübergang im Graß abgesägt. Wer die Strecke kennt, das war eine sehr unübersichtliche Strecke. Da gab es wohl auch häufiger Unfälle. Jetzt sind die Bäume weg, finde ich eigentlich schade, aber wie gesagt, das sind Dinge, die wir auch im zuständigen Ausschuss noch einmal vertieft beraten sollten. Nur darum geht es heute, dass wir diesen Gesetzesvorschlag, der ansonsten wichtige und unerlässliche Anpassungen enthält und auch wegen der Überbaupflicht im Grunde wichtig ist, im zuständigen Fachausschuss noch einmal gründlich beraten, denn, wie gesagt, Nachbarrecht – vermintes Gelände. Auch wir beantragen die Überweisung an den zuständigen Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Carius: Vielen Dank, Frau Marx. Das Wort hat nun Abgeordneter Möller für die AfD-Fraktion. Abgeordneter Möller, AfD: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Nachbarrechtsgesetzes macht auf den ersten Blick den Eindruck, als gehe es in der Hauptsache um ein paar gesetzestechnische Details, namentlich um die Entfristung eines ja längst bestehenden Gesetzes und um ein paar Anpassungen an andere Bestimmungen wie etwa an Regelungen des Straßengesetzes. Allerdings zeigt sich rasch, dass es hier auch eine durchaus erhebliche und relevante materiell-rechtliche Änderung gibt. Dies betrifft die Frage, ob ein Grundstückseigentümer, der ein bestehendes Gebäude mit einer Außendämmung versehen will, die Zustimmung des Nachbarn – also genauer, des Eigentümers des Nachbargrundstücks – einholen muss, wenn das Gebäude an der Grundstücksgrenze steht. Mit anderen Worten geht es darum, ob es als Grundstückseigentümer noch meiner Einwilligung bedarf, wenn ich der Nachbar bin, ob eben der Nachbar mir de facto einen Teil meines Grundstücks wegnehmen darf, um eben beispielsweise seine Ausdämmung auf meinem Grundstück unterzubringen. Da muss ich eben der Kollegin Marx widersprechen, die meint, man nimmt da dem Nachbarn nichts weg. Es gibt einen alten, einfachen physikalischen Grundsatz und der lautet: Wo ein Körper ist, kann kein anderer sein. Der gilt natürlich auch im Nachbarrecht. (Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz: Das kann man so und so sehen!) Nein, den kann man nicht so und so sehen. Der gilt absolut. Es tut mir leid, Frau Siegesmund. Ja, auch bei den Grünen, dafür werden Sie sich also keine Ausnahme von der Physik einräumen lassen können. Nach den Grundsätzen unseres seit über hundert Jahren geltenden Zivilrechts bedarf es in Fällen der Nutzung eines Grundstücks, was mir nicht gehört, der Zustimmung des Grundstückseigentümers. Es gibt sogar Regelungen für Fälle der willkürlichen Verweigerung. Es gibt also – da muss ich auch Frau Dr. Martin-Gehl widersprechen – in diesem Fall keine Regelungslücke, sondern es gibt eine Regelung, nur gefällt die Ihnen nicht. Sie möchten nämlich einführen, dass man in den genannten Fällen einfach zu dulden hat, wenn ein Nachbar vorsätzlich in das Nachbargrundstück hineinbaut, solange dieser damit ein Ziel verfolgt, welches das besondere Wohlwollen der rot-rot-grünen Klima- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2345 (Abg. Möller) ideologen hat. Genau das ist der Kern der Angelegenheit. (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Da knüpfen wir an gestern an!) Dieser Kern betrifft das Eigentumsrecht, das Recht, über die Dinge, deren Eigentümer man ist, autonom, also frei zu verfügen. Warum will die Landesregierung derart ins Eigentumsrecht eingreifen? In Ihrer Begründung zum Gesetzentwurf verweist die Regierung auf den sogenannten Stand der Technik und auf die Energiewende, die durch Verbesserung der Energieeffizienz voranzutreiben ist. So heißt es wörtlich: „Dies“ – gemeint ist die bisher notwendige Zustimmung des betroffenen Nachbarn – „erschwert die Anpassung von Bestandsbauten an den heutigen Stand der Technik einerseits und verhindert die Verbesserung der Energieeffizienz bei Bestandsgebäuden, die einen wesentlichen Bestandteil der Energiewende darstellt, andererseits.“ Meine Damen und Herren, natürlich kann man sagen, dass das doch nur Lappalien seien, wenn jemand ein paar Quadratmeter seines Grundstücks ungefragt opfern muss, wo es doch immerhin mit der Energiewende um die Rettung der ganzen Welt geht. (Beifall AfD) Und gewiss kann man erst mal behaupten, dass das ja bestimmt nicht allzu viele Fälle beträfe, dass die Eingriffe doch nur recht geringfügig seien, dass die De-facto-Wegnahme von Grundstücksfläche ohnehin nur unter engen Bedingungen geduldet werden müsse und dann ja auch noch ein Ausgleich in Geld – also eine Entschädigung – gezahlt werde. Aber, meine Damen und Herren, so kann man nur argumentieren, wenn man sich bereits an die krakenhafte Ausbreitung des bevormundenden Staats gewöhnt hat, wenn es einem ganz selbstverständlich erscheint, dass die Obrigkeit schon weiß, was richtig ist und wenn man meint, dass die Freiheit, zu der auch die Eigentumsfreiheit gehört, und die Interessen der Individuen nicht so wichtig sind, wenn es um die von jener rot-rot-grünen Obrigkeit zu gestaltende Zukunft des Planeten geht. (Beifall AfD) Aber von alldem, meine Damen und Herren, sind wir von der AfD nicht überzeugt. Ich darf Sie daran erinnern, dass es hier um ein grundlegendes Prinzip der freiheitlichen Gesellschaft geht, nämlich um das Prinzip der Privatautonomie. Auf der Privatautonomie ruht unser gesamtes Zivilrecht. Die Privatautonomie ist verfassungsrechtlich durch die Handlungsfreiheit, Artikel 2, garantiert. Zur Privatautonomie gehört, dass der Eigentümer über seine Sache frei verfügen darf, so er andere damit nicht schä- digt. Zu ihr gehört, dass man seine Freiheit auch in einer Weise gestalten darf – jetzt hören Sie gut zu, Frau Rothe-Beinlich –, die der rot-rot-grünen Obrigkeit nicht gefällt, solange man andere damit nicht schädigt. (Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Dabei wollten Sie gestern noch die Verfassung ändern!) Das hätte ja unserer Demokratie genutzt, aber da waren Sie dagegen, Frau Marx. Tut uns leid, noch haben wir nicht die Mehrheiten, aber irgendwann. (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das wäre ja wohl gelacht!) Wenn Sie so weitermachen, dann haben wir die irgendwann. Die Privatautonomie ist heute aus verschiedenen Gründen gefährdet, und zwar heute mehr denn je. Unter anderem ist es ein bevormundender Staat rot-rot-grüner Prägung und im europäischen Fall ist es auch noch die EU, die mit immer mehr Regeln in das Privatleben und in die Freiheitsrechte der Menschen eingreift. Das gilt im Großen, wenn beispielsweise sogenannte Antidiskriminierungsgesetze oder Quotenregelungen die unternehmerische Freiheit einzwängen und alle möglichen gesetzlichen Auflagen einen überbordenden bürokratischen oder finanziellen Aufwand für die Privaten hervorbringen. Aber es gilt auch im Kleinen, wie beispielsweise hier im Zivilrecht, wo die betroffenen Grundstückseigentümer bzw. Nutzungsberechtigten gezwungen werden, Eingriffe Dritter in ihre Rechte zu dulden, weil damit die Rettung der Welt vorangebracht werden soll. (Beifall AfD) Natürlich können Freiheitsrechte, ja sogar Grundrechte beschränkt werden, wenn sie mit anderen Rechtsgütern in Ausgleich gebracht werden müssen. Das ist klar und gilt im Übrigen entgegen einer landläufig linken Rechtsmeinung sogar für das Asylrecht. Und natürlich gilt auch die Privatautonomie nicht absolut, aber eine Beschränkung der privaten Freiheit muss gut begründet werden. Davon ist dieser Regierungsentwurf meilenweit entfernt. (Beifall AfD) Tatsächlich geht es nämlich um ein überaus fragwürdiges und durchideologisiertes Projekt, dem die private Freiheit hier einmal mehr weichen soll. Es ist das Projekt der Energiewende, ein Projekt, das die Bürger auch in Thüringen schon jetzt teuer zu stehen kommt, und zwar nicht nur in finanzieller Hinsicht. Das liegt daran, dass die Energiewende bei Ihnen sozusagen quasi religiöse Züge bzw. ersatzreligiöse Züge hat und damit entsprechend moralisch überhöht ist. (Beifall AD) (Heiterkeit SPD) 2346 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Möller) Dieser Moral sollen nun die Eigentumsrechte einmal mehr weichen. Aber, meine Damen und Herren von der rot-rot-grünen Fraktion, das ist die Politik der Illiberalen, das ist eine Politik der Freiheitszerstörung, das ist eine typische links-grüne Gouvernantenpolitik, die Sie da betreiben. (Beifall AfD) (Heiterkeit SPD) Die Freiheit wird heute nicht mit einem Schlag abgeräumt, sondern durch links-grüne Besserwisser mit Missionierungsattitüde im täglichen Kleinklein der staatlichen Bevormundung Stück für Stück abgeschafft. (Beifall AfD) (Heiterkeit SPD) Sie dienen mit diesem Gesetzentwurf auch nicht dem Nachbarschaftsfrieden. Das ist absurd. Wenn ich hinnehmen soll, dass mein Nachbar ohne meine Zustimmung mein Grundstück nutzt, wie soll das denn dem Nachbarschaftsfrieden dienen? Das ist absurd, Ihre Vorstellung. Es tut mir leid, anders kann man es nicht bezeichnen. (Beifall AfD) Die AfD ist mit dem Ziel angetreten, einer solchen antiliberalen Politik und Bevormundung und Gängelung der Bürger entgegenzutreten. Wir wollen nicht immer mehr Willkür auf Kosten der Freiheit, sondern wir wollen wieder mehr Freiheit in diesem Land und daher lehnen wir diesen Gesetzentwurf komplett ab. Wir werden auch keiner Überweisung an den Ausschuss zustimmen. Danke. (Beifall AfD) (Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Jawohl, Freiheit!) Präsident Carius: Vielen Dank. Das Wort hat nun Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Schülerinnen und Schüler. Herr Möller, ich kann Ihre Rede nur als untauglichen Versuch, den abwesenden Fraktionsvorsitzenden zu kompensieren, verstehen. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Der ist schon schwach, aber der hier ist noch schwächer!) Die Aneinanderreihung der immer gleichen Wortgruppen wird auch nicht besser, egal zu welchem Thema Sie die hier vortragen. Wenn Sie etwas zum vormundschaftlichen Staat lesen wollen, empfehle ich Ihnen die Lektüre von Rolf Henrich, ein sehr lesenswertes Buch. (Unruhe AfD) Doch nun zum Nachbarrechtsgesetz, was uns heute hier eigentlich beschäftigt. Da geht es eben nicht um krakenhafte Ausbreitungen vom bevormundenden Staat, ganz und gar nicht, sondern – Herr Scherer hat es hier dargestellt – es geht um maximal 25 Zentimeter Bebauung durch Wärmedämmung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da sollten wir vielleicht auch die Wärmedämmung quasi beim Haus lassen und nicht ausufernd in die Welt tragen. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Mit gutem Recht!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, acht Bundesländer haben in den letzten fünf Jahren in ihren Gesetzen einen solchen Duldungsanspruch verankert, und es ist in der Tat ein in die Jahre gekommenes Gesetz, über das wir hier reden. Es stammt nämlich aus dem Jahr 1992, wurde erstmals geändert im Jahr 2010 und ist befristet bis zum 31.12. dieses Jahres. Genau deshalb müssen wir uns jetzt damit beschäftigen und ich bin der Landesregierung sehr dankbar, dass sie nicht nur eine formale Entfristung vornimmt, sondern sich tatsächlich auch den Fragen stellt, die im Nachbarrecht immer wieder zu Diskussionen führen, die einer Regelung bedürfen, und sich da auch den Herausforderungen stellt, die der Klimawandel mit sich bringt und dementsprechend auch einer beispielsweise notwendigen Wärmedämmung. Die inhaltlichen Änderungen hat meine Kollegin Iris Martin-Gehl sehr umfangreich vorgetragen. Vielen Dank dafür. Ich will auch nur noch einmal kurz zusammenfassen, was die wesentlichen Neuerungen des Gesetzes tatsächlich anbelangt. Da geht es um die energetische Sanierung von Bestandsbauten. Es besteht also eine privatrechtliche Duldungspflicht, wenn durch das Anbringen einer Außenisolierung an einer Gebäudewand auf der Grundstücksgrenze ein Überbau entsteht. Ob da die 25 Zentimeter genau die richtige Marge sind oder nicht, darüber kann man sicherlich diskutieren. Es darf jedenfalls nicht mehr sein. Das regelt dann das Gesetz und das ist, glaube ich, auch entscheidend und im wahrsten Sinne des Wortes auch überschaubar. Die anderen etwas unbedeutenderen Änderungen beziehen sich auf die Schornsteinhöhen, auf Grenzabstände bei Anpflanzungen. Darüber muss man sicherlich tatsächlich nachdenken, was den direkten Straßenraum betrifft. Frau Marx hat ja darauf hingewiesen, dass man die Übersichtlichkeit in jedem Fall gewährleisten muss. Es geht um Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2347 (Abg. Rothe-Beinlich) Grenzabstände bei Gebäuden zum Waldrand, da fand ich den Hinweis von Herrn Scherer ganz richtig, darüber nachzudenken, ob man nicht tatsächlich ausschließlich von Gebäuden ausgehen sollte und weniger von Grundstücksflächen, gerade wenn es sich dabei um unbebautes Gelände handelt. Und es geht auch um das Zurückschneiden von Pflanzen. Was sind die Argumente für die Änderungen? Natürlich Wärmedämmmaßnahmen, die einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten – durch Verbesserung der Energieeffizienz, durch den hohen Anteil der Raumwärme am Endenergieverbrauch wirken sich Energieeinsparungen in diesem Sektor auch besonders günstig auf die bessere CO2-Bilanz aus. Wir werden das Gesetz ja auch im Ausschuss beraten, ich hoffe, zeitnah, denn wie gesagt, zum Ende des Jahres läuft das jetzige Gesetz aus. Ich freue mich auf eine sachliche Debatte. Ich glaube, den gesamten ideologischen Ballast, den wir eben vom Vorredner hören mussten, können wir da außen vor lassen. Ich bitte in diesem Sinne um Überweisung an den Justiz- und Migrationsausschuss. Vielen herzlichen Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Carius: Herzlichen Dank, Frau Rothe-Beinlich. Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor. Seitens der Landesregierung gibt es auch keinen Redewunsch, sodass wir zur beantragten Ausschussüberweisung kommen. Es ist die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz beantragt worden. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Vielen Dank. Gegenstimmen? Gegenstimmen aus den Reihen der AfDFraktion. Mit übergroßer Mehrheit an den Ausschuss überwiesen. Wir schließen damit diesen Tagesordnungspunkt. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5 Thüringer Gesetz zur Änderung der Rechtsverhältnisse im juristischen Vorbereitungsdienst Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/1216 - Neufassung ERSTE BERATUNG Frau Marx wünscht das Wort zur Begründung. Abgeordnete Marx, SPD: Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetzentwurf sollen sich die Rechtsverhältnisse im juristischen Vorbereitungsdienst ändern, und zwar insoweit, dass das bisherige befristete Beamtenverhältnis – das Beamtenverhältnis auf Zeit – in ein Angestelltenverhältnis umgewandelt wird. Natürlich hätte es der eine oder andere vielleicht schöner gefunden, es wäre dabei geblieben. Aber wir sind das einzige Bundesland, das sich noch diese Verbeamtung auf Zeit leistet. Deswegen ist es eine Anpassung – wie wir denken – überfällig und auch nicht schädlich. Mit der Umstellung auf ein Angestelltenverhältnis sinkt formal erst einmal die Besoldungshöhe, das ist richtig. Bisher sind das rund 1.300 Euro im Beamtenverhältnis, die ein Rechtsreferendar oder eine Rechtsreferendarin erhält. Das wird nun künftig weniger sein, und zwar 1.100 Euro Bruttosalär, aber es gibt nicht nur Nachteile, es wird auch Vorteile geben, beispielsweise die Einbeziehung in die gesetzliche Versicherungspflicht. Damit einher geht dann eben auch die Berechtigung, falls im Anschluss an das Referendariat Arbeitslosigkeit eintritt, dass dann ALG-Leistungen in Anspruch genommen werden können. Das hat es bisher alles nicht gegeben. Die Befürchtungen, die manche damit verbunden haben, dass junge Juristen in der Ausbildung vielleicht nach Thüringen kommen, weil man dort ein kurzfristiges Beamtenverhältnis ergattern kann, und dass das, wenn das wegfiele, ein Wettbewerbsnachteil sei, kann man so nicht bestätigen. Bisherige Gespräche mit Betroffenen haben gezeigt, dass eigentlich niemand von den auswärtigen jungen Juristinnen und Juristen wegen dieses Beamtenstatus nach Thüringen eingewandert oder vorübergehend zu uns gekommen wäre, sodass wir meinen, dass diese Anpassungen an bundesweite Regularien vertretbar und im Rahmen einer sparsamen Haushaltsführung auch den Betroffenen zuzumuten sind. Wie gesagt, wenn wir hier in Thüringen im Reich der Seligen und des fließenden, sprudelnden Geldes leben würden, dann hätten wir auch gern das Salär hochgesetzt, um möglicherweise noch diesen Wettbewerbsvorteil zu erreichen, aber unter den gegenwärtigen Bedingungen ist diese Anpassung etwas, was wir Sie bitten wollen, positiv zu begleiten. Aber auch hier kommt natürlich erst einmal die Befassung im zuständigen Ausschuss, bevor wir hier endgültig das Recht verändern. Die Haushaltswirksamkeit würde sich allerdings erst ergeben, wenn die derzeitigen Ausbildungsjahrgänge durch sind. Aber trotzdem können wir jetzt und heute hier anfangen, Vorsorge zu treffen. Auch hier wird beantragt, dann im Ausschuss die Sache fachlich weiter zu beraten. Vielen Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 2348 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Präsident Carius: Vielen Dank, Frau Marx. Ich eröffne damit die Aussprache und erteile Frau Walsmann für die CDUFraktion das Wort. Abgeordnete Walsmann, CDU: Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Anrede wollte ich eigentlich ein bisschen anders beginnen, aber, Frau Marx, ich bin einfach sprachlos über Ihren Beitrag. So viel Realitätsausblendung, also das kann ich gar nicht verstehen. Ich meine, Sie haben das ja alles verfolgt in den letzten Jahren. „Thüringer Gesetz zur Änderung der Rechtsverhältnisse im juristischen Vorbereitungsdienst“ – mit diesen wunderschönen Worten wird der vorliegende Gesetzentwurf überschrieben, der meiner Meinung nach tatsächlich eigentlich nur ein Ziel hat, nämlich die Ausbildungsvergütung der Thüringer Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare abzusenken und das drastisch. Zu den am Grundbetrag orientierten Einkommenseinbußen von 200 Euro im Monat – bisher 1.309 Euro, nach Ihren Planungen nur noch 1.100 Euro – kommen verschärfend noch die Sozialversicherungsbeiträge hinzu, die den Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren zusätzlich aufgebürdet werden. Je nach Steuersatz gehen dann von den 1.100 Euro Brutto nochmals um die 200 Euro an Sozialabgaben ab. Die Steuerquote liegt in diesem Bereich in einer zu vernachlässigenden Höhe um die 50 Euro. Was bringt das insgesamt für den Landeshaushalt? Ab dem Jahr 2018 vielleicht eine jährliche Ersparnis von 300.000 Euro. Die zweijährige Ausbildung eines jeden Rechtsreferendars wird dann um rund 7.000 Euro billiger. Kurzum, meine Damen und Herren, anderenorts laufen die Programme zur Fachkräftegewinnung, und die Thüringer Justiz will 7.000 Euro an jedem berufsfertig ausgebildeten Juristen sparen. (Beifall CDU) (Zwischenruf Abg. Marx, SPD: Andere machen das schon lange!) Leider ist der Herr Minister nicht persönlich da. Ich sage nur, Zahlen sind manchmal unangenehm. Zahlen beleuchten die Wahrheit und wir sollten uns einmal genau vor Augen führen, welche Konsequenzen die Zahlen haben, die sich hinter diesem Gesetzentwurf verbergen. Bei um die 900 Euro netto – und das ist schon aufgerundet –, in diesem Einkommensbereich werden Thüringer Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare landen. 900 Euro, das wäre ein Einkommensverlust von mehr als 20 Prozent. Sozial sieht anders aus. Gut, Sie sagen, dass wir uns damit an das niedrige Niveau anderer Länder anpassen. Wollen wir das? Können wir uns das mit Blick auf die Zukunft leisten? Wir brauchen gut ausgebildete junge Juristinnen und Juristen und wir brauchen sie genauso wie gut ausgebildete Polizisten und Polizistinnen, gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer, gut ausgebildete Beamtinnen und Beamte. Wir brauchen diese jungen Leute und Sie wollen ihnen mit diesem Gesetz einen massiven Einkommensverlust zumuten. Wir brauchen sie für die Rechtspflege in unserem Land und Sie vertreiben diese jungen Menschen durch gravierende Gehaltskürzungen. In weniger als fünf Jahren wird in der Thüringer Justiz ein Generationenumbruch beginnen, der selbst mit den heutigen Absolventenzahlen kaum zu bewältigen sein wird. Das gilt für den ganzen staatlichen Bereich, aber nicht nur für diesen, auch die Wirtschaft braucht gut ausgebildete Juristinnen und Juristen. Schon heute sehen wir, dass die Nachfrage deutlich über den Ausbildungszahlen liegt. Und in dieser Situation – ich kann mich da nur wiederholen – wollen Sie die Ausbildung und den Ausbildungsstandort Thüringen schwächen. Angesichts des schon heute bestehenden Bedarfs an Juristinnen und Juristen frage ich: Frau Staatssekretärin, glauben Sie wirklich, dass Sie dem Gebot der hinreichenden Nachwuchsgewinnung nicht nur für die Justizjuristen, sondern für die juristische Kompetenz in allen Bereichen Thüringens mit diesen Gehaltsabsenkungen gerecht werden? Wollen Sie wirklich, dass sich Justiz, öffentliche Verwaltung, aber eben auch die Wirtschaft und der Dienstleistungsbereich wieder auf den Weg der qualitativen Abwärtsspirale begeben? Wollen Sie wirklich, dass Thüringen in den nächsten Jahren wieder jeden einstellt, der sein Examen irgendwie und irgendwo bestanden hat? Gerade für die besten Absolventen der juristischen Fakultät in Jena, die auch in anderen Bundesländern den Vorbereitungsdienst beginnen können, wird es noch weniger Gründe geben, sich für Thüringen zu entscheiden. (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die kriegen auch nicht mehr!) (Beifall CDU) Angesichts des schon heute bestehenden Bedarfs, meine Damen und Herren, ist das eigentlich eine Unverschämtheit. (Beifall CDU) Sie haben mit dem Haushaltsgesetz 2015 die Ermächtigung erhalten, im Justizbereich 17 neue Proberichterinnen und Proberichter einzustellen. Genau dies haben Sie auch öffentlich verkündet. Ich frage Sie: Haben Sie diese 17 Stellen mittlerweile besetzen können, wenn nein, warum nicht? Fehlt es etwa bereits heute an der ausreichenden Absolventenzahl? Warum streichen Sie dort, wo dringender Bedarf besteht? Die Not der rot-rot-grünen Re- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2349 (Abg. Walsmann) gierung ist andernorts offenbar so groß, dass diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen bereit sind, um der 200 Euro im Monat willen junge Menschen in der Ausbildung mit einem Nettoeinkommensverlust in doppelter Höhe zu bestrafen. (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Andere Bundesländer zahlen noch weniger!) Gehaltskürzungen um jeden Preis durch einen Gesetzentwurf der Parteien, die sich mit den Attributen „sozial“ und „sozialistisch“ schmücken und anderswo als Mindestlohnverfechter und Retter auftreten. Sozial, meine Damen und Herren, sieht anders aus. (Beifall CDU, AfD) Oder ist das Ihr erster Schritt zur stärkeren Belastung der sogenannten Besserverdiener? Sie verschlechtern mit diesem Gesetz die Einkommensseite junger Rechtsreferendarinnen und -referendare gravierend, junger Menschen, die sich in ihrer berufspraktischen Ausbildung befinden, junger Menschen, die wir gerne hier in Thüringen halten wollen und junger Menschen, die vielleicht schon eine Familie gegründet haben, junger Menschen, auf die das Land, dieses Land, dieser Freistaat angewiesen ist. (Beifall AfD) Dieses Gesetz, meine Damen und Herren, wird dazu führen, dass sowohl der Justiz und der öffentlichen Verwaltung, aber auch der Wirtschaft eben nicht mehr die besten Juristen und Juristinnen in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Dieses Gesetz macht aber auch Schluss mit einem besonderen Thüringer Weg der Nachwuchsgewinnung, der bisher auch über Parteigrenzen hinweg Konsens war. Thüringen hat für das Amt von Richtern und Beamten immer im Status von Richtern und Beamten ausgebildet. Das besondere Treue- und Pflichtenverhältnis war uns wichtig. Junge Menschen wurden damit auf Augenhöhe an ihren künftigen Beruf herangeführt. Und das wollen Sie – ich richte das an Herrn Minister Lauinger speziell – nun aufgeben? Dabei verfängt der Hinweis auf die anderen deutschen Länder nun wirklich nicht. Die Aufgabe des Beamtenstatus für Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare war bis zum Jahr 2009 der rechtlich einzig mögliche Wege, Referendargehälter zu senken. Deshalb sind alle anderen Länder diesen Weg gegangen und deshalb stehen alle anderen Länder heute bereits genau vor der Notsituation, die ich eben beschrieben habe. Sie wissen nicht, woher sie ihren juristischen Nachwuchs nehmen sollen. Es gibt erste Länder, die nicht mehr in der Lage sind, Proberichterstellen zu besetzen, es gibt erste Programme, man höre und schreibe, zur Personalgewinnung in diesem Bereich und es fehlt in anderen deutschen Ländern schlicht an Absolventen. Alle Thüringer Justizminister, gleich wel- cher Partei, die Verantwortung für das Thüringer Justizressort getragen haben, haben sich diesem „Race to the bottom“ bislang aus den von mir aufgezeigten Gründen verweigert – Otto Kretschmer, Andreas Birkmann, Karl Heinz Gasser, Harald Schliemann, meine Person und der heutige Innenminister. Wir alle waren uns darüber im Klaren, was geschieht, wenn man die Axt an die Wurzeln der Justiz, an ihren Nachwuchs, legt, und wir haben gesehen, dass der Beamtenstatus für junge Juristinnen und Juristen der einzig richtige Weg ist. Warum können Sie das nicht nachvollziehen? Herr Minister, Frau Staatssekretärin, das Argument „Alle anderen haben doch auch!“ ist für sich gesehen nur der Ruf des letzten Lemmings, der hinter seinen Artgenossen über die Klippe springt. Die Ausbildung im Status des Beamten auf Widerruf hat ihren eigenen Wert und ihre eigene Attraktivität. Ein Status, den die Regierungsfraktionen merkwürdigerweise auch nur für die Justiz bereit sind zu opfern. Ein Blick über die Regierungsbank, soweit sie denn besetzt ist, lässt schon die Frage aufkommen, warum nur die Justizanwärter daran glauben sollen. Warum soll wiederum allein die Justiz Opfer bringen, von denen andere Ressorts schon verschont bleiben oder sogar profitieren? Burden Sharing nach Art von Rot-Rot-Grün? Ausgebildet wird in nahezu jedem Ressort, aber der Bereich mit den geringsten Anwärterzahlen soll bluten. Die Zahl der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare beläuft sich auf rund 100 Neueinstellungen im Jahr. Die Ausbildung ist zweijährig, sodass wir auf die doppelte Bestandszahl 200 kommen und auch der aktuelle Haushaltsentwurf bildet diese Zahlen so ab. Die höchste Zahl an Anwärterinnen und Anwärtern weist das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport auf. Die Zahl der Lehramtsreferendare übersteigt diejenigen der Rechtsreferendare um ein Vielfaches. Warum schließt sich Frau Ministerin Klaubert diesem Gesetzesvorhaben nicht an? Das Einsparpotenzial im Lehramtsbereich ist ungleich größer. Frau Ministerin Taubert ist nicht da, aber wir könnten doch auch die Finanzanwärter im öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis ausbilden. Es wäre interessant, dieses Einsparpotenzial zu ermitteln. Keine Sorge, es ist nicht ernst gemeint. Oder ist dieses Gesetz nur der Testlauf für eine zweite, eine deutlich einträglichere Kürzungsrunde? Ist dieses Gesetz vielleicht der Versuch, für Aufgaben, die der Justiz aufgebürdet wurden, irgendeine finanzielle Kompensation zu finden, sei sie auch noch so gering? Sparen Sie, Herr Minister Lauinger, Frau Staatssekretärin, die Justiz für andere Politikfelder kaputt? Sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Gesetz wollen die Regierungsfraktionen Einsparungen erzielen. Sparwille und Haushaltsdisziplin sind grundsätzlich unterstützenswert, 2350 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Walsmann) (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber nicht da?) nur wird uns am Ende dieses Gesetz deutlich teurer zu stehen kommen als die 7.000 Euro, die wir pro Referendar sparen. Und das ist unsozial, es zielt auf die niedrigste Einkommensgruppe der Auszubildenden, Sie belasten junge Menschen und junge Familien und Sie graben dem Land den dringend benötigten juristischen Nachwuchs ab. Diesem Gesetz muss eigentlich die Zustimmung verweigert werden, aber es gibt ja noch Hoffnung auf die Ausschussbefassung. Vielleicht ist noch ein Einsehen möglich. Danke schön. (Beifall CDU, AfD) Präsident Carius: Vielen Dank, Frau Walsmann. Als Nächste hat das Wort Frau Abgeordnete Dr. Martin-Gehl. Abgeordnete Dr. Martin-Gehl, DIE LINKE: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Frau Walsmann, Sie haben die Umstellung des juristischen Referendariats in ein Anstellungsverhältnis in sehr düsteren Farben geschildert und völlig ausgeblendet, dass es sehr viel Positives mit sich bringt, wenn diese Umstellung vollzogen wird. Positiv zu bewerten ist nämlich, dass befristet angestellte Rechtsreferendare, anders als im Beamtenverhältnis, in die gesetzliche Sozialversicherung eingegliedert sind. So erwerben sie mit ihren Beitragszahlungen Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung und können, falls sie keine Anschlussbeschäftigung finden, Arbeitslosengeld I beziehen. Dieses unterliegt als beitragsgestützte Leistung keiner Bedürftigkeitsprüfung und dürfte in der Höhe über den bisher für Referendare zugänglichen Leistungen liegen. Bisher konnten Rechtsreferendare nach ihrem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis bei entsprechender Bedürftigkeit lediglich Arbeitslosengeld II, also das sogenannte Hartz IV, in Anspruch nehmen. Als Beamte haben sie keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt und damit auch keinen Anspruch auf ALG I erwerben können. Dies wäre nur dann kein Problem, wenn sich nach dem Referendariat nahtlos eine Beamtenlaufbahn anschließen würde, was indes nur wenigen Rechtsreferendaren heutzutage vergönnt ist. Vor dieser Realität darf man die Augen nämlich auch nicht verschließen. Zuweilen ergeben sich nach dem Referendariat für die Betroffenen Zeiten der beruflichen Orientierung, die auch finanziell überbrückt werden müssen. Der bisher verbeamtet gewesene Referendar musste hierfür auf seine Ersparnisse zurückgreifen, wenn eben wegen dieser Ersparnisse kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II bestand. Diese Si- tuation wird sich mit der neuen Rechtslage und dem Anspruch auf Arbeitslosengeld I für alle Referendare gleichermaßen grundlegend verbessern. Problematisch an dem Gesetzentwurf ist indes, das ist ausgeführt, dass die Statusänderung der Rechtsreferendare mit einer spürbaren Nettogehaltskürzung verbunden ist. Zwar liegt die vorgesehene Ausbildungsvergütung – Unterhaltsbeihilfe genannt –, das sollte man auch sehen, mit 1.100 Euro monatlich etwa im Mittelfeld der Bundesländer. Doch im Hinblick darauf, dass die Besoldung der Rechtsreferendare im Beamtenstatus bisher netto höher lag, ergeben sich Bedenken dahin gehend, dass Gleiches ohne erkennbaren Grund ungleich behandelt wird. Denn, wenn die bisherige höhere Besoldung für die Tätigkeit der Rechtsreferendare mit Beamtenstatus als angemessen angesehen wurde, erschließt sich nicht, weshalb für dieselbe Tätigkeit im Angestelltenverhältnis nunmehr eine geringere Summe angemessen sein sollte. Zumindest drängt sich die Frage auf, ob hier der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gewahrt ist. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass von einem tatsächlich existenzsichernden, das heißt einem auskömmlichen, Einkommen abhängt, ob sich die Referendare mit vollem Einsatz ihren Aufgaben im Vorbereitungsdienst widmen können oder ob ihnen dies etwa nicht möglich ist, weil sie einem Nebenerwerb nachgehen müssen. Eine nicht auskömmliche Bezahlung der Rechtsreferendare birgt zudem die Gefahr, dass mancher Betroffene allein aus wirtschaftlichen Gründen von der Teilnahme am juristischen Vorbereitungsdienst absieht oder absehen muss, also seine Ausbildung letztlich nicht zu Ende führen kann. Einer damit einhergehenden sozialen Auslese beim Zugang zu höheren juristischen Berufen ist in jedem Fall zu begegnen, weshalb die Höhe der Vergütung von Rechtsreferendaren im Auge behalten werden muss. Fazit: Der vorliegende Gesetzentwurf stellt einen Kompromiss dar. Die Änderung des Status der Rechtsreferendare bringt besseren Schutz gegen soziale Risiken, insbesondere bei Arbeitslosigkeit. Zugleich ist die Absenkung des Grundgehalts für Rechtsreferendare im Zuge der zwingend erforderlichen Haushaltskonsolidierung notwendig, was die wirtschaftliche Situation der Betroffenen im Vergleich mit der früheren Rechtslage verschlechtert. Deshalb bedarf es einer Evaluierung der Auskömmlichkeit der Vergütungshöhe und Nachbesserung des Gehaltsniveaus – jedenfalls dann, sobald sich haushalterische Verhandlungsspielräume hierfür auftun. Das strukturelle Kernanliegen des Gesetzentwurfs, die Statusänderung vom Beamtenverhältnis zum Anstellungsverhältnis im öffentlichen Dienst, findet die volle Unterstützung meiner Fraktion. Details der Regelungen werden im Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zu diskutieren sein. Vielen Dank. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2351 (Abg. Dr. Martin-Gehl) (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Carius: Vielen Dank. Ich erteile nun das Wort Herrn Abgeordneten Brandner für die Fraktion der AfD. Abgeordneter Brandner, AfD: Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Schüler! Frau Walsmann, das Einzige, was mich an Ihrer Rede gewundert hat, war Ihre Verwunderung darüber, dass Sie Realitätsausblendung bei den Sozialdemokraten festgestellt haben. Ansonsten, Frau Walsmann, kann ich Ihre Rede fast unterschreiben. Die Regierungsfraktionen bringen mit dem Entwurf für ein Thüringer Gesetz zur Änderung der Rechtsverhältnisse im juristischen Vorbereitungsdienst einen Entwurf in dieses Haus ein, dessen so harmlos und etwas sperrig klingender Titel den in ihm lauernden sozialen Sprengstoff hinterhältig verbrämt und damit unkenntlich macht. Die Entwurfsbegründung beginnt mit der Feststellung, dass Thüringen das einzige Bundesland sei, in dem Referendare im juristischen Vorbereitungsdienst noch zu Beamten auf Widerruf ernannt werden. Unter dem Vorwand, lediglich eine Angleichung an die bundesweiten Verhältnisse vornehmen zu wollen, werden dann jedoch in Wahrheit, wie der folgende Teil der Entwurfsbegründung erkennen lässt, an einer eng umgrenzten Personengruppe Haushaltssparmaßnahmen exekutiert. Ausgesucht dafür hat man sich die Schwächsten. Bei den Zahlen, die dann in diesem Entwurf stehen, handelt es sich zudem um Schönwetterberechnungen. Ob diese Zahlen jemals erreicht werden, steht in den Sternen. Zudem werden Effekte, die über einen Zeitraum von zwei Jahren, nämlich den Ausbildungszeitraum der Referendare, insgesamt erreicht werden können, auf einen Zeitpunkt projiziert und nur damit überhaupt sichtbar. Ganz anders, meine Damen und Herren, stellt sich der Wunsch zur Gesetzesänderung aus Sicht der betroffenen Referendare dar, für die ich jetzt hier rede. An die Stelle von Dienstbezügen von heute monatlich etwa 1.250 Euro soll nun eine Unterhaltsbeihilfe von lediglich 1.100 Euro treten. Unter Berücksichtigung von Steuern und Abgaben ist das eine Einkommenskürzung per Federstrich um fast 20 Prozent. Damit sinkt das Einkommen bei Annahme einer 40-Stunden-Woche auf einen Betrag zwischen 5,00 und 6,00 Euro pro Stunde – und damit weit unter den Mindestlohn – für Menschen mit Abitur und einem mehrjährigen, erfolgreich abgeschlossenen Hochschulstudium. Ihr Linken, die ihr nur wenige da seid: Was habt ihr euch dabei gedacht, so etwas Verwerfliches auf den Weg zu bringen? Die Intelligenz soll wahrscheinlich wieder lei- den, so wie zu DDR-Zeiten, zu dunkelsten DDRZeiten. (Beifall AfD) Unsere Diäten steigen im nächsten Jahr wahrscheinlich wieder. Heute haben wir die Erhöhung der Beamtenbesoldung beschlossen. An den Ärmsten der Armen, an den Schwächsten vergreifen Sie sich heute und legen so einen Skandalentwurf vor. Auch wie angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten und der Mieten die soziale Sicherung der Referendare gewährleistet sein soll, muss die Landesregierung – sofern sie hier ist – mal erklären. Sie möge nicht nur mir, sondern vor allem den betroffenen Referendaren erklären, warum man ausgerechnet Hochschulabsolventen, die eine der schwersten Prüfungen dieses Landes erfolgreich abgelegt haben und häufig schon Familie haben, mit einem „Almosen“ etwa in Höhe des Pfändungsfreibetrags und weit unterhalb des Mindestlohns abspeisen will. Das versteht kein Mensch. Da wird allerorts über einen angeblichen Fachkräftemangel schwadroniert, der nur durch den Zustrom Hunderttausender oder Millionen Menschen aus dem Morgenland oder Schwarzafrika beseitigt werden könne und der selbstverständlich äußerste finanzielle Anstrengungen verlange. Gleichzeitig spart man aber an der Ausbildung derjenigen, die später einmal an den Schaltstellen der Verwaltung, der Gerichte, der Wirtschaft unseres Landes wichtige Entscheidungen treffen und durch eine hervorragende Ausbildung befähigt sein sollen, unser Land in die Zukunft zu führen. (Beifall AfD) Dass jetzt schon die Ausbildung des juristischen Nachwuchses an allen Ecken und Enden zu wünschen übrig lässt, ist kein durch diesen Gesetzentwurf neu auftretendes Phänomen. Seit Jahren – wir wissen das – wird bei der Justiz gespart, was das Zeug hält, was selbstverständlich auch negative Auswirkungen auf die Ausbildung der jungen Juristen hat. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Merkt man bei Herrn Lauinger!) Wie – hat der hier studiert? Weiß ich nicht, er ist aber ein Zugereister, oder? Wie – so frage ich die Landesregierung – wollen Sie aber hoch qualifizierte und hoch motivierte junge Menschen dazu befähigen, die anstehenden großen Aufgaben zu bewältigen, wenn deren Ausbildung auf einem unzureichenden Niveau belassen wird und jetzt zusätzlich die soziale Sicherheit der Referendare gefährdet wird und Sie die Referendare in die Armut treiben? Es ist ein weiterer Offenbarungseid des Thüringer Ramelow-Vereins, der unentwegt von sozialer Gerechtigkeit faselt, gleichzei- 2352 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Brandner) tig aber den dringend benötigten akademischen Nachwuchs finanziell ausbluten lässt. beabsichtigten Art und Weise nie und nimmer eine Gegenfinanzierung erreicht werden. Herr Ramelow, wo immer Sie gerade sind, hat sich Ihre Landesregierung auch nur einmal kurz Gedanken dazu gemacht, wie talentierte Referendare aus finanziell nicht auf Rosen gebetteten Familien sich dieses Referendariat noch leisten können sollen? Sie behaupten, um die besten Köpfe zu werben, gleichzeitig aber verprellen Sie durch diese Politik des Sparens an der falschen Stelle talentierte junge Juristen, die gern nach Thüringen kommen würden, sich dies aber schlichtweg nicht mehr leisten können werden. Die Kürzung der Bezüge im juristischen Vorbereitungsdienst ist ein fieser Schlag ins Gesicht des juristischen Nachwuchses, meine Damen und Herren. Wenn man bedenkt, dass die der Landesregierung verbundene Asyl- und Sozialindustrie durch finanzielle Wohltaten gepäppelt und Demonstrationstourismus aus Steuergeldern finanziert wird, ist dieser Gesetzentwurf eine Versündigung, eine weitere Versündigung an der Zukunft dieses Landes und der Menschen, die hier wohnen. Sie schaffen mit diesem Gesetz – sollte es beschlossen werden – ein akademisches Lumpenproletariat. (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ein Blödsinn!) Blödsinn? (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie leben natürlich von Luft und Liebe, Frau Rothe-Beinlich!) Nein, das war Frau Henfling. Das mit der Liebe verstehe ich bei der eher. Herr Ramelow, Sie treffen damit eine soziale Selektion, die in Zustände zurückführen wird, die wir längst überwunden geglaubt haben. Es ist glücklicherweise lange her, dass nur Sprösslinge aus reichen Familien in der Lage waren, den Vorbereitungsdienst zu absolvieren. Dahin kehren wir zurück. (Beifall AfD) (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: … in allen anderen Bundesländern längst gang und gäbe!) Vor diesem Hintergrund, Frau Marx, wird es Sie wenig überraschen, dass wir diesen Gesetzentwurf genauso wenig positiv begleiten werden, wie den Gesetzentwurf zu Tagesordnungspunkt 4 – dieses Enteignungsgesetz, was Sie hier auf den Weg gebracht haben. Dieser Gesetzentwurf, der hier jetzt vorgelegt wird, unter diesem Tagesordnungspunkt, ist schlicht eine Frechheit, die man als vernünftiger Mensch nur ablehnen kann. Weil wir in der AfDFraktion inzwischen nur noch Vernünftige haben, lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. Vielen Dank. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das muss mal gesagt werden!) Oder ist es das Ansinnen der Landesregierung, den juristischen Vorbereitungsdienst in diesem Lande nur noch für jene zugänglich zu machen, die aus staatsnahen – weil aus staatlicher Besoldung sicher finanzierten – Familien stammen? Jedenfalls wird es Referendare, die aus familiären Gründen auf eine Unterhaltsbeihilfe generell nicht angewiesen sind, kaum zu einer Landesregierung dieser Couleur ziehen, was dann vielleicht positive Effekte beinhaltet. Vizepräsidentin Jung: Herr Ramelow, wo immer Sie sind, Sie betreiben einen sozialen Kahlschlag in derselben kurzsichtigen und hektischen Art und Weise, in der Sie bereits Interessen dieses Landes auf anderen Themenfeldern Ihren ideologisch begründeten Irrwegen – Hommage an Björn – geopfert haben. Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (Beifall AfD) Der Gipfel dieses Unvermögens in diesem Gesetzesverfahren ist es, wenn ein aus dem Sparpotenzial pro Referendar und einem Ausbildungsgang errechnetes Gesamtvolumen von nicht einmal 700.000 Euro genutzt wird, die zukünftigen Referendare in das soziale Abseits zu stellen. Angesichts der Millionen und Milliarden, die die von Ihnen beabsichtigten Integrationsmaßnahmen bei und für Menschen ohne jedes Bleiberecht dieses Land kosten, wird durch die Sparmaßnahmen der (Beifall AfD) Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordnete Marx zu Wort gemeldet. Abgeordnete Marx hat ihren Redebeitrag zurückgezogen. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Abgeordnete Rothe-Beinlich zu Wort gemeldet. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will mit nüchternen Zahlen beginnen, weil uns das vielleicht tatsächlich wieder auf den Boden der Realität zurückbringt. Das sind die Zahlen der Beihilfen, die die Referendare in den einzelnen Bundesländern erhalten. Wir wissen alle, das Referendariat ist Teil der Ausbildung – das nur noch mal zur Erinnerung, darauf sind wir sonst auch immer hingewiesen worden. Jetzt die Zahlen: In Baden-Württemberg erhalten die Referendare 1.152,51 Euro, in Bayern 1.202,08 Euro, in Berlin 1.008,25 Euro, in Brandenburg 1.228,89 Euro, in Bremen 1.133,61 Euro, in Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2353 (Abg. Rothe-Beinlich) Hamburg 950 Euro, in Hessen 1.030 Euro, in Mecklenburg 950 Euro, in Niedersachsen 1.058,94 Euro, in Nordrhein-Westfalen 1.104,17 Euro, in Rheinland-Pfalz 1.083,96 Euro, im Saarland 1.046,89 Euro, in Sachsen 1.205,20 Euro, in Sachsen-Anhalt 1.081,75 Euro, (Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Nicht so schnell, ich komme mit dem Mitschreiben gar nicht mit!) in Schleswig-Holstein 1.104,79 Euro und in Thüringen derzeit noch 1.309,97 Euro. Wir sind damit absoluter Spitzenreiter. Fragen Sie sich einfach mal, wie viele der Referendarinnen und Referendare aus den anderen Bundesländern wegen dieses Standortvorteils nach Thüringen gekommen sind. Es sind so gut wie keine. (Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Vielleicht liegt es nicht am Geld. Hört, hört!) Vielleicht liegt das, meine Kollegin Henfling hat das richtig eingeworfen, nicht am Geld, meine sehr geehrten Damen und Herren. Thüringen ist das einzige Bundesland, das Referendare als Beamte auf Widerruf einstellt. In allen anderen Bundesländern stehen die angehenden Referendare in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Und wer hier von „Lumpenproletariat“ spricht, hat tatsächlich einmal mehr das Plenum mit einem Marktplatz verwechselt, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall DIE LINKE) Weil Frau Walsmann auch auf diejenigen verwiesen hat, die vielleicht in dem Alter schon Familie haben: Es gibt selbstverständlich zusätzlich zu den Grundgehältern bei Bedarf auch einen Familienzuschlag. Das sind im Schnitt etwa 119 Euro, die da gezahlt werden. Zusätzlich gibt es auch einen Zuschlag pro Kind in Höhe von etwa 102 Euro, das ist Stand August 2015, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wer hier von einer qualitativen Abwärtsspirale spricht, dem geht es offenkundig nicht um eine sachliche Debatte. Uns geht es in der Tat um eine Angleichung an die anderen Bundesländer und ja, das verhehle ich nicht, ich werde darauf auch noch eingehen, es wird dadurch dem Land auch etwas gespart. (Unruhe CDU) Liebe Frau Walsmann und sehr geehrte Kollegen von der CDU-Fraktion, man kann nicht Tag für Tag Rot-Rot-Grün zum Sparen auffordern, sobald wir aber irgendwo einen Vorschlag machen, der sich im Übrigen völlig im Rahmen hält, schreien: Hier aber auf keinen Fall. Auch mit der jetzt beabsichtigten Zahlung von 1.100 Euro liegen wir im Bundesvergleich immer noch im oberen Drittel, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich glaube, das ist für einen Teil der Ausbildung immer noch eine vernünf- tige Bezahlung. Wenn die CDU dann plötzlich ihr so soziales und christliches Herz entdeckt und über den Mindestlohn spricht, frage ich sie einmal: Wer hat denn dafür gesorgt, dass Jugendliche und Auszubildende vom Mindestlohn ausgenommen sind? Das waren Sie! Wer hier vorn so janusköpfig argumentiert, meine sehr geehrten Damen und Herren, der kann nicht für sich in Anspruch nehmen, eine tatsächlich ernsthafte Debatte zu führen. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit der Neuregelung des Gesetzentwurfs wird die Verbeamtung auf Widerruf von Rechtsreferendaren, ein Thüringer Einstellungsmerkmal – wie ich es eben schon sagte –, eingestellt. Stattdessen findet die Juristenausbildung zukünftig in einem öffentlichrechtlichen Ausbildungsverhältnis statt. Das ist dann genauso wie in anderen Bundesländern auch. Genau dafür sind die Änderungen im Thüringer Gesetz und auch hier in dem vorliegenden Gesetzentwurf notwendig. Eine Verbeamtung, meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird Sie nicht wundern, dass ich das sage, ist mitnichten erforderlich, denn der Vorbereitungsdienst ist keine Voraussetzung zur Berufsausübung, auch außerhalb der öffentlichen Verwaltung. Schauen Sie doch mal, wo die Mehrzahl der Referendarinnen und Referendare anschließend arbeitet. Das ist nicht im öffentlichen Dienst, sondern in der Regel als Rechtsanwalt, als Notar oder in anderen Bereichen der Privatwirtschaft. Das heißt, wir brauchen dieses Alleinstellungsmerkmal auch hierfür überhaupt nicht. Jetzt kommen wir zur Frage der Haushaltskonsolidierung und welchen Beitrag das Gesetz auch hier leistet. Pro Einstellungsjahrgang – so haben wir es berechnet – könnten 682.000 Euro eingespart werden. Durch die Absenkung des Grundgehalts auf 1.100 Euro im Monat ergeben sich Einsparungen pro Rechtsreferendar. Um es ganz genau zu machen – Frau Walsmann, Sie haben von 7.000 Euro gesprochen –, es sind genau 6.825 Euro jährlich. Die Befürchtungen, dass für Thüringen ein Standortnachteil entstehen könnte, wenn die Verbeamtung wegfällt, dürfte sich nicht bewahrheiten, denn ich habe es Ihnen bereits gesagt, es findet sich nur eine sehr überschaubare Anzahl Referendarinnen und Referendare aus anderen Bundesländern hier wieder. Vielleicht müssen wir eher über andere Standortfaktoren nachdenken, die dazu ermutigen, nach Thüringen zu kommen und dafür wollen wir beispielsweise mit einer gelebten Willkommenskultur gern sorgen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich freue mich auf die Beratungen zu dem Gesetzentwurf im Ausschuss und bitte Sie um die Überweisung. Vielen herzlichen Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 2354 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Vizepräsidentin Jung: Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine Wortmeldungen vor. Möchte die Landesregierung sprechen? Frau Staatssekretärin Dr. Albin, bitte. Dr. Albin, Staatssekretärin: Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Die Fraktionen der Parteien Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben einen Gesetzentwurf zur Änderung der Rechtsverhältnisse im juristischen Vorbereitungsdienst eingebracht. Ziel des Gesetzentwurfs ist die Änderung des Status der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare des Freistaats Thüringen. Wir haben es gehört, sie sollen zukünftig nicht mehr verbeamtet werden, sondern den juristischen Vorbereitungsdienst stattdessen in einem öffentlichrechtlichen Ausbildungsverhältnis absolvieren und das bei gleichzeitiger Absenkung der Bezüge. Hintergrund für den Gesetzentwurf ist folgender – lassen Sie mich hierzu zunächst ein paar Ausführungen zur bisherigen Rechtslage machen: Vor wenigen Tagen, nämlich am 2. November 2015, wurden in Thüringen 42 junge Bewerberinnen und Bewerber noch unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zu Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendaren ernannt. Thüringen ist zurzeit, das haben wir gehört, das einzige Land, in dem der juristische Vorbereitungsdienst grundsätzlich noch im Beamtenverhältnis auf Widerruf abgeleistet wird, soweit nicht beamtenrechtliche Vorschriften entgegenstehen. Die verbeamteten Referendarinnen und Referendare erhalten Anwärterbezüge, die sich an den Bezügen des Eingangsamts orientieren. Dieser Anwärtergrundbetrag beträgt derzeit circa 1.300 Euro. Dieser kann sich durch weitere Leistungen wie Familienzuschlag und Zuschläge für zu berücksichtigende Kinder erhöhen. Thüringen ist damit auch das Land, in dem die Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare im Vergleich zu allen anderen Ländern die höchste Vergütung erhalten. Hinzu kommt, dass diejenigen Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare, die nach ihrem Ausscheiden aus dem regulär 24 Monate dauernden juristischen Vorbereitungsdienst nicht im öffentlichen Dienst tätig werden, in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert werden müssen. Dies trifft in der Praxis auf die Mehrzahl der ausscheidenden Referendarinnen und Referendare zu. Hierfür fallen pro Person in der Regel circa 6.000 Euro an. Mit der vorliegenden Gesetzesänderung schließt sich Thüringen der Verfahrensweise aller anderen Länder an, nach der der juristische Vorbereitungsdienst in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis absolviert wird. Letztendlich soll die Ausbildungssituation der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare, das heißt sowohl deren Status als auch die Höhe der Bezü- ge, an die der anderen Länder angepasst werden. Und im Übrigen, die Abgeordnete Frau Rothe-Beinlich hat darauf bereits hingewiesen: Der juristische Vorbereitungsdienst ist auch Voraussetzung zur Ausübung eines Berufs außerhalb der öffentlichen Verwaltung ohne Bezug zu hoheitlichen Tätigkeiten. Da, wie ich gerade ausgeführt habe, die Mehrzahl, sogar die deutliche Mehrzahl der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare nach Abschluss des juristischen Vorbereitungsdiensts nicht im öffentlichen Dienst tätig wird – und diese Tendenz nimmt eher zu –, ist eine Verbeamtung während des Vorbereitungsdiensts nicht erforderlich, denn für eine Verbeamtung ist auch ein sachlicher Grund notwendig. Das haben auch die anderen Länder bereits erkannt. Allein das Festhalten am Status quo rechtfertigt diese nicht. Nach Inkrafttreten des Gesetzes, über das wir heute im Plenum beraten, sollen die in Zukunft einzustellenden Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare den Vorbereitungsdienst in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis absolvieren und eine Unterhaltsbeihilfe in Höhe von 1.100 Euro monatlich erhalten. Für die Zahlen, die Frau RotheBeinlich hier zum Vergleich mit anderen Bundesländern vorgetragen hat, bin ich an dieser Stelle nochmals dankbar. Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Walsmann, es ist uns bewusst, dass diese Statusänderung einen Einkommensverlust der Rechtsreferendare in Thüringen zur Folge haben wird. Wir bewegen uns künftig nur noch oder immer noch im Mittelfeld der in allen anderen Ländern gezahlten Unterhaltsbeihilfe. Wir machen damit aber nicht zwingend Thüringen als Standort weniger attraktiv, da sich die Attraktivität nicht allein am Salär bemisst. Das wurde hier auch schon von den Abgeordneten entsprechend ausgeführt. Mit dieser Absenkung des Grundgehalts leisten wir aber einen wichtigen Beitrag zu der auch von dieser Landesregierung immer wieder eingeforderten und zwingend erforderlichen Haushaltskonsolidierung. Dieses Gesetz ist Teil eines Gesamtkompromisses für den kommenden Doppelhaushalt, der darauf abzielt, die Situation bei der Festeinstellung für junge Juristinnen und Juristen zu verbessern. Vizepräsidentin Jung: Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Walsmann? Dr. Albin, Staatssekretärin: Nein. (Unruhe CDU, AfD) (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Die berühmtberüchtigte Dialogbereitschaft von Rot-RotGrün!) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2355 (Staatssekretärin Dr. Albin) Denn die Einsparung würde es uns ermöglichen, dem absehbaren Mehrbedarf an Richterinnen und Richtern besser gerecht zu werden. Frau Walsmann hat hier auch auf die demografische Entwicklung abgestellt, die wir in der Richterschaft im Blick behalten müssen. Die 17 Proberichterstellen sind bereits besetzt und wir haben sogar noch zwei weitere zur Besetzung, vielleicht hat sich damit auch die Nachfrage erledigt. Bei Absenkung des Grundgehalts auf 1.100 Euro monatlich sind Einsparungen pro Person in Höhe von etwa 6.800 Euro während des juristischen Vorbereitungsdienst s möglich und damit bewegt sich das Potenzial der jährlichen Ersparnis für unseren Freistaat abhängig von den Einstellungszahlen und -daten sowie von Abbrechern bei etwa 682.000 Euro pro Einstellungsjahrgang. Meine Damen und Herren, selbstverständlich wird sich an der Ausbildung im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdiensts durch die Statusänderung weder qualitativ noch quantitativ etwas verändern. Bereits in der Vergangenheit wurden immer wieder einzelne Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare nicht verbeamtet, sondern wurden in ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis berufen, nämlich Ausländerinnen und Ausländer, die nicht Unionsbürgerinnen und Unionsbürger nach Artikel 17 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft sind. Mit dem heute in Rede stehenden Gesetz würde dann gleichzeitig auch die Ungleichbehandlung zwischen deutschen und ausländischen Referandarinnen und Referendaren beendet. Zur Vermeidung von Missverständnissen darf ich darauf hinweisen, dass das Gesetz eine Übergangsregelung für die bereits unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ernannten Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare erhält. Diese sollen bis zum Abschluss ihrer Ausbildung im Beamtenverhältnis auf Widerruf verbleiben. Meine Damen und Herren, aus den von mir dargelegten Gründen halten wir dieses Gesetz als wichtigen Beitrag zur zwingend erforderlichen Haushaltskonsolidierung für unabdingbar. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Es liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz beantragt. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Enthaltungen? Bei den Gegenstimmen der AfD-Fraktion ist die Ausschussüberweisung beschlossen. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6 Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Feiertagsgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 6/1212 - Neufassung ERSTE BERATUNG Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das kann ich nicht erkennen. Dann eröffne ich die Aussprache und das Wort hat Abgeordneter Walk von der CDU-Fraktion. – Keiner da? Okay. Dann rufe ich Frau Abgeordnete Marx von der SPD-Fraktion auf. (Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das ist aber jetzt schwach von der CDU!) Abgeordnete Marx, SPD: Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht noch mal ums Feiertagsgesetz, dem haben wir uns in diesem Haus erst vor Kurzem zugewendet, und die Frage, welche weiteren Gedenktage es in Thüringen über den 8. Mai hinaus noch geben sollte. Sie hatten eigentlich einen fast wortgleichen Änderungsantrag schon in der letzten Sitzung, in der es um dieses Feiertagsgesetz ging, eingebracht. Das bringen Sie jetzt als eigenen Antrag. Das ist auch in Ordnung, weil wir Ihnen bereits gesagt haben, dass wir grundsätzlich überhaupt nichts dagegen haben, auch für weitere wichtige Daten der Thüringer Geschichte die Gedenktagswürdigkeit zu überprüfen. Insbesondere der 17. Juni spielt da für uns und für meine Fraktion eine herausgehobene Rolle. Ich erinnere hier auch an den Redebeitrag meiner Kollegin Birgit Pelke, den sie in dem Zusammenhang gehalten hat. Deswegen kann ich mich hier relativ kurzfassen. Selbstverständlich unterhalten wir uns gern mit Ihnen im zuständigen Ausschuss darüber, welche weiteren Gedenktage es in Thüringen geben sollte, auch noch mal darüber, ob es sinnvoll ist, jetzt wieder so eine Sammelregelung vorzusehen, die Sie beantragt haben, oder ob wir vielleicht doch einzelne Tage wegen der besonderen Bedeutung herausgreifen sollten. Wie gesagt, darüber reden wir gern mit Ihnen, verhandeln wir gern mit Ihnen, das hatten wir auch angekündigt. Wir könnten uns als Koalition vorstellen, möglicherweise auch einen eigenen Antrag einzubringen, der erst einmal nur den 17. Juni herausnimmt. Aber, wie gesagt, darüber wollen wir mit Ihnen allen in einen konstruktiven Dialog eintreten. Deswegen habe ich möglicherweise jetzt gar nichts anderes gesagt als der Kollege Walk, der nun den Saal betreten hat. Herr Walk, ich habe Ihren Redebeitrag vielleicht schon mitgehalten. Wir beantragen deswegen die Überweisung Ihres Antrags an den zuständigen Innen- und Kom- 2356 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Marx) munalausschuss und sehen und sprechen uns dann weiter. Vielen Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Für die CDU-Fraktion hat Abgeordneter Walk das Wort. Abgeordneter Walk, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werte Besucher auf der Tribüne und am Livestream, ich bitte zunächst um Nachsicht für mein verspätetes Erscheinen. Das hatte Gründe, die ich jetzt hier nicht näher erläutern möchte. (Heiterkeit im Hause) (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wir wollen das jetzt wissen!) Die CDU-Fraktion hat heute ein weiteres Änderungsgesetz zum Thüringer Feiertagsgesetz eingebracht. Warum wir dies tun, hat zwei Gründe. Zum einen sind wir nach wie vor davon überzeugt, dass der 8. Mai nicht alleine im jetzigen Thüringer Feiertagsgesetz stehen sollte, zum Zweiten haben wir gern aufgegriffen, was der Ministerpräsident in der letzten Plenarsitzung gesagt hat. Er hat uns nämlich aufgefordert – uns alle – eine Initiative zu ergreifen, weitere Gedenktage in das Feiertagsgesetz aufzunehmen. Ich möchte aber zunächst die Gelegenheit nutzen, rückblickend nochmals den aktuellen Stand der parlamentarischen Beratungs- und Beschlusslage darzulegen. Aber der Reihe nach und damit zunächst zum Inhalt unseres Gesetzentwurfs. Nach wie vor halten wir daran fest, den Gesetzestitel zu ändern. Mit der beantragten Änderung der Überschrift in „Thüringer Feier- und Gedenktagsgesetz“ entspräche dies dann auch dem Umstand, dass sich hier neben den gesetzlichen Feiertagen auch eine ganze Reihe von weiteren Gedenktagen wiederfinden. Zu den neu ins Gesetz aufzunehmenden Gedenktagen im Einzelnen: Der 18. März steht für die ersten allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen in der DDR im Jahr 1990. Mit diesen Wahlen hatte die friedliche Revolution 1989/1990 in der DDR ihr erstes, das politische System tiefgreifend und grundsätzlich veränderndes Ziel erreicht. Der Tag verweist zugleich auf den ersten umfassenden Versuch, mit der Revolution von 1848/49 in ganz Deutschland eine verfassungsgebende Nationalversammlung und Demokratie durchzusetzen. Der 18. März gilt als das bedeutendste Datum der Märzrevolution von 1848. Wiederum soll der 17. Juni in Erinnerung an den gescheiterten Volksaufstand vom 17. Juni 1953 zum Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur werden. Er steht gleichermaßen für die Forderung nach freien Wahlen, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Wiedervereinigung wie die blutige Niederschlagung des Volksaufstands durch die SED und die sowjetische Besatzungsmacht in der DDR. Es handelte sich um den ersten in einer ganzen Reihe politischer Aufstände in dem von der Sowjetunion kontrollierten Ostmitteleuropa. Nun zum 25. Oktober: Der 25. Oktober gehört als Tag der Verfassung und des Landtags bereits seit vielen Jahren zur politischen Gedenk- und Erinnerungspraxis in Thüringen, ist jedoch bisher nicht gesetzlich geregelt. Er erinnert an die Verabschiedung der Verfassung des Freistaats Thüringen auf der Wartburg und damit an den entscheidenden Akt zur demokratischen Ausgestaltung der Landesstaatlichkeit im deutschen Bundesstaat. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist allgemein bekannt, alle von mir jetzt angeführten Gedenktage hätten wir als CDU-Fraktion bereits beim bestehenden Feiertagsgesetz gern im Gesetzestext wiedergefunden. Bereits in der 29. Sitzung warben wir hierfür intensiv um Ihre Zustimmung. Das Ergebnis ist allerdings ebenso bekannt. Leider scheiterte unser Werben an der rot-rot-grünen Stimmenmehrheit. Neu in unserer heutigen Vorlage ist nunmehr die Aufnahme des 9. November. Sehr geehrte Damen und Herren, der 9. November steht wie kein anderer Tag für die an Aufbrüchen und Abgründen reiche deutsche Demokratiegeschichte. An einem 9. November wurde 1848 der Paulskirchenparlamentarier Robert Blum standrechtlich erschossen, riefen Philipp Scheidemann 1918 die Republik und Karl Liebknecht eine sozialistische Räterepublik aus, putschten 1923 Ludendorff und Hitler in München, inszenierten 1938 die Nationalsozialisten die Novemberpogrome (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Das ist so unerträglich! Unerträglich!) und fiel 1989 die Mauer. Damit zum Stand der parlamentarischen Beratungs- und Beschlusslage. Ich denke, es macht Sinn, an dieser Stelle nochmals eine kurze Zusammenfassung der letzten Plenarsitzung vorzunehmen. Die Medien berichteten im Anschluss von einer hitzigen Debatte um den Gedenktag 8. Mai. Dieser Auffassung, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, kann ich mich allerdings nur zum Teil anschließen. Abgesehen von einzelnen nicht sachdienlichen Debattenbeiträgen und Zwischenrufen fand ich die Diskussion jedenfalls im Kern offen, konstruktiv und auch zielführend, wenngleich das Endergebnis allerdings nicht unseren Vorstellungen entsprechen konnte. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2357 (Abg. Walk) (Beifall AfD) Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allen dargelegten unterschiedlichen Standpunkten zeichnete sich aber in der Debatte deutlich erkennbar, und das fraktionsübergreifend, ab, neben dem vermeintlich singulär zu betrachtenden 8. Mai eben auch weitere Gedenktage aufzunehmen. (Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Was heißt denn „vermeintlich“!) Dieser breite Konsens ist aus meiner Sicht positiv und lässt mich hoffen, die von uns vorgeschlagenen Gedenktage gesetzlich doch noch zu normieren. Der 9. November übrigens wurde von Herrn Ministerpräsidenten ausdrücklich neben dem 17. Juni, neben dem 18. März und neben dem 25. Oktober ins Gespräch gebracht. Im Übrigen – das will ich hier auch noch mal ganz deutlich sagen – teile ich ganz und gar nicht die Auffassung eines Abgeordneten dieses Hauses, der sich noch im letzten Plenum offenbar einer angeblichen Gedenktagsinflation ausgesetzt sah. Sehr geehrte Damen und Herren, ganz im Gegenteil, die von uns eingebrachten und geschichtlich wegweisenden Gedenktage verdeutlichen in der Gesamtschau das historische Ringen um einen freiheitlichen und demokratischen Verfassungsstaat. Damit wird Geschichte auch begreifbar und erfahrbar gemacht. (Beifall CDU) Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, zusammenfassend und abschließend greife ich gern noch mal die Bitte des Ministerpräsidenten auf. Als es im letzten Plenum um die weitere Aufnahme von Gedenktagen ging, hat er Folgendes gesagt – und ich bitte um Zustimmung, dass ich das zitieren darf –: „Meine Bitte“ – sagte Ministerpräsident Ramelow – „an die Parlamentarier ist: […] nicht nur reden, sondern eine gemeinsame Entscheidung vorbereiten.“ Das haben wir als CDU-Fraktion gern getan. Unser Gesetzentwurf liegt Ihnen vor. In diesem Sinne beantrage ich die Überweisung an den zuständigen Innen- und Kommunalausschuss. Ich freue mich auf die dortigen Beratungen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall CDU) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion Die Linke hat die Abgeordnete König das Wort. Abgeordnete König, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Besucher auf der Tribüne und auch diejenigen, die am Livestream zugeschaltet haben! Die CDU-Fraktion hatte ursprünglich einen anderen Änderungsantrag vorgelegt, den wir hier gern inhaltlich debattiert hätten und zu dem wir auch sehr gern bereit gewesen wären, im Innenausschuss in die inhaltliche Auseinandersetzung zu gehen. (Unruhe CDU) Manchmal tut es gut, zuzuhören, und ich glaube, gerade der CDU angesichts ihres neuerlich vorgelegten Änderungsantrags tut es mehr als gut, zuzuhören. (Beifall DIE LINKE) (Unruhe CDU) Ja, das empfehle ich Ihnen jetzt an dieser Stelle. Der neu vorgelegte Änderungsvorschlag der CDUFraktion führt zumindest bei einigen Abgeordneten meiner Fraktion dazu, dass wir a) kein Interesse mehr haben, diesen Antrag zu verweisen und b) diesen inhaltlich auch nicht diskutieren wollen. (Unruhe CDU) Ich möchte Ihnen kurz erklären, woran das liegt. Sie nennen es Heuchelei, dass ich sage, dass einige Abgeordnete meiner Fraktion diesem Antrag keine Verweisung mehr erteilen können, und ich erkläre Ihnen das: Sie haben nämlich unter Artikel 1 Nr. 2 beantragt: „(5) Der 9. November ist der Tag der demokratischen Selbstbesinnung.“ So eine Geschichtsvergessenheit, die die CDU hier offenbart, ist schändlich, ist wirklich schändlich. (Beifall DIE LINKE) (Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Ihr seid die Geschichtsdeuter!) Der 9. November 1938 ist – dass die AfD lacht, ist mir klar, dass die CDU da mitschmunzelt, zeigt umso mehr, wie geschichtsvergessen Sie hier sind – der Tag der Reichspogromnacht. (Unruhe CDU) Es ist der Tag, an dem die Diskriminierung der Juden überging in die Verfolgung, die letztlich in der Schoah, der industriellen Massenvernichtung, endete. Diesen 9. November als einen Tag der demokratischen Selbstbesinnung zu erklären, ist fatal und ist – ehrlich gesagt – so was von ahistorisch, dass zumindest ich der Verweisung nicht mehr zustimmen werde, weil ich das für schändlich halte, gerade angesichts der aktuellen Aufmärsche, die wir hier in Thüringen haben, (Beifall DIE LINKE) angesichts der Debatten, die die AfD lostritt, angefangen damit, dass man 70 Jahre danach nicht mehr darüber reden müsste usw. usf. Sie steigern aber Ihren Antrag noch, indem Sie in der Begründung zum 9. November schreiben, warum Sie diesen als Gedenktag mit aufnehmen wollen, dass am 9. November 1938 die Nationalsozialisten die Novemberpogrome „inszenierten“. Sie inszenierten die 2358 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. König) Novemberpogrome! Ich weiß nicht, ob Ihnen überhaupt bewusst ist, welche sprachlichen Fehler Sie da begehen oder welche Einordnung inhaltlicher Art Sie vornehmen. Ich möchte Ihnen für den Fall, dass Sie es nicht wissen, zumindest kurz erklären, woher „inszenieren“ kommt, für was „inszenieren“ steht, nämlich vom griechischen Skene, für das Einrichten und die öffentliche Zurschaustellung eines Werks oder einer Sache oder auch, um es Ihnen mit dem Duden vielleicht noch mal von der Bedeutung her zu erklären: Ein Stück beim Theater technisch und künstlerisch vorbereiten. Und das erklären Sie zum 9. November 1938 – eine Inszenierung. Eine Inszenierung, bei der 400 Menschen ermordet wurden, in den Suizid getrieben wurden, bei der mehr als 1.400 Synagogen in Brand aufgingen und im Anschluss Tausende Geschäfte jüdischer Menschen in Deutschland zerstört und vernichtet wurden. Das ist so beschämend von Ihnen, das ist wirklich beschämend. Der 9. November 1938 gehört in dieser Darstellung definitiv nicht in das „Thüringer Gedenk- und Feiertagsgesetz“ und ich bin der Überzeugung, dass Bodo Ramelow, unser Ministerpräsident, auch diese Vermischung von historischen Daten, die letztlich an eine ahistorische Erinnerungskultur glauben lässt, nicht gemeint hat, als er uns hier anriet, doch den 9. November möglicherweise mit als einen Gedenktag aufzunehmen. Ich glaube, dass er eher im Sinne Ihres Nordhäuser Oberbürgermeisters gesprochen hat. Dr. Klaus Zeh hat sich nämlich zu dem am nächsten Montag anstehenden Neonaziaufmarsch geäußert und hat ganz klargemacht: Ein Aufmarsch genau an jenem Tag, an dem wir an den Beginn der Verfolgung und systematischen Ermordung der 6 Millionen europäischen Juden am 9. November erinnern, ist geschmacklos und anmaßend. – Und geschmacklos ist zumindest auch Ihre Erklärung, warum Sie den 9. November 1938 in das „Thüringer Gedenk- und Feiertagsgesetz“ aufnehmen wollen. öffentlich genannt wird, Thomas Kretschmer, ein Holzbildhauer, der in DDR-Zeiten zu viereinhalb Jahren Haft, zum Teil Isolationshaft, verurteilt wurde und das nur, weil er ein Batiktuch mit dem Aufdruck „Sprecht polnisch“ per Post an seine Freunde und Bekannten verschickte. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist mir etwas peinlich, nach Frau König zu sprechen, aber es lässt sich wahrscheinlich hier, was die Reihenfolge angeht, nicht vermeiden. Wissen Sie, ich hätte gerne mit Ihnen über die Notwendigkeit eines Gedenktags für die Opfer der SED-Diktatur gesprochen. Ich halte das, was in der DDR unter der SED-Diktatur mit vielen Menschen passiert ist, für schlimm und für so schlimm, dass wir es wirklich dringend möglich machen müssen, hier in Thüringen einen Gedenktag für diese einzurichten, um deren Geschichten zu hören, ihre Geschichten zu erzählen und die Geschichte weiterzugeben an Jugendliche von heute, (Beifall CDU) für die die DDR oftmals gar nicht mehr in dem Bewusstsein vorhanden ist, wie es zumindest unter anderem die Familie von Matthias Domaschk betrifft, wie es aber auch den Bundesbeauftragten Roland Jahn betrifft oder auch jemanden, der selten All das hätte ich wirklich gerne mit Ihnen debattiert, aber das, was Sie hier aufmachen, diese unsägliche Mischung, Entschuldigung, die verbietet es mir – und da bin ich auch froh drum –, Ihrem Antrag hier zuzustimmen und dem die Verweisung zu erteilen. Den 9. November 1938 als Inszenierung zu bezeichnen, offenbart das, was die CDU gerade hier in Thüringen versucht zu vollziehen, nämlich zumindest in Teilen eine offen … (Unruhe CDU) (Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Ihr seid die Geschichtsdeuter!) Eine Frechheit ist Ihr Antrag und Ihrem Antrag werde ich zumindest nicht zustimmen in der Verweisung an den Innen- und Kommunalausschuss. Ich denke, dass wir als Koalition definitiv einen eigenen Antrag einbringen werden, um einen Gedenktag für die Opfer der SED-Diktatur hier in Thüringen einzurichten. Danke schön. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion der AfD hat Abgeordneter Brandner das Wort. Abgeordneter Brandner, AfD: Meinen Damen und Herren – liebe Schüler kann ich nicht mehr sagen –, also liebe Zuhörer auf der Tribüne, das ältere Semester, herzlich willkommen! Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat die Einführung des 8. Mai, die vor einiger Zeit durch die Ramelow-Koalition beschlossen wurde, zum Anlass genommen, weitere Gedenktage zu fordern. Die Überlegung dabei ist wahrscheinlich, eine ausgewogenere Gestaltung des öffentlichen Gedenkens zu erreichen, weshalb vorgeschlagen wird, neben dem 8. Mai zusätzlich den 18. März, den 17. Juni, den 25. Oktober und den 9. November zu Gedenktagen zu erheben. Liebe Freunde von der CDU, wenn ich mal einen Annäherungsversuch wagen darf: Wir können uns mit einigen Aspekten eures Antrags durchaus anfreunden, dazu sage ich gleich etwas, und ihr habt ja gerade gehört, dass die AfD am Ende schuld sein wird, wenn euer Antrag abgelehnt wird. Dafür Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2359 (Abg. Brandner) entschuldige ich mich jetzt schon mal. Frau König hat das ja in wunderbarer Art und Weise hergeleitet. Viele andere Aspekte, die allerdings von der CDU angesprochen wurden, finden nicht unsere Zustimmung. Wir sind der Auffassung, dass die Sache nicht ganz zu Ende gedacht ist. Deshalb werden wir zu gegebener Zeit einen Änderungsantrag einbringen, der die Sache auf ein vernünftiges Maß stutzt. Der 8. Mai ist seit Kurzem ein gesetzlicher Gedenktag in Thüringen, und zwar bislang der einzige. Wir alle hier haben in den Debatten mitbekommen, die um den 8. Mai 1945 geführt wurden, was es für ein ambivalentes Datum in der deutschen Geschichte ist, und so ist es natürlich mit der gesamten Geschichte. Die Sicht auf die Geschichte steht immer im Streit der Gegenwart, sei es wissenschaftlich, sei es politisch, sei es gesellschaftlich. Die offene Auseinandersetzung um die und mit der Geschichte ist gut, denn zu einer freien und globalen Gesellschaft gehört die freie und kritische Diskussion um und über ihre Geschichte. Problematisch wird es dann, wenn die Geschichte okkupiert wird, wenn ein bestimmtes Geschichtsbild festgeschrieben und dekretiert werden soll, also meist dann, wenn sich Betonideologen, zum Beispiel aus Staatskanzleien, in die Geschichtsdebatte einschalten. (Beifall AfD) Dann werden beispielsweise die Bauernkriege zum Ausdruck der weltgeschichtlichen Klassenkampfdialektik, die in der kommunistischen Gesellschaft – hören Sie zu, Herr Blechschmidt – enden soll. Dann wird aus den Bauernkriegen ein frühbürgerlicher Vorläufer der sozialistischen Revolution und Thomas Müntzer eine Art Prä-Lenin oder PräHonecker. So etwas kann passieren, wenn Geschichte zum Spielball politischer Machtinteressen wird. Da fällt mir immer dieser Spruch ein: Was unterscheidet die Linke vom lieben Gott? Die Linke versucht immer, die Vergangenheit zu ändern, der liebe Gott beschränkt sich auf die Zukunft. Ja, ja, da ist etwas dran. (Beifall AfD) Das ist ja auch die Tendenz, die sich im Umgang mit dem 8. Mai gezeigt hat. Deshalb ist es höchst problematisch, alle möglichen historischen Ereignisse zu politischen Projekten zu machen, und das gilt selbstredend ganz grundsätzlich und hat geradezu ein Paradox zur Folge. Denn natürlich kommt ein Staat einerseits nicht ohne historisches Gedächtnis aus, Herr Gruhner nannte es mal „Geschichtsvergessenheit“ – so etwas wollen wir natürlich auch nicht –, andererseits ist es problematisch, wenn ein Staat die Geschichte instrumentalisiert. Nun ist der 8. Mai wegen Ramelow und Hoff und ihrer rot-grünen Claqueure Gedenktag in Thüringen geworden, der an das Ende des Dritten Reichs an- knüpft. Der CDU-Gedanke ist ja durchaus richtig, zu sagen, das ist etwas einseitig, da muss wieder ein Gleichgewicht hergestellt werden. (Beifall AfD) Denn neben der braunen hatten wir auch eine rote Diktatur, in der das Volk massiv unterdrückt wurde. Der eine oder andere – ich schaue mal zu dem linken Spitzelpaar Kuschel und Leukefeld – in diesem Hause war ja sehr aktiv und ambitioniert bei der Unterdrückung dabei und hat nun maßgeblichen Einfluss auf die Regierungsarbeit. Anders aber als im sogenannten Dritten Reich gab es in der DDR eine breite gesellschaftliche Opposition gegen das sozialistisch-diktatorische System. Vizepräsidentin Jung: Herr Abgeordneter Brandner, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Blechschmidt? Abgeordneter Brandner, AfD: Gern am Ende. Ich weiß nicht, ob die Zeit reicht. In der DDR gab es eine breite gesellschaftliche Opposition gegen das sozialistisch-diktatorische Linksregime und diese Opposition brach sich am 17. Juni 1953 Bahn. Bekanntlich wurde der Volksaufstand gegen das linke SED-Regime gewaltsam niedergeschlagen. In der Folge dieser Ereignisse kam es zu tausendfacher Verhaftung, zu Verfolgung, zu Schikanen, zu Todesurteilen, also zu staatlichen Morden. Der Freiheitswille der Deutschen in der DDR konnte sich dann erst über 35 Jahre später in einem zweiten Anlauf im Herbst 1989 doch noch durchsetzen. Die sozialistische Diktatur wurde niedergerungen, und zwar von innen, vom Volk. (Beifall AfD) Bis es so weit war, waren allerdings Tausende Opfer der linken Ideologie und Verbohrtheit zu beklagen. Vor diesem Hintergrund spricht die Forderung einer ausgewogenen Gedenkpolitik oder Gedenkkultur dafür, dass neben dem 8. Mai in seiner Erinnerung an das Dritte Reich und dessen Opfer auch an die DDR-Diktatur und deren Opfer erinnert wird. Da bietet sich der 17. Juni in der Tat sehr gut an. (Beifall CDU, AfD) Eben deshalb schlagen wir den 17. Juni als Gedenktag vor bzw. tragen das mit. Aber damit soll es dann auch gut sein. Denn nicht sinnvoll finden wir, dass der CDU-Antrag im Grunde zu einer – Herr Walk, verzeihen Sie! – Gedenktagsinflation führt, die wir nicht wollen. Zunächst einmal beginnt da nämlich die Diskussion um die richtigen Daten. Also wenn man lange genug in die Geschichte zurückgeht, wird man wahrscheinlich jeden Tag zu irgendeinem Gedenktag machen können. Wir fangen hier mit dem 18. März an, dem kann man durchaus et- 2360 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Brandner) was abgewinnen, 1848 Berliner Barrikadenaufstand. (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das meinen Sie doch nicht ernst, oder?) War der da nicht, der Barrikadenaufstand? Wann war der denn? Also nach meiner Kenntnis war am 18. März 1848 der Berliner Barrikadenaufstand und das meine ich ganz ernst, Herr Adams. Damit kann man das Datum gewiss den Genossen und den grünen Fundis – gucken Sie mal, jetzt kommen Sie sogar in meiner Rede vor – schmackhaft machen; das klingt nach Revolution und nicht mehr ganz so nach frühgutbürgerlichem Klassenkampf. Und gewiss war die Märzrevolution ein wichtiges Ereignis, wer wollte das leugnen. Und dann fand natürlich am 18. März die erste und letzte freie Volkskammerwahl der DDR statt, 1990, ein großartiges Ereignis. (Beifall CDU, AfD) Und doch, meine Damen und Herren, wollen wir im Ernst einen Gedenktag einführen, der einerseits ja einer irgendwie gescheiterten Revolution, 18. März 1848, Herr Adams, huldigt und andererseits die letzten Zuckungen der DDR würdigt, eines sozialistischen Unrechtsstaats von UdSSR-Gnaden, der allenfalls eine klitzekleine Fußnote (Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Aber eine wichtige!) in der Geschichte wert ist? Kann man machen, muss man aber nicht machen. Jedes Gesetz, was nicht sein muss, sollte man lassen. (Beifall AfD) (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine Rede, die nicht sein muss, kann man auch lassen!) Da kämen Sie ja nie zum Zuge, Herr Adams. Also der Schuss geht aber ganz gewaltig nach hinten los, da könnten Sie ja alle hier immer sitzen bleiben. Wir von der AfD-Fraktion – hören Sie genau zu – sind also der Auffassung, dass es ausreichend ist, wenn wir einen bundesweiten Tag der Deutschen Einheit als gesetzlichen Feiertag haben, und das ist der 3. Oktober. Mit diesem Feiertag geraten jährlich die Ereignisse von 1989/1990 im Ganzen in den Blick. Das ist gedenkpolitisch aus unserer Sicht genug. Was den 25. Oktober angeht, so ist auch das gewiss ein wichtiges Datum, aber in den vergangenen Jahren hat uns nichts daran gehindert, diesen Verfassungstag in der einen oder anderen Weise öffentlich zu begehen, ich denke hier an Weimar zurück, und eine öffentliche Debatte an diesem Tag zu führen. Also dafür braucht man auch kein Gesetz. Sehr ambivalent ist auch der 9. November. Ich muss sagen, dem gehören eigentlich meine Sympathien. Wenn man die deutsche Geschichte anschaut, (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das passt!) müsste man den 9. November eigentlich wirklich als Gedenktag anerkennen und in allen seinen Facetten gedenken oder teilweise auch feiern, je nachdem, welchen Schwerpunkt man legt. Aber auch das würde zu einer Gedenktagsinflation führen. Also man könnte schon mal darüber reden, ob man den 3. Oktober als Feiertag abschafft und dafür den 9. November einführt. (Beifall AfD) Auch Joschka Fischer soll so einen Gedanken mal gehabt haben, also insoweit ganz sympathisch. Meine Damen und Herren, die AfD-Fraktion lehnt also eine Gedenktagsinflation ab. Inflation bedeutet auch Entwertung. Wenn nahezu jeder Tag ein Gedenktag werden soll, winken die Leute bald gelangweilt ab. Zwei Gedenktage im Jahr, die die deutschen Diktaturen von links und von rechts in den Blick nehmen, reichen völlig aus, (Beifall AfD) um unseren hoffentlich – ich guck da mal nach links – antitotalitären Konsens in Erinnerung zu rufen. Im Ganzen wenden wir uns entschieden gegen eine Verstaatlichung der Geschichte, weil damit die Gefahr verbunden ist, dass die Geschichte einseitig instrumentalisiert wird. Bleiben wir also auf dem Boden und begnügen wir uns mit dem nun einmal eingeführten 8. Mai und darüber hinaus mit dem 17. Juni. Vielleicht tauschen wir noch, wenn Sie wollen, den 3. Oktober gegen den 9. November. Zum Schluss der Hinweis, dass das Gesetz in der Tat einen neuen Namen braucht, weil es nicht nur Feiertage, sondern auch Gedenktage regelt. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, lassen Sie uns gedenkpolitisch Maß halten. Jetzt freue ich mich, Herr Blechschmidt, auf unsere ideologische Auseinandersetzung. (Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Ich möchte Ihren Beitrag nicht intellektuell aufwerten mit meiner Frage!) Das werden Sie nicht schaffen. Also keine Frage mehr? Dann bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit. (Beifall AfD) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Vizepräsidentin Jung: Herr Abgeordneter Brandner. Für Ihre Aussage „linkes Spitzelpaar“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf, weil auch das eine Herabwürdigung von Menschen in diesem Hause ist. (Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Aber es stimmt, er hat doch die Wahrheit gesagt!) Ich ermahne Sie, das nächste Mal … Abgeordneter Brandner, AfD: Aber es ist die Wahrheit, Frau Präsidentin. Ich nehme es zur Kenntnis, ich kommentiere es nicht. Danke schön. Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich die Abgeordnete Rothe-Beinlich zu Wort gemeldet. Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage jetzt auch nichts zur Reihenfolge der Rednerinnen und Redner. Die ist, wie sie ist. Wir reden heute über den Gesetzentwurf der CDU, der in der Tat an eine Debatte anknüpft, die wir erst vor wenigen Wochen in diesem Haus geführt haben. Ich habe den Aufruf unseres Ministerpräsidenten Bodo Ramelow etwas anders verstanden, nämlich, gemeinsam zu überlegen, welche Feier- oder Gedenktage vielleicht ebenso Eingang in ein solches Gesetz finden sollten. Sie als CDU-Fraktion haben das für sich so interpretiert, dass Sie einen eigenen Vorschlag vorlegen. Das ist Ihr gutes Recht, das ist überhaupt gar keine Frage. Wir sind selbstverständlich hier zur Diskussion bereit. Schöner wäre es in der Tat gewesen, man hätte sich vielleicht vorab verständigt und nach gemeinsamen Vorschlägen geschaut. Ich gebe zu, dass mich Ihre Neufassung, die mich auch eben erst erreichte, hat schlucken lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich hoffe, das ist nur der Tatsache geschuldet, dass Sie sehr schnell noch erweitert wurde. Vielleicht hat sich da hoffentlich auch nur der eine oder andere kleine Fehler eingeschlichen, denn in der Bewertung, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Blick auf den 9. November muss ich mich den Ausführungen meiner Kollegin Katharina König durchaus anschließen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen alle, dass Feiertage Landesrecht sind und dass es in der Gesetzlichkeit bundesweit eine Abstufung quasi in vier Kategorien gibt: Es gibt gesetzliche Feiertage, es gibt religiöse Feiertage, es gibt weite- 2361 re Gedenk- und Feiertage mit Gesetzesrang und es gibt weitere Gedenktage – diese legen zumeist die jeweiligen Regierungen fest – ohne Gesetzesrang. Ich habe bei der Bundeszentrale für politische Bildung einen sehr spannenden Beitrag zur Funktion von Gedenktagen gefunden. Vielleicht möchte ihn der eine oder die andere einmal nachlesen. Da heißt es nämlich zum Beispiel: „Gedenktage sind ‚Denkmäler in der Zeit‘. Sie sind zwar weder ortsgebunden noch von einem Medium abhängig, doch sie sind zeitgebunden und bedürfen der ständigen Pflege durch die Gesellschaft.“ Weiter heißt es: „Ihre periodische Wiederkehr ist ambivalent: Einerseits ermöglicht sie regelmäßiges Erinnern, andererseits birgt sie aber auch die Gefahr der Erstarrung in Routine.“ Diejenigen, die in der ehemaligen DDR groß geworden sind, wissen, glaube ich, was Erstarrung in Ritualen und Routine auch so mit sich bringen kann. Nichtsdestotrotz ist es entscheidend, wie die erinnerungskulturelle Praxis dann in der Bedeutung eines Gedenktags aussieht, denn es geht um Selbstverständnis und Vergangenheitsdeutung. Welche Deutungen es da so gibt, mussten wir heute hier schon von unterschiedlicher Seite wahrnehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Gedenktage haben natürlich auch eine herrschaftsbewahrende und auch loyalitätserzeugende Funktion, das ist auch vielerorts nachlesbar. Sie sollen aber vor allem konsensstiftend und stabilisierend wirken. Außerdem haben sie durchaus auch ein kritisches Potenzial, weil sie als Stimulus für geschichtswissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit dienen. Gedenktage sollen ermöglichen, innezuhalten und Anlass bieten zu kritischer Selbstreflexion – ich weiß, das fällt manchen schwer –, auch zur Korrektur von stereotypen Geschichtsbildern, die bisweilen sehr leichtfertig produziert werden. Zu den konkreten Vorschlägen, die Sie von der CDU jetzt gemacht haben, will ich so viel sagen: Sie haben den 18. März als Tag der parlamentarischen Demokratie benannt. Das ist ja auch nicht neu, das wurde beispielsweise 2008 auch schon einmal von der bremischen CDU vorgeschlagen, auch in Sachsen ist es einmal diskutiert worden. Sie haben diesen Tag damit begründet, dass da die erste freie Kommunalwahl in der DDR stattfand. Ich habe auch noch mal nach einem Bezug zu Thüringen geschaut. Am 18. März 1990 fand übrigens nicht die erste freie Kommunalwahl in Thüringen statt, wenn wir schon über Geschichte sprechen. Diese fand bereits nach dem Zusammenschluss zum Land Thüringen am 10. September 1922 statt. Trotzdem finde ich es richtig, über diesen Tag nachzudenken. Am 18. März gab es auch noch andere Ereignisse, die stattgefunden haben, auf einige wurde verwie- 2362 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Rothe-Beinlich) sen. Diese sind allerdings bewusst nicht zum Bezugspunkt in dem CDU-Gesetzentwurf gemacht worden wie beispielsweise die Märzrevolution. Am 18. März 1793 gab es übrigens die Proklamation des rheinisch-deutschen Freistaats. Da entstand im Raum Mainz während der Französischen Revolution ein kurzlebiges republikanisches Staatswesen, das auf Menschenrechten und demokratischen Ideen gründete. Auch solche spannenden Bezüge finden wir, wenn wir einmal genauer nachschauen, was hinter diesen Daten steht. Der 17. Juni als Gedenktag für die Opfer der SEDDiktatur, glaube ich, ist ein Tag, auf den wir uns sicher hoffentlich schnell verständigen können, denn ohne Zweifel ist das ein Tag, der uns alle immer wieder innehalten lässt und dem auch, glaube ich, ein entsprechender Stellenwert gegeben sein sollte. Er ist nationaler Gedenktag, er ist allerdings im Moment kein Feier- und Gedenktag mehr. Deswegen meinen wir durchaus, es lohnt sich, darüber weiter nachzudenken. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine sehr geehrten Damen und Herren, der 25. Oktober, der Tag der Verfassung und des Landtags. Ich habe mich schon gefragt, welche Verfassung gefeiert werden soll, vermutlich die Thüringer Verfassung. Ich weiß nicht, ob es angemessen ist, einen Tag einzurichten, um sich selbst zu feiern als Tag des Landtags und der Verfassung. (Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das ist durch Volksentscheid in Kraft getreten!) Gesetzesrang. Es gibt nur drei Ausnahmen, das ist der 8. Mai in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie in Sachsen die Möglichkeit eines örtlichen Gedenktags zur Erinnerung an die friedliche Revolution im Jahr 1989. Den können dort die Gemeinden und Kommunen per Satzung festlegen. In Bayern und nur für Augsburg gibt es das Friedensfest am 8. August. Ich hoffe tatsächlich auf eine offene Diskussion und will einen weiteren Tag heute hier mit zu bedenken geben, nämlich den 10. Dezember, den Tag der Menschenrechte. An diesem Tag verleiht die Stadt Weimar seit vielen Jahren den Menschenrechtspreis. Ich glaube, der Tag der Menschenrechte ist auch ein Tag, der sich sicherlich als Tag des Nachdenkens, als Gedenktag eignen würde. Ich jedenfalls hoffe auf eine gute, auf eine inhaltlich vertiefte Debatte in den Ausschüssen und beantrage die Überweisung auch an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Vielen herzlichen Dank! (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordnete Pelke zu Wort gemeldet. Ich möchte an dieser Stelle noch den Hinweis geben, dass wir danach den Tagesordnungspunkt 14 aufrufen. Abgeordnete Pelke, SPD: Ich kann das schon nachvollziehen. Ich weiß, dass die Verfassung durch Volksentscheid in Kraft getreten ist. Aber Sie wollen ihn ja nicht nur als Tag der Verfassung, sondern auch als Tag des Landtags – und darauf bezog sich das Sich-selbst-Feiern. Das liegt mir nicht so. Außerdem hatte Thüringen auch vor 1990 schon mal eine Verfassung und einen Landtag, vielleicht kommt man auch dazu mal ins Gespräch. Trotzdem ist es ein Vorschlag, über den zu diskutieren sich lohnt. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich zu dem eigentlichen Punkt komme, weshalb ich mich noch mal zu Wort gemeldet habe, vielleicht doch noch einen Satz zum Redner der AfD. Als ich seine Ausführungen gehört habe, ist mir eingefallen, dass ich noch mal ganz besonders stolz darauf bin, dass wir in Thüringen nun endlich ein Bildungsfreistellungsgesetz haben. Ich denke, Sie sollten es nutzen, um Ihre Geschichtskenntnisse aufzufrischen. Sie haben jetzt noch den 9. November nachgereicht, den 9. November in all seiner – ich glaube, hier passt der Begriff tatsächlich – Ambivalenz, der 9. November, der der Beginn des millionenfachen Mords war, der industriellen Vernichtung von Menschen, von Juden, derer wir immer wieder gedenken und aus der für uns eine tiefe Verpflichtung entsteht, „nie wieder“ zu sagen zu derartiger Ideologie, „nie wieder“ zu sagen zu Faschismus, zu Rassismus, zu Antisemitismus, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da fand ich Ihre Redewendung, Herr Walk, auch ein wenig lapidar, als Sie über den 8. Mai gesprochen haben. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zusammenfassend will ich feststellen, kein anderes deutsches Bundesland hat außer den üblichen weltlichen und religiösen Tagen Gedenktage mit Aber sehr viel mehr fällt mir dann da auch nicht mehr ein. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich verstehe die Emotionalität von Frau König und auch, was Frau Rothe-Beinlich gesagt hat. Ich gehe davon aus, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass wohl doch tatsächlich aufgrund der Schnelle des Schreibens und des Einbindens eines weiteren Gedenktagvorschlags, was den 9. November angeht, Ihnen ein Fehler unterlaufen ist, und dass Sie nicht meinten, dass am 9. November im Rahmen der Reichspogromnacht etwas „inszeniert“ wurde, sondern dass etwas „initiiert“ wurde und et- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2363 (Abg. Pelke) was in Gang gesetzt wurde, was an Grausamkeit in dieser Welt nicht mehr zu überbieten war. Ich muss nicht für irgendjemand anderen reden, aber ich würde mir wünschen, dass wir an dem Thema der Gedenktage doch eine gemeinschaftliche Diskussion auf normalem Maß zustande bekommen, wie es eben auch Frau Rothe-Beinlich formuliert hat. Insofern finde ich es missverständlich in Ihrem Antrag, dass der 9. November ein Tag der „demokratischen Selbstbesinnung“ sei und diese Begrifflichkeit „inszeniert“. Vielleicht könnte das an dieser Stelle noch heute entsprechend von Ihnen verdeutlicht werden, was tatsächlich dahintersteht. Ansonsten wünsche ich mir sehr, wir bleiben dabei, dass dieser Antrag überwiesen wird. Wir werden uns auch als SPD-Fraktion noch mal sehr deutlich dazu positionieren. Der 17. Juni, das habe ich für die SPDFraktion schon gesagt, ist für mich ganz persönlich eine Selbstverständlichkeit als Gedenktag für die Opfer des DDR-Regimes und der SED-Diktatur. Wir sollten auch über den 9. November nachdenken. Wir sollten auch über andere mögliche Gedenktage noch mal miteinander ins Gespräch kommen. Wenngleich ich auch sage, was den 9. November angeht, dass bei alldem, was dieser Tag in seiner Ambivalenz auch an Positivem gegebenenfalls mit sich bringt, für mich dieser Tag immer überschattet ist von der Erinnerung an die Reichspogromnacht. Ich hoffe und wünsche, dass viele auch an diesem 9. November wieder hier – entweder in Erfurt oder an anderer Stelle – ihr Gedenken am Jüdischen Friedhof auch offenkundig werden lassen und dieses parteiübergreifend. Insofern hoffe ich, dass wir uns gemeinschaftlich einigen können, ohne Gedenktage und die Anzahl derer überstrapazieren zu wollen, aber dass wir auch deutlich machen, dass es bestimmte Tage gibt, die in der Erinnerung haften bleiben sollten, man sie deshalb durchaus auch als Gedenktag bezeichnen sollte und in den beiden von mir angesprochenen Fällen auch muss. Herzlichen Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion der CDU hat sich Abgeordneter Emde zu Wort gemeldet. Abgeordneter Emde, CDU: Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einfach ein paar Dinge noch mal klarstellen zu den Hintergründen unseres Antrags, weil von einigen Rednern doch falsche Dinge hier hineininterpretiert wurden. Meine Damen und Herren, aus der Geschichte lernen, dazu gehört zum einen historische Sachkenntnis, und zwar tiefgründig und nach allen Richtungen, damit man sich ein eigenes Urteil bilden kann, am besten liest man natürlich Primärquellen, damit niemand vorher schon kommentiert und zensiert und in eine bestimmte Richtung gelenkt hat. Das sage ich jetzt als einer, der in der DDR auch Geschichte studiert hat und wo es mir verwehrt wurde, Originalquellen zu lesen. (Beifall AfD) Aber das ist eben nur die eine Seite, zunächst erst einmal wirklich historische Kenntnisse haben und sich aneignen. Aber dann muss ich eben auch sagen, für uns als Politiker heißt es dann, wenn es darum geht, aus der Geschichte zu lernen: Wenn man politische Prozesse lenken will, dann muss man im Gespräch sein, und zwar mit allen. Das schließt die ein, mit denen man gut reden kann. Das schließt aber auch die ein, mit denen es schwer ist zu reden und wo man vielleicht auch emotionale Probleme hat, mit denen zu reden. Und trotzdem muss man im Gespräch bleiben. Das lehrt für mich jedenfalls die Geschichte. (Beifall AfD) Deswegen ist es ganz wichtig, dass man sich diese Haltung bewahrt, das Gespräch zu suchen, den anderen zu akzeptieren, auch andere Haltungen, zumindest zu versuchen, zu verstehen und zu ergründen, wo kommen sie her. Nur dann kann man Politik in demokratischen Prozessen gestalten. (Beifall CDU) Deswegen möchte ich noch mal etwas zu dem Verstehen des Textes hier sagen. Frau König, das hat mir überhaupt nicht gefallen, was Sie da in unsere Begründung hineininterpretieren. Wenn jetzt hier das Wort steht, die Novemberpogrome wurden 1938 von den Nationalsozialisten „inszeniert“, dann ist natürlich mit „inszenieren“ keine Verharmlosung gemeint, sondern es ging doch damals darum, öffentlich wirksam gegen die Juden zu Felde zu ziehen und Hass zu schüren und den Juden Angst einzutreiben und damit einen Prozess in Gang zu setzen, vielleicht auch Aggressionen auf der einen Seite loszutreten, auf der anderen Seite tiefe Einschüchterung und Verängstigung. Jetzt können wir gerne darüber reden, welche Begriffe wir wählen – darum werbe ich natürlich – und welchen Gedenktagen wir uns in Thüringen zukünftig widmen. Aber dass wir natürlich hier auch darüber reden, welche Hintergründe stehen und wie das zu verstehen ist, und dann können wir gerne an dem Text und an den Begründungen feilen. Vizepräsidentin Jung: Herr Abgeordneter Emde, … Abgeordneter Emde, CDU: Ja. 2364 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Vizepräsidentin Jung: … gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Dittes? Abgeordneter Emde, CDU: Nein. Abgeordneter Dittes, DIE LINKE: Herr Emde, Sie haben jetzt ... – bin ich falsch? Vizepräsidentin Jung: Er hat Nein gesagt. Abgeordneter Emde, CDU: Nein, ist alles in Ordnung, Herr Dittes. Sie können gern fragen. Abgeordneter Dittes, DIE LINKE: Herr Emde, wenn wir uns einig sind, ist das ausreichend in dem Moment. Sie haben gerade eine Funktion des 9. November, Reichspogrome, nicht falsch beschrieben, aber genau vor dem Hintergrund der von Ihnen vorgenommenen Beschreibung dieses Tages: Halten Sie es wirklich für sachgerecht, diesen Tag als Gedenktag der demokratischen Selbstbesinnung einzuführen? Abgeordneter Emde, CDU: Ich wollte gerade dazu kommen, Herr Dittes, denn es ist ja am Ende auch so, dass Herr Ministerpräsident Ramelow, als er zu diesem Tagesordnungspunkt gesprochen hat, als wir zuletzt dieses Gesetz besprachen, diesen 9. November vorgeschlagen hat. Und nun weiß Herr Ramelow genauso wie wir alle, dass es an dem 9. November eine ganze Reihe von Ereignissen in der deutschen Geschichte gibt. Es ist eben nicht nur der Tag des Mauerfalls. Es gibt positive Ereignisse, die auch die Demokratie in diesem Lande stützen, es gibt aber eben genauso gut sehr negative Ereignisse an diesem 9. November, wozu natürlich die Reichspogromnacht gehört. Wir können doch die Dinge nicht ausblenden. Jetzt ist eben die Frage: Wie gehen wir damit um? Verschweigen bringt gar nichts. Wir müssen darüber reden. Ob wir es nun als einen Gedenktag ausdrücken oder ob es darum geht, dass wir nachdenken oder dass wir erinnern, darüber können wir gern noch mal sprechen und können ja auch über die Art und Weise, wie wir das im Gesetz dann letztendlich formulieren, noch einmal reden. Aber wichtig ist, dass wir an die Ereignisse, ob sie nun positiv oder negativ sind, erinnern, ihrer gedenken und dass wir das immer wieder ins Gedächtnis rufen. Da sind wir doch vollkommen auf einer Linie. Deswegen möchte ich einfach noch mal bitten, Frau König, Sie sollten wirklich noch mal nachdenken, ob Sie uns als CDU-Fraktion in Gänze eine Nähe, so habe ich das herausgehört, zu der von den Nationalsozialisten in Gang gesetzten Judenverfolgung unterstellen. Das ist in keinster Weise gerechtfertigt. Ich sage das jetzt auch in ganz ruhigem Ton, weil ich es nicht für angemessen halte, wenn man hier solche Unterstellungen in den Raum stellt. (Beifall CDU, AfD) (Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Das hat sie nicht gesagt!) Deswegen noch einmal: Es gibt einen Konsens zu Gedenktagen. Welche das sind und wie wir genau die Hintergründe beleuchten und begründen wollen, lassen Sie uns das gemeinsam in den Ausschüssen erörtern. Vielen Dank. (Beifall CDU, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos) Vizepräsidentin Jung: Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Wünscht die Landesregierung das Wort? Das kann ich nicht erkennen. Es ist Ausschussüberweisung beantragt. Wir stimmen zunächst über die Überweisung an den Innenund Kommunalausschuss ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? 3 Gegenstimmen aus der Fraktion Die Linke. Stimmenthaltungen? Damit ist die Ausschussüberweisung angenommen. Wir stimmen nun über die Überweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz ab. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei einigen Stimmenthaltungen (Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Und 1 Gegenstimme!) und 1 Gegenstimme aus der Fraktion Die Linke ist die Ausschussüberweisung angenommen. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. (Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Federführung!) Entschuldigung. Wir müssen noch über die Federführung abstimmen. Ich gehe davon aus, dass es der Innen- und Kommunalausschuss sein soll. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Mit einigen Stimmenthaltungen liegt die Federführung beim Innen- und Kommunalausschuss. Entsprechend unserer Vereinbarung rufe ich jetzt auf den Tagesordnungspunkt 14 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2365 (Vizepräsidentin Jung) Neuen Strommarkt im Thüringer Interesse gestalten Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/1092 Wünscht jemand aus den Fraktionen das Wort zur Begründung? Herr Abgeordneter Harzer, Sie haben das Wort. Abgeordneter Harzer, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Neuen Strommarkt im Thüringer Interesse gestalten“ heißt der Antrag, den die Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen heute in den Thüringer Landtag eingebracht haben. Kurz zur Begründung: Mit dem Energiekonzept hat die Bundesregierung bis zum Jahr 2050 die Leitziele für die Umgestaltung des Energiesystems in Deutschland gesetzt. So soll bis 2050 unser Bedarf an Primärenergie nur noch halb so groß sein wie im Jahr 2008. Gleichzeitig soll der Anteil der erneuerbaren Energien ausgebaut werden auf 60 Prozent des Bruttoendenergieverbrauchs im Jahr 2050. Die Energieversorgung in Deutschland soll unabhängig werden von begrenzt verfügbaren fossilen Energieträgern und damit nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch dauerhaft sicher und wettbewerbsfähig. Mit dem Weißbuch, im Juli 2015 veröffentlicht, „Ein Strommarkt für die Energiewende“ sowie dem Eckpunktepapier für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende hat die Bundesregierung ausgehend von dem Energiekonzept Grundsatzentscheidungen vorgelegt, die im Wesentlichen bis Ende 2016 in Form von Gesetzesnovellen und Verordnungen umgesetzt werden sollen. Natürlich wird davon aufgrund der Bundesgesetzgebung auch Thüringen betroffen sein – Thüringen mit seiner speziellen Struktur, mit einer Stromversorgung, die weitgehend in kommunaler Hand ist, ohne Kernkraftwerke, ohne Kohleverstromung, mit hauptsächlich erneuerbarer Energieerzeugung und KWK und einem großen Anteil an Importenergie, da Thüringen knapp die Hälfte seines Stromverbrauchs selbst herstellt. Diese Auswirkungen für Thüringen mit seinen Besonderheiten, die ich gerade genannt habe, sind natürlich zu beachten und zu betrachten. Es ist zu versuchen, dort direkt bei der Gesetzgebung in den nächsten Monaten Einfluss zu nehmen für die Thüringer Interessen, die sich aus KWK-Novelle, aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, aus Ausschreibungen Photovoltaik/Windenergie sowie aus dem Netzausbau ergeben. Ich möchte daran erinnern, gerade beim Netzausbau ist Thüringen stark betroffen, nicht nur mit der jetzigen gebauten Thüringer Strombrücke, auch mit der P44 Schalkau-Grafen- rheinfeld und mit den geplanten HGÜ-Hochspannungstrassen, Gleichstromtrassen. Thüringen legt seine Schwerpunkte in den Bereichen auf die Senkung des Endenergieverbrauchs, auf die Erhöhung der Energieeffizienz, auf die Minderung des CO2-Ausstoßes, auf den Ausbau der Nutzung von erneuerbaren Energien und auf die stärkere Einbeziehung des Themas „Energie und Klima“ in Forschung und Entwicklung und natürlich auch in Aus- und Weiterbildung. Von daher halten wir es für notwendig, hier im Landtag auch über die energiepolitischen Ziele im Zusammenhang mit der Gesetzgebung zur Energiewende in Deutschland zu debattieren und der Landesregierung für die Verhandlung im Bundesrat vorzugeben und aufzugeben, wie der Landtag diese Probleme sieht. Deswegen heute dieser Antrag und es wäre, denke ich, ein deutliches Zeichen, wenn die Opposition diesen Punkten auch zustimmen könnte und wenn Thüringen hier gegenüber dem Bund mit einer Stimme spricht und somit der von der Bundesregierung auf den Weg gebrachten Umwandlung der Energiesysteme in Deutschland im Zuge der Verbesserung des Klimas oder des Schutzes unseres Klimas zustimmen könnte. Damit ist der Antrag eingebracht. Danke. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer I des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Siegesmund das Wort. Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz: Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mich bei den Fraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ausdrücklich für den Antrag „Neuen Strommarkt im Thüringer Interesse gestalten“ bedanken und erstatte dazu gern einen Sofortbericht. Gerade im Vorfeld von Paris, gerade jetzt, wo wir uns mitten im Klima- und Energieherbst befinden, in dem entscheidende Weichenstellungen auf Bundesebene getroffen werden, ist es wichtig, darüber zu sprechen, welche Interessen das Land Thüringen Richtung Bund adressiert. Die aktuelle Agenda der Energiepolitik ist komplex, sie ist zukunftsweisend. Das ist eben bei der Antragseinbringung schon deutlich geworden. Worüber reden wir? Wir reden über das Strommarktgesetz, die Novelle des KWK-Gesetzes, wir reden über die Novelle der Anreizregulierungsverordnung, das Ausschreibungsdesign zur Förderung von Anlagen für erneuerbare Energien – viele ver- 2366 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Ministerin Siegesmund) schiedene Baustellen. Die derzeit auf Bundesebene sich in Planung befindlichen Änderungen haben erhebliche Auswirkungen für das Gelingen der Energiewende und die eben genannten vier Gesetze werden die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch entscheidend bestimmen. Sie werden auch Einfluss darauf haben, wie die Energiewende in Thüringen in den nächsten Monaten, ja, Jahren vorankommt. Ich begrüße es daher noch mal ausdrücklich, dass wir uns damit heute beschäftigen können und will zu einigen Punkten gemäß dem Antrag auch dezidiert Stellung nehmen. Zum Stichwort „Erzeugung“: Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Transformationsprozess ist in vollem Gang. Der Anteil der Erneuerbaren nimmt zu. Wir hatten im Juli einen Tag, an dem über 84 Prozent erneuerbarer Strom im Netz war und der deutlich macht, was möglich ist. Der Strommarkt befindet sich aber auch in einer Übergangsphase, in der er vor allen Dingen eines braucht: ganz viele Mechanismen, um Flexibilität zu organisieren. Er muss es schaffen, Erzeugung und Verbrauch eben auch bei steigenden Anteilen von Wind- und Sonnenstrom zu synchronisieren – eine Herkulesaufgabe. Der Markt muss dafür sorgen, dass ausreichend Kapazitäten vorhanden sind und dass diese Kapazitäten auch tatsächlich effizient eingesetzt werden. Das Stichwort dafür ist Flexibilität im Stromsystem, das heißt flexible Erzeugung, flexible Nachfrage und Speicher. Das Ganze braucht auch einen neuen rechtlichen Rahmen, der ein hohes Maß an Versorgungssicherheit garantiert. Da darf es keine Abstriche geben. Deswegen unterstütze ich ausdrücklich die Entscheidung des Bundeswirtschaftsministeriums, den erweiterten Strommarkt 2.0 als Säule, als Grundinstrumentarium für diese große Aufgabe zu wählen. Die Bundesregierung hat sich damit für eine Weiterentwicklung des Strommarkts und gegen die Kapazitätsmärkte entschieden. Damit ist sie auf dem richtigen Weg. Es besteht damit die Chance, die Effizienz des künftigen Stromsystems maßgeblich zu stärken. Ein Entwurf des Strommarktgesetzes liegt uns seit Mitte September vor. Was genau sind die Details? Zum einen die rechtliche Verankerung der freien Preisbildung, die bessere Einbindung des deutschen Strommarkts in den europäischen Markt, auch – und das ist wichtig – die Überwachung der Versorgungssicherheit durch ein Monitoring, die Einführung einer Kapazitätsreserve und diverse andere Punkte. Fakt ist aber auch, dass Braunkohlekraftwerke ein Teil dieser Reserve ausmachen. Die Diskussion um die Frage der Braunkohle kommt in Thüringen immer zu kurz, weil man meint, dadurch, dass wir keine Kraftwerke haben, müssten wir auch nicht darüber sprechen. Das halte ich aber für falsch und ich will auch begründen, warum. Ich bedaure – und das will ich vorausschicken –, dass die Bundesregierung ihren Vorschlag vom Frühjahr nicht weiter verfolgt hat. Der Vorschlag war, einen Klimaschutzbeitrag einzuführen, ein intelligentes Instrument, um die geplanten CO2-Minderungen im Stromsektor effizient zu erreichen. Allein, man ist eingeknickt vor der Kohlelobby. Wenn man aber langfristig die Energie- und Klimaziele – das Stichwort „Dekarbonisierung“ hat diesen Sommer an ganz vielen Stellen eine Rolle gespielt – verfolgt, kommt man um das Stichwort „Kohle“ auch nicht herum. Stattdessen gibt es jetzt Folgendes: Es gibt eine sogenannte Klimareserve mit 2,7 Gigawatt, die allein nur für Braunkohlekraftwerke gedacht ist. Damit steht eines fest, die Klimareserve ist in Wahrheit eine Kohlekraftreserve. Warum hat das für uns auch eine Bedeutung? Weil diese Kohlereserve uns 230 Milliarden Euro Kosten im Jahr bescheren wird und diese 230 Milliarden Euro – Entschuldigung: 230 Millionen Euro – Kosten im Jahr werden auf die Verbraucherinnen und Verbraucher, also auch auf Thüringen umgelegt. Und zum Zweiten werden diese auch auf die Netzentgelte gewälzt und damit sind auch wir diejenigen, die davon betroffen sind. Da hat die Bundesregierung eine Entscheidung getroffen, die wir aus Thüringen heraus nur rundherum ablehnen können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will zum zweiten Gesetzespaket kommen, zur Novelle des KWK-Gesetzes. Wir haben die Novellierung eingefordert, weil wir nachhaltig eine Verbesserung der Marktsituation klimafreundlicher KWK-Anlagen brauchen. Unstrittig unter uns allen über alle Parteigrenzen hinweg ist doch Folgendes: KWK ist ein wesentlicher Baustein für eine bedarfsgerechte Strom- und Wärmeversorgung. Wir als Landesregierung haben uns für die Stärkung kleinerer Erzeugungseinheiten eingesetzt, weil das nun mal Thüringen ist, weil kleine KWK-Anlagen Thüringens Akteure ausmachen. Konkret haben wir uns mit eigenen Anträgen über den Bundesrat eingebracht. Ich werde die Thüringer Interessen dazu morgen im Bundesrat vertreten. Um welche Punkte wird es da gehen? Erstens, die Förderung kleinerer KWK-Anlagen unter 2 Megawatt, die erhalten bleiben soll, und zweitens um eine Erhöhung der Bestandsförderung von 1,5 Cent pro Kilowattstunde auf 2,5 Cent. Wir haben die Initiative ergriffen, weil wir uns gegen eine drohende Schlechterstellung von Anlagen, die bereits durch das bisherige Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz gefördert wurden, stellen wollen, stellen müssen, um in Thüringen unsere Interessen zu vertreten. Die Hürde – das ist die positive Nachricht hier – der Ausschüsse im Bundesrat haben unsere Anträge genommen. Jetzt müssen wir sehen, wie der Bundesrat morgen entscheidet. Wir werden Sie dazu auf dem Laufenden halten. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2367 (Ministerin Siegesmund) Ich will zum Bereich Fotovoltaik kommen und in die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes einsteigen. Im EEG ist die jährlich angestrebte Gesamtleistung neu installierter Fotovoltaikanlagen gesetzlich verankert. Das Ziel sind 2.400 bis maximal 2.600 Megawatt; mit einem Zubau von 1.900 Megawatt wurde das Ziel im vergangenen Jahr deutlich verfehlt. Das merken wir auch, wenn wir uns in der Thüringer Fotovoltaikbranche umhören. Wir brauchen also wieder einen realistischen Zubaupfad und müssen uns über die weitere Erhöhung verständigen. Dezentrale Versorgungsprojekte und Bürgerenergieprojekte gehören für die Akzeptanz erneuerbarer Energien ebenso mit dazu, weil es hier auch um regionale Wertschöpfung geht. Deswegen setzen wir uns bei dieser Novelle umso mehr dafür ein, dass der Erhalt der Bürgerenergie und die Akteursvielfalt gesichert werden. Das sind zentrale Bausteine aus Thüringen hinaus. Auch hier bereiten wir Initiativen vor und setzen uns dafür nachdrücklich ein. Ich möchte zum Thema „Verteilung und Transport“ kommen – ebenso ein Punkt, der im Antrag angesprochen wird: Fakt ist doch, eine wettbewerbsfähige und sichere Stromversorgung braucht auch moderne und leistungsfähige Netze. Unsere Maximen lauten aber ganz klar: strikte Befolgung des sogenannten NOVA-Prinzips, das heißt: Optimierung vor Verstärkung vor Ausbau und Einsatz neuer Technologien, wie Hochspannungsgleichstromübertragung, Erdverkabelung oder Hybrid. Diese Ziele finden sich auch im Landesprogramm 2025 wieder. Dort haben wir den Anspruch der Trassenbündelung, den Vorrang der Modernisierung und die Vermeidung von wesentlichen Beeinträchtigungen von Mensch, Natur und Umwelt sowie des Landschaftsbilds verankert. Viel Bewegung gibt es derzeit in der politischen Diskussion beim Thema „Erdkabel“. Die Bundesregierung hat am 1. Juli energiepolitische Eckpunkte beschlossen. Danach soll bei der Errichtung der HGÜ-Stromautobahn vorrangig die Erdverkabelung zum Einsatz kommen. Bis dato ist aber – das muss man hier heute so klar konstatieren – noch vieles in dem Bereich sehr unklar. Die Landesregierung unterstützt den Einsatz von Erdkabeln. Wir sind aber der Meinung, dass man im Einzelfall die verträglichste Lösung umsetzen muss. Deswegen bringen wir uns in diesen Diskussionsprozess ganz aktiv ein. Sehr geehrte Damen und Herren, frisch auf dem Tisch liegt der erste Entwurf zum „Netzentwicklungsplan 2015 bis 2025“. Den haben die vier Übertragungsnetzbetreiber am 30. Oktober veröffentlicht und der BNetzA übergeben. Der Bericht beschreibt keine konkreten Trassenverläufe von Leitungen, sondern dokumentiert den notwendigen Übertragungsbedarf zwischen einzelnen Netzknoten. Im Entwurf wird die „EEG-Novelle 2014“ vollständig berücksichtigt. Außerdem waren die Übertragungsnetzbetreiber aufgefordert, Alternativen zu bestimmten Vorhaben zu entwickeln. Zu diesem Entwurf wird die Landesregierung bis zum 13.12. Stellung nehmen. Für Thüringen stellt sich vor allen Dingen die Frage: Was passiert mit der sogenannten P44? Der Abgeordnete Harzer hatte das angesprochen. Dieses Vorhaben sah bisher die Errichtung zweier Drehstromsysteme 380 kV zwischen Altenfeld und Grafenrheinfeld vor und war in die Einzelmaßnahmen Altenfeld-Schalkau und Schalkau-Grafenrheinfeld gegliedert. Zu seiner Umsetzung war bisher der Neubau einer Trasse durch das sensible Heldrunger Unterland vorgesehen, was die Thüringer Landesregierung ganz strikt abgelehnt hat. Diese strikte Ablehnung scheint endlich Früchte zu tragen, denn die Betreiber präsentieren im „Netzentwicklungsplan 2015“ erstmals eine Alternative zur P44, die ohne Trassenneubau in Thüringen auskommt. Stattdessen ist die Aufrüstung bestehender Leitungen vorgesehen. Der Druck der Landesregierung zeigt also Wirkung. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ebenso wichtig ist für Thüringen der sogenannte HGÜ-Korridor D. Sein Eckpunkt soll von Gundremmingen nach Landshut an der Isar verlagert werden, das ist in Bayern. Die Planungen der Netzbetreiber zeigen, dass dies aus technischer Sicht möglich wäre. Die letzte Entscheidung fällt hier aber der Bundesgesetzgeber. Ich will einen Punkt, den der Abgeordnete Harzer erwähnt hat, ausdrücklich unterstreichen. Das eine ist das Sitzen hier auf den Oppositionsbänken, das andere, wenn wir wissen, dass wir beim HGÜ-Korridor D den Bundesgesetzgeber als Adressaten haben, der entscheidet, dann muss klar sein, dass auch die Opposition sich zu ihrer Verantwortung bekennen muss. Wer im Bund mitregiert, hat auch Einfluss auf die Frage, wo der sogenannte HGÜ-Korridor D entlanggeht. Also erwarte ich auch, dass Sie an dieser Stelle Verantwortung für das Land übernehmen. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Stichwort „Netzentgelte“ will ich auch zwei Worte verlieren, weil es eine müßige Diskussion ist. Wir haben uns in Grünbuch- und in Weißbuch-Debatten intensiv eingebracht, weil es nicht fair und schon gar nicht solidarisch ist, dass wir in der Regelzone 50Hertz die höchsten Netzentgelte zahlen. Schon gar nicht fair und schon gar nicht solidarisch ist, dass 50Hertz diese überproportional noch mal um 30 Prozent erhöhen möchte. Man sollte sich aber sehr genau anschauen, welche Lösungen es gibt. Im Weißbuch steht ja nur, man will sich auf Bundesebene für ein solidarisches Netzentgelt einsetzen. Das finde ich höchst span- 2368 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Ministerin Siegesmund) nend. Heißt solidarisch, die anderen werden auf unser Niveau angehoben, oder heißt solidarisch, man findet eine Regelung, die das Ganze nivelliert und ein Mittel findet? Ein Kurzgutachten der TU Dresden – danach sollten wir uns richten und uns dementsprechend orientieren – hat sich mit dieser Frage der Ungleichverteilung der Netzentgelte auseinandergesetzt und kommt zu folgendem Ergebnis: Für einen solidarischen und fairen Ausgleich der Netzentgelte gibt es einen Weg und dieser Weg würde 12 von 16 Ländern besserstellen. Deswegen müssen wir uns aus Thüringen heraus dafür einsetzen, dass das auch umgesetzt wird. Das ist unsere Aufgabe. Meine sehr geehrte Damen und Herren, auch bei der Entlastung der Stromspeicher von Netzentgelten machen wir Druck. Neben der Flexibilisierung von Angebot und Nachfrage sind Speicher eine zentrale Flexibilisierungsoption. Ihre Bedeutung nimmt bei steigendem Anteil der Erneuerbaren zu, und wenn man weiß, dass wir ein Fünftel der gesamten durch PSW bereitgestellten Energie in Thüringen für die Bundesrepublik generieren, dann heißt das auch, dass wir hier eine hohe Verantwortung haben. Die Bundesregierung ist hier völlig zögerlich, um nicht zu sagen, versteckt sich. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass bewährte und neue Speichertechnologien, die zur Flexibilisierung der Stromversorgung und zur Netzstabilität gebraucht werden, auch sicher finanziert sind. Dazu braucht es unser Engagement. Dass die Energiewende auch eine technologische Herausforderung ist, ist doch unbenommen. Und beim Thema „Speicher“ keine zukunftsweisenden Entscheidungen seitens des Bundes zu treffen, führt nicht in die richtige Richtung. Deswegen müssen wir hier sehr klar intervenieren und deutlich machen, warum das wichtig ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme zum vorletzten Punkt innerhalb der derzeitigen energiepolitischen Debatte. Das Thema „Anreizregulierungsverordnung“ ist ein Spezial-, ich will sagen, ein Expertenthema, aber trotzdem ist es wichtig, es zu benennen. Die jetzt laufende Novellierung dient dem Ziel, die Rahmenbedingungen für die Verteilernetzbetreiber an die Erfordernisse der Energiewende anzupassen; gleichzeitig sollen die Investitionsbedingungen für nachgelagerte Netzbetreiber verbessert werden. Unter den Ländern besteht Einigkeit darin, dass diese Vorschläge nicht geeignet sind, die Investitionsbedingungen für die Betreiber zu verbessern. Deswegen sind wir auch hier gefordert und ich will die drei Punkte nennen, die wir hier an den Bund herantragen: 1. keine Verschärfung der Effizienzvorgaben und Beibehaltung der derzeitigen Abrechnung, 2. keine Änderung der Schwellenwerte für das vereinfachte Verfahren – unsere Stadtwerke würden mit dem, was da gefordert ist, bürokratisch komplett lahmgelegt, das geht nicht – und 3. die Beseitigung des Zeitverzugs für die Geltendmachung von Investitionskosten. Diese Punkte haben wir auch dem Bundeswirtschaftsministerium im Sinne unserer Struktur in Thüringen gespiegelt und diese in die Diskussion gebracht. Last, but not least: Der Umbau des Energiesystems ist eine Gemeinschaftsaufgabe, der vor allem eines bedarf, er bedarf der Abstimmung mit allen Akteuren. Die Mitglieder der Landesregierung haben viele Gespräche mit der Energiewirtschaft, den Stadtwerken, der TEAG und der Erneuerbare-EnergienBranche geführt. Wir können heute zurückblicken auf eine sehr erfolgreiche Erneuerbare-EnergienKonferenz in der vergangenen Woche. Der Dialog mit zentralen Akteuren ist institutionalisiert. Es gibt in meinem Haus einen Beirat für die Thüringer Energiewende. Künftig werden wir uns hier regelmäßig mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, der Energiebranche und Umwelt- und Verbraucherverbänden zusammensetzen, um gemeinsam die Herausforderungen der Energiewende und mögliche Lösungsansätze zu erörtern. Diesen Dialog – und damit will ich schließen – wird es auch bei der Erarbeitung unserer Energieund Klimastrategie geben. Auch hier werden wir all jene einbeziehen, die mit uns nach vorn an diesem Konzept arbeiten wollen, weil das breite Wissen und die gesellschaftliche Akzeptanz nur Gutes zu dieser Strategie beitragen werden. Davon bin ich überzeugt und der Weg ist bei manchen Gesetzesvorhaben das Ziel. Auch das dürfte nichts Neues sein. Sie sehen, das Thema „Energie und energiewirtschaftliche Rahmenbedingungen“ bleibt in den nächsten Monaten hochaktuell, ist komplex, aber in jeder Faser zukunftsweisend. Wir wollen, dass die Energiewende in Thüringen eine Erfolgsgeschichte ist. Wir wollen, dass Thüringen Energiegewinner wird. Dazu brauchen wir auch den bundespolitischen Rahmen. Deswegen setzen wir uns im Bund und im Bundesrat nach Kräften ein – genau in dem Sinne, wie der Antrag der Regierungsfraktionen überschrieben ist –, den neuen Strommarkt im Interesse von Thüringen zu gestalten. Herzlichen Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Meine Damen und Herren, gemäß unserer Geschäftsordnung werden Beratungen zu Berichten der Landesregierung grundsätzlich in langer, also in doppelter Redezeit verhandelt. Ich frage: Wer Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2369 (Vizepräsidentin Jung) wünscht die Fortberatung des Sofortberichts? Auf Antrag der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU gibt es die Fortberatung des Sofortberichts. Ich eröffne die Beratung zum Sofortbericht zu Nummer I des Antrags, gleichzeitig eröffne ich die Aussprache zu Nummer II des Antrags. Abgeordneter Gruhner, CDU-Fraktion, hat sich zu Wort gemeldet. Abgeordneter Gruhner, CDU: Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe jetzt die ganze Zeit überlegt, was mir zum Energieherbst der Ministerin einfällt. Mir ist zumindest eingefallen, dass im Herbst die grünen Blätter von den Bäumen fallen (Beifall CDU) (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die sind gelb oder braun, wenn sie herunterfallen!) und ich hoffe, dass bei Ihrer energiepolitischen Konzeption sich nicht schon der Wintereinbruch andeutet. Aber zurück zum eigentlichen Thema. Ich will Ihnen herzlich für Ihren Sofortbericht danken, will auch gleich noch auf die eine oder andere Aussage eingehen. Ich will zunächst aber erst noch mal feststellen, dass wir in der Tat hochaktuell sind, wenn wir über das Thema „Strommarktreform“ sprechen, denn genau am gestrigen Tag hat die Bundesregierung einen Beschluss zum Strommarktgesetz auf den Weg gebracht. Es wurde ein Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende beschlossen sowie die Kapazitätsreserveverordnung. Damit sind weitreichende energiepolitische Beschlüsse auf Bundesebene in der Bundesregierung gefasst worden. Damit stehen zumindest vonseiten der Bundesregierung sehr wichtige energiepolitische Koordinaten fest. Man muss einfach feststellen, dass diese Strommarktreform der Bundesregierung seit der Liberalisierung des Strommarkts in den 1990er-Jahren die größte Reform im Bereich der Energiepolitik ist. Man könnte es vielleicht auch so sagen: Mit dem neuen Strommarktgesetz steht nun eine Art Grundgesetz für den Strommarkt im 21. Jahrhundert zur Verfügung. Warum ist eine Reform notwendig? Die Ministerin hat das angesprochen. Der Strommarkt durchläuft eine Phase des Übergangs. Erneuerbare Energien – und das wollen wir auch – übernehmen mehr Verantwortung in der Stromversorgung. Die Kernenergie wird bis 2022 vom Netz gehen und die europäischen Märkte im Bereich des Stroms wachsen weiter zusammen. In dieser Übergangsphase haben wir eine Situation, wo vor allem die Verwirklichung des europäischen Strombinnenmarktes, der Ausbau der erneuerbaren Energien, sinkender Stromverbrauch, aber auch die Liberalisierung der Strom- märkte zeitweise zu einem erheblichen Überangebot an Kapazitäten im Strommarkt führen. In dieser Übergangsphase ist es wichtig, dass wir am Strommarkt Versorgungssicherheit gewährleisten und dass wir Einspeisung und Entnahme im Strommarkt tatsächlich eben auch synchronisieren. Es muss sichergestellt sein, dass jederzeit genauso viel Strom in das Stromnetz eingespeist wird, wie aus diesem entnommen wird. Zu diesem Sachverhalt haben wir in der Tat noch einige Probleme, einige Hemmnisse und deswegen ist diese Reform notwendig und deswegen ist sie sinnvoll und deswegen ist es auch richtig, dass die Bundesregierung hier mit einem sehr großen Paket handelt. Bevor ich auf einzelne Aspekte des Antrags der Koalitionsfraktionen eingehe, will ich zunächst noch mal sagen, dass das Paket, das die Bundesregierung hier vorgelegt hat, hier durchaus angemessen ist, dass es vernünftig ist und dass es vor allem in der Grundsubstanz richtige Antworten auf die Fragestellungen des Strommarkts im 21. Jahrhundert gibt. Ich will noch mal sechs Punkte nennen, einige hatten Sie auch schon genannt, warum wir sagen, dass diese Reform, die die Bundesregierung hier vorgelegt hat, richtig ist. Erstens: Wir stärken einen marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen im Bereich des Strommarkts und vor allem verzichten wir auf einen kompletten Kapazitätsmarkt, der tatsächlich teuer und ineffizient geworden wäre. Und ich glaube, dieses Signal in Richtung von mehr Marktwirtschaft im Strommarkt ist genau richtig. Zweitens – und das korrespondiert mit dem ersten Punkt –: Die erneuerbaren Energien werden stärker in den Wettbewerb gestellt. Sie müssen sich stärker dem Wettbewerb stellen – auch das ist richtig –, weil wir natürlich wollen, dass die erneuerbaren Energien immer mehr zur Marktreife geführt werden, weil das letztlich auch dem Verbraucher und der Wirtschaft nutzt. Drittens: Diese Reform ist wichtig, weil sie die Frage von Versorgungssicherheit europäisch einbettet und weil eben erstmals auch deutlich stärker der europäische Binnenmarkt mitgedacht wird. Viertens: Die Versorgungssicherheit wird mit einer Kapazitätsreserve, die eben nicht Bestandteil des Markts ist – auch das ist wichtig –, und mit einer Sicherheitsbereitschaft garantiert, und zu Letzterem haben Sie ja vorhin ausgeführt. Und ich will als fünften Punkt deswegen schon sagen: Ja, man könnte im Bereich der Braunkohle durchaus Ehrgeizigeres verlangen. Aber ich möchte trotzdem darauf hinweisen, dass im jetzt vorliegenden Konzept der Bundesregierung Braunkohlekraftwerksblöcke mit einer Gesamtleistung – das hatten Sie gesagt – von 2,7 Gigawatt schrittweise ab dem 2370 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Gruhner) Jahr 2016 aus dem Markt genommen werden. Und das entspricht circa 13 Prozent der deutschen Braunkohlekapazität. Da kann man immer mehr wollen, aber ich glaube schon, das ist ein wichtiger Beitrag, um auch Kohlendioxidemissionen zu senken. Und das ist ja der Kern, warum wir Energiewende machen. Wir reden bei diesen 2,7 Gigawatt Braunkohle von 11 bis 12,5 Millionen Tonnen CO2, die im Jahr eingespart werden, und das ohne Strukturbrüche. Und da will ich schon einmal sagen: Ich finde, man kann es sich – auch gerade mit Blick auf die Grünen – eben nicht immer so einfach machen und sagen: Wir steigen jetzt sofort aus der Braunkohle aus. Natürlich muss die langfristige Perspektive sein, dass wir die Braunkohle als riesigen Umweltverschmutzer vom Netz nehmen. Das ist gar keine Frage. Aber erstens müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass man nicht parallel aus der Kernkraft und der Braunkohle aussteigen kann. Das ist mit Blick auf Versorgungssicherheit überhaupt nicht darstellbar, das ist Traumtänzerei. Und zweitens will ich auch sagen: Frau Ministerin, Sie haben vorhin gesagt, Sie sind traurig darüber, dass die Klimaabgabe des Bundesministers Gabriel nicht gekommen ist. Ich bin, offen gestanden, ganz froh darüber und ich glaube, mit mir sind 27.000 Beschäftigte in der ostdeutschen Braunkohle darüber froh, weil eines doch Fakt ist: Wenn diese Klimaabgabe – oder nennen wir sie Kohleabgabe – sofort gekommen wäre, hätte das ein sofortiges Aus der ostdeutschen Braunkohle bedeutet. Es hätte ein sofortiges Aus für alle Arbeitsplätze bedeutet. Und ich finde es, offen gestanden, nicht gut, dass sich Thüringen aus der Solidarität mit den anderen ostdeutschen Ländern hier verabschiedet. (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo waren Sie, als es um ostdeutsche Solarwirtschaft ging?) (Beifall CDU) Und deswegen ist dieser Beitrag, der jetzt hier gebracht wird, sicher nicht – das kann er gar nicht sein – das Ende vom Lied. Aber es ist ein substanzieller Beitrag, das sollte man zur Kenntnis nehmen. Sie haben vorhin – ich glaube, versehentlich – von 230 Milliarden Euro gesprochen, die das kosten würde –, also 230 Millionen Euro haben Sie mit Sicherheit gemeint. Wenn man mal bedenkt, dass man mit 230 Millionen Euro in diesem Bereich 12,5 Millionen Tonnen CO2 einsparen kann, dann ist das ein vergleichsweise kostengünstiger Weg. Mit 230 Millionen Euro könnten Sie im Bereich der Energieeffizienz nicht so viel machen, um so viel CO2 einzusparen. Deswegen, finde ich, muss man da in den Relationen realistisch bleiben und muss durchaus anerkennen, dass es natürlich eine Notwendigkeit gibt, hier auszusteigen, aber dass es maßvoll sein muss mit Blick auf Arbeitsplätze, und es darf keine Strukturbrüche geben. Schließlich der sechste Punkte, warum diese Reform wichtig und richtig ist: Die Digitalisierung der Energiewende wird eingeleitet. Hier geht es vor allem – das Stichwort heißt „Smart Metering“ – darum, dass wir im 21. Jahrhundert intelligente Netze schaffen, und das ist der richtige Weg. Nun will ich einige Bemerkungen zu Ihrem Antrag, den Sie hier vorgelegt haben, machen. In der Tat ist das ja sozusagen die ganze Bandbreite aller energiepolitischen Themen, die wir gerade bundesweit und hier in Thüringen diskutieren, sozusagen ein ganzes Potpourri, was Sie hier vorgelegt haben. Und ich will zunächst sagen: Ja, wir sind uns in den Dingen, die im Thüringer Interesse sind, absolut einig. Da ist es in der Tat so, dass wir keine Erinnerung brauchen, Verantwortung wahrzunehmen. Ich will nur mal erinnern, beim Thema „Anreizregulierungsverordnung“ haben wir ja sehr gut zueinandergefunden und hier auch parteiübergreifend Verantwortung wahrgenommen. Gleiches gilt für Themen wie „Neue Stromtrassen“, insgesamt für die Frage der Wettbewerbsfähigkeit der Stadtwerke – auch das ist ja sozusagen Bestandteil der Frage der Anreizregulierungsverordnung – oder auch die Frage der Wirtschaftlichkeit von Stromspeichern. Wir haben erst gestern über Vattenfall gesprochen, über die Talsperren. Das korrespondiert ausdrücklich genau mit dieser Frage, wie wettbewerbsfähig Speicher tatsächlich sind. Deswegen sind das Fragen, bei denen wir uns einig sind. Dennoch muss ich feststellen, dass Ihr Antrag an einigen Stellen hauptsächlich ein Schaufensterantrag ist, es werden Lippenbekenntnisse dargestellt und an vielen Stellen – das muss ich ganz ehrlich sagen – können wir überhaupt nicht nachvollziehen, was Sie da sagen. Ich will nur auf vier Punkte in Ihrem Antrag eingehen bzw. diesen in vier Punkten zusammenfassen. Als Erstes noch mal zum Netzausbau, da hat die Ministerin auch einiges aufgeführt, und zu der Frage, wer hier welche Verantwortung wahrnimmt. Ich will noch mal erinnern: In der Frage des Netzausbaus war es die damalige Ministerpräsidentin Lieberknecht, die gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern Seehofer sehr intensiv gekämpft hat, dass wir gerade in Ostthüringen diese Gleichstromtrasse verhindern, weil wir immer gesagt haben, Thüringen leistet mit der Thüringer Strombrücke einen erheblichen Beitrag. (Beifall CDU) Es ist Ihr Ministerpräsident, der auf Konfrontationskurs zu Herrn Seehofer gegangen ist und dadurch, glaube ich, keinen riesigen Beitrag geleistet hat, um in dieser Frage voranzukommen. (Beifall CDU) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2371 (Abg. Gruhner) (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wer hat denn im Bundesrat zugestimmt? Die CDU!) Dann haben Sie einiges zum Thema „Erdverkabelung“ gesagt. Ich glaube, es ist richtig, dass sich die Koalitionsparteien in Berlin im Sommer darauf verständigt haben, der Erdverkabelung einen Vorrang vor den Freileitungen zu geben. Wir müssen aber auch – das ist nun mal die Wahrheit – an dieser Stelle sagen, dass das zu deutlich mehr Kosten führen wird, das ist in der Tat so. Allerdings – und da sind wir uns wiederum einig – ist es schon so, dass wir, bevor wir zur Erdverkabelung kommen, darüber reden müssen, wie wir bestehende Trassen ertüchtigen können. Das ist an dieser Stelle besonders wichtig. Deswegen sage ich gerade mit Blick auf die Gleichstrompassage Süd-Ost, über die wir also in Ostthüringen reden: Bevor wir überhaupt darüber sprechen, dass wir hier irgendetwas erdverkabeln, müssen wir mit 50Hertz und anderen sehr deutlich sprechen, dass wir hier bestehende Trassen auch nutzen. Dann haben Sie zur Frage P44 einiges gesagt. Das kommt ja auch im Antrag vor. Hier will ich nur sagen: In der Tat, hier ist der Bund verantwortlich, die Landesregierung hat hier begrenzte Handlungsspielräume. Dennoch ist es wichtig, dass wir hier kämpfen. Aber ich möchte auch darauf hinweisen – und das sollte man schon mal deutlich sagen –, dass die Koalitionsparteien in Berlin in dem benannten Eckpunktepapier am 1. Juli klar gesagt haben, dass man bei der betroffenen Strecke Schalkau-Grafenrheinfeld auf eine neue Leitungstrasse verzichten will und auf eine bestehende Trasse draufgehen möchte. Das ist Beschlusslage der Großen Koalition in Berlin. Deswegen sollten wir nicht so tun, als ob die Bundesregierung hier im Widerspruch zu dem steht, was wir in Thüringen wollen. Hier gibt es im Gegenteil Einigkeit, hier tut die Bundesregierung das, was möglich ist, und hier nehmen CDU und SPD im Bund auch Verantwortung in dieser Frage wahr. (Beifall CDU) Dann will ich auf die Frage des Netznutzungsentgelts eingehen, weil das auch immer wieder eine große Debatte ist. Es ist gut, dass die Bundesregierung jetzt sagt, zumindest für den Bereich der vermiedenen Netznutzungsentgelte, dass die ab dem 1. Januar 2021 bei neuen Anlagen entfallen sollen. Das ist ein guter Schritt, allerdings wird das nicht substanziell die Netzentgelte senken. Deswegen gibt es jetzt unterschiedliche Debatten, die wir in dieser Frage führen. Fakt ist, uns eint das Ziel: Wir wollen, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Thüringer Wirtschaft zu stärken, niedrigere Netzentgelte, weil wir natürlich erreichen wollen, dass die Energiekosten für die Wirtschaft niedrig sind. Ich habe großen Zweifel, dass eine bundeseinheitliche Wälzung in Deutschland erstens mehrheitsfähig ist, noch dass sie zweitens wirklich diesen Beitrag bringt, den Sie sich erhoffen. Die zitierte Studie der TU Dresden kommt zu dem Ergebnis, dass es marginale Effekte geben wird, wenn Sie eine bundesweite Wälzung machen. Ich will auch daran erinnern, dass Thüringen 2011 mit dieser Frage schon mal im Bundesrat gewesen ist. Ich möchte jetzt nicht sagen, welche Landesregierungen diesen Antrag abgelehnt haben, aber da sehen wir, die Mehrheitsfähigkeit in dieser Frage ist offensichtlich nicht gegeben. Deswegen glaube ich, dass wir in dieser Frage wahrscheinlich nicht zu guten Ergebnissen kommen werden. Ich will es mal so sagen: Wenn wir darüber reden, dass wir die EEG-bedingten Lasten im Hochspannungsübertragungsnetz einheitlich wälzen, dann kann man da durchaus mitgehen. Aber wenn Sie die Kosten für den gesamten Netzausbau, wenn Sie alle Netznutzungsentgelte bundesweit wälzen wollen, dann würde das bedeuten, dass Sie auch im Bereich des Verteilnetzes bundesweit wälzen wollen. Wir haben heute 900 Netzbetreiber in Deutschland; die können Sie dann alle abschaffen und wieder einen staatlichen machen. Wenn Sie allerdings nur meinen, dass es um die EEG-bedingten Lasten im Hochspannungsübertragungsnetz geht, dann kann man tatsächlich darüber reden. Wir sagen aber auch: Lassen Sie uns doch mal über andere Ideen an dieser Stelle sprechen. Es gibt Überlegungen, dass man sagt, man führt bei den Netzentgelten eine Erzeugerkomponente ein – man spricht von der sogenannten G-Komponente. Da geht es darum, dass man eben auch die Erzeuger am Netzentgelt beteiligt, dass man Verbraucher an dieser Stelle entlastet. Diese Erzeugerkomponente gibt es in Österreich, in Schweden, in Großbritannien. Diese Erzeugerkomponente könnte man regional so ausdifferenzieren, dass sie in verbrauchsnahen Gebieten mit hoher Energienachfrage niedrig ausfällt und in Gebieten mit hohem Angebot und geringer Nachfrage ein höherer Beitrag fällig wird. Damit würden wir endlich mal auch im Netz Anreize schaffen, dass Energie dort erzeugt wird, wo sie tatsächlich gebraucht wird. Warum streiten wir uns denn in Deutschland so über den Netzausbau? Wir streiten uns über den Netzausbau, der zudem teuer ist, weil wir eine Situation haben, dass Energie dort erzeugt wird, wo sie nicht gebraucht wird. Deswegen sollten wir gemeinsam über kluge Lösungen reden, wie man das ändern kann. Wie gesagt, ich glaube, Sie kommen mit ihrem Vorschlag nicht weiter. Unser Vorschlag wäre, dass man tatsächlich mal über so eine G-Komponente im Bereich der Netznutzungsentgelte spricht. Das wäre ein Vorschlag, der im Übrigen auch mehr Marktwirtschaft ins System bringen würde. (Beifall CDU) 2372 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Gruhner) Dann will ich Ihnen zum Thema „Netznutzungsentgelte“ noch etwas sagen. Ich kann Ihre Krokodilstränen an der Stelle nicht immer so ganz nachvollziehen, denn Sie sind es ja, die mit Ihrer Windkraftpolitik dazu beitragen, dass in Thüringen der Strompreis geringfügig steigen wird. Sie selber tragen dazu bei. (Beifall CDU, AfD) Die Zahlen haben wir schon oft hier im Haus genannt. Mit dem Ausbau des Verteilnetzes in Thüringen, der infolge Ihrer Pläne notwendig wird, wird eine Strompreissteigung einhergehen. Dann möchte ich zu einem zweiten Schwerpunkt Ihres Antrags kommen, bei dem ich wirklich sehr schmunzeln musste. Da reden Sie davon, dass in der Energiepolitik ein Dialogprozess gestartet werden soll. Ich finde es schön, dass die Koalitionsfraktionen die Landesregierung auffordern, endlich in den Dialog zu treten. (Beifall CDU) Genau das ist es, was wir die ganze Zeit beim Thema „Windenergie“ in den Ausschussberatungen sagen. Nur sind es die Koalitionsfraktionen, die wiederum diesen Dialogprozess ablehnen. Deswegen – wie gesagt – ist es amüsant, dass die Koalitionsfraktionen Sie auffordern müssen, Dialog zu führen, dass die Koalitionsfraktionen wiederum selbst eigentlich keinen wirklichen Dialog wollen, indem Sie in Ausschüssen alles niederbügeln, was in Richtung Dialog geht. (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Herr Gruhner, Sie wissen es doch besser!) Dann haben Sie hier Ihren Energiebeirat angesprochen. Den finde ich schön, aber er findet offensichtlich ohne Opposition statt. Auch das ist nicht gerade im Sinne von Dialogkultur. Das müssen Sie sich gefallen lassen. Deswegen sagen wir: Das sind an dieser Stelle einfach nur Lippenbekenntnisse, die Sie hier aufgeschrieben haben. Zum dritten Schwerpunkt, den ich nennen will. Da muss ich sagen: Es schlägt dem Fass wirklich den Boden aus, was Sie zum Thema „Regionale Planungsgemeinschaften“ geschrieben haben. Sie sagen doch ernsthaft: Die Regionalplanungen seien dahin gehend neu auszurichten, dass beim künftigen Aus- und Zubau von erneuerbaren Energien die daraus resultierenden Investitionen in die Stromnetze mit zu berücksichtigen sind, um sicherzustellen, dass Strom vorrangig dort eingespeist wird, wo der Investitionsbedarf der Netze am geringsten ist. – Da muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Das finde ich schlichtweg einfach nur dreist. Was heißt das denn? Das heißt am Ende, dass Sie jetzt die regionalen Planungsgemeinschaften für Ihre Windausbaupläne in die Pflicht nehmen, dass Sie hergehen und sagen: Wir verordnen euch jetzt diese 1 Prozent Landesfläche, aber seht mal bitte zu, dass ihr Bedingungen schafft, wie der Netzausbau günstig dazu passt. Das finde ich dreist und wirklich billig, unabhängig von der Frage, dass Sie hier auch die Verantwortung der regionalen Planungsgemeinschaften zusätzlich aushebeln. (Beifall CDU) Deswegen kann ich hier nur feststellen: Das ist ein gutes Beispiel, wo deutlich wird, dass Sie Energiepolitik zulasten Dritter machen. Das wird an diesem Beispiel besonders deutlich. Ich finde das wirklich – mit Blick auf die Planungsgemeinschaften – eine Frechheit. Dann will ich zum vierten Schwerpunkt kommen, schlichtweg, was ich einfach im Antrag der Koalitionsfraktionen vermisst habe. Sie haben über Fotovoltaik und anderes gesprochen, alles richtig, aber ich habe heute nicht einmal das Wort „Biomasse“ in der Diskussion gehört. (Beifall AfD) Sie haben gesagt, Sie wollen eine Bundesratsinitiative machen, kann man zumindest heute in der Zeitung lesen. Das ist gut. Das unterstützen wir auch ausdrücklich. Das war auch in der Vergangenheit die Linie der Landesregierung. Aber ich finde es schade, dass in Ihrem Antrag zu diesem Thema nichts gesagt wird. Da braucht man sich auch nicht aufzuregen, Frau Ministerin. Aber gelegentlich dürfen Sie durchaus die Hinweise der Opposition auch mal zur Kenntnis nehmen, auch wenn es Ihnen nicht passt. (Beifall CDU) Ich fasse noch mal zusammen: Wir sind ausdrücklich an Ihrer Seite, wenn es um die Interessen Thüringens im Bereich der Energiepolitik geht. (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Dann stimmen Sie doch zu!) Aber wir sagen auch ganz klar, wenn es hier Dinge gibt, die nicht zum Land passen, dann kann es keine Zustimmung geben. Und ich habe einzelne Punkte angerissen, „Regionale Planungsgemeinschaften“ ist der Höhepunkt. Andere Themen habe ich genannt. Das ist in Gänze nicht wirklich ein sinnvoller Beitrag zur energiepolitischen Debatte. Und deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen. Vielen Dank. (Beifall CDU) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter Harzer zu Wort gemeldet. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Abgeordneter Harzer, DIE LINKE: Viel Wind, wenig Aussage, wenig Substanz. Herr Gruhner, das sind wir gewöhnt, dass in der Energiepolitik in den Reihen der Oppositionsfraktionen nicht allzu viel Fachwissen vorhanden ist. (Beifall DIE LINKE) Damit müssen wir leben und das werden wir auch weiterhin tun können. (Unruhe CDU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Präsidentin, um die durchschnittliche globale Erwärmung noch auf 1,5 bis 2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen und somit die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden, müssen wir effektive Rahmenbedingungen zur Dekarbonisierung der Gesellschaft, zum Ausbau der erneuerbaren Energien beschließen. Es gilt, die Anstrengungen der internationalen Staatengemeinschaft im Rahmen der UN unter einem Dach zu bündeln und zu forcieren. Die Ministerin hat vorhin schon auf das Nachfolgeabkommen des Kyoto-Protokolls hingewiesen, welches im Dezember 2015 in Paris verabschiedet werden soll. Wir kommen an diesen Langfristzielen bis 2050, ich hatte sie hier heute schon mal genannt, die globale Erderwärmung auf weit unter 2 Grad, möglichst aber 1,5 Grad Celsius zu reduzieren, nicht vorbei. Die Staaten, so auch Deutschland, müssen dazu verpflichtet werden, bis spätestens 2050 aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas auszusteigen und ihre Energieversorgung zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energieträgern zu bestreiten. Im Jahr 2020 soll der Höchststand der globalen Emissionen sein. Eine ambitionierte Treibhausgasemissionsreduktion und eine periodische Verschärfung der Minderung – die Ziele müssen alle fünf Jahre im Rahmen eines neu etablierten sogenannten Ambitionsmechanismus nach oben korrigiert werden – sind unumgänglich. Und dazu muss die Bundesregierung jetzt verstärkt bi- und multilaterale Partnerschaften zur globalen Energiewende anstreben, die nach Paris natürlich dazu beitragen müssen, die Lücke bei den in den Pariser Minimalzielen festgelegten Treibhausgasemissionsminderungen – um 1,5 bis 2 Grad Celsius Limit – zu schließen. Das Klima, liebe Damen und Herren, auch wenn Sie es nicht gerne hören, ändert sich bereits heute und wird sich auch in Zukunft weiter wandeln. Ein großer Teil der beobachteten und vorhergesagten Veränderungen lässt sich direkt mit dem Ausstoß von Treibhausgasen durch den Menschen in Verbindung bringen. Der Klimawandel manifestiert sich dabei sowohl in langfristigen Klimaänderungen, wie langsam steigenden Durchschnittstemperaturen, als auch in einer veränderten Klimavariabilität, also stärkeren Klimaschwankungen und häufigeren extremen Wetterereignissen, wie Stürme, Dürren oder Hitzesommer. Die Klimafolgen sind vielfältig und 2373 haben Einfluss auf unser tägliches Leben. Beispiele hierfür sind: Gesundheit der Menschen: Hitzewellen belasten Menschen, Tiere und Pflanzen. Sie können vor allem bei älteren und kranken Menschen schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Landwirtschaft: eine Verschiebung der Vegetationsperioden über Zeiträume, in denen Pflanzen wachsen, blühen und Früchte tragen, hat Einfluss auf die landwirtschaftliche Produktion. Auch in der Energieproduktion: Viele konventionelle Kraftwerke nehmen ihr Kühlwasser aus nahen Flüssen und speisen es erwärmt wieder ein. Durch Flusswasser, das bei der Entnahme bereits zu warm ist, oder durch sommerliches Niedrigwasser kann es zukünftig an ausreichendem Kühlwasser mangeln. Das kann im Extremfall dazu führen, dass Kraftwerke abgeschaltet werden müssen. Außerdem gefährdet zu warmes Wasser die Tier- und Pflanzenwelt der Flüsse. Wir haben also nicht nur ein Salzproblem, sondern wir haben auch ein Wärmeproblem in den Flüssen. Auch die Klimasituation und die Klimaentwicklung in Thüringen verändern sich, zum Beispiel die Zeitreihen der Länge der jährlichen thermischen Vegetationsperioden in Thüringen. Phänologische Beobachtungen – wenn Sie nicht wissen, was phänologisch ist, es befasst sich mit den im Jahresablauf periodisch wiederkehrenden Entwicklungserscheinungen – leisten auch in Thüringen einen wichtigen Beitrag für die Klimaforschung und dienen der Beurteilung und Einschätzung der Klimaveränderungen. In Thüringen hat sich die thermische Vegetationsperiode seit 1962 sichtlich verlängert. Waren es in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts noch 220 Tage im Jahr, so hat sich die Dauer der Vegetationsperiode bis 2010 auf durchschnittlich 240 Tage erhöht. Derzeit liegt der Beginn dieser Periode bei Mitte bis Ende März, deutlich früher im Jahr als Anfang April in den 60erJahren. Ebenso verschob sich das Ende von Anfang auf Mitte November. Die Auswertungen der Daten der Thüringer Klimastationen zeigen für den Zeitraum der letzten 50 Jahre folgende Klimaveränderungen – Quelle ist die Thüringer Klimaagentur –: Anstieg der Jahresmitteltemperatur in ganz Thüringen, Abnahme der Frosttage im April und November sowie Zunahme der Sommertage, Abnahme der monatlichen Niederschlagssummen im Juni sowie die Zunahme der Anzahl an Tagen mit Niederschlag im Juli, thüringenweite Zunahme der Sonnenscheindauer im Juni. Anhand der Klimaentwicklung der letzten Jahrzehnte erstellte die Thüringer Klimaagentur eine ausführliche Einschätzung der aktuellen Klimasituation in Thüringen. Für den Zeitraum der nächsten 50 Jahre weisen die Modelle in Thüringen folgende Entwicklungen aus: eine zunehmende Erwärmung im Mittel um 1,9 Grad Celsius, eine Abnahme der 2374 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Harzer) Frost- und Eistage und Zunahme der Sommer- und heißen Tage, eine Zunahme des Winter- und Abnahme des Sommerniederschlags. Zu rechnen ist mit einer Zunahme der Starkniederschlagsereignisse durch wachsendes Konvektionspotenzial und einer Zunahme der Sonnenscheindauer. Es kann natürlich die, die sich in die Sonne legen und brutzeln lassen, freuen, aber die Natur wird es nicht freuen. Da denke ich nicht nur an den Thüringer Wald, ich denke auch an das Thüringer Becken. Ich denke an den Harz und viele andere Regionen in Thüringen, wo sich die Welt und die Landschaft durch diese Erscheinungen dramatisch verändern werden, wenn wir nicht endlich dazu kommen, diese zu ändern. Dazu ist der Antrag der Koalitionsfraktionen ein erster Einstieg, den wir heute hier gewählt haben, weil der Strommarkt nur ein Bestandteil der Energiewende ist, ein Bestandteil des Klimaschutzes. Der zweite Bestandteil ist der Wärmemarkt und der dritte Bestandteil ist der individuelle Personenverkehr, der ebenfalls massiv zur CO2-Emission beiträgt. Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen, die wir im Antrag beschrieben haben. Die ganze Frage des Netzausbaus: Sie beschreiben, Herr Gruhner, die Gleichstromtrasse als Verdienst von Frau Lieberknecht und Herrn Seehofer. Ich will hier die Verdienste der Ministerpräsidentin nicht unbedingt in Zweifel ziehen, aber ich möchte auch mal fragen, wer denn 2014 im Netzausbau in der vorgelegten Form den Gleichstromtrassen mit den Drehstromtrassen zugestimmt hat. Das war nicht diese Landesregierung, es war auch nicht diese Koalition, lieber Herr Gruhner, und jetzt hierherzukommen und zu sagen, Sie wollten den Netzausbau und Sie befördern den Netzausbau, das ist schon dreist. Das ist schon dreist, was Sie hier behaupten, auch zur P44 – Frau Ministerin hat die Anstrengungen der Landesregierung dazu hervorgehoben. Ich möchte auch mal die Anstrengungen der rot-rot-grünen Koalition dazu hervorheben, die wir getan haben. Wir haben dazu eine öffentliche Anhörung im Umweltausschuss beantragt und durchgeführt. In dieser Anhörung – Sie werden sich erinnern – wurde deutlich von den Netzbetreibern dargestellt – das war nach dem 1. Juli –, dass man weiterhin an dem Ausbau festhalten möchte, dass man die P44 so bauen will. Alle anderen waren dagegen und deswegen ist es unabdingbar, weiterhin darauf zu pochen, auch wenn es die Beschlüsse gibt, dass es P44 nicht gibt, weil dort kein Bündelungseffekt ist, weil dort eine Natur zerstört wird, eine Landschaft zerschnitten wird, die bisher nicht von solchen Projekten betroffen ist. Das muss man dann mal sagen. Auch dieser Bündelungseffekt, auf den Sie sich immer berufen, den Sie für die vorhergehenden Trassen präferiert haben: Klar hat man gebündelt. Man hat gesagt, da ist die Autobahn, da ist die ICE-Trasse und da bauen wir jetzt die 380-kV-Trasse lang. Man hat nur vergessen, dass die Autobahn und die ICE-Trasse irgendwann unter dem Thüringer Wald verschwinden und dass die Trasse nicht unter dem Thüringer Wald verschwindet, sondern dass man die Trasse über den Thüringer Wald gebaut hat. Mit etwas Koordination und Nachdruck der damaligen Thüringer Landesregierung wäre es durchaus möglich gewesen, noch einen Tunnel zu bohren und die 380-kV unter dem Thüringer Wald hindurchzuführen, lieber Herr Gruhner. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Verschweigen Sie nicht die Geschichten, die vorher gelaufen sind. Sie waren damals zwar noch nicht im Landtag, aber trotzdem stehen Sie natürlich in der Verantwortung für Ihre Partei und Ihre Fraktion. Netznutzungsentgelte: Wenn ich davon ausgehe, dass wir alles, was nicht mehrheitsfähig ist, gegenwärtig aufgeben und nicht weiterverfolgen sollten, wo kommen wir dann hin? Wenn alles, was mal nicht mehrheitsfähig war, aufgegeben worden wäre, dann hätten wir heute noch AKW, dann hätten wir keine Energiewende, dann hätten wir keine Stromwende, dann hätten wir keine Diskussion über Klimaschutz und dann hätten wir auch keine rot-rotgrüne Koalition in Thüringen, lieber Herr Gruhner. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das wäre mal was gewesen!) Die nicht gegebene Mehrheitsfähigkeit gegenwärtig damit abzutun, weil es so ist, und deswegen lassen wir die Projekte sausen, das ist völlig falsch. Gerade deswegen müssen wir kämpfen, dass es mehrheitsfähig wird. (Beifall DIE LINKE, SPD) Dazu brauchen wir die Opposition, weil die Opposition nur in Berlin in der Regierung ist. Deswegen noch mal meine Einladung: Vergessen Sie Ihre Bedenken, glauben Sie auch mal Rot-Rot-Grün und überwinden Sie sich und stimmen zu. (Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Mit Sicherheit nicht!) Ganz verrückt wird es, lieber Herr Gruhner, wenn Sie uns vorwerfen, mit unserem Ausbau der Windenergie die Kosten für die Verteilernetze nach oben zu treiben und damit die Netznutzungsentgelte zu erhöhen. Wenn wir dann schreiben, wir wollen vorrangig die Regionalen Planungsgemeinschaften dazu animieren, dass nur dort erneuerbare Energien aufgebaut werden, wo vorhandene Netzstrukturen sind, und wollen damit zusätzliche Investitionen in Verteilernetze vermeiden, dann sagen Sie uns, wir gängeln die. Also was wollen Sie denn nun? Wollen Sie Netznutzungsentgelte vermeiden? Wollen Sie neue Verteilernetze vermeiden? Oder wollen Sie das Gegenteil? (Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Sagen Sie mir, wie Sie das machen wollen!) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2375 (Abg. Harzer) Es ist einfach dreist, was Sie hier behaupten. Nicht wir sind dreist, Sie sind dreist. Erst uns zu unterstellen, wir führen zu mehr Mehrkosten, wenn wir aber Vorschläge machen, wie die Mehrkosten entfallen könnten, dann sind wir die Blödköpfe der Nation, die nix begreifen, die nix raffen und die hier nur Schwachsinn vorschlagen. Irgendwo verstehe ich es dann nicht mehr. Da muss man sich auch mal an seinen eigenen Worten messen lassen, Herr Gruhner. Sie haben es innerhalb von 5 Minuten einmal so dargestellt und einmal so dargestellt. (Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Vielleicht – das wäre die einfachste Lösung!) Das ist einfach falsch, entspricht nicht den Tatsachen und muss auch mal an dieser Stelle klargestellt werden. Und wenn Sie noch so laut hereinrufen, deswegen wird Ihre Aussage nicht wahrer. Deswegen werden Sie hier nicht die Wahrheit pachten und werden das Gegenteil von dem behaupten, was wir Ihnen zum Beschließen vorlegen. Auch zum Dialogprozess: Lieber Herr Gruhner, wir haben den Bürgerdialog bereits im Koalitionsvertrag verankert. Wir führen den Bürgerdialog in einem nie da gewesenen Verfahren zum Windenergieerlass in Thüringen durch. (Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Da sind wir mal gespannt, was da rauskommt!) Regierungshandeln stellen wir der öffentlichen Debatte, stellen wir der öffentlichen Diskussion. Das hat es unter schwarzer Regierungsführung nie gegeben; Regierungshandeln wurde nicht mal im Landtag debattiert, weil ein Erlass Aufgabe der Landesregierung ist. Wir diskutieren das mit den Bürgerinnen und Bürgern auf einer extrem breiten Basis. (Unruhe CDU) Wir haben es vom Juli bis 30. September öffentlich zur Diskussion gestellt. Es gab dort 537 Beteiligungen. Wir machen jetzt über den Ausschuss eine zweite Anhörung von anerkannten Naturschutzverbänden, von Bauernverbänden, von Landwirtschaftsverbänden, von Bürgerinitiativen. Wir holen noch mal die Meinung ein. (Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Aber Sie stellen sich nicht der Diskussion!) (Zwischenruf Abg. Lehmann, CDU: Wann denn?) Wir werden Anfang des Jahres 2016 dazu noch mal Regionalkonferenzen machen. Wie viele Bürgerbeteiligungen wollen Sie denn noch, liebe Damen und Herren von der CDU? Sie meckern immer nur, dass nichts gemacht wird, und wenn was gemacht wird, nehmen Sie es nicht zur Kenntnis oder negieren es einfach. (Unruhe CDU) Diesen Dialogprozess auch in Zukunft bei der zu entwickelnden Energie- und Klimaschutzstrategie für den Freistaat zu machen, das ist hiermit unser Ziel und deswegen betonen wir dieses Ziel noch mal als Aufforderung an die Landesregierung, weil wir uns da mit der Landesregierung auch einig sind, dies hier entsprechend gemeinsam umzusetzen. Liebe Damen und Herren von der CDU, es würde durchaus einer Schärfung Ihres Realitätssinns entgegenkommen, wenn Sie das, was hier steht, nicht nur lesen, sondern auch verstehen würden und wenn Sie gemeinsam mit uns hier die Positionen, die sich aus der Besonderheit Thüringens im Bereich der Energieerzeugung, des Energieverbrauchs ergeben, entsprechend zur Kenntnis nehmen und damit mit uns gemeinsam in Berlin dafür werben, dass Sie die Punkte – die Ministerin hat es ja angesprochen –, die wir benötigen, um die Energiewende in Thüringen erfolgreich zu gestalten, auch entsprechend begleiten und in Berlin entsprechend mit einbringen über Ihre Fraktionen, die Sie dort vertreten. Ich denke, wir haben mit unserem Antrag und den zwölf Punkten, die wir benannt haben, entsprechend Zeichen gesetzt. Die Landesregierung hat sie zum Teil bereits aufgenommen und wird sie aufnehmen, wie Frau Ministerin vorhin gesagt hat. Ich denke, dazu gehört auch der Punkt 5: Die auskömmlichen Rahmenbedingungen für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien und den Ausbau von Energiespeichern. Gerade das Thema „Speicher“ ist so ein Thema, wo wir – das wurde vorhin auch schon gesagt – extrem Probleme haben. Dass es heute so weit ist, dass Geld dafür genommen wird, dass man Energie verkauft, also einen negativen Preis, wie man sagt, dass Energie verschenkt wird, weil es immer noch billiger ist, als in Speichertechnologien zu investieren, das ist der falsche Weg. Das zeigt, dass auch an dieser Stelle der Strommarkt nicht funktioniert. (Zwischenruf Abg. Gruhner, CDU: Deshalb gibt es eine Reform!) Ich habe über den Jetzigen gesprochen, Herr Gruhner, und nicht über eine Reform, deren Auswirkungen wir noch nicht kennen. Nur bezweifle ich, dass mit dieser Reform auch die Speichertechnologien marktfähig werden. Wir müssen dort mehr Technologieforschung betreiben, wir müssen mehr praxisnahe Forschung betreiben. Auch dazu hat sich RotRot-Grün bekannt. Deswegen ist es auch unter den Punkten 11 und 12 noch mal explizit benannt, dass wir hier mit „Power-to-heat“, „Power-to-gas“ entsprechend Technologien unterstützen, auch Thüringer Projekte unterstützen, die zur Fortentwicklung dieser Speichertechnologien dienen, und dass wir auch einen ganz neuen Punkt mal betrachten, der bisher nie auf der Agenda stand, nämlich die Vermaschung der regionalen Netzstrukturen. Sie ha- 2376 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Harzer) ben darauf hingewiesen, dass wir 900 Netzbetreiber in Deutschland haben. Das führt natürlich auch zu 900 abgeschotteten Netzen. Das führt dazu, dass wir in Sachsen-Anhalt an der Thüringer Landesgrenze Strom aus erneuerbaren Energien, Windkraft erzeugen. Jena braucht Strom, das ist keine 30 Kilometer weg. Was passiert? Der Strom wird eingespeist in die 380-kV-Trasse, geht über die 380-kV-Trasse nach Thüringen. In Thüringen geht er wieder ins 110-kV-Netz und geht nach Jena, um dort verbraucht zu werden. Warum ist es nicht möglich, auf der 110-kV-Ebene Vernetzungsstrukturen herzustellen, um dort diese Wege abzukürzen und dann entsprechend natürlich auch Leitungsverluste abzukürzen? Dazu gibt es auch ein Forschungsprojekt an der TU Ilmenau. Ich denke, wir sind gut beraten als Freistaat Thüringen, dieses zu unterstützen und entsprechend mit voranzubringen. Also Sie sehen, auch in Thüringen wird viel für die Energiewende getan, wird viel für die Energiewende geforscht. Gerade die Thüringer Landesregierung, die jetzige, hat sich ja diesem Thema verschrieben als eines der zentralen Politikfelder. Und die Auswirkungen – ich habe es nicht umsonst am Anfang so ein bisschen klimaschutzbezogen gemacht. Warum habe ich das gemacht? Um einfach zu zeigen, wo wir hinkommen, wenn wir nichts tun in dem Bereich, wenn wir weiter ruhig bleiben, wenn wir weiter so tun wie die AfD-Fraktion: Die Braunkohle wird in Sachsen-Anhalt und in Sachsen und in NRW abgebaut, das interessiert uns nicht, die AKWs stehen auch irgendwo anders, die Reste der AKWs werden dorthin gebracht, wo wir nicht hinfahren. Das wissen wir, dort machen wir auch keinen Urlaub. Also geht uns das alles nichts an, also können wir doch den Strom weiter daraus beziehen. Aber ein Windrad, das stört uns, denn das Windrad ist die große Crux und nicht die atomaren Brennstoffe und nicht die Landschaftszerstörung durch Braunkohle und vor allem der CO2-Ausstoß, der dort massiv die Umwelt belastet. Genau deswegen habe ich noch einmal auf die Bedeutung für den Klimaschutz, die auch der Strommarkt und die Stromerzeugung in Deutschland haben, hingewiesen. Von der Warte aus werbe ich noch mal dafür, hier entsprechend gemeinsam mit uns diesen Antrag zu beschließen, sich beim Bund mit für die entsprechenden Regelungen für Thüringen, für die Besonderheit auch des Thüringer Strommarkts einzusetzen, dass wir die Energiewende in Thüringen erfolgreich gestalten und dass wir natürlich auch damit gemeinsam Verantwortung übernehmen, nicht nur Verantwortung für uns, nicht nur Verantwortung für dieses Land, sondern auch Verantwortung für unsere Kinder und Kindeskinder, denn auch die sollen in einer intakten Umwelt hier in Thüringen leben und sie sollen auch in einer intakten Umwelt wieder in der Lage sein, Kinder in diese Welt zu setzen. Ich denke, das sind wir ihnen schuldig und dafür sollten wir gemeinsam arbeiten. Und zu den Mehrkosten, die immer wieder angebracht werden – ein leider schon verstorbener Umweltpolitiker, der sich sehr für erneuerbare Energien eingesetzt hat, ich glaube, er war SPD-Mitglied, Hermann Scheer, hat mal vor ein paar Jahren kurz vor seinem Tod gesagt: „Die Mehrkosten für erneuerbare Energien von heute sind gesicherte Energie, vermiedene Umweltschäden und niedrige Energiekosten von morgen.“ Danke schön. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Harzer. Als Nächster hat Abgeordneter Möller, AfD-Fraktion, das Wort. Abgeordneter Möller, AfD: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, als ich das erste Mal von Ihrem Antrag gehört habe, das war, glaube ich, im Ältestenrat, da hätte ich fast losgelacht, dass gerade Sie, liebe Kollegen von der rot-rot-grünen Regierungsfraktionsbank, den Strommarkt im Thüringer Interesse gestalten möchten. Ganz offen: Rot-rotgrüne Politik denkt normalerweise nicht von den Interessen Thüringens her, das wäre etwas ganz Neues. Sie sind bisher noch nie als Bewahrer der Interessen dieses Freistaats wahrzunehmen gewesen, und das bei allen Themen, die irgendwo in diesem Land von Relevanz sind. Nein, Sie sind Vertreter der Interessen von lautstarken Minderheiten. Klientelbezogenes Handeln zieht sich durch alle Bereiche Ihrer Politik. Als Beispiel dafür könnte man das rot-rot-grüne Bildungsfreistellungsgesetz nennen, bei dem die Arbeitgeber für 3 Prozent der Arbeitnehmer gequält werden, die dieses Gesetz wahrscheinlich jemals in Anspruch nehmen werden. Sie quälen eben gern Mehrheiten für Minderheiten und … (Beifall AfD) (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie quälen uns!) Ja, das ist ja meine Aufgabe, Frau Kollegin. Aber wie gesagt, Sie quälen eben gern Mehrheiten für Minderheiten und so verhält es sich natürlich auch im Bereich der Energiepolitik. Die Frage wäre ja nun eigentlich: Was ist denn energiepolitisch im Interesse Thüringens? Da haben Sie es natürlich schwer. Wer sozusagen von seinem ideologischen Ausgangspunkt das ZweiGrad-Ziel hat und vor allem versucht, die Klimaerwärmung, also die Erderwärmung zu vermeiden, der hat es natürlich schwer, sachlich irgendwo die Interessen Thüringens zu formulieren. Der sollte eher versuchen, mal mit der Sonne zu telefonieren, Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2377 (Abg. Möller) denn die hat höchstwahrscheinlich mehr damit zu tun, wie warm es wird, (Beifall AfD) als die wissenschaftlichen Studien, die Sie immer heranziehen und die, ich sage es jetzt einmal ganz vorsichtig, in ihrer wissenschaftlichen Substanz alles andere als unumstritten sind. (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Sie ist so unumstritten wie die AfD!) Wenn ich mir überlege, mit welcher Weltverbesserungsattitüde Sie hier ans Werk gehen! Zwei Tage vor diesem Plenum liest man im „SPIEGEL“, dass China – ich glaube – 1 Milliarde Tonnen CO2 mehr in die Luft geblasen hat als ursprünglich erwartet. Da merkt man doch eigentlich, was Sie hier für eine Arbeit machen. Das ist die Arbeit des Sisyphos. Sie kommen eh am Ende nicht dort an, wo Sie landen wollen. (Beifall AfD) Was energiepolitisch im Interesse Thüringens ist, das kann man mit einem Blick auf den Strompreis bei uns und bei den Nachbarländern feststellen. Da fällt uns nämlich etwas auf: Es ist ein großer Preisunterschied. Während man bei uns fast 29 Cent für die Kilowattstunde Haushaltskundenstrom aufwenden muss, zahlt der Haushaltskunde in Frankreich circa 11 Cent weniger als bei uns, in Österreich immer noch 9 Cent weniger und in Polen ganze 14 Cent weniger. Richtig an die Substanz unserer Wirtschaft geht jedoch der Strompreisunterschied für Industrieabnehmer. Da zahlen französische und polnische Betriebe nur etwas mehr als die Hälfte des deutschen Strompreises, der irgendwo bei 20 Cent pro Kilowattstunde liegt. Das ist ein ganz gravierender wirtschaftlicher Nachteil, der zur Verlagerung von Produktion aus Thüringen ins Ausland führt, das heißt ganz konkret, zum Verlust Thüringer Arbeitsplätze und Steuereinnahmen. Steuereinnahmen übrigens, die Sie brauchen, (Beifall AfD) die wir auch brauchen. Die politische Verantwortung hierfür haben Sie, liebe Kollegen vom rot-rotgrünen Lager, leider auch so ein bisschen die CDU – muss ich sagen –, denn Sie alle haben in den 90er-Jahren, Ende der 90er-Jahre dieses System von Subventionsumlagen auf den Strompreis immer weiter entwickelt. Ganz besonders hervorgetan haben sich dabei die Grünen und dies nun mal leider mit der Konsequenz, dass wir nun eine Staatsquote auf den Strompreis haben, die bei über 50 Prozent liegt. Die Lasten davon müssen die Thüringer Haushaltskunden, selbst die Hartz-IV-Empfänger, und die Thüringer Wirtschaft tragen. Die Subventionen kassieren Projektentwickler, Grünstromproduzenten und Grundeigentümer. Dass gerade die Linke bei diesem Umverteilungssystem von unten nach oben mitmacht, muss man immer wieder betonen, weil es einfach sehr kurios ist. Dem Volk nimmt man das Geld ab, um es den Ökostrominvestoren für ihre hohe und vor allem risikolose Rendite zu geben, das ist die heutige linke Variante von Robin Hood. (Beifall AfD) Wenn ich Sozialist wäre, dann wäre mir das ziemlich unangenehm. Aber ich kann Ihnen sagen, als überzeugter Anhänger der sozialen Marktwirtschaft ist mir diese Subventionswirtschaft allemal ein Graus. In dem Punkt muss ich leider auch ein bisschen Herrn Gruhner widersprechen. Die Energiewirtschaft, Herr Gruhner, hat momentan so gut wie nichts mehr mit Marktwirtschaft zu tun. Die Netze sind reguliert, die Speicher sind reguliert, der Vertrieb ist reguliert. Sie können mal bei den Stadtwerken nachfragen, was die für Probleme bekommen, wenn die den Strompreis erhöhen wollen, selbst wenn sich staatliche Preisbestandteile erhöht haben. Es ist also kaum noch möglich, was nicht gerade ein Merkmal für Marktwirtschaft ist. Die Erzeugung ist sowieso reguliert. Ohne Subventionen wäre dieser Erzeugermarkt, so wie er sich hier in Deutschland und in Thüringen zusammenstellt, gar nicht möglich. Vor dem Hintergrund wundert es mich natürlich nicht, dass Herr Adams beklagt, dass die Solarwirtschaft nicht gerettet wurde. Die Solarwirtschaft, die ja gerade von diesen Subventionen gelebt hat und im Grunde auf einem aufgeblähten Subventionskissen ruht, ist, als dieses geplatzt ist, natürlich untergegangen. Daran sieht man, Herr Adams und der Rest der Grünen haben von Marktwirtschaft genau so viel Ahnung wie ich von vegetarischen Kochrezepten. (Beifall AfD) Ein weiteres Thüringer Interesse ist ein stabiles Stromnetz. Das, werden Sie sagen, „haben wir doch“ und da haben Sie sogar recht, aber das ist eben nicht Ihr Verdienst. Im Gegenteil, richtiger wäre die Aussage, dass wir zwar ein stabiles Stromnetz haben, aber eben trotz Ihnen. Zu verdanken haben wir das nämlich unseren Ingenieuren und Technikern bei den regionalen Versorgern und den Netzbetreibern, die es schaffen, dass die Netze stabil bleiben, obwohl aufgrund Ihrer Energiepolitik der vergangenen 15 Jahre Investitionen in Netze de facto bestraft wurden. Der BDEW, also der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, hat es knackig auf die kurze Formel gebracht: Wer investiert, verliert. Sie hat es beim Subventionieren grüner Projektentwickler und Grünstromproduzenten nie interessiert, dass es nicht ausreicht, irgendwann, irgendwo, irgendwie viele Kilowattstunden einzuspeisen, und die Folge davon ist eben, dass die Anzahl markt- und netzbezogener Eingriffe zum Ausbalancieren des Stromnetzes ständig steigt. Schon heute haben wir zum Beispiel im Kyffhäuser- 2378 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Möller) kreis dank der von Ihnen so vergötterten volatilen Windenergie zum Teil eine bis zu achtfache Überspeisung der Netzbezugslast. Ich komme in dem Zusammenhang vielleicht gleich noch mal zum Thema „Vernetzung der Verteilnetzbetreiber“, das hatte ja Herr Harzer angesprochen. Also dass er sich jetzt für die weitere Vernetzung der Verteilnetzbetreiber starkmacht und so ein wenig beklagt, dass wir so viele Verteilnetzbetreiber haben, das ist ein bisschen widersprüchlich, denn gerade Ihre Partei war es, die sich aus Konzernhass heraus in den letzten Jahren verstärkt für die Rekommunalisierung eingesetzt hat. Und die Rekommunalisierung hat natürlich zur Folge, dass man eben auch Neugründungen von Netzbetreibern hat und sich dadurch eine entsprechende Zersplitterung in der Energiewirtschaft einstellt. (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Eine Vernetzung ist keine Verstaatlichung, Herr Möller! – Nicht nur zuhören, sondern auch verstehen, was man sagt!) Also, Herr Harzer, Vernetzung macht auch keinen Sinn, wenn ich die ganzen Teilbereiche immer weiter auseinandergliedere und immer neue kleine Einheiten gründe, das ist auch nicht gerade Vernetzung. Das ist Flickschusterei und nicht Vernetzung, Herr Harzer! (Beifall AfD) Kommen wir wieder zurück zu den stabilen Netzen: Für die Systembalance sind, wenn man wie Sie mit dem Netzausbau nicht aus dem Knick kommt, steuerbare Kapazitäten das A und O. Nur finden wir die in ihrem rot-rot-grünen Zauberwald nicht. Deshalb träumen die unter Ihnen, welche gar keine Ahnung haben, von wirtschaftlichen Stromspeichern und diejenigen von Ihnen, die wissen, dass das eine Illusion ist, setzen auf massenweise subventionierte Speichermodelle. Deshalb kommt dann eben nach dem rot-rot-grünen Lightmodell zur EEG-Umlage und zur Offshore-Umlage und zur KWK-Umlage und zur 19-2-Umlage und zur Umlage für abschaltbare Lasten auch noch die Speicherumlage. Es darf also noch teurer werden für die Wirtschaft und den Haushaltskunden. So sieht das energiepolitische Konzept von Rot-Rot-Grün leider aus. Und im Thüringer Interesse wäre natürlich auch eine umweltfreundliche Stromerzeugung. Darunter versteht der Thüringer übrigens, liebe Kollegen, dass der Wald und die auch für den Tourismus wunderschönen Naturlandschaften unseres Landes nicht mit Windkraftanlagen verunstaltet werden. Und er tut das zu Recht. Denn jedem, der sich mit der Materie befasst hat, ist bekannt, welche zerstörerische Wirkung Windkraftanlagen auf die Vogelwelt und auf andere Tiere wie Fledermäuse haben. Doch leider ist genau das Teil Ihres energiepolitischen Programms, obwohl es jahrelang zu Ihrem politischen Konzept zählte, also insbesondere spreche ich jetzt die Grünen an, jedes noch so sinnvolle Infrastrukturprojekt mit Verweis auf Fledermäuse, Frösche oder irgendwelche Kräuter zu verhindern. (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben die Hamster vergessen!) Aber jetzt geht es eben um Ihre eigene Wählerklientel, Frau Kollegin, nämlich die Ökostrominvestoren, die staatlich garantierte und damit risikolose Renditen fordern, um ihr Vermögen vor Draghis Niedrigzinspolitik zu retten, natürlich auf Kosten unserer Natur in Thüringen und aller Stromkunden. Das ist Ihre Wählerklientel und in deren Interesse machen Sie eben auch Politik. Zusammenfassend lässt sich daher mit Blick auf Ihre bisherige Energiepolitik sagen, dass Ihnen nichts ferner liegt, als die originären Thüringer Interessen zu vertreten, und das wird auch so bleiben, wie ein Blick auf Ihren Antrag verrät. Dass Sie am Netzausbau zum Zweck Ihrer Energiewende festhalten, ist Ihrem Gesamtkonzept geschuldet, im Grunde schon konsequent, aber dann fängt es bei dem Punkt II.2 schon mit der Besserwisserei an. Auf das Leitungsbauprojekt P44 sollen die Netzbetreiber verzichten. Mittlerweile haben Sie so einen großen Druck ausgeübt, dass die das wohl offensichtlich erst mal aus ihren Planungen haben verschwinden lassen. Dafür wird dann irgendwo anders eine neue Leitung entstehen. Der Punkt ist nämlich, Sie setzen sich für auskömmliche Rahmenbedingungen für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien ein, dort insbesondere für mehr Fotovoltaik und für Energiespeicher natürlich auch, im Klartext also: für mehr Subventionen. Vizepräsident Höhn: Herr Abgeordneter Möller, Abgeordneter Harzer möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Abgeordneter Möller, AfD: Ich würde das gern am Ende machen. Vizepräsident Höhn: Das haben wir so registriert. Abgeordneter Möller, AfD: Also das ist typisch Rot-Rot-Grün. Erst mit einer sich immer weiter ins Absurde steigernden Energiewendepolitik die Notwendigkeit zum Netzausbau schaffen, dann aber den Technikern Vorschriften machen wollen, wo keine Leitung zu stehen hat, weil man nämlich den Zorn des Wählers fürchtet. Wissen Sie, auch Herr Harzer, an Sie richte ich mich da, wenn das politische Personal wie bei Ihnen vor allem aus Sozialpädagogen, Erziehern und Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2379 (Abg. Möller) Philosophen besteht, dafür aber kaum aus Ingenieuren, sollte man sich bei technischen Aspekten einfach mal zurückhalten und die Techniker machen lassen. Erkenne deine Grenzen – aber das war noch nie Ihr Ding. (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Herr Möller, ich bin Ingenieur!) Na gut, mache ich mal eine Ausnahme, aber es gibt eben auch schlechte Ingenieure, Herr Harzer. (Beifall AfD) Dass gerade Rot-Rot-Grün im Unterpunkt 6. einen Dialogprozess mit den relevanten Akteuren der Energiepolitik initiieren möchte, das brauche ich, denke ich mal, nicht weiter kommentieren. Darauf gehe ich jetzt gar nicht weiter ein, das hat Herr Gruhner schon ausführlich gemacht. Der einzige Lichtblick Ihres Antrags ist es aus unserer Sicht, dass Sie im Bereich der Anreizregulierung Handlungsbedarf erkannt haben. Da gilt dann die alte Bauernregel: Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn. Aber das war es dann eben leider schon. Ich sage es mal so: Wir wären ja gern, liebe Frau Siegesmund, an Ihrer Seite, wenn es um Thüringer Interessen geht. Aber da, wo die Thüringer Interessen sind, da sind eben leider nicht Sie. Von daher können wir Ihren Antrag nicht unterstützen und haben auch so unsere Probleme mit der Energiepolitik der rot-rot-grünen Landesregierung. Das habe ich, denke ich, deutlich gemacht. (Beifall AfD) So, jetzt. Vizepräsident Höhn: So, jetzt die Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Harzer, bitte. Abgeordneter Möller, AfD: Ich will es mal so sagen. Ich bin ja kein Ingenieur, ich bin Jurist und ein Jurist darf natürlich auch mal ein bisschen palavern. Also der Klimaschutz hat folgendes Problem: Er krankt am Annahmen, die wissenschaftlich hoch umstritten sind, aber er führt am Ende zu gigantischen Kostenbelastungen. Dieses Verhältnis von relativ schwacher Substanz bei den Grundlagen des Klimaschutzkonzepts und relativ großen, also enorm großen Auswirkungen bei der wirtschaftlichen Belastung der Haushaltskunden und der Industrie, das ist eine Schieflage, die kann man so nicht hinnehmen. Deswegen habe ich tatsächlich ein Problem mit der Klimaschutzpolitik der rot-rotgrünen Landesregierung. Es ist keine Frage, die AfD setzt sich für einen schonenden Umgang mit den Ressourcen unserer Welt ein. Wir möchten diese Welt auch unseren Kindern erhalten, das liegt uns sehr nah. Aber bei der Politik muss man auch immer die Auswirkungen im Blick haben und da haben wir Zweifel, dass Sie das tun. Danke. (Beifall AfD) Vizepräsident Höhn: Jetzt hat Frau Abgeordnete Mühlbauer, SPD-Fraktion, das Wort. Abgeordnete Mühlbauer, SPD: Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, werte Frau Ministerin. Ich muss ein bisschen durchatmen, Herr Möller, denn wie Sie wissen, sind wir alle drei Ingenieure und ich habe so meinen persönlichen Bezug zu Juristen. Den haben Sie heute verfestigt in meiner Annahme und meiner Ansicht, das muss ich in der Deutlichkeit sagen. Abgeordneter Harzer, DIE LINKE: (Beifall DIE LINKE) Herr Abgeordneter Möller, entnehme ich Ihren Äußerungen zu Recht, dass Sie Klimaschutz und die daraus folgende Energiewende für überflüssig halten, dass wir das nicht benötigen und dass das alles Quatsch ist? (Heiterkeit AfD) Abgeordneter Möller, AfD: Das ist eine Frage, dazu könnte ich jetzt zwei Stunden lang ausführen. Vizepräsident Höhn: Dafür reicht die Redezeit leider nicht. Mögen mir die anwesenden Juristen verzeihen, vor denen ich hohen Respekt habe, vor allem, wenn sie sich mit den Fachbereichen beschäftigen, in denen sie kompetent sind. Aber einen Juristen, der Ingenieuren – nicht nur im Raum anwesenden, vor allem denen, die draußen arbeiten – die Welt erklärt, fand ich doch ein bisschen abenteuerlich. Ich bin am Überlegen, Sie verfügen ja über genügend staatliche Zuschüsse, genannt Diäten, das heißt, Weiterbildungsmaterial können Sie sich selbst kaufen. Wir werden nicht sammeln, aber wir werden Ihnen eine kompetente, von anerkannten Wissenschaftlern ausgearbeitete Literaturliste zur Verfügung stellen, um Ihnen die Thematik des Klimawandels näherzubringen. Wenn das mit dem Lesen nicht klappt, das Ganze gibt es auch auf Video- 2380 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Mühlbauer) oder Hörbuchformaten, wodurch es durchaus möglich wäre, es nebenbei mal zu konsumieren. (Heiterkeit AfD) Das heißt, wir stellen hier – und da bin ich auch sehr stolz auf die CDU in diesem Raum – den Klimawandel nicht infrage. Das habe ich aus Ihren Reihen gehört und das ist für mich grotesk, skrupellos und das absolut Letzte. Das ist eine von diesen infamen Theorien, dass hier auch noch die Frage des Klimawandels infrage gestellt wird. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gehen Sie doch bitte mal in Küstenregionen, es gibt Inseln, die untergehen, die umsiedeln, wir haben Stürme, wir haben eine Zunahme der Naturkatastrophen. Reden Sie mit den Versicherern – auch dort sitzen Juristen –, die sehr wohl mit den Änderungen des Klimawandels auch fiskalisch umgehen. Also ich bin eigentlich sprachlos. Ich muss Ihnen in der Deutlichkeit sagen, ich bin sprachlos, denn das ist wissenschaftlich – Stand der Technik und Stand der Debatte – das absolut Letzte, was Sie hier gebracht haben. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) (Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Und vom Verstand her!) Dann reden Sie noch, dann wagen Sie – wir haben zumindest einen Plan, wir haben ein Konzept, wir haben Ideen –, dann wagen Sie auch noch, der, der Sie frei sind von jedem energiepolitischen Ansatz, diese Ideen hier krude zu diskutieren. Herr Möller, eigentlich wollte ich Ihren Namen gar nicht in den Mund nehmen, (Unruhe AfD) denn das entspricht nicht der Ingenieurausbildung, das entspricht auch bei Weitem nicht dem Stand, zu dem wir diskutieren und von dem wir ausgehen. Des Weiteren: Jemand, der sich in die Ausschussarbeit nicht mit einbringt – und dort erkenne ich Sie nicht – und Dinge fragt, über die er nicht einmal gelesen hat, ich weiß nicht, ob man dafür hier überhaupt so viel Zeit ansetzen sollte. (Beifall DIE LINKE) Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich mal einen Schluck Wasser trinken und durchatmen, aber ich bin entsetzt. Herr Gruhner, ich weiß, Sie hatten heute Mühe, in Ihrem Vortrag die Gründe herauszuarbeiten, warum Sie unseren Antrag ablehnen müssen. Selbst mir ist es aufgefallen, dass Ihnen das schwergefallen ist, hier die Gründe zur Ablehnung zu finden, weil Sie ganz genau wissen, da sind Sie auf unserer Seite, dass die Alternativen zu P44, die auf dem richtigen Weg sind, und der HGÜ-Korridor D – und da haben wir gemeinsame Verantwortung – die Dinge sind, die wir hier diskutieren. Dass Sie wissend – und Sie wissen, wovon Sie sprechen, Herr Gruhner – dann auch noch meinen, dass wir meinen, die Verteiler – ist gleich 110-kVNetze – in die Umlage mit hereinzunehmen, fand ich dann doch ein bisschen an den Haaren herbeigezogen. Ich muss sagen, auch da weiß ich, das Argument muss Ihnen gestern Nacht zwischen 22.00 Uhr und 23.00 Uhr eingefallen sein, denn Sie brauchten ja noch eines, weshalb Sie hier nicht zustimmen können. Diesbezüglich denke ich mal, da sind Sie relativ flach auf der Brust gewesen, das ändert auch eine Redezeit von 25 Minuten nicht. Netzentgelte – fair und solidarisch: Natürlich muss das der Weg sein und natürlich ist das der Weg, um diese Energiewende, für die es für mich – und ich glaube auch für die meisten hier im Haus – gar keinen anderen Weg gibt, zu bezahlen. Natürlich muss dies der richtige Weg sein und ist dies der richtige Weg. Natürlich befinden wir uns im Dialogprozess. Dialogprozesse sind vielfältig und wir haben Dialoge. Nur, wenn es nicht immer gleich nach Ihrer Nase geht, ist es nicht gleich kein Dialogprozess. Wir werden ihn führen und wir sind vor Ort und führen den auch regelmäßig. Das ist auch richtig. Zu Ihrem Argument zum Thema „Regionale Planungsgemeinschaften“, um dort noch mal auf Punkt 10 einzugehen: Er spricht von einer Überlastung im Kyffhäuserkreis. Ja, es ist richtig, die Unterlage habe ich auch, das ist so. Da wir das erkannt haben, müssen wir mit der Erzeugung der Erneuerbaren dorthin, wo wir auch den Strom brauchen. Genau das ist das Argument, um nicht in sinnlosen Netzausbau investieren zu müssen, um Regionalität zu schaffen, um Eigenverantwortung zu schaffen. Das muss doch der Plan sein und deswegen ist das genau richtig, das mit den Kommunalen gemeinsam zu entwickeln. Erneuerbare, meine Damen und Herren, werden nicht ohne Speichern gehen. Wir müssen speichern. Vizepräsident Höhn: Frau Abgeordnete Mühlbauer, einen Zwischenfragewunsch des Abgeordneten Gruhner gestatten Sie bitte wann? Abgeordnete Mühlbauer, SPD: Am Schluss, bitte. Vizepräsident Höhn: Am Schluss. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Abgeordnete Mühlbauer, SPD: Erneuerbare ohne Speichern, das wird nicht gehen, da werden wir neue Wege beschreiten müssen. Einer diesen neuen Wege ist „Power-to-gas“, ist „Power-to-Heat“. Die Kolleginnen und Kollegen haben es hier benannt. Wir werden noch weitere Schritte gehen müssen. Wir werden eine Energiewende nicht erreichen, ohne über Wärme zu diskutieren. Wir werden es nicht schaffen, wenn wir hier nicht jeden mitnehmen und die Vorteile auch regional verwenden. Denn die Energiewende ist die größte Herausforderung der Gegenwart und sie ist mit Sicherheit das größte industriepolitische und infrastrukturelle Projekt seit der Wiedervereinigung Deutschlands. Meine werten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Ministerin, diesbezüglich noch mal herzlichen Dank für den umfassenden Sofortbericht. Werden Sie doch nicht wankelmütig. Scheuen Sie sich doch nicht vor dieser Aufgabe, diese Wege zu beschreiten. Seien Sie mutigen Herzens und gehen Sie mit uns weiter. Die Zukunft können wir hier gestalten. Die Zukunft für Thüringen liegt hier. Aus diesem Grund werbe ich hier noch mal um Zustimmung zu unserem Antrag. Danke. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Vielen Dank Frau Abgeordnete Mühlbauer. Jetzt hat Herr Abgeordneter Kobelt das Wort. Entschuldigung, Fehler von mir. Herr Gruhner, Sie hatten den Wunsch nach einer Frage. Abgeordneter Gruhner, CDU: Ich möchte Sie, Frau Abgeordnete Mühlbauer, ganz kurz zwei Dinge fragen, weil auch Kollege Harzer das Thema mit den Verteilnetzen noch mal angesprochen hatte und mir da irgendwelche konfusen Gedanken unterstellt. Würden Sie mit mir darin übereinstimmen, dass wir diese Debatte um den teuren Verteilnetzausbau schlichtweg in Thüringen nicht hätten, wenn Sie einfach mit Augenmaß die Windkraft ausbauen würden? Die zweite Frage, die ich habe, ist: Würden Sie mir mit Blick auf die Tatsache – die Sie bestätigen –, dass wir eine Situation haben, dass der Strom oft dort erzeugt wird, wo er nicht gebraucht wird, zustimmen, dass wir tatsächlich über eine Reform der Netznutzungsentgelte reden sollten, die dahin geht, dass man auch eine Erzeugerkomponente, wie ich es erläutert hatte, einführt? Abgeordnete Mühlbauer, SPD: Zur ersten Frage, zum Verteilnetzausbau, ist es so, wenn Sie vor Ort sind und sich mit den Netzbetreibern über das 110-kV-Netz unterhalten würden, 2381 würden Sie die Antwort bekommen: Unsere Netze sind ausreichend, wir müssen unsere Netze momentan nicht ausbauen. Das ist die Auskunft, wenn Sie sich vor Ort mit den Menschen unterhalten. (Beifall SPD) Wir haben da auch Kapazität und hier bestehen überhaupt keine Bedenken, was das 110-kV-Verteilnetz anbelangt – auch mit den Plänen. Die Problematik ist der Transport. Da habe ich Ihnen deutlich gesagt: Eine Flächenpolitik, wie sie mit pauschalen Antworten – leider auch aus Ihren Reihen – viel zu platt an der Oberfläche geführt wurde, kann nicht der Erfolg sein. Wir müssen vor Ort spezialisierte Antworten finden. Dort, wo wir Strom verbrauchen, müssen wir Strom erzeugen. Das hat auch etwas damit zu tun, die Kommunalen mit einzubringen, die Bürgergenossenschaften mit einzubringen. Nur dann können wir verhindern, dass wir über Kilometer neue Verteilungen bauen müssten, die dann erforderlich wären. Das bestehende Netz mit Erzeugern und Verbrauchern ist ausreichend. Das ist übrigens nicht der Weisheit letzter Schluss, was wir alles brauchen, um das Netzentgelt zur regulieren. Ich denke, da sollten wir offen im Dialog sein. Das heißt, wir sind in einem Dialogprozess. Wir sollen viele verschiedene Möglichkeiten diskutieren und man soll nicht jeden Gedanken vorweg ausschließen. Diesbezüglich bedanke ich mich für Ihre Anfrage. (Beifall SPD) Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Mühlbauer. Jetzt hat Herr Abgeordneter Kobelt, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort. Abgeordneter Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, erlauben Sie mir kurz, noch zwei Worte zur AfD und zur CDU zu sagen. Zur AfD wird es ganz kurz. Ich habe jetzt wirklich mal mitgezählt. Ich habe jetzt in den letzten Plenumssitzungen fünf Reden von Ihnen, Herr Möller, zur Energiepolitik ertragen. Ich habe auch genau zugehört und habe Sie auch schon ein paar Mal dazu gefragt. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Es werden auch noch mehr!) Ich habe in diesen fünf Reden und heute auch in den über zehn Minuten nicht einen einzigen Vorschlag gehört, wo Sie Ihre eigene Position benannt haben. (Beifall DIE LINKE, SPD) 2382 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Kobelt) Das sagt eigentlich schon alles. Motzen, meckern und auf Marktplätzen quatschen, aber nicht konstruktiv hier im Landtag arbeiten. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Gruhner, ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich zu den Naturschutzfragen vielleicht noch mal mit Frau Tasch austauschen. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das können Sie allein nicht!) Dann hätten Sie von Frau Tasch auch gehört, dass die Blätter im Herbst fallen, wenn sie braun sind. Und wenn sie grün sind, dann sind sie am Baum, da ist der Baum stark, wenn er grün ist. Das ist auch gut so. Da müssen Sie sich noch mal ein bisschen austauschen mit Ihren naturschutzfachlichen Abgeordneten. Aber ich bin Ihnen auch sehr dankbar für Ihren Redebeitrag, denn Sie haben eins ganz deutlich gemacht: Sie kämpfen als CDU für die Braunkohle im Ruhrgebiet, in Sachsen und wir kämpfen als rot-rot-grüne Koalition für Arbeitsplätze im Mittelstand in Thüringen. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jetzt fragen Sie oder bestimmt viele sich: Was hat der Strommarkt mit Thüringen zu tun, wenn doch die Weichenstellungen in Berlin gemacht werden? Uns ist es trotzdem ein sehr wichtiges Thema, wir können auch versuchen, über den Bundesrat und auch über Verhandlungen Einfluss zu nehmen. Das ist uns aus drei Gründen besonders wichtig. Zum Ersten wollen wir, entgegen der jetzigen Bundespolitik, eine regionale Energiewende mit regionalen Kreisläufen zum Nutzen Thüringens. Wir wollen eine Energie in Bürgerhand, wo nicht Großkonzerne das Geld verdienen, sondern Bürger in Thüringen, Stadtwerke und Bürgerinitiativen und der Thüringer Mittelstand. Und diese Ziele sind natürlich durch die aktuelle Politik, auch der CDU-geführten Bundesregierung, gefährdet. Wir haben eine ganz starke Tendenz, weg von einer Politik, die übrigens – das stimmt, durch Rot-Grün ist das EEG entstanden, das Modell ist weltweit exportiert. Und es hat gerade zum Ziel gehabt, die Energieversorger auch zu verteilen, regionale Kreisläufe zu stärken. Was wir jetzt erleben, ist, es wird davon weggegangen. Es wird zu Ausschreibungsmodellen übergegangen, die dazu einladen, und das ist leider zu befürchten, dass wieder die drei/vier großen Energiekonzerne zum Zuge kommen, die dort ihre Geschäfte machen. Und von der breiten Verteilung des Energiemarkts ist keine Rede mehr. Als Nächstes haben wir eine ganz starke Bevorteilung der Kohle. Wir haben es in den Beschlüssen gesehen, 1,5 Milliarden Euro wurden in einem Handstreich von der Bundesregierung zusätzlich in eine künstliche Beatmung der Kohle gesteckt, die eigentlich in Teilbereichen einfach nur vom Netz gehen kann. Niemand hat gesagt, Herr Gruhner, dass wir nächste Woche alle Kohlekraftwerke abschalten wollen. Aber dass es einen geordneten Ausstieg gibt und jetzt die Chance genutzt werden soll, auch in diesen Regionen neue Arbeitsplätze in zukunftsfähigen Bereichen zu schaffen, dazu stehen wir auch als Grüne. Und da finden wir, die 1,5 Milliarden Euro hätten gut zum Beispiel in Speichertechnologien und Innovation von Thüringer Stadtwerken eingesetzt werden können. Was wollen wir als Grüne speziell für Thüringen erreichen? Wir haben vier Schwerpunkte. Zum Ersten muss man ganz klar sagen, die Solarenergie ist durch die Bundesregierung am Boden. Als das EEG begründet wurde, gab es eine starke Solarindustrie in Thüringen. Mittlerweile ist die Zahl der Arbeitsplätze gesunken. Aber immerhin haben wir noch circa 3.000 bis 4.000 Arbeitsplätze in Thüringen direkt in der Solarindustrie und in den Installationsunternehmen. Und dafür wollen wir kämpfen. Da sagen wir ganz klar, wir kämpfen für die Arbeitsplätze und für den Ausbau der Solarenergie in Thüringen. Das hat auch was mit Kosten zu tun. Während der Ausbau deutschlandweit von 5 auf circa 1,5 Gigawatt in diesem Jahr zurückgegangen ist, sind die Kosten in den letzten zehn Jahren in der Solarindustrie von 50 Cent auf circa 10 Cent gesunken. Das ist eine Preissenkung von 80 Prozent. Und es ist für jeden Haushalt jetzt schon günstiger, sich eine Solaranlage ohne jegliche Subventionen auf das Dach zu schrauben, sich vielleicht noch einen Speicher anzuschaffen, der in den Preisen sinkt. Das sind Ansätze, wo wir die Bürgerinnen und Bürger Thüringens unabhängig machen wollen von Energieimporten und sie stärken wollen, und das zusammen mit Bürgerenergiegenossenschaften. Das ist ein Weg, wo wir einen Schwerpunkt setzen wollen. Natürlich, das muss ich ganz klar sagen, ist es total kontraproduktiv, wenn man einen Solarstrom, der sich bei Eigenstrom schon rechnet, dann noch mit einer Sonnenabgabe belegt. Da muss es Änderungen geben in der Bundesrepublik, in der Bundesregierung. Sie können sich das etwa so vorstellen: Wenn Frau Tasch in ihren großen Garten geht, was sie uns gestern erzählt hat, und dort Äpfel pflückt und möchte diese Äpfel essen, dann müsste sie für die Äpfel jetzt noch eine Abgabe zum Bürgermeister bringen oder zu wem auch immer, zu den Stadtwerken oder zu den Netzbetreibern, damit sie kostenlos ihre Äpfel essen kann. Das ist für uns vollkommen unlogisch. Das kann nicht der Weg zu einer bürgergerechten Energiewende sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. Der zweite Schwerpunkt – das wurde heute noch gar nicht erwähnt – ist Biogas oder der Markt für Biogas. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2383 (Abg. Kobelt) Dort, müssen wir sagen, hat die CDU in Thüringen gute Arbeit geleistet. Sie hat einen Energiebereich aufgebaut, der allerdings von ihren Parteifreunden wissentlich oder zumindest ohne Widerstand am Boden zerstört wird. Wir haben in den letzten zwei Jahren eine einzige Biogasanlage gehabt, die entstanden ist. Das kann nicht die Zukunft für den ländlichen Raum sein. Da wollen wir ganz andere Hebel setzen. Der dritte Punkt – das ist uns wirklich sehr viel wert – sind unsere lokalen Stadtwerke. Wir denken, wir brauchen keine vier großen Energieversorger, die versuchen, sich den Markt in Deutschland aufzuteilen. Wir können mit unseren Thüringer Stadtwerken und den Bürgerinnen und Bürgern zusammen den Energiemarkt in die Hand nehmen, wenn wir die Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen stärken, wenn wir innovative Speicher fördern. Die Stadtwerke stehen bereit. Sie haben die Netze, die da sind. Das ist fast einmalig in Deutschland, was wir für eine, auch in den Wohngebieten, gute Netzinfrastruktur haben. Das muss gestärkt werden. Wir wollen die Wirtschaft in der Region stärken und nicht Großkonzerne aus Essen oder sonst woher. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte es kurz zusammenfassen. Wir stehen für eine Energiewende, die nicht Großkonzerne bedient, sondern für die Bürgerinnen und Bürger mit den Mietern, den Stadtwerken, den Städten und Gemeinden und dem Thüringer Mittelstand zusammen gestaltet wird. Das sehen wir als Schwerpunkt. Dort können wir Innovationen schaffen, dort können wir Arbeitsplätze schaffen und können auch langfristig eine Energie gestalten, die umweltgerecht ist. Das wollen wir in Thüringen stärken und deswegen bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kobelt. Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetzt keine Wortmeldungen – doch eine liegt mir vor. Herr Abgeordneter Brandner, AfD-Fraktion. Abgeordneter Brandner, AfD: Ich muss sagen, Frau Mühlbauer, toller emotionaler Auftritt, den Sie hier hingelegt haben. Damit gehören Sie zu den Höhepunkten der SPD-Fraktion, ganz klar. Bisher hat der eine oder andere von uns die Auffassung vertreten, da sitzen nur Schlafmützen. Aber Sie haben uns alle aus dem Schlaf gerissen. Toller Auftritt. Getroffene Hunde und Hündinnen bellen, hat Herr Möller, glaube ich, gestern gesagt. Genauso kamen Sie mir heute auch vor, Frau Mühlbauer. Herr Möl- ler hat ganz sachlich argumentiert und damit wahrscheinlich Ihre verbohrt-ideologische Basis ins Wanken gebracht, Ihre quasireligiöse Überzeugung, ach, da muss ein Klimawandel sein und ach, die Menschen sind dafür erforderlich. (Unruhe SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und genau das – hören Sie mir zu, Herr Adams, Sie kommen dann auch auf Ihre Kosten – hat Sie getroffen und deshalb sind Sie hier vorn ausgerastet. Bisher dachte ich, diese schnappatmende Aufregung, das können nur Ramelow und Hoff. Aber Sie können es auch. Respekt, Frau Mühlbauer, toll gemacht. Wissen Sie, was den Klimawandel als solchen angeht – vielleicht hören Sie mir jetzt zu –, das ist wissenschaftlich nicht gesichert. Ich halte ihn für eher wahrscheinlich, Kollege Möller sagt, muss nicht unbedingt sein. Ich weiß es nicht. Der eine sagt so, der andere sagt so. Da können Sie seitenweise Literaturlisten wälzen und sich Hörbücher anhören, da werden Sie zu keiner einheitlichen Meinung kommen. Das wissen wir also nicht, ob der Klimawandel überhaupt da ist. Wenn wir jetzt unterstellen, er wäre da, wenn wir also diese große Unwägbarkeit ausgeblendet haben, (Unruhe SPD) dann ist die nächste Frage: Kann man das überhaupt beeinflussen? Ist der Mensch überhaupt dafür verantwortlich, wenn wir einen Klimawandel unterstellen, dass er da irgendetwas ändern kann? Dafür fehlen noch viel mehr die wissenschaftlichen Grundlagen wie für die Annahme zum Klimawandel überhaupt. Das heißt, Sie stochern in beiden Punkten so was von im Nebel, dass darauf keine vernünftige Politik aufbauen kann. (Beifall AfD) Dann stellen Sie vom Ramelow-Block – und die CDU mischt da auch manchmal noch mit – sich hier hin und sagen: So, jetzt müssen wir 50-Jahres-Pläne machen, um das Weltklima zu ändern, umzudrehen. 50-Jahres-Pläne! Ich sage, da stoßen wir an eine Grenze, das kann man schon pathologisch, megalomanisch nennen. Ich muss Ihnen das ganz ehrlich sagen. Gucken Sie sich mal die Pläne an. Sie haben mehrere Tagespläne im Asylbereich. Die werfen Sie alle übern Haufen – jeden Tag, jede Woche übern Haufen geworfen. Sie haben Pläne, die über einige Monate gehen, was Griechenland angeht. Das geht alles vor den Baum. (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zum Thema!) Sie hatten – Kollege Blechschmidt ist leider nicht da – zu Zeiten, die er wahrscheinlich heute noch gut findet, Fünf-Jahres-Pläne, die wurden nie erreicht, die gingen immer vor den Baum und so was an den Plänen und am Ziel vorbei. Und jetzt stellen Sie sich allen Ernstes hin und sagen, aber einen 50- 2384 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Brandner) Jahres-Plan für eine Klimarettung, den kriegen wir durch. Das müssen Sie den Leuten mal erklären. Das werden Sie nicht schaffen. (Beifall AfD) Vizepräsident Höhn: Es gibt weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten. Herr Abgeordneter Harzer, Fraktion Die Linke, bitte. Abgeordneter Harzer, DIE LINKE: Es wurde, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute viel über Juristen und Ingenieure usw. geredet. Wenn sich der Jurist an Ingenieursthemen vergreift oder an wissenschaftlichen Themen, dann geht das manchmal schief, wie wir das heute erleben durften. Dann will ich mal als Ingenieur, zwar nur im Maschinenbaubereich, aber ich habe auch immer was mit Energetik zu tun gehabt, mal kurz eine Erläuterung dazu geben. Erwärmung entsteht durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die weltumfassende Entwaldung. Kohlendioxyd wird dadurch in der Atmosphäre angereichert, die Anreicherung mit CO2 und den übrigen Treibhausgasen führt zum sogenannten Treibhauseffekt. Die kurzwellige Strahlung der Sonne gelangt über die Atmosphäre auf die Erde. Die Treibhausgase, die wie eine weitere Isolation in der Atmosphäre wirken, lassen jedoch die langwellige Infrarotstrahlung der Erde nicht mehr vollständig in den Weltraum zurück. Der Teil, der nicht in den Weltraum reflektiert wird, verbleibt auf der Erde und wird in Form von Wärmeenergie gespeichert, was wiederum dazu führt, dass die Temperatur auf der Erde sich erhöht, was eine zweite wesentliche Ursache daran hat, dass Gletscher und Eisflächen abschmelzen und die geringeren Gletscher und Eisflächen wiederum dazu führen, dass weniger Sonnenenergie in den Weltraum zurückgeführt werden kann und damit mehr Wärme absorbiert wird. Was der Mensch damit zu tun hat, beweist eine andere Geschichte: Der CO2Gehalt der Luft wird in ppm – parts per million – oder Teile auf eine Million ausgedrückt. Eisbohrkerne haben ergeben, dass der CO2-Gehalt in den letzten circa 800.000 Jahren, in denen der Mensch auf der Erde aktiv war, nie mehr als 300 ppm betrug. Mit Beginn der Industrialisierung stieg dieser Wert kontinuierlich auf den heutigen Wert von 385 ppm, dem vermutlich höchsten Wert in den letzten 20 Millionen Jahren, an. Die Differenz der heutigen CO2-Konzentration von 385 ppm gegenüber der 100.000 Jahre bestehenden CO2-Konzentration kann daher nur dem Menschen zugeschrieben werden. Deshalb wird auch vom anthropogenen, vom menschengeschaffenen Treibhauseffekt gesprochen. Wenn das schwache Beweise sind oder gar keine Beweise und keine Fakten, dann weiß ich nicht, was Fakten sind, meine Da- men und Herren in diesem Hohen Haus. Ich denke, wir sollten jetzt zur Abstimmung schreiten und dieses Thema verlassen. Weil, es wird nicht besser, wenn wir weiter darüber diskutieren – die Negierung der AfD. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Jetzt – Frau Ministerin, tut mir leid, Moment – habe ich noch zwei Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten. Zunächst, er war einen Moment schneller, der Herr Möller, dann Herr Henke. Abgeordneter Möller, AfD: Lieber Herr Kobelt! Wo ist er denn? Egal. Ich habe gemerkt, Sie fragen sich immer, was sind denn nun die Argumente vom Möller. Ich verstehe das. Manchmal versteht man nicht immer alles im ersten Durchlauf. Aber dann fragen Sie mich das doch! Fragen Sie mich doch: Möller, was ist denn nun dein dunkles Wollen? Wie willst du denn nun die Energiepolitik verbessern? Wie willst du denn nun die Energiewirtschaft retten? Stattdessen fragen Sie mich, was meine Meinung zum Klimaschutz ist. Da verstehe ich Ihre Fragetechnik nicht. Vielleicht arbeiten Sie da mal ein bisschen dran. Dann können wir auch an Ihrem Erkenntnisgewinn arbeiten. (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sagen Sie uns einfach, was Sie wollen!) Nun noch kurz zu Ihnen, Herr Harzer. Jetzt haben Sie schön die Theorien vorgebetet, aber schauen Sie sich doch mal die Praxis an. Sie wollen gern vorhersagen, wie stark sich das Weltklima in den nächsten 40 bis 50 Jahren erwärmt. Aber in der Praxis kriegen es unsere studierten Wetterfrösche nicht einmal hin, das Wetter für die nächsten fünf Tage vorherzusagen. Genau das ist das Problem. Ihre schönen Modelle funktionieren nicht mal im Nahbereich, im Fernbereich sieht es dann schon ganz schlimm aus. Das ist das Problem, was ich vorhin angesprochen habe, dass die wissenschaftliche Basis viel zu gering ist, um entsprechend große finanzielle Kostenaufwüchse für Unternehmen und für die Verbraucher zu rechtfertigen. Da liegt im Grunde des Pudels Kern. Das einfach nur noch mal zur Ergänzung. Danke schön. Vizepräsident Höhn: Nun Herr Henke, bitte schön. Abgeordneter Henke, AfD: Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte nur zwei Sachen zu bedenken geben. In der geologischen Geschichte war die Erde schon mal ein Eisklumpen Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2385 (Abg. Henke) und sie war komplett eisfrei, und zwar ohne Menschen. Das sollten Sie sich mal zu Gemüte führen. Vielen Dank. (Beifall AfD) Vizepräsident Höhn: Sie hat auch schon mal geglüht. (Heiterkeit im Hause) Vielen Dank, Herr Abgeordneter Henke. Jetzt hat das Wort Frau Ministerin Siegesmund. Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz: Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich über die Leidenschaft in einer Debatte zum Thema „Energiewende“, die ganz neue Ausmaße annimmt, die lässt mir aber die Möglichkeit, noch mal fünf Dinge sehr klar zuzuspitzen. Es ist gut und richtig, Energiewende und Klimaschutz zusammen zu diskutieren, und ich will auch sagen, warum: weil die Energiewende das größte Klimaschutzprogramm schlechthin ist. Jetzt kann man sich in den Tunnel setzen und alles um sich herum duster machen und versuchen, im Dunkeln zu tappen, wie die AfD das gerne macht, oder man kann versuchen herzugehen, sich klarzumachen, was die Weltgemeinschaft eigentlich in Paris in den kommenden Wochen gemeinsam stemmen will. Man will stemmen, dass bis zum Jahr 2050, wenn man sich in Paris nicht verabredet, 1.600 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden und damit das Zwei-Grad-Ziel gerissen wird und damit Regionen wie die Golfregion und andere Regionen dieser Erde unbewohnbar werden. Und gerade die AfD müsste sich darüber Gedanken machen, was das dann eigentlich heißt, wenn Regionen dieser Erde unbewohnbar werden. Deswegen kann ich nur sagen: Kommen Sie raus aus Ihrem Tunnel und fangen Sie an, darüber nachzudenken, warum Klimaschutz wichtig ist. Punkt 2: Sie sagen, na ja, Wetter ist ja nicht Klima. Das stimmt, da haben Sie recht. Wenn man sich aber anschaut, seitdem Wetter registriert und entsprechend auch wissenschaftlich aufbereitet, in Daten strukturiert ausgewertet, analysiert wird – Sie sagen immer despektierlich „die Wissenschaft“ –, seit 1880: Warum haben wir denn dann in den letzten 20 Jahren in Thüringen einen konsequenten Anstieg? Dieser Sommer war 0,9 Grad über dem Mittel, ein konsequenter Anstieg. Es ist so trocken wie lange nicht mehr gewesen. Und diesen konsequenten Anstieg, den unterscheidet eben Ihre Interpretation von Wetter und Klima. Klimaveränderungen finden statt. Das müssen Sie zur Kenntnis neh- men und deswegen treiben wir auch die Energiewende voran. Dritter Punkt: Jetzt sagt Herr Gruhner, die Braunkohleindustrie ist das zentrale tragende Element der Energiewirtschaft in der Bundesrepublik. Sie regen sich über die Veränderungen des Landschaftsbilds durch Windenergieanlagen auf, die rückstandslos zurückgebaut werden, wenn sie nicht mehr in der Nutzung sind. Waren Sie eigentlich noch nie in Ihrem Leben in der Lausitz und haben sich die Braunkohletagebaue mal angeschaut? Kennen Sie eigentlich die Region in Brandenburg oder das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde? Wissen Sie, wie es dort aussieht? Wissen Sie, wie kurzsichtig diese Art und Weise Ihrer Argumentation ist? Das finde ich wirklich bemerkenswert, was Sie hier dazu vortragen. Zum Thema „Biomasse“: Ich fand es ja schade, dass Sie sich in Ihrer langen Rede, Herr Gruhner, völlig auch nur einer Aussage entzogen haben zur Frage, ja, auch diese CDU-Fraktion Thüringen und ihre Abgeordneten im Bundestag übernehmen Verantwortung. Das hätte ich erwartet. Das hätte ich erwartet beim Thema „KWK“ beim Thema „Strommarktdesign“, beim Thema „Anreizregulierung“ und auch beim Thema „EEG-Novelle“. Was Sie stattdessen gemacht haben, ist, zu sagen: Was da auch immer in Berlin passiert, der Thüringer Beitrag ist jedenfalls nicht meiner, nicht der der CDU. Das finde ich bedauerlich. Und die Initiative zum Thema „Biomasse“: Auch da zeigen wir im Übrigen, dass Thüringen seine Interessen massiv Richtung Berlin vertritt. Das wird ein gemeinsamer Antrag von – halten Sie sich fest – Bayern und Thüringen sein, denn manchmal muss man einfach parteipolitische Grenzen im Kopf sprengen, sondern im Sinne des Landes unterwegs sein. Sie haben nicht vor, auch nur ein My Verantwortung in dieser Position zu beziehen. Das bedaure ich ausdrücklich. Wir als Landesregierung reichen jedenfalls die Hände und bieten Ihnen eine Zusammenarbeit im Sinne des Landes an, konstruktiv; das ist nämlich das, was das Land voranbringt. Vielen Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich frage: Widerspricht jemand meiner Feststellung, dass das Berichtsersuchen durch den Bericht, den Frau Ministerin gegeben hat, erfüllt ist? Gibt es Widerspruch? Diesen Widerspruch kann ich nicht erkennen. Ich habe auch keine Anträge auf Ausschussüberweisungen vernommen, weder für den Sofortbericht selbst noch zur Nummer II des Antrags. Demzufolge kommen wir jetzt gleich zur Abstimmung über die Nummer II des Antrags der Fraktio- 2386 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Vizepräsident Höhn) nen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/1092. Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenstimmen bitte. Gegenstimmen aus der CDU-Fraktion und der AfD-Fraktion. Stimmenthaltungen bitte. 1 Stimmenthaltung vom Abgeordneten Gentele. Damit ist der Antrag mit Mehrheit angenommen. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. Wir treten jetzt vereinbarungsgemäß in die Mittagspause ein. Die Sitzung wird um 14.35 Uhr mit der Fragestunde fortgesetzt. Meine Damen und Herren, wir setzen die Sitzung fort mit dem Aufruf des Tagesordnungspunkts 21 Fragestunde Die erste Frage in der Drucksache 6/1174 stellt Herr Abgeordneter Bühl, CDU-Fraktion. Abgeordneter Bühl, CDU: Verringerung der Schlüsselzuweisung in Ilmenau In den letzten Wochen hat die Landesregierung betont, den Städten und Gemeinden mehr Geld zur Verfügung stellen zu wollen. Dies ist nach aktuellen Zahlen nicht der Fall. Ein Beispiel ist die Stadt Ilmenau mit einer Lücke von 1 Million Euro durch die verringerte Schlüsselzuweisung des Landes. Dabei gibt es nicht wie im Land und Bund erhöhte Steuereinnahmen. Ilmenau ist durch diese Senkung gezwungen, die Förderung für Verbände und Vereine zu senken und notwendige Investitionen nach hinten zu schieben. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie erklärt die Landesregierung die gesunkene Schlüsselzuweisung an die Stadt Ilmenau? 2. Wohin werden die gekürzten Zuweisungen gegeben? 3. Wie schätzt die Landesregierung die nach Artikel 28 Grundgesetz verfassungsrechtlichen Probleme mit der kommunalen Selbstverwaltung ein, wenn sie die Schlüsselzuweisung immer weiter senken? Vizepräsident Höhn: Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Inneres und Kommunales, Herr Staatssekretär Götze. Götze, Staatssekretär: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Anfrage möchte ich wie folgt beantworten, wobei ich die Antworten zu Frage 1 und 2 zusammenfasse: Zunächst ist festzustellen, dass für das Jahr 2016 bislang nur Modellrechnungen auf Basis des Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung des Kommunalen Finanzausgleichs vorliegen und noch keine endgültige Festsetzung der Schlüsselzuweisungen erfolgt ist. Es ist zutreffend, dass die Stadt Ilmenau hiernach gegenüber dem Jahr 2015 relativ stärker an Schlüsselzuweisungen einbüßt, als die Schlüsselmasse absinkt. Im Fall Ilmenau ist diese voraussichtliche Verringerung auf einen deutlichen Anstieg der eigenen kommunalen Steuereinnahmen zurückzuführen. Infolgedessen steigt die Steuerkraftmesszahl in Ilmenau von 2015 auf 2016 deutlich um 913.000 Euro. Da dieser Anstieg damit doppelt so hoch ausfällt, rund 6 Prozent, wie bei den kreisangehörigen Gemeinden Thüringens insgesamt, rund 3 Prozent, ist der relativ starke Rückgang der Schlüsselzuweisungen für die Stadt entsprechend der gegenwärtigen Gesetzeslage systematisch bedingt. Die Schlüsselzuweisungen sollen einen horizontalen Ausgleich der Finanzkraft zwischen den Thüringer Kommunen herbeiführen. Wenn nun eine Stadt wie Ilmenau einen überdurchschnittlichen Anstieg an Steuereinnahmen zu verzeichnen hat, ist dies mindernd bei der Bemessung der Schlüsselzuweisungshöhe zu berücksichtigen. Der kritisierte Rückgang der Schlüsselzuweisungen beruht damit vor allem auf der eigenen Stärke Ilmenaus als attraktiver Standort einer renommierten technischen Universität. Sollte die kommunale Steuereinnahmekraft Ilmenaus in künftigen Jahren entgegen dem Landestrend wieder sinken, würde sie auch wieder einen größeren Anteil an der Schlüsselmasse erhalten. Neben den Schlüsselzuweisungen sind jedoch auch die weiteren Zuweisungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die höheren Pauschalen im Kita-Bereich, von denen auch Ilmenau profitiert. Hierdurch wird nach Auffassung der Landesregierung insgesamt eine bedarfsgerechte Verteilung der Finanzausgleichsmasse erreicht. Die Antwort zu Frage 3: Das Land ist gemäß Artikel 93 Abs. 1 Satz 1 der Thüringer Verfassung als Konkretisierung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie verpflichtet, abhängig von seiner eigenen Leistungsfähigkeit eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen bereitzustellen. Dies stellt der Gesetzentwurf sicher. Die Finanzausgleichsmasse soll gegenüber 2015 um 48 Millionen Euro steigen. Auch ein Unterschreiten der unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes sicherzustellenden finanziellen Mindestausstattung der Kommunen liegt nicht vor. Schließlich fließen mit rund 64,8 Prozent nahezu zwei Drittel der Finanzausgleichsmasse in die Schlüsselmasse, sodass auch hier kein verfassungsrechtliches Pro- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2387 (Staatssekretär Götze) blem im Hinblick auf die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung besteht. Im Jahr 2012 betrug dieser Anteil beispielsweise nur 40,8 Prozent. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Vizepräsident Höhn: Vizepräsident Höhn: Danke, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, können Sie zunächst bestätigen, dass in Bezug auf die Berechnung der Schlüsselkraft der kreisangehörigen Gemeinden das System vom alten Finanzausgleich übernommen wurde und es da keine Veränderungen gab? Gibt es den Wunsch einer Nachfrage? Herr Bühl, bitte schön. Abgeordneter Bühl, CDU: Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen. Die von Ihnen beschriebene positive Steuerentwicklung ist ja nur ein zeitversetzter Prozess, der in den letzten Jahren erfolgt ist. Nun haben wir in diesem Jahr, wie sicherlich viele andere Thüringer Kommunen, das Problem, dass die Steuerkraft in diesem Jahr deutlich geringer ausfällt und sich somit eine viel, viel größere Lücke ergibt. Planen Sie denn im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen, das im Kommunalen Finanzausgleich auch mit zu berücksichtigen, dass praktisch dieser Versatz nicht mehr drin ist, dass es nicht zu so großen Kumulierungen kommen kann, also Steuereinbruch auf der einen Seite und auf der anderen Seite dann zurückgehende Schlüsselzuweisungen? Götze, Staatssekretär: Also diesen Versatz werden Sie immer haben. Ich glaube, da kann man auch nicht tagaktuell arbeiten. Insofern werden sich die Korrekturen, wenn die überhaupt möglich sind, dort in einem sehr geringen Rahmen bewegen können. Vizepräsident Höhn: Es gibt eine weitere Nachfrage. Herr Bühl und dann hat sich Herr Kuschel gemeldet. Abgeordneter Bühl, CDU: Sie hatten eben auch ausgeführt, dass Sie kein Problem hinsichtlich von Artikel 28 sehen. Nun ist ja gerade die allgemeine Schlüsselzuweisung eines der wesentlichen Elemente für die Kommunen, auch unabhängig von Zweckbindung eigene Ausgaben zu tätigen. Welchen Prozentsatz sehen Sie denn von dem ganzen Geld, was jetzt an die Kommunen geht, als notwendig an, damit man diesem Artikel noch gerecht werden wird? Sie haben eben von Prozentsätzen gesprochen. Wie viel Prozent für die allgemeine Schlüsselzuweisung sind denn Ihrer Meinung nach notwendig vom Gesamttopf? Götze, Staatssekretär: Das ist eine sehr hypothetische Frage. Ich habe Ihnen gesagt, dass der vorgelegte Gesetzentwurf auf jeden Fall gesetzeskonform ist. Herr Kuschel, bitte Ihre Nachfrage. Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE: Götze, Staatssekretär: Derart grundlegende Veränderungen haben wir nicht vorgenommen. Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE: Also war es ein CDU-System, was wir jetzt auch zur Anwendung bringen. Die zweite Frage, Herr Präsident: Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass sich aus der gestiegenen Steuerkraft der Stadt Ilmenau mit 912.000 Euro bei einem Verrechnungssatz von 80 Prozent 730.000 Euro Anrechnungen ergeben, im Mehrbelastungsausgleich die Stadt Ilmenau 50.000 Euro mehr bekommt und durch die erhöhten Kinderpauschalen eine zusätzliche Zuweisung an die Stadt Ilmenau von 202.000 Euro fließt, durch die zehnprozentige Übernahme des Landes am Bundesinvestitionsprogramm die Stadt Ilmenau weitere 60.000 Euro erspart und das Land auch noch die 30 Prozent kommunalen Anteil an der Einführung des Digitalfunks für die Stadt Ilmenau übernimmt und damit die Stadt Ilmenau in der Summe im Jahr 2016 im Vergleich zu 2015 voraussichtlich 115.000 Euro mehr bekommt? Vizepräsident Höhn: Das war aber eine lange Frage. Götze, Staatssekretär: Diese Zahlen kann ich Ihnen jetzt auf Heller und Pfennig so nicht bestätigen, dazu müssten mir die konkreten Rechnungen vorliegen. Ich hatte aber schon erwähnt, dass natürlich hier noch andere Zuweisungen an die Stadt zu berücksichtigen sind. Insofern haben Sie recht. Vizepräsident Höhn: Der Fragebedarf, Frau Kollegin, ist laut Geschäftsordnung erschöpft, zwei Nachfragen des Fragestellers und zwei Nachfragen außerhalb des Fragestellers. Sie hätten sich etwas eher melden müssen. Sorry, ich kann das nicht mehr zulassen. 2388 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Vizepräsident Höhn) Wir kommen zur nächsten Anfrage in der Drucksache 6/1197. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Kuschel, Fraktion Die Linke. Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE: Danke, Herr Präsident. Unterbringung von Flüchtlingen in Genossenschaftswohnungen in Thüringen Zur Unterbringung von Flüchtlingen könnten auch Genossenschaftswohnungen angemietet werden. Die Kostenerstattung für die Unterbringung von Flüchtlingen erfolgt durch das Land. Ich frage die Landesregierung: 1. Was müssen die Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Genossenschaftswohnungen, insbesondere mit Blick auf das Erbringen der Genossenschaftsanteile, beachten? 2. Wie erfolgt die Kostenerstattung durch das Land im Zusammenhang mit der Anmietung von Genossenschaftswohnungen für die Unterbringung von Flüchtlingen? 3. Welche Beispiele sind der Landesregierung gegebenenfalls bekannt, bei denen in Thüringen die Unterbringung von Flüchtlingen in Genossenschaftswohnungen erfolgte? und zahlt nur die Anteile für die Wohnung. Diese Regelung ist aus steuerlichen Gründen auf 10 Prozent des Bestands begrenzt. Solange die Kommunen in Wahrnehmung ihrer Aufgaben handeln und sich nicht unternehmerisch betätigen, ist eine Anmietung geeigneter Unterkünfte in Verbindung mit dem Erwerb der Mitgliedschaft an der Genossenschaft möglich, wenn am Markt keine anderen Mietmöglichkeiten bestehen. Zu Frage 2: Durch die Thüringer Verordnung über die Kostenerstattung nach dem Thüringer Flüchtlingsaufnahmegesetz werden sämtliche im Zusammenhang mit der Anmietung einer Wohnung stehenden Kosten erstattet. Zu Frage 3: Sowohl das Mitglieder-Modell als auch das Nichtmitglieder-Modell werden nach Auskunft des Verbands der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e. V. aktuell in Thüringer Kommunen umgesetzt. Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Nachfragen kann ich nicht erkennen, dann kommen wir zur nächsten Frage in der Drucksache 6/1198. Fragesteller ist Herr Abgeordneter Walk, CDU-Fraktion. Abgeordneter Walk, CDU: Vizepräsident Höhn: Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Dr. Albin, Staatssekretärin: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel beantworte ich für die Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: Grundsätzlich können kommunale Gebietskörperschaften Genossenschaftsanteile erwerben, soweit dies entsprechend der jeweiligen Satzung der Wohnungsgenossenschaft juristischen Personen möglich ist. Hierbei gibt es zwei denkbare Modelle, das Nichtmitglieder-Modell und das Mitglieder-Modell. Beim Mitglieder-Modell, bei dem die kommunale Gebietskörperschaft Mitglied der Genossenschaft wird, müssen Eintrittsanteile erworben werden, in der Regel sind das zwei Geschäftsanteile. Danach mietet die Kommune als Mitglied die Genossenschaftswohnung an und bringt für die Wohnungen die entsprechenden Anteile auf. Die Geschäftsanteile bilden das Geschäftsguthaben. Wenn die Mitgliedschaft gekündigt wird, besteht ein Anspruch auf Auszahlung. Beim NichtmitgliederModell, das teilweise auch von Genossenschaften praktiziert wird, ist die Ausdehnung des Geschäftsbetriebs auf Nichtmitglieder zugelassen. Hier mietet die Kommune die Wohnung als Nichtmitglied an Danke, Herr Präsident. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Religiöser Extremismus in Thüringen Angesichts der aktuellen Flüchtlingsströme ist fraglich, ob auch Kämpfer terroristischer Organisationen, wie beispielsweise des Islamischen Staats oder der Al-Nusra-Front nach Thüringen gelangen. Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz hält laut eines Artikels der „Rheinischen Post“ (RP-ONLINE) vom 18. September 2015 das Einschleusen religiöser Extremisten derzeit nicht für wahrscheinlich. Andererseits würden Salafisten sunnitische Asylbewerber in Deutschland gezielt ansprechen, um sie „für ihre Sache“ zu rekrutieren. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Muslime in Thüringen sind islamistischen, salafistischen oder anderen extremistischen Strömungen des Islam zuzurechnen? 2. Wie stellt sich die Entwicklung in den vergangenen drei Jahren dar, vor allem auch vor dem Hintergrund der in letzter Zeit stark gestiegenen Zahl ankommender Flüchtlinge in Thüringen? 3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Aktivitäten von radikalen islamistischen oder salafistischen Organisationen sowie von Einzelper- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2389 (Abg. Walk) sonen, um Asylbewerber für ihre Ideologien zu gewinnen? nicht nur behörden-, sondern auch länderübergreifend dazu ab. 4. Wie bewertet die Landesregierung die in Frage 3 gewonnenen Erkenntnisse und welche Schlussfolgerungen zieht sie daraus? Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Besten Dank. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Nachfragen gibt es nicht. Dann ist die nächste Fragestellerin Frau Abgeordnete Stange, Fraktion Die Linke, Drucksache 6/1199. Vizepräsident Höhn: Es antwortet für die Landesregierung Herr Staatssekretär Götze. Vizepräsident Höhn: Abgeordnete Stange, DIE LINKE: Götze, Staatssekretär: Danke, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Walk beantworte ich für die Landesregierung wie folgt: Studentisches Wohnen in der alten Zahnklinik in Erfurt? Zu Frage 1: Im Jahr 2014 wurden 125 Personen in Thüringen dem Islamismus zugerechnet. Für dieses Jahr ist eine nur geringfügige Steigerung zu verzeichnen. Etwa die Hälfte davon wird dem extremistischen Salafismus zugeordnet. Zu Frage 2: In den Jahren 2013 und 2012 belief sich die Zahl auf circa 100 Personen. Demnach ist eine leicht zunehmende Tendenz zu verzeichnen. Zu Frage 3: Den Sicherheitsbehörden liegen gegenwärtig keine konkreten Hinweise auf Anwerbungsversuche von islamistischen Organisationen oder Einzelpersonen unter Asylsuchenden in Thüringen vor. Allerdings engagieren sich Einzelpersonen, die aus der extremistischen salafistischen Szene bekannt geworden sind, in der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe, beispielsweise mit Übersetzungsdiensten, praktischen Unterstützungen oder auch Hilfe bei Behördengängen. Zu Frage 4: Entsprechend der jetzigen Erkenntnislage handelt es sich bei den Hilfsangeboten vor dem Hintergrund landsmannschaftlicher und kultureller Verbundenheit eher um ein humanitäres Engagement. Auch dürfte angesichts der negativen Erfahrungen vieler Flüchtlinge mit islamistischen Bestrebungen im Herkunftsland ein Großteil von ihnen derartiger Propaganda ablehnend gegenüberstehen. Dennoch werden die Sicherheitsbehörden gemeinsam mit den Ordnungs- und Ausländerbehörden die Aktivitäten von Islamisten und extremistischen Salafisten an Flüchtlingseinrichtungen konsequent aufklären, diese unter Ausnutzung aller rechtlichen Möglichkeiten unterbinden und die Mitarbeiter in Flüchtlingseinrichtungen mithilfe von Informationsmaterial zum Thema „Islamismus und extremistischer Salafismus“ weiter sensibilisieren. Im Übrigen gehen Polizei und Verfassungsschutz in enger Zusammenarbeit den Hinweisen, dass sich unter den Flüchtlingen möglicherweise islamistisch motivierte Einzelkämpfer befinden könnten, in jedem Einzelfall konsequent nach und stimmen sich Gemäß einer Meldung der „Thüringer Allgemeinen“ vom 13. Oktober 2015 gibt es eine Einigung in der Nutzung der alten Zahnklinik in der Nordhäuser Straße in Erfurt. So soll hier ab Juni 2016 ein Studierendenwohnheim mit circa 270 Wohneinheiten entstehen. Dabei sollen circa 8 Millionen Euro investiert werden. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche konkreten Planungen gibt es seitens des zuständigen Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft für den Umbau der alten Zahnklinik zu einem Wohnheim für Studierende? 2. Gibt es noch mögliche Hürden, die eine Verzögerung oder Verhinderung der Bebauung bedeuten könnten und wenn ja, wie sollen diese gelöst werden? 3. Auf welcher Berechnungsgrundlage wurden die zu investierenden 8 Millionen Euro ermittelt? 4. Welche Auswirkungen ergeben sich nach Auffassung der Landesregierung für die Stadt Erfurt, insbesondere in Bezug auf den Erbbaurechtsvertrag? Vizepräsident Höhn: Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft. Hoppe, Staatssekretär: Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten, ich beantworte die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Stange für die Thüringer Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die alte Zahnklinik in unmittelbarer Campusnähe der Universität Erfurt soll zukünftig als Studierendenwohnanlage genutzt werden. Die Sanierung soll durch das Studentenwerk Thüringen erfolgen. Dazu wurde eine Zustandsanalyse des Gebäudes erstellt, auf deren Grundlage der Umbaubedarf pro- 2390 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Staatssekretär Hoppe) gnostiziert wurde. Die Realisierung des Vorhabens wird bei optimalem Verlauf nach Angabe des Studentenwerks Thüringen einen Zeitraum von circa 27 Monaten zuzüglich Planungsvorlauf beanspruchen. werten, sodass ich davon ausgehe, dass die genannte Investitionssumme von 8 Millionen Euro zutreffend ist. Zu 2: Aus Sicht der Landesregierung sind derzeit keine Hürden bekannt, die zu einer Verzögerung oder Behinderung des Vorhabens führen können. Der Sanierungsbeginn soll im November 2016 erfolgen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär Hoppe. Wir kommen zur nächsten Anfrage in der Drucksache 6/ 1211, Fragesteller ist Herr Abgeordneter Kowalleck, CDU-Fraktion. Zu 3: Das Studentenwerk Thüringen hat für das Vorhaben Investitionskosten von circa 8 Millionen Euro ermittelt. Diese Angabe basiert auf der bereits erwähnten aktuellen Zustandsanalyse des Gebäudes. Dabei wird davon ausgegangen, dass BAföG-gerechte Mieten für 250 bis 270 Wohneinheiten ermöglicht werden. Abgeordneter Kowalleck, CDU: Zu 4: Nach Auffassung der Landesregierung wird sich das Vorhaben positiv auf die Stadt Erfurt auswirken. Es wird ganz offensichtlich ein städtebaulicher Missstand beseitigt und die Unterbringungsquote für studentisches Wohnen in Erfurt kann spürbar von 9 auf voraussichtlich 11 Prozent erhöht werden. Zum Erbbaurecht: Es existiert ein Erbbaurechtsvertrag zwischen der Stadt Erfurt als Erbbaurechtsgeber und dem Freistaat Thüringen als Erbbaurechtsnehmer. Der Vertrag wurde 1994 mit einer Laufzeit von 99 Jahren abgeschlossen. Als Erbbauzweck sind darin Forschung und Lehre sowie studentisches Wohnen festgeschrieben. Die Sanierung der alten Zahnklinik mit dem Ziel der Nutzung für studentisches Wohnen steht somit im Einklang mit dem Erbbaurechtsvertrag. Für die Durchführung des Vorhabens ist es notwendig, dass das Erbbaurecht des Freistaats auf das Studentenwerk Thüringen übertragen wird, was im Juli 2016 erfolgen soll. Vielen Dank. Vizepräsident Höhn: Gibt es Nachfragen? Herr Kollege Schaft, bitte. Abgeordneter Schaft, DIE LINKE: Die Stadt Erfurt hat im Jahr 2013 den Bedarf zur Investition auf 13,5 Millionen Euro beziffert. Was sind die Gründe dafür, dass jetzt diese Differenz zwischen den in der Zustandsanalyse benannten 8 Millionen Euro und den von der Stadt Erfurt im Jahr 2013 benannten 13,5 Millionen Euro besteht? Hoppe, Staatssekretär: Da ich die Kalkulation der Stadt Erfurt und deren Planungs- und Kalkulationsgrundlagen nicht kenne, kann ich dies nicht beurteilen. Die Planungen des Studentenwerks Thüringen basieren auf einer eigenen Begehung und entsprechenden Erfahrungs- Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Herr Präsident. Landesregierung plant zentrale Verteilstelle für Flüchtlinge in Saalfeld Nach einem Beitrag in der „Ostthüringer Zeitung“ vom 21. Oktober 2015 plant die Landesregierung eine zentrale Verteilstelle für alle Flüchtlinge, die nach Thüringen kommen. Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow habe gegenüber der Zeitung geäußert, dass aufgrund der Lage an der Zugstrecke aus Bayern diese wahrscheinlich in Saalfeld entstehen werde. Weiter heißt es, dass vor einer Woche ein Sonderzug mit 500 Flüchtlingen die Saalestadt erreichte. Ich frage die Landesregierung: Aus welchen Gründen ist von der Landesregierung die Einrichtung einer zentralen Verteilstelle in Saalfeld und nicht – wie zunächst vorgesehen – in Apolda oder an einem anderen Bahnhof an der Zugstrecke aus Bayern mit geringerem Pendlerverkehr vorgesehen? Wie viele Züge mit wie vielen Flüchtlingen werden nach den Plänen der Landesregierung nach Einrichtung einer zentralen Verteilstelle am Bahnhof Saalfeld voraussichtlich wöchentlich bzw. monatlich ankommen? Welche Auswirkungen hat die Einrichtung einer zentralen Verteilstelle am Bahnhof Saalfeld auf den Pendler- und weiteren Fahrgastverkehr vor Ort? Inwieweit ist vorgesehen, den Bahnhof in Saalfeld für das „beschleunigte Rückführungsmanagement“ (Zitat Ministerpräsident Bodo Ramelow, „Ostthüringer Zeitung“ vom 21. Oktober 2015) zu nutzen? Vizepräsident Höhn: Es antwortet Staatssekretärin Frau Dr. Albin. Dr. Albin, Staatssekretärin: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kowalleck beantworte ich für die Landesregierung wie folgt: Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2391 (Staatssekretärin Dr. Albin) Antwort zu Frage 1: Seitens der Landesregierung ist nicht vorgesehen, eine zentrale Verteilstelle in Saalfeld einzurichten. Aus betriebsorganisatorischen sowie technischen Gründen ist es aber so, dass die Sonderzüge der Deutschen Bahn AG derzeit lediglich Saalfeld anfahren. Anzumerken ist zudem, dass Apolda an einer Ost-West-Bahnstrecke liegt, die betroffenen Sonderzüge aber aus Bayern – also aus südlicher Richtung – nach Thüringen kommen. Antwort zu Frage 2: Gegenwärtig wird mit der Ankunft von drei Zügen pro Woche mit jeweils etwa 560 Flüchtlingen gerechnet. Antwort zu Frage 3: Seitens des Landesverwaltungsamts wird versucht, die Auswirkungen auf den Pendler- und den Fahrgastverkehr möglichst gering zu halten, indem die ankommenden Flüchtlinge möglichst zügig in bereitgestellte Busse umsteigen und weiterreisen. Im Übrigen verweise ich auf die Antwort zu Frage 1. Antwort zu Frage 4: Inwieweit der Bahnhof in Saalfeld gegebenenfalls bei einem beschleunigten Rückführungsmanagement eine Rolle spielen wird, lässt sich derzeit noch nicht abschließend sagen. Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir kommen zur nächsten Anfrage. Fragestellerin ist Frau Abgeordnete Mühlbauer, SPD-Fraktion, und die Frage hat die Drucksachennummer 6/1214. Abgeordnete Mühlbauer, SPD: Wahl eines Vorsitzenden des Gemeinderats § 23 Abs. 1 Thüringer Kommunalordnung eröffnet einem Gemeinderat die Möglichkeit, statt des Bürgermeisters als seinem geborenen Vorsitzenden, ein Mitglied aus seinen Reihen durch Wahl zum Vorsitzenden zu bestimmen. Die Festlegung hat im Rahmen der Hauptsatzung zu erfolgen, und zwar, so Satz 3 der Vorschrift, zu Beginn der Amtszeit des Gemeinderats. Ich frage die Landesregierung: Kann der Gemeinderat abweichend vom Gesetzestext mit Wirkung für seine laufende Amtszeit die Hauptsatzung dahin gehend ändern, dass sein Vorsitzender ein Mitglied des Gemeinderats anstatt des Bürgermeisters sein soll und wenn ja, unter welchen Bedingungen kann dies erfolgen? Vielen Dank. Vizepräsident Höhn: Vizepräsident Höhn: Eine Nachfrage. Herr Kollege Kowalleck, bitte schön. Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Götze. Götze, Staatssekretär: Abgeordneter Kowalleck, CDU: Danke, Herr Präsident. Warum wurde dann der Ministerpräsident in dem genannten Beitrag in dem Zusammenhang mit der Einrichtung einer zentralen Verteilstelle erwähnt? Das muss ja eine Information der Landesregierung gewesen sein. Dr. Albin, Staatssekretärin: Das entzieht sich meiner Kenntnis, wie es zu diesem Zitat gekommen ist. Abgeordneter Kowalleck, CDU: Sie sagten, der Bahnhof wird ja trotzdem entsprechend genutzt. Wie hoch sind die Kosten, die durch die gegebenen Nutzungen am Bahnhof Saalfeld durch das Ankommen der Flüchtlinge anfallen, für das Land, die Stadt Saalfeld und den Landkreis? Dr. Albin, Staatssekretärin: Das sind meines Wissens keine signifikanten Kosten, aber wir können dazu gerne noch schriftlich Genaueres berichten. Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Mühlbauer beantworte ich für die Landesregierung wie folgt: Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 Thüringer Kommunalordnung kann die Hauptsatzung zu Beginn der Amtszeit des Gemeinderats bestimmen, dass den Vorsitz ein vom Gemeinderat gewähltes Gemeinderatsmitglied führt. Der Terminus „zu Beginn der Amtszeit“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. In den Kommentierungen zur Thüringer Kommunalordnung werden zur Auslegung unterschiedliche Auffassungen vertreten. Das Thüringer Landesverwaltungsamt geht davon aus, dass das Merkmal „zu Beginn der Amtszeit“ jedenfalls dann erfüllt ist, wenn eine entsprechende Regelung in der Hauptsatzung innerhalb eines Zeitraums von ein bis vier Monaten ab Beginn der Amtsperiode des Gemeinderats in Kraft tritt. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Vizepräsident Höhn: Vielen Dank. Herr Abgeordneter Kuschel hat eine Nachfrage. Bitte. 2392 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE: Abgeordnete Mühlbauer, SPD: Danke, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, in der 5. Legislaturperiode gab es dazu eine Anfrage des Abgeordneten Kuschel mit einer Einzelaufstellung all der Gemeinden, die während der Amtszeit einen Gemeinderatsvorsitz gewählt haben, davon auch im Ilm-Kreis insgesamt drei Gemeinden. Wie erklären Sie, dass das Landesverwaltungsamt jetzt die Auffassung vertritt, dass sozusagen nach Ablauf einiger Monate diese Frist endet, wenn in der kommunalen Praxis bisher auch während der Amtszeiten eine Änderung der Hauptsatzung möglich war? Welche Gründe sprechen jetzt für eine andere Rechtsauffassung, gibt es da Urteile oder dergleichen? Wenn die Amtszeit in diesem Gemeinderat im Frühjahr des Jahres 2014 begonnen hat, kann man dann Ihre Äußerung so verstehen, dass wir Ende 2015 nicht mehr den Beginn der Amtszeit haben, weil jetzt definitiv ein Zeitfenster von 18 Monaten bereits überschritten ist? Vizepräsident Höhn: Götze, Staatssekretär: Das können Sie so verstehen. Vizepräsident Höhn: Weiteren Fragebedarf sehe ich dazu nicht. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die nächste Fragestellerin ist Frau Abgeordnete König und ihre Frage trägt die Nummer 6/1215. Herr Staatssekretär, bitte schön. Abgeordnete König, DIE LINKE: Götze, Staatssekretär: Sehr geehrter Herr Präsident. Das bedarf – das geht auch aus meiner Antwort hervor – dann immer einer Einzelfallbetrachtung. Ich habe Ihnen hier dargelegt, in welchem Zeitraum ganz sicher davon auszugehen ist, dass das Merkmal „zu Beginn der Amtszeit“ erfüllt ist, so wie es im Gesetz normiert ist. Entwicklung der Neonazi-Szene in Saalfeld Vizepräsident Höhn: Eine weitere Nachfrage von Herrn Kuschel. Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE: Danke. Die bisherige Auffassung der Rechtsaufsichtsbehörden bestand darin, es handelt sich um eine ordnungspolitische Regelung, die nicht das Ermessen des Gemeinderats bei der Formulierung der Hauptsatzung ausschließt. Deshalb noch mal die Frage: Wenn es sich um eine ordnungspolitische Regelung handelt, die wir ja auch an anderen Stellen in der Kommunalordnung haben, weshalb wird hier jetzt gesagt „im Einzelfall“ und erfolgt vom Grundsatz her diese Einschränkung auf die ersten vier Monate? Götze, Staatssekretär: Auch eine ordnungspolitische Regelung ist natürlich erst einmal zu beachten. Ich habe nicht gesagt, dass andere Regelungen damit zwingend beanstandet werden müssen. Vizepräsident Höhn: Jetzt hat die Fragestellerin, Frau Mühlbauer, noch eine Frage. Seit Anfang des Jahres tritt die Neonazi-Partei „Der Dritte Weg“ stärker in Thüringen in Erscheinung. An einer Demonstration der Partei am 1. Mai 2015 in Saalfeld nahmen über 600 Personen teil. Dabei kam es mehrfach zu Gewalttaten. In der Region Saalfeld-Rudolstadt folgte nach dem 1. Mai 2015 die erste Stützpunkt-Gründung in Thüringen der Partei „Der Dritte Weg“ unter dem Namen „Thüringer Wald/Ost“. Seither wurden wiederholt rassistische Flyer unter anderem gegen die Errichtung von Flüchtlingsunterkünften verteilt. Neben der NPD im Kreistag und dem „Dritten Weg“ sind auch andere Neonazi-Gruppierungen mit Mitgliedern in der Region aktiv, wie die „Europäische Aktion“ sowie die Partei „DIE RECHTE“, die vor einigen Wochen behauptete, einen Stützpunkt Saalfeld gegründet zu haben. Auch das Netzwerk „Thügida“, deren Führungspersonen und deren Ableger wie „Wir lieben Ostthüringen“ treten in der Region in Erscheinung. Seit der Demonstration einer örtlichen NPD-Kreisrätin am 2. Oktober 2015 in Rudolstadt mit circa 350 Personen kam es in der Region vermehrt zu neonazistischen Gewalttaten und Schmierereien. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Einordnung trifft die Landesregierung bezüglich dieser vorgenannten rechtsextremen Gruppierungen in Thüringen wie auch insbesondere in der Region Saalfeld-Rudolstadt? 2. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu dem Netzwerk „Thügida“ und insbesondere zu deren regionalem Ableger „Wir lieben Ostthüringen“ vor dem Hintergrund der verantwortlichen Personen, deren Auftreten und den Verbindungen zur extrem rechten Szene? Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2393 (Abg. König) 3. Welche rechtsextremen Straftaten sind der Landesregierung seit Anfang 2015 im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt bekannt geworden? Vizepräsident Höhn: 4. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung der rechtsextremen Szene in der Region Saalfeld-Rudolstadt in den letzten zwölf Monaten? Abgeordnete König, DIE LINKE: Vizepräsident Höhn: Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Götze. Götze, Staatssekretär: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten König beantworte ich für die Landesregierung wie folgt: Antwort zu Frage 1: Bei den Organisationen „Der Dritte Weg“, „DIE RECHTE“, „Europäische Aktion“, „Thügida“ und „Wir lieben Ostthüringen“ handelt es sich um rechtsextremistische Gruppierungen. Diese werden durch das Amt für Verfassungsschutz in Thüringen beobachtet. Antwort zu Frage 2: „Thügida“ wird seit ihrem Bestehen im März dieses Jahres als rechtsextremistisch eingeordnet. Diese Einstufung ist insbesondere durch die in dem Zusammenhang agierenden Personen begründet. Zu den Organisatoren von „Thügida“ und den damit verbundenen Strukturen gehören Personen, die unter anderem im Zusammenhang mit der NPD, der Partei „DIE RECHTE“, der „Europäischen Aktion“ oder dem Neonazispektrum bekannt wurden. Eine Vielzahl der bei den Veranstaltungen auftretenden Redner ist diesem Spektrum zuzuordnen. Zudem sind die Teilnehmer mit schwankenden Anteilen ebenfalls der rechtsextremistischen Szene zuzurechnen. In den Demonstrationszügen werden regelmäßig entsprechende Transparente und Fahnen mitgeführt. Antwort zu Frage 3: Von Januar bis September 2015 wurden im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt insgesamt 62 Delikte der politisch motivierten Kriminalität rechts, davon 16 Gewaltdelikte, registriert. Antwort zu Frage 4: Mit dem Stützpunkt der Partei „Der Dritte Weg“ und einem aktiven NPD-Kreisverband gibt es nach gegenwärtiger Erkenntnislage mehr aktive rechtsextremistische Gruppierungen in der Region Saalfeld-Rudolstadt als noch vor einem Jahr. Ferner versucht die Partei „DIE RECHTE“ dort Fuß zu fassen. Daneben gibt es in der Region Saalfeld-Rudolstadt eine nicht bezifferbare Anzahl unorganisierter Rechtsextremisten sowie Sympathisanten, die der Szene als Mobilisierungspotenzial für Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Frau Abgeordnete König hat eine Nachfrage. Bitte. Danke für die Antwort. Als Erstes: Kann denn bestätigt werden, dass die Gründung des Stützpunkts „Der Dritte Weg“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt in Piesau stattgefunden hat? Götze, Staatssekretär: Das kann ich jetzt hier so nicht bestätigen, müsste ich recherchieren lassen, würde das dann schriftlich verankern. Abgeordnete König, DIE LINKE: Die zweite Frage: Sind Ihnen denn weitere Veranstaltungen der Neonaziszene für das restliche Jahr 2015 im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt bekannt? Götze, Staatssekretär: Da gibt es mit Sicherheit noch Veranstaltungen. Auch das würde ich noch einmal recherchieren lassen und Ihnen dann schriftlich zuarbeiten. Vizepräsident Höhn: Moment, Herr Staatssekretär. Es gibt noch eine Nachfrage vom Abgeordneten Kowalleck. Abgeordneter Kowalleck, CDU: Danke, Herr Präsident. Herr Staatssekretär, inwieweit wird denn vonseiten der Landesregierung auf die von Ihnen beschriebene Entwicklung der rechten Szene im Bereich Saalfeld-Rudolstadt reagiert? Götze, Staatssekretär: Die Reaktionen rein repressiv sind natürlich entsprechende Strafverfolgungsmaßnahmen durch Polizei, Staatsanwaltschaften, wenn Straftaten auftreten. Im präventiven Bereich durch eine verstärkte Aufklärungstätigkeit und auch Unterstützung der lokalen Bündnisse, die sich den Rechtsextremisten entgegenstellen. (Beifall DIE LINKE) Vizepräsident Höhn: Wir kommen nun zur Anfrage von Frau Abgeordneter Henfling, Bündnis 90/Die Grünen, in der Drucksache 6/1219. 2394 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Abgeordnete Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: der Abgeordneten Henfling beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt: Anerkennung der Studienabschlüsse „Bildung und Erziehung von Kindern“ und „Pädagogik der Kindheit“ Die B.A.-Studiengänge „Bildung und Erziehung von Kindern“ – berufsbegleitend – und „Pädagogik der Kindheit“ sind an der Fachhochschule Erfurt angesiedelt. Zielstellung beider Studienangebote ist die akademische Ausbildung von pädagogischem Fachpersonal für die Arbeit mit Kindern im Vor- und Grundschulalter. Diese Studiengänge werden sehr gut nachgefragt. Die Struktur- und Entwicklungsplanung der Fachhochschule Erfurt sieht keine Änderung für diese Studiengänge vor. Die staatliche Anerkennung der Abschlüsse dieser Studiengänge als Kindheitspädagogen ist unstrittig. Die staatliche Anerkennung der Studiengänge in der Kindheitspädagogik hat der Freistaat Thüringen bereits mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Thüringer Sozialberufe-Anerkennungsgesetzes vom 7. Oktober 2012 geregelt. Mit dem Beschluss der fachlichen Empfehlungen zu Fachkräften im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in Thüringen vom 4. Juni 2012 hat der Landesjugendhilfeausschuss geregelt, in welchen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe welche sozialpädagogischen Studienabschlüsse zum Einsatz kommen können. Demnach kann der staatlich anerkannte Kindheitspädagoge/die -pädagogin neben den Kindertageseinrichtungen auch in den Bereichen der Förderung der Erziehung in der Familie tätig werden. Dies umfasst den Einsatz in Familienzentren ebenso wie die Tätigkeit in Eltern-Kind-Zentren. Seit September 2010 gibt es an der Fachhochschule Erfurt Absolventinnen und Absolventen des berufsbegleitenden Studiengangs „Bildung und Erziehung von Kindern“; ab 2015 werden die ersten Absolventinnen und Absolventen den grundständigen Studiengang „Pädagogik der Kindheit“ erfolgreich beenden. Eine angemessene Anerkennung und Einstufung dieser Abschlüsse ist jedoch nicht gegeben. In den „Fachlichen Empfehlungen zu Fachkräften im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in Thüringen“ (Stand: 4. Juni 2012) sind die „staatlich anerkannten Kindheitspädagoginnen und -pädagogen B.A.“ nur in folgenden Bereichen im Fachkräftegebot namentlich aufgeführt: Handlungsfeld Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 18 SGB VIII) und Handlungsfeld Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Verwaltung). Berufspraktisch erfahrene Kindheitspädagoginnen und -pädagogen sind nicht nur in der Kindertagesbetreuung in der konkreten Arbeit mit den Kindern fachlich fundiert ausgebildet, sondern geeignet für die Tätigkeit in Eltern-Kind-Zentren, Familienzentren, als Einrichtungsleitungen und in der Fachberatung bzw. im Bereich der Ganztagsschulen als koordinierende Fachkräfte. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Perspektiven haben die Studiengänge „Bildung und Erziehung von Kindern“ und „Pädagogik der Kindheit“ in der aktuellen Hochschulpolitik des Landes? 2. Inwieweit werden die Hochschulabschlüsse der staatlich anerkannten Kindheitspädagoginnen und -pädagogen bei der Stellenvergabe im Fachkräftegebot anerkannt und berücksichtigt? 3. Inwieweit sieht die Landesregierung die Notwendigkeit, den Abschluss der Kindheitspädagoginnen und -pädagogen in weitere Tätigkeitsfelder des Fachkräftegebots verbindlich einzupflegen? 4. Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um den Anteil an Kindheitspädagoginnen und -pädagogen zu erhöhen und diese Tätigkeit attraktiv zu machen? Vizepräsident Höhn: Für die Landesregierung antwortet Frau Staatssekretärin Ohler. Ohler, Staatssekretärin: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage Die Fragen 2 bis 4 würde ich zusammen beantworten: Die Inhaber der genannten Hochschulabschlüsse sind anerkannte Fachkräfte für den Bereich der öffentlichen Kindertageseinrichtungen. Lediglich im Bereich der Jugendhilfe gibt es Einschränkungen dahin gehend, dass der Bacheloroder Masterabschluss in einem Studiengang der Kindheitspädagogik mit staatlicher Anerkennung per se nicht das Fachkräftegebot in den Handlungsfeldern Gemeinsame Wohnformen für Mütter, Väter und Kinder, Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Hilfe für junge Volljährige im Sinne der §§ 19, 27 bis 35a, 41 SGB VIII erfüllt. Der jeweilige Träger einer solchen Einrichtung kann allerdings für eine Absolventin bzw. einen Absolventen eines solchen Studiengangs eine Zulassung nach § 23 Satz 2 ThürKJHAG bei dem Landesjugendamt auf Antrag dann erhalten, wenn diese Person nach ihren Vorbildungsvoraussetzungen und Erfahrungswerten für dieses spezielle Setting geeignet ist. Es gibt insoweit keinen Ausschluss in den beschriebenen Tätigkeitsfeldern, sondern die Fachkräfteanerkennung bezüglich der genannten Bildungsabschlüsse bleibt hier lediglich einer Einzelfallentscheidung des Landesjugendamts vorbehalten. Bezüglich der Attraktivität des Berufsbilds der genannten Bildungsabschlüsse bleibt festzustellen, dass zumindest der Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2395 (Staatssekretärin Ohler) Abschluss „Pädagogik der Kindheit“ nicht als Eingruppierungsmerkmal in dem aktuellen Schlichtungsergebnis zum TVöD-SuE enthalten ist. Bezüglich des Abschlusses „Bildung und Erziehung von Kindern“ ist diese ebenfalls nicht im aktuellen Schlichtungsergebnis im TVöD-SuE enthalten, jedoch dürfte dieser Abschluss in der Regel darauf ausgerichtet sein, künftige Führungsaufgaben wahrzunehmen, zum Beispiel in Kindertageseinrichtungen. Für diesen Fall der Übernahme von Führungs- bzw. Leitungsaufgaben ist bezüglich der eigentlichen Eingruppierung der jeweilige Bildungsabschluss unbeschadet von etwaigen fachgesetzlichen Regelungen wie zum Beispiel § 14 Abs. 4 ThürKitaG eher sekundär, da hier weniger die Qualifikation als vielmehr die jeweilige Belegung der Einrichtung maßgeblich ist. Eine Einflussnahme der Landesregierung auf die jeweilige tarifvertragliche Ausgestaltung ist allerdings ausgeschlossen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. Vizepräsident Höhn: Es gibt eine Nachfrage von Frau Abgeordneter Henfling. Abgeordnete Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Können Sie mir sagen, wie weit Absolventinnen und Absolventen der genannten Abschlüsse auch im Bereich der unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländer zum Einsatz kommen können? Ohler, Staatssekretärin: Das muss ich ebenfalls noch mal nachrecherchieren lassen und würde es schriftlich beantworten. Vizepräsident Höhn: Eine Nachfrage des Abgeordneten Wolf. Abgeordneter Wolf, DIE LINKE: Frau Staatssekretärin, gibt es seitens des Ministeriums die Absicht bzw. ist das schon erfolgt, beim Kommunalen Arbeitgeberverband bzw. bei den tarifführenden Gewerkschaften eine Nachfrage anzustellen, inwiefern die Abschlüsse in Thüringen, die natürlich nicht bundesweit im Tarifwerk hundertprozentig eingepflegt werden können, zukünftig Geltung erlangen können, sodass das, was auch im Koalitionsvertrag steht, nämlich die Akademisierung auch der frühkindlichen Bildung weiter voranzutreiben, auch in der Anerkennung der Abschlüsse weiter Rechnung trägt? Ohler, Staatssekretärin: Auch da müsste ich mich noch mal erkundigen und würde es schriftlich nachreichen. Vizepräsident Höhn: Das haben wir zur Kenntnis genommen. Weitere Fragestellungen sehe ich jetzt nicht. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Die nächste Fragestellerin ist Frau Abgeordnete Floßmann, CDU-Fraktion, Drucksache 6/1220. Abgeordnete Floßmann, CDU: Vielen Dank, Herr Präsident. Aktueller Verhandlungsstand zu Straßenausbaubeiträgen Laut Koalitionsvertrag der die aktuelle Landesregierung tragenden Parteien ist geplant, sich umfassend mit dem Thema der Straßenausbaubeiträge zu befassen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Schritte hat die Landesregierung bisher getroffen, um über die Neugestaltung der Straßenausbaubeiträge zu diskutieren? 2. Welche Vereine, Verbände, Initiativen und andere Institutionen waren daran beteiligt? 3. Welche Ergebnisse sind daraus bisher abzuleiten? 4. Welche konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung zur Änderung der Straßenausbaubeiträge? Vizepräsident Höhn: Für die Landesregierung antwortet Herr Staatssekretär Götze. Götze, Staatssekretär: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Floßmann beantworte ich für die Landesregierung wie folgt: Zu Frage 1: In Umsetzung der Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag wurden Mitte Februar dieses Jahres verschiedene Interessenvertreter um Stellungnahme gebeten, inwieweit das Thüringer Straßenausbaubeitragsrecht angemessen weiterentwickelt werden könnte. Im Anschluss daran fanden bisher zwei Diskussionsforen zu diesem Thema in Weimar statt. Zu Frage 2: Folgende Vereine, Verbände, Initiativen nahmen an diesen Diskussionsforen teil: der Gemeinde- und Städtebund Thüringen, die Bürgerallianz Thüringen, der Landesverband der Thürin- 2396 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Staatssekretär Götze) ger Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e. V., der Landesverband Thüringen e. V. des Deutschen Mieterbunds sowie der Verband der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft e. V. Durch den Thüringer Landkreistag wurde mitgeteilt, dass dieser von einer Teilnahme absehe. Zu Frage 3: Im Rahmen des zweiten Diskussionsforums wurden verschiedene Modelle zur Weiterentwicklung des Straßenausbaubeitragsrechts in Thüringen vorgestellt. Aus dem sich daran anschließenden Dialog zwischen den Beteiligten ergab sich noch weiterer Prüfbedarf. Anhand dieser Prüfergebnisse soll im dritten Diskussionsforum, welches im Dezember 2015 stattfinden soll, der Dialog fortgesetzt werden. Zu Frage 4: Hinsichtlich konkreter Maßnahmen der Landesregierung bleibt zunächst der weitere Fortgang des Dialogs abzuwarten. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich sehe keine Wortmeldungen. Doch, Frau Floßmann, bitte schön. Abgeordnete Floßmann, CDU: Wo wird das dritte Diskussionsforum geplant sein? Wie ist der Kreis derer, die eingeladen werden? In welchem Zeitrahmen oder Zeitplan beabsichtigen Sie, konkrete Maßnahmen festzulegen? (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das waren drei Fragen!) Götze, Staatssekretär: Das dritte Diskussionsforum wird in Weimar stattfinden. Die Einladungen werden sich an den gleichen Teilnehmerkreis richten und wir planen, danach unverzüglich einen Regelungsvorschlag vorzulegen. Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Jetzt kommen wir zur nächsten Anfrage. Die stellt Frau Abgeordnete Leukefeld von der Fraktion Die Linke in der Drucksache 6/1222. Abgeordnete Leukefeld, DIE LINKE: Danke, Herr Präsident. Meine Mündliche Anfrage: Umsetzung des Landesprogramms „Arbeit für Thüringen“ – Berufliche Integration spezieller Zielgruppen Mit der Neufassung der Richtlinie zum Landesprogramm „Arbeit für Thüringen“ gibt es einen Teil 2.2, der die Beschäftigungsförderung und berufliche Integration von benachteiligten Zielgruppen ein- schließlich Migranten und Flüchtlingen beinhaltet. Die Förderung soll die sozialen und beruflichen Integrationsmöglichkeiten verbessern sowie die Nachhaltigkeit erfolgter Vermittlung in ein Beschäftigungsverhältnis stärken. Es werden zielgruppenspezifische Projekte zur beruflichen Qualifizierung und zur beruflichen oder sozialen Integration einschließlich der Förderung von Begleitstrukturen unterstützt. Die Förderregeln sehen vor, dass für die fachliche Auswahl von Projektkonzeptionen ein Konzeptauswahlverfahren vorgeschaltet werden kann. Die Bewertung der eingereichten Konzepte im Rahmen des Konzeptauswahlverfahrens erfolgt durch eine Jury. Für die in dem Verfahren ausgewählten Projekte erfolgt danach die Aufforderung zur Antragstellung. Ich frage die Landesregierung: 1. Aus wie vielen eingereichten Konzepten erfolgte nach welchem Modus die Auswahl wie vieler Projektkonzeptionen? 2. Nach welchen Kriterien erfolgte die Bewertung der Konzeptionen? 3. Ist die Entscheidung durch die Jury erfolgt und wenn ja, welche Projekte welcher Träger wurden ausgewählt? 4. In welchem finanziellen und zeitlichen Umfang werden diese Projekte gefördert? Herzlichen Dank. Vizepräsident Höhn: Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin Werner. Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Frau Leukefeld, namens der Landesregierung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt: Zunächst eine Vorbemerkung: In der Neufassung der Richtlinie zum Landesprogramm „Arbeit für Thüringen“ gibt es einen Teil 2.2 – Sie sprachen das schon an –, der die Beschäftigungsförderung und die berufliche Integration von benachteiligten Zielgruppen einschließlich Migranten und Flüchtlingen beinhaltet. Es werden zielgruppenspezifische Projekte zur beruflichen Qualifizierung und zur beruflichen und sozialen Integration einschließlich der Förderung von Begleitstrukturen unterstützt und – Sie sagten es – die Förderregeln sehen vor, dass für die fachliche Auswahl von Projektkonzeptionen ein Konzeptauswahlverfahren vorgeschaltet werden kann. Die Bewertung der eingereichten Konzepte im Rahmen des Konzeptauswahlverfahrens erfolgt durch eine Jury. Für die in dem Verfahren ausge- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2397 (Ministerin Werner) wählten Projekte erfolgt danach die Aufforderung zur Antragstellung. Zu Frage 1: Die Richtlinie zum Landesarbeitsprogramm „Arbeit für Thüringen“ ist nach einem intensiven Abstimmungsprozess mit der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der Bundesagentur für Arbeit, den Thüringer Jobcentern, den Thüringer Wirtschafts- und Sozialpartnern, dem Thüringer Finanzministerium und dem Thüringer Rechnungshof am 6. Oktober 2015 in Kraft getreten. Während die vorwiegend durch Mittel des Europäischen Sozialfonds finanzierte Integrationsrichtlinie die berufliche Integration von langzeitarbeitslosen Menschen fördert, schließt das ausschließlich aus Landesmitteln gespeiste Programm „Arbeit für Thüringen“ unter anderem die Förderung von Flüchtlingen explizit ein, also von Personen, die in der Regel noch nicht lange arbeitslos gemeldet sind, gleichwohl aber unserer Unterstützung bei der sozialen und beruflichen Integration bedürfen. Der von Frau Abgeordneter Leukefeld angesprochene Fördergegenstand sieht die Möglichkeit vor, der Antragstellung und Bewilligung ein sogenanntes Konzeptauswahlverfahren vorzuschalten. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass aus vielen Konzepten die besten Ansätze herausgefiltert werden können. Der Nachteil des Verfahrens besteht jedoch in dem hohen zeitlichen Aufwand von circa drei Monaten, mit dem vom ersten Aufruf bis zur Bewilligung der Projekte gerechnet werden muss. Der mit der aktuellen Entwicklung in der Flüchtlingsfrage verbundene dringende Handlungsbedarf hat uns bewogen, auf die Durchführung von Konzeptauswahlverfahren zu verzichten, um noch in diesem Jahr mit ersten Projekten beginnen zu können. Stattdessen war bereits unmittelbar nach Inkrafttreten der Richtlinie eine Antragstellung bei der GFAW möglich. Zum jetzigen Zeitpunkt liegen der GFAW und dem TMASGFF bereits 14 Konzepte zur sozialen und beruflichen Integration von Asylsuchenden, geduldeten und anerkannten Flüchtlingen vor. Zum Stand 28. Oktober sind diese Konzepte in insgesamt 17 formgebundene Anträge eingeflossen. Verschiedene Vorhaben werden demnach durch mehrere Träger umgesetzt, die für ihre Teilprojekte separate Anträge gestellt haben. Zu Frage 2, nach welchen Kriterien die Bewertung der Konzeptionen erfolgte: Die vorliegenden Anträge wurden am 28. Oktober 2015 durch einen Förderausschuss, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der GFAW, der Regionaldirektion, des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und meines Hauses bewertet. Folgende Kriterien wurden zugrunde gelegt: Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des bzw. der durchführenden Träger, das heißt unter anderem Erfahrungen in den Projekten der beruflichen Integration, der Netzwerkarbeit, Nachweis von interkulturellen und sprachlichen Kompetenzen; als Nächstes Vernetzung in der Region, Kooperation und Zusammenarbeit mit Arbeitsagenturen, Jobcentern, Unternehmen und weiteren relevanten Akteuren. Ein weiteres Kriterium war die Umsetzungsplanung, das methodische Vorgehen und die Qualitätssicherung und viertes Kriterium Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Finanzplanung. Zu Frage 3, ob die Entscheidung durch eine Jury erfolgte und wenn ja, welche Projekte ausgewählt wurden: Die Förderentscheidung wurde letztendlich durch die GFAW getroffen, die als beliehenes Unternehmen die Funktion einer Bewilligungsbehörde wahrnimmt. Die in der Antwort zu Frage 2 beschriebene Bewertung des Förderausschusses ist in dem Sinne eine fachliche Förderempfehlung. Die 17 Anträge bzw. Projekte wurden alle im Ansatz als grundsätzlich förderwürdig eingeschätzt. Bei vier Vorhaben sind jedoch wichtige Fragen offengeblieben. Hier besteht noch Konkretisierungsbedarf. Drei Vorhaben waren fachlich so weit ausgereift, dass eine Bewilligung empfohlen werden konnte. Am 2. November 2015 können demnach zunächst zwei große Verbundprojekte in Süd- und Nordthüringen beginnen. Weitere Projekte werden voraussichtlich Mitte November und im Dezember folgen. Darunter ein thüringenweites Projekt aller Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammern, das die Vorbereitung und Vermittlung von jungen Flüchtlingen in Praktika und betriebliche Ausbildungsplätze zum vorrangigen Ziel hat. Zu Frage 4, in welchem finanziellen und zeitlichen Umfang diese Projekte gefördert werden: Die zum Stand 28. Oktober 2015 vorliegenden 17 Anträge summieren sich auf einen Betrag von circa 5 Millionen Euro für die beantragte Gesamtlaufzeit. Die Laufzeit der Projekte ist grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2017 bemessen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Vizepräsidentin Jung: Ich sehe keine Nachfragen. Dann rufe ich die Anfrage des Abgeordneten Krumpe, fraktionslos, in der Drucksache 6/1223 auf. Abgeordneter Krumpe, fraktionslos: Ökonomische Auswirkungen des 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens in Thüringen Mit der geplanten Einführung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens durch die angestrebte Novellierung des Thüringer Wassergesetzes sind ökonomische Effekte auf die Landwirtschaft nicht auszuschließen. Seit dem 13. Oktober 2015 liegt dem zuständigen Ministerium nach meiner Kenntnis eine erste Stellungnahme über die ökonomischen Auswirkungen vor. Ich frage die Landesregierung: 2398 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Krumpe) 1. Wie viel Hektar Acker- und Grünlandfläche werden durch die Einführung eines 10 Meter breiten Randstreifens gegenüber der derzeitigen landwirtschaftlichen Praxis in Thüringen betroffen sein? 2. Mit welcher Methodik und mit welchen Datensätzen bezogen auf die Landnutzung und auf die verwendeten Gewässertypen und -klassen wurde die Berechnung der Acker- und der Grünlandfläche unter Frage 1 durchgeführt? 3. Welche ökonomischen Folgen hätte die gesetzliche Festlegung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens auf Erträge und Erntemengen für die ersten fünf Arten der am häufigsten angebauten Feldfrüchte? 4. Wurden im Entwurf zum Doppelhaushalt 2016/ 2017 mögliche Ausgleichszahlungen für entgangene Gewinne als Folge der avisierten naturschutzbedingten Regelung, Einführung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens, veranschlagt und wenn nein, warum nicht? Vizepräsidentin Jung: Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz, Herr Staatssekretär Möller. schen Vorortanwendungen nach jeweiligem Fachrecht, verschiedener Regelungen in der Düngeverordnung, nicht gegeben. Zu Frage 2: Die Abschätzung der möglich betroffenen landwirtschaftlichen Nutzfläche in einem 10 Meter breiten Gewässerrandstreifen wurde unter Anwendung der Bodennutzungskategorien nach Ackerland und Grünland auf der Basis der Feldblockeinteilung am Gewässernetz, Gewässer erster und zweiter Ordnung, durchgeführt. Zu Frage 3: Ich verweise dabei auf die Vorbemerkung und sage noch dazu: Da bisher noch kein abgestimmter Gesetzentwurf vorliegt, können auch keine Kostenfolgen benannt werden, da diese von den gesetzlichen Anforderungen für die Gewässerrandstreifen abhängig sind. Zu Frage 4: Demzufolge wurden auch bisher keine möglichen Ausgleichszahlungen für entgangene Gewinne in den Entwurf des Doppelhaushalts 2016/2017 eingestellt. Ausgleichszahlungen sind abhängig vom Umfang gesetzlicher Anforderungen und diese sind derzeit noch nicht bekannt. Vielen Dank. Vizepräsidentin Jung: Es gibt eine Nachfrage. Möller, Staatssekretär: Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Krumpe, Ihre Mündliche Anfrage beantworte ich für die Landesregierung wie folgt: Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung: Die Novelle des Thüringer Wassergesetzes wird gegenwärtig federführend bei uns im Haus, im Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz, erarbeitet. Die Meinungsbildung hinsichtlich der landesrechtlichen Bestimmung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens ist dabei noch nicht abgeschlossen. Deshalb kann ich leider nicht alle Fragen zum Gewässerrandstreifen beantworten. Auch liegt derzeit noch kein abgestimmter Referentenentwurf zum Wassergesetz mit einer Kostenfolgeabschätzung vor. Ein abgestimmter Referentenwurf liegt dann vor, wenn der erste Kabinettsdurchgang erfolgt ist. Die Thematik zu den Gewässerrandstreifen wurde, wie Sie ja wissen, in den letzten beiden Sitzungen des Ausschusses für Umwelt, Energie und Naturschutz im September und Oktober 2015 relativ ausführlich diskutiert. Ich komme zu Ihren Fragen: Zu Frage 1: Wenn ein 10 Meter breiter Gewässerrandstreifen im Gesetz so stehen würde, wären nach Schätzungen circa 4.000 Hektar Ackerland und circa 6.000 Hektar Grünland betroffen. Ein Vergleich mit den Abstandsregeln nach derzeitiger landwirtschaftlicher Praxis ist aufgrund der spezifi- Abgeordneter Krumpe, fraktionslos: Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär, für die Ausführungen. Ich habe eine Nachfrage zu Frage 2. Darf ich Sie bitten, den konkreten digitalen Datenbestand beim Namen zu nennen – es geht mir hier um das Gewässernetz –, damit wir eine Korrespondenz zu den Gesetzen und Verordnungen herstellen können, die die Erhebung dieser Daten regelt? Möller, Staatssekretär: Das werde ich Ihnen nachliefern. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es auf der Basis der Feldblockeinteilung gemacht worden ist, die auch in den Antragsverfahren für die Direktzahlungen der EU verwendet werden. Aber die konkrete Datenbezeichnung kann ich Ihnen nur nachliefern. Vizepräsidentin Jung: Es gibt keine weiteren Nachfragen mehr. Ich rufe noch auf als letzte Anfrage die Anfrage des Abgeordneten Gentele, fraktionslos, in der Drucksache 6/1224. Abgeordneter Gentele, fraktionslos: Danke, Frau Präsidentin. Einführung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens in Thüringen Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2399 (Abg. Gentele) Ich frage die Landesregierung: 1. Welcher ursächliche Anlass führt zur Notwendigkeit einer Einführung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens, da es weder Probleme mit Pflanzenschutzmitteln in Thüringen gibt noch die Wirkung der verschärften Düngeverordnungsnovelle zum gegenwärtigen Zeitpunkt abgeschätzt werden kann? 2. Wie begründet die Landesregierung die Notwendigkeit eines generellen 10 Meter breiten Randstreifens gegenüber der Regelung von 2009, nämlich der Einhaltung eines 10 Meter breiten Randstreifens bei Gewässern erster Ordnung und eines Randstreifens von 5 Metern bei Gewässern zweiter Ordnung? 3. Sollen landwirtschaftliche Betriebe, die durch die Einführung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens betroffen sind und somit einen Beitrag zur Entwicklung lebendiger Gewässer mit strukturreichen Ufern einschließlich zur Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie leisten, zukünftig von der geplanten Wasserentnahmeabgabe ausgeschlossen werden und wenn nein, warum nicht? 4. Fallen Randstreifen an nicht ständig wasserführenden Steh- und Fließgewässern sowie Entwässerungsgräben unter die avisierte Gesetzesänderung? Danke. Vizepräsidentin Jung: Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Möller vom Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz. – die LaWa ist das oberste Gremium der Wasserwirtschaft, kann man so sagen, also das ist die Versammlung, die Länderarbeitsgemeinschaft der Wasserabteilungsleiter, die sogenannten Wasserdirektoren der Länder, die geballte Kompetenz sozusagen – wird eingeschätzt, dass die Novelle der Düngeverordnung zwar eine weitere Reduzierung der Nährstoffeinträge bringt, aber die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie allein dadurch nicht erreicht werden können. Aus diesem Grund sind weitergehende Maßnahmen zu prüfen. Der Gewässerrandstreifen stellt in Bezug auf Pflanzenschutzmittel einen erweiterten Schutz der Thüringer Gewässer dar und dient damit der Sicherung des derzeitigen Zustands der Gewässer hinsichtlich der Belastung durch Pflanzenschutzmittel. Zu Frage 3: Zum Entwurf des Thüringer Gesetzes zur Erhebung einer Wasserentnahmeabgabe finden gegenwärtig noch Anhörungen der Verbände und anderer außerhalb der Landesregierung stehender Stellen statt. Eine Befreiung der landwirtschaftlichen Betriebe von dieser Abgabe als Kompensation für die Nutzungsbeschränkung in den Gewässerrandstreifen sieht der Gesetzentwurf nicht vor. Es besteht hier auch kein sachlicher Zusammenhang. Zu Frage 4: Auch hierzu ist die Meinungsbildung innerhalb der Landesregierung noch nicht abgeschlossen, sodass mir eine Beantwortung nicht möglich ist. Vielen Dank. Vizepräsidentin Jung: Gibt es Nachfragen? Herr Abgeordneter Krumpe. Möller, Staatssekretär: Abgeordneter Krumpe, fraktionslos: Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Gentele, Ihre Mündliche Anfrage beantworte ich für die Landesregierung wie folgt: Ich hätte eine Frage zu dem Fragenkomplex 1 und 2: Wie schätzt die Landesregierung das Verhältnis zwischen der Düngeverordnungsnovelle und der Schaffung eines 10 Meter breiten Gewässerrandstreifens auf ihre Wirkung bezüglich der angestrebten Wasserqualität ein? Noch mal ganz kurz eine Vorbemerkung. Das war ja schon bei der vorangegangenen Mündlichen Anfrage von mir gesagt worden: Die Meinungsbildung innerhalb der Landesregierung zu dem erfragten Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen, deswegen können auch für die Landesregierung hier nicht alle Fragen im Detail beantwortet werden. Ich möchte die Frage 1 und die Frage 2 im Zusammenhang beantworten: Aufgrund des immer noch hohen Anteils diffuser Nährstoffeinträge in die Thüringer Gewässer sind weitergehende rechtliche Anforderungen zu prüfen, um den guten Zustand der Gewässer zu erreichen. Derzeit verfehlen mehr als 80 Prozent der Gewässer den guten Zustand aufgrund von Nährstoffbelastungen. Seitens der LaWa Möller, Staatssekretär: Beide Maßnahmen dienen der Verbesserung der Gewässerqualität durch Reduzierung des Eintrags von Nährstoffen in die Gewässer. Insofern ergänzen sich beide Maßnahmen. Aber beide alleine sind nicht ausreichend, um einen guten Zustand der Gewässer gemäß der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie langfristig zu erreichen. Vizepräsidentin Jung: Es gibt eine weitere Nachfrage des Abgeordneten Krumpe. 2400 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Abgeordneter Krumpe, fraktionslos: Eine Frage noch: Wie können Sie das objektivieren, denn die Düngeverordnung ist ja noch nicht in Kraft getreten. Aus der landwirtschaftlichen Praxis entnimmt man, dass das – sage ich mal – bestimmt drei, vier Jahre, vielleicht auch fünf Jahre dauert, bis man die Wirkung einer solchen Verordnung vor Ort auch feststellen kann. Wie können Sie jetzt objektivieren, dass sozusagen die Düngeverordnungsnovelle nicht ausreichend ist? Möller, Staatssekretär: Stoffeinträge in Gewässer entstehen durch verschiedene Dinge, zum einen durch Nährstoffaufbringung auf landwirtschaftliche Flächen, aber auch durch Erosion. Gewässerrandstreifen dienen insbesondere als Pufferzone im Hinblick auf Erosion. Es besteht durch die Einführung von Gewässerrandstreifen die Hoffnung, dass Ackerflächen im Rahmen des Greenings dann auch bezuschusst umgewandelt werden in Nichtackerflächen, also entweder in wirklich durch Gehölze bewachsene Gewässerrandstreifen oder eben in Grünlandflächen, und dadurch auch durch Erosion verursachte Einträge in Gewässer vermindert werden. Das kann die Düngeverordnung nicht leisten. Vizepräsidentin Jung: Ich sehe keine weiteren Fragen. Ich schließe damit die Fragestunde und rufe auf den Tagesordnungspunkt 7 Digitalfunk im Bereich nicht polizeilicher Gefahrenabwehr auf den Weg bringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/507 dazu: Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses - Drucksache 6/1025 dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/1256 Das Wort hat Abgeordneter Thamm aus dem Innen- und Kommunalausschuss zur Berichterstattung. Abgeordneter Thamm, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat in seiner Sitzung am 28. Mai 2015 den Antrag „Digitalfunk im Bereich nicht polizeilicher Gefahrenabwehr auf den Weg bringen“ in den Innen- und Kommunalausschuss zur Beratung überwiesen. Der Innen- und Kommunalausschuss hat den Antrag in der 9. und in der 11. Sitzung beraten. In der ersten Sitzung war der Innenminister anwesend und konnte noch keine abschließenden Informationen zum Antrag geben. Man hat in der Beratung vereinbart, die weitere Beratung in der 11. Sitzung mit den aktuellen Informationen durch den Innenminister fortzusetzen. In der 11. Sitzung informierte der Minister erneut über die vorgesehene Beschaffung, Finanzierung und den Zeitplan. Er sagte weiterhin zu, den Innen- und Kommunalausschuss über neue Erkenntnisse und Umsetzungen auf dem Laufenden zu halten und zu informieren. Der Ausschuss kam in der 11. Sitzung mit mehrheitlichem Beschluss zur Auffassung, den Antrag in der Sitzung abzuschließen und – mit weiterem mehrheitlichen Beschluss – dem Landtag die Empfehlung zu geben, den Antrag abzulehnen. Danke. (Beifall CDU, AfD) Vizepräsidentin Jung: Wünscht die Fraktion der AfD das Wort zur Begründung ihres Alternativantrags? Herr Abgeordneter Henke, Sie haben das Wort. Abgeordneter Henke, AfD: Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Abgeordnete, die Notwendigkeit der Ausstattung der Rettungsdienste mit digitalfunktauglichen Endgeräten steht außer Frage. Gerade die vor Kurzem stattgefundene Katastrophenschutzübung im Finnetunnel hat Presseberichten zufolge gezeigt, dass sich die Kommunikation zwischen Feuerwehr, Rettungsdiensten und dem Katastrophenschutz verschiedener Bundesländer aufgrund der unterschiedlichen Kommunikationssysteme – Analogsysteme, Digitalfunk – als hochgradig problematisch herausgestellt hat. Die Frage der technischen Vereinbarkeit von Analogfunk und Digitalfunk spielt gerade vor dem Hintergrund der in Thüringen bis 2021 geplanten vollständigen Einführung des Digitalfunks bei den nicht polizeilichen Sicherheitsbehörden eine zentrale Rolle im Rahmen eines von der Landesregierung zu erstellenden Technikkonzepts. Hier hat die Landesregierung in den nächsten mehr als fünf Jahren dafür zu sorgen, dass die Kommunikation zwischen nicht polizeilichen Sicherheitsbehörden auch länderübergreifend optimal funktioniert. Vielen Dank. (Beifall AfD) Vizepräsidentin Jung: Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Abgeordneter Fiedler, CDU-Fraktion. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Abgeordneter Fiedler, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben heute den Antrag „Digitalfunk im Bereich nicht polizeilicher Gefahrenabwehr auf den Weg bringen“ hier in den Landtag noch mal zur Beratung gestellt, weil wir mit dem Ergebnis, was hierbei bis dato rausgekommen ist, überhaupt nicht zufrieden sind. Ich möchte noch mal erwähnen: Die flächendeckende Einführung des sogenannten BOS-Digitalfunks stellt aus unserer Sicht eines der größten technischen Modernisierungsvorhaben und -herausforderungen in ganz Deutschland dar. Wie den Fachleuten bekannt ist, hat sich der Freistaat dieses Vorhabens schon frühzeitig angenommen und seit 2008 im Bereich der Polizei den Auf- und Ausbau des Digitalfunks BOS vorangetrieben. Hierdurch wurde erreicht, dass die Thüringer Polizei seit Anfang 2012 in der Lage ist, digital zu funken. Ich erwähne noch dazu, dass das auch schon bei einigen ausgesuchten Feuerwehren im Probelauf gelaufen ist. Demgegenüber ist für die Thüringer Feuerwehren, Rettungsdienste und Katastrophenschutzeinheiten eine flächendeckende Umstellung von Analog- auf Digitalfunk derzeit leider noch immer nicht in Aussicht. Nachdem unser Antrag im Mai-Plenum von allen Fraktionen zur weiteren Beratung an den Innenausschuss überwiesen wurde, war ich der Auffassung, dass wir in der Sache alle an einem Strang ziehen. Leider habe ich mich geirrt. Daran änderte auch die zweite Befassung im Innenausschuss im Juni und September nichts, denn am Ende wurde unser Antrag im Innenausschuss abgelehnt und wird es auch heute mit großer Voraussicht, und zwar – jetzt will ich die Dinge mal nennen – ohne dass dem Landtag ein mit den Kommunen abgestimmtes Technik- und Finanzierungskonzept vorgelegt wurde, ohne dass über die jährlichen Folge- und Betriebskosten informiert wurde, die auf die Kommunen zukommen, und ohne dass wir informiert wurden, wie die Kommunikation aller Gefahrenabwehrkräfte untereinander gewährleistet werden soll, sofern nicht für alle Gefahrenabwehrkräfte der Digitalfunk eingeführt wird. Die jüngsten Pannen bei der Kommunikation – der Kollege hat es gerade genannt – im Rahmen einer Feuerwehrübung im ICE-Tunnel bei Eßleben haben gezeigt, dass wir mit dem Digitalfunk alles andere als auf einem guten Weg sind. Hier möchte ich gleich einfügen, der AfD müsste bekannt sein, dass wir für den nächsten Innenausschuss schon längst eingereicht haben, dass darüber berichtet wird. Übungen sind dazu da, dass man Mängel aufdeckt und, ich glaube, das ist nicht der richtige Ort, das hier im Landtag im großen Plenum zu besprechen, sondern im Ausschuss. (Beifall CDU) Ich will es noch mal erwähnen, weil man meint, man muss etwas Besonderes machen, aber manchmal hilft es nicht. 2401 Auch die Spitzenverbände haben im Rahmen der Anhörung zum KFA ausgeführt, dass die Landesregierung bei der Umsetzung und Finanzierung des Digitalfunks keine vertretbaren Lösungen vorgelegt hat. Auch hier will ich noch mal auf die AfD eingehen. Einfach zu sagen, alles muss finanziert werden, ist mir zu einfach, sondern es muss mit den Kommunen ausgehandelt werden, wer finanziert was, die Anschaffung und die Kosten usw., denn man darf nicht vergessen, dass die Feuerwehr Pflichtaufgabe der Kommunen ist und nicht nur alles Katastrophenschutz ist. Wir sind schon grundsätzlich der Meinung, dass alles finanziert werden sollte, aber das muss mit den zuständigen Spitzenverbänden ausgehandelt werden. Deswegen können wir dem Antrag der AfD nicht zustimmen. Alles in allem bleibt festzuhalten, dass die Landesregierung in Sachen Digitalfunk weiterhin im Hintertreffen und schlecht aufgestellt ist. Wir – meine Fraktion und ich – sind der Meinung, das ist dringendst notwendig, weil keiner weiß, wie schnell es wieder mal zu irgendwelchen Katastrophen kommt. Wir werden in der letzten Zeit von allen Seiten von Katastrophen überschüttet. Ich denke, es ist dringendst notwendig, dass die Landesregierung ihre Aufgaben erfüllt und endlich etwas vorlegt, was man auch bewerten kann. Deswegen bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag. (Beifall CDU) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter Dittes zu Wort gemeldet. Abgeordneter Dittes, DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Fiedler, ich glaube, es ist nicht sachgerecht, als Innenpolitischer Sprecher hier im Landtag zu sagen, dass wir in letzter Zeit von allen Seiten von Katastrophen überschüttet werden. Das ist nun wirklich mit einem Blick auch in die jüngste Zeit in Thüringen absolut nicht der Fall, wenngleich es an der einen oder anderen Stelle durchaus Herausforderungen gibt, vor denen wir stehen. Aber ich glaube, wir sollten uns auch in der Sprache mäßigen und nicht Menschen zusätzlich verunsichern. (Beifall DIE LINKE) (Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie können es ja halten, wie Sie wollen!) Da will ich Ihnen mal Ihren eigenen Ausspruch entgegenhalten: „Man meint, man muss etwas Besonderes machen; nur, manchmal hilft es eben nichts.“ Und das trifft auch auf diesen Antrag der CDUFraktion zu. Denn ich will noch mal deutlich sagen, Sie haben den Titel Ihres Antrags ja durchaus sehr kritisch gewählt: „Digitalfunk im Bereich nicht poli- 2402 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Dittes) zeilicher Gefahrenabwehr auf den Weg bringen“, und Sie haben deutlich gemacht, das Motiv für diesen Antrag lag darin, dass Sie nicht zufrieden waren. Der Antrag stammt aus dem April 2015 und das heißt de facto – und ich denke, das kann man an dieser Stelle noch mal deutlich sagen –, Sie waren mit der Arbeit Ihrer Landesregierung, Ihres Innenministers absolut in diesem Punkt nicht zufrieden. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wir auch nicht!) Ich denke, es ist unstrittig, zumindest bei den vier hier links sitzenden Fraktionen, dass bei der Einführung des Digitalfunks im nicht polizeilichen Gefahrenabwehrbereich für die Behörden Ordnung und Sicherheit endlich auch etwas mehr Intensität und Geschwindigkeit aufgenommen werden muss. Und ich sage ganz deutlich: Mein Eindruck ist, dass in Thüringen aus dem Bummelzug zumindest ein Interregio geworden ist, und wir müssen ihn jetzt bis zum Anfang nächsten Jahres hin zur ICE-Tauglichkeit bringen, und das in diesem Punkt tatsächlich im wahrsten Sinne des Wortes. Ich will aber auch noch mal deutlich auf Ihren Antrag eingehen, weil Sie sagen, es würde uns nicht am Herzen liegen. Ihr Antrag bemüht sich in der Sache selbst gar nicht um den Digitalfunk, sondern der bemüht sich um das Verhältnis zwischen Landesregierung einerseits als verantwortliche Institution und Landtag auf der anderen Seite als Kontrollorgan der Landesregierung. Es geht also nur um dieses Binnenverhältnis dieser zwei Organe: Legt die Landesregierung zum Zeitpunkt X etwas dem Landtag vor, was sie selbst in ihrem Verantwortungsbereich umsetzt oder umgesetzt hat? Da muss ich sagen, da waren Sie, was die Zeitschienen anbetrifft, Herr Fiedler, durchaus noch im Denken der alten Landesregierung verhaftet, denn Sie haben der Landesregierung für diese Berichterstattung eine Zeit bis zum 31.12.2015 eingeräumt, offensichtlich mit dem Motiv, um selbst mal zu schauen, wie weit man innerhalb von zwölf Monaten bei der Einführung des Digitalfunks durchaus gelangen kann. Und Sie haben eigentlich Anfang September im Innenausschuss im Bericht des Innenministeriums zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Landesregierung in neun Monaten eigentlich schon sehr viel weiter ist, als Sie bis zum 31.12.2015 von vornherein unterstellen konnten oder unterstellt haben. Ich will auch mal die konkreten Dinge benennen, die Sie angemahnt haben, von denen Sie eigentlich Kenntnis haben müssten. Und ich gehe davon aus oder bin mir eigentlich sicher, dass das Innenministerium in ähnlicher Form noch mal detailliert auf diese Sachverhalte eingehen wird. Erstens: Im Bereich der Tunnelfeuerwehren für den bereits schon angesprochenen ICE wird die Ausrüstung mit Handfunkgeräten gewährleistet, und zwar aus dem Landeskontingent. Die Ausschreibeverfahren laufen, sodass spätestens zur Aufnahme des Probebetriebs der ICE-Strecke hier die Kommunikation gesichert ist. Die Betriebskosten sind bereits in dem Ihnen vorliegenden Haushaltsentwurf für das Jahr 2016/2017 etatisiert. Das Konzept Digitalfunk befindet sich gerade gegenwärtig in der Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Es gibt eine Lenkungsgruppe, ich meine unter dem Vorsitz des Staatssekretärs des Innenministeriums, die auch derzeit arbeitet. Die Ausschreibung des Rahmenvertrags zur Lieferung von Funktechnik für die Einsatzstellen in Thüringen, für die Fahrzeuge wird vorbereitet, sodass der Vertragsbeginn 2017, I. Quartal, meine ich, gewährleistet ist. Es ist zugesichert, dass die notwendigen Kosten für einen gegebenenfalls anfallenden Netzausbau durch das Land getragen werden. Insofern ist in der Tat eine ganze Reihe geschehen und wir sollten, denke ich, uns in der Sache hier auch weiter gegenüber der Landesregierung als kritisch nachfragendes Parlament zeigen. Wir müssen aber nicht etwas abfordern, was die Landesregierung a) umgesetzt hat und b) selbstredend auch im Innenausschuss zugesagt hat, permanent im Innenausschuss über den Fortgang zu informieren. Deswegen sahen wir keine Notwendigkeit, einem Antrag hier unsere Zustimmung zu geben, der den Digitalfunk in der Sache selbst überhaupt nicht tangiert. Vielen Dank. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion der AfD hat sich Abgeordneter Henke zu Wort gemeldet. Abgeordneter Henke, AfD: Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, werte Gäste, seit der ersten Beratung des vorliegenden Antrags hat sich einiges getan. Die Landesregierung hat in § 20 a des Thüringer Gesetzes zur Novellierung des Kommunalen Finanzausgleichs einen Sonderlastenausgleich für Betrieb und Einführung des Digitalfunks eingeführt. Hierbei sollen sich die Thüringer Gemeinden und Landkreise ab dem Jahr 2017 mit zunächst 40 Prozent an den Betriebskosten und mit 70 Prozent an der Beschaffung und dem Kfz-Einbau der Digitalfunkgeräte selbst beteiligen. Die Landesregierung hat auch ausgerechnet, was diese kommunale Beteiligung kostet. Im Zeitraum 2017 bis 2021, wenn die Endstufe erreicht werden soll, 2,4 Millionen Euro für den Betrieb und 7,5 Millionen Euro für die Beschaffung und den Einbau; insgesamt also fast 10 Millionen Euro. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2403 (Abg. Henke) Die Notwendigkeit der Ausstattung der Rettungsdienste mit digitalfunkfähigen Endgeräten steht außer Frage. Umstritten ist die Kostenverteilung. Wenn man diese Frage objektiv entscheiden will, hilft ein Blick auf die Gesetzeslage. In § 2 Abs. 2 des Thüringer Brand- und Katastrophenschutzgesetzes heißt es: „Die Gemeinden und Landkreise erfüllen ihre Aufgaben des Brandschutzes und der Allgemeinen Hilfe nach Absatz 1 Nr. 1 und 2 als Pflichtaufgaben des eigenen Wirkungskreises. Die Landkreise und kreisfreien Städte erfüllen die Aufgabe des Katastrophenschutzes nach Absatz 1 Nr. 4 als Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises.“ Es ist klar, dass die Digitalinfrastruktur und die Digitalfunkgeräte im Fall einer Katastrophe eingesetzt werden, zum Beispiel um bei einer komplexen Gefährdungslage gleichzeitig mit vielen verschiedenen Rettungsdiensten sowie mit der Polizei kommunizieren zu können. Das heißt aber, dass der Betrieb des Digitalfunks und die Beschaffung von Digitalfunkgeräten eine Erhöhung von Standards bei einer übertragenen Aufgabe darstellen. Gemäß § 23 des bisherigen Thüringer Gesetzes zum Kommunalen Finanzausgleich und dem vorliegenden Gesetzentwurf sind bei Standarderhöhungen im übertragenen Wirkungskreis die Kosten vom Land zu tragen. Ebenso eindeutig wird das in der Verfassung des Freistaats Thüringen geregelt, Artikel 91 Abs. 3 sowie Artikel 93 Abs. 1 Satz 2. Das Thüringer Verfassungsgericht schreibt in Urteilen aus den Jahren 2011 sowie 2005 darüber hinaus die strikte Konnexität vor, das heißt bildlich gesprochen, dass jeder durch Aufgabenübertragung oder Standarderhöhung im übertragenen Wirkungskreis durch das Land verursachte Cent an Mehrkosten für die kommunalen Gebietskörperschaften vom Land getragen werden muss. Folglich ist unsere Position ebenso eindeutig wie gesetzlich reglementiert. Das Land muss 100 Prozent der Kosten für den Betrieb des Digitalfunks sowie die Beschaffung und den Einbau der Digitalfunkgeräte bei den nicht polizeilichen Sicherheitsbehörden tragen, weil es das Recht gebietet und weil es die Sicherheit unserer Bürger wert ist. Vielen Dank. (Beifall AfD) ge zu tun, die längst im Gange sind. Ein Kostenverteilungsmodell für die Investitionskosten zur Ausstattung der nicht polizeilichen Funktechnik wird mit dem Haushaltsentwurf in der übernächsten Plenarsitzung auf den Weg gebracht. Die Finanzierung der Einbaukosten für die Funkgeräte erfolgt zu 70 Prozent aus dem Titel für Zuwendungen an Kommunen für Brandschutzinvestitionen und zu 30 Prozent aus den Mitteln des Kommunalen Finanzausgleichs im Vorwegabzug. Damit sind die Mittel bereitgestellt. Ebenso ist ein Kostenverteilungsmodell zur anteiligen Finanzierung der Betriebskosten auf den Weg gebracht und die Netzinfrastruktur kann damit in jedem Fall betrieben werden. Der Antrag ist also überflüssig. Deshalb werden wir ihn ablehnen. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordneter Höhn zu Wort gemeldet. Abgeordneter Höhn, SPD: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Verehrter Herr Abgeordneter Fiedler, eigentlich hatte ich mich schon von der Redeliste streichen lassen. Das hatte auch seinen ganz bestimmten Grund gehabt. Nachdem wir nun zur Kenntnis genommen haben, dass das Thema des Digitalfunks bei den nicht polizeilichen Institutionen in der letzten Legislatur wirklich sträflich vernachlässigt worden ist – das haben wir hier an dieser Stelle schon mal erörtert –, zeigt das aktuelle Handeln der Landesregierung in diesem Haushalt und mit Blick auf die Ansätze des Haushalts 2016/17 auch Ihnen, jedenfalls normalerweise auch Ihnen, dass Ihrem Anliegen mit dem Regierungshandeln vollinhaltlich entsprochen worden ist. Deswegen erübrigt sich hier von dieser Stelle aus jegliche Debatte und deswegen höre ich jetzt auch auf. Danke schön. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Abgeordneter Adams zu Wort gemeldet. Für die Landesregierung hat sich Staatssekretär Götze zu Wort gemeldet. Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Götze, Staatssekretär: Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Gäste, liebe Zuschauer, wir werden den Antrag ablehnen. Das hat Herr Fiedler richtig prognostiziert. Die Begründung hat mein Kollege Steffen Dittes schon gesagt: Weil wir die Landesregierung nicht auffordern müssen, Din- Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, bereits im April dieses Jahres hat Herr Minister Dr. Poppenhäger auf den Antrag der CDU-Fraktion zum Sachstand bei der Einführung des Digitalfunks im Bereich der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr berichtet. Im Weiteren – und das wurde hier bereits ausgeführt – 2404 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Staatssekretär Götze) wurde der Antrag durch Beschluss des Parlaments an den Innen- und Kommunalausschuss überwiesen und wurde in den Sitzungen am 11.06. und 03.09. ausführlich thematisiert. Nunmehr wurde die Thematik „Einführung des BOS-Digitalfunks“ in den Kommunen erneut auf die Tagesordnung gebracht. Ich möchte heute über den aktuellen Sachstand informieren und Ihnen aufzeigen, welche Schritte die Landesregierung bereits auf den Weg gebracht hat. Aber zunächst zu Ihren Ausführungen, Herr Henke. Sie liegen nicht ganz richtig, wenn Sie der Meinung sind, dass das Land aufgrund verursachter höherer Standards hier in der Pflicht wäre, die Kosten für die Einführung des Digitalfunks komplett zu tragen. Das digitale Zeitalter, das ist etwas eher angebrochen. Hier handelt es sich um eine Anpassung an aktuelle technische Standards. Ich darf an die Einführung des Gleichwellennetzes in Thüringen erinnern. Es liegt einige Tage zurück, aber auch dort sind selbstverständlich die Kommunen – Sie hatten richtig ausgeführt, dass der Brandschutz eine kommunale Aufgabe des eigenen Wirkungskreises ist – an den Einführungskosten beteiligt gewesen und das ist auch richtig so. Ich denke, das Finanzierungskonzept, das wir jetzt auf den Tisch gelegt haben, das kann sich durchaus sehen lassen. Zunächst noch einmal zur ICE-Neubaustrecke: Dort haben wir in der Tat einen enormen Handlungsdruck. Dort werden die Tunnelbasiseinheiten befristet und kostenfrei mit Handsprechfunkgeräten aus Beständen des Landes ausgerüstet, darauf hatte Herr Abgeordneter Dittes bereits hingewiesen. Das zur Beschaffung der Technik notwendige Vergabeverfahren wurde am 16.09.2015 initiiert und die Funkgeräte werden spätestens im Frühjahr 2016 und somit rechtzeitig vor Beginn des Probebetriebs auf der ICE-Neubaustrecke zur Verfügung stehen. Ein Kostenverteilmodell für die Investitionskosten zur Ausstattung der nicht polizeilichen BOS mit Funktechnik ist weitgehend abgestimmt. Auch das wurde bereits dargelegt und im Haushaltsentwurf 2016/2017 eingebracht. Die Finanzierung der Funkgeräte und der Kfz-Migrationsleistungen erfolgt zu 70 Prozent aus dem Titel für Zuwendungen an Kommunen für Brandschutzinvestitionen und zu 30 Prozent aus Mitteln des Kommunalen Finanzausgleichs im Vorwegabzug. Da sind wir genau bei dem notwendigen kommunalen Anteil, der hier zu erbringen ist. Ein Kostenverteilmodell zur anteiligen Finanzierung der Betriebskosten für die gemeinsam zu nutzende Netzinfrastruktur ist ebenfalls entwickelt und in den Haushaltsentwurf eingebracht. Es ist vorgesehen, dass sich die nicht polizeilichen BOS in Abhängigkeit davon, wie weit die Umstellung auf Digitalfunk fortgeschritten ist, pauschal mit bis zu 70 Prozent an den Betriebskosten beteiligen. Dieser Anteil wird über die Jahre peu à peu aufwachsen. Der Anteil der Kommunen an den Betriebskosten wird dem KFA entnommen. Für die im Vorwegabzug aus dem KFA zu entnehmenden Finanzierungsanteile ist die Novellierung des ThürFAG notwendig. Ein entsprechender Gesetzentwurf ist auf den Weg gebracht und wurde durch das Kabinett bereits bestätigt. Er liegt nun dem Landtag vor und wird im HuFA diskutiert. Im konzeptionellen Bereich wurden durch das TMIK sechs Grundsatz- und Strategiepapiere erarbeitet, auf deren Basis … Vizepräsidentin Jung: Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Unterbrechung. Ich bitte vor allem in den Reihen der CDU die Gespräche nach draußen zu verlagern. Es ist echt störend. Bitte, setzen Sie fort! Götze, Staatssekretär: Im konzeptionellen Bereichen wurden durch das TMIK sechs Grundsatz- und Strategiepapiere erarbeitet, auf deren Basis eine effiziente Digitalfunkkommunikation zwischen den örtlichen und überörtlichen BOS entwickelt werden kann. Die Dokumente wurden den kommunalen Spitzenverbänden sowie den Landkreisen und kreisfreien Städten zur Stellungnahme zugeleitet. Derzeit findet die Auswertung der Rückmeldungen statt. Darüber hinaus wird die erste Sitzung des Lenkungskreises – Herr Dittes hatte das bereits erwähnt – zur Einführung des Digitalfunks in den Kommunen voraussichtlich in diesem Monat stattfinden. Geplant war ursprünglich eine Sitzung bereits im Oktober, wir haben die auf Bitte der kommunalen Spitzenverbände in diesen Monat verschoben. Sie sehen, auch in diesem Bereich bewegt sich etwas. Gemeinsam mit den Vertretern aus verschiedenen Behörden, Verbänden und Institutionen soll unter meinem Vorsitz in diesem Gremium die Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen bei der Einführung des Digitalfunks weiter abgestimmt werden. Im Landesverwaltungsamt wurde zudem eine Projektorganisation etabliert. Dort werden insbesondere Öffentlichkeitsarbeit betrieben, ein landesweiter Plan zur Umrüstung der Einsatzfahrzeuge erarbeitet und regelmäßig fortgeschrieben, die Kfz-Migration fachlich unterstützt sowie Förderanträge bearbeitet. Das Projekt wird Mitte 2016 seine Arbeit aufnehmen. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Technik zur Umstellung der Feuerwehreinsatzzentralen auf Digitalfunk wird bei der Ausschreibung eines Rahmenvertrags zur Lieferung von Funktechnik und Kfz-Migrationsleistungen berücksichtigt. Sobald der kommende Doppelhaushalt durch Sie, werte Damen und Herren Abgeordnete, verabschiedet ist, Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2405 (Staatssekretär Götze) wird mit dem EU-weiten Ausschreibungsverfahren begonnen. Der Rahmenvertrag soll im ersten Quartal 2017 mit einer vierjährigen Laufzeit abgeschlossen werden. Daraus ist das Projektende für die landesweite Digitalfunkmigration in den Kommunen zum Jahr 2021 abzuleiten. Die Umrüstung der zentralen Leitstellen obliegt den jeweiligen Aufgabenträgern, also den Kreisen und kreisfreien Städten. Eine Konsolidierung der Anzahl der Leitstellen in Thüringen erscheint im Benchmarking zu anderen Bundesländern dringend geboten. Das Land wird die Kommunen bei der Errichtung effizienter Leitstellen unterstützen. Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, entsprechend der Beschlussfassung des Innen- und Kommunalausschusses vom 03.09.2015 empfehle ich, den Antrag der CDU-Fraktion abzulehnen, weil die in Drucksache 6/507 geforderten Aufgaben bereits weitgehend erledigt oder auf den Weg gebracht sind. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion der CDU hat sich Abgeordneter Fiedler zu Wort gemeldet. Abgeordneter Fiedler, CDU: Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sehe auf den Rängen gerade noch einen, irgendjemand hat vorhin die vollen Ränge gegrüßt. Ich will noch mal zu einigen Dingen Stellung nehmen, weil das hier so hingestellt wird unter dem Motto, es wäre doch alles überflüssig, das braucht man alles nicht und darüber braucht man nicht zu reden. Das ist zu einfach. Wenn Herr Dittes noch meint, das geht sinngemäß das Parlament gar nichts an – also wo sind wir denn hier eigentlich! Das Parlament ist dazu da und insbesondere die Opposition, dass sie auch verfolgt und aufpasst, was die Landesregierung tut. Dafür sind wir da und dafür kriegen sogar ein bisschen mehr als die Regierenden. Deswegen, denke ich, ist es schon notwendig, dass wir der Stachel im Fleisch bleiben und immer wieder darauf hinweisen. Und es ist zu einfach, Herr Dittes, zu sagen – ich habe es in der ersten Rede schon gesagt –, unser Minister, also sprich Geibert, hätte damals nichts gemacht. Das ist nicht so! Es ist vorbereitet worden, ich habe es vorhin schon genannt, bis 2012 für die Polizei und – ich will es noch mal wiederholen – insbesondere auch die Feuerwehr hat zur damaligen Zeit gesagt: Wir können kurztreten, langsam machen, wir haben einen guten Analogfunk und wir brauchen das nicht. Erst vor eineinhalb Jahren in etwa haben sie ihre Meinung gedreht, weil sie natürlich gemerkt haben, dass es durch ICE-Tunnel und Ähnliches dort zu Problemen kommt. Es sich so einfach zu ma- chen, unter dem Motto, die Vorgängerregierung hat nichts gemacht, Herr Kollege Höhn – Ihr habt mitregiert, darauf will ich noch mal hinweisen. Das stimmt einfach nicht. Ich will noch ausführen, weil der Herr Dittes ja meint, hier in Thüringen gebe es keine Katastrophen oder Vorkommnisse: Ich erinnere nur an das Busunglück, was leider vor Kurzem hier in der Nähe von Erfurt war, wo ein Kind zu Tode gekommen ist. Das zählt für Sie wahrscheinlich alles nicht. Ich könnte noch viele andere Dinge aufzählen. Aber so einfach kann man es sich nicht machen. Und in Eßleben ging es auch besonders um den Funk, der dort nicht funktioniert hat. Ich sage noch mal: Übungen sind dazu da, dass man daraus Erfahrungen gewinnt und dann die Dinge abstellt. Nicht dass der Eindruck entsteht, wir würden die Kräfte, die dort im Einsatz waren, in irgendeiner Form kritisieren, aber die benötigen einen entsprechenden Funk, damit sie dort arbeiten können. Natürlich haben wir gehört, Herr Staatssekretär, was jetzt dort passieren soll, aber das reicht uns noch nicht. Wir sind der Meinung, es muss forciert werden. Und so einfach zu sagen, ja, jetzt ist der Haushaltsgesetzgeber dran – Herr Staatssekretär Götze, ich erinnere Sie dran, wir hatten schon mal das Thema, da ging es um kommunale Finanzen, da hatten sich eine Finanzministerin oder das Finanzministerium und das Kommunalministerium geeinigt, dass die Kommunen entsprechend mehr Geld kriegen. Und was passierte? Auf einmal hat man das weggeschoben und auf einmal war es meine Fraktion und auf einmal haben die Fraktionen gestrichen. Wir wollen also schon in Vorbereitung des Haushalts darauf hinweisen, dass hier dringender Handlungsbedarf ist, dass das entsprechend auch gemacht werden kann und soll. Vor allen Dingen will ich da schon vorsorglich auf den Doppelhaushalt hinweisen, dass man vor allem eins nicht macht – deswegen haben wir das auch noch mal insbesondere auf die Tagesordnung genommen –, weil die kommunalen Spitzenverbände eindeutig gesagt haben, auch zur Anhörung zum KFA, dass da keine vertretbare Lösung vorgelegt worden ist. Ich weiß, dass das durchaus viele Facetten hat, deswegen habe ich auch vorhin der AfD in einem Punkt widersprochen, dass man sich das genau anschauen muss, wie sind die Anschaffungskosten, wie sind die Folgekosten. Aber es sich so einfach zu machen „linke Tasche, rechte Tasche“ und ich nehme 30 Prozent aus dem Kommunalen Finanzausgleich vorneweg weg und nehme das zur Finanzierung, so einfach geht die Welt auch nicht. Deswegen muss man darauf schon immer wieder hinweisen. Und die Laufzeit 2017 – wenn ich es richtig verstanden habe, wie das läuft –, wir haben 2015. Was machen wir denn, wenn weitere Dinge passieren? Da sagen wir, wir sind noch nicht so weit, wir müssen mal abwarten. So einfach geht es nicht. Hier geht es auch um innere Sicherheit und ähnliche Dinge. 2406 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Fiedler) Ich habe am Schluss Ihrer Ausführungen, denke ich, vernommen, Herr Staatssekretär, Sie wollen daran arbeiten, die Leitstellen zu verringern. Vielleicht wollen Sie es gleich mit der Gebietsreform machen, da machen wir eben – was weiß ich – fünf Kreise und da machen wir gleich mal fünf Leitstellen. Auch das geht nicht so einfach. (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Eine gute Idee, Herr Fiedler!) Auch das geht nicht so einfach, sich einfach hinzustellen, das machen wir jetzt einfach. Das ist ein Grund, wo natürlich die Kassen schon lange darauf drängen, schon viele Jahre darauf drängen, aber sich so mal heimlich still und leise, ja, da gehen wir jetzt ran und das werden wir mal wegkassieren, so einfach geht die Welt nicht. Deswegen mahnen wir weiterhin an, dass man – und nicht, dass das überflüssig ist –, dass man hier insbesondere mit den Kommunen das abspricht und dass man Lösungen findet und die auch wirklich mit den Kommunen abgestimmt auf den Tisch legt. Da bleiben wir dran und sagen, das ist noch nicht erledigt. Wir möchten, dass unserem Antrag zugestimmt wird. (Beifall CDU) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion Die Linke hat sich Abgeordneter Dittes zu Wort gemeldet. Abgeordneter Dittes, DIE LINKE: Wer hätte gedacht, dass das Thema „Digitalfunk“ hier noch mal Grundlage für eine harte politische Auseinandersetzung im Landtag wird. Aber das zeigt möglicherweise die Bedeutung. Aber, Herr Fiedler, ich muss es Ihnen noch mal zurückgeben: Sie sollten aufhören, von derartigen Tragödien zu sprechen und diese für Ihre politische Argumentation zu benutzen. Das Unglück, was in der letzten Woche auf der Autobahn passiert ist, taugt nicht zur Untersetzung Ihrer politischen Zielstellung und auch nicht zur Instrumentalisierung von Vorwürfen (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) oder zu Vorwürfen gegenüber der Landesregierung. Sie haben gesagt, Sie möchten ein Stachel im Fleisch sein und ich sage Ihnen, Sie sollten sich vielleicht nicht allzu weit hinein begeben, sondern Sie sollten die Ohren frei halten. Wenn Sie hier einfordern, dass die Kommunikation mit den Kommunen geführt werden muss, dann glaube ich, dass Sie am 03.09. im Innenausschuss tatsächlich nicht zugehört haben, weil das doch einer der wesentlichen Bestandteile der Debatte im Innenausschuss war, wie die Beteiligung der Kommunen sichergestellt wird. Dazu hat die Landesregierung ausführlich Stellung genommen. Wir werden natürlich darüber auch zu debattieren haben, wenn am 22. November das Parlament die Anhörung zum Kommunalen Finanzausgleich tatsächlich durchführt. Ich will auch eine Sache noch einmal deutlich sagen, weil Sie das immer argumentativ hineinbringen, dass die Kommunen hier ihren Eigenanteil selbst aus dem Kommunalen Finanzausgleich finanzieren. Natürlich finanzieren die Kommunen systematisch etwas aus dem Kommunalen Finanzausgleich selbst, was diesem entnommen wird, aber ich will dennoch deutlich sagen: Sie selbst kennen doch die Bedarfsberechnung des Innenministeriums auf der Grundlage der Zahlen von Herrn Voß, der sagte, der ungedeckte Finanzbedarf bei den Kommunen beträgt in Thüringen 1,6 Milliarden Euro. Diese Landesregierung stellt im Kommunalen Finanzausgleich im nächsten Jahr den Kommunen 1,901 Milliarden Euro zur Verfügung und auch deshalb in dieser Höhe, weil darin ein Vorwegabzug für die Kommunen für die Aufwendungen, die sie im Bereich des Digitalfunks haben, integriert ist, weil erkannt wird, dass die Kommunen tatsächlich sehr unterschiedlich leistungsfähig sind, aber dieses Land ein Interesse daran haben muss, dass der Digitalfunk flächendeckend funktioniert und eingeführt wird. Das wird mit dem Kommunalen Finanzausgleich sichergestellt und das heißt nicht, dass den Kommunen hier Geld entzogen wird. Es wird den Kommunen tatsächlich im Kommunalen Finanzausgleich zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. (Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Das stimmt doch gar nicht! Nicht zusätzlich! Das ist absurd!) Herr Geibert, Sie haben diese Diskussion auch schon im Haushalts- und Finanzausschuss geführt. Sie können natürlich auch sagen, diese 1,901 Milliarden Euro, das ist das, was zwangsläufig den Kommunen zusteht und wenn man daraus etwas finanziert, was die Leistungsfähigkeit der Kommunen nicht widerspiegelt, um es Ihnen letztendlich auch zu ermöglichen, denn wenn wir als Land daran ein Interesse haben, dann würden wir den Kommunen das Geld wegnehmen. Das ist doch nun eine wirklich blödsinnige Argumentation, die Sie führen. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nein, die Gesamthöhe des Kommunalen Finanzausgleichs kommt doch gerade deswegen zustande, weil eben auch solche besonderen Leistungen wie die Mitfinanzierung des Digitalfunks in dieser Zahl mit integriert ist und das ist doch eine andere Sichtweise, (Unruhe CDU) die Sie letztendlich annehmen müssen. Aber da Sie sich eben schon zu Wort gemeldet haben, will ich zumindest auch eine sehr abenteuerliche Argumentation von Herrn Fiedler noch einmal zurückweisen, Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2407 (Abg. Dittes) wenn er sich jetzt hier vorne hinstellt und de facto mit dem Finger auf den Thüringer Feuerwehrverband zeigt. Herr Fiedler, im Frühjahr des Jahres 2010 hat die damalige Thüringer Landesregierung den Innenminister aufgefordert, Herr Geibert wird das gleich bestätigen können, ein Konzept zur Einführung des Digitalfunks bei der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr der Landesregierung vorzulegen. Bis zum Ende Ihrer Verantwortung in der Regierungstätigkeit ist dieses Konzept durch das Innenministerium nicht erarbeitet bzw. auch nirgendwo vorgelegt worden, sodass es heute etwa vorrätig wäre. Dies nun jetzt darauf zu schieben, dass der Feuerwehrverband gesagt hat, man könne das auch alles langsam machen, ist doch wirklich ein Davonstehlen aus der eigenen Verantwortung, Herr Fiedler. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das sollten Sie hier an dieser Stelle nicht tun und diese Verantwortung permanent auf andere abwälzen. Wir haben als Parlament eine Verantwortung, nämlich das tatsächlich zu kontrollieren, und nichts anderes habe ich gesagt, als dass eingehalten wird, was die Landesregierung dem Innenausschuss zugesagt hat und zwar in Umsetzung vieler inhaltlich angesprochener Themen in Ihrem Antrag, aber auch in puncto der Information des Innenausschusses über die permanenten oder verstetigten Prozesse der Einführung des Digitalfunks. Da werden wir auch die Landesregierung nicht aus der Verantwortung entlassen, aber was Sie hier betreiben, mit Fingern auf andere zeigen, sich der Verantwortung entledigen und versuchen, hier ein politisches Feuerwerk abzubrennen – das funktioniert nicht. Das wollte ich Ihnen noch einmal deutlich auf den Weg mitgeben für die weitere Debatte. Herzlichen Dank! (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Es gibt eine weitere Wortmeldung des Abgeordneten Fiedler. Abgeordneter Fiedler, CDU: Meine Damen und Herren! Herr Dittes, Sie machen es sich zu einfach. Alles Schönreden hilft nichts und in dem Zusammenhang von politischem Feuerwerk zu sprechen, passt überhaupt nicht. Ich will nur eines sagen, weil Sie gesagt haben, das Busunglück wäre ein falsches Beispiel, ich finde schon, dass man noch weitere Beispiele finden kann, wo es darum geht. Oder andersrum: Morgen oder übermorgen kann es sein, dass woanders was passiert, weil wir einfach sagen, weil nichts passiert, machen wir nichts. Wo sind wir denn eigentlich? (Beifall CDU) (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir machen etwas! Im Gegensatz zu Ihnen machen wir etwas!) Wir haben dafür zu sorgen, dass die innere Sicherheit – und dazu gehört das auch mit – auch im Lande garantiert wird und dass die Dinge auf den Weg gebracht werden. Immer wieder zu sagen: Der Geibert war es. Sie können das hinstellen, wie Sie wollen, ich kann Ihnen nur sagen und ich war und bin in ständigen Gesprächen mit dem Feuerwehrverband, ich kann Ihnen nur sagen, Vizepräsidentin Jung: Herr Abgeordneter Fiedler, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Dittes? Abgeordneter Fiedler, CDU: – am Schluss –, dass der Thüringer Feuerwehrverband das immer wieder gesagt hat. Warum hat er das gesagt? Weil natürlich auch die Feuerwehren wissen, und bis dato war es auch so und das ist auch teilweise heute noch so, der Analogfunk ist ja nicht schlecht, es gibt auch noch Probleme beim Digitalfunk gegebenenfalls in Garagen, Tiefgaragen oder Ähnlichem, es sind ja einige Dinge noch gar nicht ausgemacht. Aber Fakt ist eins: Das ist kein Vorschieben vor die Lücke, sondern weil die Feuerwehren gesagt haben, also das ist alles nicht so einfach, wollen wir doch erst einmal andere Dinge machen, wichtigere Dinge machen – aus ihrer Sicht. Und das ist nicht, die vor die Lücke zu schieben, das ist überhaupt nicht so. Es geht ja nicht nur um die Feuerwehren, Rettungsdienste etc. pp. Am Ende muss man auch wissen, wer denn die Hauptanteile bezahlt. Das sind natürlich die Kommunen. Die wissen wohl, was in den Kommunen los ist. Ich erinnere Sie daran, auch zu unserer Zeit – damit Sie nicht gleich wieder einen Grund haben, das zu sagen – ist im Haushalt eingespart worden. Aber Sie wollen ja alles besser machen. Ich kann Ihnen nur sagen, das Bessermachen hat sich gezeigt, weil Sie sich so hinstellen, ist doch alles paletti, läuft doch alles. Sie haben den Kommunen in dem 15er-Haushalt 100 Millionen Euro weniger geben und jetzt in dem Doppelhaushalt wollen sie ihnen wieder etwa 100 Millionen Euro weniger gegeben. Das bringt die Kommunen mit dem Rücken an die Wand, dass die also selbst dort hingucken müssen. Wir haben das Geld nicht. Das ist das Hauptproblem. (Beifall CDU, AfD) Deswegen muss man wohl hierüber reden, denn die Kommunen stehen hier wirklich mit dem Rücken an der Wand und wenn Sie ein bisschen Verbundenheit haben … 2408 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Fiedler) (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Sie haben bei der Regionalkonferenz gesagt, es ist alles in Ordnung! Sie haben gesagt, die Gemeinden sind leistungsfähig!) Das ist unsere Aufgabe und wir werden dranbleiben. (Beifall CDU, AfD) Ach, Herr Kuschel. Vizepräsidentin Jung: Vizepräsidentin Jung: Sie haben eine Nachfrage des Abgeordneten Dittes zugelassen, Herr Abgeordneter Fiedler. Herr Abgeordneter Kuschel, Sie können sich gern zu Wort melden. Herr Fiedler hat das Wort. Abgeordneter Fiedler, CDU: Herr Kuschel, ich habe überhaupt nichts gesagt, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass es Probleme in der Finanzierung der Kommunen gibt. Tun Sie doch nicht so dämlich und unterstellen mir hier solches Zeug. Das ist ja wohl die Höhe! Wo sind wir denn hier eigentlich? (Unruhe DIE LINKE) Wenn Sie was wollen, gehen Sie hier vor! (Beifall CDU, AfD) (Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Ihr sagt die Wahrheit?) Also, was bei Ihnen Wahrheit ist, da würde ich aber mal ein dickes Fragezeichen dranmachen, aber was soll‘s. Man kann nicht die Gebietsreform hier vermischen mit diesen Dingen. (Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Können Sie ja im Rahmen der Gebietsreform.) Ach, ja, Sie wollen große Einheiten und denken dann, dadurch wird es billiger oder weniger. Das ist überhaupt nicht so. Wenn Sie drei Arme zusammentun, werden es auch keine Reichen. (Unruhe DIE LINKE) (Beifall CDU) Und deswegen werden wir das im Blick behalten, dass die Landesregierung das alles umsetzt und das auch wirklich macht. Denn ich denke, die Landesregierung weiß wohl, dass das eine wichtige Geschichte ist. Ich könnte Ihnen ein Beispiel nennen, da hüpfen Sie aus sofort aus dem Sessel hoch. (Heiterkeit SPD) (Unruhe DIE LINKE) Ja, das wollen Sie alles nicht registrieren. Ich will Ihnen nur sagen, erinnern Sie sich daran, was in Suhl passiert ist, wo es diese Randale gab. Was dort passiert ist, wie die Feuerwehr auch dort in die Bredouille geraten ist und so weiter und so fort. Es ist nicht so einfach alles wegzuschieben, sondern wir haben noch Voraussetzungen zu schaffen, dass auch die Feuerwehren hier ordentlich mit den anderen Kräften entsprechend kommunizieren können. Abgeordneter Dittes, DIE LINKE: Möglicherweise werden Sie sich gleich ärgern, Herr Fiedler. Aber jetzt haben Sie das zweite Mal versucht, wiederzugeben, was ich gesagt hätte. Sind Sie eigentlich nicht in der Lage, zu verstehen, was ich sage? (Unruhe CDU) Abgeordneter Fiedler, CDU: Ach, Herr Dittes, wissen Sie, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. (Beifall CDU) Sie sind und bleiben ein alter Steinewerfer! Vizepräsidentin Jung: Herr Abgeordneter Fiedler, ich bitte Sie, wirklich. (Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Er hat angefangen!) (Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Jetzt lassen Sie doch mal meine Präsidentin in Ruhe!) (Heiterkeit CDU) Ich kann jetzt keine Wortmeldung mehr erkennen. Doch, Entschuldigung. Herr Abgeordneter Henke hat das Wort. Abgeordneter Henke, AfD: Vielen Dank, Frau Präsidentin. Zur Beruhigung, Herr Staatssekretär Götze, ich muss darauf zurückkommen: Dass das Land 100 Prozent der Kosten übernimmt, das ist keine Forderung von uns, sondern es ist eine Forderung des Thüringer Landkreistags gewesen. Darüber sollte man doch noch mal nachdenken. Vielen Dank. (Beifall AfD) Vizepräsidentin Jung: Gibt es weitere Wortmeldungen? Das kann ich jetzt nicht erkennen und deswegen kommen wir direkt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/507. Wer dem Antrag die Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. (Heiterkeit DIE LINKE) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2409 (Vizepräsidentin Jung) Das sind die Stimmen der Fraktion der CDU, des fraktionslosen Abgeordneten Gentele und von Teilen der AfD. Gegenstimmen? (Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: 1 Stimme in der SPD!) Stimmenthaltungen? Bei einer Mehrheit von Gegenstimmen ist der Antrag damit abgelehnt. Damit kommen wir … Abgeordneter Brandner, AfD: Wir beantragen namentliche Abstimmung zu unserem Alternativantrag. Vizepräsidentin Jung: Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktion der AfD. Es ist namentliche Abstimmung beantragt und ich bitte die Schriftführer. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. Hatten alle Abgeordneten Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben? Dann bitte ich um Auszählung. Ich darf Ihnen das Ergebnis bekannt geben: Es sind 89 Abgeordnete anwesend, abgegeben wurden 85 Stimmen. Mit Ja stimmten 6, mit Nein 79 (namentliche Abstimmung siehe Anlage). Damit ist der Alternativantrag abgelehnt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 8 Radverkehr in Thüringen planvoll und zielstrebig verbessern Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/616 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten - Drucksache 6/1120 Das Wort hat Herr Abgeordneter Kobelt aus dem Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten zur Berichterstattung. Abgeordneter Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, „Radverkehr in Thüringen planvoll und zielstrebig verbessern“ ist die Drucksache 6/ 616. Am 28. Mai dieses Jahres wurde dieser Antrag in den Landtag eingebracht und federführend im Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten am 11.06., am 02.07. und am 03.09. beraten, zwischenzeitlich überwiesen an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft und dort am 24.09. beraten. Die Fraktionen der Koalition von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und Linken und die Fraktion der CDU konnten sich dort auf einen veränderten Text einigen, der die wesentlichen Anliegen der Koalition weiter deutlich benennt. So liegen dieser vor allem die Weiterentwicklung des Radverkehrskonzepts und die Erhöhung der Mittel für den Radverkehr auf 10 Prozent der Straßenbaumittel am Herzen. Die Fraktion der CDU brachte ihrerseits einige Punkte in den Änderungsbeschluss ein, so etwa eine verbesserte Verkehrsschulung insbesondere für Kinder und Jugendliche. Mit dem vorliegenden Antrag erreichen wir, dass dem Radverkehr eine wesentlich größere Aufmerksamkeit gegeben wird als in der Vergangenheit, in der vor allem der Alltagsradverkehr oft das fünfte Rad am Wagen war. Die zahlreichen Änderungen, die aber auch oft redaktionellen Charakter und nur geringe inhaltliche Bedeutung haben, liegen Ihnen vollständig vor. Ich verzichte an dieser Stelle darauf, alle vorzulesen. Der Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten und der Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft empfehlen mit diesen Änderungen einstimmig die Annahme des Antrags. Ich freue mich auf eine Debatte dazu. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Abgeordneter Malsch, CDU-Fraktion. Abgeordneter Malsch, CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, dass der Radverkehr in Thüringen uns als CDU-Fraktion wichtig ist, habe ich von dieser Stelle aus bereits bekundet. Beispiele hierfür sind die in den letzten Jahren erreichten, teils überregionalen Radwege, wie zum Beispiel der Werratal-Radweg, Saale-Radweg, SchwarzatalRadweg, Rennsteig-Rad- und Mountainbike-Radweg, der Ilmtal-Radweg und die Städtekette. Die derzeitige Einweihung von Radverkehrsprojekten, wie zum Beispiel in Mihla und in Treffurt, welche von der Vorgängerregierung auf den Weg gebracht worden sind, sind ein weiteres Beispiel. Daher haben wir in einer intensiven Ausschussdiskussion und in der Abwägung über sinnvolle und eher ideologisch geprägte Inhalte beraten. Uns war es wichtig, praktische Bestandteile und erreichbare Ziele zu diskutieren, so zum Beispiel die Sensibilisierung im Radverkehr von Kindern und Jugendli- 2410 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Malsch) chen hinsichtlich der Gefahren im täglichen Verkehr, der Sicherheit und der Aufklärung mittels entsprechender Unterrichtsangebote. Die Berücksichtigung des Radtourismus war ebenso bei der Fortschreibung der Landestourismuskonzeption vor allem im Bereich des E-Bike-Tourismus und der Verknüpfung mit anderen touristischen Aktivitäten wichtig. Wir haben im Ausschuss sehr konstruktiv darüber beraten, was machbar ist und was nicht, worauf wir verzichten können und was zusätzlich aufgenommen werden soll. Empirische Untersuchungen, Aufklärungskampagnen, ja gar Konferenzen sind ebenso nicht mehr im Antrag wie die Forderung nach der Aufstellung von Schlauchautomaten und der Errichtung von Fahrradwaschanlagen. Das Ergebnis ist eine Beschlussempfehlung, mit der wir das gemeinsame Ziel, den Radverkehr voranzubringen, gut zum Ausdruck bringen können. Was jetzt natürlich noch kommen muss, ist die Umsetzung durch das Infrastrukturministerium. Die Aufstockung der Mittel für den Radwegebau ist da ein erster wichtiger Schritt. Wir werden Frau Keller genau auf die Finger schauen, wie sie die gemeinsamen Forderungen umsetzt. Daher werden wir diesem geänderten Antrag jetzt auch zustimmen. Vielen Dank. (Beifall CDU) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion Die Linke hat sich die Abgeordnete Dr. Lukin zu Wort gemeldet. Abgeordnete Dr. Lukin, DIE LINKE: Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, das Thema „Radverkehr in Thüringen“ ist ein heiß debattiertes gewesen, aber es war in der Diskussion sehr konstruktiv. Ich wollte eigentlich nur zur Beruhigung nach der hitzigen Debatte beim vorigen Tagesordnungspunkt vorwegstellen, dass bereits Adam Opel, seines Zeichens Automobilbauer, äußerte: „Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden wie beim Fahrrad.“ Das heißt, wir haben hier mit diesem „Fahrrad“-Antrag eigentlich eins geschafft, dass wir uns auf ein gemeinsames Thema hinbewegt haben und dass wir konstruktiv einige Vorschläge von allen aufgenommen und zusammengeführt haben. Wenn wir uns die Situation in Deutschland anschauen, haben mindestens 72 Prozent der Haushalte ein Fahrrad, primär genutzt für Einkäufe, kurze Wege und Ausflüge. 35 Prozent fahren mit dem Rad zur Arbeit. Über die Hälfte der Radfahrer fühlt sich im Straßenverkehr sicher. Dringende Wünsche an die Politik werden folgendermaßen geäußert: Ausbau und Bau neuer Radwege, Verbesserung der Radwegebeleuchtung, sichere Abstellanlagen und Unterstützung bei einer besseren Kommunikation der Verkehrsteilnehmer untereinander. Diese Punkte wurden auch 2013 bei der – ich sage es noch mal – Nationalen Fahrradkommunalkonferenz, in Erfurt übrigens, noch mal explizit unterstrichen. Hier zeigt sich, dass solche Beratungen doch wichtig sind und vor allen Dingen auch politische Aufgaben formulieren. Es ist sehr beachtlich, dass zukünftig 37 Prozent der Deutschen das Auto und 30 Prozent das Fahrrad häufiger als Verkehrsmittel nutzen wollen. Worin bestand nun der Handlungsbedarf hier in Thüringen? Herr Malsch hat bereits ausgeführt, dass die bisherige Thüringer Landesregierung auch einen sehr konkreten Handlungsauftrag durchgesetzt hat, angefangen vom Radroutenplaner bis zur Zielstellung, das Radwegekonzept zu überarbeiten. Die Thüringer Tourismusgesellschaft hat eine Broschüre „Radverkehr in Thüringen“ herausgebracht. Es gibt einen Landesradwegewart. Die Unterstützung der AG „Fahrradfreundliche Kommunen“ wurde betrieben und auch eine Förderung von Bikeand-ride-Anlagen. Die kostenlose Fahrradmitnahme in Regionalzügen ist in Thüringen Usus. Allerdings haben wir entsprechend einer Studie des Bundesverkehrsministeriums in Thüringen auch den geringsten Prozentsatz an straßenbegleitenden Radwegen in Deutschland. 2010 waren es nur 4 Prozent der 4.700 Kilometer Straße, die durch Radwege begleitet waren; nehmen wir Bayern – 20 Prozent, selbst Sachsen – 14 Prozent. In Thüringen legten nur 7 Prozent der Einwohner ihre Wege mit dem Rad zurück; nehmen wir mal Münster – 35 Prozent oder Holland – 38 Prozent. Das kann durchaus der Topografie geschuldet sein, aber auch gleichzeitig der Infrastruktur. Deswegen hat dieser Antrag klare Zielvorgaben, Handlungsaufträge sowie einen planerischen und zukünftig haushalterischen Ansatz formuliert. Das war übrigens auch ein Anliegen des Koalitionsvertrags, die Mobilität mit dem Fahrrad zu erhöhen und das Radverkehrskonzept zu überarbeiten. Ich möchte auch ausdrücklich noch mal dem Ministerium für die aussagekräftigen Zahlen zur Förderung von Radwegen und die vielfältigen Fördermöglichkeiten, die im Ausschuss übergeben wurden, danken. So ist es möglich, mit diesem Antrag sowohl die umweltfreundlichen Verkehrsteilnehmer auf dem Rad, zu Fuß und mit dem ÖPNV in den Mittelpunkt der Landesentwicklung und der Verkehrswegeplanung zu rücken, als auch gleichzeitig einige Festlegungen zu treffen, die die Infrastrukturplanung noch untersetzen. Ein nicht zu vernachlässigender Punkt ist auch der wirtschaftliche Effekt. In der Broschüre „Radverkehr in Mitteldeutschland“, die von der Metropolregion herausgegeben wurde, wurden die gesundheitlichen Effekte benannt, wurden die ökonomischen Effekte benannt. Ich möchte sie jetzt hier nicht wie- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2411 (Abg. Dr. Lukin) derholen. Ich will nur eines davon herausgreifen: Der Umsatz des Radverkehrs im Tourismus in den drei Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird auf 285 Millionen Euro jährlich geschätzt. Für die zusätzlichen Bemerkungen bzw. für die zusätzlichen Änderungen im Bereich Verkehrssicherheit bin ich sehr dankbar. Das Thüringer Verkehrssicherheitsprogramm 2020 hat hier viele Schwerpunkte schon formuliert. Die Radfahrausbildung selbst ist ein Schwerpunkt in der Schule und auch bei der Arbeit der Präventionsbeauftragten der Polizei. Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft unterstützt alle Viertklässler mit Ausbildungsmaterialien. Sie bekommen von den Ausbildungsheften bis hin zum Fahrradpass alles zur Verfügung gestellt. Und ich möchte nur eine Zahl nennen, 94,45 Prozent aller Viertklässler haben an der Fahrradausbildung erfolgreich teilgenommen. Hier hätte ich aber eine Bitte. Zunehmend wird festgestellt, dass die motorischen Fähigkeiten der Kinder zurückgehen, Wahrnehmungs- und Bewegungsauffälligkeiten zunehmen. Hier muss eigentlich noch viel früher in der Schule und auch im Freizeitverhalten – hier haben die Eltern eine sehr große Verantwortung –, die Beweglichkeit der Kinder und ihre Fähigkeiten mehr geschult werden. Allerdings, lassen Sie mich mit einer Bitte abschließen, zahlreiche Projekte, die das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft unterstützt, helfen ebenfalls dabei, aber wir möchten den Innenminister bitten, dass auch zukünftig die Polizei hier die praktische Ausbildung unterstützt und die Prüfungen abnimmt. Das ist eine ganz wesentliche Aufgabe. Hier haben die Präventionsbeamten und die Jungendverkehrsschulen, die Schulen und auch die Verkehrssicherheitsaktive eine große Verantwortung. Wir würden uns wünschen, wenn den Fragen der Verkehrssicherheit hier auch inhaltlich weiterhin viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) weiter bearbeitet und die Forderung aus dem Koalitionsvertrag somit umgesetzt werden. Im Ausschuss für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten wurden die Schwerpunkte auf die Überarbeitung des Thüringer Radverkehrskonzepts unter Einbeziehung neuester Trends und Entwicklungen gelegt, um nur einige Punkte zu nennen: die Verbesserung der Radinfrastruktur, die Erstellung eines Landesradwegeplans für den Alltagsradverkehr, die Berücksichtigung des Radtourismus bei der Fortschreibung der Landestourismuskonzeption. Hierbei liegt das besondere Augenmerk auf den Angeboten der Vernetzung des E-Bike-Tourismus. Ebenso zu beachten ist die Sicherstellung der Einbeziehung und Beteiligung aller relevanten Akteure. Unsere Ziele sind nach wie vor realistisch gesetzt und im Rahmen der anfallenden Kosten im Sinne der notwendigen Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gesteckt. Der Mehrwert, den wir damit erreichen, nicht nur für die Radfahrer selbst, sondern für die wirtschaftliche und touristische Entwicklung Thüringens generell, ist nicht zu unterschätzen. Auch, wenn jetzt die herbstliche Jahreszeit anfängt, in der das Wetter manchmal nicht mehr zum Radfahren einlädt, wollen wir heute den besonderen Bedürfnissen der Radfahrenden ebenso viel Aufmerksamkeit schenken, wie dem motorisierten Individualverkehr oder dem öffentlichen Personennahverkehr und mit diesem Antrag diese Zielgruppe konsequent unterstützen. Wenn wir uns abschließend die unterschiedlichen Facetten und Trends des Radsports ansehen, zeigt sich, dass sich das Radfahren zu einem starken touristisch relevanten Markt entwickelt hat. Kurzum, Radfahren hält fit, Radfahren schont die Umwelt, Radfahren ist im Trend. Danke. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Das Wort hat Abgeordneter Kießling, Fraktion der AfD. Vizepräsidentin Jung: Abgeordneter Kießling, AfD: Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordneter Warnecke zu Wort gemeldet. Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Abgeordnete – lieber Zuschauer wollte ich gerade sagen, einer, es sind drei –, liebe Zuschauer auf der Tribüne, liebe Zuschauer am Bildschirm! Auch der Radverkehr soll in Thüringen immer mehr an Beachtung erfahren und braucht eine gute Voraussetzung, um im Nahverkehr den Pkw-Verkehr zu entlasten sowie auch touristisch optimal genutzt zu werden. Die Thüringer sollten auf jeden Fall die Möglichkeit haben, schnell und sicher mit dem Fahrrad anzukommen, gerade auch im Bereich Berufsverkehr, wobei auf die nicht vorhandenen Radwege gerade an den Bundesstraßen hinzuweisen ist. Beispielsweise fehlt es an Expressverbindungen an der Thüringer Abgeordneter Warnecke, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sicherlich ist die eine oder der andere, wie beispielsweise unser Kollege Roberto Kobelt, heute früh mit dem Fahrrad zum Landtag gekommen. Aber es wird Sie auch interessieren und freuen, dass wir heute abschließend den Antrag „Radverkehr in Thüringen planvoll und zielstrebig verbessern“, für den die Koalition verantwortlich zeichnet, vorlegen. Das bisher nicht ausreichend behandelte Thema Radverkehr soll nun endlich 2412 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Kießling) Städtekette. Hier müsste ein wichtiger Beitrag geleistet werden, dass von Gera bis Eisenach eine Mobilität möglich ist, die den Thüringern und den Touristen die Entscheidung fürs Rad vereinfacht. Auch eine Verknüpfung mit dem ÖPNV halten wir für wichtig. Gerade im Hinblick auf die Entwicklung der Elektrofahrräder wäre es sinnvoll, diese Fortbewegungsmöglichkeit mit ausgewiesenen Expressstrecken zu vereinfachen, sofern dies möglich ist. Mountainbiketourismus ist eine Möglichkeit, die Thüringer Berge auch im Sommer für mehr Tourismus zu erschließen. Dafür müsste aber gezielt in Mountainbikestrecken investiert werden und Fachleute herangezogen werden, gerade vor dem Hintergrund, dass es in Bundesländern wie in BadenWürttemberg Auseinandersetzunge zwischen Bauern und Wanderern und Mountainbikern gab. Das muss aber genau beobachtet werden und es müssen die Interessen jeder Gruppe entsprechend Beachtung finden. Die Investitionen in die Infrastruktur erachten wir als AfD-Fraktion als sehr wichtig! Zurzeit leben wir leider von der Substanz! Das heißt wie gesagt, die Infrastruktur ist ein Lock- und Bleibefaktor im Wettbewerb um die Bürger. Doch sehen wir, dass die Gesamtinvestitionsquote des Landes Thüringen laut Landeshaushalt 2017 zurückgeht. 2015 sind es im Landeshaushaltsplan noch 13,53 Prozent gewesen. 2016 sollen es dann 13,14 Prozent sein und 2017 fällt die Quote auf 13,02 Prozent. Anteilig an einem Landeshaushalt von bis zu 10 Milliarden Euro sind das mittlere zweistellige Millionenbeträge, die weniger investiert werden. Im Haushalt für das Jahr 2015 wurde die Radinfrastruktur bereits durch die rot-rot-grüne Regierung vernachlässigt. Eine interessante Zahl aus dem Infrastrukturhaushalt, die das zeigt: 2014 wurden 3,1 Millionen Euro für den Neubau, Um- und Ausbau und die Erhaltung von Radwegen ausgegeben. Die Landesregierung hat diese Zahl im Ansatz für das Jahr 2015 auf 1,5 Millionen Euro gesenkt, Herr Kobelt, und wird 2016 die Zahl wieder auf 2 Millionen Euro und 2017 auf 3 Millionen Euro erhöhen und so immer noch nicht mit den Vorgängerregierungen gleichgezogen sein. Die von Ihnen geforderte Mitnahme von Fahrrädern in ICEs und in allen ÖPNV-Bereichen führt zum Rückgang von Sitz- und Stehplätzen und müsste entsprechend punktuell ausgeglichen werden. Auch die Einrichtung von Schlauchautomaten sowie Luftpumpenstationen, Scherbentelefonen und Fahrradwaschanlagen halten wir im Rahmen der Haushaltsdebatte für überflüssig und unangemessen. Auch ist eine Auslastung solcher Stationen mehr als fragwürdig, genau wie die Reparaturservices. Dies könnte nur punktuell erfolgen, sofern hier entsprechende Nachfrage besteht. In Ihrem Antrag werden jedoch immer wieder pauschale Prozentsätze und Förderzahlen genannt. Wichtig ist, die Finanzmittel anhand des Bedarfs und anhand von nachgewiesenen Potenzialen zu investieren. Hier müssen auf alle Fälle die Kreise und Kommunen bei der Planung aktiv im Vorfeld mit einbezogen werden. Es muss mit spitzer Feder gerechnet werden, wo wirklich Fahrradstraßen gebraucht werden, gerade vor dem Hintergrund, dass der Haushalt von Rot-Rot-Grün kurz vor der Neuverschuldung steht. Wir können aufgrund dieser überflüssigen Forderungen, wie zum Beispiel Fahrradwaschanlagen, diesem Antrag, der vom Grundsatz her eigentlich gut und richtig ist, nicht zu 100 Prozent zustimmen und müssen uns daher leider enthalten. Aber wir hoffen natürlich, dass die eine oder andere Änderung im Landestourismuskonzept noch Berücksichtigung finden wird. Hier sollte bei den Radwegen im größeren Thüringer Gewerbegebiet bei Arnstadt eigentlich mal begonnen werden, welche auch touristisch mehr genutzt werden würden, sofern es dort einen zusammenhängenden Radweg geben würde. Lücken in Wirtschaftswegen können dort relativ kostengünstig geschlossen werden und so auch den Radfahrern anteilig zur Verfügung stehen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall AfD) Vizepräsidentin Jung: Das Wort hat nun Abgeordneter Kobelt, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der zu Fuß ans Rednerpult kommt. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abgeordneter Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Kießling, ich muss Ihnen gleich noch mal mein Unverständnis ausdrücken. Herr Malsch hat es eigentlich ganz eindeutig gesagt – und ich dachte auch, dass Sie zumindest körperlich anwesend waren in den Ausschusssitzungen –, dass wir den Antrag zusammen noch einmal verändert haben. Das, was Sie als Kritik genannt haben, ist überhaupt nicht mehr in dem jetzt abstimmungsfähigen Antrag vorhanden. Ich empfehle ganz stark auch aktiv an den Ausschusssitzungen teilzunehmen und nicht nur körperlich, dann würde Ihre Kritik, die Sie uns unterstellen, vielleicht unterbleiben. Aber jetzt zurück zum Thema. Radfahren ist etwas Besonderes. Radfahren ist zum Beispiel preisgünstig. Der Durchschnittspreis pro Kilometer, wenn man ein Rad besitzt und das wartet und pflegt, liegt maximal bei 5 Cent. Beim Auto liegt es durchschnittlich beim Zehnfachen, bei 50 Cent pro Kilometer. Das ist ein starkes Argument, glaube ich, auch für die Bürgerinnen und Bürger, eher die Möglichkeit zu nutzen, mehr Rad zu fahren. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2413 (Abg. Kobelt) (Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Ich lade Sie mal ein, jeden Tag mit dem Rad von Zeulenroda nach Erfurt zu fahren!) Das können wir zusammen mal machen, gern, ja. Im Straßenbau ist der Unterschied noch eklatanter. Dort kostet ein Kilometer Radweg durchschnittlich 150.000 Euro und beim Straßenbau sind es durchschnittlich über 3 Millionen Euro. Also ein zwanzigfacher Betrag, den die öffentliche Hand immerhin für die Infrastruktur zur Verfügung stellen muss. Ein starkes Argument, um auf mehr Radverkehr zu setzen, finden wir. Radfahren ist aber auch gut für die Umwelt. Während weltweit zahlreiche Autoingenieure versuchen, mehr oder weniger transparent den CO2-Verbrauch zu senken, gibt es seit 200 Jahren das perfekte umweltfreundliche Fahrzeug – das Rad. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Radfahren ist aber auch gesund. Neueste Untersuchungen ergeben, dass durch Radfahren oder Sport und Bewegung natürlich auch allgemein Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückgehen. Man ist an der frischen Luft und die Lebenserwartung steigt sogar um zehn Jahre. Das ist für uns als Grüne ein wichtiger Grund, in dem Bereich Radverkehr im wahrsten Sinne des Wortes Gas zu geben und für die Thüringer Städte und Gemeinden, aber auch das Land gute Bedingungen zu schaffen und die Lebensqualität vor allem für Kinder und Familien bis hin zu Senioren zu verbessern. Sehr geehrte Damen und Herren, in vielen Regionen können wir bereits deutlich sehen, welche Möglichkeiten der Radverkehr für mehr Lebensqualität der Menschen hat. Kopenhagen zum Beispiel war in den 70er-Jahren noch eine autozentrierte Stadt, wo es überhaupt keinen Ansatz gab, sich mit dem Rad zu bewegen. Durch konsequente Förderung ist es heute eine der zum Leben begehrtesten Fahrradmetropolen Europas. Heute finden dort 26 Prozent aller Fahrten mit dem Fahrrad statt. In Amsterdam sind es sogar 38 Prozent. Auch in Deutschland zeigen Regionen wie das Münsterland, welche Möglichkeiten das Fahrrad bietet. So hat der Landkreis Steinfurt im Umland von Münster einen Anteil des Fahrrads an allen Wegen von 28 Prozent, obwohl dieser keinen rein städtischen Charakter hat, sondern auch das Umland mit einbezieht und dort auch auf längeren Strecken gute Bedingungen bietet. Zudem erhöhen mittlerweile Elektrofahrräder die Reichweiten auch für vielleicht nicht so sportliche Radfahrer oder Senioren und ältere Menschen auf 10 bis 20 Kilometer und mehr. So wird es möglich, gerade für die kleinteiligen Thüringer Mittelstädte, sich untereinander zu vernetzen und auch mal bequem ins Büro zu fahren. Von Gera nach Jena und von Gotha nach Erfurt ist das dann kein Problem mehr, wenn wir es schaffen, in Thüringen auch die entsprechenden Radwege zur Verfügung zu stellen. Von den oben genannten Beispielen in Europa und im Münsterland sind wir jedoch noch weit entfernt. Erste Schritte wurden in den letzten Jahren in Thüringen vor allem im touristischen Bereich zwar unternommen; auch auf kommunaler Ebene haben einige Aktivitäten schon zum Erfolg geführt. So hat sich das Netzwerk der fahrradfreundlichen Kommunen vor drei Jahren auch in Thüringen gegründet. Daran sind derzeit allerdings erst neun Städte und drei Landkreise beteiligt. Doch auf Landesebene hatten die bisherigen Landesregierungen vor einer klaren Zielsetzung und damit verbundenen Verpflichtungen besonders im Alltagsradverkehr zurückgeschreckt. Der Radverkehr war so oftmals der Sparbüchse unterlegen und dem Ausbau von Straßen wurde der Vorzug gegeben. Dies führte unter anderem dazu, dass Thüringen im Vergleich der Bundesländer einen der letzten Plätze bei Radwegen an Bundes- und Landesstraßen einnimmt. Sehr geehrte Damen und Herren, wir freuen uns deshalb besonders, dass Rot-Rot-Grün und die CDU sich jetzt auf klare Zielstellungen einigen konnten. So wird das neue Radverkehrskonzept einen Landesradweg – geplant für den Alltagsradverkehr – beinhalten, der alle zentralen Orte berücksichtigt und diese miteinander vernetzt. Mit den Kommunen werden wir eng zusammenarbeiten und uns am bundesweiten Nationalen Radverkehrsplan 2020 orientieren, der in vielen Aspekten vorbildlich ist. Mittelfristig wollen wir damit den Radnutzungsanteil von jetzt 6 Prozent bis 2025 auf mindestens 12 Prozent im Alltagsradverkehr verdoppeln. Bei den Investitionen legen wir gemeinsam Wert darauf, dass von den Straßenbaumitteln mindestens 10 Prozent in Radwege investiert werden. Dort gibt es in dem 2015er-Haushalt und vor allem jetzt im 2016er und 2017er in dem Vorschlag der Landesregierung und des Infrastrukturministeriums die ersten Erfolge und dies wollen wir auch für die darauf folgenden Jahre fortsetzen. Der Radverkehr wird verstärkt in der ÖPNV-Planung berücksichtigt werden. Beispiele sind gut verbundene Verknüpfungen zwischen Bike-and-rideStationen, barrierefreie Einstiege bei Bahnen und Bussen sowie durchgängige und verlässliche Radmitnahmen im Regionalbusverkehr. Zudem werden wir den Radtourismus bei der Fortschreibung der Landestourismuskonzeption angemessen berücksichtigen und die guten Ansätze im Tourismusbereich weiter vertiefen. Als weiterer Punkt ist uns wichtig, dass in den Kommunen das Angebot an öffentlichen Parkflächen für Fahrräder erhöht wird. Schließlich werden wir die Öffentlichkeitsarbeit zur Förderung der Verkehrssicherheit und Verkehrsverträglichkeit verstärken. 2414 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Kobelt) Einen besonderen Schwerpunkt wollen wir auf ein gutes Miteinander aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer legen, um gerade Kindern und Jugendlichen hier bessere, sicherere Bedingungen in den Städten und Gemeinden zu geben. Doch auch das Verhalten der Erwachsenen kann mit intuitiven Maßnahmen beeinflusst werden. Positives Beispiel ist hier die Kampagne „Lächeln rettet Leben“, die eine angemessene Geschwindigkeit der Autofahrer anzeigt und damit sowohl zu umweltbewusstem Fahren, aber auch zum Schutz von Fußgängern und Autofahrern einlädt. Mit einem Lächeln möchte ich auch ganz herzlich allen Beteiligten von SPD, Linken, CDU und Bündnis 90/Die Grünen für die konstruktive Arbeit an diesem Antrag danken. Ich freue mich auf die Arbeit des Ministeriums, das es hoffentlich aufgreift und ich bin mir ganz sicher, dass da auch in der Regierung eine sehr gute Umsetzung erfolgt. Ich danke Ihnen noch mal recht herzlich und bitte um Zustimmung zu diesem Antrag. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir keine Wortmeldungen vor. Damit hat das Wort Ministerin Keller. Keller, Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft: Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Radfahrerinnen und Radfahrer! Die Koalitionsvereinbarung beinhaltet zum Thema „Radverkehr“ mehrere Vorhaben, die sich in dem Antrag „Radverkehr in Thüringen planvoll und zielstrebig verbessern“ so auch wiederfinden. Der Antrag wurde im Infrastrukturausschuss und im Wirtschaftsausschuss beraten und auch ich möchte mich an dieser Stelle für die konstruktive Arbeit in den Ausschüssen bedanken. Der nun abschließend vorliegende Antrag belegt dies auch aus meiner Sicht sehr ausdrücklich. Er benennt ausgewählte Schwerpunkte für die Fortschreibung des Radverkehrskonzepts in Bezug auf den Alltagsradverkehr, den Radtourismus und die Verknüpfung des Radverkehrs mit anderen Verkehrsmitteln. Zudem werden messbare Ziele für die Entwicklung des Radverkehrs gefordert. Der Antrag macht aber auch deutlich, dass die Beteiligung der Akteure innerhalb und außerhalb der Landesverwaltung ein wichtiger Baustein ist, um zu einem Konzept zu kommen, das von allen getragen und dann auch umgesetzt wird. Für die Fortschreibung des Radverkehrskonzepts ist ein Bearbeitungszeitraum von zwei Jahren geplant. So wird es möglich sein, die Meinungen vieler Akteure zu der bekann- termaßen großen Themenvielfalt rund um den Radund Fußverkehr in die Arbeiten einbeziehen zu können. Die Fortschreibung des Radverkehrskonzepts wird so als Chance genutzt, die Kommunikation zwischen den Kommunen und mit der Landesregierung weiter zu intensivieren. Gleichzeitig sehe ich eine intensive Beteiligung der Akteure als eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Umsetzung des geplanten Konzepts unter breiter Beteiligung gelingt. Je mehr die Kommunen und Verbände in diesem Prozess mitwirken, umso höher ist die Chance, bessere Bedingungen für den nicht motorisierten Verkehr zu erreichen. Deshalb ist es wichtig, dass die Landesregierung Anreize schafft und gute Beispiele bekannt werden. Ein Blick in den Haushalt 2016 und 2017 und auch in die gegenwärtige Debatte zeigt, dass wir im Jahr 2016 dafür 2 Millionen Euro zur Verfügung stellen und im Jahr 2017 3 Millionen Euro. Ich plädiere dafür, dem Radund Fußverkehr künftig einen größeren Stellenwert auf allen Ebenen einzuräumen. Mit der Fortschreibung des Radverkehrskonzepts werden wir den Handlungsrahmen für die Landesregierung und die Kommunen erweitern können und dafür „Gut Rad“. Vielen Dank. (Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Ich habe schon ein Projekt, Frau Ministerin! Darf ich mal vorbeikommen?) (Zwischenruf Keller, Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft: Sie dürfen immer vorbeikommen!) Vizepräsidentin Jung: Es liegen jetzt keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung zunächst über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten in der Drucksache 6/1120. Wer der Beschlussempfehlung die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei den Stimmenthaltungen der AfD-Fraktion ist die Beschlussempfehlung angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/616 unter Berücksichtigung der Zustimmung zur Beschlussempfehlung in Drucksache 6/1120. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei den Stimmenthaltungen der AfDFraktion ist der Antrag angenommen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9 Wassertourismus als regional bedeutendes Tourismusange- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2415 (Vizepräsidentin Jung) bot in Thüringen hier: Nummer II Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/828 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft - Drucksache 6/1005 Das Wort hat Herr Abgeordneter Bühl aus dem Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft zur Berichterstattung. Abgeordneter Bühl, CDU: Kurz zum Bericht, was wir im Ausschuss besprochen haben: Die Regierungskoalition hat im Plenum am 10. Juli 2015 diesen Antrag zum Wassertourismus eingebracht. Hierzu erfolgte ein ausführlicher Bericht des zuständigen Ministeriums. Die CDU-Fraktion hatte in diesem Plenum einen Alternativantrag mit Fokus auf den länderübergreifenden Charakter des Wassertourismus eingebracht. Beide Anträge wurden gemeinsam überwiesen an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft, wo wir diese am 3. September 2015 beraten haben und mit einem gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktionen CDU, Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen eine Ergänzung zum länderübergreifenden Charakter des Wassertourismus eingearbeitet haben. Daraus resultiert die Beschlussempfehlung, die heute vorliegt, nämlich zu ergänzen „und die länderübergreifende Zusammenarbeit zu intensivieren“ und zu ergänzen „der gegenseitigen Verknüpfung mit anderen Tourismussegmenten, wie dem Rad-, Wander- und Kulturtourismus, Rechnung zu tragen“. Ich freue mich auf die Diskussion. (Beifall CDU) Vizepräsidentin Jung: Ich eröffne die Aussprache und das Wort hat Abgeordneter Korschewsky, Fraktion Die Linke. Abgeordneter Korschewsky, DIE LINKE: Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, es ist sehr gut, dass wir heute über diesen Antrag noch einmal kurz reden können. Wir haben, glaube ich, sehr intensiv – das hat der Kollege Bühl schon gesagt – auch im Ausschuss beide überwiesenen Anträge beraten. Ich will noch einmal ein paar Essentials herausstellen. Wir wissen alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass der Wassertourismus sicherlich in Thüringen nun nicht das Hauptsegment sein wird, weder heute noch zukünftig, aber der Wassertourismus ist ein verbindendes Element, und das muss man ganz deutlich sagen, welches sowohl den Tourismus als solches beinhaltet, den Wassertourismus, aber auch den Kulturtourismus und den Naturtourismus. Man kann dort ganz viele Dinge im Zusammenhang sehen und ich glaube, deshalb ist es auch gut, dass die Frage des bisher ein wenig unterrepräsentierten Wassertourismus durchaus eine größere Rolle in diesem Plenum, in diesem Hause hier spielt. Man sollte es nicht gering schätzen, neben der Talsperrenregion, den Saalekaskaden mit dem größten aufgestauten zusammenhängenden Wassergebiet Deutschlands und den fast 400 Kilometern Möglichkeiten des Wasserwanderns auf Werra, Unstrut und Saale ist noch einiges möglich im Zusammenhang mit Wassertourismus. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich die letzten Marktforschungsergebnisse Thüringens anschaut, die vom 22. September 2015 herrühren und die sehr intensiv in Vorbereitung der neuen Landestourismuskonzeption für das Jahr 2020/25 vorbereitet wurden, so muss man sagen, dass die Frage Natururlaub mit 31 Prozent und die Frage Aktivurlaub mit 17 Prozent einen sehr hohen Stellenwert in diesen Marktforschungsergebnissen spielen. Das ist sicherlich auch damit zu erklären, dass immer mehr Menschen sich zu diesen Bereichen – und dazu gehört auch der Wassertourismus – hingezogen fühlen und hier auch etwas machen wollen. Gleichzeitig – auch hier möchte ich noch einmal aus dieser Marktforschungsanalyse zitieren – hat derzeitig Thüringen mit 11 Prozent durchaus einen hohen Anteil mit Position Acht im Länderranking in diesem Bereich. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den letzten Jahren ist sehr viel darauf hingewiesen worden, dass die Frage des Tourismus eben eine umfassende Frage sein muss. Deshalb noch einmal meine Bitte, Tourismus nicht als einzelne Segmente zu sehen, wie zum Beispiel den Städtetourismus, wie zum Beispiel den Tourismus auf dem Bauernhof oder aber auch den Wassertourismus. Ich möchte noch einmal ganz stark dafür werben, dass wir den Tourismus als einen ganzheitlichen Tourismus sehen. Ganzheitlich heißt eben auch, nicht nur entlang der Autobahn, sondern wir haben sowohl in unseren nördlichen Regionen zum Beispiel des Harzes oder im Unstrut-Hainich-Gebiet als auch in den südlichen Regionen um den Sonneberger Raum, aber gleichzeitig natürlich auch in der Frage der schon genannten Saalekaskaden oder in Ostthüringen sehr schöne touristische Gebiete, die Touristikerinnen und Touristiker auch anlocken und natürlich auch Urlauberinnen und Urlauber. Der Ministerpräsident hat vor Kurzem gesagt: Der Tourismus ist einer der möglichen Wachstumsfaktoren im Wirtschaftsbereich in Thüringen. Dem sollten wir uns stellen. Denn hier sind noch große Möglichkeiten, um diesen Bereich auch weiter zu fördern und diesen Bereich als einen Wirtschaftsfaktor 2416 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Korschewsky) weiter nach vorn zu bringen, um die Wirtschaftskreisläufe auch in den einzelnen Regionen damit anzukurbeln. Ich bin froh, dass es gelungen ist, in diesem Bereich des Tourismus eine tatsächliche übergreifende Diskussion zu erreichen. Beide Anträge sind zusammengeführt worden, Kollege Bühl sprach davon. Ich denke, dass mit diesem Antrag, mit der Beschlussfassung zu diesem Antrag, eine gute Grundlage da ist, um im Bereich des Wassertourismus entsprechende Signale zu senden, entsprechende Entwicklungen vorzunehmen und diesem in Bezug auf die Tourismuskonzeption 2025 eine höhere Bedeutung beizumessen. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu dem genannten Antrag. Danke. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion der CDU hat Abgeordneter Bühl das Wort. (Beifall CDU) Abgeordneter Bühl, CDU: Sehr geehrte Damen und Herren, sehr verehrte Präsidentin, zu diesem Punkt Wassertourismus ist eigentlich schon viel gesagt. Wir haben eine intensive Diskussion dazu gehabt, deswegen will ich gern allgemein noch etwas dazu sagen. Zum einen möchte ich mich noch einmal herzlich bedanken beim Wirtschaftsministerium und dem Staatssekretär für seine Einführung in die Fortschreibung der Tourismuskonzeption. Ich denke, er hat dort auch gut umrissen, dass gerade die Nischen – jetzt mal festgemacht am Radtourismus –, aber auch Wassertourismus wichtige Entwicklungsmöglichkeiten für Thüringen sind. Die schon angesprochene Studie, die die Zukunftschancen des Tourismus auswertet, hat auch aufgezeigt, dass es kein wesentliches Wachstum mehr in Deutschland in diesem Bereich geben wird. Jeder, der sich von diesem Stück Kuchen, was wir jetzt haben, etwas abschneiden will, der muss sich mit Nischen und mit neuen Angeboten gegenüber anderen Angeboten, die es in Deutschland schon gibt, durchsetzen. Damit man das schafft, wird es uns nichts bringen, einfach nur auf die Punkte zu gucken, die wir schon gut können, wie zum Beispiel den Wandertourismus. Die sind wichtig, das sind die Bereiche, die uns sicherlich eine gute Grundlast an Besuchern bringen. Aber wir müssen vor allen Dingen darauf gucken, dass wir darüber hinaus Nischen abdecken und schauen, wie wir zusätzliche Angebote schaffen können, um Leute nach Thüringen zu ziehen. Wir waren neulich in Österreich und ich hatte die Möglichkeit, dort mit dem Präsidenten des Hotel- und Gaststättengewerbes für Österreich zu sprechen. (Beifall CDU) Kollege Voigt und ich hatten ein intensives Gespräch (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gemeinsamer Urlaub, viel Spaß!) und ich fand es sehr, sehr erhellend, (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Am nächsten Tag war es dunkel!) (Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) was uns dort berichtet wurde, nämlich dass die Österreicher nicht wie wir schauen, wo man schon stark ist – das ist bei denen ja auch Wandern und Ski –, sondern die schauen in Nischen und in Trends und besetzen diese Trends dann offensiv. Sie sagen zum Beispiel, sie sind die zukünftige erste Destination für E-Bike-Tourismus in Europa, schaffen da Angebote und bewerben sich dann auch intensiv. Ich glaube, da sind wir in Thüringen noch etwas zu zögerlich, dass wir nur schauen, wo sind wir schon gut, aber gucken nicht, wo sind Trends, wo wir noch was Neues setzen können. Da finde ich auch gerade die Diskussion, die wir eben zum ganzen Bereich Fahrradfahren hatten, unheimlich lohnenswert für den Tourismus. Nicht nur die Fahrradwege, sondern auch der Mountainbike-Tourismus, wo ja jetzt der Regionalverbund Thüringer Wald eine Mountainbike-Strecke um den Rennsteig angelegt hat, sind da wesentliche Sachen. Das ist für mich Ausdruck, dass wir diese Nischen wie auch den Wassertourismus intensiv besetzen müssen und mit anderen Tourismusarten verknüpfen müssen. Deswegen ist diese Ergänzung, die wir jetzt vorliegen haben, auch sehr gut, dass wir auf den Städtetourismus, den Kulturtourismus gucken, all das, was an den Flüssen liegt, kann man damit, denke ich, ganz gut erreichen. Wichtig ist auch, dass wir die Grenzregionen vor allen Dingen mit dem grenzübergreifenden Charakter mit berücksichtigen. Wir haben ja gerade grenzübergreifend im Tourismus in Richtung Harz, in Richtung Rhön, in Richtung Vogtland schon gute Ansätze, wie auch eine grenzübergreifende Tourismusorganisation funktioniert. Wenn wir uns von unseren Nachbarländern in Sachen Wassertourismus noch inspirieren lassen können über die guten Sachen, die dort bereits laufen, dann können wir sicherlich den Tourismus und Wassertourismus bei uns noch ankurbeln und verstärken. Ich bin gespannt, wie sich die Diskussion in der Fortschreibung der Landestourismuskonzeption weiterentwickelt. Ich bin da aktuell guter Hoffnung, dass wir da gemeinsam gut vorankommen. Ich werbe deswegen heute für die Zustimmung zu diesem Antrag. Vielen Dank. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2417 (Abg. Bühl) (Beifall CDU, SPD) Vizepräsidentin Jung: Für die Fraktion der SPD hat Abgeordneter Warnecke das Wort. Abgeordneter Warnecke, SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Fast 3,7 Millionen Besucher kamen 2014 nach Thüringen und buchten insgesamt 9,82 Millionen Übernachtungen. Das war ein neuer Rekordwert. Auch für das laufende Jahr sind die Zahlen erfreulich: Die Zahl der Übernachtungen erhöhte sich nach Mitteilung des Thüringer Landesamts für Statistik im Zeitraum von Januar bis Juli 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 1,9 Prozent auf 5,5 Millionen. Auch für die Zukunft sieht die Prognose gut aus für den Thüringer Tourismus. Laut Reiseanalyse 2015 der Forschungsgemeinschaft „Urlaub und Reisen“ planen 11,2 Prozent der Deutschen – das sind 7,9 Millionen potenzielle Gäste – zwischen 2015 und 2017 eine Reise in unseren Freistaat oder ein solcher Urlaub kommt für sie zumindest infrage. Wir tun also gut daran, hier im Parlament gemeinsam auch an der weiteren Stärkung des Tourismus in der ganzen Bandbreite zu arbeiten, heute speziell zum Wassertourismus. Das Thema „Wassertourismus“ war bereits Bestandteil der Tourismuskonzeption der letzten Landesregierung und darüber hinaus bescheinigt die vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene und im Jahr 2014 veröffentlichte Studie „Wassertourismus in Thüringen“ dem Freistaat ein großes Potenzial in diesem Tourismussegment. Die Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, dieses vorhandene Potenzial zu heben. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Ergebnisse und Empfehlungen dieser Studie in der kommenden Landestourismuskonzeption berücksichtigt werden. Ferner gilt es, um uns von den Mitbewerbern am Markt abzuheben, ein Alleinstellungsmerkmal für den Wassertourismus zu entwickeln. In diesem Sinne soll eine enge Verknüpfung von unseren Topthemen Wandern, Radfahren und Kulturstädtetourismus mit Angeboten wie zum Beispiel Angeln, Kanufahren, Rudern und Tauchen bei der Produktentwicklung und Produktvermarktung von Vorteil sein, um so zu einem Thüringenprofil für den Wassertourismus zu werden. Stichwort „Länderübergreifende Kooperation“: Dabei wollen wir auch verstärkt mit anderen Bundesländern zusammenarbeiten und unser touristisches Angebot mit denen anderer Länder verzahnen. Im Bereich des Radtourismus haben wir hier schon gute Erfahrungen gemacht. So ist Thüringen zum Beispiel durch den 403 Kilometer langen Saale-Radweg bereits Teil eines attraktiven länderübergrei- fenden touristischen Angebots und trägt durch verschiedenste Attraktionen und Sehenswürdigkeiten dazu bei, dass er zu einem der reizvollsten und abwechslungsreichsten Flussradwege in Deutschland zählt. Für den Wassertourismus in Thüringen sind – neben der Saale – vor allem die ganzjährig befahrbaren Streckenabschnitte der Wasserwanderflüsse Werra und Unstrut von Bedeutung. Stichwort „Barrierefreier Wassertourismus“: Hier möchte ich gern einen Blick auf die zukünftige touristische Nachfragestruktur werfen. Aufgrund des demografischen Wandels bahnt sich im barrierefreien Tourismus ein lukrativer und vielversprechender Wachstumsmarkt an. Es wird eine zunehmend höhere Nachfrage nach barrierefreien Angeboten geben. Damit auch Gäste mit Aktivitäts- und Mobilitätseinschränkungen und ältere Gäste wassertouristische Angebote – wie zum Beispiel in den Bereichen Camping, Angeln und Baden – in den Regionen an kleinen Gewässern wahrnehmen können, müssen wir dies im Blick behalten, auch unter dem Gesichtspunkt, dass diese Gäste ihren Urlaub häufiger im Inland verbringen und den Tourismusbetrieben auch außerhalb der Hauptsaison und der Ferienzeit Einnahmen generieren werden. Auf eine Stärken- und Schwächenanalyse über Entwicklungshemmnisse in den einzelnen, für den Wassertourismus relevanten Regionen, die auch in der genannten Studie „Wassertourismus in Thüringen“ für die jeweilige Region ausführlich aufgezeigt werden, hat bereits Minister Wolfgang Tiefensee in seiner Rede im Juli-Plenum Bezug genommen. Hier müssen wir nachhaken, denn einige Ergebnisse sind für die genannte Zielgruppe der älteren Gäste oder der Gäste mit Aktivitäts- und Mobilitätseinschränkungen besonders relevant, zum Beispiel eine Optimierung der Umtragungsstrecken, fehlende Zugänge zum Wasser oder fehlende Beschilderung, wasser- oder landseitig. Wir tun also gut daran, in Zukunft auch im Bereich der barrierefreien touristischen Angebote beim Thema „Wassertourismus“ Schwerpunkte für die Zielgruppe der Gäste mit Aktivitäts- und Mobilitätseinschränkungen sowie für ältere Gäste zu setzen, denn bereits 2013 war mit 9,4 Prozent der Menschen fast jeder Zehnte in Deutschland auf barrierefreie Angebote angewiesen. Diesen Trend steigender Zahlen dürfen wir auch beim Thema „Wassertourismus“ und beim Tourismus allgemein nicht aus den Augen verlieren. Abschließend möchte ich den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion meinen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit bei diesem Antrag aussprechen. (Beifall CDU, DIE LINKE, SPD) Es freut mich sehr, dass es uns gelungen ist, eine gemeinsame Position zu finden und vom Landtag 2418 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Warnecke) aus ein klares Signal zu senden, dass sich die hier vertretenen demokratischen Fraktionen zusammen für eine Stärkung des Tourismusstandorts Thüringen engagieren. Danke. (Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Jung: Das Wort hat Abgeordneter Kießling, Fraktion der AfD. Abgeordneter Kießling, AfD: Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Abgeordnete, liebe Zuschauer, es ist schon viel Gutes gesagt worden. Es bleibt mir nicht mehr allzu viel zu sagen, doch habe ich schon noch ein paar Worte zu sagen. Thüringen ist ein Binnenland mit gerade mal 1,2 Prozent Wasserfläche. Die Wasserfläche umfasst somit 19.871 Hektar. Das ist die Hälfte der durchschnittlichen Wasserflächen anderer Bundesländer. Die größten Wasserflächen Thüringer Gemeinden sind in den Städten Saalburg-Ebersdorf mit 770 Hektar, Erfurt mit 379 Hektar, Heringen/ Helme mit 338 Hektar zu finden. Die Priorität des Landes Thüringen sollte aber weiterhin auf dem Schwerpunkt Kultur-, Wander- und Wintertourismus liegen. Eine weitere Option, die sich hier mit dem Bereich Wassertourismus auftut, kann auf alle Fälle den Tourismus insgesamt beleben und es schadet nicht, dieses Potenzial hier entsprechend zu heben. Aber, wie gesagt, es muss auch entsprechend finanziell möglich sein, wenn es zum Wohl der Bürger ist – warum nicht? –, ohne auch Abstriche hier bei den Haupttourismuszweigen zu machen. Dies darf aber auch nicht zulasten der Umwelt und der Natur gehen. Der Wassertourismus muss zwingend im Einklang mit der Natur stehen. Das ist sicherlich auch den Grünen ganz wichtig und uns als AfD auch. Wenn wir in den aktuellen Bericht zum Wassertourismus schauen, so steht da tatsächlich, dass die wirtschaftliche Bedeutung Thüringens verglichen mit anderen Aktivtourismussegmenten wie Wander- und Fahrradtourismus, bezogen auf den ganzen Freistaat, vergleichsweise gering ist. Einzelne Regionen in Thüringen sollen jedoch auch einen wirtschaftlich bedeutenden Wassertourismus haben, dessen Bedeutung aber leider im Bericht nicht anhand von Zahlen belegt wird. Wir würden uns daher wünschen, dass der Wassertourismus in Zukunft besser mit Zahlen belegt werden kann, denn anhand dieser Zahlen kann beurteilt werden, wie und wo am besten investiert werden sollte oder ob wir ihn uns in Zukunft anhand der aktuellen Entwicklung überhaupt noch leisten können. Auf der Tourismusinternetseite des Landes „Thüringen entdecken“ wird bereits das Wasserwandern beworben. Das ist eigentlich ein Schritt in die richtige Richtung und kann gern auch mit besonders schönen Badeseen und weiteren Angeboten zum Fischen und Tauchen ergänzt werden. Häufig gehört auch das Baden und Schwimmen im Sommerurlaub als Beiwerk dazu, selbst wenn man eine Kultur- oder Städtetour macht. Wer kann denn schon zu einem schönen blauen Badesee Nein sagen? Aber auch Tiere und Pflanzen müssen hier an und in den Gewässern nach wie vor ihren Platz haben, deshalb unterstützen wir von der AfD-Fraktion die Aussage aus dem Wassertourismusbericht, dass es in Thüringen leichter gemacht werden muss, den Wander- und Fahrradurlaub mit dem Wassertourismus zu verbinden. Thüringen ist unter anderem auch ein Tourismusland, welches optimiert werden kann. Die Betonung liegt hier aber auf „kann“. Der Antrag bzw. die Antworten daraus helfen bei der Optimierung des Wassertourismus. Sehr gespannt sind wir auch auf den Bericht der Landesregierung, wie der Wassertourismus in Thüringen finanziell unterstützt werden kann. Deshalb unterstützen wir von der AfD gern den Antrag auf Bericht der Landesregierung, jedoch stellt sich für uns die Frage, wie die Weiterentwicklung des Wassertourismus gerade auch im Hinblick auf die finanzielle Situation hier möglich sein soll. Auch die Haushaltslage ist sehr angespannt, das wissen viele, denn monatlich steigen die Kosten im Bereich Asyl. Daher wird eine weitere Unterstützung durch die AfDFraktion nur dann erfolgen können, wenn es ein schlüssiges Konzept geben sollte und es die Finanzlage in Thüringen zulässt. Es sollten in Zukunft weiterhin zuerst die touristischen Markenkerne wie Kultur und Geschichte die Hauptrolle spielen und hier nicht unbedingt vernachlässigt werden. Daher werden wir uns leider zum zweiten Teil des Antrags nur enthalten können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall AfD) Vizepräsident Höhn: Weiterhin hat sich Abgeordneter Adams, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, zu Wort gemeldet. Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, was für ein schöner Tag, was für ein glückliches Land, in dem alle demokratischen Parteien den Wassertourismus stärken wollen, natürlich auch Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist richtig, Frau Kollegin Mühlbauer, dabei sind natürlich Frösche, Lurche und auch die Fische, die Wasserpflanzen, aber auch die Weiden am Ufer ein ganz wichtiger Bestandteil. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2419 (Abg. Adams) (Heiterkeit und Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber das alles soll natürlich nur dem einen Zweck dienen: Dass die Menschen sich am Wasser, im Wasser, aber auch unter dem Wasser und auf dem Wasser gut erholen können. (Beifall SPD) Hier kann Thüringen noch einiges leisten. Wir wissen alle, 3,2 Milliarden Euro Umsatz im Jahr werden in Thüringen durch den Tourismus generiert. Richtig schon gesagt worden vom Kollegen Korschewsky und auch von dem Kollegen der CDUFraktion, um das mal zusammenzubringen an diesem Tag, ist, dass wir hier noch Ausbaumöglichkeiten haben. Das ist eine Wachstumsbranche. Hier können wir noch vieles machen. Schaut man sozusagen nach Mecklenburg-Vorpommern, gewiss mit viel mehr Wasser, gewiss mit viel mehr Touristen, gewiss auf einem höheren Level, aber das kann man sich mal anschauen in der Steigerungsrate. In Mecklenburg-Vorpommern hat man es geschafft, innerhalb von zehn Jahren den Anteil am Wassertourismus, am individuellen Tourismus zu verdreifachen. Wenn es uns jetzt nur gelingen würde, den Wassertourismusanteil in Thüringen zu verdoppeln, dann wären wir schon einen großen Schritt weiter und hätten unseren Tourismusstandort Thüringen gestärkt. Ganz wichtig ist uns Grünen, das wird niemanden verwundern, natürlich der Naturtourismus. Hier ist Wassertourismus ein ganz wichtiger Bestandteil. Saale, Werra, Unstrut als die Hot Spots natürlich, aber auch Gera, Elster usw., die vielen kleinen Gewässer, an denen man etwas machen kann. Jetzt ist Frau Tasch leider nicht da, aber alle wissen, dass Frau Tasch ja ein von mir sehr bewundertes Projekt auf den Weg gebracht hat im Eichsfeld, nämlich einen Biwakplatz an einer Wanderroute auszurichten, aufzubauen, kommunal zu betreiben. Und das wäre, denke ich, auch ein Ansatzpunkt, um an unseren Flüssen Möglichkeiten für Wasserwandertourismus zu schaffen, indem wir mit ganz geringen Mitteln ganz naturnah und viel Möglichkeit zum Naturerlebnis, viel Möglichkeit zum Familientourismus über – bitte? (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Dirk, sage doch, dass du dort mit Frau Tasch übernachten willst!) (Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ja, wenn es eingeweiht wird. So haben wir das vereinbart. Ich habe auch gehört, dass schon das Thema in der CDU-Fraktion gewesen ist, ob das offensichtlich parteikonform ist. (Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Richtig ist, den Biwakplatz im Eichsfeld, wenn er dann da ist, werde ich sehr gern mit Kollegin Tasch einweihen, natürlich. Ja, was denn sonst, was denn sonst? Wer, wenn nicht wir, weihen diesen Biwakplatz ein? Also, zurück: Saale, Werra, Unstrut, Biwakplätze, da ist dann viel Platz zum Einweihen. Lieber Herr Kollege Mohring, da gibt es auch für Sie noch Möglichkeiten, den Schlafsack auszurollen (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Nicht mit euch beiden!) (Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und sich, aber man kann auch viel Naturerfahrung als Einzeltourist sammeln. (Heiterkeit DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Das ist alles möglich. Biwak, Naturtourismus ermöglichen das. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kollege Bühl hat einen ganz wichtigen Satz gesagt. Er hat nämlich gesagt, wir müssen auch auf die Nischen schauen. Wenn man sich aber verdeutlicht, dass man – das ist natürlich, und ich setze ein „leider“ voran – in Thüringen an mehr Tagen im Jahr mit Sicherheit Wassertourismus betreiben können, als wir Wintertourismus betreiben können, dann wird deutlich, dass dieser Wassertourismus eigentlich gar keine Nische, sondern ein großes Feld ist, ein starkes Feld, in dem wir etwas machen können. Vielleicht werden dann irgendwann auch noch mal die Winter schöner, der steht vor der Tür. Vielleicht haben wir einen schneereichen Winter. Das würde mich sehr freuen, um den Wintertourismus hier in Thüringen wieder auf Touren zu bringen. Aber wie gesagt, der Wassertourismus ist hierbei keine Nische, sondern eigentlich ein ganz wichtiges Feld. Und auch das noch der Vollständigkeit halber: Wenn wir, Kollege Korschewsky hat es schon angesprochen, den Wassertourismus stärken wollen, funktioniert das nicht neben dem Städtetourismus, neben dem Wandertourismus, neben dem Wintertourismus und neben dem Radtourismus, sondern im Prinzip nur in einer Verknüpfung. Und das wäre natürlich eine wunderbare Sache, wenn man vom Inselsberg nach Hörschel wandern würde, am nächsten Tag gleich rein ins Kajak, weiterfährt und dann natürlich den Werra-Hainich-Radweg, ganz wunderbarer Radweg, mit dem Mountainbike zu Ende fährt. Wenn man möchte, kann man den dann bis zur Gera fahren und wieder ins Kanu steigen, nach Erfurt rein, wie fantastisch wäre dieses Land, wenn wir das alles hinbekommen. Insofern, wir Grünen sind dabei, und ich freue mich darauf, dass wir eine breite Zustimmung für diesen wassertouristischen Antrag haben. Vielen Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 2420 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Adams. Ich schaue ins Rund. Ich sehe keine Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten. Von der Regierungsbank sehe ich eine Wortmeldung von Staatssekretär Maier. Maier, Staatssekretär: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich mache es wirklich ganz kurz, weil die meisten Argumente schon vorgetragen worden sind. Auch ich freue mich sehr, dass dieser Antrag heute höchstwahrscheinlich auf einer sehr breiten Basis verabschiedet werden kann. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich habe die Zusammenarbeit mit allen Fraktionen als Neuling hier sehr konstruktiv wahrgenommen, auch dafür meinen Dank. Ich hoffe, dass das Vorbild für weitere touristische Projekte in Thüringen ist. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich selbst war diesen Sommer sehr viel als Tourist in Thüringen unterwegs und habe auch zum Beispiel Wassertourismus gemacht und ich habe sehr viele Ideen, die ich dann auch gern in den weiteren Prozess einbringen will, und freue mich ganz besonders auf die weitere Zusammenarbeit. Danke schön. (Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Ich schließe die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung, zunächst einmal über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft in der Drucksache 6/1005. Wer dieser Beschlussempfehlung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Das sind die Stimmen aus fast allen Fraktionen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen aus den Reihen der AfD. Damit ist diese Beschlussempfehlung angenommen. Nun stimmen wir ab über die Nummer II des Antrags der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/828 unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Abstimmung der Beschlussempfehlung. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt auch um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Keine. Stimmenthaltungen? Aus der AfD-Fraktion. Damit ist mit großer Mehrheit die Nummer II des Antrags angenommen und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10 Informationsdefizite der Landesregierung bei der Unterbringung von Flüchtlingen beseitigen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/1050 Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Ich sehe ein Kopfschütteln. Dann eröffne ich die Aussprache und ich rufe als Ersten den Abgeordneten Herrgott, CDU-Fraktion, auf. Abgeordneter Herrgott, CDU: Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Liste der Informationsdefizite, welche die Landesregierung seit Monaten bei der Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen offenbart, ist lang, sehr lang, meine Damen und Herren. Von Transparenz sind wir auf diesem Feld leider immer noch weit entfernt. Es waren die Ereignisse Anfang September, die uns zu diesem nun schon zweimal geschobenen Antrag veranlasst haben. Nichtsdestotrotz sind die aufgezeigten Probleme von vor zwei Monaten heute noch genauso aktuell wie damals. Am Freitag, dem 5. September, erfuhren der Landrat des Saale-Holzland-Kreises und der Bürgermeister von Hermsdorf von Aktivitäten in einer Industriehalle in Hermsdorf. Ohne vorherige Kenntnis der vor Ort verantwortlichen Kommunalpolitiker wurde dort eine Halle bereits seit Beginn der Woche für eine Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen als Notunterkunft hergerichtet. Reinigungsarbeiten wurden durchgeführt, Toiletten aufgestellt und ein Wachschutz eingesetzt. Verbindliche Auskünfte bekamen die kommunalen Verantwortlichen, die von Anwohnern auf dieses Treiben aufmerksam gemacht wurden, selbst auf Nachfrage nicht. So konnte nicht einmal genau gesagt werden, wer denn nun hier verantwortlich sei und ob es schon einen Mietvertrag gebe. Das mit dem Mietvertrag für diese Halle hat dann nach einigem Hin und Her wohl geklappt. Aber so spät, dass die Helfer des DRK an dem Samstag für zwei Stunden nicht das Gelände betreten konnten und vor dem Tor warten mussten, um endlich die Feldbetten aufbauen zu können, wofür sie angefordert worden waren. Der Wachschutz hatte noch keine Freigabe. Am Samstagabend schließlich wurden dann dort die ersten Menschen in einem Notquartier untergebracht. Diese Chronologie von Heimlichtuerei, Intransparenz oder schlicht mangelhaftem Prozessmanagement ließe sich noch viel detaillierter ausführen. Das erspare ich Ihnen aber jetzt. Denn das Bild der Handelnden im Migrationsministerium und im Landesverwaltungsamt wird dadurch Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2421 (Abg. Herrgott) nicht mal im Ansatz besser oder nachvollziehbarer. Weder die Kommunikation mit den kommunal Verantwortlichen noch mit den Freiwilligen vom DRK klappte. Ein Unding, meine sehr verehrten Damen und Herren. Hermsdorf ist hier aber nur ein unrühmliches Beispiel von weiteren. (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ich bin empört!) Von den Vorgängen in Bad Lobenstein ganz zu schweigen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, gut gemeint ist eben nicht das Gleiche wie gut gemacht. In der Regel ist es sogar das Gegenteil. Gut gemacht ist es, die Leute erst zu informieren, wenn etwas auch wirklich feststeht. Da kann man problemlos mitgehen. Jede Idee gleich nach außen zu tragen, schürt mehr Unruhe als es Klarheit bringt. Wenn aber die Unterschrift unter dem Mietvertrag getrocknet ist, bereits Toiletten angeliefert werden und man Betten aufbaut, dann ist es zu spät, von rechtzeitiger Information zu sprechen. Jede Verzögerung an dieser Stelle ist nur noch gut gemeint, vielleicht um weniger Diskussionen vor Ort aufkommen zu lassen. Es ist aber in keinem Fall gut gemacht. (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben wir doch gar nicht nötig!) Dann tun Sie doch was anderes, Herr Adams. Seien Sie gewiss, die Menschen sind sehr aufmerksam geworden, meine Damen und Herren, und bekommen in unseren Tagen sehr schnell mit, wenn in bisher ungenutzten Objekten plötzlich Betriebsamkeit herrscht. Da entsteht schnell eine unübersichtliche Gerüchteküche, die man hinterher kaum noch vernünftig wieder einfangen kann. (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was würden Sie zum Zelten sagen?) Wenn nach einem Jahr plötzlich um ein Objekt der Rasen gemäht und die Eingangsbeleuchtung erneuert wird, sind die Befürchtungen groß, dass am nächsten Tag ohne Vorwarnung und ohne Information der erste Bus mit Asylbewerbern vor der Tür steht. (Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Menschen ängstigt hier nicht die Tatsache, dass dort unter Umständen Asylbewerber und Flüchtlinge untergebracht werden, Herr Adams. Nein. Die Angst rührt zum Großteil aus der Ungewissheit, ob, wann und wie viele untergebracht werden, und ob man hierzu etwas erfährt, bevor die Menschen einfach da sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine zeitgerechte Information der Verantwortlichen vor Ort ist hier unerlässlich. Sind der Landrat und der Bürgermeister doch die ersten, an die Fragen, Ängste und Sorgen artikuliert werden, und die diese auch mit den richtigen Informationen entkräften können. Wenn diese dann aber genauso ratlos vor der Einrichtung stehen wie die fragenden Bürger und nichts sagen können, weil sie nichts wissen, ist das ein fatales Signal. Ich war selbst bei der ohne Vorwarnzeit entschiedenen Räumung der Polizeistation Lobenstein vor Ort, mit dem Landrat, dem Bürgermeister und den Landtagskollegen Stefan Gruhner und Ralf Kalich. Der Vorgang war offensichtlich: Die Menschen kamen vom nahegelegenen Supermarkt herüber und hatten natürlich viele Fragen, als die Dienststellenschilder der Polizei abgeschraubt wurden. Von den Medienvertretern mal ganz zu schweigen. Nur, keiner von uns konnte eine belastbare Antwort geben. Dabei ist es völlig egal, welches Parteibuch hier Landrat, Bürgermeister oder die Abgeordneten haben. Wir wurden im Vorfeld alle gleichberechtigt im Dunkeln gelassen. Ich hatte nach den Beteuerungen der Landesregierung in diesem Fall und dem Verweis auf einen Einzelfall und eine absolute Not- und Ausnahmesituation im Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz auf Besserung gehofft. Leider ist dies nur punktuell eingetreten. Dafür hier nur mal ein aktuelles Beispiel der letzten zwei Wochen. Der Bürgermeister von eben jenem Bad Lobenstein erfuhr in der vergangenen Woche aus der Zeitung, in der ein Artikel Bundeswehrsoldaten beim Aufbau von Doppelstockbetten zeigte, dass die Kapazität der Notunterkunft in Bad Lobenstein um 100 Prozent aufgestockt wurde. Nicht zwei oder drei Plätze, sondern plötzlich 200 statt 100 Personen in der Notunterkunft. Der Landkreis und der Betreiber waren schon mehrere Tage vorher informiert worden. Hier geht es nicht darum, ob die Aufstockung notwendig, sinnvoll und praktikabel ist, sondern hier geht es nur darum, das ordentliche und vertrauensvolle Miteinander, das auf allen Konferenzen und Gipfeln immer so beschworen wird, auch umzusetzen. Ich frage mich an dieser Stelle, was daran so schwer ist, eine weitere E-MailAdresse in die Info-Mail für die Betroffenen einzufügen (Beifall CDU, AfD) oder an dieser Stelle einmal mehr einfach den Telefonhörer in die Hand zu nehmen und statt zwei nun drei Leute anzurufen und zu informieren. (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil es die dreifache Zeit kostet!) Wenn das so schwer ist, sollten Sie Ihr Prozessmanagement umgehend überprüfen. (Beifall CDU, AfD) 2422 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Herrgott) Herr Adams, an der Stelle die Zeit anzuführen, ist völlig falsch, denn die Aufstockung wurde mit einer Vorwarnzeit von einer Woche geplant. Da können Sie mir nicht sagen, dass in der einen Woche nicht die Zeit war, einen Bürgermeister noch zusätzlich anzurufen oder ihm eine E-Mail zu schicken, dass es passiert. Das können Sie mir nicht erklären! Wenn das so schwer ist, sollten Sie Ihr Prozessmanagement wirklich eingehend überprüfen. Denn Sie können nicht nur Verständnis von der kommunalen Ebene für die derzeitigen Lasten einfordern, diese sich dann aber auch jede Information hart erkämpfen lassen, um die Lasten in Verantwortung des Landes vor Ort ihren Bürgern zu erklären und um Verständnis zu werben. Sehr geehrte Vertreter der Landesregierung, kommen Sie endlich Ihrem Auftrag nach, vor allem Ihrem eigenen Anspruch auch nach, zu informieren, und zwar zeitgerecht und umfassend (Beifall CDU, AfD) und transparent für die Verantwortlichen vor Ort über feststehende Maßnahmen. (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Hören Sie doch mit Ihrer Hetze auf!) – Das war ja jetzt ein nachhaltiger Einwurf, Herr Harzer, vielen Dank. – (Heiterkeit AfD) (Beifall CDU) Nur so können Sie hier ein wenig Vertrauen in die derzeitige unbestritten schwierige Situation vor Ort für die Organisation der Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen schaffen. Nicht informieren, nur teilweise informieren oder falsch informieren hilft in der Sache nicht weiter (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer wurde denn falsch informiert?) und zerstört Vertrauen vor Ort in alle Ebenen von Politik und Verwaltung. Bei einer Anzahl von weniger als 20 Einrichtungen des Landes inklusive der bestehenden und auch in naher Zukunft zu schaffenden Notunterkünfte muss es doch möglich sein, über hinzukommende Standorte und wesentliche Veränderungen in den bestehenden Einrichtungen zeitgerecht – und damit meine ich im Ausnahmefall auch wenige Tage –, zu informieren. Vizepräsident Höhn: Herr Abgeordneter, die Kollegin Rothe-Beinlich möchte Ihnen eine Frage stellen. Abgeordneter Herrgott, CDU: Sehr gern. Vizepräsident Höhn: Bitte schön. Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Herr Herrgott, Sie sprachen soeben vom falschen Informieren. Könnten Sie bitte mal detailliert nachweisen, wo falsch informiert wurde? Abgeordneter Herrgott, CDU: Beispielsweise in Hermsdorf, wo dem Landrat noch einen Tag vorher gesagt wurde, es kommen lediglich 150 oder man wisse es nicht genau, man wisse nicht mal genau, wann man es betreiben möchte. (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtig!) Dann wurde auch nur einen Tag später, obwohl man wusste, dass ein Zug mit entsprechender Kapazität in Saalfeld ankommen würde, diese Einrichtung belegt. Und an dieser Stelle ist es falsch, entweder aus Unkenntnis oder aus Absicht, das will ich an dieser Stelle überhaupt nicht so deutlich machen. Aber für die Maßnahmen, wo Sie wissen – und wenn Sie am Montag Maßnahmen bestellen für eine Einrichtung, die am Wochenende ins Netz geht, dann können Sie am Montag auch den Landrat informieren, dass es so ist, und nicht erst am Freitag, wenn er selber vor Ort ist und sieht, wie die Dixis in diesen Standort reingefahren werden. Das ist zu spät an der Stelle. (Beifall CDU, AfD) Vizepräsident Höhn: Ist das der Wunsch nach einer neuen Zwischenfrage? Bitte schön. Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben eben gesagt, es wurde in der Form informiert, dass gesagt wurde, entweder 150 Menschen oder man wisse nicht genau, wie viele. Was ist jetzt also falsch an dieser Information? Abgeordneter Herrgott, CDU: An dieser Information ist falsch, dass man hier nicht deutlich gesagt hat, man rechnet an dem Samstag mit einer Belegung, sondern man wisse es nicht genau, obwohl klar war, dass der Zug kommt. (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das wusste doch den Morgen noch keiner, dass der Zug kommt.) Natürlich wussten Sie das, das DRK wurde doch am Morgen schon bestellt. Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2423 (Abg. Herrgott) (Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ach, wäre er doch nur Offizier geblieben!) Vizepräsident Höhn: Dazu möchte ich aus einer Ausschusssitzung des Innenausschusses im Juli – glaube ich – 2014 den damaligen Staatssekretär Rieder zitieren. (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das dürfen Sie gar nicht!) Der Abgeordnete Herrgott hat hier überwiegend das Wort. Doch, das darf ich. Ich zeige es Ihnen dann in der Geschäftsordnung, Herr Fiedler – wo ist er denn? –, wo drinsteht, dass ich das darf. Abgeordneter Herrgott, CDU: Herr Rieder sagte auf unsere Kritik über die Informationspolitik des damaligen Innenministeriums: „Die Abstimmung und Unterrichtung des Oberbürgermeisters durch den Innenminister in der Woche vor der Inbetriebnahme sei der Sache angemessen.“ Die Bevölkerung in Suhl hat von dieser Planung, dass auf dem Friedberg eine Erstaufnahmeeinrichtung eingerichtet werden sollte, am Tag der Ankunft der ersten Flüchtlinge erfahren, als sie nämlich gesehen haben, da steigen ausländische Menschen aus Bussen aus. Da hat die Bevölkerung davon erfahren. Das ist ein Jahr her, das stimmt, aber ich will daran erinnern, dass es da um 136 Plätze ging und wir uns in einer völlig anderen Situation befunden haben als in diesem Jahr im Juli oder im August, als es in Bad Lobenstein um diese schnelle Entscheidung ging. Überwiegend, das ist aber schön. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Forderung in unserem Antrag ist im Kern eine Selbstverständlichkeit. Dennoch müssen wir diese aufgrund der Ereignisse in den letzten Monaten noch einmal deutlich einfordern. Daher werbe ich um Zustimmung für unseren Antrag und verbinde damit die Hoffnung, dass wir über Selbstverständlichkeiten in Zukunft nicht mehr debattieren müssen. Und für Notfallsituationen – um das noch mal klar zu sagen – hat hier jeder Verständnis, aber bei Maßnahmen, die eine Woche vorher bekannt sind und eine Woche vorher informiert werden an einen Teil der Betroffenen, aber eben nicht an alle, hat niemand Verständnis, dass nur ein Teil informiert wird und eben nicht alle. Da müssen Sie Ihre eigenen Prozesse überprüfen, und dann sind wir alle vor Ort auch gern bereit, das mit durchzutragen und auch zu begründen. Aber wenn wir es nicht wissen, dann können wir Sie in Ihrer Aufgabe und in dieser schwierigen Aufgabe der Unterbringung von Asylbewerbern, die da sind und untergebracht werden müssen, auch nicht unterstützen, meine Damen und Herren. (Beifall CDU, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos) Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächste spricht von der Fraktion Die Linke Frau Abgeordnete Berninger. Abgeordnete Berninger, DIE LINKE: Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, mein lieber Herr Herrgott! (Heiterkeit DIE LINKE) Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht, das stimmt ja im Prinzip. Dieser Spruch ist ja nicht so weit hergeholt. Wie selbstgerecht der aber ist, wenn er ausgerechnet aus der CDU-Fraktion kommt, meine Damen und Herren, das will ich mal an dem Beispiel der Einrichtung der Erstaufnahmestelle in Suhl belegen. (Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: Meine Damen und Herren, das ist ein Jahr später!) Dazu komme ich später, Herr Herrgott. Sie verlangen, dass die Landesregierung ihre Informationspolitik, das Informationsmanagement verbessert. Meine Damen und Herren von der CDU, ich verlange, dass Sie nicht länger Schlagzeilen produzieren, die geeignet sind, Leute aufzuhetzen, aufzuwiegeln, wie Herr Fiedler beispielsweise (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) am 05.09. in der „Ostthüringer Zeitung“. Da ging es um diese schnelle Entscheidung in Hermsdorf und Herr Fiedler hat da die Pferde scheu gemacht – das ist ein bisschen salopp gesagt –, aber da einen Aufstand gemacht, die Zeitung dort mit angeschleppt und ist mit Äußerungen zitiert worden, die eben geeignet sind, Menschen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen aufzuwiegeln. Und ich will mal darauf hinweisen, dass Hermsdorf als Notunterkunft aufgemacht worden ist, für Notfälle, für Fälle, wenn gerade die anderen Plätze in Erstaufnahmeunterkünften nicht reichen. Das, was Herr Fiedler damals gemacht hat und vorher auch schon der Herr Abgeordnete Gruhner, das ist das Schüren von Unsicherheit, von Ängsten. Herr Gruhner hat Sodom und Gomorrha herbeibeschworen, weil angeblich keine Polizeiarbeit in Bad Lobenstein mehr möglich sein solle. Völlig an der Realität vorbei, meine Damen und Herren! Und Herr Gruhner hat auch noch die Entscheidung der Landesregierung kritisiert, Zitat aus dem „Freien Wort“: „Das gefährdet die öffentliche Akzeptanz für Asylbewerber.“ (Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Das war an der Realität vorbei!) 2424 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Berninger) Es ist genau umgekehrt, Herr Gruhner. Das, was Sie machen, nämlich zu versuchen, politisches Kapital aus dieser Notsituation zu schlagen, in der nicht nur wir uns seit Anfang des Sommers permanent befinden, sondern in der sich Menschen befinden, die Schutz suchen. Sie gefährden damit die öffentliche Akzeptanz für Asylbewerber, meine Damen und Herren. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Frau Abgeordnete Berninger, entschuldigen Sie bitte, der Abgeordnete Herrgott möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Abgeordnete Berninger, DIE LINKE: Nein, eine Zwischenfrage nicht. Am Ende können Sie mir gerne eine Frage stellen, aber ich möchte nicht meinen Gedankengang unterbrechen. Vizepräsident Höhn: Dann machen wir das so. Abgeordnete Berninger, DIE LINKE: Wie Sie das machen, das ist nicht deshalb verwerflich, weil Sie eben diese Notsituation ausnutzen, in der sich die Landesregierung und das Landesverwaltungsamt befinden, sondern weil Sie es auf dem Rücken der Betroffenen, der Schutz suchenden Menschen austragen, weil Sie zulasten der Flüchtlinge sich an der rot-rot-grünen Landesregierung abarbeiten – und das ist verwerflich, genauso wie es der Landrat Krebs macht mit seinem offenen Brief und dem verhängten Aufnahmestopp in dem Landkreis Wartburgkreis, obwohl wir fast wöchentlich von Bürgerinnen und Bürgern Liegenschaften genannt bekommen, in denen Flüchtlinge untergebracht werden könnten. Und genauso wie es die Frau Oberbürgermeisterin Hahn in Gera gemacht hat, die bereits im Februar 2015 angesprochen wurde, wo es bereits im Februar erste Gespräche gab bezüglich dieses Wismut-Krankenhauses, was jetzt eingerichtet worden ist, und die noch im Juni, meine Damen und Herren, dort Betten und Schränke entsorgt hat, hat wegschmeißen lassen und die noch im Juni dafür gesorgt hat, dass dort die Medien rausgerissen werden, also Wasserleitungen, Warmwasseranschlüsse beispielsweise, sodass es jetzt so war, dass Flüchtlinge einige Tage lang nicht überall in dem Haus warmes Wasser zum Duschen gehabt haben oder um ihre Kinder zu waschen, meine Damen und Herren. Und das von politisch Verantwortlichen, die einfordern, man solle das Informationsmanagement verbessern. Meine Damen und Herren der CDU, von verantwortlichen Politikerinnen und Politikern auch der CDU erwarte ich eine andere Kommunikation und eine andere Wahrnahme ihrer Verantwortung. – Die Frage! (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Jetzt kommen wir zur beabsichtigten, ja, es ist keine Zwischen-, sondern eine Schlussfrage. Abgeordneter Herrgott, CDU: Frau Berninger, würden Sie mir zustimmen zu der Aussage, dass in Lobenstein, in der Notentscheidung diese Polizeistation zu räumen und mit Asylbewerbern zu belegen, zunächst nicht geplant war, am Standort Bad Lobenstein eine Polizeidienststelle zu belassen, sondern das alles von Schleiz aus zu regeln und deshalb an diesem Tag der Eindruck Tag entstand, dass eben keine Polizeipräsenz außer dem Kontaktbereichsbeamten in Lobenstein vor Ort bliebe und erst auf hinterher großen Protest parteiübergreifend aller Kommunal- und Landespolitikverantwortlichen dort eine neue Polizeistation in dem entsprechenden Bereich eingerichtet wird? (Beifall CDU) Abgeordnete Berninger, DIE LINKE: Ich habe Ihre Frage verstanden. Sie müssen sie nicht noch länger ausführen. (Beifall DIE LINKE) Ich würde Ihnen nicht zustimmen. Herr Herrgott, nach meinen Informationen war es geplant, dort einen Kontakt, also auch eine Ansprechstelle für die Flüchtlinge, zu belassen. Nach meinen weiteren Informationen ist es heute so, dass die Kommune gern diese Unterbringung als Flüchtlingsunterkunft belassen will, wenn sie nicht mehr als Erstaufnahmeeinrichtung gebraucht wird. Die Akzeptanz dort in Lobenstein hat offensichtlich nicht gelitten. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Als nächster Redner hat Herr Abgeordneter Möller, AfD-Fraktion, das Wort. (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Noch ein Hetzer!) Herr Abgeordneter Harzer, ich habe das gehört. (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das würde ich jetzt nicht gleichsetzen!) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Abgeordneter Möller, AfD: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Harzer, auch ich muss mich von dieser unerträglichen Hetze von der CDU erst einmal distanzieren. Es tut mir wirklich leid, dass wir das hier ertragen müssen. (Beifall AfD) Aber gehen wir mal in medias res. Am ersten Septemberwochenende wurden in Hermsdorf in einer Nacht- und Nebelaktion ohne Information der kommunalen Entscheidungsträger über 236 Asylbewerber untergebracht. Darauf brachte der Vorsitzende des Stadtrats Friedhold Wöckel eine Petition an die Landesregierung in den Stadtrat ein, in der die Landesregierung für die Anordnung der Unterbringung durch den Ministerpräsidenten Bodo Ramelow ohne jedwede Einbindung des Bürgermeisters oder Landrats kritisiert wurde. 17 der 20 Stadträte, auch die der Linken und der SPD, trugen die Petition mit. (Beifall AfD) Hermsdorf steht in einer ganzen Reihe vergleichbarer Fälle. Ein weiterer ist zum Beispiel die Belegung der Polizeistation in Bad Lobenstein, darüber hatten wir schon gesprochen. Sowohl die Polizei als auch der Landkreis Saale-Orla wurden erst am Tag der Räumung in Kenntnis gesetzt. Auch die Unterbringung von Asylbewerbern im Jenaer Schullandheim „Stern“ zeigt, was passiert, wenn weder die Kommunalbehörden noch die Bürger rechtzeitig informiert werden. In Jena mussten trotz des Erreichens der Kapazitätsgrenzen in den Erstaufnahmestellen des Landes zusätzliche Asylbewerber aufgenommen werden. Das führte zur sehr kurzfristigen Belegungen des Schullandheims „Stern“ mit 29 Asylbewerbern und der zuständige städtische Fachdienst Soziales wurde erst am selben Tag informiert. Über zweieinhalb Wochen wurde das Schullandheim „Stern“ gleichzeitig von Asylbewerbern und Kindern genutzt. Das ist eine Situation, die angesichts des mittlerweile offenkundigen Konfliktpotenzials in Asylbewerberunterkünften nicht mehr akzeptabel ist. (Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich würde meine Kinder eher nicht mit Leuten wie Ihnen zusammenstecken!) Also ich glaube, das ist ein großer Unterschied. Wenn Sie heute mal aufmerksam die Zeitung gelesen haben, haben Sie zum Beispiel zur Kenntnis nehmen können, dass in Suhl ein kleines Flüchtlingskind vermutlich von einem Afghanen schwer misshandelt worden ist, und solche Fälle können Sie jeden Tag lesen, wenn Sie die Presse lesen. Also so etwas kann man natürlich auch leugnen, weil es nicht ins eigene Weltbild passt, 2425 (Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) aber so ist die Realität nun mal und das ist keine Hetze, das ist Faktenlage. (Beifall AfD) (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: ... Herr Möller, blenden Sie das nicht aus!) Gehen wir mal weiter. Vizepräsident Höhn: Herr Möller, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Abgeordneten Wolf. Abgeordneter Möller, AfD: Ich würde es gern am Ende der Sitzung… Vizepräsident Höhn: Ende der Sitzung? Abgeordneter Möller, AfD: Am Ende meiner Rede würde ich das dann gern zulassen. Vizepräsident Höhn: Einigen wir uns auf Ende der Rede? Abgeordneter Möller, AfD: Ja, genau. Elisabeth Wackernagel, die Vorsitzende des Stadtsportbunds, war einem Artikel in der „Thüringer Allgemeine“ zufolge schockiert, als man sie darüber unterrichtete, dass die Ferienfreizeit des Stadtsportbunds in Gefahr ist. 25 Kinder waren dazu nämlich angemeldet und nach Ihrer Aussage bot man dann Zelte an, in denen die Kinder hätten übernachten können. Doch, so Frau Wackernagel, wir hatten mit den Eltern Verträge abgeschlossen, die nun nicht mehr umgesetzt werden konnten, da die Vertragsbedingungen nicht mehr eingehalten werden können. Manche Eltern hatten Verständnis, andere dagegen nicht. Die Kinder waren natürlich traurig, die Eltern bekamen ihr Geld zurück. Aber was der springende Punkt aus meiner Sicht ist, auf die Idee, stattdessen nun die Asylbewerber in Zelten unterzubringen, ist im grünen Migrationsministerium offensichtlich niemand gekommen. (Beifall AfD) Da fragt man sich, ob man da der Meinung ist, dass man so eine Unterbringung zwar Kindern zumuten kann, Asylbewerbern aber nicht. Das finde ich, ehrlich gesagt, etwas seltsam. 2426 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Möller) Es gab in den Sommerferien noch weitere Veranstaltungen im Schullandheim „Stern“. Andere Veranstalter wollen nicht in der Öffentlichkeit zitiert werden aus Angst, dass ihnen zukünftig die Eltern abspringen, wenn sie sich öffentlich dazu äußern, dass sie Ferienkinder und Flüchtlinge in einer Unterkunft unterbringen, so die „Thüringer Allgemeine“. Das habe ich mir nicht ausgedacht. Übrigens musste im Schullandheim „Stern“ auch das internationale studentische Workcamp abgesagt werden, durch die Unterbringung der Asylbewerber fehlen nämlich Übernachtungsplätze für Studenten aus zwölf Ländern. In der Gesamtschau gewinnt man über diese Ereignisse den Eindruck, dass der Landesregierung völlig egal ist, was für Auswirkungen ihre offensive und von Rechtsbrüchen begleitete Landesasylpolitik für unsere Gesellschaft hat. Da werden langjährige Nutzungen beendet, bestehende Verträge ignoriert und die Erfüllung anderer staatlicher Aufgaben hinten angestellt. Da werden dörfliche Gemeinschaften mit außer Verhältnis stehenden Asylbewerberzahlen völlig überfordert, da werden Turnhallen zu Asylbewerberunterkünften umfunktioniert, übrigens ein klares Signal, welchen Stellenwert die Landesregierung schulischen und außerschulischen Sportangeboten beimisst, übrigens trotz der bereits bekannten Bewegungsarmut unserer Gesellschaft. Man stellt sich dann die Frage: Gibt es ein Mitspracherecht für die Betroffenen? Nein. Fehlanzeige. Einwände der Anwohner werden bestenfalls in mehr oder weniger gut orchestrierten Bürgerveranstaltungen zur Kenntnis genommen und wolkige Versprechungen verteilt, wie etwa, dass die Polizei auf jeden Fall in der Lage sei, die Dinge im Griff zu halten, dass es zu keinen Kriminalitätsschwerpunktbildungen kommt. Nur glauben tut das am Ende eben keiner mehr. Daran schuld ist eben auch die Informationspolitik der Landesregierung. Das Ganze wird dann natürlich noch ergänzt durch eine grotesk tendenziöse Presseberichterstattung, in der zum Beispiel ständig Asylbewerberfamilien oder Frauen und Kinder abgelichtet werden, obwohl zwei Drittel der Asylbewerber muslimisch und männlich sind. Vermeintlich positive Umstände werden von Medien, aber auch von der Landesregierung überbetont bzw. frei erfunden, etwa das Märchen von den zugewanderten Fachkräften, und negative Aspekte wie Straftaten oder inakzeptable Verhaltensweisen von Asylbewerbern werden weggelassen, beschönigt oder als Einzelfall dargestellt. Wer diese Fakten dann aber richtigstellt, wer sie benennt, der ist eben ein Hetzer oder eben ein „brauner Staubsauger“, das ist die Wortwahl, glaube ich, von Ministerpräsident Ramelow. All dies sind zum Teil schon absurde Umstände, die uns Thüringer verdächtig an die Endzeit der DDR erinnern. Das mag Migranten wie Frau Marx oder dem Herrn Ramelow und Herrn Lauinger nicht ganz so bewusst sein, die hatten die damalige Situation auf der anderen Seite des Grenzzauns erlebt. Ein Großteil dieser Umstände wird von der Landesregierung mit dem angeblich unabwendbaren Unterbringungsmehrbedarf begründet, wobei man natürlich nicht vergessen darf, dass es die Landesregierung ist, die auf freiwillige Ausreise von abgelehnten Asylbewerbern setzt und für die Blockade notwendiger Unterbringungskapazitäten durch die ideologisch motivierte Verweigerung der Verbesserung einer Abschiebepraxis oder Maßnahmen zur Beschränkung des Asylmissbrauchs, wie zum Beispiel die Einrichtung von Transitzonen, selbst mitverantwortlich ist. Und dass nun gerade der Migrationsminister Ramelow sich in diesen Fragen zur rechtlichen Beurteilung aufschwingt, zum Oberexperten aufschwingt, das ist schon mehr als seltsam, denn gerade er ist ja einer der Väter des rechtswidrigen Winterabschiebestopps und er hat überhaupt kein Problem damit, rechtswidrige Zustände im Ausländerrecht zu dulden. Ausbaden dürfen das Ganze dann die Kommunen und die Bürger unseres Landes. An dieser Praxis zeigt sich, was regieren nach rot-rotgrüner Art bedeutet. Von oben herab werden Befehle erteilt, die umzusetzen sind, Bürgermeistern oder Landräten, die gegen diese Praxis Kritik üben, droht man im rot-rot-grünen Herrschaftsgebiet schon mal präventiv mit einem Maulkorberlass. Und das hat natürlich Folgen. Laut dem Thüringentrend vom September haben 59 Prozent der Thüringer Angst vor der Anzahl der nach Deutschland einreisenden Asylbewerber, mittlerweile werden es wahrscheinlich schon viel mehr sein. Es sind besorgte Bürger und keine Brandstifter und auch keine Hetzer. (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Das sind Sie ja!) Die übergroße Mehrheit von diesen Menschen verurteilt nämlich in derselben Umfrage auch gewalttätige Ausschreitungen. Ich kann Ihnen sagen: Das ist auch bei unseren Anhängern nicht anders und es ist selbstverständlich auch bei uns nicht anders. (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben wir gestern Abend wieder erlebt!) Genau. Wenn Sie gestern Abend schön zugehört hätten, dann hätten Sie gemerkt, dass wir tatsächlich Verfolgten durchaus helfend zur Verfügung stehen, dass wir da also auch bereit sind zu helfen. Aber wir wenden uns eben gegen Asylmissbrauch und vor allem wenden wir uns gegen die Verklärung von irgendwelchen Umständen. Wir wenden uns gegen Lügen, gegen Halbwahrheiten. Das ist eben in diesem Sachgebiet gerade in Ihrer Argumentation ganz häufig zu finden. (Beifall AfD) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2427 (Abg. Möller) Ja, wie gesagt, bei Ihrer Landesasylpolitik ist es im Grunde kein Wunder, dass sich solche Ängste aufbauen. Und diese Ängste zeigen vor allem eines: Sie zeigen nämlich allen medialen Unkenrufe von der angeblichen Beliebtheit des Ministerpräsidenten zum Trotz, dass das Vertrauen der Thüringer in die Kompetenz der Landesregierung bei einem der wichtigsten innenpolitischen Themen flächendeckend verloren gegangen ist. Vielen Dank. (Beifall AfD) Vizepräsident Höhn: Es war noch der Wunsch nach einer Schlussfrage. Herr Abgeordneter Wolf verzichtet. Wo ist Abgeordneter Harzer? Da ist er. Es gibt Worte, die benutzt man schlicht nicht in diesem Plenarsaal. Für den Zwischenruf „Hetzer“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. (Beifall AfD) Jetzt kommen wir zum nächsten Redner bzw. der nächsten Rednerin und das ist Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag ist überschrieben mit „Informationsdefizite der Landesregierung bei der Unterbringung von Flüchtlingen beseitigen“. Und das, was wir hier gehört haben, das war schon spannend. Denn auch ich erinnere mich sehr gut an den 5. September, denn es geht ja ganz ursächlich um den 5. September, glaubt man den Worten, die Sie zur Begründung auch Ihres Antrags genutzt haben. Vielleicht erinnern Sie sich auch mal zurück an Anfang September, welche Situation wir da hatten. Und wir, damit meine ich nicht nur in Thüringen, sondern wir, damit meine ich deutschlandweit, vor allem die Situation in München, wo Tausende, ja Zehntausende Flüchtlinge aus Österreich ankamen und viele überwältigt waren von der Hilfsbereitschaft der Münchnerinnen und Münchner, die am Bahnhof Kleidung, Essen, Spielzeug für die dort ankommenden Flüchtlinge bereitgestellt haben. Es kamen Menschen, die teilweise seit Monaten auf der Flucht waren, die einen Teil ihrer Familie verloren haben auf dieser gefährlichen Flucht, die völlig erschöpft über Österreich in München ankamen und die auf ein besseres Leben hofften. Und München bzw. Bayern war nicht in der Lage, all die vielen Menschen, die dort ankamen, auch entsprechend unterzubringen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da gab es den Hilferuf aus Bayern an alle anderen Bundesländer, sich zu beteiligen, Menschen aufzunehmen. Und ich sage es hier noch einmal: Ich bin froh, ich bin auch stolz, dass Thüringen als ein Land, das eben nicht vor einer solchen Situation wie München stand oder – in Anführungszeichen – dieser Herr werden musste, sofort gesagt hat: Ja, wir sind bereit, auch Flüchtlinge aufzunehmen. An dem 5. September fand die Mitgliederversammlung des Landesfrauenrats in Weimar statt, wo ich als Delegierte zugegen war. Gegen Mittag bekam ich dann den Anruf, dass es sein könnte, dass ein Zug mit Flüchtlingen aus München nun auch nach Thüringen kommt. Niemand wusste wann, niemand wusste genau wohin und es wusste schon gar niemand, wie viele Menschen sich in diesem Zug befinden. Trotzdem haben alle, die in diesem Land Verantwortung tragen, sofort versucht, alles möglich zu machen, um die ankommenden Menschen hier herzlich willkommen zu heißen. Auch das hatte nicht nur einen guten Grund: Wir alle hatten die Bilder aus Sachsen vor Augen, wo ein wütender Mob auf Asylsuchende losgegangen ist und wo bittere Assoziationen an die Zeit der rassistischen Pogrome in Rostock vor vielen Jahren hochgekommen sind. Uns war es wichtig, dass Flüchtlinge, die gerade dem Tod im Krieg entronnen sind, unter denen viele Kinder waren, in Thüringen herzlich willkommen geheißen werden. Dafür galt es, schnell eine Möglichkeit zu finden. Daraus nun den Vorwurf zu konstruieren, hier wäre zu spät informiert worden, wo selbst die Staatssekretärin, der Minister, die Beauftragte, das Landesverwaltungsamt bis zum frühen Abend nicht genau wussten, wann, wo und wie viele Menschen bei uns ankommen, das ist dann tatsächlich populistisch, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ärgert mich auch so sehr an diesem Antrag. (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wie sollte man denn eher informieren, wenn man gar nicht eher genau wusste, was passiert? Ganz ehrlich, wir sind froh, dass in Thüringen keine Flüchtlinge in Zelten untergebracht werden müssen. Wir hatten eine kurze Übergangszeit vor der Erstaufnahme in Eisenberg, wo Menschen ankamen, wo es Zelte brauchte. Aber erinnern Sie sich mal an die Temperaturen vor wenigen Tagen, bei mir in Erfurt-Marbach auch minus 4 Grad – wenn jetzt Menschen in Zelten leben müssten. Da ist Ihr Vergleich, Herr Möller, mehr als zynisch, zu sagen, es würde deutschen Kindern zugemutet, in den Sommerferien während einer Freizeit mal in einem Zelt zu wohnen, während wir hier über die Unterbringung von Menschen reden, die geschwächt sind, die monatelang auf der Flucht waren und die keine Sommerferien machen, sondern die schlichtweg Frieden, die schlichtweg eine menschenwürdige Unterbringung suchen. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 2428 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Rothe-Beinlich) Ja, auch ich bin vielleicht manchmal ungeduldig, das gehört zu meinem Naturell, das Ministerium weiß das. Auch ich sage, ich wüsste gern manches eher, ich wüsste manches gern genauer, ich wüsste auch als Stadträtin in Erfurt sehr gern manches sehr viel eher, was, wo, wie passiert. Aber in der Not stellt man, glaube ich, nicht so viele Fragen, sondern in der Not hilft man oder man unterlässt es, so wie Sie, insbesondere von der AfD, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Thüringen hat sich entschieden zu helfen. Ich finde, das ist gut so. Da saßen zum Glück auch alle in einem Boot, auf kommunaler Ebene, auf Landesebene. Deswegen halte ich es auch nicht für fair, jetzt Ebenen gegeneinander auszuspielen oder gar Institutionen gegeneinander auszuspielen. Wir wissen um die schwierige Situation, auch in den Kommunen. Trotzdem haben sie immer wieder getan, was sie konnten, das gilt auch für Hermsdorf, das gilt im Übrigen auch für Bad Lobenstein. In Bad Lobenstein ist das offenkundig so gut gelungen, dass sich die Kommune sogar vorstellen kann, diese Einrichtung – die ehemalige Polizeistation – auch als eine kommunale Einrichtung fortzuführen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Wir alle wissen um die Zahlen von Flüchtlingen, die auch heute Tag für Tag hier ankommen. Es wird immer kälter, und ich sage Ihnen, natürlich muss informiert werden, natürlich brauchen wir ein gutes Miteinander, eine gute Projektsteuerung, wie Sie es genannt haben, und gelingende Steuerungsprozesse. Vor allem aber braucht es auch den Willen, das gemeinsam schaffen zu können. Wenn dann, meine sehr geehrten Damen und Herren, hier wiederum nur Angst gemacht wird von der AfD-Fraktion, von der ich allerdings auch nicht sehr viel mehr erwarte, dann muss ich sagen, das ist grob fahrlässig. Vergewaltigungsmythen wurden gestreut, wir wissen das alle. Das ist in den Zeitungen zum Glück klargestellt worden. Da wurden Ängste geschürt, da wurde Angstmacherei betrieben. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Fakten!) Das finde ich, geht nicht. Wir müssen Ängste ernst nehmen und keine Dinge erfinden, wie Sie von der AfD es immer wieder tun, indem Sie sie auch noch über Ihre Netze etc. weiterverbreiten. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Was haben wir denn erfunden?) Ich habe mir gestern auf dem Domplatz Ihre Rede angehört, Herr Möller, ich habe sehr genau zugehört und das fällt wirklich schwer. Ich habe mir auch die Rede von Herrn Brandner angehört. Nein, Sie brauchen sich gar nicht bemühen, ich werde Ihnen keine Frage beantworten, Herr Brandner. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Nennen Sie doch mal ein Beispiel! Das können Sie nicht!) Ich werde jetzt ein Beispiel bringen. Vizepräsident Höhn: Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich, es gibt den Wunsch auf eine Zwischenfrage des Abgeordneten Brandner. Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das mag sein, aber ich habe nicht den Wunsch, diese zu beantworten. (Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das ist schade, sehr schade!) Ich möchte ein Beispiel benennen, was ich wirklich bitter finde. Auch wenn es sich nicht in Thüringen zugetragen hat, so ist es doch symptomatisch. In Berlin ist ein vierjähriger Junge vor einer Gemeinschaftssammelstelle verschwunden. Was mussten sich die Eltern für rassistische Unterstellungen gefallen lassen, sie würden ja nur, um Asyl zu bekommen, behaupten, das Kind wäre weg. Ich sage ganz deutlich: Unsere Anteilnahme ist bei den Eltern, die ihren Jungen vor wenigen Tagen begraben mussten. Mir ist völlig egal, welche Nationalität – das muss ich sagen – der Täter hatte. Menschen, die anderen Menschen Schaden zufügen, Menschen, die aber auch angebliche Vergewaltigungen etc. erfinden, nur um andere Menschen in Misskredit zu bringen, handeln schlichtweg unmenschlich. Die Würde des Menschen ist unantastbar und sie ist auch migrationspolitisch nicht zu relativieren. Werte Kollegen von der AfD, lassen Sie sich das gesagt sein. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das haben wir auch nicht gemacht!) Ich habe keine Angst vor Flüchtlingen – das unterscheidet uns vielleicht –, aber ich habe Angst vor Menschen, die als Brandstifter unterwegs sind und Brandreden halten, (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) meine sehr geehrten Damen und Herren. (Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Wir haben Angst vor Ihnen, Frau Rothe-Beinlich!) (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist einen Ordnungsruf wert!) Lassen Sie mich jetzt zum Schluss kommen. Das Land erstattet den Kommunen annähernd 100 Prozent ihrer Kosten über die Flüchtlingserstattungsverordnung. Unbürokratisch können Investitionsmittel zur Schaffung von weiteren Unterbringungsplätzen abgerufen werden. Wir haben die Mittel für die Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2429 (Abg. Rothe-Beinlich) Sozialbetreuung in den Kommunen zum 01.10.2015 auf 38 Euro und zum 1. Januar auf 46 Euro aufgestockt, sodass auch hier die Kommunen von der Landesregierung weiterhin unterstützt werden. Auch im Bereich der unbegleiteten Minderjährigen, die jetzt ab 1. November noch verstärkt zu uns kommen werden – meines Wissens sind es etwas über 700 unbegleitete Kinder und Jugendliche, die im Moment schon in Thüringen sind –, übernimmt der Freistaat die wesentlichen Kosten, die den örtlichen Trägern der Jugendhilfe entstehen. Es lässt sich sicher noch vieles verbessern, auch in der Kommunikation, da bin ich mir auch sicher. Wir sehen beispielsweise auch Handlungsbedarfe bei der Asylverfahrensberatung oder bei der Koordinierung des Ehrenamts. Wir brauchen natürlich dringend auch die schon lange versprochenen Stellen beim BAMF. Noch immer haben wir gerade mal zwölf Entscheider, wenn ich es richtig weiß, in Hermsdorf sitzen. Das sind viel zu wenige, meine sehr geehrten Damen und Herren. Dieses Antrags der CDU jedoch bedarf es nicht und deshalb werden wir ihn ablehnen. Vielen herzlichen Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Nun hat Frau Abgeordnete Lehmann, SPD-Fraktion, das Wort. Abgeordnete Lehmann, SPD: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, es kommt, ehrlich gesagt, selten vor, dass ich sprachlos bin. Wenn Sie meine Eltern fragen würden oder meine Freunde, dann würden die sagen, dass das eher der Ausnahmefall ist, aber ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht mehr, was ich sagen soll, wenn hier im Parlament offen rassistische und fremdenfeindliche Lügen verbreitet werden. Ja, dann beugt das Ängsten und Vorurteilen nicht vor, sondern das schürt Ängste und Vorurteile. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dann muss man sich eben auch den Vorwurf gefallen lassen, dass man rassistische und fremdenfeindliche Hetze verbreitet. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Bringen Sie doch mal ein Beispiel!) (Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Wer macht denn so was?) Grundsätzlich ist es natürlich richtig, was im CDUAntrag steht, es braucht einen engen Austausch zwischen Kommunen und Land, wenn wir über Flüchtlingspolitik sprechen. Es freut mich sehr, dass das auch die CDU erkannt hat. Ich frage mich ganz im Ernst, warum Sie das eigentlich nicht umgesetzt haben, als Sie selbst in Regierungsverantwortung waren und selber das damals noch zuständige Innenministerium geführt haben. Vizepräsident Höhn: Frau Abgeordnete Lehmann, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage des Abgeordneten ... Abgeordnete Lehmann, SPD: Ich schließe mich den Worten von Frau RotheBeinlich an, ich habe nicht den Wunsch, sie zu beantworten. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Sehr schüchtern von der linken Seite!) Das hat nichts mit Schüchternheit zu tun. Ich frage mich, warum sie das, als sie selbst in Regierungsverantwortung waren, nicht umgesetzt haben, und ich möchte noch mal ein anderes Beispiel als die Einrichtung der Erstaufnahme in Suhl bringen, nämlich die Frage, wie frühzeitig eigentlich Kommunen informiert wurden, wenn Flüchtlinge aus den Gemeinschaftsunterkünften in die Kommunen verteilt wurden. Als Ende des vergangenen Jahres die Regierung gewechselt hat, gab es eine relativ intensive Debatte damals, dass den Kommunen die drei Tage, in denen sie bis dahin die Information vom Landesverwaltungsamt bekommen haben, zu kurzfristig waren, und da haben wir noch über ganz andere Flüchtlingszahlen gesprochen, wo es durchaus möglich gewesen wäre, da eine längerfristige Planung zu haben, vor allem weil die Menschen, die da in Thüringen waren, einfach schon viel länger in den Erstaufnahmeeinrichtungen gewesen sind, als wir sie in dem Fall in Hermsdorf bzw. Saalfeld hatten. Zur Redlichkeit gehört es nämlich auch, darzustellen, in welcher Situation die Belegung in Hermsdorf passiert ist. Wenn wir daran denken, dass fast 20.000 Menschen am Münchner Hauptbahnhof standen, davon 600 Menschen ungefähr nach Saalfeld gekommen sind, dann ist das eine Notsituation und vor allem nicht unbedingt für die Kommunen, sondern für die Menschen, die das betrifft. Da frage ich mich auch, wie in der Situation Einbindung ganz praktisch aussehen kann. Herr Herrgott, Sie haben bestimmt noch ein bisschen Redezeit, vielleicht können Sie uns das noch mal erklären: Sollten die 600 Menschen in Saalfeld am Bahnhof stehen bleiben, bis die Kommune in Hermsdorf da ausreichend informiert worden ist? Ich kann mir das schlicht und ergreifend nicht vorstellen. Hätten die draußen schla- 2430 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Lehmann) fen sollen? Da ist mir, ehrlich gesagt, Ihre Antwort nicht ganz klar. Vizepräsident Höhn: Wäre jetzt der Augenblick für die Frage? (Beifall DIE LINKE) Natürlich ist Bürgerbeteiligung wichtig. Natürlich ist die Beteiligung von Kommunen wichtig. Aber manchmal braucht es da auch mehr als eine EMail. Da braucht es einen intensiven Dialog. Ich glaube, dass sich die Landesregierung das in diesem Fall tatsächlich nicht vorwerfen lassen muss, denn ich kann mich nicht erinnern, dass wir in den vergangenen Jahren ähnlich viele Bürgergespräche hatten unter Beteiligung von Kommunalpolitikern, von Landespolitikern wie in den vergangenen sechs Monaten. Abgeordnete Lehmann, SPD: Ja. Vizepräsident Höhn: Dann, Herr Abgeordneter Herrgott. Abgeordneter Herrgott, CDU: Einen kleinen Augenblick, Frau Kollegin. Der Abgeordnete Herrgott möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Frau Lehmann, können Sie mir bitte sagen, wie lange ein Telefonanruf eines Verantwortlichen in Saalfeld beim Landrat im Saale-Holzland-Kreis gedauert hätte mit den Informationen, wann wie viele und zu welchem Zeitpunkt ankommen und im Vergleich dazu, wie lange der Transport dieser Menschen von Saalfeld nach Hermsdorf gedauert hat und ob man das auch parallel hätte machen können? Abgeordnete Lehmann, SPD: Abgeordnete Lehmann, SPD: Gern am Ende meines Beitrags. Sie können stehen bleiben, es dauert nicht mehr lange. Das hängt sicher auch davon ab, wie gut erreichbar der Landrat in dem Fall gewesen ist. Vizepräsident Höhn: Abgeordneter Herrgott, CDU: Es wird dann also eine Schlussfrage? Der ist gut erreichbar. Abgeordnete Lehmann, SPD: Abgeordnete Lehmann, SPD: Es wird gern eine Schlussfrage. Aber die Frage ist, ob es in dem Moment nicht wichtiger war, sicherzustellen, dass die Flüchtlinge ein Dach über dem Kopf haben, dass sie was zu essen haben, dass sie ein Bett haben können, in dem die schlafen, dass es sanitäre Einrichtungen gibt. Ich glaube, das ist unstrittig, dass das erst mal die wichtigere Frage an der Stelle ist. Vizepräsident Höhn: Dass die Unterbringung von Flüchtlingen eine Herausforderung ist, das steht außer Frage; dass das teilweise gerade nicht ganz unproblematisch ist, auch wenn wir uns die Unterbringung zum Beispiel auf der Messe in Erfurt anschauen, dann steht das, glaube ich, auch außer Frage. Ich glaube auch, dass wir sagen können, dass da alle Beteiligten, und zwar sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene, gerade sehr bemüht sind, das gut umzusetzen. Dass uns solche Anträge da aber nichts nützen, das steht genauso außer Frage. Auf einen Aspekt des Antrags ist bisher relativ wenig eingegangen worden, das ist die Frage der Unterstützung der Kommunen bei der Ausweitung zusätzlicher Unterbringung. Auch das machen wir. Wir hätten das jetzt schon anders gemacht, weil viele Kommunen nach wie vor den Wunsch haben, Flüchtlinge dezentral unterzubringen. Das ist leider mit der Richtlinie, die uns das CDU-geführte Innenministerium hinterlassen hat, schlicht und ergreifend nicht möglich. Deswegen überarbeiten wir gerade auch die, sodass nicht nur Gemeinschaftsunterkünfte, sondern auch dezentrale Unterbringung künftig vom Land für die Kommunen gefördert werden kann. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Gibt es noch Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Herr Abgeordneter Fiedler. Ihre Meldung habe ich auch gesehen, Herr Brandner. Abgeordneter Fiedler, CDU: Meine Damen und Herren, der Antrag der CDUFraktion liegt schon drei Tage zurück. Ich will aber noch mal darauf verweisen, weil das hier gerade so locker dargestellt wurde. Ich habe das in Hermsdorf live erlebt, was dort passiert ist. Da gab es das Gerücht, es sollen welche kommen. Auf einmal wurde an der Halle oben das Schild – da stand „zu verkaufen“ – abmontiert, auf einmal standen DIXIs da und ähnliche Dinge und innen drin war vorbereitet. Dass da der Bürgermeister, der Landrat und die Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2431 (Abg. Fiedler) VG-Vorsitzende nichts darüber wissen, finde ich schon ein Armutszeugnis. (Beifall CDU, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos) Die haben auch mich dann angerufen und ich habe mich versucht kundig zu machen. Ich will mal eins sagen, ich habe versucht, in dem grünen Ministerium jemanden zu kriegen. Die Auskunft, die ich dort kriegte – ich sagte, es wird doch jemand da sein, der was dazu sagen kann: Nein, im ganzen Haus ist niemand da, der was dazu sagen kann. Daraufhin habe ich in der Staatskanzlei angerufen. Man will es nicht glauben, nach 20 Minuten hatte ich zumindest eine Antwort. Ob die mich befriedigt hat oder nicht, ich hatte eine Antwort. Die sagte aus, heute nicht, mehr können wir nicht dazu sagen. Aber das war wenigstens eine Information. Die Grünen propagieren immer, sie wollen sie alle mitnehmen, wollen jeden mit ins Boot nehmen und wollen mit informieren. Und was passiert? Null. Das ist doch das Problem. (Beifall CDU, AfD) Es geht doch einfach nur darum, dass die Informationspolitik – zu der Zeit war es noch nicht so schlimm, wie es sich jetzt entwickelt hat, man weiß ja kaum noch, wo man eine Unterkunft finden soll. Mittlerweile ist der erste „Praktiker“, es wird nicht lange dauern, dann sind der zweite und der dritte in Betrieb. abgesichert sein. Solche Dinge, die kann man wirklich im Vorfeld oder zumindest während solche Dinge anlaufen, kann man die Leute informieren, die da eine Verantwortung tragen. Ich kann Ihnen noch sagen, in Hermsdorf läuft das gut. Die Ehrenamtler sind dort gut zugange, die helfen alle und so weiter und so fort. Aber die Information fehlt und das müssen Sie sich ans Revers stecken. Sie haben immer gesagt, informieren – machen Sie es auch! (Beifall CDU, AfD; Abg. Gentele, fraktionslos) Vizepräsident Höhn: Jetzt hat das Wort Herr Abgeordneter Brandner, AfD-Fraktion. Abgeordneter Brandner, AfD: Herr Fiedler, dass Sie im grünen Ministerium keinen erreicht haben, wundert mich nicht. Ich vermute mal, die eine Hälfte war bei irgendwelchen Antifa-Demos und die andere bei Willkommens-Partys und da war keiner mehr am Telefon. Das kann ich Ihnen also erklären, wieso das nicht funktioniert hat. (Beifall AfD) In der Staatskanzlei, warum da jemand war, das weiß ich nicht. Wahrscheinlich haben die die Willkommens-Party verpasst. (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Das ist doch nur noch peinlich, Herr Brandner!) Aber diese Information – Sie wollen mir doch nicht erzählen, Frau Rothe-Beinlich, dass die Dinge auf einmal über Nacht kommen. Natürlich werden die vorbereitet. Natürlich muss man gucken, wo gibt es überhaupt eine Unterkunft oder nicht. Natürlich hat man auch nach der Halle in Hermsdorf geschaut. Da kann ich doch wohl mal den Hörer in die Hand nehmen und kann anrufen und kann sagen: Herr Landrat, hören Sie zu, das und das. Wir sind in Not. Wir können nicht anders. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aber nicht für uns!) (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das passiert doch!) Dort ging es vor allen Dingen – ich gucke nur Sie an, weil Sie immer so alles wissen. Ich könnte auch in die Richtung gucken, ins grüne Ministerium. Es ist doch wohl das Mindeste, dass man informiert: In so eine Halle sollen Menschen hinein. Der Landrat hat eine Verfügung gemacht, weil der Brandschutz und alles nicht gewährleistet ist, da hat sich gar keiner drum geschert. Das deutsche Recht zählt nicht mehr. Da hat man einfach – ach ja, da wurde das noch dreimal hin- und hergeschoben, am Ende hat wohl der Präsident des Landesverwaltungsamts unterschrieben, weil, irgendeiner muss vergattert werden. Es kann auch mal passieren, dass dort was passiert. Und dann müssen doch die Leute auch Ich frage mich, was hat Herr Herrgott, was ich nicht habe? Wie kriegen Sie auch die schüchternsten Mädels aus der rot-roten Ecke dazu, dass Sie denen Zwischenfragen stellen dürfen? Ich wollte fragen, aber durfte nicht. Ich denke noch mal drüber nach. (Unruhe DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den sexistischen Mist können Sie sich sparen!) Ich denke mal ein bisschen darüber nach, an mir zu arbeiten. Frau Rothe-Beinlich und der Rest von Ihnen, was Sie hier ablassen, sind immer die gleichen Wortblasen, die gleichen Worthülsen und die gleichen Textbausteine. Fällt Ihnen das gar nicht auf? (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben gestern die gleiche Rede gehalten wie neulich schon in Gera!) 2432 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Brandner) Mit der gleichen – dazu komme ich gleich – Inbrunst, wie Sie vorhin von Herrn Möller zu unserem Energiekonzept konkrete Aussagen verlangt haben, frage ich Sie: Nennen Sie mir mal eine einzige Sache, die die AfD im Rahmen dieser Asylproblematik erfunden haben soll! Nennen Sie mir von gestern Abend einen einzigen Satz, der Hetze beinhalten soll, Lügen beinhalten soll oder Übertreibung beinhalten soll! Eine konkrete Sache würde mir schon reichen. Wenn das so wäre, ich würde sogar eine Flasche Rotwein spendieren, Frau Rothe-Beinlich, glauben Sie mir das. (Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn ich dann noch höre, in Deutschland ist es im Winter kalt, und zwar so kalt, dass die Asylbewerber nicht in Zelten übernachten können oder wohnen können, dann erinnere ich doch mal an das vergangene Jahr. Da hatten wir einen Winterabschiebestopp mit der Begründung, in den Herkunftsländern wäre es zu kalt. Wenn ich jetzt heute höre, in Deutschland sei es zu kalt, und mir den Winterabschiebestopp vom letzten Jahr vor Augen führe, braucht es keine allzu großen logischen Verbiegungen, um daraus zu folgern, wenn es in Deutschland dieses Jahr zu kalt ist, dann müsste doch aus dem Winterabschiebestopp eine Winterabschiebepflicht werden, damit die Flüchtlinge dahin zurückgehen können, wo es wärmer ist, oder nicht? Dazu habe ich von Ihnen auch noch nichts gehört. Vielleicht sagen Sie dazu was und zu unseren angeblichen Erfindungen. (Beifall AfD) Vizepräsident Höhn: So, weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten kann ich momentan nicht erkennen. Doch, schon geht der Arm vom Abgeordneten Fiedler nach oben. Bitte schön, Sie haben das Wort. Abgeordneter Fiedler, CDU: Zu unseren Zeiten, Frau Kollegin, zu unseren Zeiten, Frau Becker, als wir hier in dem Haus angefangen haben, da haben wir uns nicht gescheut von früh 8.00 Uhr bis in der Nacht um 3.00 Uhr zu tagen und wir haben es alle überlebt. (Beifall CDU, AfD) Nicht jetzt, wenn gerade mal ein Thema ist, was einem vielleicht nicht so ganz gefällt, mag ja sein. (Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mir geht es noch mal um eines, ich habe es vorhin vergessen. Wenn ich mich recht entsinne, und ich bitte hier unsere Leute in der ersten Reihe, im Ältestenrat, das Protokoll genau nachzulesen, hat die, ich glaube, es war die Frau Rothe-Beinlich, uns hier als Rassisten bezeichnet. (Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das macht sie alle 10 Minuten!) Und das bitte ich, das weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. So kann man doch hier nicht miteinander umgehen. (Beifall CDU, AfD) Deswegen bitte ich, das Protokoll nachzulesen und gegebenenfalls Konsequenzen daraus zu ziehen. So kann man nicht miteinander umgehen! (Beifall CDU, AfD) Vizepräsident Höhn: Wenn sich die Gemüter wieder etwas beruhigt haben, dann erteile ich der Landesregierung das Wort. Frau Dr. Albin, bitte schön. Dr. Albin, Staatssekretärin: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich werde Ihnen jetzt nicht den Gefallen tun, mich auf die Polemik der Oppositionsfraktionen hier einzulassen. (Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das wäre aber Demokratie!) (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich werde Ihnen aber antworten. Die im Titel des Antrags getroffene Aussage, dass Landräte und Bürgermeister im Falle der Unterbringung von Flüchtlingen in Thüringen durch das Land generell nicht rechtzeitig informiert würden, trifft so nicht zu. Auch die mit der Ziffer 2 des Antrags zum Ausdruck kommende Annahme, die Verantwortlichen in den Kommunen für die Unterbringung von Flüchtlingen würden nicht umfassend unterstützt, trifft nicht zu. Die von der CDU-Fraktion gelieferte Begründung für die beiden Teile des Antrags und die zwei Forderungen an die Landesregierung überzeugt nicht. Die Unterbringung von Flüchtlingen in Hermsdorf und Bad Lobenstein musste, das ist heute bereits ausgeführt worden, extrem kurzfristig erfolgen. Es sollte hier der Landesregierung und den für die Landesregierung handelnden Personen nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sich die Vorlaufzeiten für die notwendige Unterbringung der aus Bayern ankommenden Flüchtlinge am besagten Wochenende der 36. Kalenderwoche extrem verkürzt haben und Informationen aus Sicht der Betroffenen damals nicht ausreichend erfolgt sein sollen. Vor die Alternative gestellt, Flüchtlinge im Freien übernachten zu lassen oder ihnen eine, unter den gegebenen Bedingungen einigermaßen menschenwürdige Unterbringung zu garantieren, hätte mit Sicher- Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2433 (Staatssekretärin Dr. Albin) heit jeder andere Verantwortliche kurzfristig gehandelt. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Hinblick auf die im Antrag ebenfalls genannte Nutzung einer Turnhalle in Friemar liegen der Landesregierung keine detaillierten Informationen vor. Offensichtlich handelt es sich hierbei um einen Fall kommunaler Unterbringung. Lassen Sie uns vielmehr gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, wie alle gesellschaftlichen Kräfte an einem Strang ziehen können, um die enormen Herausforderungen und Aufgaben bewältigen zu können. Damit können wir die vielen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Helfer unmittelbar unterstützen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Welcher Vorwurf der Landesregierung im Hinblick auf die Unterstützung der in den Kommunen Verantwortlichen für die Unterbringung von Flüchtlingen gemacht wird, ist aus der Begründung nicht ersichtlich. Die dramatischen Entwicklungen insbesondere in Syrien und jetzt auch in Afghanistan stellen Thüringen und die handelnden Personen im Land und insbesondere auch die Kommunen vor unvorhersehbare Herausforderungen. Es kann nicht oft genug betont und hervorgehoben werden, mit welch hohem Einsatz die Handelnden vor Ort versuchen und es auch immer wieder schaffen, den auf der Flucht vor Gefahren für Leib und Leben befindlichen Personen eine menschenwürdige Unterbringung und Betreuung zu ermöglichen. Gerade das bewusste Wochenende nach dem 4. September war an Dramatik nicht zu überbieten. In Thüringen waren über 600 Flüchtlinge unterzubringen. In der darauf folgenden Woche musste die Messe in Erfurt mit für die Flüchtlingsunterbringung genutzt werden. Die Monate September und Oktober waren mit Flüchtlingsankünften in Deutschland in Höhe von jeweils deutlich über 150.000 die Monate mit den bisher höchsten Zugangszahlen. Nach Thüringen kamen im Monat September über 6.000 Flüchtlinge und über 7.000 Flüchtlinge im Oktober. Nur dank der Aufnahmebereitschaft der Landkreise und kreisfreien Städte war es überhaupt möglich, diese Kraftanstrengung zu bewältigen. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Selbstverständlich erfordert dies auch eine gute und schnelle Kommunikation sowohl innerhalb des Landes als auch mit den Kommunen und Verantwortungsträgern. Damit verbunden ist auch die Notwendigkeit, die Bevölkerung zu informieren und einzubeziehen. Natürlich ist es richtig, festzustellen, dass es immer etwas zu verbessern gibt. Das kann bei der geschilderten Situation auch nicht anders sein. Es wäre aber höchst ungerecht und es widerspricht auch den tatsächlichen Abläufen und Geschehnissen der letzten Monate, wenn der Landesregierung eine fragwürdige Informationspolitik und nicht akzeptable Informationsdefizite vorgeworfen werden, womöglich gar aus Absicht. Der berühmt gewordene Auftritt von Minister Lauinger in GeraLiebschwitz spricht hier eine ganz andere Sprache der Informationspolitik, für die diese Landesregierung steht, wenn sie einen geordneten Zuzug von Flüchtlingen hat. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich schließe die Aussprache. Ausschussüberweisung habe ich nicht wahrgenommen. Deswegen kommen wir direkt zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/1050. Wer diesem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus der CDUFraktion, der Fraktion der AfD und des Abgeordneten Gentele. Die Gegenstimmen bitte. Das sind die Stimmen aus den Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und des Abgeordneten Helmerich. Die Stimmenthaltungen bitte. 1 Stimmenthaltung vom Abgeordneten Krumpe. Damit ist dieser Antrag abgelehnt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt und vereinbarungsgemäß komme ich zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 18 Freifunk in Thüringen stärken Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/1217 dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/1257 Gibt es zunächst aus den Koalitionsfraktionen den Wunsch nach Begründung für den Antrag? Das übernimmt der Abgeordnete Schaft, bitte schön. Abgeordneter Schaft, DIE LINKE: Werte Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen, die digitale Welt ist in vielen Fällen ein Spiegelbild der analogen, alltäglichen politischen Auseinandersetzungen, die wir auch hier führen und gleichzeitig erleben. Damit meine ich gar nicht in erster Linie die zunehmenden Hassbotschaften in sozialen Netzwerken, die derzeit ja auch oft in den Medien rauf und runter diskutiert werden und zu Recht auch angeprangert werden, die sich nämlich auch letztlich als pure Gewalttat tagtäglich auch physisch gegen Menschen und Unterkünfte richten. Nein, ich spreche auch über andere Bereiche, nämlich Bereiche, 2434 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Schaft) die grundlegende Fragen von Demokratie und gesellschaftlicher Teilhabe betreffen. Während im Europäischen Parlament in der vergangenen Woche die Netzneutralität beerdigt wurde und am 16. Oktober im Bundestag die erneute Einführung der Vorratsdatenspeicherung beschlossen wurde, zeigen die rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen in Thüringen heute mit diesem hier vorgelegten Antrag, dass sie der zunehmenden Kommerzialisierung des Internets und der Überwachungsstaatslogik im Rahmen ihrer Möglichkeit klare Grenzen entgegensetzen wollen. (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ein wichtiger Baustein dafür ist ein offenes Netz, welches allen Menschen den gleichberechtigten Zugang zum Internet ermöglichen will, und damit auch die Stärkung von Freifunkinitiativen. Unter dem Begriff „Freifunk“ verbinden sich netzaffine Menschen, die ehrenamtlich Hardware bereitstellen und diese eben auch warten, um möglichst flächendeckend kostenfreies und offenes Internet möglich und zugänglich zu machen. Viele von ihnen sind zudem beispielsweise bei der Durchführung und Konzeption von Veranstaltungen wie CryptoPartys zu Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit und zum Erlernen von Verschlüsselungstechniken engagiert. Der Ihnen vorliegende Antrag will dieses Verständnis von Netzpolitik fördern und unterstützen und eben auch konkrete Maßnahmen untermauern. So wird die Koalition und die von ihr getragene Regierung mit dem Beschluss des Antrags den Weg dafür ebnen, dass wir bis zum Ende des Jahres einen Maßnahmenplan zur Etablierung von Freifunkhotspots auf Landesimmobilien verabschieden und den Freifunkinitiativen einen gesicherten Zugang zu den jeweiligen Liegenschaften ermöglichen. Und zugleich wird der Freistaat verstärkt unsere Kommunen darauf hinweisen, welche Möglichkeiten sich aus der Zusammenarbeit mit Freifunkinitiativen und damit auch den Freifunkerinnen und Freifunkern für sie ergeben. Zum anderen wird sich die rot-rot-grüne Landesregierung bei der morgigen Beratung des Telemediengesetzes im Bundesrat gemäß dem Koalitionsvertrag für die vollständige Abschaffung der Störerhaftung auch bei privaten und kommunalen Anbietern freier Netzzugänge einsetzen, um klarzustellen, dass wir bei einem wichtigen Grundpfeiler der Daseinsvorsorge keine Privilegierung kommerzieller Anbieter wollen, sondern eben tatsächlich einen freien Zugang zum Internet für alle Menschen. Das bereits angekündigte Votum wollen wir heute mit dem Beschluss des vorgelegten Antrags unterstützen. Wir freuen uns dabei auch, dass es im Vorfeld bereits Signale beispielsweise seitens des Kollegen Mohring gab, sich unserem Vorgehen anzuschließen, möchten damit auch die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion dazu einladen, diesem An- trag im Sinne einer transparenten, demokratischen und gleichberechtigten Teilhabe und Netzkultur entsprechend zuzustimmen. Danke schön. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Ich schaue jetzt mal in Richtung AfD-Fraktion. Gibt es den Wunsch nach Begründung Ihres Alternativantrags? Das sehe ich nicht. Dann eröffne ich die Aussprache und es hat das Wort Herr Dr. Voigt, Fraktion der CDU. Abgeordneter Dr. Voigt, CDU: Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Kollege Schaft, schönen Dank für die Einführung. Ich glaube, dass es relativ unstrittig ist – das weiß die Kollegin König auch –, dass wir bei der Frage der Störerhaftung schon sehr lange die Position einnehmen, dass da das Telemediengesetz geändert werden muss. Darauf hat sich auch Mike Mohring bezogen und da können Sie sicher sein, dass wir diese Meinung nicht geändert haben. Also insofern ... (Zwischenruf aus dem Hause: Die von der Bundesebene ist eher bescheiden!) Die von Bundesebene sei bescheiden. Ich will noch kurz daran erinnern, dass die Bundesregierung das Gesetz vorgeschlagen hat, was Ihre Landesregierung morgen im Bundesrat unterstützen möchte, leicht geändert. Also insofern sehen Sie daran, dass wir da keinen Nachholbedarf haben. Ich will auf Ihre Vorlage kurz eingehen: Ich glaube, das Thema „offene WLAN-Netze“ und auch gleichzeitig Hotspots für Freifunk ist etwas, was Teil der modernen Welt ist. Wenn Sie international unterwegs sind, wissen Sie, dass es in vielen Ländern viel einfachere Zugänge zu öffentlichen Netzen gibt. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass dort das Thema „Störerhaftung“ in unterschiedlicher Art und Weise eben nicht so präsent ist wie bei uns bzw. da auch anders gehandhabt wird. Ich glaube, dass wir da auch in einer etwas antiquierten Art und Weise unterwegs sind und spätestens mit dem BGH-Urteil vom Januar 2013, dass Zugang zum Internet eben auch ein Grundrecht materieller Lebensgrundlage ist, denke ich, wird deutlich, wie wichtig das für uns auch in Deutschland sein sollte. Ihr Antrag geht auf unterschiedliche Aspekte ein. Ich will es kurz mal in den Blick nehmen. Beginnen wir mal mit dem Thema „vollständige Abschaffung der Störerhaftung für die privaten und kommunalen Anbieter freier Netzzugänge“. Das ist eine Sache, die unterstütze ich schon seit Jahren, die haben wir auch schon häufiger hier diskutiert und haben da Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2435 (Abg. Dr. Voigt) auch schon gemeinschaftlich zu dem Thema „Telemediengesetz“ gesprochen. (Beifall SPD) Ich glaube, dass die Initiative der Bundesregierung in der Tat nachbesserungsbedürftig ist, weil sie nicht konkret genug ist. Da freue ich mich, dass die Linke und die Grünen die Kollegen von der SPD überreden konnten, dass sie diesen Gesetzentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium noch mal nachbessern wollen. Das ist schon mal beachtlich. Frau Marx, ich weiß, dass man Sie da nicht überreden muss, aber vielleicht hätten sie vorher mal Herrn Gabriel ein bisschen genauer die Feder führen sollen, dann wäre der Gesetzentwurf vielleicht präziser gewesen. Trotzdem will ich sagen, dass wir in dem Punkt, glaube ich, eine Präzisierung hinbekommen. Es gibt ja andere Bundesländer, die das mit unterstützen. Bayern ist da auch unterwegs, Sachsen-Anhalt; da gibt es wirklich eine sehr breite Front, die das verbessern will, auch viele – der „SPIEGEL“ hat ja darüber berichtet – SPDgeführte Länder. Eine Präzisierung tut not, vor allen Dingen in der Fragestellung, dass man auf der einen Seite sagt, diejenigen, die offene WLAN-Netze anbieten, sind tatsächlich erst mal nur Zugangsanbieter und dann natürlich auch in der Fragestellung des § 8 Telemediengesetz, dass man eben die Konkretisierung hinbekommt, wenn man bestimmte Pflichtanforderungen erfüllt, dann kann man dafür nicht als Störer haftbar gemacht werden. Das ist für mich ein Punkt, der sehr begrüßenswert ist. Sie wissen ja, dass das Gesetz eigentlich in dem Maße nicht zustimmungspflichtig ist. Insofern werben wir dafür, dass man vielleicht auch noch ein bisschen darüber hinaus über Ihren Antrag im Ausschuss diskutieren sollte, weil es schon noch ein paar Punkte gibt, die meiner Meinung nach verbesserungswürdig erscheinen. Die AfD hat einen Alternativantrag vorgelegt, der sicherlich auch einen Aspekt in den Blick nimmt, den des ländlichen Raums, worüber man noch mal reden könnte. Ich finde, wenn man mal das Begrüßenswerte, die Störerhaftung, zur Seite nimmt, gibt es zwei Punkte, die ich inhaltlich zumindest hinterfragen will, weil ich glaube, da zeigen Sie wieder eine etwas wenig ambitionierte Art, wenn es um das Thema „Digitalisierung“ im Freistaat geht. Das haben wir schon mal diskutiert bei der Fragestellung „30 Mbit pro Sekunde“, wo Sie deutlich, sage ich mal, hinter den bundesweiten Maßstab zurückfallen und das auch weiterhin propagieren. Dasselbe wird jetzt hier wieder sichtbar bei der Frage: Wie gehen wir mit solchen offenen Netzen um und bei der Stärkung von Freifunkinitiativen vor? Da wird mit einer Verordnung bis zum Ende des Jahres 2016 gewinkt. Das ist offen gestanden ziemlich lang, wenn Sie sich vor allen Dingen andere Bundesländer angucken, die da sehr viel schneller und auch sofortiger unter- wegs sind. Ich glaube, da darf Ihr Antrag schon ein wenig ambitionierter sein. Darüber sollte man sich mal gemeinschaftlich unterhalten, denn wenn da drinsteht, spätestens Dezember 2016 Zugang zu Freifunkinitiativen, auch zu Landesimmobilien, dann ist das offen gestanden zumindest keine digitalpolitische Ambitionsleistung, die Sie da vorlegen. Deswegen würde ich weiterhin dafür werben, das im Ausschuss intensiver zu beraten, weil mich auch ein zweiter Punkt näher interessiert. Sie wollen mit Ihrem Antrag auch lokale Initiativen unterstützen, und wenn Sie lokale Initiativen unterstützen, bedeutet das wahrscheinlich auch finanzielle Förderprogramme. Wir hatten erst kürzlich die Übergabe eines Förderbescheids von Minister Tiefensee in Gera zu einem Pilotprojekt, bei dem ich glaube, dass das durchaus eher in den städtischen Milieus stärker nachgefragt ist. Dagegen ist erst mal nichts einzuwenden, nur in eine Situation möchten wir im Freistaat gemeinschaftlich nicht kommen, nämlich in die Situation, dass die vom Ministerium doch sehr, sage ich mal, eng begrenzten Mittel für die Digitalisierung letztlich zwischen Freifunk und Breitbandausbau gegeneinander ausgespielt werden. Ich glaube, darin sind wir uns einig, dass wir das nicht wollen. Herr Staatssekretär hat das auch mal im Gespräch signalisiert. Weil das aber so ist, denke ich, sollte man in so einem Antrag präziser sein und sollte klar sagen: Wir wollen Freifunkinitiativen fördern, aber wir wollen sie nicht im Gegensatz zu Breitbandausbau im Land schwächen. Das ist ein Punkt, bei dem ich denke, hier sollten wir noch einmal ins Gespräch kommen. Wir würden deswegen beantragen, das an den Wirtschafts- und Wissenschaftsausschuss zu überweisen und weisen noch einmal darauf hin, es ist kein zustimmungspflichtiges Gesetz. Es ist, glaube ich, ausreichend deutlich geworden, dass wir morgen die Intervention im Bundesrat unterstützen. Lassen Sie uns deswegen in der Sache weiterdiskutieren. Schönen Dank. (Beifall CDU) Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächste hat Frau Abgeordnete Marx, SPD-Fraktion, das Wort. Abgeordnete Marx, SPD: Verehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrter Herr Kollege Voigt, vielen Dank für Ihren fundierten und sachkundigen Beitrag. Das ist schön in diesem Haus, wenn man auch solche Beiträge hier hört, wenn die Fraktion neben Ihnen davon nicht so viel zu bieten hat. (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Welche jetzt? Die hier?) Nein. 2436 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Marx) (Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Nein, die andere Seite!) Der Freifunk in Thüringen – der Kollege Schaft hat ja noch einmal erklärt, was Freifunk ist, also eine Vernetzung von Privaten, die praktisch selbst Rechnerkapazität zur Verfügung stellen in einer Vernetzung, die dann über Router den WLAN-Zugang kostenlos für mehr Menschen ermöglicht, als das bisher möglich ist. Vor allen Dingen ist das eine nicht kommerzielle Sache. Ich denke schon, dass wir diesen Antrag heute so verabschieden können, denn die Digitalisierung der Gesellschaft oder auch das bessere digitale Netz in Thüringen ist ein Dauerthema. Das beschäftigt uns sicherlich nicht nur in Bezug auf das Thema „Freifunk“, aber wir denken schon, dass es auch ein schönes Zeichen wäre, diesen Antrag heute mit einer möglichst breiten Zustimmung von uns zu verabschieden, um da noch einmal Rückendeckung für unsere Position im Bund zu haben. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, Herr Dr. Voigt, da gibt es Defizite, leider auch in meinem eigenen Laden, aber der Herr Gabriel, den Sie genannt haben, ist auch nicht so richtig internetaffin. Dafür haben wir jetzt hier ein Ministerium in Thüringen, was die digitale Gesellschaft im Namen führt, und auch einen digitalen Staatssekretär, der hier auch noch zu uns sprechen wird und der die Sachen sicherlich im Griff hat und dem ich auch ohne Weiteres zutraue, schon vor Ende Dezember 2016 eine Verordnung zu erarbeiten in seinem Haus, die es uns ermöglichen würde, (Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Ihr habt doch dafür Matthias Machnig!) schneller zum Zuge zu kommen. Da haben Sie durchaus recht, Herr Voigt, das ist nicht so ambitioniert, erst Ende des Jahres. Trotzdem meine ich, dass wir eine Ausschussüberweisung nicht brauchen und ich glaube auch, dass diese Aspekte, auf die die AfD hier glaubt zusätzlich aufmerksam machen zu müssen, hier an dem Punkt eigentlich relativ überflüssig sind. Besonderen Wert auf die Stärkung der Netz- und WLAN-Infrastruktur in Kleinstädten, Dörfern und dem ländlichen Raum zu legen, das ist eigentlich eine gerade dem Freifunk innenliegende Stärke, dass eben genau nicht nur städtische Räume versorgt sind, sondern überall, wo sich Leute finden und da Initiativen bilden. Nordrhein Westfalen, das als einziges Bundesland bisher solche Freifunkinitiativen auch staatlicherseits unterstützt, zeigt schon, dass sich dort auch schon in relativ kleinen Gemeinden solche Initiativen gebildet haben. Das ist gerade die Chance, dass durch den Freifunk dort, wo die geschäftsmäßigen, die kommerziellen Provider keine Abdeckung bringen, die Abdeckung besser durch Private erfolgen kann. Dass das wirtschaftliche Potenzial des Freifunknetzes bei der Unternehmensansiedlung in strukturschwachen Räumen noch mal geprüft werden müsste, ist auch bereits erwiesen aus den Erfahrungen mit den bisherigen Freifunkinitiativen, dass das gerade befürwortet wird und dass es mittlerweile auch schon oftmals eine Vernetzung gibt zwischen lokalen Freifunkinitiativen und etwa Anbietern von Firmen, von Cafés, von Hotels. Denn es geht darum, dass ich nicht nur eine partielle WLANZugangsmöglichkeit eröffne, sondern eben eine möglichst flächendeckende. Das kann ich in ländlichen, in strukturschwachen Regionen mit Providern allein meistens nicht sichern. Da wird es dann auch keine kommunale Initiative geben, um ein öffentlich finanziertes WLAN-Netz aufzustellen. Interessanter ist aber, was im Antrag der AfD fehlt, denn ausgerechnet die Störerhaftung, also den Wegfall der Störerhaftung, haben Sie weggelassen. Das ist absurd. Der Wegfall der Störerhaftung ist eine existenzielle Notwendigkeit dafür, dass Freifunkinitiativen überhaupt ernsthaft an den Start gehen. Denn wenn sie mit einer Störerhaftung überzogen werden könnten, dann wäre der Freifunk zum Scheitern verurteilt, denn da wird kein Privater Internetidealist – sage ich jetzt mal – seine Rechnerkapazität zur Verfügung stellen und sich mit anderen vernetzen, um anderen Bürgerinnen und Bürgern kostenlos WLAN zu ermöglichen, wenn er dann auch noch in die Haftungsfalle tritt. Die Abschaffung dieser Störerhaftung, da sehen wir uns nicht nur hier im Landtag in einem breiten Konsens, sondern da haben wir mittlerweile auch einen breiten Konsens mit vielen Firmen, mit Hotels, mit Cafés, mit Restaurants, Kaufhäusern, Bahnhöfen, denen es auch ein Dorn im Auge ist, wenn sie da immer irgendwie Benutzerdaten dann doch wieder noch abfragen und speichern müssen, was absolut benutzerunfreundlich ist oder dann solche Regelungen finden, dass die Zeit begrenzt wird. All das kennen Sie schon, wenn Sie mal unterwegs gewesen sind und sich geärgert haben, dass an einer Stelle WLAN ist und an der nächsten wieder nicht. Nach alledem ist sozusagen aus Ihrem Alternativantrag die Kernvoraussetzung für einen funktionierenden Freifunk herausgebrochen, deswegen ist er wirklich neben der Sache, wie so häufig die Initiativen aus Ihrem Laden. Morgen ist das Telemediengesetz im Bundesrat auf der Tagesordnung und ich freue mich mit Ihnen gemeinsam – den anderen, die hier sachkundig sind –, darüber, dass wir unserer Landesregierung mit diesem Antrag mit auf den Weg geben, dass wir hier vorankommen wollen. Vielleicht noch was zu den Haushaltsmitteln, wenn ich mich recht entsinne, haben wir, speziell ausgewiesen für Freifunk, einen sechsstelligen Betrag im Haushalt eingestellt. Das heißt, es ist nicht so, dass Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2437 (Abg. Marx) das auf Kosten des Breitbands geht, sondern wir gehen hier nach Nordrhein-Westfalen als zweites Bundesland wirklich den Weg, dass wir diese sinnvolle Initiative zur Stärkung der Daseinsvorsorge unterstützen. Vielen Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD) Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächster hat Abgeordneter Rudy, AfD-Fraktion, das Wort. Abgeordneter Rudy, AfD: Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, liebe Abgeordnete, geschätzte Zuschauer, wir haben einen Alternativantrag zum Antrag der Regierungskoalition eingereicht. Wir erkennen die Stärken des Antrags der Regierungskoalition gern an, bezüglich einiger Kleinigkeiten sind wir allerdings anderer Meinung und möchten den verbessern. Dafür ist die Opposition da. Die Freifunker als zivilgesellschaftliche Initiative sind anerkennungswürdig und unterstützenswert. Deshalb wollen wir auch mithilfe unseres Antrags dafür sorgen, dass die Freifunkinitiativen die langfristige Möglichkeit haben, auf die Landes- und möglicherweise auch die Kommunalimmobilien ihre Router samt Antennen zu setzen. Effektiv könnte damit in den Städten und auch im ländlichen Raum die Netzabdeckung gestärkt werden. Dies ist gut für die Privatpersonen, die in der Umgebung leben, aber auch wirtschaftlich könnten hier abgehängte Gebiete mit stärkerer Netzabdeckung zusätzliche Unternehmen anlocken. Besseres Netz führt ganz klar zu einer höheren Lebensqualität und wenn dies von den Freifunkern freiwillig übernommen wird, dann kann man nur dankbar sein. (Beifall AfD) Die Kosten für die Stromversorgung der Router sollten nicht besonders ins Gewicht fallen. Eine unserer Verbesserungen ist die Aufmerksamkeit für das Thema „Unternehmensansiedlung“. Die Landesregierung soll prüfen, welche Möglichkeiten mit stärkerer WLAN-Abdeckung bei der Anwerbung von neuen Unternehmen im ländlichen Raum und zuvor strukturschwachen Räumen möglich ist. Wir möchten aber auch darauf hinweisen, dass die Störerhaftung weiterhin so gelten muss wie bisher. Der Antrag der Regierungskoalition will darauf hinwirken, diese Störerhaftung abzuschaffen. Es ist klar, dass die Haftung eine Hürde für die Freifunker ist, aber diese Störerhaftung hat ihren Sinn. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie spricht von: Wer sein WLAN anderen überlässt, leistet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs willentlich und adäquat kausal einen Beitrag zu einer potenziellen Rechtsverletzung. – Denn ohne Störerhaftung ist die Gefahr da, dass Terroristen und Kriminelle aller Art die Gutmütigkeit der Freifunker ausnutzen, um ihre Taten zu planen, durchzuführen und abzusprechen. (Unruhe SPD) Schon jetzt wird die Störerhaftung häufig umgangen, indem ein VPN-Tunnel über Schweden gelegt wird. Doch es ist kein Wunderding, von den Freifunkern zu verlangen, dass jeder neue WLAN-Benutzer seine Daten eingibt, um zu wissen, wer da handelt, bevor er sich im Netz anmeldet. Das sollte die fleißige Freifunkergemeinschaft nicht davon abhalten, ihr Ziel von einer flächendeckenden WLANVersorgung zu erreichen. Darauf freuen wir uns und auf die Hilfe der Landesregierung bei diesem Ziel auch. Natürlich freuen wir uns auch auf die Zustimmung der Regierungsfraktionen zu unserem progressiven Vorschlag. Vielen Dank. (Beifall AfD) Vizepräsident Höhn: Als Nächste hat das Wort Frau Abgeordnete König, Fraktion Die Linke. Abgeordnete König, DIE LINKE: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Menschen am Livestream – da schauen, glaube ich, gerade auch einige Freifunker zu! Ausgehend von dem zuletzt gehörten Redebeitrag müssten wir höchstwahrscheinlich anstelle von V-Leuten jetzt V-Router einführen für den Fall, dass sich Terroristen des bösartigen Freifunknetzes bedienen und darüber dann hier in Thüringen ganz schlimme Dinge machen. Ich glaube, was sich gezeigt hat, ist, dass seit dem Ausstieg des Herrn Krumpe aus der AfD-Fraktion jegliche Kompetenz im digitalen Bereich verlorengegangen ist. (Beifall SPD) Deswegen will ich mich gar nicht größer inhaltlich zu diesem Änderungsantrag äußern, der uns hier vorgelegt wurde. Vielleicht nur so viel: Das Weimarnetz unterstützt schon längst im ländlichen Raum in kleineren Dörfern und baut dort Freifunk mit aus. Was Sie grundsätzlich nicht verstanden haben, ist, dass es letztlich immer die Ehrenamtler braucht, die das Freifunknetz ausbauen. Und das ist nichts, was die AfD per Änderungsantrag beschließen kann, dass sozusagen jetzt der Freifunk auch im ländlichen Raum gestärkt werden muss. Das Zweite, woran man auch erkennt, dass Sie nicht verstanden haben, worum es bei Freifunk geht, ist, dass Sie prüfen lassen wollen, welches wirtschaftliche Potenzial das Freifunknetz bei der Unternehmensansiedlung in strukturschwachen 2438 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. König) Räumen bieten kann. Entschuldigung, das ist manchmal ein sehr positiver Nebeneffekt, wenn Freifunker sich im ländlichen Raum oder auch in Städten zusammenschließen, wenn Hotels und Cafés Freifunk bei sich mit einführen. Allerdings geht es beim Freifunk nicht darum, an erster Stelle oder an dritter Stelle ein wirtschaftliches Potenzial zu erzeugen. Das nächste Mal sollten Sie einfach nur „Freifunk“ bei Google eingeben und die ersten drei Sätze lesen. Das hätte höchstwahrscheinlich schon geholfen, um uns zumindest diesen Alternativantrag hier zu ersparen. Und zwar: Freifunk steht für freie Kommunikation in digitalen Datennetzen und die Freifunker verstehen es als öffentlich zugänglich, nicht kommerziell, im Besitz der Gemeinschaft und unzensiert. Das ist – wenn man dann Ihren Alternativantrag anschaut – natürlich überhaupt nicht mit Ihrem Alternativantrag vereinbar. Darüber hinaus als Erstes ein Dankeschön an Herrn Voigt, der sich hier ganz klar gegen den Beschluss der Großen Koalition im Bundestag bezüglich der Störerhaftung ausgesprochen hat. Da kann ich mich nur anschließen und sagen: Respekt dafür. Ich hoffe, dass Sie das auch innerhalb Ihrer Partei so klar äußern und sich dort mit den Möglichkeiten, die Sie haben, für die komplette Abschaffung der Störerhaftung einsetzen, denn das, was jetzt beschlossen wurde, ist definitiv nicht das, was wir uns als Rot-Rot-Grün bzw. als Koalition hier in Thüringen vorstellen. Jeder, der hier nur irgendwie einen Bezug zum Thema hat, weiß, dass die Störerhaftung in der Form, wie sie morgen dann auch im Bundesrat beschlossen werden soll, definitiv nicht dazu beiträgt, dass es hier zu einer Verbesserung im Sinne der digitalen Gesellschaft kommt und dass es letztlich auch eine Behinderung darstellt für die Freifunker beispielsweise oder überhaupt zur Etablierung von mehr größeren, offenen WLANs, so wie wir es aus anderen Ländern kennen, und das deswegen, weil nämlich die Störerhaftung aktuell noch vorsieht – in der Form, wie sie morgen beschlossen werden soll, und glücklicherweise kommt ja sowohl aus Thüringen ein Antrag dagegen als auch aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen –, dass Menschen, die ihr WLAN offen zur Verfügung stellen wollen, dieses verschlüsseln müssen und Sorge dafür tragen müssen, dass darüber keine – was auch immer für illegale oder sonstige – Aktivitäten stattfinden können. Das ist eines der Hauptprobleme, welches wir mit Störerhaftung haben. Da haben auch die Freifunker ein Hauptproblem, weil, wenn man sozusagen die Störerhaftung weiterhin beibehält für die Privatpersonen, Privatinitiativen, bedeutet das letztlich, dass wir von vornherein einen Hindernisgrund eingebaut haben. Das heißt, wenn man das nicht will und wenn man Freifunk unterstützen will – und das haben Sie, Herr Voigt, hier ganz klar erklärt –, dann ergibt es keinen ande- ren Sinn, als heute hier unserem Antrag von RotRot-Grün zuzustimmen, um eben auch gleichzeitig morgen im Bundesrat das Zeichen aus Thüringen – und da würde ich mich sehr freuen, wenn dieses Zeichen von der CDU mit kommen würde – rüberzugeben: Wir wollen, dass die Störerhaftung in der Form, wie sie von der Großen Koalition beschlossen wurde, abgeschafft wird und dass weder für kommerzielle noch private Anbieter von WLAN, diejenigen, die es offen zur Verfügung stellen wollen, zu erwarten ist, dass dieses verschlüsselt wird. Insofern können wir Ihrem Antrag auf Verweisung nicht zustimmen, weil morgen das Ganze im Bundesrat Thema ist. Da verweise ich an der Stelle auf unseren Punkt 5 im Antrag „Freifunk in Thüringen stärken“, in dem es heißt, „sich im Bundesrat für die vollständige Abschaffung der Störerhaftung für die privaten und kommunalen Anbieter freier Netzzugänge zusammen mit weiteren Bundesländern einzusetzen“. Wenn man das heute nicht beschließt, dann ist es vorbei, dann hat der Bundesrat das beschlossen. Insofern, wenn Sie es ernst meinen, heben Sie doch einfach nachher mit die Hand. Das ändert nichts daran, dass wir bestimmt an den einen oder anderen Stellen nochmals in die gemeinsame Debatte und vielleicht sogar zu einem gemeinsamen Antrag kommen können. Ich glaube, da treffen Sie bei uns auf sehr viel Unterstützung. Zuletzt ein großes Dankeschön an die Freifunker, an diejenigen, die das schon seit einigen Jahren machen, an diejenigen, die da ehrenamtlich ihre Zeit, ihre Kraft, ihre Technik (Beifall SPD) und zum Teil auch Geld zur Verfügung stellen, um eben dazu beizutragen, dass es zu einem höheren WLAN-Nutzungsaufbau kommt, auch wenn WLAN nicht der einzige Effekt ist, der über Freifunk erreicht werden soll, sondern es geht vielmehr auch um die Form der freien Kommunikation. Es geht vielmehr auch darum, einer digitalen Spaltung, der digitalen Kluft entgegenzuwirken. Dazu tragen die Freifunker mit ihrem Engagement massiv bei. Dafür ein Riesendankeschön, auch dafür, dass mehrere Freifunkinitiativen, nicht nur in Thüringen, sondern auch in anderen Bundesländern, gerade in Flüchtlingsunterkünften dafür sorgen, dass die Menschen dort eine Chance haben, mit ihren Familien und ihren Angehörigen zu Hause in Kontakt zu bleiben. Das können wir durch so einen Antrag überhaupt nicht genug wertschätzen, aber wir werden alles Mögliche tun, um die Freifunker hier in Thüringen zu unterstützen. Insofern hoffe ich auf die Zustimmung der CDU und dann morgen im Bundesrat auch darauf, dass die Störerhaftung in der Form, wie sie die Große Koalition beschlossen hat, abgelehnt wird. Danke schön. (Beifall DIE LINKE) Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Vizepräsident Höhn: Jetzt hat Abgeordneter Krumpe das Wort. Abgeordneter Krumpe, fraktionslos: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Herren und Damen Abgeordnete, der vorliegende Antrag zielt darauf ab, den Aufbau eines auf WLAN basierenden eigenständigen Bürgernetzes zu stärken. Diesem Ansinnen kann ich selbstverständlich grundsätzlich zustimmen. Allerdings kann ich zum einen aber dem nicht zustimmen, dass mit der Förderung des Freifunks Lücken in der Thüringer Breitbandversorgung geschlossen werden sollen. Zum anderen sollten ergänzende Serviceleistungen wie öffentliches WLAN nicht mit gleicher Priorität gefördert werden wie der Glasfaser- oder der LTE-Funktechnologieausbau – und da schließe ich mich der Argumentationskette des Kollegen Voigt an. Ein erstes Problem habe ich darin identifiziert, dass bei einer Schließung von Breitbandversorgungslücken durch eine Freifunkförderung ein öffentliches Gut, nämlich Internetzugang mit einer garantierten Mindestgeschwindigkeit auch durch Bürger bereitgestellt werden soll. Damit wird meines Erachtens gegen das Prinzip der Nichtausschließbarkeit beim Konsum eines öffentlichen Guts verstoßen, und zwar deshalb, weil ein Freifunknetz in erster Linie auf der freiwilligen Bereitstellung von WLAN-Routern basiert und eben durch die Freiwilligkeit eine gleichberechtigte Nutzungsmöglichkeit von allen Mitgliedern einer Gesellschaft nicht garantiert werden kann. Im Weiteren wird gegen das Prinzip der Nichtrivalität verstoßen. Dieses besagt nämlich, dass ein öffentliches Gut durch theoretisch unendlich viele Personen – wir beschränken das mal auf die Thüringer Bürger – in gleicher Weise genutzt werden kann, ohne dass dieses Gut in der Qualität gemindert wird. Die Qualität der Netzgeschwindigkeit ist aber abhängig von der Qualität der Funkverbindung, der Anzahl der Knoten, aber natürlich auch von der jeweiligen Hardwarekonfiguration der Knoten selbst. Mit dieser Architektur können in einer Bund-Länder-Übereinkunft avisierte Geschwindigkeitsstandards von 50 Megabit pro Sekunde und mehr nicht garantiert werden. Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass ein ergänzendes WLAN-Angebot auf dem Land bei dem derzeitigen Breitbandausbau die Bürger nicht befriedigen wird. Wem nützt, ehrlich gesagt, ein freier Funknetzzugang, wenn aufgrund der langsamen Übertragungsgeschwindigkeiten weder digitale Verwaltungsdienstleistungen, telemedizinische Serviceleistungen noch Homeofficeangebote von den Bürgern genutzt werden können. Auch Touristen werden unzufrieden sein, da das Surfverhalten in der Freizeit eine Menge an Multimediadaten verschlingt und der Flaschenhals beim Breit- 2439 bandangebot im ländlichen Raum einfach noch viel zu eng ist. Das heißt, dort, wo in Thüringen bereits eine schnellere Breitbandversorgung existiert, wird ein zusätzlicher öffentlicher Service durch freie WLAN-Angebote geschaffen und das führt zur digitalen Benachteiligung der ländlichen Bevölkerung. Liebe Kollegen, wir können uns leider nicht mit Berlin vergleichen, wo Internetgeschwindigkeiten von 50 Mbit/s und mehr flächendeckend bereitstehen und diese Basisinfrastruktur aktuell mit zusätzlichen Serviceleistungen noch attraktiver gemacht wird. Wir machen Politik hier für Thüringen, meine werten Kollegen, und das bedeutet, sich dieser Realität zu stellen. Die Realität ist nun leider so, dass der digitale Wettbewerb nicht durch einen WLAN-Zugang am Rathausgebäude entschieden wird, sondern durch eine landesweite IT-Basis-Infrastruktur. Um diese bereitzustellen, muss entgegen den Vorstellungen von Herrn Minister Tiefensee bis 2018 jeder Cent auch aus den Erlösen der Digitalen Dividende II in den Glasfaser- und in einem geringen Anteil in den LTE-Ausbau gesteckt werden, um nicht Gefahr zu laufen, dass sich Thüringen bereits innerhalb der nächsten drei Jahre digital vollständig isoliert. (Beifall AfD) Genau das Geld und eigentlich mehr benötigt Thüringen, da durch die Mittelgebirgslage der Ausbau, insbesondere mit LTE-Sendern, um einiges mehr kosten wird als in topografisch flachen Ländern wie Brandenburg, Mecklenburg oder Schleswig-Holstein. Ich würde mich in diesem Zusammenhang dafür aussprechen, Synergieeffekte beim Windkraftanlagenausbau und gleichzeitiger LTE-Planung auszuloten. Vielleicht kann eine Win-win-Situation erreicht werden, wenn Windkraftanlagenmasten mit einer weiteren Nutzung, nämlich einem LTE-Sender, belegt werden können. Das könnte möglicherweise die Akzeptanz von Windkraftanlagen bei den Bürgern deutlich steigern. Einer Überweisung an den zuständigen Ausschuss stimme ich zu. Herzlichen Dank. (Beifall AfD) Vizepräsident Höhn: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Krumpe. Jetzt hat das Wort Frau Abgeordnete Henfling, Bündnis 90/Die Grünen. Abgeordnete Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es steht natürlich außer Frage, die AfD-Fraktion hat es nicht verstanden, Herr Krumpe hat es gerade noch mal kurz erklärt, dass ohne Breitbandausbau auch kein Freifunk stattfindet. Das stellt hier auch keiner infrage, so schlau sind wir dann schon, dass wir das begriffen haben. Es ist auch nicht gegenein- 2440 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 (Abg. Henfling) ander zu stellen. Wir sagen nicht, wir ziehen jetzt Geld beim Breitbandausbau ab und stecken das in den Freifunk, sondern das sind sozusagen parallel laufende Initiativen, über die wir da sprechen. Was mich an dieser Argumentation stört, ist diese reine wirtschaftliche Orientierung. Freifunk hat nichts mit Wirtschaftsförderung zu tun, (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hat auch nichts damit zu tun, dass wir wollen, dass Unternehmen sich ansiedeln, weil wir hier Freifunk haben. Das sind zwei Sachen, die so nicht zusammengehören. Freifunk folgt einem Prinzip des Bürgernetzes. Das heißt also, Menschen haben ohne Barrieren und ohne großartige Einschränkungen und ohne Zensur Zugang zu einem Netz. Dass es natürlich schön wäre, wenn das entsprechend schnell ist, das ist, glaube ich, auch klar. Um noch mal so zwei Sachen zu präzisieren, Herr Voigt. Das meinte ich vorhin in meinem Zwischenruf mit der Aussage, das, was von Bundesebene kommt, ist dann doch eher dünn und unbefriedigend, weil nämlich die Rechtsunsicherheit, die wir jetzt im Telemediengesetz haben, eben in dem jetzigen Entwurf nicht klargestellt wirs, sondern die Rechtsunsicherheit bleibt weiterhin insbesondere mit der Aussage, es müssen angemessene Sicherungsmaßnahmen getroffen werden. Was zum Teufel sind angemessene Sicherungsmaßnahmen? Da ziehen wir uns wieder zurück auf das, was wir jetzt schon haben, nämlich dass wieder richterlich entschieden werden muss, was an welcher Stelle eine angemessene Sicherungsmaßnahme ist. Wenn man möchte, dass tatsächlich die Hürde abgeschafft wird, die wir hier haben, nämlich die Störerhaftung, muss man den § 8 Abs. 4 Satz 2 aus meiner Sicht komplett streichen. Dann können wir tatsächlich über eine Sicherheit für die Menschen reden, die das zur Verfügung stellen wollen. Die Bundesregierung erhebt den Anspruch zu sagen, wir wollen öffentliches WLAN fördern. Nur wenn sie das so drinstehen lässt, dann begeht sie einfach den Fehler, die größte Hürde drinzulassen, nämlich dass Leute unsicher sind, darf ich das jetzt, werde ich dafür belangt oder werde ich dafür nicht belangt. Dem wird es nicht gerecht. Es wird erst durch die Anträge, die von uns kommen, tatsächlich auch geradegezogen. Das kann man der Bundesregierung an dieser Stelle schon deutlich vorwerfen. Zu dem ganzen Zeug, was hier gesagt wurde zum Thema „Urheberrechtsverletzung“ und alles ganz böse, was die da in diesem Internet machen: Also erst mal ist die Bedeutung von Filesharing bei Urheberrechtsverletzung marginal. Das spielt eigentlich keine Rolle mehr. Das größte Problem sind momentan eigentlich Urheberrechtsverletzungen durch Streaming. Ausgerechnet Streaming ist nun etwas, was man bei Freifunk und auch bei öffentlich zu- gänglichem WLAN wahrscheinlich eher nicht macht. Wir hatten auch ein eingeschränktes Breitband bei diesen Freifunk- und WLAN-Angeboten, einfach weil Leute einen Teil ihres eigenen Breitbands zur Verfügung stellen. Es gibt auch mittlerweile wirklich Studien und genug Beweise dafür, dass durch das Öffnen von WLAN und Freifunk die Urheberrechtsverletzungen und die Straftaten nicht zugenommen haben. Das können Sie einfach mal so zur Kenntnis nehmen. Dieser Mythos, von wegen wir würden hier der Internetkriminalität durch Freifunk Tür und Tor öffnen, das ist wirklich ganz großer Blödsinn. Nichts anderes habe ich allerdings von der AfD erwartet. Sie haben wirklich in Ihrem Antrag den Kern weggelassen. Wenn man sich hinstellt und den Antrag nimmt, ein bisschen drin rumfuchtelt, ein bisschen was von „ländlicher Raum“ reinschreibt, aber dann den Kern des Antrags, nämlich die Störerhaftung, vergisst, dann zeigt das deutlich – das hat auch der Redebeitrag gezeigt –, dass Sie eben nicht verstanden haben, worum es hier geht. Lassen Sie mich noch zwei Sätze zu der Wichtigkeit von Freifunk und vor allen Dingen von dezentralen, vermaschten Netzen sagen. Diese vermaschten Netze haben nämlich einen Vorteil: Sie können nicht so schnell ausfallen wie beispielsweise zentrale Netze. Das bietet eine gewisse Widerstandsfähigkeit dieser Netze. Gerade so ein Freifunknetz ist dafür sehr gut geeignet. Zum Beispiel nach dem Hurrikan Sandy, der in Brooklyn wütete, danach lag wirklich alles brach, da funktionierte nichts mehr, aber die Leute konnten vorhandene Netze nutzen, funktionsfähige vermaschte Netze nutzen. Wir hatten es heute schon vom digitalen Funk. Vielleicht sollte man auch mal im Naturkatastrophenbereich darüber nachdenken. Vielleicht können dann auch solche vermaschten Netze, wie der Freifunk sie nutzt, dort besser eingesetzt werden. (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin sehr froh darüber, dass unsere Landesregierung hier progressiv nach vorn geht, die sinnlose und absolut hemmende Störerhaftung hier tatsächlich auch abschaffen möchte. Wir sind eines der wenigen Länder, die das überhaupt hat. Ich halte das für ein ganz großes Hemmnis, was die Gleichberechtigung in der digitalen Gesellschaft und den Zugang zum Internet für alle angeht, und hoffe, dass das morgen im Bundesrat die Mehrheit auch so sieht. Vielen Dank. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete. Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten sehe ich Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 2441 (Vizepräsident Höhn) momentan nicht. Für die Landesregierung Herr Staatssekretär Maier. Maier, Staatssekretär: Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, ich weiche jetzt ganz bewusst von meinem Redetext ab, den ich vorbereitet bekommen habe, weil die meisten Dinge hier schon gesagt wurden. Ich möchte den Bogen noch ein bisschen weiter spannen. Ich möchte drei Dinge sagen oder drei Punkte erwähnen, die aus meiner Sicht ganz entscheidend sind, wenn wir den Sprung ins digitale Zeitalter schaffen wollen. Der erste Punkt ist natürlich tatsächlich Infrastruktur. Das sind genau die beiden Dinge, über die wir heute reden. Das ist das Thema „Breitband“ und das ist das Thema „Störerhaftung“, was zu dem Themenkomplex gehört. Für mich ist die Störerhaftung das Ausschlaggebende, um freies WLAN zu erreichen. Es ist hier schon mehrfach erwähnt worden, in anderen Ländern funktioniert das ohne rechtliche Probleme. Deswegen sollte es hier auch gehen. Es gibt zwei Möglichkeiten, für Infrastruktur zu sorgen. Von oben und von unten. Ich begreife Freifunk als eine Initiative, die von unten kommt, ein bürgerschaftliches Engagement, das auf Freiwilligkeit beruht und für eine Infrastruktur in der Breite sorgt. Deswegen wollen wir das auch gezielt unterstützen. Zweitens, natürlich, der Breitbandausbau, und hier spreche ich ganz eindeutig von Glasfaser, das ist eine staatliche Aufgabe, und das ist die Infrastruktur von oben, wenn man es mal so formulieren darf. Das sind beides Dinge, die sich nicht widersprechen, sondern die wunderbar zusammenpassen. Aber ganz klar ist, und das hat der Kollege Dr. Voigt angesprochen, das wird teuer. Das wird sehr teuer, wenn wir überall in alle Bereiche das Glasfaserkabel legen wollen. Das wird auch Zeit beanspruchen, nicht nur Geld. Aber lassen Sie mich noch einen anderen Punkt ansprechen. Wir brauchen, wenn wir, wie gesagt, den Sprung ins digitale Zeitalter schaffen wollen, Standards, Kommunikationsstandards, weil die beste Breitbandinfrastruktur uns nichts nützt, wenn wir zum Beispiel in der Wirtschaft, und ich spreche hier mal von Industrie 4.0, wenn sich die einzelnen digitalen Systeme in der Wertschöpfungskette nicht untereinander verstehen. Das ist auch eine staatliche Aufgabe, dass wir dafür sorgen, dass wir im digitalen Zeitalter Kommunikationsstandards haben, die weit verbreitet sind. Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist Datensicherheit. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Netze, die dann verfügbar sind, hoffentlich bald auch sicher sind. Weil, nur dann wird das auch für Akzeptanz sorgen in der Wirtschaft, aber auch in der Gesellschaft. Wenn wir heute schon feststellen müssen, dass pro Tag deutsche Unternehmen Cyberkriminalität feststellen müssen, über 100.000 Angriffe pro Tag, dann müssen wir feststel- len, dass dieses Ziel noch lange nicht erreicht ist. Deswegen der dritte Punkt: Cyberkriminalität. Das waren aus meiner Sicht die Rahmenbedingungen, die wir noch setzen müssen, auch aus wirtschaftspolitischer und gesellschaftspolitischer Sicht. Ich denke, dass wir morgen im Bundesrat einen wichtigen Akzent setzen können. Das Land Thüringen hat eine Stimme und die wird morgen deutlich mit einem wichtigen Punkt, jetzt die Störerhaftung. Mal sehen, was morgen passiert. Hoffentlich haben wir Erfolg. Danke schön. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Höhn: Redemeldungen sehe ich jetzt nicht mehr. Damit schließe ich zunächst erst mal die Aussprache. Ich habe vom Abgeordneten Dr. Voigt einen Antrag auf Ausschussüberweisung vernommen. Ist das richtig? Es bleibt auch so. Das wäre jetzt zum Antrag der Fraktionen Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/1217. Darüber lasse ich zunächst abstimmen, über den Antrag auf Ausschussüberweisung. Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die CDU-Fraktion, der Abgeordnete Krumpe. Die Gegenstimmen, bitte. Das sind die Gegenstimmen aus den Fraktionen Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und AfD und des Abgeordneten Helmerich. Die Enthaltungen bitte. 1 Enthaltung vom Abgeordneten Gentele. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt. Dann kommen wir direkt zur Abstimmung über den Antrag in der Drucksache 6/1217. Wer dem seine Zustimmung erteilt, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die Zustimmung der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, SPD, CDU, der Abgeordneten Gentele, Helmerich und Krumpe. Die Gegenstimmen bitte. Die Gegenstimmen kommen aus den Reihen der AfD-Fraktion. Damit ist der Antrag angenommen. (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Damit hat sich auch die Abstimmung über den Alternativantrag der AfD erledigt. Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf – keinen mehr. (Heiterkeit im Hause) Ich schließe die Sitzung für heute und wir sehen uns pünktlich morgen um 9.00 Uhr hier in diesem Saal. Einen schönen Abend noch. Ende: 19.22 Uhr 2442 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 Anlage Namentliche Abstimmung in der 31. Sitzung am 05.11.2015 zum Tagesordnungspunkt 7 Digitalfunk im Bereich nicht polizeilicher Gefahrenabwehr auf den Weg bringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/507 hier zu: Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/1256 1. Adams, Dirk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 2. Becker, Dagmar (SPD) 3. Berninger, Sabine (DIE LINKE) 4. Blechschmidt, André (DIE LINKE) 5. Brandner, Stephan (AfD) 6. Bühl, Andreas (CDU) 7. Carius, Christian (CDU) 8. Dittes, Steffen (DIE LINKE) 9. Emde, Volker (CDU) 10. Engel, Kati (DIE LINKE) 11. Fiedler, Wolfgang (CDU) 12. Floßmann, Kristin (CDU) 13. Geibert, Jörg (CDU) 14. Gentele, Siegfried (fraktionslos) 15. Grob, Manfred (CDU) 16. Gruhner, Stefan (CDU) 17. Hande, Ronald (DIE LINKE) 18. Harzer, Steffen (DIE LINKE) 19. Hausold, Dieter (DIE LINKE) 20. Helmerich, Oskar (fraktionslos) 21. Henfling, Madeleine (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 22. Henke, Jörg (AfD) 23. Hennig-Wellsow, Susanne (DIE LINKE) 24. Herold, Corinna (AfD) 25. Herrgott, Christian (CDU) 26. Hey, Matthias (SPD) 27. Heym, Michael (CDU) 28. Höcke, Björn (AfD) 29. Höhn, Uwe (SPD) 30. Holbe, Gudrun (CDU) 31. Holzapfel, Elke (CDU) 32. Huster, Mike (DIE LINKE) 33. Jung, Margit (DIE LINKE) 34. Kalich, Ralf (DIE LINKE) 35. Kellner, Jörg (CDU) 36. Kießling, Olaf (AfD) 37. Kobelt, Roberto (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 38. König, Katharina (DIE LINKE) 39. Korschewsky, Knut (DIE LINKE) 40. Kowalleck, Maik (CDU) 41. Kräuter, Rainer (DIE LINKE) 42. Krumpe, Jens (fraktionslos) 43. Kubitzki, Jörg (DIE LINKE) 44. Kummer, Tilo (DIE LINKE) 45. Kuschel, Frank (DIE LINKE) nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 75. 76. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. Lehmann, Annette (CDU) Lehmann, Diana (SPD) Leukefeld, Ina (DIE LINKE) Lieberknecht, Christine (CDU) Liebetrau, Christina (CDU) Lukasch, Ute (DIE LINKE) Lukin, Dr. Gudrun (DIE LINKE) Malsch, Marcus (CDU) Martin-Gehl, Dr. Iris (DIE LINKE) Marx, Dorothea (SPD) Matschie, Christoph (SPD) Meißner, Beate (CDU) Mitteldorf, Katja (DIE LINKE) Mohring, Mike (CDU) Möller, Stefan (AfD) Mühlbauer, Eleonore (SPD) Muhsal, Wiebke (AfD) Müller, Anja (DIE LINKE) Müller, Olaf (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Pelke, Birgit (SPD) Pfefferlein, Babett (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Pidde, Dr. Werner (SPD) Primas, Egon (CDU) Reinholz, Jürgen (CDU) Rosin, Marion (SPD) Rothe-Beinlich, Astrid (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rudy, Thomas (AfD) Schaft, Christian (DIE LINKE) Scherer, Manfred (CDU) Scheringer-Wright, Dr. Johanna (DIE LINKE) Schulze, Simone (CDU) Skibbe, Diana (DIE LINKE) Stange, Karola (DIE LINKE) Tasch, Christina (CDU) Taubert, Heike (SPD) Thamm, Jörg (CDU) Tischner, Christian (CDU) Voigt, Dr. Mario (CDU) Walk, Raymond (CDU) Walsmann, Marion (CDU) Warnecke, Frank (SPD) Wirkner, Herbert (CDU) Wolf, Torsten (DIE LINKE) Worm, Henry (CDU) Wucherpfennig, Gerold (CDU) nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein nein Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 31. Sitzung - 05.11.2015 91. Zippel, Christoph (CDU) nein 2443
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