Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow PREDIGT am 21.8.2016 Dreizehnter Sonntag nach Trinitatis Textgrundlage: Luk 10,25-37 mit Taufe Von Pfarrerin Margareta Trende Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus! Liebe Gemeinde, das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter, das wir gerade gehört haben, kennen sicherlich die meisten von Ihnen. Es ist eine der bekanntesten Geschichten, die uns Jesus erzählt. Und auch Onno wird diese Geschichte sicherlich bald kennen lernen, wenn ihr, Eltern oder Patinnen sie ihm erzählt oder wenn er sie in unserem Kindergarten im Morgenkreis hören wird. Als ich diese Geschichte in Vorbereitung auf diesen Gottesdienst las, fiel mir eine Freundin ein. Ihre Geschichte ist wohl exemplarisch für das Verhalten vieler, vieler Menschen im vergangenen Jahr. Die Freundin hatte mit ihrer Familie ein geflohenes Ehepaar mit neugeborenem Kind bei sich aufgenommen. Als ich sie fragte, wie es dazu gekommen ist, meinte sie sucht. Sie waren einfach da Meine Freundin beendete ihre Antwort mit viel Liebe und Gutes erfahren, davon wollte ich etwas abgeben und Erfahrene Liebe, Gottes Liebe annehmen und davon weiter geben, sie teilen. Davon erzählt Jesus immer wieder. In ihrem Kern handelt das Gleichnis vom barmherzigen Samariter genau davon. Die Geschichte ist im Lukasevangelium gerahmt von zwei Fragen. Am Anfang fragt der Schriftgelehrte und am Ende fragt Jesus. Zu Beginn will der Schriftgelehrte eigentlich von Jesus wissen, wie das ewige Leben zu erlangen ist und fragt auf die Antwort Jesu hin Jesus antwortet nun nicht durch theoretische Erörterungen, nicht mit einer Einteilung der Menschen in Näher- und Fernstehende, sondern er erzählt wie so oft eine Geschichte.. Die Geschichte ist wie ein Drama mit Happy End. Sie beginnt mit einem brutalen Überfall auf der Straße zwischen Jerusalem und Jericho. Lebensbedrohlich wird ein Mann von Räubern verletzt. So ist die Welt, in der Jesus lebt. Es ist dieselbe Welt, in der wir leben, eine Welt voller unberechenbarer Gewalt und Unmenschlichkeit. Jesus baut keine Scheinwelt ohne Probleme auf, wenn er von Gottes Nähe erzählt. Er beschönigt nichts, aber er jammert auch nicht über die schlimmen Zustände. Er will uns aufsuchen in der Welt, in der 1 wir leben und uns darüber hinausführen und uns neue Horizonte und Möglichkeiten eröffnen. In der Geschichte kann der Überfallene auf Hilfe hoffen. Denn zwei Menschen aus seinem eigenen Volk kommen den Weg entlang - erst ein Priester, dann ein Tempeldiener. Beide scheinen schon aufgrund ihres Berufes zum Helfen vorhergesehen. Und was für ein Glück: Beide sehen ihn auch. Zwei Mal hören wir dann, was uns die Sprache verschlägt er . In diesen wenigen Worten schwingt eine erschreckende menschliche Normalität: Das Weggucken und Nicht-Sehen- und Nicht Helfen-Wollen, aus welchen Gründen auch immer. So ist die Wirklichkeit, die wir auch kennen. Wie oft sind wir anderen etwas schuldig geblieben an aufmunternden Worten und helfenden Taten. Es ist eine menschliche Grundsituation, die Jesus hier beschreibt. Und dann durchbricht ausgerechnet ein verachteter Feind diese so zum Himmel schreiende normale Situation. Wenn der Überfallene den Samariter überhaupt wahrgenommen hat, dann sank seine Hoffnung auf Hilfe wohl gegen Null. Doch ausgerechnet der eigentliche Feind wird nun zum Hoffnungsträger. Vom Samaritaner wird erzählt : Es jammerte ihn, wörtlich übersetzt heißt das: Als er den Überfallenen sah, ging es ihm in die Gedärme. Die Notlage des Überfallenen berührt sein Inneres. Und jetzt geschieht etwas Überraschendes: Der Feind wird nun zum fürsorglichen Helfer. Er tut nicht nur das Not wendende also notwendige, sondern mehr als das. Die Geschichte wird ausführlich, als sie erzählt, was der Fremde alles unternimmt, um den Überfallenen zu retten: und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir's bezahlen, wenn ich wiederkomme. Erst hilft er ganz spontan, weil ihn die Not des anderen berührt. Es ist ihm völlig egal, in was für einem Verhältnis er zu ihm steht ob Freund oder Feind, Verwandter oder Fremder. Und dann organisiert er die Nachbehandlung: Wo er selbst nicht mehr kann, bezahlt er dem Wirt die weitere Pflege. Aus der Liebe im ersten Affekt wird die wohlüberlegte Liebe in Strukturen. Aus der ersten spontanen Hilfe für die vor einem Jahr angekommenen Flüchtlinge in unserem Land sind mittlerweile beeindruckende Strukturen gewachsen. Oder aus der eher zufälligen Hilfe für die Nachbarin ist eine Beziehung entstanden, zu der gegenseitige Hilfe gehört. Aus der einmaligen Begleitung einer Sterbenden kann die ehrenamtliche Hospizarbeit erwachsen. 2 Die Figur, mit der wir uns am ehesten identifizieren, ist wohl im besten Falle die des Samariters. Vielleicht erkennen wir uns auch mit einem selbstkritischen Blick im Tempeldiener oder Priester wieder. Doch ohne den Rahmen des Gesprächs zwischen Jesus und dem Schriftgelehrten, will Jesus uns etwas von Gottes Liebe erzählen, die uns überraschend widerfährt. Dann sind wir dem, der unter die Räuber fiel sehr ähnlich. In dem Überfallenem sieht Jesus uns und unsere Geschick: verletzt, ohnmächtig, hilflos, die eigene Lage zu ändern, einsam und verlassen. Und genau dort, wo wir in einer Lebens- oder Glaubenskrise stecken, wo wir Angst haben vor der Zukunft unseres Lebens und unserer Welt, wo es brutal zugeht oder wo wir einfach nur einsam sind, gerade dort lässt Gott sich in seinem Innersten von unserer Not berühren. Und er überrascht uns mit seiner Nähe und mit Fürsorge, mit der er uns neue Lebenskraft und Hoffnung schenkt. Wir werden nicht zuerst aufgefordert, etwas zu tun. Wir werden eingeladen zu hören, dass GOTT etwas mit uns tut und unser Leben mit all unseren Problemen an- und ernst nimmt. Dann können wir auch barmherzig auf unser Leben und das unserer Nächsten sehen. Jesu beendet seine Geschichte mit der Gegenfrage ter die Räuber fiel, der N also die Frage des Schriftgelehrten um und gewichtet sie dadurch ganz neu. Jesus meint: Wer nach seinem Nächsten fragt und sucht, kann auswählen und sagen, der da oder die da nicht. Das ist Nächstenliebe, die in mein Ermessen fällt. Jesus will nicht die Liebe, die über Zuständigkeiten diskutiert, sondern die Liebe, die die Not des anderen sieht und lindern möchte. Das ist die Liebe, die sich aus der erfahrenen Zuwendung und Liebe Gottes speist. Das ist die Erfahrung, dass Gott mich nicht links liegen lässt, sondern mich heilen, mich begleiten möchte und mich mehr als ich erwarten kann versorgt. Aus dieser Erfahrung und Erkenntnis heraus, kann ich in dem mir zufälligen begegnenden Nächsten, der meine Hilfe braucht, nicht nur einen moralischen Appell erkennen, sondern auch die Chance in eine neue Begegnung, eine neue Beziehung zu treten, die mein Leben und das Leben meines Nächsten reicher werden lässt. Die kleine Familie, die meine Freundin aufgenommen hatte, lebt mittlerweile in einer eigenen Wohnung und ist hin und wieder bei meiner Freundin. Sie passen dann auf die Kinder auf, wenn meine Freundin und ihr Mann mal nur zu zweit einen Abend verbringen möchten. Gottes Liebe und die Liebe anderer Menschen annehmen und davon weitergeben. Beide Erfahrungen wünsche ich uns allen und heute Onno Münster im Besonderen. Amen 3
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