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TÜRKEI AKTUELL JULI 2016
Pressefreiheit in der Türkei
Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit im Land vorstellen zu können, hat die Delegation oppositionelle und regierungskritische Fernsehsender, Journalisten,
Zeitungsherausgeber, Nachrichtenagenturen, Mediengewerkschaften und den Vorstand des Journalistenverbandes der Türkei
(TGC) besucht. Getroffen hat sich die Delegation mit den Tageszeitungen Evrensel, Cumuhurriyet, Birgün und Özgür Gündem.
Diese und ihre Journalisten wurden in den letzten Jahren mehrmals strafrechtlich verfolgt. Weitere Besuche fanden bei den
Fernsehsendern Hayatin Sesi und IMC TV statt. Im Februar
haben die türkischen Behörden die Ausstrahlung des regierungskritischen IMC TVs eingestellt. Der Sender berichtete, der
Satelliten- und Kabelanbieter Türksat habe IMC auf Antrag der
Staatsanwaltschaft in Ankara aus dem Programm genommen.
Seitdem wird der Fernsehsender auf dem Satellit Hot Bird ausgestrahlt.
Außerdem hatte die Delegation bei einem Abendessen die Möglichkeit, sich mit Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı (Präsidentin
der Menschenrechtsstiftung der Türkei –TIHV-, Kolumnistin der
Tageszeitung Evrensel), Erol Önderoğlu (Türkei-Korrespondenten
von Reporter ohne Grenzen - RSF Türkei) und Ahmet Nesin
(Schriftsteller) zu treffen. Fincancı, Önderoğlu und Nesin waren
am 20. Juni 2016 festgenommen worden. Ihnen wurde vorgeworfen, "Propaganda für eine terroristische Organisation" betrieben zu haben. Mittlerweile wurden die drei aus der Haft
entlassen. Bei diesem Treffen waren außerdem noch Fatih Polat
(Chefredakteur von Evrensel) und Ceren Sözeri (Dozentin an der
Galatasaray Universität, Fakultät der Kommunikationswissenschaften und stellvertretende Vorsitzende des Vereins zur Entfaltung des Journalismus) anwesend. An dem Abend wurden über
die Probleme und Schwierigkeiten gesprochen, mit denen die
Journalisten in der Türkei konfrontiert sind.
Frank Überall vom Deutschen Journalistenverband hat, nachdem
die Delegationsreise beendet war, am 16. Juli bei einem Interview mit n-tv die Situation folgendermaßen bewertet: „Ich bin
über die Situation in der Türkei, bezüglich der Pressefreiheit, allemal überrascht. Der Besuch bei Fernsehsendern, Tageszeitungen, Nachrichtenagenturen und Journalistengewerkschaften
haben gezeigt, dass schon eine große Besorgnis bezüglich der
Pressefreiheit in der Türkei vorhanden ist. In jeder Redaktion, in
der ich war, gab es mindestens einen Journalisten, wenn nicht
sogar mehr, die schon im Gefängnis waren oder die, die gerade
auf ihren Prozess warten und ins Gefängnis über mehrere Jahre
müssen.
Den Journalisten wird Terrorpropaganda vorgeworfen, wenn
diese über eine pro-kurdische Demonstration berichten und nur
abschreiben, was auf den Plakaten stehen, die in aller Öffentlichkeit hochgehalten werden. Schon allein damit kann man einen
Verfahren an den Hals bekommen.“
TÜRKEI [aktuell]
Pressefreiheit ist bekanntlich in der Türkei nicht vorhanden, denn
die AKP-Regierung übt direkten Druck auf die Medien aus. Es
gibt im Land eine Regulierungsbehörde RTÜK (Oberster Rundfunk- und Fernsehrat), die für die Aufsicht des privaten Rundfunks zuständig ist. Diese Behörde ruft zum Beispiel in
Redaktionen an und befiehlt regierungskritische Berichte von
Webseiten zu entfernen oder verbietet Fernsehsendern diese zu
berichten. Sobald Proteste im Land herrschen, werden Journalisten von Sicherheitskräften gezielt angegriffen. Beispiele
waren die Gezi-Proteste 2013 oder vor wenigen Wochen noch
die Unterdrückung und Repressionen in den kurdischen Gebieten der Türkei. Ähnliche unzählige Beispiele könnten weiter aufgeführt werden. Welche Berichterstattung und wie die Medien
diese zu machen haben, bestimmt die Regierung. Sobald Kritik
bei der Berichterstattung ausgeübt oder die Handlungen der Regierung hinterfragt werden, folgen Strafen. Regierungsmitglieder
versuchen kritische Webseiten durch strenge Internetgesetze zu
blockieren.
Diesbezüglich haben die Vertreter der Tageszeitung Evrensel und
des Fernsehsenders Hayatin Sesi aus Deutschland eine Delegationsreise in die Türkei vom 10.07.-13.07.2016 organisiert, um
die angebliche Pressefreiheit, von der Erdogan und AKP-Mitglieder immerzu behaupten, sie sei vorhanden, zu überprüfen und
um sich ein eigens Bild zu machen. In Absprache mit den Verantwortlichen von Hayatin Sesi und Evrensel, wurde ein entsprechendes Programm für die Delagation erstellt.
An der Delegationsreise haben anerkannte und etablierte deutsche Journalisten teilgenommen: Frank Überall (Deutscher Journalistenverband), Pascal Beucker (taz), Anna Giulia Fink (Der
Standard), Duygu Özkan (Die Presse aus Österreich) und Serdar
Derventli (Deutschlandsprecher von Hayatın Sesi und Evrensel).
Um die Situation zu beobachten und um sich die Dimension der
"Der Turbostaat Türkei“, „Die Türkei: China Europas“, "Land mit boomender Wirtschaft. und strotzendem
Selbstbewusstsein. In den letzten Jahren sparen die Medien in Deutschland nicht mit Lob in ihrer Berichterstattung über die Türkei. Die mediale Euphorie macht allerdings keineswegs Halt vor den wirtschaftlichen
Entwicklungen.
Auch politisch, insbesondere außenpolitisch wird der Türkei eine wachsende Rolle attestiert. Danach gibt es
an der türkischen Demokratie nichts auszusetzen und auch in der kurdischen Frage steht man unmittelbar
vor der Lösung. Ein Land, das Westerwelle eine „Brücke in die islamische Welt“ nennt; eine „neo-osmanisch
ausgerichtete Regionalmacht“, die für die Länder im Nahen Osten als Modell angepriesen wird... Kurzum:
Die Türkei ist der aufsteigende Stern am orientalischen Himmel.
TÜRKEI[aktuell] möchte dazu beitragen, an diesem in Europa herrschenden Türkei-Image zu kratzen. Mit
Analysen, Hintergrundinfos sowie aktuellen Berichten und Interviews wird unser Newsletter das Augenmerk
der Öffentlichkeit auf die Rückseite der Medaille zu richten versuchen. Dossiers zu wirtschafts-, innen- und
außenpolitischen Themen sollen Interessierte in der Bundesrepublik bei ihrer Öffentlichkeits- und Solidaritätsarbeit unterstützen.
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