Heimatkunde: Offenbach Rat` mal!

Zuhause
Nr. 05 September • Oktober 2016
Heimatkunde: Offenbach
„Es ist schon absurd: Nirgendwo habe ich so lange gelebt wie ausgerechnet in Offenbach, 17 Jahre jetzt“, erzählt Hessenschau-Moderator Holger Weinert. Sein Hund Paula sei
schuld daran gewesen. „Ihr gefiel die Feldrandlage, und zur Frankfurter Stadtgrenze waren es
nur 150 Meter.“ Seine sieben Tipps für die Stadt am Main.
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Die ersten Jahre sah mich niemand in der kleinen City von Offenbach.
Dann entdeckte ich den Wochenmarkt und habe seitdem keine Probleme
mehr mit Massentierhaltung und industrieller Landwirtschaft, denn mein Metzger dort kommt
aus der Schwalm und kennt die Herkunft eines jeden Tieres. Die Stadt ist so normal geblieben.
Bin ich jetzt mal in der Frankfurter Goethestraße, fremdele ich. Zum Ruhetanken gehts an den
Main. Gern dann zum Offenbacher Ruderverein. Der liegt allerdings auf der Frankfurter Seite.
Mit Blick auf Offenbach.
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Kassel
Bad Hersfeld
Herborn
Kaum vorstellbar für heutige Frankfurter, dass ausgerechnet der
berühmteste Sohn der Stadt so oft in Offenbach war. Er traf sich hier
im Gartenhaus mit seiner Verlobten Lili Schönemann. Lili war die
Tochter eines vermögenden Frankfurter Bankiers. Ihre Mutter entstammte einer adeligen Hugenottenfamilie, die gemeinsam mit der
Familie Bernard eine „Fürstlich Isenburgsche privilegierte Schnupftabakfabrik“ in Offenbach betrieb. Geld also war vorhanden. Und
Goethe war ja ein ziemlicher Heißsporn. Und die Verschwiegenheit des
kleinen Pavillons, der damals direkt am Ufer lag, war verführerisch.
Natürlich bedichtete er das:
Sie streicht ihm mit dem Füßchen übern Rücken;
Er denkt im Paradiese zu sein.
Wie ihn alle sieben Sinne jücken!
Und sie - sieht ganz gelassen drein.
Gleiberger Land
Gießen
Fulda
Der Wilhelmsplatz
Für welches Gemüse ist die Stadt im südhessischen Ried berühmt?
(B) Grünkohl
(A) Spargel
(J) Kartoffel
Biedensand am Lampertheimer Altrhein mit Auwäldern und Schilfflächen ist das drittgrößte Naturschutzgebiet Hessens. Dort leben zum Beispiel
(P) Kormorane
(C) Flamingos
(S) Geier
Wie jede Stadt von Rang und Namen, die am Fluss liegt,
verfügt jetzt auch Offenbach über ein nagelneues
Hafenviertel. Die Erwartungen waren nicht groß und
wurden bei weitem übertroffen. Die Treppe zum Wasser
verbreitet Sommerfeeling. Der neue Italiener wird blendend angenommen. Und im Vergleich zum Frankfurter
Westhafen ist hier alles noch gerade so bezahlbar. So
wird die Großstadt, die unmittelbar an Frankfurt grenzt,
langsam zur Konkurrentin. Aber das gab’s schon mal:
als Offenbach noch den Großherzögen von Hessen und vorher den Fürsten von Isenburg
gehörte. Daher rührt die alte Feindseligkeit.
Um den Lampertheimer Dom herum findet jährlich
im Mai ein großes Ereignis statt.
(F) Der Lampertheimer Autosalon
(H) Das südhessische Schilfflötentreffen
(I) Das rheinische Strohrennen
Die Stadt Lampertheim
(O) wurde auf sieben Hügeln gegründet
(E) liegt im Drei-Länder-Eck
(U) hat hundert Brücken
Türkçe Offenbach
Offenbach
Hessenweit vor Ort:
alle hr-Regionalkorrespondenten und
hr-Studios im Überblick
unter www.derhr.hr.de
Frankfurt
Wiesbaden
Darmstadt
Michelstadt
Die Fußgängerbrücke ins Nichts
Wie in so mancher hessischen
Großstadt wurde auch in
Offenbach alles getan, um die
vor dem Krieg architektonisch
hochwertige Stadt maßlos zu
verhunzen. Die Siebziger Jahre, ja. Teilweise sind die seelenlosen und billigen Hochhäuser aus Spekulantenhand schon wieder abgerissen. Aber nicht alle. Und so ragt
aus einem eine „abgesägte“ Fußgängerbrücke. Wie ein Mahnmal, Aussage in etwa:
So irrsinnig waren wir vor vierzig Jahren, aber wir haben es eingesehen, bessern uns.
Das nächstgelegene Weltkulturerbe ist
(L) das Kloster Lorsch
(N) der Dom zu Speyer
(R) der Kaiserdom in Worms
Tja, das darf nicht fehlen: Offenbach ist die Großstadt mit
dem höchsten Migrantenanteil in Deutschland. Über 50
Prozent, die meisten Türken. Es gibt gute türkische Restaurants. Und jede Menge türkische Läden: einen Burka-Laden,
wo früher ein traditionelles Haushaltsgerätegeschäft war.
Möbel und überall Vasen,
Spiegel, Uhren der – ich sag’s einfach – für
uns ziemlich kitschigen Art. Die Mode ist
ganz anders als auf der Frankfurter Zeil:
sehr farbenfroh vorderorientalisch, für die
Frau mit oder ohne Kopftuch. Die Herrenmode schillernd mit hautengen Hosen.
Das könnte noch Schule machen.
Fisch vom
Griechen
Den Tipp hat mir mal der heutige hessische Wirtschaftsminister und Offenbacher Bürger
Tarek Al-Wazir gegeben: „Den
besten Fisch in größter Auswahl findest du beim Griechen am Wilhelmsplatz.“ Wie wahr! Und so frisch! Auch die
Theke mit Wurst und Käse aus Italien. Früher war es mein schönstes Ferienerlebnis, einen italienischen Alimentari in einem abgelegenen Küstenort aufzusuchen und Mortadella zu ordern. Heute
hab ich das, so oft ich will, in Offenbach. Der Laden ist von alter,
südländischer Einfachheit. Aber er hat sich herumgesprochen.
Samstags ist es hier richtig voll.
„Herrliches Hessen“: Das hr-fernsehen geht
wieder auf Entdeckungstour und zeigt neue
Folgen. Am 6. September erkundet Moderator
Dieter Voss Lampertheim. Wie es um Ihre
Grundkenntnisse zum Thema Lampertheim
steht, können Sie vorab schon mal hier testen.
Offenbach, lange nur verschrien, ist plötzlich hip. Das liegt an der jungen und kunterbunten Szene der Hochschule für
Gestaltung. An immer mehr Frankfurtern,
die zum Teil direkt aus dem viel zu teuren
Nordend kommen. Die S-Bahn ist in sieben
Minuten an der Frankfurter Konstablerwache. Noch ist Offenbach bezahlbar, etwa
die rund 150 unzerstörten Altbauten rund
um den Wilhelmsplatz, der Treffpunkt
hier. Dienstag, Freitag und Samstag ist
Wochenmarkt, fast alles vom Erzeuger. Abends werden die hippen Restaurants besucht.
Ein Hauch von Berlin-Neukölln.
Limburg
Büdingen
Der Mainbogen
Offenbach hat einen klaren Lagevorteil – es liegt am Main, und sogar mit
den Stadtteilen Bürgel und Rumpenheim am Mainbogen. Tausende Radfahrer streben hier jedes Wochenende
Richtung Hanau-Steinheim und Seligenstadt. Der Fluss bekommt gleich
hinter dem Stadtzentrum eine fast
englische Anmutung – fließt durch unerhört viel Grün, das schließlich, scheinbar
fern von jeder Großstadt, den Blick zum Taunus freigibt. Ein Paradies auch für
Wakeboarder und Freunde des Wasserskis.
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Rat’ mal!
Der Hafen
Zu den in blau eingetragenen Städten gibt
es bereits eine „Heimatkunde“; zu finden unter
hr-journal.hr.de
Lili-Tempel
Zuhause
Nr. 05 September • Oktober 2016
Lösungswort
„Herrliches Hessen“
Fotos: pa/dpa(2), Colourbox.de (1), hr (11)
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Die spannendsten Geschichten liegen oft um die Ecke.
Das beweist Woche für Woche auch die Sendereihe
„Herrliches Hessen“. Vorgestellt werden hessische Städte
oder Landstriche und Menschen, die dort leben. Im
Gespräch mit Moderator Dieter Voss erzählen sie von
ihren ungewöhnlichen Berufen oder Hobbys. „Diese
Begegnungen – vom international tätigen LeicaManager bis zum Rhön-Schäfer – sind für mich jedes
Mal ein Erlebnis“, sagt Dieter Voss. Und Axel Mugler,
Redakteur der Sendung, fügt hinzu: „Ich denke manchmal, ich kenne nach all den Jahren auch den hintersten Winkel Hessens. Und dann recherchieren und
planen wir für eine neue Folge, und ich entdecke doch
wieder etwas Neues.“
„Herrliches Hessen“ – neue Folgen: Lampertheim (6. Sept.), Knüll (13. Sept.), Butzbach (20. Sept.) Wanfried an der Werra (27.
Sept.), Haiger (22. Nov.), Usingen (29. Nov.),
entlang des Neckars (6. Dez.), FrankfurtSachsenhausen (13. Dez.)., hr-fernsehen,
dienstags, 20.15 Uhr, nach Ausstrahlung
auch unter www.herrlicheshessen.hr.de