17/6280 - Niedersächsischer Landtag

Niedersächsischer Landtag − 17. Wahlperiode
Drucksache 17/6280
Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung
mit Antwort der Landesregierung
- Drucksache 17/6055 -
Welche besonderen Gefahren existieren für Niedersachsen durch Wolfshybriden?
Anfrage der Abgeordneten Dr. Gero Hocker, Sylvia Bruns und Christian Grascha (FDP) an
die Landesregierung,
eingegangen am 24.06.2016, an die Staatskanzlei übersandt am 07.07.2016
Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz namens
der Landesregierung vom 05.08.2016,
gezeichnet
Stefan Wenzel
Vorbemerkung der Abgeordneten
Bereits im Jahr 2014 haben Vertreter europäischer Unterzeichnerstaaten der Berner Konvention
die Problematik der Hybridisierung zwischen Wölfen und streunenden Hunden als Gefahr für den
Schutz des Wolfes identifiziert und von den Mitgliedstaaten konkrete Gegenmaßnahmen gefordert
(RECOMMENDATION N° 173 [2014] ON HYBRIDISATION BETWEEN WILD GREY WOLVES
[CANIS LUPUS] AND DOMESTIC DOGS [CANIS LUPUS FAMILIARIS]). Auch in Deutschland gab
es mindestens einen Fall, bei dem eine wildlebende Wölfin Nachwuchs aus einer Verpaarung mit
einem Schäferhund zur Welt gebracht und aufgezogen hat. Zwei von sechs Welpen wurden seinerzeit eingefangen. Der Verbleib der übrigen vier Welpen ist unklar.
Vorbemerkung der Landesregierung
Im Jahr 2003 kam es in der sächsischen Lausitz zu einer Verpaarung einer Wolfsfähe, der Neustädter Fähe, mit einem Haushund. Aus dieser Verpaarung entstanden neun Wolf-Hund-Hybridwelpen, die sich optisch deutlich von z. B. den Welpen des Rudels in der Muskauer Heide unterschieden und als Wolf-Hund-Hybride identifiziert wurden. Im Januar 2004 führte die Wölfin nur noch
vier Welpen. Die Fähe und zwei Welpen wurden eingefangen, die Welpen kamen in ein Gehege,
wo sie einige Monate später starben, die Fähe wurde besendert und wieder freigelassen. Die beiden anderen Hybridwelpen wurden nicht mehr gesehen und konnten auch genetisch nicht mehr
nachgewiesen werden. Ihr Verbleib ist unklar, es wird jedoch davon ausgegangen, dass diese nicht
überlebt haben.
1.
Wie viele Wölfe gibt es aktuell in Niedersachsen?
Aktuell sind in Niedersachsen neun Wolfsrudel, ein Wolfspaar und drei territoriale Einzeltiere nachgewiesen. Die genaue Anzahl der Individuen kann nicht angegeben werden, da diese aufgrund Zuund Abwanderungen von Wölfen und der hohen Sterblichkeitsrate der Jungtiere hohen Schwankungen unterliegt. Zudem kann im Monitoring nicht jedes Einzeltier - vor allem bei den Welpen - individuell erfasst werden. Es wird derzeit von ungefähr 80 Wölfen in Niedersachsen ausgegangen.
2.
Wie viele Hybride gibt es aktuell in Niedersachsen?
Im niedersächsischen Wolfsmonitoring sind keine Hinweise auf Verpaarungen zwischen freilebenden Wölfen und Hunden bekannt.
1
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3.
Drucksache 17/6280
Worin besteht der rechtliche Unterschied zwischen Wölfen und Hybriden?
„Hybride unterliegen dem Artenschutzrecht, wenn mindestens eines der Elternteile unter Schutz
steht (Nr. 4 der Erläuterung zur Anlage 1 der BArtSchV, Artikel 2 Buchs. t der EG-VO, Nr. 10 der
Erläuterung zur Auslegung der Anhänge A, B, C und D der EG-VO auf der Grundlage der Res.
Conf. 10.17)“ (Vollzugshinweise zum Artenschutzrecht vom ständigen Ausschuss „Arten- und Biotopschutz“ überarbeitet [Stand: 19.11.2010]).
Wolf-Hund-Hybride unterliegen somit den gleichen Schutzbestimmungen wie „reine“ Wölfe. Erst ab
der fünften Generation der Nachkommen gilt dieser Schutzstatus nicht mehr.
4.
Weshalb sind Hybride nicht über die Förderrichtlinie Wolf abgedeckt?
Sollte es in Niedersachsen zu einer Wolf-Hund-Verpaarung in der Natur kommen, so würden die
Nachkommen selbstverständlich bei der Umsetzung der „Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsleistungen und Zuwendungen zur Minderung oder Vermeidung von durch den Wolf verursachten wirtschaftlichen Belastungen in Niedersachsen“ wie Wölfe berücksichtigt.
5.
Auf welcher Weise sind Hybride trotz ihres Schutzstatus entnehmbar?
Die IUCN listet Hybridisierung als einen der Faktoren auf, der die Zuordnung einer Art zu einer der
Rote-Liste-Kategorien „vom Aussterben bedroht“, „gefährdet“ oder „verwundbar“ rechtfertigt. Für
einzelne Arten, wie etwa den Äthiopischen Wolf (Canis simensis) wird Hybridisierung mit Haushunden als eine der Hauptgefährdungen für das Überleben der Art angesehen (SILLERO-ZUBIRI &
MACDONALD 1997). Im Manifest zum Schutz der Wölfe, herausgegeben von der Wolf Specialist
Group der Species Survival Commission der IUCN, wird Hybridisierung zwischen Wölfen und Hunden abgelehnt. International herrscht im Wolfsschutz Einigkeit darüber, dass Hybridisierung zwischen Wölfen und Hunden unerwünscht und für Wolfspopulationen nachteilig ist. Entsprechend ist
es Standard im Wolfsmanagement, auftretende Hybriden aus der Natur zu entfernen (USA:
D. MECH, pers. Mittl.; Schweden: VILA et al. 2002, O. LIBERG pers. Mittl.; Lettland: ANDERSONE
et al. 2002).“ (Reinhardt, I. & Kluth, G. (2007), Leben mit Wölfen - Leitfaden für den Umgang mit einer konfliktträchtigen Tierart in Deutschland, BfN-Skripten 201).
In Einzelfällen können daher von der zuständigen Behörde Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 des Bundesnaturschutzgesetzes erteilt werden.
6.
Ist der Landesregierung die genannte Direktive 173 bekannt, und inwiefern findet sie
Anwendung?
Der Landesregierung ist die genannte Empfehlung Nr. 173 des Ständigen Ausschusses der Berner
Konvention bekannt (Convention on the Conservation of European Wildlife and Natural Habitats Recommendation No. 173 [2014] of the Standing Committee, adopted on 5 December 2014, on
hybridisation between wild grey wolves [Canis lupus] and domestic dogs [Canis lupus famillaris].
Diese wird durch ein kontinuierliches Monitoring der Wölfe in Niedersachsen und Deutschland (genetische Erkenntnisse und Auswertung der Bildaufnahmen von Wölfen) umgesetzt.
7.
Wie unterscheiden sich Wolfshybride in Genetik, Aussehen und Verhalten von Wölfen?
Genetisch unterscheiden sich Wolf-Hund-Hybride von Wölfen durch die Anteile in ihrem Genom,
die sie durch ihren Haushund-Vorfahren vererbt bekommen haben. Optisch sind Wolf-Hund-Hybride in der Regel zumindest der ersten beiden Filialgenerationen durch hundetypische Merkmale von
Wölfen unterscheidbar. Im Verhalten sind Wölfe, Hunde und Wolf-Hund-Hybride sehr variabel. Je
nach Situation des Einzeltiers (z. B. Wolf-Hund-Hybrid in der Natur aufgewachsen, von Wölfin aufgezogen) ist eine Unterscheidung zwischen Wolf und Wolf-Hund-Hybrid anhand des Verhaltens
gegebenenfalls nicht möglich.
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8.
Drucksache 17/6280
Bei welcher Institution in Deutschland ist die Genetik des Wolfes hinterlegt, und wie
wurde sichergestellt, dass diese nicht von einem Hybridwolf stammt?
Die genetische Zuordnung oder Abgrenzung einer Wolfsprobe zu einer Population oder zu Haushunden erfolgt nicht durch den Abgleich mit dem Genom eines einzigen Referenzwolfs. Proben des
Wolfsmonitorings werden anhand verschiedener statistischer Verfahren mit einer umfassenden Referenzdatenbank, die sowohl Wolfs- als auch Haushundeproben (darunter auch Proben verschiedener Wolfhundrassen) beinhaltet, abgeglichen. Die Wolfsreferenzproben stammen aus verschiedenen Wolfspopulationen. Bei den Referenzproben handelt es sich um Gewebeproben toter Wölfe,
die morphologisch untersucht worden sind und auch bereits genetisch von dem dafür zuständigen
Labor in ihrem jeweiligen Herkunftsland auf ihre Populationszugehörigkeit untersucht wurden. In
Niedersachsen und Deutschland wird dieser Abgleich durch das Labor für Wildtiergenetik des Senckenberg-Instituts in Gelnhausen vorgenommen. Proben von Wölfen, die aus einer der benachbarten Populationen stammten, wurden in der Regel parallel von weiteren Laboren in den jeweiligen
Ländern untersucht, um die Populationszugehörigkeit und Herkunft des Wolfs, z. B. seine Rudelzugehörigkeit, weiter eingrenzen zu können.
9.
In welchen Zoos und Wildtierparks in Niedersachsen werden Wölfe gehalten, woher
stammen die Tiere, und was ist über deren Genetik bekannt?
In Niedersachsen werden Wölfe in neun Wildparks und Zoos und in einer Privathaltung gehalten.
Über genetische Untersuchungen an diesen Gehegewölfen und zu deren Herkunft liegen hier keine
Erkenntnisse vor.
Die Haltungen teilen sich wie folgt auf:
Zoo/Wildpark
Wolfcenter Dörverden
Filmtierpark Eschede
Wildpark Lüneburger Heide
Wildpark Neuhaus
Wildpark Schwarze Berge
Saupark Springe
Zoo Hannover
Zoo in der Wingst
Tierpark Nordhorn
Canis lupus lupus
9
3
4
15
4
3
Canis lupus
2 Polarwölfe
4 Polarwölfe
3 Polarwölfe, 6 Timberwölfe
4 Timberwölfe, 5 Polarwölfe
4 Timberwölfe
8
2
In der einzigen bekannten Privathaltung werden insgesamt 14 Wölfe gehalten, davon sechs Eurasische Wölfe, zwei Timberwölfe, ein Polarwolf und fünf Timber-Polarwolf-Mischlinge.
10. Wie viele Wölfe oder Hybridwölfe verträgt unsere Kulturlandschaft in Niedersachsen?
Hybridisierung zwischen Haushunden und Wölfen ist in erster Linie, wie in der Antwort zur Frage 5
beschrieben, ein Problem für die Wildpopulation der Wölfe durch z. B. die Besetzung freier Territorien oder den Verlust an Habitatanpassungen durch Outbreeding (= Auskreuzung). Um einer solchen Entwicklung vorzubeugen, wird ein kontinuierliches Monitoring der Wolfspopulation in Niedersachsen durchgeführt, sodass im Falle eines Hybridisierungsereignisses eingegriffen werden kann.
Für die Festlegung von Zielbestandsgrößen oder Obergrenzen des Wolfsbestands in Niedersachsen oder einzelnen Regionen gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder naturschutzfachliche
noch rechtliche Grundlagen (vergleiche die Antworten in der Drs. 17/2800 zu Frage 18 „Wie heimisch soll der Wolf in Niedersachsen werden?“ und der Drs. 17/4132 „Was ist die ‚verträgliche
Größe‘ einer Wolfspopulation?“).
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11. Welches Genmaterial wird im Senckenberg-Institut als Vergleichsgrundlage benutzt
(bitte nach Herkunft und Jahr der Probengewinnung auflisten)?
Das Senckenberg-Institut nutzt folgende Referenzproben:
Population
Baltic
Dinaric-Balkan
Carpathian
Alpine
Scandinavian
diverse Wölfe aus Gehegehaltungen
Wolfhunde aus Privathaltungen
Haushunde
Region und Sammelzeitraum
Estland 2004 bis 2009, Nordostpolen 2006 bis 2015
Bulgarien 2010 bis 2013, Kosovo 2013
Südostpolen (Tatra, Beskiden) 2008 bis 2012,
Rumänien 2012 bis 2016
Norditalien 2005 bis 2010, Schweiz 2015
Schweden (um 2015)
2010 bis 2015
2010 bis 2015
2009 bis 2016
Nach Auskunft des Senckenberg-Instituts werden außerdem mittlerweile SNP-Genotypprofile aller
größeren Wolfspopulationen weltweit genutzt. Diese Profile werden neben den Wissenschaftlern
des Senckenberg-Instituts von zahlreichen Wolfsgenetikern und Genomikern weltweit genutzt. Es
gebe daher auch kein „Referenzprobenproblem“ mehr, so die Auskunft des Leiters der Wildtiergenetik, Dr. Carsten Nowak.
12. Bei welchen weiteren Instituten finden Genanalysen zum Wolfsnachweis statt, und woher beziehen diese ihre Vergleichs-DNA?
Alle Proben des niedersächsischen Wolfsmonitorings werden im Labor für Wildtiergenetik des Senckenberg-Instituts in Gelnhausen genetisch untersucht (siehe Antwort zu Frage 8). Sollten in Niedersachsen Proben eines eingewanderten Wolfs aus einer der benachbarten Populationen auftauchen, würden diese Proben, wie in der Antwort zur Frage 8 beschrieben, gegebenenfalls auch in
einem oder mehreren infrage kommenden Laboren des jeweiligen potenziellen Herkunftslands parallel untersucht, um die Rudelzugehörigkeit zu bestimmen. Die Referenzproben dieser Institute
werden, wie ebenfalls in der Antwort zur Frage 8 beschrieben, von den mit Wolfsgenetik befassten
Instituten anderer Populationen bzw. Länder bezogen oder teilweise in wissenschaftlichen Projekten vor Ort gesammelt. Sofern diese Labore ein SNP-Genotypisierungsverfahren anwenden, können sie auch SNP-Genotypprofile zur Differenzierung nutzen, ohne die entsprechenden Referenzproben zu besitzen.
13. Mittels welcher Verfahren erfolgt die Unterscheidung Wolf von Hybriden F1 bis F4? Wie
sicher sind die Ergebnisse?
In erster Linie werden Film- und Fotoaufnahmen im Rahmen des Monitorings zur Unterscheidung
von Wölfen und Haushunden ausgewertet. Ergibt sich bei der Auswertung ein Verdacht auf ein
Hybridisierungsereignis, müssen weitere Hinweise gesammelt werden. Eine Unterscheidung der
unterschiedlichen Filialgenerationen kann nur über genetische Analysen gemacht werden. Die Mikrosatellitenanalyse erlaubt eine sichere Unterscheidung der heimischen Wölfe von Wolf-HundHybriden der ersten Filialgeneration. Bereits bei der zweiten Filialgeneration ist diese Unterscheidung unsicher. Nach Auskunft des Senckenberg-Instituts wurde das neue Verfahren zur SNP-basierten Hybriddetektion bislang erst an zwölf deutschen Wolfsproben (alles Totfunde) getestet. Anhand der SNPs lassen sich Wölfe aller Wolfspopulationen von Hunden und Hybriden (F1, F2,
Rückkreuzungen) zuordnen - ältere Hybridisierungsereignisse lassen sich unter Umständen noch
erkennen, aber nicht mehr genau einer Hybridkategorie zuordnen.
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14. Welche genetischen Nachweisverfahren wurden und werden im Rahmen des Monitorings zur Ermittlung der Verursacher von Übergriffen auf Nutz- bzw. Haustiere eingesetzt? Verfahren bitte kurz beschreiben bzw., sofern die Methoden bereits wissenschaftlich publiziert wurden, bitte die Titel, Autoren und das Publikationsmedium nennen.
Bei der genetischen Analyse zur Ermittlung der Verursacherschaft von Nutztierrissen wird zunächst
die Sequenzierung eines Abschnitts der mitochondrialen Kontrollregion vorgenommen. Die Untersuchung der mitochondrialen DNA (mtDNA) ist bereits aufgrund ihrer hohen Kopienanzahl in jeder
Zelle bei kleinsten Probenmengen möglich (z. B.: Höss, M., Kohn, M., Paääbo, S., Knauer,
F. & Schröder, W. (1992), Excrement analysis by PCR. Nature 359: 199.). Anhand einzelner Nukleotidunterschiede lassen sich die verschiedenen mitochondrialen Haplotypen unterscheiden und
einer genetischen Einheit (z. B. zentraleuropäische Wölfe, Haushunde, etc.) zuordnen (z. B.: Pilot,
M., Branicki, W., Jędrzejewski, W., Goszczyński, J., Jędrzejewska, B., Dykyy, I., Shkvyrya, M. and
Tsingarska, E. (2010), Phylogeographic history of grey wolves in Europe. BMC Evolutionary Biology 2010, 10: 104.). Da die mtDNA rein maternal vererbt wird, kann bei der Interpretation der Daten
nur die Zugehörigkeit des Individuums zur mütterlichen Linie festgestellt werden.
Wenn die Qualität und Quantität der DNA in der zu analysierenden Probe ausreicht, wird die Mikrosatellitenanalyse im Multiple-tube-Verfahren (Taberlet, P., Griffin, S., Goossens, B. et al. (1996).
Reliable genotyping of samples with very low DNA quantities using PCR. Nucleic Acids Research
24: 3189-3194.) angeschlossen. Bei der Mikrosatellitenanalyse werden kurze repetitive Abschnitte
der Kern-DNA, die „Short Tandem Repeats“ oder „Mikrosatelliten“, an mehreren Genorten untersucht. Nach der Vervielfältigung der Ziel-DNA mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) und anschließender Fragmentlängenmessung per Kapillarelektrophorese wird ein genetisches individuelles Profil erstellt (genetischer Fingerabdruck). Dieses genetische Profil kann anhand des Referenzdatensatzes auf bereits bekannte Individuen untersucht werden und ermöglicht neben der Ermittlung der Verursacherschaft von Rissen (Harms, V., Nowak, C., Carl, S., Muñoz-Fuentes, V. (2015),
Experimental evaluation of genetic predator identification from saliva traces on wildlife kills. Journal
of Mammalogy 96, 1: 138-143.) Aussagen zur Art- und Populationszugehörigkeit, Rudelzugehörigkeit sowie möglichen Hybridisierungsereignissen (z. B.: Bossart, J.L. & Prowell, D.P. (1998), Genetic estimates of population structure and gene flow. Limitations, lessons and new directions.
Trends Ecol. Evol. 13: 202-206. und Smith, D., Meier, T., Geffen, E., Mech, D.L., Burch, J., Adams,
L. & Wayne, R. (1997), Is incest common in grey wolf packs? Behavioral Ecology 4:384-391.).
15. Welche sonstigen genetischen Nachweisverfahren werden zusätzlich zu den unter 14
genannten Methoden beim Wolfsmonitoring eingesetzt? Auch hier die Verfahren bitte
kurz beschreiben bzw., sofern die Methoden bereits wissenschaftlich publiziert wurden,
bitte die Titel, Autoren und das Publikationsmedium nennen.
Single nucleotide polymorphisms (SNPs) sind Punktmutationen im Genom. Diese genetischen Unterschiede setzen sich zu einem gewissen Grad im Genpool einer Population durch. Anhand der
„nanofluidic SNP genotyping technology“ von Fluidigm werden 96 solcher SNPs sichtbar gemacht
und ergeben ein genetisches Profil, das anhand von Referenzdatensätzen z. B. einer Population
zugeordnet werden kann (z. B.: Kraus, R. H. S., vonHoldt, B., Cocchiararo, B., Harms, V., Bayerl,
H., Kühn, R., Förster, D. W., Fickel, J., Roos, C. and Nowak, C. (2015), A single-nucleotide polymorphism-based approach for rapid and cost-effective genetic wolf monitoring in Europe based on
noninvasively collected samples. Mol Ecol Resour, 15: 295-305. doi:10.1111/1755-0998.12307).
Bisher wird diese Methode noch nicht routinemäßig im deutschen/niedersächsischen genetischen
Wolfsmonitoring angewandt. Das Senckenberg-Institut plant aber, mittelfristig möglichst alle Elterntiere deutscher Rudel mit dieser Methode nachzuanalysieren.
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16. In welchem Maße wird auf die Empfehlung von Wissenschaftlern wie L. Boitani, dem
Vorsitzenden der LCIE, gesetzt, morphologischen Methoden den Vorzug zu geben?
Die meisten Hinweise und Nachweise im Wolfsmonitoring sind Film- und Fotoaufnahmen, die anhand der bundeseinheitlichen Standards für das Monitoring von Großraubtieren in Deutschland
bewertet werden. Für die Unterscheidung von Wölfen und Hunden werden die morphologischen/phänotypischen Merkmale bewertet. In unklaren Fällen oder bei Anzeichen auf Wolf-HundHybride werden externe Fachleute hinzugezogen. Wenn genetische Proben im Monitoring anfallen,
werden diese untersucht. Bei Totfunden werden grundsätzlich morphologische und genetische
Merkmale untersucht. Die Wahl der Methode hängt also von ihrer Eignung und der jeweiligen Datengrundlage ab.
17. Wie viele Fälle von Angriffen bzw. Rissen von Nutz- und Haustieren, bei denen Wölfe
als Verursacher infrage kamen bzw. nachgewiesen wurden, gab es in Niedersachsen
seit der Rückkehr der Wölfe? Bitte die Fälle getrennt nach betroffener Nutz- bzw. Haustierart auflisten.
Seit 2008 wurden in Niedersachsen 299 Fälle (Schaf/Ziege: 181, Rind: 82, Gatterwild: 26,
Pferd: 10) gemeldet, bei denen der Wolf als Verursacher von Schäden an Nutztieren vermutet wurde. Diese Fälle beinhalten jedoch auch Fälle, bei denen die Todes- oder Verletzungsursache an
den Nutztieren nicht auf einen Riss oder Angriff eines Prädators zurückzuführen ist (Totgeburt,
Krankheit, innerartliche Auseinandersetzung, etc.) oder aufgrund z. B. des späten Fundzeitpunkts
nicht mehr feststellbar war. In 142 Fällen (Schaf/Ziege: 110, Rind: 9, Gatterwild: 23, Pferd: 0) wurde
die amtliche Feststellung „Wolf“ getroffen; in diesen Fällen wurde der Wolf nachgewiesen oder
kann mit hoher Wahrscheinlichkeit als Verursacher angenommen werden (Stand: 21.07.2016).
18. Bei wie vielen der unter 17 zu nennenden Fälle wurden genetische Untersuchungen zur
Ermittlung des Verursachers durchgeführt, und in wie vielen Fällen ist ein entsprechender genetischer Nachweis gelungen? Bitte die Fälle getrennt nach betroffener
Nutz- und Haustierart, den ermittelten Verursacherarten und den zum Nachweis genutzten Methoden auflisten.
Schaf/Ziege
Rind
Gatterwild
Pferd
Gesamt
Fälle
181
82
26
10
299
DNA-Analyse
133
54
19
4
210
Wolf
82
9 (+2)*1
14
0
107
Hund
15 (+1)*2
6 (+2)*3
0
1
25
Fuchs*4
6
3
0
1
10
kein Ergebnis
29
32
5
2
68
Bei 89 Fällen wurden keine DNA-Proben genommen oder keine Analyse beauftragt, weil die Kadaver z. B. zu alt waren, Wunden bereits gesäubert waren oder eine andere Todesursache direkt ersichtlich war. Man erhält typischerweise dann kein genetisches Ergebnis, wenn die Qualität der
Probe z. B. aufgrund des Alters des Kadavers, der Witterung, Kontamination durch ein weiteres
Tier/weitere Tiere (z. B. Hofhund) für die Analyse nicht ausreichend ist oder gar keine Speichelreste/genetische Spuren eines Verursachers aufgenommen wurden (z. B. andere Todes- oder Verletzungsursache). In einigen Fällen wurde das Ergebnis der genetischen Analyse nicht mit der Verursacherschaft in Verbindung gebracht, da von einer anderen Todesursache bzw. nur von Nachnutzung ausgegangen werden musste. Bei zwei Fällen (*1) wurde genetisch der Wolf (als Nutzer)
nachgewiesen, die pathologische Untersuchung ergab jedoch eine Krankheit als Todesursache.
Bei einem Schaf (*2) wurde ein Haushund genetisch nachgewiesen, die Analyse zeigte jedoch
auch genetische Signale eines weiteren Caniden, der nicht weiter bestimmt werden konnte. Aufgrund des wolfstypischen Rissbildes wurde folglich die amtliche Feststellung „Wolf“ getroffen. Bei
zwei Fällen (*3) wurde Hunde-DNA festgestellt. Aufgrund fehlender Bissverletzungen (nur Fraß)
wurden Hunde als Verursacher jedoch ausgeschlossen und eine andere Todesursache (in einem
Fall Totgeburt) angenommen. Beim Ergebnis „Fuchs“(*4) kann nicht immer zwischen Riss und
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Nachnutzung bzw. Fraß unterschieden werden. In diesen Fällen, wie auch in anderen uneindeutigen Fällen, werden sämtliche anderen Spuren und Hinweise ausgewertet, um auf die Verursacherschaft oder eine andere Todesursache zu schließen (Stand: 21.07.2016).
19. Wie oft konnten bei genetischen Nachweisen von Übergriffen durch Hunde die verursachenden Hunde und damit deren Halter ermittelt werden? Bitte die Fälle nach Art der
betroffenen Nutz- bzw. Haustierarten und der verursachenden Hunderasse auflisten.
Mit der amtlichen Feststellung „kein Wolf“ ist die Untersuchung seitens des Wolfsbüros des
NLWKN abgeschlossen. Wenn die genetische Analyse einen Hund als Verursacher ergeben hat,
hat die Nutztierhalterin/der Nutztierhalter die Möglichkeit, dies zur Anzeige zu bringen, um gegebenenfalls eine weitere Untersuchung des Falles durch die zuständige Behörde zu initiieren.
20. Mit welchen der unter 14 und 15 genannten Nachweisverfahren könnten Hybriden, wie
sie seinerzeit in der Lausitz festgestellt wurden, bzw. deren Nachfahren genetisch
nachgewiesen werden?
Die genetischen Proben der 2003 in der Lausitz geborenen Wolf-Hund-Hybride konnten durch die
Mikrosatellitenanalyse eindeutig identifiziert und von den Wölfen der zentraleuropäischen Population sowie Haushunden unterschieden werden. Wolf-Hund-Hybride der ersten Filialgeneration, wie
im Falle der 2003 in der Lausitz geborenen Hybride, können mit der Mikrosatellitenanalyse und
dem SNP-Verfahren als Hybride identifiziert werden. Das SNP-Verfahren erlaubt die Zuordnung
von Wölfen aller Wolfspopulationen, Hunden und Hybriden (F1, F2, Rückkreuzungen) - ältere Hybridisierungsereignisse lassen sich unter Umständen noch erkennen, aber nicht mehr genau einer
Hybridkategorie zuordnen (siehe Antwort zu Frage 13).
21. Wie viele Proben wurden im Rahmen des Wolfsmonitorings in Niedersachsen bislang
für genetische Untersuchungen gesammelt und untersucht? Bitte nach Untersuchungsmedium (Speichel, Kot etc.) auflisten.
Im Rahmen des Wolfsmonitorings wurden in Niedersachsen beginnend von 2011 bis heute insgesamt 681 DNA-Proben untersucht. Dabei handelte es sich um 2 Mundschleimhautabstriche,
427 Rissabstriche, 191 Losungen, 34 Haarproben, 6 Urin-/ Oestrusblutproben, 20 Gewebe-/Blutproben und 1 vermuteten Speiballen.
22. Wie viele Proben wurden aus Niedersachsen bislang im Rahmen des Wolfsmonitorings
bezüglich einer möglichen Hybridisierung zwischen Wölfen und Hunden mit den unter
20 zu nennenden Verfahren mit welchen Ergebnissen beprobt?
Bislang wurden und werden alle im Wolfsmonitoring genetisch erfassten Individuen standardmäßig
per Mikrosatellitenanalyse auf Hybridisierung getestet. Das neue Verfahren zur SNP-basierten Hybriddetektion wurde bislang erst an zwölf deutschen Wolfsproben (alles Totfunde) getestet. Mittelfristig ist geplant, möglichst alle Elterntiere deutscher Rudel nachzuanalysieren.
23. Welche Haplotypen sind im Rahmen des Wolfsmonitorings für Niedersachsen bei den
residenten Wolfsrudeln bzw. bei Einzelwölfen bislang nachgewiesen worden?
In der niedersächsischen Wolfspopulation wurden bislang zwei mitochondriale Haplotypen (HW01
und HW02), die beide für die zentraleuropäische Population typisch sind, festgestellt.
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24. Inwieweit lässt sich die Theorie der Einwanderung der Wölfe aus der Lausitz bei Vorhandensein zumindest zweier HW02-Haplotypen bei der „Gartower Fähe“ und der
„Goldenstädter Fähe“ weiterhin aufrechterhalten?
Eine solche Theorie ist der Landesregierung nicht bekannt. Die niedersächsischen Wölfe stammen,
wie Stammbaumanalysen des Senckenberg-Instituts zeigen, aus Rudeln in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Polen. Die ursprüngliche Ausbreitung der zentraleuropäischen Population begann in der Lausitz durch aus Ostpolen eingewanderte Wölfe. Auch
aktuell werden im Monitoring seltene Weitwanderer aus östlicheren Gebieten in die Population beobachtet. Der Haplotyp HW02 ist, wenn auch deutlich seltener als der Haplotyp HW01, typisch für
die zentraleuropäische Population. Da die mitochondriale DNA maternal vererbt wird, tragen alle
Nachkommen des Gartower Rudels, darunter auch die Barnstorfer/Goldenstedter Fähe und wiederum sämtliche Nachkommen der weiblichen Nachkommen des Gartower Rudels usw., den Haplotyp HW02.
25. Wurde im Zuge der genetischen Untersuchungen inzwischen auch der Inzuchtkoeffizient für die Wolfsvorkommen in Niedersachsen und gegebenenfalls auch in Deutschland ermittelt? Mögliche Ergebnisse bitte darstellen und kurz erläutern.
Die Berechnung des Inzuchtkoeffizienten für die niedersächsischen Wölfe wurde nicht beauftragt.
Nach Angaben des Senckenberg-Instituts liegt der Inzuchtkoeffizient der deutschen Wölfe bzw. der
deutschen und westpolnischen Wölfe etwa bei Null. Es gebe unter den deutschen Wölfen durchaus
in deutlichem Maße Inzucht, diese würde jedoch durch einzelne Einwanderer aus dem Osten und
Weitwanderer innerhalb der zentraleuropäischen Population effektiv ausgeglichen. Mit der Zeit sei
der Inzuchtkoeffizient zwar leicht angestiegen, läge jedoch immer noch nahe Null und sei nicht bedenklich.
26. Was unternimmt die Landesregierung vor dem Hintergrund der o. g. Empfehlungen an
die europäischen Mitgliedstaaten konkret, um das Risiko der Hybridisierung von Wölfen und Hunden zu minimieren?
In Niedersachsen wird ein kontinuierliches Monitoring betrieben, um erste Anzeichen auf ein Hybridisierungsereignis schnell erkennen und frühzeitig eingreifen zu können.
27. Wie viele Wölfe werden in welchen Tierparks gehalten? Gibt es für diese eine Registrierungspflicht mit Herkunftsregister und Gendatei? Bestehen entsprechende Vorschriften bundesweit?
Zur Anzahl der gehaltenen Wölfe wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. Sämtliche Wölfe müssen nach § 7 Abs. 2 der Bundesartenschutzverordnung bei der zuständigen Behörde (in Niedersachsen dem NLWKN) gemeldet werden. Diese Vorschrift gilt bundesweit; bezüglich weiterer rechtlicher Vorschriften zur Haltung wird auf die Antwort zu Frage 7 in der Drs. 17/5073 verwiesen.
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(Ausgegeben am 16.08.2016)