Tagungsdokumentation gefördert vom Facharbeitskreis für interkulturelle Väterarbeit Seite 2 Fachtagung: Frag doch Papa! Einleitung Die vorliegende Publikation ist eine Dokumentation der Fachtagung „Frag doch Papa! Interkulturelle Väterarbeit in NRW. Erprobt. Erforscht…Verankern vom 30. Oktober 2014. Die Tagung war eine gemeinsame Veranstaltung der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) und des „Facharbeitskreises der interkulturellen Väterarbeit in NRW“ unter der Schirmherrschaft des Staatssekretärs für Integration im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAIS NRW) Thorsten Klute. Auf der Tagung wurden Zwischenergebnisse des Evaluationsprojektes mit Vertreterinnen und Vertretern aus Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Bildungseinrichtungen, Migrantenorganisationen, Initiativen, wissenschaftlichen Einrichtungen und weiteren Interessierten diskutiert und der Öffentlichkeit präsentiert. Nach den Begrüßungs– und Eröffnungsreden wurden im ersten Teil der Tagung die Zwischenergebnisse in einem Impulsvortrag vorgestellt und im moderierten Dialog als Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis diskutiert. In vier Workshops mit verschiedenen Themen der Väterarbeit tauschten rund 200 Gäste ihre Erfahrungen aus, entwickelten neue Ideen und stellten best-practice-Ansätze in den verschiedenen Feldern vor. Seite 3 Interkulturelle Väterarbeit in NRW Begrüßungsrede Andreas Bomheuer, Kulturdezernent Essen Sehr geehrter Herr Staatssekretär Klute, sehr geehrter Herr Prof. Uslucan, sehr geehrte Mitglieder des Facharbeitskreises für interkulturelle Väterarbeit, meine Damen und Herren, auch im Namen der gastgebenden Volkshochschule (VHS) begrüße ich Sie als Geschäftsbereichsvorstand für Kultur, Integration und Sport der Stadt Essen ganz herzlich zur Fachtagung „Interkulturelle Väterarbeit in NRW“ hier in der Volkshochschule Essen. land nicht mehr mit einer einzigen „deutschen“ Kultur zu tun haben. Stattdessen leben wir in einer vielfältigen Gesellschaft, deren Zusammenhalt insbesondere davon abhängt, inwieweit es den Menschen gelingt, sich interkulturell zu öffnen und zu verständigen. Zum anderen hängt unsere nationale wie kommunale Zukunft davon ab, gute Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Familien zu bieten, egal ob deren Mitglieder einen Migrationshintergrund haben oder auch nicht. Gute Rahmenbedingungen sind etwa eine materiell ausreichende Versorgung, den Bedarf deckende Kindertagesstätten, die auf die modernen Arbeitsbedingungen eingehen, gut ausgestattete Bildungseinrichtungen und natürlich ein interkultureller Ansatz: Denn rund ein Drittel der Kinder in Deutschland haben inzwischen einen Migrationshintergrund – Tendenz steigend! In vielen Familien liegt die Verantwortung für die Erziehung der Kinder bei den Müttern und auch in den Kindergärten und Kindertagesstätten sind immer noch 97 % der Fachkräfte weiblich. Es ist der Verdienst des Facharbeitskreises „Interkulturelle Väterarbeit NRW“, der der VerGestatten Sie mir vorab eine Bemerkung als Kulturdezeranstalter dieser Tagung ist, Väter mit verschiedenen kulnent. Ich gehe von einem Verständnis des Begriffs Kultur turellen Hintergründen für eine stärkere Beteiligung an aus, der sich nicht nur auf Kunst beschränkt. Kultur ist der Erziehung ihrer Kinder und für die Mitwirkung in Kinvielmehr ein Normen- und Wertesystem, nach dem wir dergärten, Kindertagesstätten und Schulen zu gewinnen: unsere Gemeinschaft organisieren, sie ist die Art und Beratungsangebote für interessierte Väter, VätergrupWeise, wie wir mit der Natur, mit unseres Gleichen wie pen, erlebnisorientierte Angebote für Väter und Kinder mit uns selbst umgehen. Sie ist so verstanden der Schlüsoder Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen sel für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und für sind einige Beispiele für spezifische Angebote, die dazu die Entwicklung der Persönlichkeit eines jeden Einzelnen. beitragen sollen, auch die Väter „ins Boot zu holen“. Und Damit verbunden ist auch das Rollenverständnis, z. B. es ist ebenso dem Land Nordrhein-Westfalen (NRW) zu von Müttern oder Vätern. Deutlich herausstellen möchte verdanken, dass es diese Projektansätze finanziell förich, dass die sich Kultur jeder Gesellschaft immer wieder dert. verändert und wandelt. Die Kulturgeschichte ist immer auch eine Geschichte des kulturellen Wandels. Wir in Essen haben in der letzten Legislaturperiode die Das Thema dieser Fachtagung bietet in zweierlei Hinsicht Ansätze, die für die Öffnung der deutschen Gesellschaft gegenüber modernen Entwicklungen stehen: Zum einen liegt dem Tagungstitel die inzwischen weithin akzeptierte Einschätzung zugrunde, dass wir es hier in Deutsch- interkulturelle Öffnung der Stadtgesellschaft, aber auch in der öffentlich-rechtlichen Verwaltung verabredet. Dabei ist uns wichtig, dass wir Integrationspolitik als Querschnittsaufgabe verstehen und die bisher geschaffenen Parallelstrukturen abschaffen. Es liegt in der Verantwor- Fachtagung: Frag doch Papa! Seite 4 tung eines jeden Einzelnen wie auch des einzelnen Fachbereichs der Stadtverwaltung, sich interkulturell zu öffnen und das als eine wesentliche Aufgabe zu verstehen. Das Ziel der heutigen Tagung, die interkulturelle Väterarbeit in der Kommune zu verankern, unterstützt die Stadt Essen uneingeschränkt, da es sich unsere Stadt in einem größeren Zusammenhang schon zur Aufgabe gemacht hat, die verschiedenen städtischen Bereiche – von den Kindertagesstätten und Kindergärten über die Schulen bis hin zu den städtischen Ämtern und Behörden – interkulturell zu öffnen, mit dem Ziel, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken und damit noch attraktiver für die hier lebenden oder noch zuziehenden Menschen und Familien zu sein. Die Volkshochschule ist in vielerlei Hinsicht ein idealer Ort für dieses Tagungsthema: Auf der Grundlage der Prinzipien der Volkshochschulen – Offenheit, Pluralität, Internationalität, Mehrsprachigkeit sowie der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Kulturen – kann man hier tagtäglich in Integrationskursen und Schulabschlusskursen, aber auch bei Einbürgerungstests und beruflichen oder sprachlichen Fortbildungskursen erleben, wie Kursteilnehmende unterschiedlichster Länder und Kulturen im wahrsten Sinne des Wortes „inter-kulturell“ miteinander umgehen – und dies mit großem Bildungserfolg auch gelingt! Die interkulturelle Eltern- und Familienbildung ist seit längerer Zeit schon wichtiger Bestandteil der Volkshochschularbeit. Die VHS hilft zugewanderten Eltern dabei, ihre Erziehungskompetenz in diesem für sie fremden Bildungs- und Ausbildungssystem weiterzuentwickeln und die Aufstiegschancen ihrer Kinder zu verbessern. In Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen werden zugewanderte Eltern gestärkt und das interkulturelle Lernen wird gefördert. Ein gelungenes Beispiel für diese interkulturelle Elternbildung an der VHS Essen sind die SIMBA-Projekte, die Eltern mit und ohne Migrationshintergrund Sprach-, Alltags-, Sozial- und Erziehungskompetenzen vermitteln. SIMBA (= „Sprachförderung Integrieren Miteinander Bildung Anstreben“) ist jedoch nur ein Beispiel für interkulturelle Elternbildung. Seit dem Jahr 2000 realisiert die VHS Essen mit unterschiedlichen Kooperations- partnern verschiedene Elternbildungsangebote. Hierbei werden jeweils passgenaue Konzepte entwickelt, die die unterschiedlichen Bedarfe der Zielgruppe berücksichtigen. Einige modellhafte Beispiele hierfür sind: Schulentwicklung Interkulturell, Treffpunkt Schulstart, Sprachförderung und Elternbildung, Bildung Hand in Hand sowie VHS begleitet Bildung. Pro Jahr gibt es bei der VHS Essen zwischen 15 und 20 Elternbildungsangebote mit insgesamt ca. 300 Teilnehmenden. Der Leiter einer kooperierenden Schule fasst seine Erfahrungen mit der VHS Essen wie folgt zusammen: „Durch regelmäßige und passgenaue Sprachförderung und Elternbildung verändert sich die Schullandschaft. Eltern partizipieren zunehmend am Schulleben, wovon in erster Linie die Kinder, aber auch die Schule selbst profitiert, ermöglicht dies doch die Zusammenarbeit mit den Eltern, langfristig gemeinsame Erziehungsstile anzusteuern.“ Aber trotz der großen Erfolge dieser Angebote muss auch bei diesen Projekten festgestellt werden, dass die meisten Teilnehmenden Frauen waren und die Väter eher die Ausnahme. Insofern wird die Tagung dabei helfen können, diese geschlechtliche Unausgewogenheit zu diskutieren und im Dialog zwischen Vertretern von Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Bildungseinrichtungen, Migrantenselbstorganisationen, Initiativen und wissenschaftlichen Einrichtungen neue Ideen für die interkulturelle Väterarbeit zu entwickeln. Dafür möchte ich mich bei den Tagungsorganisatoren, den Mitgliedern des Facharbeitskreises für interkulturelle Väterarbeit NRW sowie den zuständigen Mitarbeitern der Volkshochschule Essen ganz herzlich bedanken und wünsche der Tagung einen produktiven und erfolgreichen Verlauf. Seite 5 Interkulturelle Väterarbeit in NRW Eröffnungsrede Thorsten Klute, Staatssekretär für Integration im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen Sehr geehrter Herr Bomheuer, sehr geehrte Frau Prof. Westphal , sehr geehrte Frau Dr. Kaluza sehr geehrte Frau Dr. Otyakmaz, sehr geehrter Herr Prof. Uslucan, sehr geehrte Damen und Herren, auch ich begrüße Sie hier und heute ganz herzlich! Ich erinnere mich gut an einen meiner ersten Tage als Staatssekretär für Integration in Düsseldorf. Das ist jetzt knapp ein Jahr her. Damals besuchte ich die Integrationsabteilung und versuchte, mir einen ersten Überblick über die verschiedenen Arbeitsansätze zu verschaffen. Sofort und voller Überzeugung habe ich zugesagt, als man mich fragte, ob ich die Schirmherrschaft für das interkulturelle Väternetzwerk in NRW übernehmen wolle. Seitdem lasse ich mich regelmäßig über die Arbeit informieren. Und bin weiterhin sehr überzeugt! Die interkulturelle Väterarbeit ist ein Gewinn für NRW! In dem Ansatz stecken noch viele Entwicklungsmöglichkeiten. Welch großes Interesse es an Erfahrungen aus der Praxis und der Diskussion guter Konzepte gibt, verdeutlicht die Resonanz auf die heutige Veranstaltung. Unser Landeskoordinator, Herr Gollmer, hat es gesagt: In den letzten Jahren wurden in NRW an verschiedenen Standorten Konzepte interkultureller Väterarbeit „erprobt“. Mit der heutigen Veranstaltung sollen die erprobten Erfahrungen der bisherigen Arbeit an Sie alle weitergegeben werden. Natürlich hoffen wir dabei auf viele Nachfolgeprojekte. Schauen Sie hier ruhig einmal ab! Für das Gelingen von Erziehung ist neben der mütterlichen die väterliche Präsenz unerlässlich. Grundsätzlich wissen dies natürlich alle Väter! Damit ist aber noch lange nicht geklärt, wie Väter sich einbringen können oder einbringen sollen. Mal ganz abgesehen davon, wie sie sich einbringen wollen! Väter fehlen oft in der Erziehung und pädagogischen Praxis . Das gilt für alle Väter! Da ist noch einiges zu tun. Wir haben das Feld der Erziehung viel zu lange komplett den Frauen (nichts gegen sie) überlassen. Beim frühen Aufwachsen von Kindern fehlen auch außerhalb der Familie eher männliche Bezugspersonen oder Vorbilder. Der Anteil von Männern, die als Fachkräfte in der frühen Bildung arbeiten, ist immer noch sehr gering. Das gilt auch weiterhin für Grundschulen und den Ganztag. Die letzte große Befragung von Vätern „Meinungen und Einstellungen der Väter in Deutschland“ (forsa) aus dem Jahr 2013 verdeutlicht die schwierige Ausgangssituation für die Väter. So möchten sie laut der Studie mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Zugleich sind aber 89 % der Väter voll berufstätig. Besonders Väter mit kleinen Kindern und Väter, die mehrere Kinder haben, beklagen, dass sie zu wenig Zeit für ihre Kinder haben und dass der finanzielle Druck, häufig auch als Alleinverdiener, erheblich ist. Wenn wir zugleich wissen, wie wichtig die väterliche Bezugsperson für das Aufwachsen des Kindes ist, dann benötigen wir dringend Handlungsansätze, wie wir sie heute hier vorstellen werden. Familienpolitik gehört nicht originär zu den Handlungsfeldern des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales. Die umfassenden Fachkenntnisse in diesen Themen haben die Kolleginnen und Kollegen im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport bei Frau Ministerin Ute Schäfer. Ich begrüße es daher sehr, dass beide Ressorts bei dem Thema, mit dem wir uns heute beschäftigen, eng zusammenarbeiten. Familien mit Migrationshintergrund sind für das MFKJKS (www.familieundberuf.nrw.de) selbstverständlich eine wichtige Zielgruppe. Auch bei der Väterarbeit besteht ein enger Austausch zwischen dem Facharbeitskreis der interkulturellen Väterarbeit und dem Väterportal. Seite 6 Fachtagung: Frag doch Papa! Warum haben wir in NRW trotzdem einen eigenen Ansatz der interkulturellen Väterarbeit entwickelt? Bei den Vätern mit Migrationshintergrund spielen noch einige weitere Aspekte eine entscheidende Rolle: Wesentlich ist die vielfach in der Öffentlichkeit verbreitete Auffassung, dass Väter mit Migrationshintergrund sich nicht für die Erziehung und Bildung ihrer Kinder interessieren. Dass dies höchstens auf einen ausgesprochen kleinen Teil von Vätern oder Eltern zutrifft, wird häufig nicht wahrgenommen. Wir wissen, dass alle Eltern, egal welcher Herkunft sie sind, das Beste für ihr Kind wollen! Die große Mehrheit der Väter interessiert sich sehr wohl dafür und möchte sich einbringen. Viel häufiger geht es um Unsicherheiten, wie man sein Kind am besten begleitet, was Kita oder Schule erwarten usw. In der öffentlichen Diskussion muss das Engagement der Väter und Familien, ihre große Lebensleistung, noch viel deutlicher vermittelt werden. Direkt hiermit verbunden ist das lange Zeit auch in der Integrationsarbeit vermittelte Bild, dass vor allem die Migrantinnen benachteiligt sind und dass man sie unbedingt durch entsprechende Programme bestärken muss. Die durchaus richtige Analyse hat allerdings dazu geführt, dass sich fast alle Konzepte an Frauen richten. Ein Programm wie z. B. Rucksack Kita oder Rucksack Schule wird entsprechend zu über 90 % von Frauen besucht. Für Frauen gibt es spezielle Deutschkurse usw. Die Potenziale der Väter wurden wenig gesehen und noch weniger wurden entsprechende Konzepte auf ihre speziellen Bedürfnisse abgestimmt. Und dass sich die Konzepte tatsächlich unterscheiden, werden Sie im Laufe des Tages nachvollziehen können. Ich bin daher sehr froh, dass das Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung uns die Zwischenergebnisse der Praxisforschung zur nachhaltigen Entwicklung interkultureller Väterarbeit vorstellen wird. Die Praxisforschung bezieht sich unter anderem ganz wesentlich auf die Aussagen der Väter selbst. Eine solche Forschung, die auch sehr gezielt die Potenziale und Wünsche der Väter in den Blick nimmt, fehlte bisher. NRW leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des Ansatzes. Ich hoffe sehr, dass hiervon viele Regeleinrichtungen in NRW, aber auch in anderen Bundesländern profitieren werden. Wir wollen auch in Zukunft darauf setzen, dass wir mit den Vätern sprechen und sie aktiv einbeziehen. Sie benötigen Begleitung, keine Bevor- mundung! Dabei reden wir uns die Lebenslagen der Familien mit Migrationshintergrund nicht schön. Noch immer bestehen erhebliche Unterschiede. Das betrifft fast alle sozialen Belange wie etwa Beschäftigung, Bildung, den Übergang in die Ausbildung, das Familieneinkommen, die gesundheitliche Situation und die Wohnraumversorgung. Wir haben erhebliche Fortschritte gemacht, aber wir werden weiter engagiert dafür eintreten, dass in NRW Chancengerechtigkeit herrscht. Am besten gelingt uns dies, wenn wir präventiv arbeiten. Seit dem 1.1.2012 ist in NRW das Teilhabe- und Integrationsgesetz in Kraft. Es wurde vom Landtag ohne Gegenstimmen verabschiedet. Es steht für den parteiübergreifenden integrationspolitischen Grundkonsens in NRW. Dieser Konsens ist für den sozialen Frieden von herausragender Bedeutung. Er besagt: Unser gemeinsames Land NRW war und ist ein Land der Vielfalt. Wir nehmen sie als Chance und Herausforderung an. Damit Menschen mit Migrationshintergrund hier in Frieden und mit gleichberechtigten Chancen zur Partizipation an der Gesellschaft teilnehmen können, tun wir einiges: Es wurde eine flächendeckende Integrationsinfrastruktur geschaffen mit Kommunalen Integrationszentren und Integrationsagenturen. Jeder Vater, der bei aktuellen Fragen Unterstützung und Rat findet, leistet einen erheblichen Beitrag für das gute und gesunde Aufwachsen der nächsten Generation. Er ist im besten Sinn Vorbild für unsere Gesellschaft. Das Gemeinwesen ist auf die Mitwirkung angewiesen, der Staat allein kann Integrationsarbeit nur bedingt leisten. Wir können und wollen allerdings den Rahmen stellen und Menschen dabei unterstützen, dass sie sich einbringen. Ich würde mich freuen, wenn viele von Ihnen aus der heutigen Veranstaltung Impulse für die eigene Arbeit mitnehmen. Verankern Sie diese Ansätze in ganz NRW! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen erfolgreichen Tag. Seite 7 Interkulturelle Väterarbeit in NRW Impulsvortrag: „Das Potenzial der Väterarbeit“ Prof. Dr. Hacı-Halil Uslucan, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung Zwischenergebnisse Vielen, vielen Dank für die sehr freundliche Einführung. Vielen Dank, dass Sie so zahlreich hier sind und keine anderen verlockenden Alternativen gewählt haben. Vielen Dank an das Ministerium, das es möglich macht, dass wir dieser Thematik nachgehen können. Danke an den Facharbeitskreis Interkulturelle Väterarbeit, der zum Gelingen und zu einer sehr guten Zusammenarbeit beigetragen hat. Auch dem Hausherren, der Volkshochschule Essen, ist zu danken, dass wir hier sein dürfen; und nicht zuletzt danke ich ganz herzlich meinem Team, Mitarbeitern des ZfTI, die ja seit heute fünf Uhr unterwegs sind, allen voran Yıldız Özcan. Wie immer im Hintergrund: Meral Özten, Nejla Sama, Michael Tunç und last, but not least – ich glaube auf seinen Schultern lag die ganz, ganz große Arbeit – Cem Şentürk: Ihnen sei ganz, ganz herzlich gedankt. Ohne Sie hätten wir die Veranstaltung hier nicht. Ja, die Veranstaltung hat den Titel „Frag doch Papa“. Ich werde Ihnen gleich zeigen, wie es sein kann, wenn man Papa fragt. Was heißt das, „Fragen“? Heidegger hat einmal sehr schön gesagt: „Denn das Fragen ist die Frömmigkeit des Denkens.“ Wir sehen, wie poetisch man auch Fragen behandeln kann. Die Psychologen verstehen unter Fragen etwas Nüchternes: Fragen als Zugang zu den kognitiven Ressourcen sozialer Koakteure. Da bin ich bei meinem Moderator, der vorhin erwähnt hat, wie man einfache Dinge auch sehr, sehr kompliziert sagen kann. Die Antwort hätten Sie, wenn Sie einen Psychologen fragen, was denn Fragen sei. Er würde sagen, das ist der Zugang zu den kognitiven Ressourcen sozialer Koakteure. So weit will ich es nicht kommen lassen. Ich bin Herrn Klute dankbar; ein, zwei Punkte haben Sie schon sehr pointiert erwähnt. Ich möchte auf drei wesentliche Punkte eingehen: Die Rolle und Relevanz von Vätern bei der Entwicklung, dann noch mal zuspitzen auf die Frage „Väter mit Zuwanderungsgeschichte“ und wesentlich die Ergebnisse der Evaluation Interkultureller Väterarbeit in NRW. Frei nach G. Bateson, das ist in seinem Buch „Geist und Natur“ hinten abgebildet, möchte ich Ihnen zeigen, wie es manchmal laufen kann, wenn Väter und Söhne im Dialog sind. Da fragt nämlich ein Sohn den Papa. Frag doch Papa, der nimmt es wörtlich. S.: Papa, sind Väter eigentlich immer schlauer als die Söhne? P.: Ja, klar. S.: Papa, kann ich dich noch was fragen? P.: Ja, was denn? S.: Wer hat eigentlich die Dampfmaschine erfunden? P.: James Watt. S.: Papa … P.: Ja, was denn schon wieder? S.: Warum hat sie eigentlich nicht James Watts Vater erfunden? Also wenn man Papas fragt, kann auch so etwas kommen. Wenn man generell Familien mit Zuwanderungsgeschichte betrachtet, so gibt es in der Literatur, wenn man sie sehr grob zusammenfasst, zwei Kernzugänge, Kernparadigmen: Das eine ist immer wieder die Konflikthypothese, bei der davon ausgegangen wird, dass Seite 8 Fachtagung: Frag doch Papa! in Migrantenfamilien, in Familien mit Zuwanderungsgeschichte die Spannungen bzw. die Eltern-KindSpannungen deutlich stärker sind als bei Einheimischen. Das wird behauptet dadurch, dass Generationen- und Kulturkonflikte sich überlappen würden. Das ist ein gängiger Topos aus den 1980er- und 1990er-Jahren: „Zerrissen zwischen zwei … „. Wenn Sie anhand dieser Begrifflichkeit die Literatur wälzen, so etwa „türkische Mädchen zwischen zwei Stühlen“, „zwischen zwei Welten“, „zwischen zwei Kulturen“ etc… „Zwischen zwei“ drückt aus, dass dazwischen viel Spannung liegt und zum Teil die Antagonismen nicht versöhnt werden können. Das ist eine oft behauptete These. In der neueren Forschung gibt es aber mehr Hinweise auf die Solidaritätsthese, und zwar dahingehend, dass gerade in Migrantenfamilien die Verbundenheit der Generationen, auch das Helfen untereinander, das Unterstützen, deutlich stärker ausgeprägt ist. In den Forschungen von Nauck und seinen Mitarbeitern ist gezeigt worden, dass in der zweiten Generation beide Thesen berechtigt sind, dass dort sowohl mehr Konflikte vorhanden sind als auch eine stärkere Verbundenheit. Wir erleben heute beide Aspekte in der dritten und der vierten Generation von Zuwanderern. Also ich wäre die klassische zweite Generation, mein Vater ist 1971 als klassischer Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, wir sind 1973 nachgezogen. Was haben Väter für eine Rolle? Ich will von meiner eigenen Profession berichten. Ich bin von Hause aus Entwicklungs- und pädagogischer Psychologe, freue mich deshalb auch, dass ich mit Frau Otyakmaz eine Kollegin hier habe, die die dieselbe Profession hat. Was zeigt die Entwicklungspsychologie? Sie zeigt, dass vor allem für die kognitive Entwicklung der Kinder Väter eine spezifische Rolle spielen; und zwar zeigt die Forschung seit den 1980er-Jahren, dass die kognitive Entwicklung von Kindern durch Väter stärker stimuliert wird. Das hat einen relativ einfachen Hintergrund. Mütter sind deutlich vorsichtiger, sind behütender. Sie lassen Kinder beispielsweiseweniger an durchaus gefährlichen Spielen teilnehmen. Väter werfen sie manchmal hoch, dann fangen sie sie wieder auf. Sie spielen mit ihnen in deutlich gefährlicheren Arealen, erlauben ihnen mehr Exploration und dadurch fördern sie, stimulieren sie die kognitive Entwicklung viel stärker. Vor allem scheinen Väter auch stärker aufgabenorientierte Thematiken, aufgabenorientierte Spiele zu spielen, was die Kompetenz fördert. Allerdings haben Forschungen auch gezeigt, dass nicht nur allein die Kompetenzförderung, sondern auch Grenzen setzen wichtig ist. Schneewind hat mal sehr schön gesagt „Freiheit in Grenzen“; das bezeichnet den typischen bzw. zeitgemäßen Erziehungsstil: sowohl Freiheit geben als auch Grenzen setzen. Ein Vater, der einerseits die Unabhängigkeit des Kindes fördert, aber andererseits kompetent ist und Grenzen setzt. Das bringt die besten Voraussetzungen für die geistige Entwicklung von Kindern. Darüber hinaus haben Väter, vor allem für ihre Söhne als Identifikationsfigur eine Relevanz. Für Mädchen bieten sie ein Forum, um gegengeschlechtliche Verhaltensweisen zu erlernen. Darüber hinaus hat die Forschung gezeigt, dass das gemeinsame Aufwachsen von Vorteil ist, also wenn Vater und Mutter vorhanden sind. Das sage ich jetzt nicht aus moralischem oder normativem Impetus heraus, sondern aus einer psychologischen Perspektive; denn dort, wo eine größere Heterogenität und eine breite Vielfalt in der Erziehung ist, gibt es mehr Entwicklungsimpulse. Denn selten haben Vater und Mutter dieselben erzieherischen Vorstellungen, dieselben erzieherischen Anforderungen. Dort, wo die Heterogenität größer ist, sind auch die Bedingungen, dass das Kind mehr austarieren muss, mehr eine Synthese, eine lebbare Synthese für sich bilden muss, besser. Das heißt, dort ist die intellektuelle Stimulierung deutlich größer, als wenn es nur ein einigermaßen überschaubares Erziehungsziel gibt. Vor allem scheint sich die Abwesenheit des Vaters im Grundschulalter enorm belastend auszuwirken, bis zum Alter von acht bis zehn Jahren. Dabei zeigt die Forschung, dass sich die sehr frühen Abwesenheit des Vaters durch Trennung stärker auswirkt als die Abwesenheit durch Tod des Vaters. Auch das ist in verschiedenen Studien mehrfach belegt worden, weil Kinder möglicherweise die Abwesenheit des Vaters durch Trennung auf sich selbst beziehen, „Vielleicht war ich kein gutes Kind“, „Vielleicht war ich nicht liebenswürdig genug“, „Vielleicht habe ich eine Mitschuld“ etc., weil manchmal Konflikte um das Kind ausgetragen werden, Kinder das dann stärker internalisieren, während bei der Abwesenheit des Vaters durch Tod dieses nicht auf Interkulturelle Väterarbeit in NRW das eigene Versagen zurückgeführt wird und hier die Solidarität, der Rückhalt der Familie, der gesamten, der erweiterten Familie, auch der Familie des Vaters, des gestorbenen Vaters, viel stärker präsent ist. Das ist ein sehr interessanter Befund. Die Relevanz und Bildung der Mutter sind ein ganz, ganz starker Aspekt, das zeigen alle Entwicklungsstudien. Aber der Vater hat auch einen eigenständigen Beitrag. Auch das ist vor allem in der neueren Forschung deutlich geworden, die zeigt, dass für das psychologische Wohlbefinden der Kinder ein signifikanter Beitrag auch des Vaters erforderlich ist, unabhängig vom Anteil der Mütter, dass also das Wohlbefinden des Kindes gesteigert wird. Es ist also kein „Nullsummenspiel“, je mehr die Mutter, desto geringer der Anteil des Vaters. Der Anteil der Mütter ist groß, aber das Wohlbefinden des Kindes kann gesteigert werden, wenn die Väter in die Interaktion eintreten. Ich komme zum zweiten Punkt, und da hole ich ein bisschen aus. Sie, Herr Thormeyer, als auch Sie, Herr Staatssekretär Klute, haben zu Recht vorhin historisch aufgezeigt, wie man lange über Familien mit Zuwanderungsgeschichte und vor allem über Väter gedacht hat. Der vorherrschende Diskurs, und das zeigen auch Studien bis in die neunziger Jahre, beschrieb die türkischen Männer als „autoritär“, „patriarchalisch“, „aggressiv“. Sie unterdrückten ihre Frauen und ihre Töchter; wenn überhaupt Autonomie, dann gewähren sie diese den Söhnen. Das ist ein Diskurs, den man an Stammtischen immer wieder hört, wenn es um türkische Männer geht. Spohn hat das in einer Veröffentlichung sehr schön gezeigt: Männer als Autoritäre, Aggressive und Frauen und Töchter als Unterdrückte, als Unfähige. Vor allem wurden die Männer als unfähig betrachtet, sich den Anforderungen einer modernen Gesellschaft anzupassen, in einer modernen Gesellschaft zu funktionieren. Was aber viel zu wenig berücksichtigt wird – und da hat vor allem Herr Tunҫ sehr verdienstvolle Arbeit auch in der Theorie geleistet –, ist, dass es weder in den Herkunftsländern eine eindeutige und eine sehr klar identifizierbare Rolle von Vätern gibt, noch, dass sie eine klare vorherrschende Rolle mitbringen, sondern die Vielfalt bereits in den Herkunftsländern vorhanden ist. Seite 9 Und Migration bedeutet weder ein radikaler Bruch, noch bedeutet es nur eine kontinuierliche Fortführung. Es verändert sich etwas. Ein Teil wird möglicherweise beibehalten, ein Teil wird übernommen, ein Teil wird selbst kreiert an Väterlichkeit, an Elterlichkeit. Das heißt, die Vorstellung „So sind die doch in der Türkei, also sind sie auch so in Deutschland“ ist falsch und „Die in Deutschland sind ganz anders als die in der Türkei“, das ist, glaube ich, in der Form auch falsch. Denn es ist denkbar, dass gerade Väter unter Migrationsbedingungen andere Lebensentwürfe realisieren. Möglicherweise Lebensentwürfe, von denen sie auch in den Herkunftsländern geträumt haben, aber in denen die Bedingungen nicht reif waren, nicht gegeben waren. Wenn man vor allem an ältere türkischstämmige Frauen denkt, gibt es sicher einige, die hier heute sagen „Schade, viel lieber hätte ich mich auch in der Türkei in der frühkindlichen Phase mehr, offener, körperlicher mit meinem Kind unterhalten, mit ihm gespielt, aber ich konnte es nicht, ich durfte es nicht“. In ländlichen Regionen ist Körperlichkeit zu zeigen, zu viel Nähe zu zeigen, möglicherweise die Brust zu geben, verpönt. Und Eltern spüren hier, dass sie eigentlich viel lieber ein anderer Elternteil gewesen wären. Insofern können politische Veränderungen und gesellschaftliche Rahmenbedingungen auch zu neuer Väterlichkeit führen. Das zeigen vor allem Studien aus klassischen Einwandererländern: Väter mit Migrationshintergrund sind genauso gut in der Lage, gute Väter zu sein, gute Väterlichkeit zu praktizieren. Sie wollen in ihren Väterrollen Spaß mit dem Kind haben, wollen die Bildung ihrer Kinder fördern. Sie, Herr Klute, haben es sehr schön auf den Punkt gebracht, und das zeigen auch die Ergebnisse. Die gesamte wissenschaftliche Literatur widerlegt völlig das Klischee von den bildungsfernen Eltern, die sich überhaupt nicht für die Bildung ihrer Kinder interessieren. Auch unsere Ergebnisse zeigen, dass die Väter großes Interesse an der Bildung und an der Förderung ihrer Kinder haben. Ich habe es vorhin beim Thema „Scheidung und Trennung“ kurz erwähnt. Die Abwesenheit des Vaters, dass sozusagen kein vorzeigbarer Vater im Haushalt ist, ist für Kinder belastend. Ich will das nur für türkischstämmige und arabische Familien Seite 10 verdeutlichen: Diese Kinder können, müssen aber nicht, viel stärker einen sozialen Druck erleben. Oft werden sie als „Bastarde“ beschimpft, was die kindliche Psyche sehr hart trifft, wenn kein vorzeigbarer Vater da ist, als „Bastarde“ in der Umgebung verunglimpft zu werden, beleidigt zu werden, was das Aufwachsen, was ihr Selbstwertgefühl beeinträchtigt. Kulturelle Skripte von Alleinerziehung sind noch nicht so verbreitet wie in der Mehrheitsgesellschaft, sodass auch vor diesem Hintergrund die Rolle des Vaters, eines vorzeigbaren Vaters, enorm ist. Wir dürfen nicht den Fehler machen, dies zu unterschätzen, auch wenn in Gesprächen mit Vätern der Eindruck entsteht, sie können manchmal wenig zur Entwicklung des Kindes beitragen oder darüber erzählen, so etwa über klassische Meilensteine in der Entwicklung, wann das Kind angefangen hat zu laufen, zu sprechen, wann ist es sauber geworden? Das ist meine zehnjährige praktische Erfahrung während meiner Promotionszeit als Sachverständiger für Familiengerichte, dass Väter wenig Auskunft geben konnten, dass das aber nicht unbedingt hieß, dass der Vater wenig an dem Kind interessiert war. Das war der traditionellen Arbeitsteilung geschuldet. Gerade die frühe Phase gehörte der Mutter, sodass die Väter über die Meilensteine der Entwicklung der frühen Phase wenig Auskunft geben konnten, was nicht unbedingt heißt, was manchmal deutsche Kollegen interpretiert haben: Der ist ja überhaupt nicht am Kind interessiert gewesen und warum will er jetzt das Kind haben? Warum kämpft der um sein Kind? Er kann nicht sagen, wann das Kind angefangen hat zu laufen, zu sprechen etc. Es ist aus der Sicht der Väter quasi das weibliche Geschäft, in den frühen zwei bis drei Jahren sich stärker um das Kind zu kümmern bzw. sich zu engagieren. Warum ist der Einbezug der Väter wichtig? Ich möchte drei relevante Aspekte anführen. Einmal der pädagogisch-psychologische Aspekte, zum Teil habe ich ihn erwähnt, die Präsenz des Vaters stärkt das psychische Selbstwertgefühl von Kindern, dass er dabei ist, aktiv ist, interaktiv ist. Der zweite Aspekt betrifft die familienpolitische Dimension: Eine stärkere Präsenz, ein stärkerer Einbezug von Vätern mit Zuwanderungsgeschichte in die Erziehung, Fachtagung: Frag doch Papa! auch das zeigen Studien, führt dazu, dass stärkere demokratische Familienwerte gelebt werden, stärkere Emanzipation stattfindet und die Partnerin nicht nur in der Mutterrolle wahrgenommen wird, sondern mehr als Partnerin wahrgenommen wird und nicht die klassische Arbeitsteilung besteht „Du machst Haushalt und Kinder und ich besorge das Geld“, sondern die Aufteilung dazu führt, dass die Wahrnehmung des anderen sich ändert, also eine partnerschaftliche Wahrnehmung stattfindet. Eine Entlastung der Mütter führt dazu, dass gemeinsam mehr Zeit verbracht wird; dass möglicherweise Vater, Mutter und Kind gemeinsam mehr Zeit verbringen können und das Familiengefühl, das Wir-Gefühl dadurch gestärkt wird, davon profitieren natürlich auch die Kinder. Denn sie lernen letztlich über die Elterninteraktion auch Beispiele, wie Erwachsene Emotionen regulieren können, wie Erwachsene miteinander umgehen können und wie sie die Bedürfnisse voneinander wahrnehmen. Ein dritter Aspekt, der auch für das MAIS (Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales) wichtig ist: Der Einbezug hat natürlich auch integrationspolitische Aspekte. Der stärkere Einbezug von Vätern mit Zuwanderungsgeschichte in bestehende Trends in der Mehrheitsgesellschaft, wie beispielsweise die seit zehn, fünfzehn Jahren favorisierte aktive Väterlichkeit, führt dazu, dass das Zugehörigkeitsgefühl dieser Gruppe, Teil der gesamten Gesellschaft zu sein, einbezogen zu sein in solche Projekte, auch integrationspolitisch einen Schub bringt. Sie sagen sich dann: „Wir sind ein Teil des Mainstreams“, der Mainstream ist nicht etwas außerhalb; das heißt, diese Dimension hat auch integrationspolitisch einen ganz wichtigen Aspekt. Zum Hintergrund unserer Evaluation: Zwei, drei Aspekte sind vorhin genannt worden. Wenn man sich die bisherigen Programme anschaut, so waren sie doch weitestgehend auf Mütter und Töchter fokussiert, aber Männlichkeit, Väterlichkeit hat in der Moderne zu einer Veränderung, zu einer Verunsicherung geführt. Davon sind Zuwanderer genauso betroffen. RucksackProjekte, Griffbereit Stadtteil-Mütter, Mama lernt Deutsch, Erziehungs-, Beratungskonzepte etc. waren sehr stark auf Frauen fokussiert, zum „Empowerment“ von Frauen. Und die Männer haben nur noch gedacht, wir wollen uns einbringen, aber wo ist etwas für uns? Interkulturelle Väterarbeit in NRW Und das ist etwas, was vor allem der Facharbeitskreis aufgenommen hat, professionalisiert hat, weitergeführt hat. Deshalb werde ich Ihnen jetzt in der verbleibenden Zeit einige Ergebnisse vorstellen. Wir werden dazu sehr ausführliche Berichte erstellen und diese an das Ministerium schicken; einige ausgewählte Ergebnisse seien hier präsentiert. Die Evaluation war gestartet mit den Fragestellungen: Inwiefern erreichen die beteiligten Väterprojekte ihre Ziele? Wie können sie bei der Optimierung der Maßnahmen unterstützt werden? Wie können noch stärker an die Bedürfnisse der Väter gerichtete Maßnahmen hergestellt werden? Ergänzend zur Untersuchung dieser Fragestellung haben wir zur Organisation von begleitenden Maßnahmen Unterstützung bei der Professionalisierung oder auch der Öffentlichkeitsarbeit geleistet. In Zusammenarbeit mit dem Ministerium war es uns wichtig, die verdienstvolle Arbeit der Vätergruppen auch in die breite Öffentlichkeit durch Newsletter, Reporte usw. zu tragen und so zu zeigen: Da passiert sehr viel in NRW. Nicht nur gute Arbeit tun, sondern die getane gute Arbeit soll auch kommuniziert werden, soll auch in der Breite ankommen. Wie haben wir das durchgeführt? Wir haben uns unterschiedlicher Methoden bedient: Zum einen haben wir qualitative Leitfaden-Interviews mit den Fachkräften und auch mit den Vätern durchgeführt und zum anderen standardisierte quantitative Fragebogenstudien gemacht. Inhalte waren Angaben zum soziodemografischen Hintergrund, zum Bildungsstand, Familieneinkommen, zu Erfahrungen, Einschätzungen, Selbsteinschätzungen. Wir haben auch Prä-/Post-Vergleiche der Selbsteinschätzung gemacht: „Wie war Ihr Eindruck?“, „Was waren Ihre Kompetenzen, bevor Sie in diese Vätergruppe eingetreten sind, und wie sind sie jetzt?“ Wir haben Fragen zum väterlichen Erziehungsstil, zur Selbsteinschätzung der Väterlichkeit, zur Unterstützung des sozialen Umfeldes, zur Inanspruchnahme des professionellen Hilfesystems und dessen Unterstützung gestellt; aber auch gefragt, was Väter kennen. „Was wissen Sie?“, „Was gibt es für Angebote beim Elterngeld?“ und wie ist die Elterngeldnutzung zu bewerten? Damit das, was politisch gemacht wird, auch überall ankommt, dass Väter wissen, dass es Unterstützungsmöglichkeiten gibt. Jetzt direkt zu den Ergebnissen: Wie viele Väter werden erreicht? Im Jahre 2012 wurden laut den Projektpartnern 712 Vä- Seite 11 ter erreicht, 212 in Vätergruppen und 491 in Einzelveranstaltungen, Vater-Kind-Spieltreffs, Wochenendtreffs, Väterseminaren, Ausflügen etc. Das ist eine sehr, sehr große Zahl, über 700 Väter zu erreichen. Wir haben die beteiligten Gruppen anhand des Bildungshintergrunds eingeordnet; denn viele Studien zeigen, dass der Bildungshintergrund der Eltern eine relevante Variable ist. Wir haben hierbei einigermaßen gleich verteilte Gruppen; wir haben rund 30 % Väter, die eher gering gebildet sind. „Geringe Bildung“ wurde dann zugeordnet, wenn Grundschule, Mittelschule (das heißt in der Türkei bis zur achten Klasse) besucht wurden. Wenn der Bildungshintergrund über der achten Klasse lag oder eine Lehre oder Ausbildung gemacht wurde, wurde dies als „mittlere Bildung“ zugeordnet. Und Lise, also Gymnasium, Universitätsabschluss, Fachhochschulabschluss erhielt bei uns die Zuordnung „hohe Bildung“. Wir sehen im Ganzen, dass dennoch ein etwas größerer Anteil an besser Gebildeten, an höher Gebildeten an diesen Veranstaltungen teilgenommen hat. Wir haben zwei Typen gebildet: „Engagierte“ und „Sehr Engagierte“. Jetzt können Sie sagen, das ist ja irgendwie rechtslastig oder linkslastig, je nachdem, wie sie es in der Normalverteilung sehen. Wir haben kaum „nicht engagierte Väter“ in den Vätergruppen gehabt. Die, die dort sind, sind eben engagiert. Deshalb haben wir noch mal unterschieden: Wer ist besonders engagiert und wer ist engagiert? Wir haben insofern engagierte und sehr engagierte Väter, denn alle zeigen ein hohes Engagement. Die Ergebnisse zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen Vätertypen und Bildungsgruppen gibt. Je gebildeter die Väter oder der betroffene Vater, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er sehr engagiert ist. Also höhere eigene Bildung geht mit einem stärkeren eigenen Engagement einher. Wir haben auch nach dem Nutzen des Erfahrungsaustausches gefragt: Es sind unter 2 %, die sagen „Nein, ich nutze den Erfahrungsaustausch nichts“, und rund 10 % sagen „Der Erfahrungsaustausch ist eher mittelmäßig“. Was sich zeigt, ist eine ziemlich starke bzw. sehr starke Nutzung von über 80 %. Fast 85 %, die sagen „Dieses Forum wird auch für den Erfahrungsaustausch genutzt“. Wir haben auch gefragt, wie weit sich die eigene Erziehungskompetenz durch den Besuch verbessert Seite 12 hat. Also was haben sie gespürt, erfahren, wie haben sie profitiert von der Teilnahme an den Vätergruppen? Ich habe mir sowohl für die „Sehr Engagierten“ als auch für die „Engagierten“ die Ergebnisse angeschaut: Bei den „Engagierten“ waren überhaupt keine Teilnehmer, die gesagt haben „Davon habe ich kaum profitiert oder mittelmäßig profitiert“, sondern das sind Einzelnennungen, 18, die sagen „Ich habe ziemlich profitiert“ und fünf, die sagen „Ich habe sehr davon profitiert“. In der Gesamtschau 28, die ziemlich stark davon profitiert haben, und 12, die davon sehr profitiert haben. Wir haben nur zwei Väter gehabt, die gesagt haben „Dadurch hat sich in der Erziehung nichts verändert“. So etwas kommt auch vor, aber ein deutlich größerer Anteil hat eine Verbesserung der eigenen Erziehungskompetenz erfahren. Darüber hinaus haben wir untersucht, wie sich durch den Besuch der Väterprojekte verschiedene Dimensionen - wie Familienbeziehung, über die Rolle als Vater nachdenken, Erfolg im Bildungssystem fördern, positiv und gewaltfrei erziehen, Entwicklung des Kindes fördern, Beziehung zum Kind fördern, Zeit verbringen und gemeinsam Spaß haben -, verändert haben. Auf der verwendeten Skala ist der Wert zwei der Mittelwert, das Erwartbare. Die Väter haben zum Teil schon vor dem Besuch des Projekts hohe Werte erreicht, aber diese sind vor allem im Bereich „Familienbeziehung“ danach deutlich höher geworden und auch beim Aspekt „über die Rolle als Vater nachdenken“ ist der Wert höher geworden. Erfolg im Bildungssystem war vorher auch schon hoch und ist hoch geblieben; wenn man vorher schon hohe Werte hatte, ist nicht mehr so viel Luft nach oben, die Werte können sich nicht mehr viel verbessern. Es ist so, wie wenn ein Tennisprofi Tennisunterricht nimmt, vielleicht kann er den Schlag verbessern. Wenn aber unsereins das machen würde, der würde nach zwei Stunden eine deutliche Verbesserung erfahren. Die Zunahme ist abhängig davon, von welcher Basis aus gestartet wird. Das ist wichtig. Durch den Besuch der Väterprojekte hat es starke Verbesserungen auch bei dem „Zeitverbringen“ sowie bei dem Aspekt „Spaß haben“ gegeben. Wir haben zudem gefragt: Was waren die Erwartungen gegenüber den Väterprojekten und haben sich diese Erwartungen erfüllt? Hat sich das für sie eigentlich gelohnt, könnte man salopp fragen. Und Sie sehen: Es sind rund 80 %, die sagen, die Erwar- Fachtagung: Frag doch Papa! tungen, vor allem mit Blick auf Familienbeziehungen, haben sich erfüllt beziehungsweise sind übertroffen worden. Ganz stark bei der Vaterrolle, auch hier liegen die Werte fast bei 85 %. 82 %, die sagen, die Erwartungen sind übertroffen oder erfüllt worden. Bei der gewaltfreien Erziehung sind es auch 68 %. Etwas geringer sind die Werte - aber weitestgehend alle im positiven Bereich über 50 % -, die sagen, die Erwartungen an diese Väterprojekte sind erfüllt, zum Teil auch übertroffen worden. Diesen Ergebnissen kann man sehr klar entnehmen, was für ein großer Erfolg für die Beteiligten der Besuch dieser Kurse war. Wir haben anschließend auch untersucht, welchen Zusammenhang es zwischen engagierter Vaterschaft und Zufriedenheit der aktuellen Partnerin mit der Erziehung gibt. Das ist die Perspektive der Väter, es sind nicht die Mütter gefragt worden. Wie hat sich denn der Ehemann verändert, das wäre eine weitere Studie; wir können das gerne machen, wir können das Projekt ausweiten. Aber wir haben die Väter gefragt: „Was meinen Sie, wie sehr hat es auch zu einer Entlastung geführt?“ Auch hier geben sehr engagierte Väter häufiger an, dass die Partnerin mit der Erziehung zufrieden ist. Naheliegend ist natürlich die Deutung, dass engagierte Väter ihr Engagement auch stärker sehen und möglicherweise die Anerkennung, die Wertschätzung auch eher sehen als die andere Gruppe. Aber beide Gruppen sehen positive Veränderungen und bekunden Zufriedenheit. Es hat also Auswirkungen auf die familienpolitische Dimension; der Besuch verändert auch Familienbeziehungen. Zwei, drei Ergebnisse noch aus der qualitativen Studie: Väter sehen klar ihre Verantwortung für die Entwicklung des Kindes. Die Ergebnisse bestätigen eine hohe Bildungsorientierung: Alle Väter sehen aber Bedarf, diesbezüglich ihre Erziehungskompetenzen noch zu stärken, noch zu verbessern. Vor allem waren Wünsche vorhanden, eine gute, enge Beziehung zum Kind, und zwar unabhängig vom Alter des Kindes, zu haben. Es betraf nicht nur die frühe Kindheit, sondern galt generell: Väter möchten mit ihren Kindern mehr Zeit verbringen. Um konkrete Lernfortschritte zu demonstrieren, die als Ergebnis bzw. als Erfolg zu sehen sind, zitieren wir einige Väter. Einer berichtet: „Ich habe mehr Ruhe, mehr Gelassenheit mit den Kindern, auch bezüglich der Entwicklung der Kinder, die nicht immer so verläuft, wie Interkulturelle Väterarbeit in NRW wir uns das als Mutter und Vater wünschen.“ Das heißt, man gesteht sich ein, man sagt „Wir können als Eltern Erziehung nicht restlos steuern, aber vorher haben wir uns darüber Gedanken gemacht und aufgeregt, heute sind wir etwas gelassener“. Auch das ist ein Ergebnis des Besuchs dieser Kurse. „Es war gut, Hinweise und Tipps der Gruppenleitung und anderer Väter zu hören, mal zu konkreten Punkten hier in der Erziehung zu bekommen, so zum Beispiel Grenzen, Regelsetzung, Empfehlungen guter Schulen, vor allem Schulwechsel.“ Sie sehen, die Vätergruppen sind auch Ansprechpartner beim Schulübergang „In welcher Schule soll ich mein Kind anmelden?“. Ein anderer Vater sagte „Mir wurde klar, wie wichtig gutes Zuhören, bestimmte Grundsätze der Kommunikation auch in Gesprächen mit Kindern sind“. Also das heißt, nicht diese klassische autoritäre Haltung „Ich sage dir etwas, du hörst zu“, sondern umgekehrt auch mal einem Kind zuhören und erkennen, dass generell Zuhören wichtig ist. „Ich frage jetzt auch häufiger nach, wie es den Kindern geht oder wie ihr Tag in der Schule war“, sagt ein anderer Vater. Deutlich wird, dass es oft relativ einfache Rituale sind, die aber die Eltern-Kind-Beziehungen stabilisieren. „Besonders interessant waren Informationen der Gruppenleitung oder Referenten, die uns nicht nur Grundlagen der kindlichen Entwicklung vermittelt haben, sondern auch, dass bzw. wie wir die Kinder als Vater fördern.“ Die Väter haben also auch Tipps und Informationen zu konkreten Schritten bekommen. „Das kann ich umsetzen, das kann ich mit meinem Kind machen, dadurch ist mir meine väterliche Verantwortung klarer geworden. Ich habe intensiv über meine Rolle als Vater nachgedacht.“ Dies alles sind Beispiele für konkrete Lernfortschritte, aber auch Reflexionsprozesse, die ausgelöst werden: Was es bedeutet, Vater zu sein, welche Verantwortung man als Vater hat usw. Ich möchte gegen Ende auf die Frage eingehen: Wie müssen solche Programme, solche Formate künftig sein? Prömper hat mal sehr schön über „bedürfnisgerechte Programme für Migranten“ gesprochen. Heute würden wir sagen für Personen mit Zuwanderungsgeschichte. Dabei ist zu beachten: Wie wirkt die Gestaltung von Programmen auf Väter, auf Männer, auf Jungen? Die Beteiligten gilt es abzuholen. Seite 13 Ist das etwas für Euch? Werden männliche, väterliche Lebenslagen und Probleme angesprochen? Sind das Angebote, die kompetenzorientiert sind? Gibt es möglicherweise auch in diesem Programm einen „hidden feminine curriculum“? Ist also möglicherweise die Idee, das, was man bislang für Frauen gemacht hat, jetzt auch für Männer zu machen oder werden spezifische Lebenslagen von Männern berücksichtigt? Was ist die unausgesprochene Zielsetzung der Maßnahme? Und nicht zuletzt: Wie ist die Personalstruktur des Programmträgers? Wie männer- und migrantenfreundlich, zuwandererfreundlich sind die Programme? Sind Zuwanderer auch in der Gestaltung, der Entwicklung, im Personal sichtbar oder ist es eine paternalistische Politik, die sagt „Wir machen jetzt auch mal was für die Migranten, für die migrierten Männer“? Wir werden nachher möglicherweise in der Diskussion stärker die internationale Perspektive berücksichtigen, aber bei einem Aspekt möchte ich kurz vorgreifen. Es gibt ähnliche Programme in der Türkei, und auf eines möchte ich hinweisen: „Baba Olmak Güzel Şey“, übersetzt „Vater sein ist etwas Schönes“, das vor allem von Çiğdem Kağıtçıbaşıi entwickelt wurde, die hier verdienstvolle Arbeit geleistet hat. Es geht darum, über einen positiven Zugang, über einen biografischen Zugang positive Bilder des eigenen Vaters zu entwickeln. Ich habe bei der Übertragbarkeit solcher Programme auf Deutschland vor Jahren mitdiskutiert. Ich will Ihnen ein Beispiel geben: Ein Vater, der Schwierigkeiten hatte in der Erziehung des Kindes, dem auch die Hand manchmal ausgerutscht ist und der an diesem Programm teilgenommen hatte, wurde gefragt: „Wie war es denn mit Ihrem Vater, erinnern Sie sich mal, was war denn gut an Ihrem Vater?“ Und er konnte erst mal wenig sagen: „Wir waren sieben Kinder, mein Vater war nie da.“; „Aber erinnern Sie sich mal: War er wirklich nie da?“; „Ja doch, sonntags war er zu Hause. Wenn er mir über das Haar gestreichelt hat, das hat mich so gefreut, aber ich konnte ihm das nie sagen.“ Das heißt: Bei ihm werden positive Bilder vom eigenen eigentlich abwesenden Vater aktiviert. „Was meinen Sie denn, was Ihre Kinder von Ihnen erwarten?“, „Warum haben Sie denn Schwierigkeiten?“, „Ja, ich sage ihnen, die sollen ruhig sein, ich komme gestresst, müde von der Arbeit, ich sage, die sollen ruhig sein, Seite 14 sind sie aber nicht. Dann sage ich es noch mal, sind sie es nicht, dann werde ich laut oder schicke sie raus oder gebe ihnen einen Ohrfeige.“ „Was für Kinder wünschen Sie sich denn?“, „Ja, meine Söhne sollen ‚Aslan gibi olsunlar‘; sie sollen stark sein wie Löwen.“ Und dann macht der Programmgestalter einen sehr schönen Trick: „Wissen Sie, was Ihr Kind macht, wenn es hin und her hopst? Es macht keinen Blödsinn, es stärkt seine Oberschenkelmuskulatur. Das Kind will werden wie ein Löwe, so wie Sie es sich wünschen.“ „Ah“, sagt der Vater, „daran habe ich nie gedacht. Ich habe gedacht, die wollen mich ärgern. Ich sage, die sollen ruhig sein und die hopsen so rum.“ Das heißt, dort wird solchen Vätern ein Stück weit kindliche Natur, der kindliche Entwicklungsprozess nahegelegt. Dieser Vater gewinnt plötzlich einen anderen Blick auf sein Kind; erkennt, dass Kinder sich bewegen wollen und nicht unbedingt gegen Eltern opponieren. Da ist die Idee bei solchen Bildern, andere Aspekte von Väterlichkeit zu wecken und einen positiven Zugang zu bekommen: „Baba Olmak Güzel Şey“; „Vater sein ist etwas Schönes“. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Fachtagung: Frag doch Papa! Interkulturelle Väterarbeit in NRW Seite 15 Dialog zum Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis - Moderierter Dialog zwischen Prof. Manuela Westphal (Universität Kassel) und Prof. Dr. Hacı-Halil Uslucan Moderator: Wir wollen nun mit Ihnen diskutieren, dazu wollen wir uns hier oben aber komplettieren, und ich freue mich sehr, dass neben Herrn Prof. Uslucan auch Frau Prof. Dr. Manuela Westphal zu uns kommt, die wir erst einmal mit einem großen Applaus auf die Bühne holen. Sie kommt von der Universität Kassel und hat in einer Studie – und damit wollen wir beginnen – den Blick der Eltern auf Kindheit, auf Älterwerden usw. gerichtet. Den Blick der Eltern in verschiedenen Kreisen, ich glaube hauptsächlich in der Türkei, ins Visier genommen, das heißt „Wie schauen Eltern auf die Kindheit, auf das Heranwachsende, auf das Erwachsen werden“. Wir fangen mit einem kleinen Input zu diesem Thema an. Beginnen Sie bitte damit, bevor wir in die Diskussion einsteigen. Frau Prof. Westphal: Vielen herzlichen Dank für die Einladung. Leider konnte ich dem Vortrag von Herrn Prof. Uslucan nicht lauschen und womöglich kommt es zu einigen Wiederholungen in meinen Aussagen, aber das macht ja nichts, man kann sich gut in diesem Thema gegenseitig bestätigen und bestärken; ich denke, dass das nach wie vor sehr wichtig ist. Seit einem Jahr beschäftige ich mich regelmäßig mit den Studien des Entwicklungspsychologen F. T. Markes zum Thema neue Väterlichkeit. Der neue Vater, der neue Mann steht ganz oben auf der Agenda in geschlechterpolitischen Diskussionen, aber auch zuneh- mend in Familien und neuen integrations- und bildungspolitischen Diskussionen. Ich habe recherchiert, was gibt es da Neues gibt. So hat die Zeitschrift „Eltern“ eine neue Studie herausgegeben mit dem Titel „Väter 2014“ und dort fand man heraus, dass das Leitbild neuer engagierter Väterlichkeit im Wesentlichen von Wunsch und Wirklichkeit geprägt ist, das sich als soziale Norm etabliert hat und auch mittlerweile als eine geförderte Praxis wie Väternetzwerke, Vätermonate oder gezielte, differenzierte Angebote der Väterarbeit in der Kita existiert. Das hat sich weitgehend gesellschaftlich durchgesetzt. Doch ich will meinen, dass die gelebte Realität nach wie vor – und wie wir sicherlich alle wissen – vielfältiger und widersprüchlicher ist. Was wir weiterhin feststellen können - und das erstaunt mich eigentlich regelmäßig immer noch und ärgert mich auch: Ausgeschlossen bzw. als Abweichung von dieser Norm und dieser Praxis erscheinen vor allem und immer noch Männer mit Migrationshintergrund. Das ist unabhängig von der Generationszugehörigkeit, ob sie zweite oder dritte Generation sind, sobald wir die Etikettierung, die Wahrnehmung haben „Das ist ein männlicher Mensch mit Migrationshintergrund, womöglich auch noch muslimisch“, dann können wir ganz deutliche Anweisungs- und Abweichungsprozesse feststellen. In der Regel aufgrund ethnisch-kultureller Prägung oder religiöser Orientierung oder – das ist jetzt sehr aktuell – aufgrund prekärer bzw. Armutslebenslage wird ihnen eben häufig noch ein Festhalten an traditioneller Vaterschaft unterstellt, und traditionelle Vater- Seite 16 schaft wird dann autoritär bestimmt. Wir haben bereits kritisiert, dass das Bild über die Migrantenfamilie sehr stereotypisiert verhandelt wird und vor allem, dass immer wieder die Erziehungs- und Sozialisationsdefizite zum Thema gemacht werden. Und man kann das ganz deutlich sehen, Frau Otyakmaz und ich haben das kürzlich auch in einem Artikel noch einmal dargelegt. In der gegenwärtigen integrations- und bildungspolitischen Diskussion können wir deutlich feststellen, wie oft mit dem Hinweis auf fehlende Erziehungs- und Sozialisationskompetenz in Familien mit Migrationshintergrund gearbeitet wird. Dann gibt es die Aufforderung, sie sollen nun auch ihre Erziehung, ihre Vaterschaftsbilder reflektieren, natürlich dann auch verändern, modifizieren und sich in Fragen von Erziehung und Bildung weiterbilden, fortbilden. Sie sollen sich engagieren und vor allem sollen sie sich engagieren mit dem Ziel, Erziehungs- und Bildungspartnerschaften in Kitas und Schulen einzugehen. Daran können wir, glaube ich, in der Diskussion gleich noch mal anknüpfen oder einen kritischen Blick darauf werfen. Aus meiner Sicht wird nach wie vor zu wenig beachtet, was Väter mit Zuwanderungsgeschichte oder Migrationshintergrund oder Fluchthintergrund mitbringen, was sie leisten, was sie anders leisten oder aus verschiedenen Gründen weniger oder nicht leisten können. Also Fakt ist, es gibt wenig kritische Reflexionen über die Praxis und es gibt ganz wenig empirische Untersuchungen über Väter und vor allem über Väter in vielfältigen Lebenslagen mit Migrationshintergrund. Das ist umso erstaunlicher, weil ich - das soll natürlich kein Lob sein - mit Kolleginnen bereits Ende der 1990er-Jahre die erste Väterstudie durchgeführt habe. Wir haben in interkulturellen Vergleichen gearbeitet, wir haben westdeutsche Männer, Väter befragt, wir haben Väter aus der Türkei, Arbeitsmigrantenväter, und wir haben Aussiedlerväter aus der ehemaligen Sowjetunion zu ihren Vaterschaftskonzepten, -modellen und ihren Auffassungen zur Erziehung interviewt. Das waren insgesamt annähernd 60 qualitative Interviews, die wir damals durchgeführt haben. Und dort konnten wir eindeutig feststellen, dass der Migrationsprozess an sich und der Versuch, sich zu akzentuieren, bereits für die Männer und die Väter und natürlich auch für die Mütter, aber eben auch für die Väter bedeutet, über Erziehung nachzudenken, ihre Erziehungspraxis zu reflektieren und den Migrationsprozess zu verändern. Die Bedingung von Kontinuität Fachtagung: Frag doch Papa! und von dem, was man beibehält, in dem, was man wandelt, das ist eben ganz vielfältig. Jetzt noch einmal ein Blick auf die unterschiedlichen Gruppen und was wir festgestellt haben Ende der 1990er-Jahre. Alle drei Gruppen der Männer wollen aktive, engagierte Väter sein. Alle drei! Die westdeutschen, die türkischen, die russischsprachigen. Aktive, neue Väter. Sie wollen es aber aus ganz unterschiedlichen Motiven heraus, aus ganz unterschiedlichen sozialen Positionen und Herausforderungen heraus. Alle wollen sich mehr Zeit für die Kinder nehmen, alle wissen aber auch, sie müssen sich mehr Zeit für die Kinder nehmen. Bei den westdeutschen Vätern beispielsweise war das Motiv, anders zu werden als der eigene Vater. Sie beklagten die Abwesenheit des eigenen Vaters. Der Vater, der eben nur sonntags zu Hause war und am Sonntag in der Regel Zeitung lesen wollte oder andere Dinge machen wollte, aber eben keine emotionale Beziehung zu den Kindern aufbauen konnte. Das war das Motiv der westdeutschen Väter. Sie haben einen abwesenden Vater erlebt und wollten nun für sich mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen, sich stärker engagieren. Ein weiteres Motiv zur Veränderung der Väterlichkeit im Hinblick auf die Modernisierung waren für die westdeutschen Väter ganz klar die Ansprüche ihrer Ehefrauen. Viele Väter fühlten sich jetzt auch von den Frauen gedrängt, traditionelle Männlichkeit und Vaterschaftskonzepte aufzugeben. Bei den Vätern aus der türkischen Arbeitsmigrantengruppe war es so, dass die meisten, die wir befragt haben, berufstätig waren. Die für die Familie verbleibende Zeit wurde von ihnen als Zeit gesehen, die sie als sinnvollen, gezielten Akt mit den Kindern, als sinnvollen gezielten Akt von Erziehungsleistung herstellen wollten. Diesen Akt der Erziehungsleistung sahen sie im Wesentlichen bei der Unterstützung der Kinder in den häuslichen Lernumwelten im Hinblick auf Schule, also Hausaufgabenhilfe, Elternabende etc. Sie fassten im Gegensatz zu den westdeutschen Männern ihre Erziehungsleistung als gezielten Akt auf, über den man nachgedacht hat und den man auch begründen konnte, und ihre Erziehungsleistung mit den Kindern fassten sie wesentlich weniger als Spiel und Freizeitaktivität auf. Das ist auch begründbar und wurde von den Vätern mit Mobilitätsansprüchen begründet, nämlich, dass sie wussten, wie bedeutsam der Schulabschluss für den sozialen Interkulturelle Väterarbeit in NRW Aufstieg in Deutschland ist. Bei den Aussiedlervätern war es so, dass wir dort Väter hatten, die erst wenige Jahre in Deutschland waren. Man konnte sehr gut beobachten, was sich eigentlich wandelt. Diese Väter erlebten zunächst eine enorme Freisetzung von zeitlich intensiven Aufgaben in Arbeitsund Familienwelt, also Wegfall von Landwirtschaft etc., und erlebten einen gravierenden Zuwachs an Zeit und wussten noch nicht, wie nutze ich eigentlich diese Zeit. Sie spürten den Druck der Kinder „Du musst Zeit mit mir verbringen, Papa!“ und insofern fühlten sie sich von den Kindern und Jugendlichen deutlich herausgefordert. Sie wussten auch, ich zitiere: „Einfach zu verbieten, das ist schwer, dann entstehen diese Spannungen zwischen uns“. Diese Umstellung auf familiäre Aus- und Verhandlung mit den Kindern, statt Befehlen, dem Gehorchen und Geboten, die auch in der ehemaligen Sowjetunion doch weitgehend üblich waren, wurde mit dem Blick auf das Eltern-Kind-Verhältnis oder auf die Eltern-Kind-Beziehung auf eine notwendige Anpassung, im Sinne auch von Assimilation an die neue Gesellschafft betrachtet. Allerdings mit inhaltlichen Schwierigkeiten „Wie geht das?“, , „Wie setze ich meinen Kindern eigentlich Grenzen?“. Hier konnte man sehr genau verfolgen, welchen Herausforderungen Väter mit Migrationshintergrund, wenn sie nach Deutschland kommen, ausgesetzt sind. Jetzt möchte ich kurz noch über ein Ergebnis aus einer neueren Studie berichten, die ich gerade auswerte, in der es um männliche Studierende mit Zuwanderungsgeschichte ganz unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Migrationserfahrung geht, aber immer die zweite Generation. Wie sehen ganz deutlich den Aspekt von Kontinuität und Wandel von Väterlichkeit im Rahmen von Bildungsaufstiegsprozessen. Diese Männer sind noch keine Väter, aber sie wollen Väter werden, ich bin mir ganz sicher, dass sie das werden wollen, und sie denken darüber nach oder werden von uns aufgefordert, darüber nachzudenken „Wie möchtest du denn sein als Vater?“. Ziemlich wird übereinstimmend wird von diesen Studierenden gesagt: „Vom Ziel her das Gleiche wie meine Eltern, aber ich müsste es irgendwie mit anderen Mitteln machen“, das sagt z. B. ein Wirtschaftspädagogikstudent (33 Jahre). Wir haben bemerkt, dass die Studierenden der zweiten Generati- Seite 17 on von dem Erleben der eigenen Väter ähnlich wie die Westdeutschen berichten, sie beschreiben ihre Vaterschaftsvorstellung vor dem Hintergrund des Lebens, der Wahrnehmung des eigenen Vaters, der eine starke Verantwortung für die Schulbildung der Söhne hatte. Die eigenen Väter werden in der Regel als Väter beschrieben, die sich durch eine hohe Bildungsaspiration auszeichnen und diese mit unterschiedlichen Formen und Ausmaßen der Unterstützung und Ermutigung, aber auch der Ausübung von Strenge und Druck umsetzen. Einige Studierende haben abwesende Väter aufgrund früher Trennung der Eltern, aufgrund von Stiefvätern oder Väter, die praktisch kaum in der Erziehung und Bildung der Söhne präsent waren, erlebt und betonten nun die Opposition dazu, dass sie bei ihren Kindern sehr stark auf das Wohlbefinden achten möchten und auf die Beziehungsqualität mit den Kindern. Während die Söhne, die sehr engagierte Väter im Hinblick auf die Schule erlebt haben - unabhängig davon, ob die Väter enorm Druck ausübten oder mehr in Richtung Ermutigung gearbeitet haben - sagten, dass sie die eigene familiäre Sozialisation zum Vorbild nehmen wollen und sie auch erwarten, bessere Mittel und Methoden zur Verfügung zu haben, weil wir ja im Unterschied zu den Vätern leben und uns mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. Sie erwarten also faktisch nach dem Studium oder während dieses im Rahmen ihres Bildungsaufstiegs über mehr Wissen, über mehr Informationen über das Bildungssystem zu verfügen und erwarten auch faktisch höhere oder größere ökonomische Ressourcen. Also größere Ressourcenausstattung, mehr an Wissen und Können, Kraft wird auch genannt und ökonomische Ressourcen für engagierte Vaterschaft. Moderator: Wenn Sie mögen, steigen wir direkt hier in den Dialog ein. Herr Prof. Uslucan, vielleicht können wir da ja direkt ansetzen, Frau Prof. Westphal hat gesagt, es gibt wenige empirische Untersuchungen. Sie haben ja jetzt erste Ergebnisse vorgelesen und sie haben sich auf dieses etwas unbestellte Feld gewagt. Finden Sie das, was sie gehört haben, in den Ergebnissen wieder? Herr Prof. Dr. Uslucan: Man hat gesehen, dass die von uns befragten Väter sowohl in einem qualitativen als auch in einem quantitativen Teil gesagt haben: „Wir wollen mehr Zeit mit unseren Kindern verbringen.“ Der Seite 18 Besuch der Vätergruppen hat zu Reflexionen angeleitet. Er hat Partnerschaftsmodelle verändert. Wichtig sehe ich den Aspekt der „Kraft“. Ich habe das sofort zurückübersetzt, im Türkischen würde man sagen „Güç vermek“, „Hat mir Kraft gegeben“. Damit ist nicht nur so etwas wie psychische Kraft gemeint, sondern auch physische, „Ermutigt“ hat mir Schwung gegeben, hat mir Rückhalt gegeben. Ich vermute, dass allein die Frage nach Reflexion Anlass gibt, über Väterlichkeit nachzudenken, Menschen ermutigt, andere Wege zu gehen. Wir haben in den 1990er-Jahren eine kleine Stichprobe mit 60 Beteiligten gemacht, aber von der Tendenz her sehr ähnlich. Auch da zeigte sich, dass auch Väter mit Migrationshintergrund und Zuwanderungsgeschichte aktive Väterlichkeit praktizieren wollen, dabei sein wollen, mit ihren Kindern mehr Zeit und mehr Spaß haben wollen und entlastet erziehen wollen. Das ist ein wichtiger Aspekt gewesen. Es hat auch ein Elternteil, ein Vater erwähnt, dass auch wenn Dinge nicht so laufen, wie sie laufen sollten, eine Form von Gelassenheit in der Erziehung entsteht, dass das auch gut tut und dass Kinder nicht restlos formbare und steuerbare Größen sind. Also das zu erkennen, ist auch aus elterlicher Sicht ein großer Gewinn. Moderator: Frau Prof. Westphal, Sie haben sehr viel zu der Motivationslage ganz unterschiedlicher Typen von Vätern oder von künftigen Vätern, die das auf jeden Fall vorhaben, auch mit 33 noch, gesagt. Da waren bestimmt die von Ihnen in den 1990er-Jahren befragten Eltern schon längst Eltern, aber das ist ein ganz anderes gesellschaftliches Thema. Ist das für Sie ein Schlüssel zur „erfolgreichen Väterarbeit“, sich erst einmal intensiv mit diesen Motivationslagen auseinanderzusetzen und zu verstehen, wie können wir denn die Väter am besten unterstützen? Frau Prof. Westphal: Sicher, für mich ist bei dem Thema Väterarbeit oder Väterkooperation oder mit Vätern Erziehungs- und Bildungspartnerschaften gründen zunächst erst mal eine Grundhaltung wichtig. Die Grundhaltung ist nämlich, dass Eltern Experten für die Kinder sind und unter Eltern zählen hier Mütter und Väter. Dann müssen wir davon abkommen, die Väter mit Migrationshintergrund zu betrachten. Wir haben ganz unterschiedliche Lagerungen. Das habe ich versucht zu Fachtagung: Frag doch Papa! zeigen, wir haben Unterschiede, unterschiedliche Orientierungen, sicherlich bei Bildungsaufsteigenden oder bei Bildungsaufgestiegenen der zweiten und dritten Generation, wir haben aber auch andere Haltungen bei Vätern, die aus hohen Bildungsmilieus nach Deutschland wandern. Wir haben unterschiedliche Haltungen je nach Kraft. Mich lässt das gerade nicht los, die Zuwanderung der Flüchtlingsfamilien, und wenn wir dann sehen, wie viele Väter in diesem Rahmen alleine oder mit ihren Familien nach Deutschland kommen und unter enormen familiären Belastungen leben, die oft traumatisiert sind, was großer Kraft erfordert. Väterarbeit muss diese ganzen Lagen besser kennen und es gibt natürlich dann besondere Situationen oder besondere Lebenslagen für Väter mit Migrationshintergrund im Vergleich zu vielen Vätern ohne Migrationshintergrund, also den Einheimischen in Deutschland. Moderator: Aber das hat jetzt viel mehr mit den Lebenslagen zu tun. Prof. Uslucan, würden Sie das auch bestätigen mit dem Migrationshintergrund an sich, gibt es da weniger einen Unterschied oder machen Sie da einen ganz klaren Unterschied, deutsche Väter und Väter mit Migrationshintergrund? Herr Prof. Dr. Uslucan: Ich glaube, eindeutiger kann man das nicht sagen, je nachdem, welche Gruppen Sie untersuchen. Sie haben unterschiedliche Hintergründe, ob im Kontext der Gastarbeiterzuwanderung, Flüchtlinge, Aussiedler. Das heißt, wir haben jeweils Menschen aus unterschiedlichen Bildungssystemen mit verschiedenen Vorerfahrungen, unterschiedlicher Motivation, nach Deutschland zu kommen - all das muss mit berücksichtigt werden. Was man aber generell aus einer kulturvergleichenden erziehungswissenschaftlichen, erziehungspsychologischen Sicht sagen kann: Weltweit können Sie sehen, wie Erziehung organisiert wird. Menschen erziehen so, wie sie selbst erzogen worden sind. Das ist der Mainstream, der große Strom. Dann gibt es aber Brüche, und wir sehen, vieles wird dann anders. Manche beschäftigen sich professionell mit Erziehung, studieren Pädagogik oder Psychologie, das heißt, sie machen sich Gedanken und sagen „So wie Mama mich erzogen hat, will ich (das) nicht“ und sie lernen vielleicht andere Modelle. Ein anderer Aspekt wäre, sie machen eine Therapie, ihre Erziehung war nicht gut, sie leiden darunter und sagen „Nein, die Bilder, die ich zu Interkulturelle Väterarbeit in NRW Seite 19 Hause erlebt habe und unter denen ich leide, will ich meinen Kindern nicht antun, ich möchte es ändern“. Und ein dritter Aspekt, da kommen wir dem Thema näher, ist Migration, das heißt, der kulturelle Kontext wächst jetzt. Dann merkt man, so wie ich in meinem kleinen Dorf in meiner Kleinstadt erzogen worden bin, so kann ich meine Kinder nicht erziehen. All diese Aspekte muss man mit berücksichtigen, wenn man nach Erziehungskompetenz, Erziehungswünschen und Motiven von Eltern, Vätern mit Zuwanderungsgeschichte fragt. Sie haben vor allem mit der Traumatisierung und Angst einen wichtigen Aspekt genannt, gerade im Kontext von Flüchtlingen. Wenn man diese Menschen mit in das Programm aufnehmen wollte, müssten wir solche traumatischen Erfahrungen berücksichtigen. Es handelt sich ja oft nicht nur um einfache Gewalterfahrungen, wo man sagt „Eine Ohrfeige hat jedes Kind schon einmal bekommen“, sondern schwerste Formen von Traumatisierung. Diesem Vater zu sagen, er soll genauso empathisch mit seinem Kind umgehen, wie die gutbürgerliche deutsche Familie, ist schwierig. Ich glaube, da ist auch die Grenze der Zumutung. gut bewandert - keine Forschungsergebnisse darüber vor. Weder vernünftige Evaluationsstudien noch wissenschaftliche Forschung. Das ist in Großbritannien anders, dort hat man wesentlich früher angefangen, über diese Themen nachzudenken und diese Themen nicht nur in der Praxis zu verankern, sondern gleichzeitig mit Forschung zu versehen, das ist ein wichtiger Baustein. Der zweite Baustein, der sehr unterschiedlich ist: Wir sprechen in Deutschland viel über Elternarbeit, das bedeutet, Arbeit mit Eltern. Dieser Gedanke, dass es hier um Arbeit geht, der ist in diesem „Early Excellence Centre“ vollkommen nichtig. Es geht dort um Beteiligung, Mitwirkung, Mitbestimmung im strengen Sinne. Man spricht dort vom Grundkonzept der „Community Education“, dass über die Mitbestimmung und Mitgestaltung der Bildungsprozesse - und hier wird von Bildungsprozessen, Selbstbildungsprozessen gesprochen, nicht von Elternarbeit, sondern von Elternbildung - sich eben auch die politischen, die wirtschaftlichen, die sozialen Rahmenbedingungen im Stadtteil, im sozialen Raum verändern. Im Konzept der „Community Education“ sehe ich ganz wesentliche Unterschiede in der derzeitigen Debatte. Moderator: Wir haben ja über den Mangel an empirischer Forschung gesprochen. Frau Prof. Westphal, Sie sind ja auf dem Weg ein bisschen über die Landesgrenzen hinausgekommen, nicht nur über die nordrheinwestfälische, sondern auch über die bundesdeutsche Grenze. Ist das ein deutsches Phänomen oder gibt es international Länder, Regionen, die da deutlich weiter sind, von denen wir lernen könnten? Moderator: Wir haben ja auch viele Praktiker heute hier. Gibt es etwas aus Ihrer Forschungsarbeit, was Sie den Initiativen für den praktischen Alltag mitgeben wollen, wo Sie sagen, das sind vielleicht diese eins, zwei ganz wichtigen Erfolgsfaktoren für Angebote der Väterarbeit? Frau Prof. Westphal: Ja, würde ich sagen. Wenn wir nach Großbritannien schauen, sehen wir dort das Vorläufermodell der Familienzentren, die in NRW als Vorreiter eingerichtet wurden. Wenn wir nach Großbritannien schauen und uns dort die Entwicklung der „Early Excellence Centre“ anschauen, dann sehen wir, dass dort Vieles bereits seit Langem läuft und sehr etabliert ist, wie differenzierte Elternarbeit, Väterarbeit, Mütterarbeit, differenzierte Familienarbeit. Die Situation dort ist sehr unterschiedlich zu Deutschland, da in diese Angebote selbstverständlich Forschung, Evaluation und Entwicklung eingebunden werden. Während wir hier in Deutschland zwar auch schon lange damit arbeiten, liegen aber meines Wissens - ich denke, ich bin da ganz Frau Prof. Westphal: Ich beschäftige mich nur am Rande mit der Praxis. Allerdings bin ich im Vorstand eines großen Vereines zur pädagogischen Förderung von zugewanderten Kindern, und dort machen wir sehr erfolgreiche Elternarbeit und Väterarbeit. Wenn ich die Mitarbeiterinnen frage, was wichtig für gute Elternarbeit ist, dann sagen sie „Zeit und Ruhe“. Zeit für Gespräche mit den Eltern, Zeit für Gespräche im Team, Zeit für Reflexionen auch über eigene Elternbilder, eigene Wünsche an die eigenen Eltern und an das eigene Elternsein. Also im Prinzip Zeit und Ruhe, Zeit und Orte für Reflexionen, das ist schlicht, aber das ist praktisch ganz schwer umzusetzen, das wissen wir alle, das wissen die Personen, die in der Praxis tätig sind, dass genau diese Orte und diese Zeiten häufig fehlen. Seite 20 Moderator: Volle Zustimmung von Ihnen Prof. Uslucan, oder würden Sie noch etwas dazu sagen? Herr Prof. Dr. Uslucan: Meine volle Zustimmung als auch zwei Ergänzungen. Ich glaube, die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis muss intensiver sein. Der Bedarf ist in vielen Bereichen gegeben, was die Evaluation beispielsweise betrifft. Als Evaluationsforscher weiß man, wenn ein Projekt evaluiert wird, wenn angekündigt wird, dass es evaluiert wird, wird es besser. Das heißt, das Bewusstsein, dass die eigene Arbeit in irgendeiner Weise kritisch reflektiert wird, führt dazu, dass Menschen deutlich konzentrierter arbeiten. Und ich glaube, auch die Wissenschaft kann natürlich durch die Praxis sehr viel lernen. Wir haben manchmal verschiedene Vorstellungen, Kategorienbildungen, Konzepte, die sind irgendwann einmal gebildet worden. Und was machen wir? Wir lesen viel, wir übernehmen die Ergebnisse anderer, dabei vergeht Zeit, dabei verändern sich Umstände, dabei verändert sich der Kontext, aus dem solche Begrifflichkeiten entstanden sind. Deshalb ist der Kontakt zur Praxis enorm wichtig, um die eigenen Konstrukte zu überdenken, zu erweitern, auszuweiten, möglicherweise auch ganz zu verwerfen und zu merken, das passt so doch nicht mehr. Und gerade im Kontext der Migrationsforschung, das hat mit den Vätern nicht direkt etwas zu tun, sondern im Kontext der Migrations- und Integrationsforschung verwenden wir manchmal Begrifflichkeiten und Vorstellungen, die aus den 1980er-Jahren stammen, und merken nach 35 oder 40 Jahren: Die Situation ist nicht mehr so. Da ist der Kontakt der Wissenschaft zur Praxis enorm wichtig. Ein Beispiel ist der Begriff „Ausländerkinder“. Wenn manche Kinder sagen „Wir Ausländer“, sagen andere Kinder vielleicht: „Ich bin doch schon hier geboren, wo kommst du her, warst du nicht schon immer in Essen oder Dortmund?“. Das heißt, unsere Kategorie davon, wer gehört dazu, wer gehört nicht dazu, wird durch den Kontakt der Wissenschaft mit der Praxis manchmal hinfällig und wir müssen dadurch auch unsere Kategorie ändern. Das zeigt die Notwendigkeit der deutlich engeren Verzahnung von Wissenschaft und Praxis. Moderator: Die Wissenschaft nickt. Frau Prof. Westphal: Ja, ich nicke, und ich würde dem gerne etwas hinzufügen, weil ich ja nun auch an der Universität lehre, wir lehren ja beide an der Universität Fachtagung: Frag doch Papa! und ich bilde Sozialarbeiter und Sozialpädagogen aus. Dabei merke ich immer wieder, dass Studierende kommen - ich hatte gestern wieder einen -, die sich mit der Kriminalität von Migranten und Jugendlichen beschäftigen wollen und konzentrieren sich dann auf die familiäre Sozialisation, wodurch sie dann natürlich von der Defizitperspektive nicht wegkommen. Es macht so viel Mühe, das zu erklären und ganz häufig - weil ich da so streng bin - gehen dann durchaus viele weg, weil sie ihre defizitorientierte Perspektive bei mir nicht durchhalten können. Das heißt, soziale Arbeit hilft natürlich, sie ist von sich aus immer auf Probleme ausgerichtet, auf benachteiligte Lebenslagen, aber wir haben in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel angestoßen, insofern wir sagen, wir wollen von der Defizitorientierung weg, wir wollen nun Ressourcen und Leistungen und Kompetenzen sehen. Und da ist jetzt die spannende Frage für mich zwischen Wissenschaft, Praxis und Ausbildung, wie lernen wir überhaupt, Ressourcen wahrzunehmen, wie können wir diese Defizitperspektive überwinden, die häufig in den Institutionen eingeschrieben ist. Wir bekommen ja nur die Projekte, wenn wir sagen, hier sind Defizite. Und wir personalisieren diese Defizite. Moderator: Eine deutliche Zustimmung und, da Sie gerade klatschen, herzlichen Dank an Herrn Prof. Dr. Uslucan und Frau Prof. Westphal und bitte bleiben Sie ruhig auch nach dem Dialog eine Sekunde bei mir, denn jetzt wird es unterhaltsam für Sie. Viele von Ihnen sind Eltern schulpflichtige Kinder. Dann kennen Sie das vom Tag der Einschulung. Ich bitte mal zu mir, Ataman Yıldırım, Gürkan Uçan, Christian Gollmer und Michael Tunç, das sind nämlich die vier Verantwortlichen für die Workshops, die wir gleich nach der Mittagspause haben, und Sie kennen das von der Einschulung, da stehen immer die Klassenlehrer ganz vorne und dann müssen sich die ganz aufgeregten Lernanfänger, um dieses fürchterliche Wort zu benutzen, dann hinter ihren Klassenlehrern versammeln. Hier geht es um Folgendes: Wir möchten Ihnen die vier Workshops einmal vorstellen und achten Sie schon mal auf die farblichen Markierungen, die hier sind, die stehen nämlich für die Workshops. Interkulturelle Väterarbeit in NRW Seite 21 Workshops Workshop I: Väterarbeit in der frühen Bildung, Kita und Grundschule verankern Input: Ataman Yıldırım (AWO Düsseldorf), Gökhan Kabaca (KI Kreis Unna), Birol Mert (FUMAFachstelle Gender NRW) Moderation: Miriam Weilbrenner (Landesweite Koordinierungsstelle der Kommunalen Integrationszentren) Wir haben nicht so viele Ergebnisse schriftlich festgehalten, was der Tatsache geschuldet ist, dass die der Workshop „Väterarbeit in der frühen Bildung, KiTa und Grundschule verankern “ sehr gut besucht war und es schon schwierig war, in diesem großen Saal mit so vielen Leuten einen Workshopcharakter zu kreieren. Ich denke, das ist aber ganz gut gelungen. Wir haben in diesem Workshop drei verschiedene Ansätze betrachtet. Einmal den Ansatz „Vernetzung“, das Modell „Integrationsagenturen mit Kindertageseinrichtungen“ aus der Kommune Düsseldorf. Dazu hat uns der Kollege Ataman Yildirim einen Ansatz vorgestellt, um mit „Vätern in Aktion“ zu treten: Wie kann man Väter aktiv in die Kita holen? Wie schafft man in Kitas Raum für Interessen von Vätern? Und mit diesem Ansatz und den weiteren Ansätzen ging es eigentlich immer um die Fragestellungen: „Was ist Väterarbeit?“. Geht es um Väteraktivierung? Geht es um die Zusammenarbeit mit Vätern? Welchen Raum schaffen Bildungseinrichtungen für bestimmte Zielgruppen, für bestimmte Familienmodelle? Und als Zweites hat uns der Kollege Gökhan Kabaca aus dem KI Kreis Unna ein Projekt vorgestellt, das eigentlich eher ein Programm ist, aber in NRW noch mit Projektcharakter umgesetzt wird. Das Projekt hat das KI aus der Türkei adaptiert. Das war eine Art Vätergruppe Gesprächskreis. Also, wir hatten einmal den Ansatz, durch Aktionen Väter in Kitas zu holen, dann den Ansatz Vätergruppen zu kreieren. Es wurde auch sehr intensiv darüber diskutiert, ob es sinnvoller ist, homogene Angebote oder heterogene Gruppenangebote zu schaffen, was wird eher angenommen von den verschiedenen Zielgruppen, was ist leichter in der Kita oder auch in der Grundschule zu verankern. In diesem Kontext wurde auch sehr stark darüber diskutiert, welche Bilder wir im Kopf haben, welche Bilder von Vätern, welche Bilder von Familien und welche Bilder von Migranten. Und es kamen auch aus dem Publikum die Fragen: Wie werden Eltern angesprochen? Wie wird das wahrgenommen, wenn ich als Vater zu einem Gespräch in die Schule oder in die Kita eingeladen werde? Wie ist es, wenn ich eingeladen werde, an einem Programm teilzunehmen? Warum brauche ich dieses Programm? Und das Ganze hat natürlich auch etwas mit der Wahrnehmung zu tun. Schaffen wir Arbeitsprogramme, Bildungsprogramme? Warum brauchen wir Bildungsprogramme, was versteckt sich hinter dem Begriff Erziehungs- und Bildungspartnerschaft? Ich denke, es herrschte Konsens darüber, dass wir hier das Ganze als Kompetenzpartnerschaft sehen und dass Väter nicht an Programmen teilnehmen, weil sie irgendwelche Defizite haben, sondern weil sie bestimmte Seite 22 Kompetenzen haben und sie zusammen mit Erziehern oder Lehrern zu der besseren Bildungssituation und Entwicklung ihrer Kinder beitragen können. Und als Letztes kamen wir dann dazu, wenn es um die Ansprache und die Strukturen, Räume und Kapazitäten geht, geht es auch darum, wie öffnen sich die Bildungseinrichtungen. Wir haben hier den Arbeitskreis Interkulturelle Väterarbeit, wir haben auf der Landesebene den Auftrag der Kommunalen Integrationszentren zur interkulturellen Öffnung und es geht um die Öffnung von Bildungseinrichtungen. Der Diversity-Ansatz wird häufig im Sinne der „Öffnung für Migranten“,verwendet, wir haben aber auch diskutiert, ob dies nicht auch die Öffnung für den Gender-Ansatz beinhaltet. Und da hat uns Fachtagung: Frag doch Papa! dann als Ergänzung – was sehr gut passte – zu den spezifischen Angeboten die Fachstelle Gender den Ansatz vorgestellt: Wir müssen die Erzieher und das Personal in Bildungseinrichtungen mit auf diesen Weg nehmen, die eigene Haltung und die eigene Wahrnehmung der Zielgruppe, für die man Angebote machen will, zu reflektieren und dafür zu sorgen, dass man Angebote schafft, die auch annehmbar sind. Und es war ein guter Dialog, auch mit dem Publikum. Wir haben aus dem Publikum wertvolle Anregungen bekommen, was die Kitas für Bedürfnisse haben. Und das sind natürlich Bedarfe, dass man mehr Personal bräuchte, mehr Gelder und mehr Räume. Und das wird noch eine gemeinsame Aufgabe sein, daran zu arbeiten. Interkulturelle Väterarbeit in NRW Seite 23 Workshop II: Väterarbeit in der Schule und im Übergang Schule/Beruf verankern Input: Gürkan Uçan (KI Herne), Jonas Lang (Coach e. V.) Moderation: Mustafa Boukllouâ (Projekt „Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte“) Es ist nicht ganz einfach, sich als Lehrer kurz zu halten, aber ich werde es versuchen. Wir hatten das Thema interkulturelle Väterarbeit in der Schule und im Übergang Schule/Beruf. Das war ein sehr interessanter Workshop. Es gab sehr viele Rückfragen, es war ein relativ intensiver Austausch, was man auch an den Ergebnissen sehen kann. Ich möchte nur kurz auf einige eingehen. Zunächst gab zwei Referate, zum einen ein Beispiel aus der Stadt Herne, wie die interkulturelle Väterarbeit gut gelingen kann. Das zweite gute Beispiel war von Coach e. V. in Köln. Anhand dieser Beispiele sind wir dann in die Diskussion gegangen und haben am Ende die verschiedenen Punkte und Überschriften gesammelt: Was sind die einzelnen Wünsche, was soll am Ende herauskommen, die Rahmenbedingungen, die dafür gesetzt werden müssen, wie sollten diese gestaltet sein, welche Gefahren lauern auf dem Weg. Ganz oben auf der Wunschliste steht, die guten Ansätze, die guten Beispiele, die es ja schon auf kommunaler Ebene gibt, im Land noch weiter auszubauen, diese zu intensivieren, darüber zu sprechen, die Multiplikatoren auszubilden. Die Weiter– und Ausbildung von Multiplikatoren aus unterschiedlichen Communities wird ebenfalls häufig gewünscht, damit sie dann die Ideen von interkultureller Väterarbeit in der jeweiligen Community weitertragen können. Ein weiterer Wunsch war die Interkulturalität der Schulen, damit wir interkulturelle Elternarbeit, interkulturelle Väterarbeit verankern. Dafür muss sich auch etwas innerhalb der Organisation, der Struktur tun. Das funktioniert nicht, indem man von außen herantritt, sondern es muss zu einer Haltungsänderung, zu einer Veränderung innerhalb des gesamten Kollegiums, innerhalb der Schulleitung, innerhalb aller Instanzen innerhalb der Schulen kommen bzw. diese muss weiter voranschreiten. Alle Eltern, alle Väter sollen angesprochen werden, es solle nicht die typischen eins, zwei, drei Grüppchen geben. Wenn eine Schule Anspruch haben soll, interkulturell zu sein, dann sollen auch alle Eltern in irgendeiner Form angesprochen werden, die fühlen sich damit natürlich besonders gut. Welche Rahmenbedingungen sollten gegeben werden? Ganz oft tauchte in der Diskussion auf, dass die Bereitschaft der Eltern da sein muss, der Väter da sein muss, damit überhaupt Mitteilungen stattfinden, müssen die Väter tatsächlich auch die innere, die intrinsische Motivation mitbringen, dass sie sich dann tatsächlich auch beteiligen wollen. Im Laufe des Vortrags wurde auch das Wort „Engagement“ angesprochen, das Engagement ist die Bedingung für das Gelingen überhaupt. Was auch eine Rolle spielt, ist die Beteiligung der Väter innerhalb der Schule. Das heißt, die verschiedenen Möglichkeiten, die es gibt, die Geschicke der Schulen mit zu lenken, mit zu prägen, sei es Klassenpflegschaft, Schulpflegschaft etc., sollten wahrgenommen werden. Da denken Sie, müssen Väter, müssen Eltern mit Migra- Seite 24 tionshintergrund gestärkt werden? Ganz groß geschrieben wird die Zeit, man braucht Zeit, man fängt nicht heute mit der Väterarbeit an und in sechs Monaten hat man alle Ziele erreicht, die man erreichen möchte, sondern man muss auch Geduld haben, mit Rückschlägen umgehen und diese Zeit muss auch gegeben werden, das ist auch etwas Wichtiges. Welche Gefahren lauern? Was mehrfach genannt wurde: Doppelstrukturen zu vermeiden. Das bedeutet, dass man nicht irgendwie einen ganz neuen Strang aufzieht, sondern vielleicht mit anderen Strukturen, die es vor Ort gibt, Synergieeffekte erzeugt, dass man gemeinsam etwas auf den Weg bringen kann und nicht einfach ein ganz neues Projekt ins Leben ruft, wenn eines (finanziell) beendet Fachtagung: Frag doch Papa! wurde, die dann vielleicht gestorben sind und an anderen Instanzen vorbeigingen. Auch Kreativität ist gefragt, wenn man einen Antrag ausarbeitet: Hat man wirklich den Anspruch von Anfang an, allen Vätern gerecht zu werden oder geht man sukzessive voran und entwickelt beispielsweise Etappenziele? Dass man vielleicht eine eigene Community hat, bei der der Zugang relativ leicht ist, daraus neue Ideen entwickelt, sich selbst verbessern kann, das ist beispielsweise wichtig. Ich sehe, Sie greifen schon zum Mikro, deswegen höre ich jetzt einfach einmal auf und bedanke mich noch mal bei den Gruppen. Seite 25 Interkulturelle Väterarbeit in NRW Workshop III: Väterarbeit in Stadtteilen und in der Kommune verankern Input: Christian Gollmer (IVA NRW), Antonio Diaz (BIFF e. V.), Dr. Michael Maas (Bildungsnetzwerk Styrum) Thema 1: Interkulturelle Väterarbeit in NRW/ Facharbeitskreis IVA NRW Moderation: Shabena Aissa (Elternnetzwerk NRW. Integration miteinander e. V.) Referent: Christian Gollmer (Facharbeitskreis für interkulturelle Väterarbeit NRW) Begrüßung Frau Aissa und Herr Gollmer begrüßen die Anwesenden und erläutern den Aufbau des Workshops. Das Thema des Workshops „Väterarbeit in den Stadtteilen und in der Kommune verankern“ soll dabei anhand dreier Impulsreferate der anwesenden Experten behandelt werden. Die Fachvorträge sowie die Diskussion der vorgestellten Inhalte sollen sich an folgenden Leitfragen zu den Angeboten der interkulturellen Väterarbeit orientieren: 1) Wo liegt die Besonderheit im Angebot aufgrund der angesprochenen Zielgruppe? 2) Welche strukturellen Rahmenbedingungen sollten hierfür gegeben sein? 3) Wer sind mögliche Kooperationspartner? 4) Inwieweit sind interkulturelle Öffnung und interkulturelle Kompetenz für die Umsetzung der Angebote erforderlich? 5) Wer sind notwendige Fachkräfte? Herr Gollmer ist Landeskoordinator für interkulturelle Väterarbeit in NRW und berichtet über den „Facharbeitskreis für interkulturelle Väterarbeit NRW“, der sich aus einzelnen innovativen Projekten im Bereich der Väterarbeit gebildet hat. Viele der Angebote richteten sich speziell an Väter mit Zuwanderungsgeschichte. Der maßgebliche Auftrag der unterschiedlichen Initiativen liege in der Beratung von Vätern und der Möglichkeit zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch. In diesem Zusammenhang arbeite der Facharbeitskreis für interkulturelle Väterarbeit NRW eng mit dem Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW zusammen. Ziel sei die landesweite Verankerung und Intensivierung der interkulturellen Väterarbeit in NRW. Bei der Implementierung von Angeboten sei auf die Heterogenität der Gruppe der Väter zu achten. Laut eigener Aussage benötigten jedoch viele Väter eine Form der „Übersetzungshilfe“. Auch im Kontext seiner Arbeit mit diversen Jugendgruppen habe Herr Gollmer immer wieder Berichte über eine gewisse „Sprachlosigkeit“ der Väter erhalten. Ziel sei es demnach, bedarfsgerechte Beratungs- und Interaktionsangebote für Väter zu schaffen. Von besonderer Relevanz Seite 26 sei in diesem Zusammenhang die Wahrnehmung der Väter als „Experten“ für ihre Kinder sowie eine Zusammenarbeit auf Dialogbasis bzw. „auf Augenhöhe“. Eine defizitorientierte Perspektive sei in jedem Fall zu vermeiden. Väterarbeit solle zudem möglichst frühzeitig erfolgen. Eine Grundvoraussetzung hierfür sei die Beschäftigung männlicher Bezugspersonen im Kontext der frühen Bildung. Diese Fachkräfte sollten motiviert und qualifiziert werden, im Bereich der Väterarbeit aktiv zu werden. Notwendig sei hierbei die Aufnahme der Väterarbeit als festen Bestandteil der Projektlandschaft (Modelle/Maßnahmenkataloge). Herr Gollmer berichtet über diverse innovative Kooperationsprojekte im Bereich interkulturelle Väterarbeit. Eines dieser Vorhaben sei in Bonn angesiedelt. Ein lokaler Fußballverein arbeite vor Ort mit einer Beratungsinstitution zusammen. Im Rahmen des Projektes würde die Zielgruppe der Väter über das Thema Sport erreicht und eine Überführung in die kooperierende Beratungsinstitution begünstigt. Des Weiteren besäßen Schulen als „neutraler“ Ort eine hohe Akzeptanz bei der Zielgruppe. Die dortigen Angebote (z. B. „Elterncafés“) seien jedoch oftmals ohne die Berücksichtigung der Bedarfe der Väter konzipiert und würden entsprechend selten von diesen wahrgenommen. Zur Situation der Väter mit Zuwanderungsgeschichte merkt Herr Gollmer an, dass häufig prekäre Arbeitsverhältnisse (z. B. Nacht-/Schichtarbeit) vorlägen. Bei der Implementierung von Angeboten im Bereich interkulturelle Väterarbeit sei demnach die Berücksichtigung der „Lebenswelten“ der angesprochenen Zielgruppe von besonderer Relevanz. Thema 2: Interkulturelle Väterarbeit in NRW (Erfahrungsbericht aus Dortmund) Referent: Antonio Diaz (BIFF e. V.) Herr Diaz vom Verein BIFF e. V. (Bildung-IntegrationFrauen-Familie) berichtet über diverse Maßnahmen im Bereich der interkulturellen Väterarbeit in Dortmund. An vielen Stellen sei die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe der Väter mit Zuwanderungsgeschichte begonnen worden. Der Kreis der Teilnehmenden werde hierbei immer größer. Von besonderer Relevanz sei in diesem Zusammenhang die Mundpropaganda. Durch die zunehmende Vernetzung entstünden darüber hinaus Synergieeffekte. Trotz dieser positiven Entwicklung vor Ort sei jedoch eine umfassende, strukturierte und koor- Fachtagung: Frag doch Papa! dinierte Väterarbeit auf Landesebene vonnöten. Interkulturelle Väterarbeit solle zu diesem Zweck in die Förderpläne des Landes NRW aufgenommen werden. Zur nachhaltigen Verankerung und Ausweitung der Aktivitäten vor Ort sei besonders die Verfügbarkeit von Versammlungs- und Schulungsräumlichkeiten eine notwendige Ressource. Es mangele an „neutralen“ und „geschützten“ Räumen, in denen sich Väter austauschen und Beratungsangebote umgesetzt werden könnten. Ferner sollten sich Angebote im Bereich der interkulturellen Väterarbeit an den zeitlichen Ressourcen der Zielgruppe orientieren. Die potenziellen Teilnehmergruppen für die entsprechenden Angebote könnten hierbei über „neutrale“ Themen (z. B. Kochkurse, Sportangebote) identifiziert und gebildet werden. Bei der Konzeption und Implementierung von Angeboten seien gut geschulte Multiplikatoren und speziell ausgebildetes Fachpersonal unabdingbar. In diesem Zusammenhang sei auch die Etablierung einer Quote für den Anteil von männlichen Fachkräften im Bildungsbereich denkbar. Vorhandene Fachkräfte sollten zudem im Themenfeld „interkulturelle Kompetenz“ geschult werden. Thema 3: Interkulturelle Väterarbeit in NRW (Erfahrungsbericht aus Mülheim an der Ruhr) Referent: Dr. Michael Maas (Bildungsnetzwerk Styrum) Dr. Michael Maas ist Stadtteilkoordinator des Bildungsnetzwerks Styrum in Mülheim an der Ruhr. Herr Dr. Maas berichtet über Projekte und Angebote des Bildungsnetzwerks im Bereich der Elternbildung und interkulturellen Väterarbeit. Ziel des Bildungsnetzwerks sei die Zusammenführung und Weiterentwicklung bestehender Angebote zur Stärkung der Kompetenzen von Eltern. Elternarbeit fokussiere sich dabei oftmals auf die Mütter, weshalb das Bildungsnetzwerk spezielle Angebote für Väter im Stadtteil Styrum geschaffen habe. Die Rolle der Väter im Erziehungs- und Bildungsprozess solle hierdurch gestärkt werden. Bei der Konzeption derartiger Angebote seien niedrigschwellige Vater-KindAktionen eine sehr gute Ausgangsbasis. Die aus dieser Praxis gewonnenen Erkenntnisse könnten reflektiert und entsprechende Angebote unter Einbeziehung weiterer Kooperationspartner nachhaltig vor Ort implementiert werden. Ein diesbezügliches Beispiel seien die Vater-Kind-Aktionswochen, die das Bildungsnetzwerk Interkulturelle Väterarbeit in NRW Styrum gemeinsam mit verschiedenen Akteuren aus dem Bildungs- und Integrationsbereich (Schulen, Kindertagesstätten, Koordinierungsstelle Integration etc.) durchführe. Besondere Erfolge hätten mit der Umsetzung eines Vater-Kind-Fußballturniers erzielt werden können, das in Zusammenarbeit mit dem Kommunalen Integrationszentrum und Moschee- und Sportvereinen organisiert worden sei. Auch in den Familienzentren gebe es bereits seit geraumer Zeit Vater-Kind-Aktionen. Eine weitere Initiative im Bereich der Väterarbeit sei das Projekt „Mein Papa liest vor!“ der Stiftung Lesen. Durch die Bereitstellung von Materialien biete das Projekt Vätern die Möglichkeit, als lesende Vorbilder für ihre Kinder stärker in Erscheinung zu treten und ihre Rolle im Bildungsprozess aktiver wahrzunehmen. Diskussion und Erfahrungsaustausch Ein Teilnehmer merkt an, dass die häufig vorhandene Sprachbarriere die Zusammenarbeit mit der Zielgruppe und deren Zugang zu bestehenden Angeboten oftmals erschwere. Dies gelte insbesondere für die Gruppe der Flüchtlinge. Aus diesem Grund seien finanzielle Ressourcen für Übersetzungen und mehrsprachiges Informationsmaterial notwendig. Herr Diaz betont in diesem Kontext die Bedeutung der Vernetzung vor Ort. Durch die Kooperation mit lokalen Migrantenselbstorganisationen, interkulturellen Zentren und weiteren Initiativen werde eine sprachliche Vielfalt geschaffen, wodurch eine Unterstützung und Weitervermittlung dieser Personen in die Beratungsinstitutionen ermöglicht würde. Eine weitere Frage bezieht sich auf die bestehenden Weiterbildungs- bzw. Fortbildungsmöglichkeiten im Bereich der interkulturellen Väterarbeit. Herr Gollmer weist darauf hin, dass bei den Wohlfahrtsverbänden einige diesbezügliche Angebote existierten. Qualifizierte Fachkräfte sollten zudem die Möglichkeit der Weiterbildung erhalten. Ein Teilnehmer merkt an, dass die Angebote im Bereich der interkulturellen Väterarbeit nicht ausschließlich auf ehrenamtlichem Engagement aufbauen könnten. Seite 27 Bei einer weiteren Wortmeldung wird die Bedeutung des Faktors „Spaß“ betont. Der Anreiz, sich an Angeboten im Bereich Väterarbeit zu beteiligen, sei ansonsten zu gering. Auch laut Herrn Dr. Maas ist dieser Faktor entscheidend bei der Implementierung zielgruppenund bedarfsgerechter Angebote. Auf diese Weise könne der Einstieg in weiterführende Beratungsangebote erleichtert werden. Ein Teilnehmer weist darauf hin, dass die Gruppe der Väter mit Zuwanderungsgeschichte eine gesellschaftliche Teilgruppe darstelle. Aus diesem Grund seien Maßnahmen zur grundsätzlichen Integrationsförderung notwendig und die Einbindung von Kooperationspartnern aus allen sozialen Bereichen sei erstrebenswert. Herr Gollmer betont das Erfordernis einer Überprüfung und etwaigen Modifikation der bestehenden Angebote im Bildungs- und Integrationsbereich hinsichtlich deren Öffnung für die Zielgruppe der Väter mit Zuwanderungsgeschichte. Bei der Implementierung von Angeboten müssten stets die Bedarfe der Zielgruppe berücksichtigt werden. Hierzu sei eine situationsspezifische Bedarfsanalyse der Gegebenheiten vor Ort unabdingbar. Herr Dr. Maas verweist auf die Heterogenität der bestehenden Ansichten über das Thema „interkulturelle Väterarbeit“. Trotz der vermehrten und guten Ansätze in diesem Bereich gebe es auch Widerstände. Diese gründeten zumeist auf dem Vorwurf, Väterarbeit grenze Mütter aus und diskriminiere Kinder von alleinerziehenden Müttern. Herr Gollmer regt diesbezüglich die Durchführung einer Informationsveranstaltung an, in deren Kontext kritische Haltungen gezielt thematisiert und weitere Akteure für die Väterarbeit gewonnen werden könnten. Seite 28 Fachtagung: Frag doch Papa! Workshop IV: Interkulturelle Väterarbeit in der Forschung verankern Input: Michael Tunç (ZfTI), Dr. Berrin Otyakmaz (TU Dortmund) Moderation: Miriam Palazzi (Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW) Mein Name ist Miriam Palazzi, ich arbeite in der Integrationsabteilung des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und begleite seit zwei Jahren den Ansatz der interkulturellen Väterarbeit. Da ich sehr kurzfristig die Moderation übernommen habe, steht mir Frau Dr. Otyakmaz zur Seite, die dann auch auf den wissenschaftlichen Part eingehen wird. Wir haben bei unserem Workshop zuerst zwei sehr spannende Inputs gehabt, einen von Frau Dr. Otyakmaz und dann von Herrn Michael Tunç zu dem Praxisforschungsprojekt. Anschließend haben wir eine entsprechende Diskussion, eine kleine Arbeitsgruppe gehabt, aber ich würde jetzt erst mal an Frau Dr. Otyakmaz weitergeben, dass sie etwas zu den Inputs sagt. Frau Dr. Otyakmaz Wir - das sind Frau Dr. Westphal, unsere Kollegin Prof. Elif Durger von der Yaşar Universität in Izmir und ich von der TU Dortmund - haben im Frühjahr dieses Jahres eine größere Studie zur parentalen Ethnotheorien von Vätern und Müttern in und aus der Türkei gestartet. Wir wollen in dieser Studie etwas darüber erfahren, was sich Väter und Mütter unter kindlicher Entwicklung, kindlicher Entwicklungsfähigkeit, kindlichen Bedürfnissen und der jeweiligen Rolle als Vater und Mutter, als Erziehender und als Entwicklungsunterstützer vorstellen. Es gibt kulturvergleichende Untersuchungen, die darlegen, dass in verschiedenen kulturellen Kontexten die Vorstellungen darüber, wann beispielsweise ein Kind im Vorschulalter bestimmte Entwicklungsschritte erreicht haben sollte, sehr wohl auseinandergehen. Wenn die Menschen in ihren jeweiligen Kontexten leben, dann ist das auch in Ordnung. Wenn sie aber von ihren Kontexten getrennt leben, ist das schwierig. Ich hatte in einer Studie mit Müttern mit Migrationshintergrund, nicht mit Vätern, festgestellt – dass beispielsweise türkisch-deutsche Mütter spätere Entwicklungserwartungen haben als deutsche Mütter. Wenn die Kinder dann in den Kindergarten kommen - und es gibt eben so einen heimlichen Lehrplan oder einen offenen Lehrplan auch in der Kindertagesbetreuung, dass Kinder selbstständig essen können sollten, dass Kinder Seite 29 Interkulturelle Väterarbeit in NRW bestimmte soziale Fähigkeiten haben sollten usw. wenn dann diese Vorstellungen nicht miteinander in Übereinstimmung sind, kommt man sehr schnell zur dieser Vorstellung „Eltern mit Migrationshintergrund sind bildungsbedürftig, sind in ihren Erziehungskompetenzen zu unterstützen“. Diese Problematik ist sehr wohl da, auch wenn sagt „Wir wollen nicht mehr defizitorientiert sein, wir wollen bei den Ressourcen ansetzen,“ aber wenn man zumindest die Begründung für Elternbildungsprogramme, für Väterbildungsprogramme anschaut, dann ist das immer eine Normalitätsvorstellung in der Welt, die dann heißt, ein Kind hat diese und jene Bedürfnisse in diesem und jenem Alter und der Vater oder die Mutter, meistens ist es dann doch auf die Mutter gerichtet, sollte das Kind in dieser Phase auf diese oder jene Weise unterstützen. Wenn er bzw. sie das nicht tut, dann ist der Vater oder die Mutter bildungsbedürftig und sollte möglichst in der Bildungsund Erziehungskompetenz unterstützt werden. Was wir mit unserer Studie machen wollten, ist zu vergleichend zu untersuchen, und deshalb findet die Studie sowohl in der Türkei als auch in Deutschland statt. Wir beziehen sowohl ethnisch deutsche Mütter und Väter als auch türkisch-deutsche Mütter und Väter der ersten und zweiten Generation ein. Wir wollen jeweils von diesen Eltern in qualitativen problemzentrierten Interviews erfahren, was denn eigentlich ihre elterlichen Vorstellungen darüber sind, was das Wesen ihrer Kinder ausmacht, was sie für Bedürfnisse haben, wann und wie erzieherisch bei welchen Entwicklungsbereichen jeweils eingegriffen werden sollte. Wir haben mittlerweile hier eine sehr klare Vorstellung davon entwickelt, das Kind am besten schon im Mutterleib zu fördern, in der Sorge, Entwicklungszeitfenster zu verpassen. Es gibt aber andere Kontexte, wo man sagt „Gut, lass das Kind doch erst mal Kind sein, es kann sich später entwickeln“. Was nicht bedeutet, dass diese unterschiedlichen Konzepte besser oder schlechter sind, uns geht es eigentlich darum, mit dieser Studie auch dienlich zu sein für die Normalitätskonzepte, die Bestandteile dieser Bildungsmaßnahmen sind, und die- se Normalitätskonzepte zu erweitern, sodass sich Eltern jeweils auch mit dem, wie sie sind, als normal wiederfinden können. Das ist der Ansatz in unserer Studie, bei der wir insgesamt 120 Mütter und Väter in der Türkei und in Deutschland besuchen werden. Jetzt noch zwei Sätze. Es war natürlich nicht einfach, den Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis herzustellen, und wie es schon Prof. Dr. Uslucan heute Morgen gesagt hat „Wenn ein Projekt evaluiert wird, sind alle engagierter, sind die Ergebnisse oft besser“. Deshalb haben wir mit Kolleginnen aus der Praxis zusammen überlegt, und zwar auf verschiedenen Ebenen, welche Fragestellungen erachten sie für zukünftige Forschungen zur interkulturellen Väterarbeit als relevant, also welche Bereiche. Und die Kolleginnen haben viele gute Ideen gehabt, viele haben auch noch Probleme, die Väter mit Migrationshintergrund zu erreichen. Das möchten wir auch mal gerne evaluieren: Woran liegt das? Warum erreichen wir die Väter nicht? Es geht aber auch um andere Themen, wie zum Beispiel andere Bezugssysteme. Die Paarebene sollte untersucht werden. Es sollte zum Beispiel Folgendes untersucht werden: Wie wirkt sich das Spannungsfeld als Mutter einerseits und berufstätige Frau andererseits auf die Berufstätigkeit und auf die Mutterrolle aus ? Dort könnte man auch ansetzen, viele Aushandlungsprozesse sollten untersucht und evaluiert werden. Weiterhin könnte es auch Langzeitstudien geben, inwiefern es eigentlich bei Erziehungsnormen einen Wandel gibt, wenn man bei Großvätern ansetzt. Wir haben eine bunte Palette an spannenden Forschungsfeldern, die noch zu bearbeiten sind. Und da waren sich alle einig, dass es auf jeden Fall mehr Forschung dazu geben sollte. Und dann möchte ich ganz herzlich danken für Ihre Aufmerksamkeit! Seite 30 Fachtagung: Frag doch Papa! Podiumsdiskussion: „Wie geht es weiter? Visionen zur Ausweitung der interkulturellen Väterarbeit“ Anton Rütten, Abteilungsleiter Integration im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW Kai Diekelmann, Sprecher des Fachausschusses Integration der LAG Freie Wohlfahrtspflege in NRW Dr. Hildegard Kaluza, Gruppenleiterin für Familie und Bürgerschaftliches Engagement im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW Christian Bönisch, Referat Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Moderator: Ich danke allen, die ihre Ergebnisse vorgestellt haben, und meine Damen und Herren: Wenn ich mir diese tollen, vollgepackten Flipcharts hier anschaue, habe ich mir spontan überlegt, Sie haben eigentlich alle ein Teilnehmerzertifikat verdient. Sie sehen, ich habe einen ganz spendablen Tag! Natürlich hat sich das der Facharbeitskreis überlegt, ich darf es nur verkünden, das ist die tolle Aufgabe des Moderators. Es wird für die heutige Veranstaltung ein Teilnahmezertifikat geben! Wir wollen einen Ausblick am Schluss wagen unter dem Titel „Wie geht es weiter?“, ob wir Visionen haben und ob das überhaupt gesund ist, das lassen wir an dieser Stelle. Und ich möchte mir gerne noch eine Diskussionsrunde hier vorne zusammenpuzzeln. Ich beginne, wie es sich gehört, mit der Dame, Frau Dr. Hildegard Kaluza, sie ist zu uns gekommen aus dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW. Dort ist sie Gruppenleiterin für Familie und Bürgerschaftliches Engagement. Herr Christian Bönisch kommt von der Bundesebene zu uns, aus dem Referat Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Ein für heutige Verhältnisse kurzer Titel. Herr Kai Diekelmann von der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in NRW kommt auch zu uns nach vorne. Und last, but not least, Herr Anton Rütten ist der Abteilungsleiter Integration im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW. Ich will gerne anfangen mit Herrn Bönisch, der aus Berlin zu uns kommt. Macht Sie das neidisch, wenn Sie nach NRW kommen mit dieser breiten Landschaft von interkultureller Väterarbeit? Wie bringen Sie das den übrigen 15 Bundesländern bei? Interkulturelle Väterarbeit in NRW Herr Bönisch: Erst mal herzlichen Dank für die Einladung. Nein, neidisch sind wir nicht, weil jede Ebene ihre Verantwortung hat, und das ist sehr erfreulich, wenn sich in NRW viel tut. Und wenn die einzelnen Bundesländer voneinander lernen, dann freuen wir uns, glaube ich, alle darüber. Das können alle ohne jeden Neid tun. Moderator: Aber tatsächlich gefragt, wenn Sie den Blick auf die gesamte Bundeslandschaft werfen, muss sich NRW nicht verstecken mit dem, was hier passiert. Herr Bönisch: Ich gehe nicht davon aus. Wobei ich sagen muss, ich stehe hier ja auch als jemand, der einen etwas anderen Hut aufhat. Ich arbeite ja im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und komme dort aus der Abteilung Gleichstellung. Ich habe also den Gleichstellungshut auf, arbeite im Referat Gleichstellungspolitik für Jungen und Männer. Das heißt, für uns ist die Frage nach dem Migrationshintergrund von Menschen nur ein kleiner Aspekt unter ganz vielen und insofern ist für uns die Integrationspolitik jetzt nicht der entscheidende Punkt. Was ich heute hier gehört habe, hat mir in vielen Punkten sehr gut gefallen, weil hier vielfach Arbeit geleistet wird, die genau in die Richtung geht, in die wir auch kräftig zu rudern versuchen. Nämlich hin zur Rollenerweiterung und vor allem zur Rollenerweiterung auch für Männer. Und von daher finde ich das ausgesprochen schön, wenn hier neue Formen von Männlichkeit, neue Männlichkeit eben, für eine ganz bestimmte Bevölkerungsgruppe auch propagiert werden. Moderator: Wir kommen auf diesen Punkt, nicht immer nur auf das Merkmal Migrationshintergrund zu schauen, auch wenn das inzwischen in manchen Organisationen schon Karrierefaktor geworden ist, zurück. Wenn wir auf die Landesebene schauen. Herr Rütten, das Land NRW, wir wollen die verschiedenen Ansätze jetzt mal ein bisschen sortieren, engagiert sich in diesem Bereich ganz intensiv, dafür gibt es wahrscheinlich viele Gründe, aber können Sie uns auf den Nenner bringen, warum dieses Thema Väterarbeit für das Land so einen hohen Stellenwert hat? Herr Rütten: Es gibt aus zwei Ecken Bedarfe, die uns gemeldet worden sind, auf die wir reagiert haben. Der eine ist der, der uns über Integrations- und Sozialarbeit und früher über die RAA und heute die Kommunalen Seite 31 Integrationszentren vermittelt worden ist, dass Väter gekommen sind und gesagt haben „Stellt uns nicht immer als dumm dar, stellt uns nicht immer als unmotiviert dar, sondern unterstützt uns und gebt uns Angebote der Information, der Qualifizierung und eben auch des Austauschs“. Das andere ist, es gibt eine Defizitmeldung und wir machen ja keinen defizitorientierten Ansatz im Grundsatz, aber wir müssen Defizite in unseren Strukturen beheben. Und deswegen ist da noch mal ein wichtiger Ansatz, wenn Kindertageseinrichtungen und Schulen sagen „Wir erreichen diese Väter nicht mit den herkömmlichen Angeboten“. Es ist fast immer die Polarisation da gewesen, „Weil sie nicht wollen“, es sind aber auch einige Menschen, die gesagt haben „Weil wir nicht wissen, wie wir sie ansprechen sollen“, und deswegen war dieser Bedarf auch ein Grund für uns, da heranzugehen. Erlauben Sie mir auch eine persönliche Anmerkung. Ich habe mal als Sozialarbeiter in Köln-Chorweiler gearbeitet, das ist schon ewig lange her. Aber einer unserer ersten Fälle war der einer türkische Familie, in der die Frau den Mann verlassen wollte, der Mann große Probleme mit dieser Situation hatte. Kann man verstehen, der hat aber dann nicht so reagiert, wie man reagieren sollte, sondern hat versucht, der Frau Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Was haben wir gemacht? Als Beratungsstelle des DeutschTürkischen Vereins, deren Geschäftsführer ich damals war, haben wir der Frau und ihren Kindern geholfen. Wir haben erfolgreich eine neue Wohnung vermittelt, wir haben die Kontakte zum Amt hergestellt und haben den Mann in dieser Situation alleine gelassen. Wir haben auch niemanden gefunden, der ihm helfen konnte, und er hat auch den Versuch der Ansprache durch uns vermieden, weil er wusste, ich bin sowieso nur in dieser einen Täterrolle da. Und ich finde es einfach persönlich ganz toll, bei so einer Veranstaltung zu erfahren, wohin sich das Thema entwickelt hat, das habe ich mir ganz viel früher gewünscht, aber ich finde es einfach außerordentlich, dass da so eine Bewegung in die Landschaft gekommen ist. Und auch das ist mit ein Motiv für uns gewesen, sodass wir gespürt haben, es ist einfach überfällig, dass man auch da ansetzt. Moderator: Wir haben heute Morgen gehört, dass es zumindest in der Wissenschaft noch sehr wenig Beschäftigung mit dem Thema Väterarbeit und auch mit den Hintergründen gibt. Dass es einzelne Projekte gibt, Seite 32 aber dass die Wissenschaftler ja auch gesagt haben, da müsse eigentlich immer noch sehr viel empirische Forschung passieren. Haben Sie das Gefühl, wenn Sie so ins Land schauen, dass Sie immer noch an vielen Stellen erklären müssen, was Sie da tun, oder ist das in der breiten Wahrnehmung inzwischen angekommen? Herr Rütten: Ich bewege mich ja meistens in unseren Fachkreisen und da muss ich nicht mehr viel erklären. Wenn ich in öffentlichen Veranstaltungen bin, muss ich erklären, dass die Männer, die man dort hat, teilweise sehr engagiert sind, dass die Erwartungen an uns, solche Arbeit zu machen, um Menschen zu korrigieren in ihrem Fall, dass das nur ein kleiner Aspekt des ganzen Unternehmens ist. Was die ganze wissenschaftliche Szene angeht, haben wir natürlich hier in NRW noch mal eine sehr reiche Landschaft und wir haben mit dem Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung einen Mitakteur hier in diesem ganzen Geschehen, sodass wir von daher, auch was den Grad der Informationund der Öffentlichkeitsarbeit in den Fachkreisen angeht, schon sehr, sehr weit sind. Ich glaube ein Stückchen weiter als das eine oder andere Bundesland. Moderator: Vielleicht ist einer der Erfolgsfaktoren auch, dass hier zwei Ministerien sehr eng miteinander arbeiten. Das ist nicht bei allen Themen üblich, manchmal sieht das ganz anders aus. Frau Dr. Kaluza, gerade in Ihrem Haus entwickeln sich im Moment und auch in letzter Zeit ganz viele neue Ansätze, ich meine damit nicht nur ein Väterportal, von dem Sie uns berichten müssen, sondern auch an Beratungsstrukturen. Was gibt es da an Entwicklungen in Ihrem Haus? Frau Dr. Kaluza: Ja, vielleicht. Aber vorweg noch mal, ich habe vorhin etwas gehört vom Fußballturnier. Es ist so, dass die Väter in NRW nicht vorne sind, nein. Sondern in der Väterarbeit sind wir schon ein Stück zurück, und das macht uns auch traurig. Deshalb versuchen wir auch, dieses Thema sehr nach vorne zu schieben. Ich bin auch ganz begeistert von der Veranstaltung heute, weil ich glaube, dass das auch viele deutsche Väter trifft. Vielleicht sogar mehr, ich bin nicht ganz sicher. Wir haben, wenn wir uns jetzt mit Bayern vergleichen, zum Beispiel beim Elterngeldbezug eine Quote von 20 %. Das heißt also, jeder fünfte Vater in NRW nimmt Elterngeld in Anspruch, in der Regel sowieso nur zwei Monate, aber immerhin. In Bayern sind es 38 %. Das Fachtagung: Frag doch Papa! kann uns nicht zufriedenstellen, das muss uns zu denken geben. Ich glaube, wir haben doch eine sehr konservative Struktur in diesem Punkt, obwohl bei allen Befragungen herauskommt, dass die Familien sich eine partnerschaftliche Rollenverteilung wünschen. Es ist ganz egal, welcher kulturelle Hintergrund, das ist der Wunsch der Familien und wir verwirklichen ihn nicht. Die Rahmenbedingungen stimmen nicht, deshalb hat die Väterarbeit für uns einen ganz, ganz hohen Stellenwert. Und wir haben jetzt mehrere Dinge auf den Weg gebracht. Eins ist das Väterportal, Sie haben es schon erwähnt. Wir haben in zwei Monaten auch das Thema interkulturelle Väterarbeit, weil uns das besonders wichtig ist. Wir haben eine Fachstelle eingerichtet für Väterarbeit, auch da wollen wir interkulturelle Väterarbeit ein Stück weit einbringen. Und wir machen Werkstattgespräche schon seit einer ganzen Reihe von Jahren und in diesen Werkstattgesprächen ist auch das Thema interkulturelle Väterarbeit integriert und es sind auch einige hier, die an den Werkstattgesprächen teilnehmen. Aber ich denke, insgesamt braucht das Thema Väter viel, viel mehr Rückenwind. Also ich bin der Meinung, dass das Thema viel zu wenig beachtet wird Wir können überhaupt nicht in der Familienpolitik weiterkommen, wenn sich das Thema Väter nicht ändert, wenn Väter nicht die gleiche Chance bekommen, an der Familienarbeit teilzunehmen, sich dort einzubringen, gleiche Rechte haben wie Frauen in dem Bereich. Nicht nur rechtlich auf dem Papier, sondern praktisch. Und da denke ich, es ist eine Riesenbaustelle. So wie die Frauen sich in den 1970er-Jahren auf den Weg gemacht haben in die Arbeitswelt, so müssen die Väter heute den Weg in die Familie machen. Moderator: Haben Sie das Gefühl, dass das bei den Vätern zum Teil selbst auch noch gar nicht angekommen ist? Also dass da auch noch kein Selbstbild ist, dass sie bereit sind, solche Angebote anzunehmen? Frau Dr. Kaluza: Ich glaube, in der jüngeren Generation ist das schon so, wenn man mit Jüngeren redet. Es ist ja bemerkenswert, dass in bestimmten Städten, zum Beispiel in Münster oder in Bonn haben wir Elterngeldquoten bei Vätern von 50 %. Und die nehmen auch wesentlich länger Elterngeldbezug als zwei Monate. Aber es ist einfach für viele Väter nicht möglich, es zu realisieren, Seite 33 Interkulturelle Väterarbeit in NRW weil zum Beispiel das Einkommen des Vaters wesentlich höher ist als das der Mutter, weil bestimmte andere Rahmenbedingungen nicht stimmen. Dann fällt man im Grunde in diese alte Rollenvorstellung zurück, obwohl man eigentlich ursprünglich etwas anderes wollte. Noch immer ist es so, dass Väter, wenn das erste Kind geboren wird, mehr arbeiten als vorher. Obwohl sie sich etwas anderes gewünscht haben, von daher möchte ich ganz exzessiv für das Thema werben. Ich finde auch gut, dass Sie von der Gleichstellung sind. Weil ich glaube, das ist auch ein gleichstellungspolitisches Thema und wir dürfen Gleichstellungspolitik nicht mehr nur als Frauenförderung verstehen oder verkürzen, sondern müssen sie eben auch als Männerpolitik verstehen. Moderator: Wenn wir die Städte Bonn und Münster hören, ich will keine Klischees bedienen, aber wir haben alle etwas Ähnliches im Kopf, wenn wir an die Väter denken. Hat das tatsächlich etwas damit zu tun, wie in verschiedenen Communitys ganz allgemein dieses Vaterbild besetzt und wahrgenommen wird und ist das auch vielleicht der Grund für große Unterschiede? Herr Rütten: Selbstverständlich gibt es sehr unterschiedliche Männer- und Väterbilder. Und die sind natürlich von vielen verschiedenen Faktoren abhängig. Die sind regional unterschiedlich, die sind sozial unterschiedlich, die sind nach Stadt und Land unterschiedlich und selbstverständlich auch nach der Herkunft unterschiedlich. Deswegen sträuben sich mir auch immer meine wenigen Haare, die ich noch habe, wann immer ich nur den Begriff „die Männer“ oder „die Frauen“ höre, weil man damit der Mehrheit Unrecht tut. Ich möchte Frau Kaluza ganz herzlich danken. Das, was sie gesagt hat, kann ich nur unterstreichen. Vielleicht noch ein kleines Beispiel aus einem etwas anderen Bereich. Wenn wir fragen „Was ist denn das, was die Männer möglicherweise wollen?“. Ich glaube schon, dass es auch in vielen Bereichen bei einer großen Zahl von Männern eine Bereitschaft gibt, sich zu verändern. Und es auch das Bedürfnis gibt, sich zu verändern. Wir haben zum Beispiel in einem etwas anderen Bereich vor drei Jahren ein langes Projekt gemacht, „Männer in KITAS“, und wir waren völlig überrascht, als wir plötzlich weit über 2.000 Anfragen bekamen von mittelalten Männern zwischen 30 und 40 Jahren, die gesagt haben „Tolle Idee, möchte ich werden, wie kann ich das werden?“. Das heißt, man hat sozusagen nur den Stein ins Wasser geworfen und wir hatten eine große Reaktion. Es gibt durchaus sehr viele Männer, die Ideen haben, anders zu leben, als es klassisch ist. Als Familienernährer kommt man spät abends nach Hause und schafft ordentlich das Geld an, aber man möchte sich vielleicht beruflich anders orientieren, eine andere Vaterrolle übernehmen. Aber die Strukturen sind in der Tat im Moment nicht besonders förderlich. Und ich hoffe, dass sich das auch zum Beispiel über das Elterngeldgesetz ändert, was ja doch ein bisschen Wirkung gezeigt hat, jetzt auch das Elterngeldplus, das kommen wird und so eine partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit noch mal etwas unterstützen soll. Vielleicht ist das doch noch ein guter Schritt, der nach vorne gemacht wird, und vielleicht kommen dann auch noch ein paar Gruppen, die bisher wenig Anteil hatten, und Regionen dazu. Moderator: Ganz herzlichen Dank. Moderator: Herr Diekelmann, Sie sprechen ja nicht nur für einen Träger hier, sondern für die Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände. Als Frau Dr. Kaluza gesagt hat, da muss an einigen Stellen noch einiges passieren, da haben Sie durchaus an einigen Stellen genickt. Wenn Sie das Ganze aus der praktischen Arbeit der Träger betrachten, wo sehen Sie da die größten Bedarfe, um noch eine Schippe draufzulegen? Herr Diekelmann: Ich könnte jetzt versuchen - vielleicht hat es der eine oder der andere hier in der Runde erwartet -, dass ich jetzt eine Erfolgsgeschichte erzähle, was die Freie Wohlfahrtspflege im Bereich Väterarbeit insgesamt und in der interkulturellen Väterarbeit bereits leistet. Ich werde das nicht tun, weil ich es so ähnlich sehe wie Sie, Frau Kaluza, mir ist das alles noch viel zu wenig. Es gibt sicherlich eine ganze Reihe von Leuchtturmprojekten in dem Bereich, aber es gibt noch viel zu wenig. Das hängt schlicht damit zusammen, dass die Wohlfahrtspflege letztlich auch Teil dieser Gesellschaft ist, die Rollenbilder, über die wir gesprochen haben, die gibt es in der Freien Wohlfahrtspflege in allen Verbänden natürlich auch, sie bestimmen auch das Handeln, das Konzeptionieren von Dingen usw. Seite 34 Moderator: Machen Sie das vielleicht auch mal ganz plastisch, Sie müssen ja keinen Träger benennen, aber das heißt, wenn Sie mit solchen Anliegen und solchen Plänen und dem Thema Väterarbeit in die Verbände gehen, gibt es da viel Unverständnis? Herr Diekelmann: Unverständnis würde ich nicht sagen. Es ist jedenfalls keine Regelarbeit. Es hat nach wie vor eine innovative Konnotation. Jemand, der eine Idee hat, ein Väterprojekt zu machen, erregt erst mal positive Aufmerksamkeit und dann kann man prüfen, was geht. Ich denke, dass wir, Herr Rütten hat es gesagt, mit den Kommunalen Integrationszentren sicherlich schon über einige Erfahrungen verfügen. Die Freie Wohlfahrtspflege ist ja hier in NRW Träger von Integrationsagenturen , wo wir intensiv versuchen, sozialräumlich etwas in Gang zu setzen, an den Bedürfnissen, die es vor Ort gibt, anzusetzen. In den Integrationsagenturen entwickeln sich auch hier und da Väterprojekte. Aber wie gesagt, es ist noch nicht querbeet. Ich finde ein großer Erfolg der heutigen Fachtagung ist die doch relativ große Zahl derer, die sich nicht nur für das Thema Väterarbeit, sondern interkulturelle Väterarbeit interessiert. Wenn ich interkulturelle Väterarbeit höre, dann verstehe ich das zunächst einmal so, dass der Blick darauf gerichtet wird, inwieweit Väter mit dem berühmten Migrationshintergrund mitgedacht und auch beteiligt sind in Väterprojekten. Als ich gefragt wurde, ob ich hier die Freie Wohlfahrtspflege vertreten kann, musste ich mich erst einmal erkundigen, von der Tageseinrichtung für Kinder, der Erziehungsberatung, Schwangerschaftsberatung, sozialpädagogische Familienhilfen, was es da bereits gibt an Väterarbeit. Und ich habe überlegt, dass diese Einrichtungen im Prinzip auch einbezogen werden müssten in so eine Veranstaltung. Ich habe mir dann auch zum Teil von Kolleginnen sagen lassen müssen, dass es noch wenig gibt. Ich weiß von der Kollegin, die für die Schwangerschaftsberatung zuständig ist, dass es mittlerweile in dem Bereich zwar auch Angebote für Väter gibt, bzw. für werdende Väter, aber die Kollegin hat quasi zugeben müssen, dass noch bis vor Jahren die Grundhaltung in der Schwangerschaftsberatung die war, dass Männer, also die Väter, im Grunde genommen kritisch zu betrachten sind, weil in vielen Fällen die werdenden Mütter dann alleine gelassen wurden, die Frauen in ihrer Situation auf sich Fachtagung: Frag doch Papa! gestellt waren, Väter sich vielleicht gar nicht mehr darum gekümmert haben. Was dann auch dazu führte, dass es erst seit ein paar Jahren überhaupt mal Honorarkräfte gibt in dem Bereich, die eben nicht Frauen sind, sondern Männer. Was gesagt wurde zu dem Projekt „Mehr Männer in Kitas“, das stimmt, allerdings gibt es in unseren Strukturen auch zu wenig männliches Fachpersonal, und das gilt querbeet. Ich habe die Zahlen für die Wohlfahrtspflege insgesamt nicht genau im Kopf, ich schätze mal, dass sicherlich zwei Drittel der Beschäftigten im Bereich der Fachkräfte Frauen sind. Es muss einfach unterstützt werden. Moderator: Es gilt jetzt, aus diesen Angeboten, die es hie und da gibt, möglichst irgendwann ein „Überall“ zu machen, Stichwort Kooperation verschiedener Träger, die Sie ja auch unter dem Dach der Landesarbeitsgemeinschaft ganz gut organisieren können. Ist das für Sie ein Weg, auf dem das gelingen kann, einzelne Leuchtturmprojekte miteinander so zu vernetzen, dass es vielleicht eher zur Normalität wird? Herr Diekelmann: Ja, ich sagte eben schon, der sozialräumliche Ansatz ist uns ganz wichtig. Das heißt dann konkret, dass mit Schulen, mit Kindertageseinrichtungen, mit sozialen Diensten, die es innerhalb eines sozialen Raumes gibt, gemeinsam auf die Bedürfnisse der Menschen geschaut wird, die im Stadtteil leben. Es gibt teilweise auch sehr schöne Methoden der Erfragung von Bedürfnissen im Stadtteil, wo den Menschen schlicht die Möglichkeit gegeben wird, mal selbst zu formulieren, was braucht ihr hier, woran mangelt es, was müsste organisiert werden, wo sie aufgerufen werden, mitzugestalten. In dem Bereich gibt es sehr viel Kooperation. Dass ein einzelner Träger, das heißt Diakonie, Arbeiterwohlfahrt und Rotes Kreuz, da alleine loslegt, würde gar keinen Sinn machen, sondern da geht es immer darum, möglichst alle an einen Tisch zu holen, diejenigen, die jetzt für ein bestimmtes Bedürfnis gefragt sind, auch Kompetenzen haben, das können natürlich auch Träger sein, die Väterarbeit betreiben. Das sind Themen, die das Rollenbild als Mann, als Familienoberhaupt betreffen, das können Erziehungsschwierigkeiten sein, die es innerhalb von Familien gibt. Ganz unterschiedliche Themen, je nachdem, wer vor Ort da sowieso schon auf der Spur ist, ist ein willkommener Kooperationspartner. Interkulturelle Väterarbeit in NRW Moderator: Herr Rütten, jetzt kann man von Düsseldorf aus nicht immer alles regeln, aber - nachdem wir festgestellt haben, es hat Ansätze gegeben in den letzten Jahren, es gibt vieles, worauf das Haus auch stolz sein kann, aber es ist noch ein ganz weiter Weg zu gehen - wo sehen Sie da die Rolle des Landes ganz speziell bezogen auf das Bundesministerium, das zu unterstützen und mit zu befeuern? Herr Rütten: Richtig, wir haben die erste Etappe hinter uns gebracht und ich finde, die haben wir recht erfolgreich hinter uns gebracht, das heißt mit der heutigen Tagung. Wir sind aber noch längst nicht am Ziel, deswegen muss weiter miteinander gearbeitet werden. Es ist nicht nur an die Teilnehmerzahl an sich, sondern auch die Vielfalt der beruflichen Herkunft. Ich habe in einem Workshop, an dem ich kurz teilnehmen konnte, mitbekommen, wie unterschiedlich das ist, und auch hier im Plenum spüre ich, dass eine verbindende Zusammenarbeit über die Institutionen hinweg entsteht. Insofern sind wir einfach gefordert, das weiter in die Fläche zu tragen, wir werden als Ministerium auch weitermachen, die Koordinierungsstelle unterstützen, wir wollen die Öffentlichkeitsarbeit des Netzwerkes unterstützen und wir wollen den Facharbeitskreis, der sich dankenswerterweise gebildet hat, noch weiter unterstützen. Darüber hinaus werden wir die Erfahrung, die wir machen, auch in unsere interministerielle Zusammenarbeit einbringen. Wir haben als Haus bei der Integration als Querschnittsaufgabe die Leitung einer Arbeitsgruppe, an der regelmäßig alle Ministerien beteiligt sind. Das ist ja das, was die Kollegin Kaluza angesprochen hat. Es ist ja nicht nur im pädagogischen Kontext wichtig, dass wir diesen Partizipationsgedanken, der auch bei der Frage der Väterarbeit relevant ist, voranbringen, sondern das ist an ganz vielen Stellen wichtig. Dass Partizipation eine Bedingung ist und dass Migranten eigentlich gar nicht wollen oder nicht können, unterstellt man, wenn man sie nicht erreicht. Insofern sind hier sehr viele Erfahrungen zu machen, die übertragbar sind, die Zusammenarbeit, Kooperation, die Partizipation auch in ganz anderen Fällen betreffen. Moderator: Momentan erleben wir eine große öffentliche Berichterstattung über eine große Zahl zusätzlicher Menschen aus den verschiedenen Krisengebieten dieser Welt, die auch nach NRW kommen. Ist das auch für Seite 35 Sie eine Gruppe von Menschen, bei der nach Möglichkeit Väterarbeit zügig ansetzen sollte? Herr Rütten: Zügig sollte einsetzen, dass die Menschen so früh wie möglich Kenntnisse haben über das, was an Unterstützungsmöglichkeiten in den unterschiedlichsten Fällen vorhanden ist. Wenn wir aber Prioritäten setzen sollten, dann denke ich, sollten das KinderJugend-Ministerium, das Schulministerium, auch wir als Ministerium erst mal die Kapazitäten für die Kinder bereitstellen. An der Stelle ist auch ganz viel Unterstützungs- und Qualifizierungsbedarf für Lehrer/-innen, für Kindertagesmitarbeiter/-innen in Kindertageseinrichtungen erforderlich. Da unsere Erfahrungen einzubringen und auch die Hinweise einzubringen, wie wir in dem Sinne aus Fehlern lernen, aber auch über positives Feedback, die Vermittlung wäre auch erforderlich, also insofern würde ich das nicht in Frage stellen, aber ich denke, die möglichst schnelle Versorgung der Kinder und Jugendlichen steht an erster Stelle. Moderator: Frau Dr. Kaluza, vielleicht eine ganz ähnliche Frage an Sie, wenn wir noch mal einen Schritt zurückgehen. Sie haben gesagt, so ganz reicht Ihnen das nicht, das ist schon mal eine gute Erkenntnis. Wir haben die einzelnen Schlagworte, was in unseren Strukturen vorhanden ist, gerade schon genannt, aber wenn Sie sagen, was Ihnen persönlich wichtig ist, was gibt es für konkrete Ziele, wo sagen Sie, da müssen wir in den nächsten Jahren ein Stück weiterkommen? Frau Dr. Kaluza: Wir haben ja verschiedene Projekte gemacht, zum Beispiel zur interkulturellen Öffnung der verschiedenen Angebote, Familienbildung, Familienberatung. Wir versuchen, alle diese Dienste auch für Väterfragen zu öffnen. Wir sind im Grunde für zwei Querschnittthemen zuständig, aber ich glaube, dass man Väter auch an anderen Stellen erreicht sollte und dass wir da ein Stück weit umdenken müssen. Ob Väter zum Beispiel nun unbedingt über die Familienbildung über die normalen Flyer erreicht werden, weiß ich nicht. Ich denke, wir müssen auch die Betriebe berücksichtigen, das halte ich für einen ganz wichtigen Punkt. Einige Familienbildungsstätten haben sich auf den Weg gemacht, mit Betrieben zusammenzuarbeiten, um dort Väter anzusprechen. Wir haben ganz gute Väternetzwerke in einzelnen Betrieben, wir haben jetzt noch mal ein Projekt mit großen Betrieben, weil ich glaube, dass Seite 36 der Zugang zu dem Beruf, der Beruf ist ein ganz wichtiger Punkt im Selbstverständnis des Mannes, die berufliche Orientierung, dass man über diesen Punkt auch das Thema Familien kommunizieren kann. Und eine solche breite Aufstellung vorzunehmen, halte ich für ganz entscheidend. Das Zweite ist, da möchte ich noch mal ansetzen, was Sie gesagt haben, wir denken in vielen Bereichen klassisch. Wir hatten zum Beispiel in der Schwangerschaftsberatung vor Jahren eine Adoptionsbroschüre. Und da muss der Vater mit hinein, der kam da gar nicht vor., obwohl es rechtlich völlig klar ist, dass der Vater eine Rolle spielt, dass gefragt wird, ob der Vater mit der Adoption einverstanden ist. In vielen Kontexten wird der Vater gar nicht mitgedacht, der wird auf den Täter reduziert, was möglicherweise auch eine Rolle ist, die bestimmte Väter haben, aber eben nicht die generelle Rolle. Und von daher denke ich, ist es zentral, in allen Kontexten beide anzusprechen. Es gibt da schon sehr gute Beispiele, sehr gute Projekte. Diese Projekte zu verallgemeinern, sich auszutauschen und das zu einem selbstverständlichen Angebot zu machen, müsste unser Ziel sein. Moderator: Herr Diekelmann, haben Sie da Erfahrungen aus der alltäglichen Trägerarbeit? Wie erreicht man die Männer, wenn es nicht die klassische Broschüre ist? Was ist da Ihre Herangehensweise? Herr Diekelmann: Im Workshop drei wurden bereits verschiedenen Beispielen erwähnt. Ganz wesentlich ist die Mundpropaganda: Wenn man mit wenigen wirklich Interessierten anfängt und die dann ihre guten Erfahrungen mit einer Männer- oder Vätergruppe weitertragen, dann erweitert sich auch der Kreis der Interessenten und derer, die sich dann ansprechen lassen. Der Ansatz, innerhalb von Betrieben überhaupt das Thema der Väterrolle zu thematisieren, dazu Angebote zu machen, scheint mir auch ein sehr vielversprechender Weg zu sein. Die Rollenklischees sind nach wie vor bombenfest, jedenfalls wenn man die Gesamtgesellschaft im Blick hat, und da brauchen wir auch nicht zu glauben, dass Familien mit Migrationshintergrund so viel traditioneller sind als die der ach so deutschen modernen Gesellschaft. Es mögen Schattierungen sein, bei denen sich das unterscheidet, aber insgesamt geht es um eine Haltungsänderung. Das ist ein Prozess, für den man viel Geduld Fachtagung: Frag doch Papa! braucht. Ich denke, dass sich eine Haltung, was Rollenbilder mit Verantwortung für die Erziehung, mit Verantwortung für all das, was sich in der Familie von Müttern und Vätern abspielt, betrifft, durch entsprechende Projekte, wie es sie hier in NRW gibt – was es sicherlich auch woanders gibt – dann sukzessive verändern kann. Und dass wir insgesamt dann zu neuen, zu moderneren Rollenbildern kommen. Darauf müssen wir abzielen, und ich bin auch sehr dafür, dass das Merkmal Migrationshintergrund an Bedeutung verliert, dass wir das nicht mehr so fokussieren. Niemand will mehr die Defizitorientierung der Ressourcenorientierung gegenüberstellen, das ist auch manchmal euphemistisch. Ich denke, v die Bedürfnisse der Menschen ist das das Entscheidende. Und da mag es unter Vätern, unter jungen Vätern insbesondere, vielleicht auch ein Stück weit unter der Oberfläche schlummernde Bedürfnisse geben, mehr in eine neue Rolle als Vater hineinzuwachsen. Und wenn wir solche Bedürfnisse ansprechen, dafür offene Räume schaffen, dann wird sich auch sukzessive eine größere Bewegung entwickeln, sodass es nicht mehr nur um Leuchtturmprojekte, sondern tatsächlich um gesellschaftliche Haltungsänderung geht. Herr Rütten: Ich möchte direkt auf das eingehen, was Herr Diekelmann gesagt hat, und auf die frühere Frage an mich, was die Neueinwanderung angeht. Das Merkmal Migrationshintergrund, das kann als individuelle Zuschreibung in den Hintergrund rücken. Ich glaube auch, es ist eine Tatsache, dass wir uns dauerhaft auf Neuzuwanderung einstellen müssen, das ist eine Riesenchance. Wir haben einige Jahre gehabt, da hatten wir Einwanderungsverluste, wir haben jetzt seit drei Jahren kontinuierlich und ansteigend Wanderungsgewinne. Das heißt, wir werden, zumindest was den Informationsanteil angeht und den Anteil, der Partizipationsmöglichkeiten aufzeigt, für die ersteingewanderten Väter und Mütter weiter vorantreiben müssen. Ich bin aber auch ganz bei den beiden Kollegen. Die Ministerien verstehen sehr wohl diejenigen, die sagen, wir machen insgesamt viel zu wenig und da muss noch viel passieren. Ich bin der Auffassung, es muss vor allem ein guter Schwerpunkt „Väterarbeit“, also das Bewusstsein in der Gesellschaft muss auf Väterarbeit gelegt werden. Es muss selbstverständlich werden, dass dazu immer auch eine interkulturelle Kompetenz derjenigen gehört, die in den Situationen dafür verantwortlich sind. Dann können wir das aufzeigt, was wir heute an Möglichkeiten haben. Ich bin stolz darauf, das will ich dazu auch Interkulturelle Väterarbeit in NRW Seite 37 noch einmal sagen, dass aus der interkulturellen Ecke so viele Anstöße gekommen sind und eben nicht nur Leuchtturmprojekte, die massiv gefördert worden sind und die von Anfang an günstige Ausgangsbedingungen hatten, entstanden sind, sondern Leuchtturmprojekte, die aus eigener Kraft der Initiatoren entstanden sind. Leuchtturmprojekte sind nicht per se, irgendwie nur etwas, was unter den Bedingungen einer besonderen Begünstigung geschieht. Da ist dieser Begriff nämlich auch gut negativ konnotiert. Es sind Leuchtturmprojekte entstanden, denen einzig und allein Basisentwicklung zu Grunde lag. Da ist Unterstützung später dazu gekommen und das finde ich, ist wichtig zu transportieren, wenn es um Integration gehen muss, dieses schematische Männerbild, dass die Mehrheitsgesellschaft hat, von den Macho-Migranten, zu differenzieren und aufzubrechen. Dann kommen wir nämlich auch viel näher an die „Machos“ ran, wenn wir diese Differenzierung vorher geleistet haben. noch ein Projekt gefördert vom Roten Kreuz für Großväter, da waren an mehreren Orten - Euskirchen, Herford war ein großer Schwerpunkt - auch Männer mit Migrationshintergrund, Großväter mit Migrationshintergrund, in dem auch sehr intensive biografische Arbeit geleistet worden ist. Moderator: Herr Bönisch, ist das vielleicht auch eine Chance, dass die allgemeine Gleichstellungsarbeit gerade auch von den Dingen, die sich in den letzten Jahren unter dem Stichwort interkulturelle Väterarbeit entwickelt haben, lernt, dass jetzt auch deutsche Väter Fußball spielen usw. Wir können es doch zumindest versuchen. Herr Bönisch: Weil ich hier natürlich erst mal viel gelernt habe, weil es ein Spezialthema ist, in das ich einen immer tieferen Einblick gewonnen habe. Ich habe in dem Workshop, an dem ich heute teilnehmen konnte, sehr schöne Beispiele von interkultureller Väterarbeit erleben können. Sowohl indem, was gemacht und erreicht wird, als auch in den Punkten, bei denn es durchaus auch nicht immer ganz leicht ist. Wobei - wie eben schon gesagt worden ist - die Schwierigkeiten nicht ausschließlich einem kultureller Hintergrund zugeschrieben werden können. Ähnliche Schwierigkeiten hätte man bei Vätern ohne Migrationshintergrund ohne Weiteres auch, die überhaupt erst mal an die Hand zu bekommen. Das wäre so ein ganz wichtiger Punkt. Der zweite Punkt ist - was ebenfalls Herr Rütten schon gesagt hat - das riesengroße Interesse, das hier für das Thema herrscht. Und ich denke, das ist ein gutes Zeichen, und ich glaube, darauf können wir aufbauen, und ich glaube auch, dass wahrscheinlich an einem anderen Ort ein ähnlich großes Interesse da wäre. Das hoffe ich zumindest. Herr Bönisch: Naja, mit dem Fußball spielen ist das so eine Sache, weil man natürlich auch da wieder ein wunderschönes Rollenklischee bedient, denn es ist ja keineswegs so, dass alle Männer immer gerne Fußball spielen. Es gibt auch eine ganze Menge Männer, die sich für Fußball nicht unbedingt interessieren, und was machen die dann, wenn wir sagen, alle Männer spielen Fußball. Da sind wir schon wieder bei dem Rollenbild, aber ich denke im Bereich der Gleichstellungspolitik haben wir natürlich ein ganz breites Spektrum an Themen. Wir hatten 2012 eine große Konferenz, eine internationale Konferenz in Berlin zum Thema, bei der wir auch versucht haben, die Fächer aufzumachen, da hatten wir allein 11 Workshops zu unterschiedlichen Themen. Eines davon war eben auch die Frage von Männern mit Migrationshintergrund. Wir haben auch vor einigen Jahren schon mal eine Untersuchung zu den Migrantenmilieus finanzieren können, die wir dann selbst nicht publiziert haben, aber die Caritas zum Beispiel hat daraus publiziert. Wir haben bis vor Kurzem Aber aufgrund dieses weiten Spektrums sehen wir uns nicht in der Lage, permanent alle diese verschiedenen Themen zu übernehmen, aber wir werden natürlich zusehen, dass wir im Laufe der Zeit auch immer wieder die einzelnen Dinge mit auf den Weg nehmen. Moderator: Wenn Sie zurück nach Berlin kommen, dann sagen Ihre Kollegen „Na, war es schön in Essen? Habt ihr euch einen schönen Tag gemacht in Essen?“. Und dann werden Sie sagen „Nein, das war ganz wichtig, dass ich da war auf dieser Fachtagung, weil …….“ Moderator: Frau Dr. Kaluza, was nehmen Sie mit vom heutigen Tag? Was ist in Ihrem Hinterkopf für die Arbeit der nächsten Wochen und Monate? Frau Dr. Kaluza: Die Hoffnung, mal wieder auszuleuchten, wie ist es jetzt wirklich mit der Interkulturalität und Seite 38 Fachtagung: Frag doch Papa! den Vätern? Sind das zwei separate Themen oder müssen sie nicht zusammen erarbeitet werden? Das „Was“ kommt etwas zu kurz in diese Diskussionsrunde. Eigentlich brauchen wir eine starke Väterpolitik, das heißt, eine, die auch interkulturell aufgestellt sein muss, denn ich glaube, dass wir viele Klischees im Kopf haben. Zumindest ist das mein persönlicher Erfahrungshintergrund, in meinem Inneren ist die Überzeugung, dass wir längst multikulti aufwachsen und dass es dort genauso viele Rollenmuster und Rollenvorstellungen gibt in den Familien, die ich persönlich gut kenne, wie in deutschen Familien. Natürlich ist die soziale Frage eine ganz wichtige. Das ist noch eine weitere Dimension, die mit hineinkommt, die auch Rollenvorstellungen perpetuiert und ein Stück weit unterstreicht. Aber ich denke, dass das Thema im Kontext Väterarbeit aufgegriffen werden sollte. Aber wir sollten uns nicht isolieren davon und dies wieder zu einer Extravorstellung machen, sondern gemeinsam behandeln. So, das habe ich ein Stück weit mitbekommen. einbringen würde. Eins vielleicht noch, weil vorhin die Betriebe angesprochen wurden: Ich glaube, ich werde auch bei uns im Verband noch mal mit den Kollegen aus der Personalentwicklung darüber sprechen, ob wir nicht auch in unserem eigenen Verband das Thema „Väter, Mitarbeitende in ihrer Väterrolle“ noch mal einfach einbringen wollen. Und überlegen wollen, was wir tun können, um eben Mitarbeitende auch in dieser Rolle zu unterstützen, ihre Bedürfnissen zu erfragen und entsprechende Angebote zu erstellen. Moderator: Herr Diekelmann, nächste Sitzung des Fachausschusses Integration der Landesarbeitsgemeinschaft, Tagesordnungspunkt 1, Bericht des Sprechers über seinen Besuch auf der Fachtagung „Frag doch Papa“. Was werden Sie den Kollegen und Kolleginnen berichten? Herr Rütten: Ich hätte mir gewünscht, dass Sie mir die Frage gestellt hätten, wie Sie sie den beiden anderen gestellt haben „Was nehmen Sie mit?“ Diese halbe Stunde, die ich in dem Workshop war, die war so anregend, die war so spannend und dann nimmt man schon auf jeden Fall mit, dass das Thema mit einer großen Ernsthaftigkeit und einer großen Fachlichkeit diskutiert wird. Und dass es nur richtig ist, alles zu tun, um wirklich weiter zu unterstützen, was hier in dieser Diskussion passiert. Ich finde es ganz wunderbar, also das klingt jetzt vielleicht ein wenig übertrieben, aber das bewegt mich wirklich. Ich finde, es ist toll, dass die Zusammenarbeit mit den anderen Ministerien hier im Land so gut funktioniert, dass Frau Dr. Kaluza sich hier so aktiv eingebracht hat, dass der Bund dazukommt, und dass jetzt wieder ein bisschen Raum ist zum Handeln. Herr Diekelmann: Das, was Herr Rütten vorhin erwähnt hat: Dass Querschnittthemen, die eigentlich deutlich über den Einbezug von Menschen mit Migrationshintergrund hinausgehen, wie es die Väterarbeit nun mal ist, das da ein starker Impuls aus der Ecke derer kommt, die eben bei Migration und Integration unterwegs sind. Das ist ein sehr gutes Zeichen. Was ich mitnehme, ist in jedem Fall das hohe Interesse an Väterarbeit insgesamt. Was ich auch mitnehme, ist erst mal als offene Frage „Ja, was machen wir mit der zu erwartenden Zuwanderung in den nächsten Jahren?“. Insbesondere auch mit den Flüchtlingsfamilien. Die Willkommenskultur ist leicht ausgesprochen, aber vielleicht nicht ganz so leicht umzusetzen. Ich finde, wir sollten uns darüber Gedanken machen, ob nicht zu so einer Willkommenskultur auch eine Ansprache von Flüchtlingen in ihrer Väterrolle mit dazugehört. Das wären so Spotlights, die ich vom heutigen Tag mitnehme und in unsere Gremien Moderator: Herr Rütten, ich wage mal zu vermuten, dass das nicht die letzte Fachtagung zum Thema gewesen ist. Ich weiß nicht, wann eine nächste stattfindet, nehmen wir mal an, sie findet in ein, zwei Jahren statt. Was würden Sie gerne bis dahin an Entwicklungen in diesem Feld erleben, bei denen Sie dann zufrieden sagen können „Wir sind zumindest einen Schritt weitergekommen in der Zeit“. Sie haben vergessen zu fragen „Es hat sich für Sie gelohnt, hier zu sein, weil ...“. Sie könnten Frau Schwesig sagen, sie ist herzlich eingeladen nach NRW mit dem Herrn Schneider, gegebenenfalls auch mit Frau Schäfer, sich den einen oder anderen Ort der interkulturellen Väterarbeit, vielleicht auch den der allgemeinen Väterarbeit mal anzuschauen. Was sollte sich bis dahin getan haben? Wenn wir Konti- Interkulturelle Väterarbeit in NRW nuität mit in die Dynamik bringen - ich meine nicht „Jetzt reicht’s und das war es -, sondern das, was in den letzten zwei Jahren an Dynamik entstanden ist, weiter in diesem Modus zu halten, dann wäre das sehr viel. Und ich würde mir wünschen, dass wir dann in zwei Jahren vielleicht auch mit der allgemeinen Väter- oder Mütterarbeit in die Diskussion kommen, dass wir über unsere Grenzen hinwegschauen und sagen „Wo sind denn da Berührungspunkte, wo sind Spezifika?“. Ich glaube, das wäre auch fachlich noch mal ein Schritt nach vorne. Seite 39 nen. Ich möchte der Vorbereitungsgruppe sehr herzlich danken, die sich viel Mühe gemacht hat in den letzten Monaten, um das heute hier zustande zu bringen. Und jetzt kommen die Herren alle in alphabetischer Reihenfolge: Herr Gollmer, Herr Şentürk, Herr Tunç, Herr Uçan und Herr Yıldırım, bei denen ich mich ganz besonders bedanken möchte. Ich bedanke mich beim Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung. Noch mal mein herzlicher Dank an die Bundesregierung, dass sie Herrn Bönisch hier hat hinreisen lassen, und ich bedanke mich bei all denen, die zu diesem wirklichen Erfolg beitragen haben. Moderator: Dann danke ich Ihnen jetzt, Herr Rütten, und Moderator: Dann sage ich an dieser Stelle erst einen herzli- danke Ihnen allen. chen Dank an Herrn Diekelmann, an Herrn Bönisch und an Moderation: Frau Dr. Kaluza, die diesen Applaus hier bekommen. Martin von Berswordt-Wallrabe Herr Rütten: Ich möchte im Namen des Ministeriums denjenigen danken, die zunächst einmal durch die Entwicklung im Netzwerk in den letzten Jahren die Grundlage dafür gelegt haben, dass wir heute so toll haben diskutieren kön- Seite 40 Fachtagung: Frag doch Papa! Fachtagung: Frag doch Papa! Interkulturelle Väterarbeit in NRW erprobt– erforscht-verankern Donnerstag, 30. Oktober 2014 /// ab 9:30 Uhr /// VHS Essen Programm 09:30 - 10:20 Uhr Empfang / Einblicke in die Projektlandschaft 10:00 - 10:20 Uhr Musikalische Einleitung - KI Oriental Musikgruppe Herne 10:20 - 10:40 Uhr Begrüßungsrede Andreas Bomheuer, Geschäftsbereichsvorstand Kultur, Integration, Sport der Stadt Essen 10:40 - 11:00 Uhr Eröffnungsrede Thorsten Klute, Staatssekretär für Integration im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW 11:00 - 11:30 Uhr Impulsvortrag „Das Potenzial der Väter entdecken“ Prof. Dr. Hacı-Halil Uslucan, wissenschaftlicher Leiter der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) 11:30 - 12:10 Uhr Dialog zum Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis Moderierter Dialog zwischen Prof. Dr. Manuela Westphal, Universität Kassel und Prof. Dr. Hacı-Halil Uslucan 12:10 - 12:15 Uhr Vorstellung der Workshops durch den Moderator 12:15 - 13:00 Uhr Mittagspause 13:00 - 14:30 Uhr Workshops Workshop I: Väterarbeit in der frühen Bildung, Kita und Grundschule verankern Input: Ataman Yıldırım, AWO Düsseldorf; Gökhan Kabaca, KI Kreis Unna; Birol Mert, FUMA– Fachstelle Gender NRW Moderation: Miriam Weilbrenner, Landesweite Koordinierungsstelle der Kommunalen Integrationszentren Interkulturelle Väterarbeit in NRW Workshop II: Seite 41 Väterarbeit in der Schule und im Übergang Schule/Beruf verankern Input: Gürkan Uçan, KI Herne; Jonas Lang, Coach e.V. Moderation: Mostapha Boukllouâ, Projekt „Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte“ Workshop III: Väterarbeit in Stadtteilen und in der Kommune verankern Input: Christian Gollmer, IVA NRW; Antonio Diaz, BIFF e.V.; Dr. Michael Maas, Bildungsnetzwerk Styrum Moderation: Shabena Aissa, Elternnetzwerk NRW. Integration miteinander e.V. Workshop IV: Interkulturelle Väterarbeit in der Forschung verankern Input: Michael Tunc, ZfTI, Dr. Berrin Otyakmaz, TU Dortmund Moderation: Miriam Palazzi, Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW 14:30 - 14:45 Uhr Kaffeepause 14:45 - 15:15 Uhr Vorstellung der Ergebnisse der Workshops 15:15 - 16:00 Uhr Podiumsdiskussion „ Wie geht es weiter? Visionen zur Ausweitung in terkultureller Väterarbeit“ Anton Rütten, Abteilungsleiter „Integration“ im Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW Kai Diekelmann, Sprecher des Fachausschusses Integration der LAG Freie Wohlfahrtspflege in NRW Dr. Hildegard Kaluza, Gruppenleiterin für Familie und Bürgerschaftliches Engagement im Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes NRW Christian Bönisch, Referat „Gleichstellungspolitik für Jungen und Män ner“ beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 16:00Uhr Zusammenfassung durch den Moderator 16:15 Uhr Ende der Veranstaltung Moderation: Martin von Berswordt-Wallrabe Seite 42 Fachtagung: Frag doch Papa! Herausgeber: Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung Altendorfer Str. 3 ○ 45127 Essen E-Mail: [email protected] Internet: www.zfti.de Redaktionelle Leitung: Caner Aver, Gülay Kızılocak Verantwortung Konzeption und Tagungsleitung: Cem Şentürk Inhaltliche Vorbereitung: Christian Gollmer, Cem Şentürk, Gürkan Uçan, Ataman Yıldırım Layout: Gülay Kızılocak
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