Beschleunigte globale Biodiversitätsforschung an Spinnen – ein Musterbeispiel für globale Biodiversitätsforschung Forschungsinitiative vorgelegt im Auftrag der Association for the Promotion of Spider Research und des Virtual Institute of Spider Taxonomic Research von Wolfgang Nentwig und Partnern 1 Diese Broschüre ist die deutsche Übersetzung einer gleichzeitig erschienen englischen Broschüre (Original). Die hier in deutscher Übersetzung erwähnten Strukturen lauten im englischen Original: • Förderverein für Spinnenforschung: Association for the Promotion of Spider Research • Virtuelles Institut für taxonomische Spinnenforschung: Virtual Institute of Spider Taxonomic Research • Weltspinnenkatalog: World Spider Catalog Kontakt Prof. Dr. Wolfgang Nentwig Institut für Ökologie und Evolution, Universität Bern, Baltzerstrasse 6 CH 3012 Bern, Schweiz [email protected] Tel. ++41 31 631 45 20 Inhalt Zusammenfassung 4 Einleitung Was ist Biodiversität? Biodiversität ist weltweit bedroht Wie viele Arten gibt es? Das Problem ist vielschichtig Die Initiative Eine Initiative zur beschleunigten Biodiversitätsforschung Warum Spinnen? Spinnengifte für Pharmazeutika und Bioinsektizide Spinnenseide für die Materialforschung Spinnen zur Bioindikation und biologischen Schädlingskontrolle Spinnen als wichtige Gruppe für Biodiversitätsforschung und Naturschutz Vorgabe 1: Alle beschriebenen Arten sind im Weltspinnenkatalog aufgelistet Vorgabe 2: Verfügbarkeit der taxonomischen Literatur Vorgabe 3: Internet-gestützter Bestimmungsschlüssel: Spinnen der Welt Was wir erreichen wollen Projektstruktur Das Virtuelle Institut für taxonomische Spinnenforschung Gründungspartner des Virtuellen Instituts für taxonomische Spinnenforschung Der Förderverein für Spinnenforschung Stipendien zur Förderung taxonomischer Spinnenforschung Eine Initiative löst viele Probleme Naturschutz und Biodiversitäts-Hotspots Verwaltung Ergebnisse Sponsoren und Unterstützungsmöglichkeiten Zeitrahmen 5 5 6 7 8 9 9 10 11 12 13 14 14 15 16 17 17 18 19 20 20 21 22 23 23 24 24 Literatur 25 Zusammenfassung Einleitung Tier- und Pflanzenarten und ihr Lebensraum benötigen weltweit mehr Schutz. Diese Forschungsinitiative enthält einen innovativen und dringend benötigten Vorschlag, um Erforschung und Schutz der Biodiversität weltweit zu beschleunigen. Lebensraumschutz hängt mit Artenschutz zusammen und unser Wissen zur Anzahl und Verbreitung von Arten liefert bereits die nötigen Informationen für prioritäre Entscheidungen. Ein erster Schritt zum Schutz der Biodiversität umfasst daher taxonomische Forschung, um die Arten selbst zu dokumentieren. Damit können Hotspots des Artenreichtums definiert werden, um ausgewählte Gebiete zu schützen. Wir konzentrieren uns auf Spinnen, die artenreichste, terrestrische Wirbellosengruppe nach Insekten. Diese Beschränkung ist sinnvoll und wichtig, da Spinnentaxonomie weltweit eine einzigartige Konstellation aufweist: eine grosse und exzellente wissenschaftliche Gemeinschaft, eine normative Datenbank mit allen nomenklatorischen Informationen und eine online Sammlung der gesamten taxonomischen Literatur seit Beginn der Taxonomie in 1757. Das Herzstück unserer Initiative beinhaltet gezielte Forschungsprojekte der weltbesten naturhistorischen Museen und Forschungsinstitutionen mit ihren Experten in Spinnentaxonomie. Diese Projekte werden vom Virtuellen Institut für taxonomische Spinnenforschung unterstützt, das im Juni 2016 von 34 Gründungspartnern gegründet wurde, und für das ein Budget von 30 Millionen Schweizer Franken (Euro, US$) benötigt wird. Das Ziel dieser Initiative ist, die derzeitige Artenbeschreibungsrate um das Doppelte bis Dreifache zu steigern und so die Lücke zwischen vorhandener und bekannter Artenzahl in vier Jahrzehnten zu schliessen. Die Projekte umfassen die Ausbildung junger Wissenschaftler, vor allem in Entwicklungsländern, sie unterstützen lokale Naturschutzaktivitäten und schützen neu entdeckte und kleinräumige Hotspots der Biodiversität. Durch die Förderung von Ausbildung und Karrierechancen junger Wissenschaftler sichern diese Projekte die Zukunft der taxonomischen Forschung weltweit. Die erfolgreiche Implementierung eines beschleunigten Prozesses dient zudem als Musterbeispiel für die gesamte Biodiversität. Was ist Biodiversität? Schlüsselbegriffe Globale Biodiversität, Artenreichtum, taxonomisches Hemmnis, beschleunigte Taxonomie, Beschreibung neuer Arten, Spinnen als Modelgruppe, kleinräumige Biodiversitäts-Hotspots, Lebensraumschutz, Exzellenzprogramm, naturhistorische Museen, Forschungsinstitutionen, Virtual Institute of Spider Taxonomic Research, Karriere junger Wissenschaftler, Entwicklungsländer 4 Der Artenreichtum der Welt, auch Biodiversität genannt, ist die Basis für die menschliche Existenz auf unserem Planeten. Biodiversität umfasst neben Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen auch ihre genetische Variabilität sowie ihre Ökosysteme (1). Jedes der Ökosysteme besteht aus tausenden Arten. Das komplexe Artengefüge innerhalb eines Ökosystems ermöglicht zahlreiche Ökosystemfunktionen und Dienstleistungen, etwa die Produktion von Biomasse, ihr Abbau, die Reinigung von Atmosphäre und Wasser, auch Schädlingskontrolle, Bestäubung und viele mehr (2). Für Menschen haben nur wenige Arten einen direkten Nutzen (als Nutzpflanzen, Nutztiere und Heimtiere) oder eine indirekt positive (kulturell oder ästhetisch) oder negative Bedeutung (Schädling oder Krankheitsüberträger). Weltweit garantiert die Bestäubungsleistung von hunderten Insekten die pflanzlichen Nahrungsmittel, die wir benötigen (3). Tausende Arten nützlicher Spinnen und Insekten fressen Pflanzenschädlinge und reduzieren ihren schädlichen Einfluss (4, 5). Viele Pflanzen- und Pilzarten stellen chemische Verbindungen her, die für medizinische Zwecke verwendet werden. Schlangen oder Spinnen produzieren Toxine, die eine wichtige Grundlage für Pharmazeutika sind. Für viele Arten ist nicht bekannt, wie wichtig sie für das Funktionieren ihres Ökosystems sind und Ökologen glauben, dass nur ein Teil für den Betrieb eines Ökosystems erforderlich ist. Alle anderen Arten sind jedoch nicht überflüssig, sondern wichtig für Gemeinschaftsaufgaben, als zusätzliche Arten, als Ersatzarten oder als wichtiges Versicherungskapital, falls Arten verloren gehen (6). Wir wissen, dass die Sicherheit unserer Computerwelt durch drei- und mehrfache technische Redundanz gewährleistet ist; die Natur hat das schon immer so gemacht, arbeitet aber mit einem höheren Sicherheitsstandard. Dreiviertel der bekannten 2.07 Millionen Arten sind Tiere, der Rest besteht aus Pflanzen, Pilzen und einzelligen Organismen wie Protozoen und Bakterien (7). Innerhalb der Tiere wurde die kleine Gruppe der Wirbeltiere (Säugetiere, Vögel, Fische, Reptilien und Amphibien) intensiver erforscht, während die meisten anderen Tiere weniger bekannt sind. In aquatischen Ökosystemen stellen Krebstiere und Weichtiere den grössten Anteil der Biodiversität dar, während in terrestrischen Ökosystemen Insekten und Spinnen die wichtigsten und häufigsten Organismen sind. Biodiversität ist weltweit bedroht Wie viele Arten gibt es? Während der Entwicklung des Lebens erhöhte sich, über mehr als 1000 Millionen Jahre, die Zahl der Arten kontinuierlich. Dieser Prozess wurde jedoch durch mehrere Massenaussterbe-Ereignisse unterbrochen. Zwei sind besonders gut bekannt, weil die jeweils imponierendsten Arten ausstarben: am Ende des Perm verschwanden vor rund 250 Millionen Jahren alle Trilobiten mit über 70% aller anderen marinen Gruppen, und am Übergang von Kreide zu Tertiär starben vor 66 Millionen Jahren alle Dinosaurier und Ammoniten aus. Trotzdem haben sich die Lebensräume der Welt immer erholt und die frühere Artenfülle übertroffen (8). Für den derzeitigen durch Menschen verursachten Artenverlust könnte die Geschichte aber anders verlaufen, weil er viel schneller als früher abläuft, um eine Erholung in absehbarer Zukunft zu ermöglichen (9, 10). Derzeit sind rund 2,07 Millionen Arten bekannt und formal beschrieben (7), es gibt jedoch bedeutend mehr Arten, die noch nicht entdeckt und beschrieben sind. Von den unterschiedlichen Schätzungen über die tatsächliche Artenzahl bewegen sich die realistischsten im Bereich von 10 Millionen Arten weltweit (15). Dies bedeutet, dass wir heute erst etwa 20 % der tatsächlich existierenden Arten kennen. Die immer noch wachsende menschliche Bevölkerung benötigt immer mehr Raum zur Produktion von Nahrung und für grössere Städte mit der erforderlichen Infrastruktur. Natürliche Ökosysteme wie tropische Regenwälder, Savannen und Feuchtgebiete werden für menschliche Bedürfnisse umgewandelt. Solche anthropogenen Lebensräume sind aber einfacher strukturiert und haben eine niedrigere Artenzahl als natürliche Lebensräume. Zudem sind anthropogene Lebensräume wie Agrarflächen, Wiesen, Forste, Industriezonen und Megacities untereinander ähnlicher als natürliche Lebensräume, so dass die globale Homogenität zunimmt. Das derzeitige Wachstum der menschlichen Bevölkerung wird daher von einem zunehmenden Verlust an Biodiversität bei steigender globaler Homogenisierung begleitet (11, 12, 13). Umfang und Geschwindigkeit des heutigen Artenverlusts werden unter Fachleuten noch diskutiert, wir erleben derzeit jedoch den stärksten und schnellsten Artenverlust, den es je gab (10, 11). Entwicklung der weltweiten Biodiversität während 600 Millionen Jahre mit zwei natürlichen Aussterbe-Ereignissen und dem derzeitigen anthropogenen Artensterben von noch unbekanntem Ausmass (8, 14). 6 Dank der Arbeit von Taxonomen erhöht sich die Zahl der bekannten Arten um etwa 18.000 Arten jährlich (16). Gleichzeitig sterben jedoch viele der bekannten und nicht bekannten Arten durch menschliche Aktivitäten aus. Die derzeitige anthropogene Aussterberate ist nach Schätzungen bis zu 1000-mal höher als die natürliche Hintergrund-Aussterberate (17). Es ist unklar, wie gross der jährliche Artenverlust ist, er dürfte jedoch im Bereich der jährlich neu beschriebenen Arten liegen oder noch höher sein (18). Die Kombination beider Kurven weist eindeutig auf den weltweit beobachteten Artenschwund hin, der möglicherweise die Hälfte der globalen Biodiversität innerhalb von einem Jahrhundert betreffen könnte. Durch Menschen geprägte Landschaften: Städte, Agrarlandschaften, Wälder 7 Die hier vorgeschlagene Initiative bietet Lösungen für diese Probleme, siehe Seite 21 Das Problem ist vielschichtig • In den letzten Jahrzehnten führte das nachlassende Interesse von Regierungen und Förderorganisationen, taxonomische Forschung zu unterstützen, zu immer weniger und älteren Taxonomen, was als „taxonomisches Hemmnis“ bezeichnet wurde. Sogar Museen reduzieren die Zahl der angestellten Taxonomen und kürzen Forschungsbudgets (19, 20), was natürlich zu einem weiteren Rückgang bei jungen Taxonomen führt (21). • Selbst mit moderner Datenverarbeitung ist es nicht möglich, ein zuverlässiges Bild der globalen Artenzahl und ihrer zukünftigen Entwicklung zu erhalten, da die Grössenordnung von vielen Millionen einzubeziehenden Arten zu Aussagen mit zu grosser Unsicherheit führt. • Taxonomen sind die Spezialisten unter den Biologen, die Arten abgrenzen, benennen, beschreiben und klassifizieren. Taxonomen sind auch verantwortlich für die Erstellung von Möglichkeiten, die es auch Nichtfachleuten erlauben, diese Arten zu bestimmen (z. B. durch Revisionen, Bestimmungsschlüssel, oder DNA Barcode Datenbanken). Professionelle Taxonomen sind normalerweise bei Naturhistorischen Museen oder Forschungsinstitutionen angestellt oder mit ihnen assoziiert. Leider erhöhte sich weltweit die Zahl der Taxonomen in den letzten Jahrzehnten nicht in dem Umfang, den die Aufgabe erforderte, nämlich jede einzelne Art, bevor sie ausgerottet wird, mindestens zu beschreiben. • Dieser Knappheit an Taxonomen steht auch in starkem Kontrast zur grossen Fülle von gesammeltem Material, das in Museen auf seine wissenschaftliche Aufarbeitung wartet… • … auch wenn vieles unsystematisch gesammelt wurde und oft in schlechtem Zustand ist, ungeeignet für molekulare Analysen. Zudem sind viele Gegenden und taxonomische Gruppen nie genügend besammelt worden, so dass gezielte Sammelexpeditionen dringend nötig sind. Viele seltene Lebensräume verschwinden und das gibt ein weiteres Rennen gegen die Zeit. • Die wissenschaftliche Beschreibung von Arten gemäss der biologischen Nomenklatur begann mit den schwedischen Wissenschaftlern Carl Alexander Clerck (1757) und Carolus Linnaeus (1758), die mit der Einführung des binominalen Benennungssystems von Arten und deren Beschreibung in gedruckten Zeitschriften und Büchern eine wissenschaftliche Revolution auslösten. Solche Artbeschreibungen haben heute einen hohen Qualitätsstandard, ältere Beschreibungen sind jedoch von geringer Qualität und schwer zugänglich, da sie nur in wenigen Exemplaren vorliegen. Diese fehlende Zugänglichkeit ist am problematischsten ausserhalb der etablierten Forschungsinstitutionen und in Entwicklungsländern. • Die formale Namensgebung und Beschreibung von Arten ermöglicht eine Verbindung zum biologischen, geografischen, ökologischen und angewandten Wissen zu dieser Art. Daher listete die Systematics Agenda 2000 als Mission 1 “entdecken und dokumentieren des vergangenen und derzeitigen Lebens auf der Erde” als erste und wichtigste Aufgabe. Dies wurde mit der Systematics Agenda 2020 fortgeschrieben, aber wegen eines allgemeinen Mangels an Ressourcen war der Fortschritt bei Mission 1 weniger als erwartet (22, 23). • Artenschutz erfordert die Bestimmung und Namensgebung von Arten, da man nur schützen kann, was man kennt. Wegen des schlechten taxonomischen Wissensstandes werden hochdiverse Gruppen, die über eine hohe Artenzahl wie Insekten und Spinnen verfügen und mehr als die Hälfte der bekannten Arten ausmachen, oft bei Schutzkonzepten vernachlässigt. Viele Schutzgebiete sind daher nicht genügend breit begründet, was allerdings für die Auswahl von Schutzprioritäten unerlässlich ist. 8 Die Initiative Eine Initiative zur beschleunigten Biodiversitätsforschung Um die Beschreibung und Dokumentation einer riesigen Fülle unbekannter Arten bei gleichzeitigem Aussterben einzelner Arten zu bewältigen, geht man am besten schrittweise vor. Die anfängliche Konzentration auf eine gut zu bearbeitende Gruppe dient dann gleichzeitig als Test für das gewählte Vorgehen bzw. für weitere Gruppen. Solch eine Testgruppe muss eine grosse und wichtige Tiergruppe sein, weltweit verbreitet, ökologisch und/oder ökonomisch wichtig und gesellschaftlich relevant. Ihr Umfang sollte mittelgross aber nicht zu riesig sein, und wir glauben, dass dies bei 2-3 % der bekannten Artenfülle gegeben ist, da dann zu 50.000 bekannten noch etwa 70.000 unbeschriebene Arten erwartet werden können. Ferner muss eine grosse internationale Gemeinschaft von Experten und eine gute Dokumentation der bestehenden Arten samt Literatur verfügbar sein. Serien von gezielten und stark strukturierten Projekten von jeweils 2-3 Jahren sollen dann die Rate der neu beschriebenen Arten und somit die Gesamtzahl der bekannten Arten in kurzer Zeit deutlich erhöhen. Pionierprojekte wie das Goblin Spider Planetary Biodiversity Inventory (24, 25) zeigten bereits überzeugend, dass gut finanzierte und gezielte Projekte die Artenzahl in einer kleinen und wenig bekannten Familie in wenigen Jahren verdreifachen kann. Da Informationen zur Artenfülle und zur Verbreitung der einzelnen Arten zu ihrem Schutz wichtig sind, wird unsere taxonomische Initiative auch den Naturschutz fördern. Wir gehen davon aus, dass wir den Erfolg unseres Vorhabens bereits nach einer ersten Dekade überzeugend aufzeigen können. Solch beschleunigte taxonomische Forschung wird daher als Beispiel für andere Artengruppen empfohlen werden können. Aus vielen Gründen, die wir im Folgenden detailliert beschreiben, haben wir Spinnen als geeignetste Tiergruppe für beschleunigte Biodiversitätsforschung ausgewählt. Sie stellen die grösste Gruppe dar, für die alle taxonomischen Informationen verfügbar sind. Ein vergleichbares Projekt mit Insekten durchzuführe, die die Hälfte aller bekannten Arten darstellen, wäre hingegen nicht möglich, da die entsprechenden taxonomischen Informationen und die zugehörige Literatur viel weniger gut zugänglich sind. 9 Spinnengift für Pharmazeutika und Bioinsektizide Warum Spinnen? Spinnen sind artenreich, häufig, wichtig, schön und gesellschaftlich relevant Mitte 2016 waren weltweit rund 46.000 Spinnenarten bekannt, das entspricht 2.2 % der Artenfülle unseres Planeten. Aktuelle Schätzungen von Experten gehen davon aus, dass die Artenzahl von Spinnen bis zu 120.000 betragen könnte (24, 26). Spinnen sind in allen Landökosystemen der Welt häufig und sie kommen in Dichten von 10 bis über 100 Individuen pro Quadratmeter vor, sind also wichtige Schlüsselkomponenten von Ökosystemen (27). Als dominante Räuber von Insekten stellen sie zudem ein zentrales regulatorisches Element bei der natürlichen Kontrolle in Ökosystemen dar. Im landwirtschaftlichen Kontext gelten Spinnen als Nützlinge, da sie viele Schädlinge kontrollieren. Spinnen leiden zwar unter einem schlechten Ruf, dieser ist aber objektiv nicht gerechtfertigt. Entgegen gängiger Vorurteile sind Spinnen nicht nur braun oder schwarz, langbeinig und haarig, sondern können sehr vielgestaltig in der Erscheinung und auch so hübsch bunt wie manche Insekten sein. Die vielen Haare am Körper einer Spinne sind kein “Fell“, sondern hochkomplexe spezialisierte Sinneshaare, mit denen die Tiere ihre Beuteinsekten und Feinde durch Luftschall, Substratvibration und den Geruch wahrnehmen können (28). Spinnen hören, fühlen und riechen also mit Haaren. Das Gift einer Spinnenart kann hunderte von Komponenten enthalten. Hochgerechnet auf alle bekannten Spinnenarten entspricht das mehreren Millionen Substanzen. Meist handelt es sich um Peptide, die mit Zellmembranen und Ionenkanälen reagieren, vor allem an Nervenzellen und Muskelgewebe. Moderne Sequenziertechniken erlauben zu annehmbaren Kosten die Identifizierung solcher Peptide und ihre Modifikation, um neue Substanzen in biologischen Testsystemen zu prüfen. Solche bioaktiven Verbindungen sind sehr interessant, um die Aktivität von Ionenkanälen zu kontrollieren. Diese kommen überall im menschlichen Körper vor und regulieren viele physiologischen Prozesse, auch Zellsekretion oder Schmerzübertragung. Einige Giftkomponenten können über verschiedene Stoffwechselwege Krebszellen schädigen (31). Viele pharmazeutische Firmen sind an Forschungsprojekten beteiligt, um den Einfluss bestimmter Substanzen aus Spinnengift auf degenerative Erkrankungen des Muskel- und Nervensystems zu untersuchen (32). Inzwischen sind erste Substanzen verfügbar, um in klinischen Studien am Menschen getestet zu werden, das zukünftige Interesse an Spinnengift wird daher sicherlich weiter zunehmen (33, 34). Diese Vielzahl toxischer Substanzen, von denen einige vermutlich selektiv gegenüber bestimmten Insektengruppen sind, machen sie zu interessanten Ausgangssubstanzen für neue Insektizide (35). Dieses wachsende Interesse an Spinnengiften zeigt sich auch in der Zahl von Patentanmeldungen zu Giftkomponenten (derzeit 3 – 6 pro Jahr) und in der Anzahl von wissenschaftlichen Publikationen zu Spinnengift, die in den letzten 20 Jahren doppelt so gross war wie in den 100 Jahren zuvor. Ursprünglich konzentrierte sich die pharmazeutische Forschung auf grosse und leicht erhältliche Spinnenarten. Die wachsenden Möglichkeiten von Transkriptomanalyse, genomischer Forschung und der Bearbeitung grosser Datenmengen erhöhen jedoch die Nachfrage nach weiteren Arten. Verstärkte taxonomische Forschung kann genügend neue Arten verfügbar machen, auch in bestimmten Gruppen oder Spezialisierungsrichtungen. Fast alle Spinnenarten verfügen über ein Paar Giftdrüsen, um Insekten zu töten, ihre häufigste Beute. Menschen gehören nicht zum Beutespektrum von Spinnen und das Gift der meisten Arten ist weder qualitativ noch quantitativ geeignet, Menschen zu schädigen. Weltweit sind nur wenige Dutzend Spinnenarten medizinisch für den Menschen relevant. Dies führt weltweit jährlich zu 1 bis 10 Todesfällen, meist durch anaphylaktischen Schock (29, 30). Zum Vergleich: Die gefährlichsten Arthropoden sind Skorpione (weltweit mehr als 6000 Todesfälle jährlich) und Bienen und Wespen (über 1200 Fälle). Die steigende Zahl von Publikationen über Spinnengift unterstreicht die Bedeutung dieses Forschungsgebietes. Solche Verbindungen aus Spinnengift könnten wichtige Medikamente werden 10 Taxonomie ist wichtig 11 Spinnen zur Bioindikation und biologischen Schädlingskontrolle High-tech Lösungen wie der Viaduc de Millau in Frankreich mit Biopolymeren aus Spinnenseide? Spinnenseide für die Materialforschung Spinnenseide ist ein Biopolymer auf Proteinbasis, das mit seiner einzigartigen Kombination von geringem Gewicht, Festigkeit und Elastizität überaus attraktiv für technische Anwendungen ist. Spinnenseide ist rekombinant verfügbar und kann mit anderen Materialien zu chimären Proteinen kombiniert werden. Spinnenseide absorbiert grosse Mengen kinetischer Energie und wird als ideales Material für Körperpanzer und Schutzkleidung (schusssichere Westen) gesehen. Weitere Anwendungen umfassen Sicherheitsgurte, Fallschirme, Seile, Netz oder den Einsatz in Verbundmaterialien. Spinnenseide ist biokompatibel und äusserst geeignet für biomedizinische Anwendungen. Mögliche Produkte umfassen Kapseln für pharmazeutische Anwendungen (36), synthetische Gewebe und Implantate, sowie Bereiche der regenerativen Medizin (37). Seit über 20 Jahren haben biotechnologische Unternehmen in die Erforschung von Spinnenseide investiert. Dieses grosse Interesse zeigt sich auch in der Zahl wissenschaftlicher Publikationen zu Spinnenseide, die in den letzten 10 Jahren dreimal grösser war als in den 100 Jahren zuvor. Forschung an Spinnenseide hat sich bisher auf die Seide der tropischen Radnetzspinne Nephila konzentriert, da produktionstechnische Probleme im Vordergrund standen. Mittlerweile gibt es jedoch ein steigendes Interesse an Seide mit verschiedenen Eigenschaften von verschiedenen Spinnenarten, so dass auch in diesem Bereich taxonomische Forschung immer wichtiger wird. In allen Landlebensräumen stellen Spinnen als artenreiche und häufige Prädatoren die höchste trophische Ebene des Ökosystems dar. Solche Artengruppen werden durch Landnutzungsänderungen und die damit verbundene Bewirtschaftung stark beeinflusst, so dass sie hervorragende Indikatoren solcher Veränderungen sind (38). Spinnen werden daher regelmässig zur Analyse solcher Ereignisse oder zum Monitoring langfristiger Umweltveränderungen verwendet. Insbesondere haben sich Spinnen als gute Bioindikatoren erwiesen für • Entwaldung und Aufforstung (39, 40) • Einfluss der Beweidung auf Graslandökosysteme (41, 42) • verschiedene landwirtschaftliche Praktiken wie Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und Düngung (43) Spinnen sind ideal zur Schädlingskontrolle, weil • sie überwiegend Generalisten sind, die vor allem Insekten fressen, von denen viele landwirtschaftliche Schädlinge sind (44, 45) • sie häufig sind und Dichten von einer Millionen pro Hektar erreichen können (46) • sie dichteunabhängig Beute kontrollieren und einen unabhängigen Lebenszyklus haben (47) • ihre Wirksamkeit in Agrarökosystemen bewiesen wurde und Landwirte nachweislich davon profitieren (48) Prinzip der trophischen Ebenen eines Ökosystems. Um Bioindikation und Schädlingskontrolle zu quantifizieren und zu verstehen, ist es unumgänglich, die beteiligten Spinnenarten zu kennen. Das ist nur möglich, wenn zuvor alle beteiligten Arten erfasst und bestimmt wurden. Solche Grundlagen liegen für die meisten Gebiete von Europa vor, sind aber für andere Kontinente noch unvollständig. Die zunehmende Anzahl von Publikationen über Spinnenseide zeigt die Bedeutung dieser Forschung an. Ein Umhang aus der gelben Seide der Madegassischen Radnetzspinne Nephila 2009 hergestellt. Ein dreidimensionales Spinnennetz. Moon Parka (2016) von Spiber Inc. und The North Face als erstes serienmässiges Kleidungsstück aus synthetischer Spinnenseide. 12 Springspinnen fressen Zikaden, Fliegen, Heuschrecken und Wanzen 13 Spinnen als wichtige Gruppe für Biodiversitätsforschung und Naturschutz Vorgabe 2: Verfügbarkeit der taxonomischen Literatur Spinnen sind eine häufige und artenreiche Gruppe, die 2.2 % der globalen Biodiversität ausmacht. Mit ihrer Präsenz in allen Landökosystemen der Welt sind sie als Testgruppe für die hier vorgeschlagene Biodiversitätsinitiative überaus attraktiv. Weltweit stellen Spinnen für viele Forschergruppen bevorzugte Modelsysteme dar und das immense Wissen über diese Tiergruppe ist sehr gut aufbereitet und zugänglich. Hier ist auch ein bemerkenswerter Unterschied zu anderen artenreichen Tiergruppen, etwa bei Insekten oder Krebstiere, zu sehen, bei denen ein vergleichbarer Informationsstand, Literaturverfügbarkeit und taxonomische Stabilität nicht gegeben sind, so dass eine ähnlich grosse und koordinierte Initiative zur Biodiversitätsforschung nicht möglich wäre. Hier erklären wir nun, wie Spinnen die Bedingungen erfüllen, die sie so geeignet für die hier vorgeschlagene Initiative machen. Im Unterschied zu anderen wissenschaftlichen Publikationen sind taxonomische Veröffentlichungen “juristische” Dokumente, geregelt durch internationale Codes für Nomenklatur (49). Die derzeit (2016) bekannten 46.000 Spinnenarten sind seit 1757 in 13.300 Publikationen beschrieben worden. Viele Arbeiten waren für die meisten Wissenschaftler schwer zugänglich. Dies war nicht nur in Entwicklungsländern oder ausserhalb moderner Forschungsinstitutionen eine schwerwiegende Behinderung wissenschaftlicher Arbeit, sie betraf auch die besten Institutionen in industrialisierten Ländern, so dass letztlich niemand Zugang zu allen Publikationen hatte. Um dieses ernste Problem zu bewältigen, wurde 2013 die World Spider Catalog Association zur Förderung taxonomischer und systematischer Spinnenforschung gegründet. Sie hat zwei Aufgaben, alle taxonomisch relevante Spinnenarbeiten zu sammeln und diese ihren Mittgliedern in einem Passwort-geschützten Bereich verfügbar zu machen. Die World Spider Catalog Association ist ein Verein nach Schweizer Zivilrecht, ohne kommerzielle Absicht. Innerhalb von zwei Jahren konnten 99 % der taxonomisch relevanten Arbeiten gesammelt werden. Mit den taxonomischen Daten des Weltspinnenkatalogs ermöglicht diese Datensammlung Zugang zu allen taxonomischen Details inklusive Verbreitungsangaben. Dieser digitale Literaturspeicher entspricht mehreren Millionen Druckseiten und wird von über 3000 registrierten Mitgliedern der World Spider Catalog Association genutzt, die täglich über 500 Publikationen einsehen. Dies zeigt die Grössenordnung der dahinter stehenden wissenschaftlichen Gemeinschaft, aber auch die Bedeutung von freiem Zugang zu wissenschaftlicher Literatur (50). Vorgabe 1: Alle beschriebenen Arten sind im Weltspinnenkatalog aufgelistet www.wsc.nmbe.ch Nach vielen Jahren mit Papierkatalogen erschien 2000 eine erste HTML Internetversion mit allen Arten, auf die 2014 eine vollständig suchbare Datenbank folgte. Sie enthält heute die komplette taxonomische Information für alle 46.000 Spinnenarten, von den ersten Spinnenbeschreibungen in 1757 bis heute, inklusive aller zwischenzeitlich erfolgten Änderungen. Dies entspricht ungefähr 20.000 gedruckten Katalogseiten. Diese moderne Datenbank ist frei zugänglich und wird derzeit 500 – 700 Mal pro Tag genutzt, was ihre grosse Bedeutung für die wissenschaftliche Gemeinschaft zeigt. In den zwei letzten Jahrzehnten hat sich der Weltspinnenkatalog (www.wsc. nmbe.ch) zu einer autoritativen Datenbank entwickelt, was zu beträchtlicher Stabilität in Nomenklatur und Taxonomie der Spinnen führte. Die Anzahl neu beschriebener Spinnenarten (rot) und zugehörige Anzahl wissenschaftlicher Publikationen (blau) ist links pro Jahr dargestellt, rechts kumulativ. In zwei Jahren sammelte die wissenschaftliche Gemeinschaft 99 % der taxonomisch relevanten Weltspinnenliteratur und machte sie den Mitgliedern der World Spider Catalog Association verfügbar. Diese fleissige Sammelaktivität wurde als Cartoon vom Wissenschaftsmagazin Nature illustriert (50). 14 15 Vorgabe 3: Internet-gestützter Bestimmungsschlüssel: Spinnen der Welt Was wir erreichen wollen Nach der Katalogisierung aller Spinnenarten und der erwähnten Literatursammlung besteht der nächste wichtige Schritt darin, Bestimmungsmöglichkeiten auch für Nicht-Spezialisten verfügbar zu machen. Im Prinzip stellt jede einzelne taxonomische Publikation einen Mosaikstein des globalen Puzzles dar, welches ein weltweiter Bestimmungsschlüssel ist. Dieser ist derzeit noch nicht verfügbar, die hier vorgeschlagene globale Initiative wird aber einen gewaltigen Schritt in diese Richtung ermöglichen. Mit der zunehmenden Anzahl neu beschriebener Spinnenarten nähern wir uns also auch dem Ziel eines Bestimmungsschlüssels der Spinnen der Welt. Projektstruktur Ein gutes Beispiel hierfür ist die Internet-Datenbank „Spinnen Europas“, die mit 4500 Spinnenarten ungefähr 10 % der weltweit bekannten Arten umfasst. Jede Art ist mit einer Beschreibung und Verbreitungskarte dargestellt, insgesamt über 35.000 Abbildungen und 3500 Fotos. Dichotome Schlüssel erlauben die Bestimmung aller Familien, innerhalb einer Familie fast aller Gattungen und innerhalb einer Gattung fast aller Arten. Diese Informationen stammen aus 2100 Publikationen und von 200 Autoren und Verlagen, die die Wiedergabe ihrer Abbildungen erlaubt haben. „Spinnen Europas” entwickelte sich von einem Buch (1991) über HTML Internetseiten (2000) zu einer frei zugänglichen Internet-Datenbank (2010) (www.araneae.unibe.ch). Sie ist in Englisch und Deutsch verfügbar und wird täglich von 300 Forschern genutzt (85 % in Europa, 15 % im Rest der Welt). Unser Ziel ist, die aktuellen Beeinträchtigungen bei der Dokumentation der weltweiten Artenfülle zu überwinden und als Vorzeigeprojekt alle lebenden Spinnenarten zu beschreiben. Hierzu gründeten wir das global arbeitende Virtuelle Institut für taxonomische Spinnenforschung. Seine Partner sind naturhistorische Museen, Universitäten und vergleichbare Forschungsinstitutionen, sowie deren führende Experten für Spinnentaxonomie weltweit. Dieses Virtuelle Institut wird vom Förderverein für Spinnenforschung finanziert, einem Verein nach Schweizerischem Zivilrecht. Der Hauptzweck des Fördervereins besteht darin, junge Wissenschaftler wie Doktoranden und Postdoktoranden mit Stipendien für taxonomische Forschung zu unterstützen, die vom Virtuellen Institut ausgeschrieben und verwaltet werden. Dies wird die Beschreibung neuer Spinnenarten beträchtlich fördern. Gleichzeitig werden Museen und Taxonomen sowie lokale Naturschutzbestrebungen, vor allem in Entwicklungsländern, unterstützt. Letztlich wird diese Initiative entscheidend dazu beitragen, eine neue Generation von professionellen Taxonomen auszubilden. Zusätzlich hierzu gibt es mehrere kleine Internet-Datenbanken, welche eine Reihe weiterer Initiativen aufzeigen. Einige behandeln einzelne Spinnenfamilien weltweit (z. B. Springspinnen), andere befassen sich mit der Fauna ausgewählter Gebiete (z. B. Spinnen der Iberischen Halbinsel, des Kaukasus, des Iran oder der Türkei). www.araneae.unibe.ch Gründungspartner des Virtuellen Instituts für taxonomische Spinnenforschung (Juni 2016). Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Partner ist über die Webseite des Virtuellen Instituts unter vinst.org verfügbar. 16 17 Das Virtuelle Institut für taxonomische Spinnenforschung www.vinst.org Das Virtuelle Institut für taxonomische Spinnenforschung wurde im Juni 2016 gegründet, um taxonomische Spinnenforschung zu fördern. Naturhistorische Museen, Universitäten und andere Forschungsinstitutionen mit ihren führenden Spinnentaxonomen sind die Partner des Virtuellen Instituts. Diese Partnerschaft ist dynamisch, d. h., es können jederzeit geeignete neue Partner aufgenommen werden. Die Zahl der Partner ist nicht begrenzt, aber es wird eine angemessene Verteilung zwischen Kontinenten bzw. Industrie- und Entwicklungsländern angestrebt. Das Virtuelle Institut wird von einer kleinen Direktorengruppe, die aus den Partnern gewählt wird und ehrenamtlich arbeitet, sowie einem Generalsekretär, geleitet. Dieser ist in Teilzeit angestellt und stellt die einzigen grösseren Verwaltungsausgaben dar. Der juristische Sitz des Virtuellen Instituts ist Bern, Schweiz. Alle Aktivitäten des Virtuellen Instituts werden über seine Webseite transparent mitgeteilt. Derzeit umfasst das Virtuelle Institut 34 Gründungspartner. Beschreibungen dieser führenden Spinnentaxonomen finden sich auf der Webseite des Virtuellen Instituts. Organigramm des Virtuellen Instituts für taxonomische Spinnenforschung und seiner Partner. 18 Gründungspartner des Virtuellen Instituts für taxonomische Spinnenforschung Argentinien Prof. Dr. Martín J. Ramírez Prof. Dr. Martín J. Ramírez Australien Dr. Barbara Baehr Queensland Museum, Brisbane Dr. Volker Framenau Phoenix Environmental Sciences Pty Ltd, Perth Belgien Dr. Rudy Jocqué Royal Museum for Central Africa, Tervuren Brasilien Prof. Dr. Alexandre Bragio Bonaldo Goeldi Museum, Belèm Dr. Antonio D. Brescovit Butantan Institute, São Paulo Dr. Cristina Rheims Butantan Institute, São Paulo Prof. Dr. Adalberto J. Santos Universidade Federal de Minas Gerais, Belo Horizonte Burundi Benoît Nzigidahera National Institute for Environment and Nature Conservation, Bujumbura China Prof. Dr. Shuqiang Li Institute of Zoology, Chinese Academy of Sciences, Beijing Ecuador Nadine Dupérré Otonga Foundation, Quito Deutschland Dr. Bernhard A. Huber Alexander Koenig Museum of Zoology, Bonn Dr. Peter Jäger Senckenberg Research Institute, Frankfurt Dr. Peter Michalik University of Greifswald Ungarn Dr. Tamás Szűts University of West Hungary, Szombathely Indien Prof. Dr. Pothalil Antony Sebastian Sacred Heart College, Kochi, Kerala Iran Alireza Zamani University of Tehran, Tehran Italien Dr. Marco Isaia University of Torino, Torino Japan Dr. Ken-ichi Okumura Nagasaki Prefectural Nagasaki Kakuyo Senior High School, Nagasaki Niederlande Dr. Jeremy A. Miller Naturalis Biodiversity Center, Leiden Neuseeland Dr. Cor J. Vink Canterbury Museum, Christchurch Peru Prof. Dr. Diana Silva Dávila University of San Marcos, Lima Russland Dr. Yuri M. Marusik Institute for Biological Problems of the North, Russian Academy of Sciences, Magadan Dr. Kirill G. Mikhailov Zoological Museum, Lomonosov Moscow State University, Moscow Dr. Andrei Tanasevitch Severtsov Institute of Ecology and Evolution, Russian Academy of Sciences, Moscow Slowenien Dr. Matjaž Kuntner Research Centre of the Slovenian Academy of Sciences and Arts, Ljubljana Südafrika Dr. Charles Haddad University of the Free State, Bloemfontein Spanien Dr. Miquel A. Arnedo University of Barcelona, Barcelona Dr. Carles Ribera University of Barcelona, Barcelona Sri Lanka Prof. Dr. Suresh P. Benjamin National Institute of Fundamental Studies, Kandy Schweiz Prof. Dr. Christian Kropf Natural History Museum Bern, Bern Prof. Dr. Wolfgang Nentwig University of Bern, Bern Prof. Dr. Ingi Agnarsson University of Vermont, Burlington Dr. Paula Cushing Denver Museum of Nature & Science, Denver USA 19 Der Förderverein für Spinnenforschung Eine Initiative ermöglicht viele Lösungen Der Förderverein für Spinnenforschung wurde 2016 gemäss Schweizerischem Zivilgesetz gegründet und sein juristischer Sitz ist Bern, Schweiz. Der Vorstand des Fördervereins besteht aus einer kleinen Gruppe von Wissenschaftlern und seine Satzung findet sich auf der Webseite des Virtuellen Instituts für taxonomische Spinnenforschung (www.vinst.org). Der Förderverein gründete das Virtuelle Institut und beabsichtigt vor allem, für die Finanzierung der Stipendien besorgt zu sein, die an Nachwuchswissenschaftler vergeben werden sollen. Hierfür beabsichtigt der Förderverein ungefähr 30 Millionen Schweizer Franken (entspricht annähernd US$ oder Euro) einzuwerben, um seine vorgesehene Tätigkeit über einige Jahrzehnte zu gewährleisten. Der Ertrag eines solchen Kapitals wird die jährliche Förderung von mindestens 10 bis 20 Dreijahresprojekten ermöglichen. Unterstützung durch das Virtuelle Institut und Engagement von Betreuern und Stipendiaten Stipendien zur Beschleunigung taxonomischer Spinnenforschung Das Virtuelle Institut schreibt kompetitive Stipendien für Doktoranden und Postdoktoranden aus, um taxonomische Spinnenforschung zu beschleunigen. Ein Sonderprogramm für ältere Forscher, die noch keine Festanstellung erhalten haben, ist ebenfalls nötig. Anträge werden nach Kriterien begutachtet wie Qualität von Antragsteller und Betreuer, bisherige Publikationstätigkeit, Qualität des Projektes, seine Eignung, die taxonomische Forschung zu beschleunigen, sowie Einbezug von Naturschutzaspekten. Diese Stipendien sollen den Lebensunterhalt des Antragstellers abdecken, aber auch einen Anteil für Sammelexkursionen, Forschungsausgaben und Naturschutzaspekte. Idealerweise erwarten wir die Neubeschreibung von mindestens 30 bis 40 Arten pro dreijährigem Doktorat und 15 Arten jährlich pro Postdoktorand. Der Betreuer eines Stipendiaten muss Partner des Virtuellen Instituts sein, um optimale Betreuung zu garantieren. Wie hier dargestellt, wird ein solches Programm in 10 Jahren die Zahl der derzeit neu beschriebenen Arten von 4000 oder 8000 auf 16.000 verdoppeln bis verdreifachen, so dass die Lücke zu den vermutlich 120.000 vorhandenen Spinnenarten (24, 26) in vier Jahrzehnten geschlossen werden kann. Gemäss der in den letzten 20 Jahren durchschnittlich beschriebenen neuen Spinnenarten, wird die Zahl der bekannten Arten in den nächsten 10 Jahren auf 50.000 bis 54.000 steigen. Die hier vorgestellte Initiative wird die taxonomische Forschung beschleunigen und wird im mittleren und realistischsten Szenario die Zahl der Arten auf 62.000 bis 66.000 verdoppeln bis verdreifachen. 20 Wir erwarten, dass die Ausschreibungen des Virtuellen Instituts für taxonomische Spinnenforschung breite Aufmerksamkeit und viele Bewerbungen erhalten. Durch detaillierte Förderrichtlinien und kontinuierliche Auswahl der besten Anträge, werden wir nachhaltige Lösungen für die meisten der auf Seite 8 erwähnten Probleme bieten. • Die hier vorgeschlagene Initiative beseitigt in idealer Weise taxonomische Hemmnisse und den weltweiten Mangel an Taxonomen. Wir beginnen mit Stipendien für Doktoranden und Postdoktoranden, um sie der Wissenschaft zu erhalten und ihr Karriere zu fördern. Wegen der schwierigen Situation älterer, erfahrener Wissenschaftler, die keine Festanstellung erreichen, ist für diese ein Spezialprogramm erforderlich. • Wir werden in bescheidenem Umfang zu den allgemeinen Forschungskosten beitragen, um auch in weniger gut ausgerüsteten Institutionen gute Forschung zu ermöglichen. • Eine gute Ausbildung zu Taxonomen umfasst auch Feldarbeit zur gezielten Aufsammlung von Spinnen in wichtigen Gebieten, welche die bestehenden Museumssammlungen sinnvoll ergänzen sollen. Wir bieten daher finanzielle Unterstützung für solche Expeditionen an. • Die Ergebnisse werden in internationalen Fachzeitschriften publiziert, so dass diese Arten leicht erkannt werden können. Zusammen mit den dazugehörenden Informationen unterstreicht dies die Bedeutung neuer Arten für den Naturschutz. • Solche Untersuchungen zeigen auch die Beziehung zwischen dem Lebensraum neuer Arten, hoher Biodiversität und lokalem Naturschutz innerhalb eines Netzwerks von lokalen Diversitäts-Hotspots. Wir werden daher besonders in Entwicklungsländern auch finanzielle Unterstützung für lokale Naturschutzmassnahmen oder Organisationen anbieten, beispielsweise, um Besucherzentren oder Informationskampagnen zu unterstützen. • Um Ausbildung und Karrieremöglichkeiten junger Wissenschaftler zu fördern, enthalten erfolgreiche Anträge Feld- und Laborarbeit, morphologische und molekulare Techniken, sowie weitere nützliche Methoden. Die jeweiligen Betreuer werden dies im Rahmen unseres Partnernetzwerkes unterstützen, etwa durch regionale Treffen oder Methodenworkshops. • Wir fordern zum Austausch von Personen, Material, Techniken und Ideen zwischen den Partnern auf und unterstützen dies finanziell. Einzelheiten zum Antragsverfahren werden separat mitgeteilt. • Um beschleunigte taxonomische Forschung zu erleichtern, wird das Virtuelle Institut mit seinen Partnern eine Liste sinnvoller Methoden erarbeiten und zur Verfügung stellen. Hierzu gehört die Koordination taxonomischer Projekte, Austausch von Material, standardisierte Textbausteine, bildgestützte Merkmalsbeschreibungen für Artbeschreibungen und Manuskriptvorlagen, etwa nach dem Standard, der durch das Oonopiden-PBI (25) gesetzt wurde. • Diese enge Zusammenarbeit zwischen den Partnern des Virtuellen Instituts und Wissenschaftlern in Entwicklungsländern ist unerlässlich, um die Anforderungen zu erfüllen und Probleme zu lösen, die sich aus dem Nagoya Protokoll über Zugang und gegenseitigem Nutzen ergeben, eine internationale Übereinkunft, die die Vorteile der gemeinsamen Nutzung genetischer Ressourcen fair und gleichberechtigt zwischen den Ländern regeln will (51). 21 Naturschutz und Biodiversitäts-Hotspots Verwaltung Das Konzept der Biodiversitäts-Hotspots beschreibt globale Schwerpunkte des Artenreichtums und verbindet dies mit dem Anteil endemischer Arten, also Arten, die nur dort vorkommen. Kombiniert mit ihrem Gefährdungsgrad können dann Gebiete von grösster Bedeutung definiert werden, die auch den höchsten Schutz erfordern. Dieses Konzept wurde mit Pflanzen und einigen Wirbeltieren entwickelt und umfasst meist sehr grosse Gebiet (52, 53). Daher sind solche Hotspots oft viel zu gross, um wirkungsvoll und flächendeckend geschützt zu werden. Für Naturschutzverantwortliche sind sie nicht sehr hilfreich, denn der Nutzungsdruck der wachsenden menschlichen Bevölkerung lässt keine grossen Schutzgebiete mit hoher Schutzintensität, also ohne menschlichen Einfluss, zu. Zudem sind solche globalen Karten alles andere als vollständig, denn mit dem Einbezug jeder neuen Artengruppe ergeben sich neue Biodiversitäts-Hotspots. Wenn man dieses Konzept jedoch auf kleinere geografische Bereich anwendet und die kleinräumigen Biodiversitätsmuster von Spinnen berücksichtigt, können auch kleine Gebiete von hohem Naturschutzwert erfasst werden, die dann auch viel effizienter geschützt werden können. Unsere Vision beschleunigter taxonomischer Forschung wird wichtige Erkenntnisse zu solchen Gebieten liefern, die auch den zuständigen regionalen Naturschutzbehörden mitgeteilt werden. Lokale Biodiversitäts-Hotspots sind daher wichtig zur Unterstützung lokaler Naturschutzaktivitäten. Beschleunigte taxonomische Spinnenforschung wird sich somit zu einer zentralen Naturschutzmethode entwickeln, die einem Schirm vergleichbar andere ebenfalls kleinräumig verteilte Artengruppen einbezieht. Die Verwaltung des Virtuellen Instituts und des Fördervereins wird so effizient wie möglich durchgeführt. Hierzu benötigen wir nur eine Teilzeitstelle, welche für die allgemeine Verwaltung, die Webseite und die Stipendien (Ankündigung, Organisation ihrer Begutachtung, Auszahlung) zuständig ist. Die Begutachtung erfolgt kostenlos durch die internationale Gutachtergemeinschaft und abschliessende Entscheide werden ebenfalls kostenlos durch das Board of Directors gefällt. Die Kosten sind daher auf ein Minimum reduziert, so dass der grösste Teil der Finanzen für den zentralen Zweck des Virtuellen Instituts eingesetzt werden kann. Die Finanzen werden extern geprüft. Ergebnisse Neben Wissenszuwachs besteht das wichtigste Ergebnis des Virtuellen Instituts aus neuen Generationen gut ausgebildeter junger Wissenschaftler, Spezialisten in Spinnentaxonomie und erfahren in vielen wissenschaftlicher Methoden. Dies wird die Forschung in Taxonomie und Biodiversität fördern, vor allem in Entwicklungsländern. Spinnen werden als wichtigste terrestrische und räuberische Wirbellosengruppe den höchsten Anteil beschriebener Arten umfassen und ihre Erforscher werden den einfachsten Zugang zu taxonomischer Information inklusive zugehöriger Literatur haben. Dies wird die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Institutionen fördern sowie Schutzmassnahmen auf lokaler Ebene unterstützen. Wir gehen davon aus, dass diese Initiative ein Vorzeigeprojekt zur Dokumentation der Biodiversität wird und werden regelmässig über Fortschritte berichten, auf unserer Webseite, in Publikationen und an wissenschaftlichen Tagungen. Wir erwarten, dass die Entwicklung unserer Initiative durch Experten anderer taxonomischer Gruppen und generell durch Wissenschaftler beobachtet wird. Schliesslich sind wir überzeugt, dass diese Initiative als Vorlage für ähnliche Projekte dienen wird, so dass sie einen grossen Multiplikatoreffekt global für Biodiversitätsforschung und Naturschutz haben wird. Rote Punkte und Linien zeigen Biodiversitäts-Hotspots von Pflanzen und Wirbeltieren an (52, 53). Für Spinnen und andere Wirbellose werden wir dieses Konzept kleinräumig für Gebiete von hohem Schutzwert anwenden. 22 23 Sponsoren und Fördermöglichkeiten Literatur Wir werden global geeignete Personen und Institutionen, die dafür bekannt sind, dass sie weltweites Engagement für Umwelt und Biodiversität unterstützen, anschreiben, und um einen Beitrag bitten. Wir streben für den Förderverein für das Virtuelle Institut einen Betrag in der Grössenordnung von 30 Millionen Schweizer Franken (Euro, US$) an. (1) Wilson EO (1992) The diversity of life. Harvard University Press, Cambridge (2) Millenium Ecosystem Assessment (2005) Ecosystems and human well-being: synthesis. Island Press: Washington, DC (3) Eilers EJ, Kremen C, Smith Greenleaf S, Garber AK, Klein A-M (2011) Contribution of pollinator-mediated crops to nutrients in the human food supply. 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Royal Society of Chemistry, Cambridge, UK • Wenn ein grosszügiger Sponsor anbietet, den gesamten Betrag zur Verfügung zu stellen, bieten wir an, das Virtuelle Institut nach ihm zu benennen. • Wir werden alle Sponsoren auf der Webseite des Virtuellen Instituts als Platin-Sponsor (5 Millionen Schweizer Franken oder mehr), Gold-Sponsor (1 Millionen oder mehr), Silber-Sponsor (100.000 oder mehr), Bronze-Sponsor (bis 100.000) oder strategischen Sponsor nennen, soweit dies nicht unerwünscht ist. • Wir bieten auch Sponsormöglichkeiten für Gattungen oder Arten an, die als neu beschrieben werden, also eine Gattung oder Art mit Ihren Namen (eine moderne Art der Unsterblichkeit) Zeitplan Seit 2010 bieten wir die Bestimmungswebseite Spinnen Europas in ihrer derzeitigen zweisprachigen Version an. Seit 2014 ist der Weltspinnenkatalog in seiner aktuellen voll suchbaren Datenbankversion verfügbar. Mitte 2016 konnten wir registrierten Mittgliedern freien Zugang zu 99 % der taxonomischen Weltspinnenliteratur ermöglichen. Dies erfolgt über die World Spider Catalog Association, die heute über 3000 registrierte Nutzer hat. Im Januar 2016 wurde der Förderverein für Spinnenforschung (Association for the Promotion of Spider Research) gegründet. Dieser Förderverein hat zum Ziel, das Virtuelle Institut für taxonomische Spinnenforschung (Virtual Institute of Spider Taxonomic Research) zu unterstützen. Dieses Virtuelle Institut wurde im Juni 2016 mit 34 Gründungspartnern gegründet und wir beginnen nun damit, potentielle Sponsoren um finanzielle Beiträge zu bitten. Wir planen, im Verlauf von 2017 zum ersten Mal Stipendien auszuschreiben, so dass die eigentliche Forschungsförderung 2018 beginnen kann. Abhängig von der finanziellen Situation, hoffen wir dann, innerhalb von 2 bis 3 Jahren den geplanten Umfang unserer Forschungsförderung erreichen zu können. 24 (33) Oldrati V, Bianchi E, Stöcklin R (2013) Spider venom components as drug candidates. pp 491-503, in: Nentwig W (ed) Spider ecophysiology. Springer, Berlin (34) King GF (2015) Venoms to drugs. Venom as a source for the development of human therapeutics. Royal Society of Chemistry, Cambridge, UK (35) Windley MJ, Herzig V, Dziemborowicz, Hardy MC, King GF, Nicholson GM (2012) Spider-venom peptides as bioinsecticides. Toxins 4: 191-227 (36) Hofer MM (2013) Development of spider silk protein particles for pharmaceutical applications. PhD thesis, University of Munich, Germany (37) Allmeling C, Radtke C, Vogt PM (2013) Technical and biomedical uses of nature’s strongest fiber: spider silk. pp 475-490, in: Nentwig W (ed) Spider ecophysiology. 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