Doris Meyer-Ahlen hr1-Zusprüche Mittwoch, 17.08.2016 Gottes Gerechtigkeit „Aber das ist auch noch meiner“, ruft unsere Tochter, als der kleine Bruder den letzten Keks vom Teller nimmt. Nicht, dass sie noch keinen gehabt hätte, doch als große Schwester beansprucht sie den letzten Keks für sich, und sie kann ihrem Bruder viele gute Gründe nennen, warum das so ist. Menschen, die sehr gut wissen, was ihnen zusteht – im Bibeltext, der heute in den katholischen Gottesdiensten gelesen wird, erzählt Jesus auch von solchen Menschen. Ein Mann benötigte Arbeiter für seine Weinberge und wirbt Tagelöhner an, die einen schon morgens früh, die anderen erst mittags, weil sie immer noch keine Arbeit gefunden hatten. Die letzten beauftragt er sogar erst abends relativ kurz vor Arbeitsende. Mit allen vereinbart er denselben Lohn. Als dieser dann nach Arbeitsende ausgezahlt wird, kommt es zum Streit. Es beschweren sich diejenigen, die bereits seit morgens früh gearbeitet hatten, dass sie nicht mehr bekommen als die anderen, die für den gleichen Lohn nur zwei, drei Stunden zu arbeiten brauchten. Ist es gerecht, die ersten genauso zu behandeln wie die letzten? Ist es gerecht, wenn die Kleinen so viel bekommen wie die Großen? Berechtigte Fragen, die wir heute ganz modern als „Lohngerechtigkeit“ bezeichnen würden. Aber hier steht nicht die Lohngerechtigkeit im Mittelpunkt, die natürlich zu verteidigen und zu erkämpfen ist. Vielmehr geht es für mich in dieser Beispielgeschichte um die Zuwendung zu den sonst Letzten. Sie erhalten hier die gleiche Chance zu arbeiten und den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu erwirtschaften, wie die ersten. Es geht darum, dass ich mit Gottes Güte und Barmherzigkeit rechnen darf, auch wenn sie mir nach menschlichen Bewertungsmaßstäben nicht oder allenfalls eingeschränkt zusteht. Es ist die grenzenlose Güte Gottes, die hier der Missgunst und dem Neid von manchen Menschen gegenübersteht, die so von vermeintlich ersten zu letzten werden. Dabei wäre es an der Zeit, sich an der Zuwendung Gottes zu allen zu freuen, sich daran zu freuen, dass auch der letzte reich ausgestattet wird und so in der Fülle leben darf. Und für mich fängt diese ganz andere Gerechtigkeit Gottes auch schon beim Kekseteilen an. Zum Nachhören als Podcast: http://www.hr-online.de/website/radio/hr1/index.jsp?rubrik=19034
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