GSK Update BauGB Novelle - GSK Stockmann + Kollegen

16.08.2016
Das „Urbane Gebiet“ – Ein neuer Baugebietstyp
erleichtert dichtes Bauen mit hohem Wohnanteil
Zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und
Reaktorsicherheit zur BauGB- und BauNVO-Novelle vom 16.06.2016
Executive Summary
> Zur
Verwirklichung
des
Konzepts
einer
„nutzungsgemischten Stadt“ wird das „Urbane
Gebiet“ als neuer Gebietstyp in der BauNVO
normiert. Es ermöglicht höhere Dichten und
erleichtert die Mischung von Wohnen und
Gewerbe durch höhere Immissionsrichtwerte.
> Für
sämtliche
Bebauungspläne
der
Innenentwicklung besteht zukünftig die Pflicht
zur Vorprüfung, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich ist.
> Das Gesetzgebungsverfahren soll bis zum Ende
der Legislaturperiode abgeschlossen sein.
Der Referentenentwurf vom 16.06.2016
Am 16.06.2016 hat das Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
(BMUB) seinen Referentenentwurf zum „Entwurf
eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie
2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung
des neuen Zusammenlebens in der Stadt“
veröffentlicht. Parallel dazu wurde am 07.07.2016
ein Entwurf des BMUB zur Änderung der
„Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm“
(TA Lärm) veröffentlicht. Beide Referentenentwürfe
bilden den Ausgangspunkt für die umfassendste
Reform des Baugesetzbuches (BauGB) und der
Baunutzungsverordnung (BauNVO) in den letzten
Jahren.
Dem Referentenentwurf vom 16.06.2016 liegen
neben zwei umsetzungspflichtigen EU-Richtlinien
über
die
Umweltverträglichkeitsprüfung
bei
bestimmten öffentlichen und privaten Projekten
Reformvorschläge
der
Arbeitsgruppe
„Aktive
Liegenschaftspolitik“ des vom BMUB initiierten
Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen zu
Grunde. Darüber hinaus nimmt das BMUB die
Reform
zum
Anlass,
weitere
städtebauliche
Anliegen zu normieren – etwa Fragen zu Ferienund Zweitwohnungen.
sieht
der
Referentenentwurf
vom
Inhaltlich
16.06.2016 vor allem eine Stärkung des „neuen
Zusammenlebens“ in der Stadt vor, indem ein
neuer Baugebietstyp, das „Urbane Gebiet“, in die
BauNVO eingeführt werden soll.
Das „Urbane Gebiet”
Mit
der
Einführung
des
Urbanen
Gebiets
beabsichtigt der Gesetzgeber, das Konzept der
„nutzungsgemischten Stadt“ insbesondere in dicht
besiedelten Ballungsräumen zu verwirklichen.
Art der baulichen Nutzung im Urbanen Gebiet
Systematisch zwischen Mischgebiet und Kerngebiet
angesiedelt, soll der neue Baugebietstyp „Urbanes
Gebiet“ (MU) in § 6a BauNVO geregelt werden.
Nach der Zweckbestimmung dienen Urbane Gebiete
dem Wohnen und der Unterbringung von
Gewerbebetrieben sowie sozialen, kulturellen und
anderen
Einrichtungen
in
kleinräumiger
Nutzungsmischung, soweit diese Betriebe und
Einrichtungen die Wohnnutzung nicht wesentlich
stören.
Der Referentenentwurf sieht vor, dass im Urbanen
Gebiet Gebäude, die zu einem erheblichen Anteil,
aber nicht ausschließlich, dem Wohnen dienen
(§ 6a Abs. 2 Nr. 1 BauNVO), allgemein zulässig
sind. Darin unterscheidet sich das Urbane Gebiet
vom
Kerngebiet,
dessen
generelle
Zweckbestimmung gerade nicht die Wohnnutzung
ist. Neben kleinflächigen Einzelhandelsbetrieben
sowie
Schankund
Speisewirtschaften
und
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Das „Urbane Gebiet” – Ein neuer Baugebietstyp in der BauNVO
Betrieben des Beherbergungsgewerbes sollen auch
„sonstige
Gewerbebetriebe“,
Anlagen
für
Verwaltungen sowie für kirchliche, kulturelle,
soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke und
Vergnügungsstätten in bestimmtem Umfang und
mit bestimmten Zweckbestimmungen allgemein
zulässig sein. Gebäude, die der ausschließlichen
Wohnnutzung
dienen,
sollen
allerdings
nur
ausnahmsweise zugelassen werden können.
Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) hat in einer
Stellungnahme zum Referentenentwurf angemerkt,
dass es ein Grundproblem des „Urbanen Gebiets“
darstellen kann, den neuen Gebietstyp von Misch-,
Kern- und ggf. sogar Wohngebieten abzugrenzen.
Es bleibt daher abzuwarten, ob aufgrund des
vorgegebenen
Nutzungsmixes
zukünftig
die
befassten Gerichte eine – ähnlich zum Mischgebiet
– bestimmte Nutzungsmischung verlangen. Der
Referentenentwurf des Gesetzes legt dazu nichts
fest. Idealerweise sollte dies der Gesetzgeber selbst
klarstellen.
Geschäfts- und Bürogebäude, die im Misch- und im
Kerngebiet zulässig sind, sind im Urbanen Gebiet
bislang nicht gewollt. Mit dem Ausschluss von
Geschäfts- und Bürogebäuden soll der Gefahr einer
„Verödung“ der innerstädtischen Lage vorgebeugt
werden. Das Urbane Gebiet zielt gerade – auch zur
Förderung eines lebendigen öffentlichen Raumes –
auf eine räumliche Nähe von wichtigen Funktionen
wie Wohnen, Arbeiten, Versorgung, Bildung, Kultur
und Erholung ab.
Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) hat in
einer
Stellungnahme
zum
Referentenentwurf
gefordert, zur Verwirklichung einer „Stadt der
kurzen Wege“ die starren Regelungen der
Verkaufsflächenbeschränkung
in
§ 11
Abs. 3
BauNVO für das Urbane Gebiet zu lockern und auch
Einzelhandelsbetriebe mit mehr als 800 m2
Verkaufsfläche zuzulassen.
Maß der baulichen Nutzung im Urbanen Gebiet
Als Ausdruck des Ziels, Innenstadtlagen zu
verdichten, soll das Urbane Gebiet eine höhere
Bebauungsdichte
ermöglichen.
Die
dafür
erforderliche Neufassung von § 17 Abs. 1 BauNVO
sieht für das Urbane Gebiet jeweils im Höchstmaß
eine Grundflächenzahl (GRZ) von 0,6 – wie im
Mischgebiet – und eine Geschossflächenzahl (GFZ)
– wie im Kerngebiet – von 3,0 vor. In seiner
GSK Update / 16.08.2016
Stellungnahme hat der ZIA eine Erhöhung der GRZ
auf 1,0 gefordert, damit das Urbane Gebiet dem
Ziel der Nachverdichtung entsprechen kann.
Immissionsschutz
Neben der höheren Dichte ist die wichtigste
Neuerung die vorgesehene Änderung der TA Lärm.
Der Referentenentwurf vom 07.07.2016 legt in
Nr. 6.1 TA Lärm baugebietsbezogene Immissionsrichtwerte für Urbane Gebiete von 63 dB(A) tags
und 48 dB(A) nachts fest. Mit diesen – nicht
unumstrittenen – Richtwerten geht der Entwurf
deutlich über die in Mischgebieten (60 dB(A) tags,
45 dB(A) nachts) zulässigen Immissionswerte
hinaus
und
nähert
sich
denen
eines
Gewerbegebietes an (65 dB(A) tags, 50 dB(A)
nachts). Dies entspricht in weiten Teilen der
Realität des Wohnens in innerstädtischen Lagen.
Der
maßgebliche
Immissionsort
liegt
dabei
weiterhin bei bebauten Flächen „0,5 m vor der Mitte
des geöffneten Fensters des vom Geräusch am
stärksten betroffenen Raumes“. Damit darf es in
den Außenbereichen der Gebäude deutlich lauter
werden. Mit passiven Lärmschutzmaßnahmen, wie
schallgedämmten Außenbauteilen, Schallschutzfenstern mit Lüftungseinrichtungen etc., kann im
Inneren der Gebäude dagegen ein hohes Maß an
Abschirmung erreicht werden.
Es bleibt für den weiteren Reformprozess
abzuwarten,
ob
diesbezüglich
Änderungen
vorgenommen
werden,
beispielsweise,
den
maßgeblichen Immissionsort (zumindest auch) in
den Innenraum zu verlagern und den Richtwert für
den
Beurteilungspegel
lagebezogen-individuell
festlegen zu können. Auch wird im Rahmen der
gegenwärtigen Verbändeanhörung angesichts der
höheren Nachtwerte im Urbanen Gebiet auf ein
Konfliktpotential während der Nachtrandzeiten
(etwa
durch
erste
LKW-Fahrten
oder
Gaststättenbesucher beim Verlassen eines Lokals)
über
eine
Differenzierung
zwischen
einer
Nachtkern- und einer Nachtrandzeitdiskutiert.
Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie
Neben der Einführung des Urbanen Gebiets verfolgt
der Referentenentwurf das Ziel, die Seveso-IIIRichtlinie (RL 2012/18/EU), die sog. StörfallRichtlinie, umzusetzen. Hierzu dient u.a. die
Einführung des neuen § 9 Abs. 2c BauGB, der
Steuerungsmöglichkeiten für die Ansiedlung von
Nutzungen bzw. Gebäuden in der Nähe von
2
Das „Urbane Gebiet” – Ein neuer Baugebietstyp in der BauNVO
Störfallbetrieben schafft. Der Plangeber kann dabei
u.a. festsetzen, dass diese Nutzungen bzw.
Gebäude zulässig, nicht oder nur ausnahmsweise
zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile
des
Geltungsbereichs
des
Bebauungsplans
unterschiedlich getroffen werden. Weiterhin sieht
der Referentenentwurf gezielte Festsetzungen für
bauliche und sonstige technische Maßnahmen an
Gebäuden vor, die der Vermeidung oder Minderung
der Folgen von Störfällen dienen. Insbesondere
werden ausdrücklich Differenzierungen nach Art,
Maß oder Nutzungsintensität der Gebäude oder
Anlagen ermöglicht.
Umsetzung
der
EU-Richtlinie
Umweltverträglichkeits-Vorprüfung
zur
Der Referentenentwurf sieht zur Umsetzung der
Richtlinie
2014/52/EU
die
Erweiterung
der
Umweltverträglichkeits-Vorprüfung
auf
alle
Bebauungspläne vor, die im beschleunigten
Verfahren nach § 13a BauGB aufgestellt werden.
Nach bisheriger Rechtslage ist eine solche UVPVorprüfung
für
Bebauungspläne
der
Innenentwicklung
nur
verpflichtend,
wenn
die
Grundfläche des Plangebiets zwischen 20.000 m²
und 70.000 m² beträgt. Bei einer Fläche von
weniger
als
20.000 m²
ist
derzeit
keine
einzelfallbezogene
UVP-Vorprüfung
erforderlich
(sofern es sich nicht um ein Vorhaben gem.
Anlage 1 zum UVP-Gesetz handelt, wie z.B. einen
großflächigen
Einzelhandelsbetrieb).
Zukünftig
muss die Gemeinde auch für diese Bebauungspläne
auf Grund einer Vorprüfung im Einzelfall zu der
Einschätzung gelangt sein, dass der Bebauungsplan
voraussichtlich
keine
erheblichen
Umweltauswirkungen hat.
Fremdenverkehrsgebiete
Um bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen,
beabsichtigt der Gesetzgeber, die kommunalen
Steuerungsmöglichkeiten zu Ferienwohnungen und
Zweitwohnungen auszuweiten. Zum einen werden
Ferienwohnungen
gesetzlich
definiert
und
planungsrechtlich eingeordnet (im Regelfall als
(nicht störende) Gewerbebetriebe). Zum anderen
soll
die
Bildung
von
Zweitwohnungen
(Nebenwohnungen) – auch und gerade durch die
Begründung von Bruchteilseigentum – künftig
einem (bußgeldbewehrten) Genehmigungsvorbehalt
unterliegen, der die Möglichkeit landesrechtlicher
Zweckentfremdungsverbote (wie im Land Berlin)
unberührt
lässt.
Der
DAV
hat
in
seiner
GSK Update / 16.08.2016
Stellungnahme im Interesse der Rechtssicherheit
angeregt, in Anlehnung an den Sanierungsvermerk
bei
Sanierungsgebieten
einen
„Fremdenverkehrsvermerk“
in
die
Grundbücher
der
betroffenen Grundstücke aufzunehmen.
Zeitplan des Reformvorhabens
In der gegenwärtigen Verbändeanhörung werden
neben dem veröffentlichten Referentenentwurf auch
aktuell noch nicht im Entwurf aufgenommene
Regelungsvorschläge
zur
Schaffung
einzelner
weiterer Baurechte ohne Bauleitplanung erörtert.
Inhaltlich steht etwa die „Erweiterung der
Abweichungsmöglichkeiten vom Einfügensgebot (in
unbeplanten Innenbereichen nach § 34 BauGB) auf
alle Gebäude, die Wohnzwecken dienen sollen,“ im
Fokus. Auch weitere punktuelle Zulassungserleichterungen
für
Wohnbauvorhaben
im
Innenbereich und am Ortsrand stehen zur
Diskussion. Der DAV hat in der erwähnten
Stellungnahme angeregt, ob eine Entschärfung der
Lärmschutzanforderungen
auch
für
andere
Baugebietstypen denkbar ist. Weiterhin wird zur
schnellen
Schaffung
von
(preisgünstigem)
Wohnraum vorgeschlagen, Kerngebiete i.S.d. § 7
BauNVO stärker für die Wohnnutzung zu öffnen.
Schließlich
wird
auch
die
Verkürzung
der
Geltungsdauer
einer Veränderungssperre
von
gegenwärtig vier auf zukünftig zwei Jahre erörtert.
Die Umsetzung der offenen Punkte im Rahmen des
aktuellen Reformprozesses ist mit Spannung zu
verfolgen. Das Gesetzgebungsverfahren soll nach
dem Willen der Bundesregierung noch in dieser
Legislaturperiode abgeschlossen werden.
Dr. Wolfgang Würfel
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Standort München
[email protected]
Dr. Frank-Florian Seifert
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Standort Berlin
[email protected]
Dr. Jan Bernd Seeger
Rechtsanwalt
Standort Hamburg
[email protected]
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