Deniz und der Traum vom Fliegen

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Deniz und der Traum vom Fliegen
von Alpan Sagsöz
„Juhu, gleich fliegen wir das erste Mal!“, rief Deniz und strahlte seine
Mutter an.
Als sie während dem Abflug nebeneinander saßen, drückte er ihre Hand
und schaute aus dem winzigen Fenster. In Deniz’ Bauch kitzelte es. Die
riesigen Häuser unter ihm wurden immer kleiner, bis sie wie bunte LegoSteine aussahen. Deniz fragte sich, wie so ein Eisenvogel bloß fliegen konnte. Einmal über Felder und Baumwipfel bis zum höchsten Berg fliegen –
wie schön wäre es, wenn er das auch könnte!
Gleich nachdem Deniz und seine Mutter angekommen waren, liefen sie
zum breiten Sandstrand, von dem aus man sogar eine Burg aus dem
Mittelalter sehen konnte!
Als sie in die Wellen sprangen, sagte seine Mutter: „Da drüben, Deniz,
siehst du die Bergkette? Das ist Afrika!“
„Afrika? Wirklich? Da gibt es doch Löwen und Zebras! Können wir
gleich hinüberschwimmen?“
„Nein, Deniz, es sieht nur so nah aus. Dort kommt man nur mit einem
Schiff hin“, schmunzelte seine Mutter.
„Wenn ich doch nur fliegen könnte“, dachte Deniz wehmütig.
In der Mittagshitze, als er es sich auf dem Hotelbett gemütlich gemacht
hatte, flog ein kleiner bunter Schmetterling durch das geöffnete Fenster
und dann einen schwindelerregenden Zickzack-Kurs durch das Zimmer.
„Deniz, ich bin Aglaja“, sprach der Schmetterling. „Ich habe gehört, du
willst fliegen lernen. Das ist ganz einfach, ich kann dir dabei helfen. Alles,
was du tun musst, ist bis dülf zu zählen!“
„Dülf? Nie gehört.“
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„Du kennst Dülf nicht? Dülf ist die magische Zahl zwischen zwölf und
dreizehn. Wenn du sie aussprichst, werden deine geheimsten Wünsche
wahr.“
„Oh, echt?“
„Versuche es heute Abend, wenn du alleine bist“, riet Aglaja, setzte sich
für einen kurzen Moment auf seine Nasenspitze, tat dann einen Flügel­
schlag und flog davon. Beim Abendessen schlang Deniz den Nachtisch –
ein monströses Vanilleeis mit Kirschen – in sich hinein, als ob er Teil­
nehmer bei einem Wettessen wäre.
„Was hast du es denn heute nur so eilig?“, fragte seine Mutter, bekam
aber keine Antwort.
Im Affentempo putzte Deniz dann die Zähne und schlüpfte in seinen
Schlafanzug. Er wartete, bis seine Mutter eingeschlafen war und kuschelte
sich dann in den Sessel. Sein Herz klopfte bis zum Hals. Endlich würde er
wissen, wie es war zu fliegen! Er machte sich bereit: „Eins, zwei … elf, zwölf
und dülf“, flüsterte Deniz, und – schwups! – schwebte er plötzlich über dem
Strand. „Es klappt, es klappt wirklich!“, jubelte er, während etwas vom Meer
aus auf ihn zugeflogen kam … Aglaja! Er folgte ihrem Flug, hinauf zur
höchsten Burgmauer. Von hier konnte er die Berge Afrikas sehen.
„Und dülf!“, rief Aglaja plötzlich.
Im selben Moment hob Deniz von den Zinnen ab, wie von Zauberhand
gesteuert. „Ich fliege, juhu!“, schrie er.
Gemeinsam mit dem Schmetterling flog er über das rauschende Meer
bis nach Afrika, und dort Elefanten, Löwen und Zebraherden hinterher, bis
die glutrote Sonne am Horizont unterging.
„Deniz, Deniz, aufwachen!“, rief da seine Mutter und öffnete die Vor­
hänge.