EDITORIAL Die sieben Gebote Kurz nachdem am Samstag der brasilianische Fußballstar Neymar beim Olympiasieg gegen Deutschland den entscheidenden Elfmeter geschossen hatte, setzte er sich ein Stirnband auf. »100% Jesus« stand dort zu lesen – was die olympischen Veranstalter auf den Plan rief: keine religiösen Botschaften bei den Spielen! Als mit Sanktionen gedroht wurde, bekam der 24-jährige Stürmer des FC Barcelona von vielen Social-Media-Usern kräftige Unterstützung. Für die Jüngeren gehören solche öffentlichen Bekundungen, die sie auch bei Mitgliedern anderer Religionen wahrnehmen, zu einer pluralen Gesellschaft dazu, die Älteren erinnert die Situation eher an die Zeit vor 50 Jahren, als das Christentum noch viel stärker im öffentlichen Leben verankert war. Diese Grundfesten sind inzwischen erodiert, einfachstes Wissen über Glaubensdinge ist nicht mehr vorhanden, sodass mehreren Stu dien zufolge auch Christen an die Reinkarnation glauben oder meinen, dass es sieben Gebote gebe. Deutschland wird säkularer, was regional allerdings sehr unterschiedlich zum Ausdruck kommt und auch milieu- Deutschland wird säkularer, aber das Bedürfnis nach Auseinandersetzung mit dem Glauben steigt. © Werner Gabriel abhängig ist. Vor allem bei weniger Gebildeten sei die Religiosität verschwunden, stellte die »Süddeutsche Zeitung« vergangene Woche fest, bei besser Ausgebildeten, Etablierten, aber auch bei Postmaterialisten – allesamt potenzielle Buchkäufer – sei sie dagegen überdurchschnittlich stabil. Das Bedürfnis, sich mit Glauben und Sinnsuche auseinanderzusetzen, steigt sogar, und die Verlage haben längst darauf reagiert: Das Angebot ist da. Wie es um den religiösen Buchhandel bestellt ist, welche Strategien es gibt, welche Novitäten zum Reformationsjubiläum die Verkäufe nach oben treiben könnten – all das erfahren Sie in diesem Heft, das noch einen weiteren Umsatzbringer bereithält: die Longlist des Deutschen Buchpreises. 20 beste Romane, über die die Öffentlichkeit reden wird. [email protected] 3
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