22. August 2016 Deutschland braucht das Roboterauto Ohne autonomes Fahren bleiben die Straßen ein Friedhof Der Computer fährt besser als der Mensch, weshalb wir auf das Roboterauto setzen sollten. Auch die Wirtschaft droht einzubrechen, wenn wir das Potential nicht rechtzeitig nutzen. Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen Das größte Problem beim Autofahren ist der Mensch. Autofahrer reagieren emotional, überschätzen sich schon mal oder sind in ihrer Aufmerksamkeit deutlich beeinträchtigt, etwa durch Alkoholgenuss oder WhatsApp-Chats. Das ist der Hauptgrund für den größten Friedhof der Welt mit jährlich 1,3 Millionen Verkehrstoten. In Deutschland sind es mehr als 3.300 Menschen, die im Jahr im Straßenverkehr sterben. Mit künstlicher Intelligenz schaffen wir es, dieses Problem zu lösen und dem Menschen in kritischen Situationen das Lenkrad aus der Hand zu nehmen. In Teilbereichen, wie etwa dem Bremsstabilitätssystem ESP, ist das seit mehr als 20 Jahren der Fall. Mit dem autonomen Auto kann das bereits um das Jahr 2020 auf alle Situationen ausgeweitet werden. Dass Fahrfunktionen zu schnell als „Autopilot“ eingestuft werden und wie beim US-Elektroautopionier in Beta-Versionsform zu tödlichen Unfällen führen, schädigt die Akzeptanz und wirft uns zurück. Aber Fehler einzelner, mögen sie auch noch so schwer sein, dürfen die richtige Entwicklung nicht aufhalten. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass der Computer besser und deutlich sicherer fährt als jeder Mensch. Etwa mit der Metrolinie 1 in Paris, die seit 2012 fahrerlos unterwegs ist oder mit Hochleistungsjets, wie dem Eurofighter Typhoon, der bei extremen Flugmanövern ausschließlich durch „Flight by Wire“ gesteuert wird, weil der noch talentierte Pilot überfordert wäre. Mit dem automatisierten Fahren reden wir nicht über Science-Fiction, sondern Technologien, die in anderen Bereichen heute bereits Alltag sind. Selbst von Philosophen von Zeit zu Zeit vorgebrachte Überlegungen, dass Maschinen nie über einen Menschen entscheiden dürfen, sind vom Alltag längst überholt. Jeder Airbag in jedem Auto – und damit eine Maschine – entscheidet in kritischen Situationen über das Leben von Menschen. Es gibt Situationen, in denen man ohne Airbag den Unfall überlebt, aber mit Airbag stirbt. Kein Mensch käme deshalb auf den Gedanken, den Airbag abzuschaffen. Es sind immer Abwägungsentscheidungen, die wir zu treffen haben und keine stumpfen Dogmen. Wir können mit der künstlichen Intelligenz die Annäherung an die Vision Zero schaffen- ohne künstliche Intelligenz bleiben wir beim größten Friedhof der Welt. Zusätzlich können wir die Reisezeit sinnvoller nutzen statt uns mit den Händen am Lenkrad festzukrallen. Wir können unseren Wohlstand erhöhen, denn jährlich werden alleine in Deutschland 25 Milliarden Euro von Autoversicherern gebraucht, um die Unfallschäden zu begleichen. Es macht also sehr viel Sinn, das Roboterauto schnell auf die Straße zu bringen - auch in Deutschland. Natürlich müssen wir dabei die Rahmenbedingungen beachten und nur ausgereifte Technologien im Straßenverkehr zulassen. So wie das die konventionellen Autobauer mit Millionen von Testkilometern machen und keine Beta-Versionen verkaufen. Autos sind keine Spielzeuge – und das muss erst recht für das Roboterauto gelten. Auch für die Cyber-Security muss es gelten. Die Autobauer sind heute noch deutlich zu unbedarft, wenn es um die Datensicherheit und den Schutz von Daten geht. Wir wollen keine Datenkraken à la Google. Eine Datenkrake à la Google, die nichts anders im Sinn hat, als Hyper-Profits aus unseren Daten zu schaufeln wäre das Schlimmste, was uns blühen könnte. Anti-Hacking und Sicherheitssoftware brauchen wir nicht nur für unseren PC, sondern auch für unsere Autos. Die US-Hacker Miller und Valasek haben mit dem Hack des Jeep Cherokee vor gut einem Jahr gezeigt, wie einfach man in Serienautos eindringen kann. Es darf nicht passieren, dass wir mit dem Roboterauto nachts um drei auf einer einsamen Straße stehenbleiben und wir die Aufforderung erhalten einen Geldbetrag X zu bezahlen, um weiterfahren zu können. Das sind die Rahmenbedingungen für die Industrie. Es bleibt der Gesetzgeber. Verkehrsminister Dobrindt hat mit viel Publicity seinen Vorstoß für einen Gesetzesvorschlag für automatisiertes Fahren auf den Weg gebracht. Es ist gut zu wissen, ein Gesetz zu haben, das die Nutzung von autonomen oder semi-autonomen Autos wie der neuen Mercedes E-Klasse, gestattet. Was der Gesetzesentwurf macht, ist nicht mehr, als die im März 2014 angepasste sogenannte Wiener Konvention der United Nations (UN) wie folgt zu ändern »Systeme, die für den Fahrer übersteuerbar oder abschaltbar sind, erfüllen die geforderte Beherrschung durch den Fahrer«. Das ist bisher nur der halbe Weg. Die USA sind übrigens dem Wiener Übereinkommen nicht beigetreten. Daher können in einzelnen Bundesstaaten Autos schon heute autonom unterwegs sein. Das ist nur einer der Vorteile von Silicon Valley. Wir sollten aufholen und ein „echtes“ Gesetz für das Roboterauto auf den Weg bringen. Sonst könnten wir in Deutschland in einen Wettbewerbsnachteil verfallen. Das Rennen um das vollautomatisierte Fahren läuft längst. BMW und Ford haben unabhängig voneinander angekündigt bis zum Jahr 2012 das Roboterauto in Serie zu bringen. Daimler, der VW-Konzern, Volvo, General Motors – nahezu alle sind im Rennen plus die neuen Akteure wie Apple, Tesla, UBER oder Didi Chuxing in China. Am meisten Marketing hat Google mit seinem Playmobil gemacht. Aber so wie es aussieht wird Google das Rennen eher verlieren. Außer bunten Bildchen ist wenig zu sehen und Entwickler laufen eher weg von Google statt zu Google hin. In Mountain View hat man eben zu wenig Kompetenz in Hardware, und die gehört nun mal zum Auto. Ferdinand Dudenhöffers Buch "Wer kriegt die Kurve? Zeitenwende in der Autoindustrie" erscheint am 8. September im Campus Verlag https://causa.tagesspiegel.de/ohne-autonomes-fahren-bleiben-die-strassen-ein-friedhof.html
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