Ich war stolz, Kellner zu sein» 28 5I2013 Er führt seit 22 Jahren eine der renommiertesten Hotelfachschulen der Schweiz: Kurt Imhof, Direktor der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern (SHL). Hier erhalten die zukünftigen Hoteliers ihr Basiswissen, hier lernen sie das Hotel-Handwerk. Für den 62-jährigen Walliser Schulleiter steht allerdings fest: Gute, erfolgreiche Hoteliers werden nicht auf der Schulbank «gemacht». Interview Hans R. Amrein Bilder Tanya Hasler K HOTELIER-TALK KURT IMHOF urt Imhof, was macht der Direktor einer Hotelfachschule so den ganzen Tag über? E-Mails lesen und beantworten! Kein Witz, das ist eine echt anstrengende Aufgabe. Als Direktor der SHL will ich den Puls der Schule fühlen, spüren, was die Studierenden und Mitarbeitenden bewegt und beschäftigt. Sprechen wir zuerst über die Hotelszene im Allgemeinen. Weltweit herrscht ein Hotel-Boom. Vor allem aber in China und Asien. Gut ausgebildete Hotelfachleute sind begehrt und erhalten Jobs auf der ganzen Welt. Allein Kempinski sucht in den nächsten fünf Jahren über 20 000 neue Mitarbeitende. Ist die Hotelfachschule Luzern überhaupt noch in der Lage, den Bedarf der Branche abzudecken? Wären wir die einzige Hotelfachschule weltweit, könnten wir diesen Bedarf natürlich in keiner Weise abdecken. Doch es gibt ja einige sehr gute Hotelfachschulen in der Schweiz: Lausanne, Zürich, Thun, Chur, Genf und Bellinzona. Wir ergänzen uns gut. Was der Hotellerie vor allem fehlt, sind gute «Indianer», um es etwas salopp auszudrücken. Fachleute an der Front, beim Gast. Und da haben wir Schweizer den Vorteil, dass wir das duale Bildungssystem haben, sprich: die Berufslehre. Junge Leute, die eine Schweizer Berufslehre absolviert haben, sind weltweit gefragt. Ihnen stehen fast alle Türen offen! Sie bilden an der SHL vor allem junge Leute aus, die später Karriere machen mit dem Ziel, Manager eines Hotels zu werden. Gefragt sind aber vor allem Hotelfachleute, die an der Front, in Service, Küche und Rezeption arbeiten. Da haben Sie Recht! Häuptlinge gibt es genug. Oft habe ich das Gefühl, es gibt zu viele Manager und zu wenig Patrons in der Hotellerie. Vorleben, Vorbild sein und die Arbeitsbereiche der Mitarbeitenden kennen – darin sehe ich die Führungsqualität. Wer mal ein guter Indianer war, hat beste Voraussetzungen, ein guter Häuptling zu werden. Sie bilden hier an der SHL mehr als 200 Hoteliers aus, doch zwei Drittel arbeiten später gar nicht in der Hotellerie, sondern bei Banken, Versicherungen, irgendwo in der Privatwirtschaft. Oft hört man, das hänge mit den niedrigen Löhnen in der Hotellerie zusammen. Ihre Meinung dazu? Bei uns in Luzern ist das anders. Die meisten Absolventen der SHL arbeiten später auch in Hotels oder Gastronomiebetrieben. Viele haben bereits ihre Grundausbildung in der Hotellerie absolviert. Sie wissen, worum es geht, und haben sich bewusst für diese Branche entschieden. Können Sie Ihre Aussagen belegen? Ja, zehn Jahre nach Abschluss der SHL sind 65 Prozent der Studierenden noch in der Hotellerie und Gastronomie tätig. Die andern arbeiten in verwandten Branchen, zum Beispiel in Spitälern, Kliniken, bei Airlines oder im Event- und Cateringgeschäft. Aperitif mit «Chateau Imhof» (Weisswein aus dem Wallis) in der Lounge der Hotelfachschule Luzern: Kurt Imhof mit Matthias Odermatt (Leiter der Administration SHL) und Schulhund Kira. 5I2013 Was sagen Sie zum Argument, man verdiene in der Hotellerie halt nicht so gut wie auf Banken oder in der Industrie? › 29 Zweifellos ist das Lohnniveau in der Hotellerie tiefer als bei den Banken, doch der Lohn allein ist nicht entscheidend. Die Attraktivität des Berufes, das tägliche «Von-Mensch-zu-Mensch» macht es aus! Man sagt, es gäbe lange Wartelisten an der SHL? Ja, wir haben einen Nachfrageüberhang. Das ermöglicht es uns auch, selektiv bei der Aufnahme zu sein. Mein Motto: Nur an «gutem Holz kann man schnitzen». Die Hotelfachschulen bilden hervorragende Leute aus. Junge Manager, die schon mit 32 oder 35 in der Lage sind, ein Hotel zu führen. Was ihnen oft fehlt: Herzblut, Leidenschaft, das sogenannte «Service-Gen». Kann man das lernen? Nur bedingt. Ob ein Kandidat tatsächlich Talent hat und das nötige Herzblut mitbringt, kann man ganz am Anfang nicht oder nur beschränkt beurteilen. Doch alle Kandidaten müssen an der SHL so etwas wie einen Hindernislauf absolvieren. Aufgabe richtig machen. Wir bilden also keine «Eunuchen» aus. Und dann geht es ab auf die Karriereleiter! Ich würde sagen, wir begleiten die jungen, diplomierten Hoteliers auf ihrem beruflichen Weg. Wir bieten ihnen Basiswissen, praktische Erfahrungen, Training, Kontakte, Einblicke in die Branche. Dann geht es ab in den «Dschungel». Motto: Hotelier kann man nicht lernen, Hotelier wird man. Und: Erfolg ist freiwillig! Sie sprechen jetzt von Management und Führungsqualitäten. Mit andern Worten: Die SHL bildet primär Führungs- oder Kaderleute aus – und nicht fähige Hotelfachleute für untere Chargen, wo die grösste Nachfrage existiert. Für mich gibt es nicht untere oder obere Chargen! Jede Funktion in der Hotellerie ist ein Glied in der Kette. Fachleute für Küche, Service und Hauswirtschaft machen ihren Weg über die Berufsbildung und höhere Berufsprüfungen. Wer die SHL mit Erfolg absolviert hat, ist in der Tat in der Lage, eine Führungsposition in der Hotellerie einzunehmen. Da haben Sie Recht. Jeder Absolvent der SHL hat beim Abschluss Führungserfahrung. Da spürt man schon nach kurzer Zeit, wie es um die Motivation steht. Kommt hinzu, dass die SHL eine sehr praxisorientierte Schule ist. Praxisorientiert … Bitte etwas konkreter? Jeder steht bei Studienbeginn auch in der Küche, als Koch und Tellerwäscher. Da wird eins zu eins geübt und gelernt. Es geht aber nicht darum, Köche auszubilden. Doch die Studierenden sollen in der Lage sein, später mit dem Koch zu kommunizieren – auf gleicher Augenhöhe. Zudem geht es darum, die Mentalität einer Küche kennenzulernen. Und dann folgt, im zweiten Semester, der «Baur-Tunnel», wie wir das nennen … Der «Baur-Tunnel»? Bei unserem Service-Experten und Dozenten Christian Baur werden die Studenten hart trainiert. Da lernen sie den Service, das Verkaufen am Tisch und solche Dinge von der Pike auf. Da geht es auch um Disziplin, Selbstbeherrschung, Gastfreundschaft und vieles andere. Alle diese Dinge werden hautnah, am Boden der Realität vermittelt und gelernt. Und im dritten Semester lernt der Student, ein eigenes Hotel zu führen. Auch da: Das ist nicht bloss Theorie, sondern reale Praxis! Nur wer die ersten drei Semester mit einem Durchschnitt von 4,5 absolviert, kommt weiter. Es folgt dann die Management-Ausbildung. Eine hohe Hürde. Und im vierten und fünften Semester geht es um operatives und strategisches Management. Sie sehen, wir bieten den jungen Leuten eine sehr breite, umfassende Basisausbildung. Noch etwas: Jeder Absolvent der SHL muss vor Eintritt ins fünfte und letzte Semester den Nachweis von mindestens sechs Monaten Führungserfahrung erbringen. Hier zeigt sich, ob wir unsere 30 Was ist ein guter Hotelmanager? Dass er über theoretisches Wissen, Erfahrung, Handwerk und solche Dinge verfügt, ist klar. Doch entscheidend sind am Ende die sozialen und emotionalen Fähigkeiten. Er muss seine Leute, sein Team und seine Gäste spüren! Man nennt das heute soziale Kompetenz. Es tönt vielleicht etwas banal, aber ich sage immer: ein Vorgesetzter sollte lesen, schreiben und rechnen können. Lesen, schreiben, rechnen … das lernen wir alle in der Volksschule … Lesen aus einem Gesicht, meine ich damit. Schreiben bedeutet: zu etwas stehen, Farbe bekennen, Mut haben. Rechnen bedeutet: Situationen und Grössenordnungen beurteilen und einschätzen können. Was aber sagen Sie dem Hotelier, der klagt: Top-Manager haben wir zu viele, wir brauchen dringend Führungskräfte auf Abteilungsstufe, sprich mittleres Kader. Er hat Recht! Natürlich bietet die SHL eine Management-Ausbildung. Wir stehen auch dazu! Aber es ist keine rein theoretische, wissenschaftliche Ausbildung. Das Resultat sind junge, diplomierte Hoteliers, die zwar in der Lage sind, ein Hotel zu führen, die aber gleichzeitig auch wissen, wie man ein Dessert serviert, Geschirr abräumt oder ein Zimmer reinigt. Zudem kennen sie die heutigen Online-Buchungsportale, die Reservationssysteme im Internet, und Revenue Management ist für sie kein abstrakter Begriff aus der Marketing-Bibel. Allrounder sind gefragt. Nochmals: Was unsere Branche dringend braucht, sind fähige und motivierte Serviceleute, Kellner, Rezeptionisten. Wie lösen wir das Problem? Wir müssen diesen Berufen mehr Wertschätzung entgegenbringen! Ich war früher auch mal Kellner, habe eine Kellnerlehre gemacht. Schon damals haben Leute in meinem Umfeld gesagt: Kellner? Was, du bist nur Kellner! Glauben Sie mir: Ich bin heute noch stolz darauf. Ich habe als Kellner viel gelernt. Vor allem im Einschätzen und im Umgang mit Menschen. Eine tolle Zeit. Ein toller Job. Den Mitarbeitenden mehr Wertschätzung entgegenbringen. Das ist mein Credo und Erfolgsprinzip, das ich seit vielen Jahren vertrete. Sie kennen ja die Aussage: In Österreich ist der Kellnerberuf hoch angesehen, in der Schweiz eben nicht. Deshalb sind die Österreicher viel freundlicher, herzlicher … Natürlich ist da was dran. Das Dienen liegt dem Schweizer vielleicht nicht so im Blut. Doch wenn ich immer wieder das Stichwort Österreich höre, gehen mir die Federn hoch. Man vergleicht da oft Äpfel mit Birnen. Wenn ich im Kaffeehaus in Wien sitze, bedient mich ein Kellner aus Pakistan. So ist das. Auch die Österreicher haben Mühe, einheimische Servicefachleute zu finden. Und das Märchen von den stets freundlichen, herzlichen Österreichern kann ich nicht mehr hören. Ich kenne viele Hotels und Restaurants in der Schweiz, wo freundliche Leute arbeiten. Warum verbringen viele Schweizer Skioder Wanderferien im Tirol? Weil es billiger ist – und nicht, weil die Kellner freundlicher sind. Aber das will niemand hören. Worin liegt des Rätsels Lösung? Ich sage immer: Dienen ohne Diener zu sein. Vielleicht ein Lösungsansatz. Tatsache ist: Die Schweizer Hotellerie findet zu wenig gute und motivierte Serviceleute. Und oft spielt das tiefe Lohnniveau eben eine wichtige Rolle. Moment mal! Der gesetzlich geregelte Mindestlohn ist in der Schweizer Gastronomie sehr hoch. Vergleichen Sie das mal mit Österreich oder Deutschland! Wer in die Schweiz kommt und hier Teller wäscht, kriegt mindestens 3400 Franken. In Berlin sind es ein paar Hundert Euro. Und noch etwas: In kaum 5I2013 HOTELIER-TALK KURT IMHOF Zahlen & Fakten zur SHL • Laut Jahresbericht wurden 2011/12 96 Absolventen mit dem Diplom «Dipl. Hotelier-Restaurateur HF» ausgezeichnet, davon 52 Studentinnen. Der Schuldirektor und seine Studenten. «Das Resultat sind junge diplomierte Hoteliers, die zwar in der Lage sind, ein Hotel zu führen, die aber gleichzeitig auch wissen, wie man ein Dessert serviert, Geschirr abräumt oder ein Zimmer reinigt.» einer Branche kann ich so rasch und so früh in eine Führungsposition kommen, wie in der Hotellerie und Gastronomie. Ich war bereits als 27-jähriger Jüngling Direktor eines Hotels mit 90 Mitarbeitenden. Und glauben Sie mir: Mein Gehalt damals war für mein Alter «verdammt» gut! Trotzdem bereitet das Thema Personalmangel vielen Schweizer Hoteliers Sorgen. Motto: Wir finden keine guten und fähigen Schweizer, deshalb fliegen wir Kellner und Rezeptionsleute aus Deutschland ein … Wobei die Deutschen ja ein ähnliches Lehrlingssystem haben wie wir Schweizer. Doch in Deutschland sind die Löhne, wie soeben erwähnt, Was meinen Sie damit? Der Hotelier gehört wenn immer möglich an die Front! Zu seinen Gästen und Mitarbeitern. Klar, in gewissen Kettenhotels ist das nicht immer machbar. Doch ein Hotelier ohne Flair und Freude am Umgang mit Menschen ist wie ein Schreiner ohne Freude am Holz. Sie gilt als die beste Hotelfachschule der Welt: die Ecole Hôtelière de Lausanne. Daneben gibt es noch Cornell in den USA. Wobei auch Ihre Schule, die SHL, einen hervorragenden Ruf in der Branche hat. Worin besteht der grosse Unterschied zwischen Lausanne und Luzern? Vorerst: Die beste Schule gibt es nicht. Die Frage ist vielmehr: Welche Schule ist für wen die richtige. Es gibt die höheren Fachschulen wie die in Zürich, Bellinzona, Chur, Luzern und Genf. Hier geht es um Praxisbezug und angewandtes Management. Die Ecole Hôtelière de Lausanne hingegen ist eine Fachhochschule mit universitärem Charakter. Die Schule hat auch den Auftrag, Forschung und Entwicklung zu betreiben. Deshalb hat Lausanne auch nicht diesen direkten Praxisbezug, wie wir ihn an der SHL haben. Man könnte auch sagen: In Lausanne erhält der Studierende vor allem ein Betriebswirtschaftsstudium im Bereich der Hotellerie. Jeder Student steht auch in der Küche, als Koch und Tellerwäscher. sehr viel niedriger. Dafür ist bei uns alles viel teurer. Nochmals zu den Löhnen. Glauben Sie mir: Die Loyalität eines Mitarbeiters gegenüber seinem Betrieb hängt nur von zwei Faktoren ab: Lohn und Wertschätzung. Der zweite Faktor, die Wertschätzung, wird leider oft unterschätzt. Ihr Credo? Unser Nachwuchs braucht Vorbilder und nicht nur Leitbilder. Hoteliers, die ihren Betrieb vorbildlich führen und die Mitarbeitenden fördern, fordern und wertschätzen. Die Mitarbeitenden, unser wichtigstes Kapital. Ohne sie läuft in der Hotellerie rein gar nichts … Sie sagen es! Wie wollen Sie solche Grundsätze den Studenten an der SHL vermitteln? Wir können sensibilisieren und vorleben. Über die verschiedenen Praktika können unsere Studierenden dies gut nachvollziehen. 5I2013 Wenn ein junger Mann (oder eine junge Frau) Ihre Schule verlässt, so ist er diplomierter Hotelier/Restaurateur HF. Dann gibt es auch noch ein Nachdiplomstudium und/oder ein MBA. Was halten Sie von solchen Abschlüssen? Ganz einfach: Die Weiterbildung ist ein Lebensprozess! Wobei die Weiterbildung ja auch im ganz normalen Hotelalltag stattfindet. Wer nur auf Titel wie MBA setzt, macht etwas falsch. Denn ein MBA ist noch lange keine Erfolgsstory. Das Nachdiplomstudium (NDS) von Hotelleriesuisse ist empfehlenswert für Fachleute, die bereits einige Jahre Kaderpraxis haben. Der gegenseitige Erfahrungsaustausch, ergänzt durch neue › • Stiftungsrat und Direktion der SHL beschlossen, im asiatischen Raum Fuss zu fassen. Ein erstes Projekt zeichnet sich in Sri Lanka ab. Die SHL beabsichtige nicht, finanzielle Investitionen zu tätigen. Ziel sei es, mit kompetenten Partnern einen bedürfnisdeckenden Know-how-Transfer zu vermarkten, schreibt die Schule im Jahresbericht. • Nach der Verzögerung des Baubeginns infolge einer Einsprache habe der Stiftungsrat beschlossen, parallel zum geplanten Erweiterungsbau der SHL eine Studie in Auftrag zu geben, welche eine Gesamtüberbauung des zur Verfügung stehenden Terrains beinhalte. In dieser Konzeptstudie seien auch die Schwesterbetriebe Hotel Montana AG sowie die Hotel & Gastro Union miteinbezogen. • Die Stiftung Schweizerische Hotelfachschule Luzern SHL ist eine NonProfit-Institution. Allfällige Überschüsse aus der Erfolgsrechnung würden «vollumfänglich in die Infrastruktur der Schule und in die Weiterentwicklung des Bildungsangebotes reinvestiert», so die SHL. 2011 wurden 57 Prozent der Erträge von Studierenden erbracht. Die Beiträge der öffentlichen Hand betrugen 43 Prozent. • Die Studiengebühren betrugen 2011/12 rund 21 500 Franken für Studierende aus Kantonen, die dem interkantonalen Schulabkommen angeschlossen sind, die Vollkosten pro Studierendem belaufen sich laut Jahresbericht 2011/12 auf 62 965 Franken. • Der Grossteil der Studierenden der SHL war 2011/12 zwischen 24 und 27 Jahre alt (47 Prozent). Die 20- bis 23-Jährigen machten 43 Prozent aus. • 94 Prozent der Studierenden kommen aus der Schweiz, die meisten stammten 2011/12 aus dem Kanton Zürich. www.shl.ch 31 HOTELIER-TALK KURT IMHOF Erkenntnisse aus der Berufswelt, machen diese Weiterbildung wertvoll. Die Hotellerie steht vor gewaltigen Herausforderungen. Vieles hat sich in wenigen Jahren total verändert: das Buchungsverhalten der Gäste (sprich Internet), die Preissensibilität, die Ansprüche an Service und Komfort, das gesellschaftliche und politische Umfeld, die Währungssituation … Werden Ihre Studenten für das «harte Leben danach» genügend vorbereitet? Ich hoffe es! Auf die Frage von Kollegen: «Hast du die Schule im Griff?», antworte ich immer mit «Nein». Was man im Griff hat, bewegt sich nicht mehr. Nebst Mut zum Bewährten braucht es Offenheit für Neues. Zwei Beispiele aus der SHL: Wir haben als erste Schweizer Schule damit angefangen, unsere Studenten in Revenue Management auszubilden. Sie haben mal gesagt, Revenue Management erinnere Sie an einen arabischen Basar. (lacht) Ja, das stimmt. Wobei das ja kein Grund ist, dieses aktuelle Thema nicht zu unterrichten. Meine persönliche, vielleicht auch altersbedingte Meinung darf nicht immer die entscheidende sein! Ich setze auf meine jungen Kadermitarbeiter. Neu haben wir an der SHL auch das Thema «interkulturelles Verhalten» aufgenommen. Experten aus China, Russland, Indien oder arabischen Ländern führen im fünften Semester Workshops durch. Es geht darum, die Studenten mit den fremden Kulturen und den Gästebedürfnissen dieser Kulturen zu konfrontieren. Alle sprechen derzeit von den Wachstumsmärkten China oder Indien, doch die wenigsten Hoteliers kennen sich da aus. Es gehört heute zu den Aufgaben einer Fachschule, neue Trends und Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, um die jungen Leute auf die bevorstehenden Herausforderungen vorzubereiten. Sind Sie denn in Luzern in der Lage, neue Trends zu erkennen? Unser internationales Netzwerk ist sehr gut! Wir arbeiten ja auch mit Fachprofis zusammen, mit renommierten Experten und Berufsleuten. Schweizer Hotelfachschulen haben weltweit einen guten Ruf. Fazit: Die Ecole Hôtelière de Lausanne geht nach China und eröffnet dort über Kooperationspartner eine Schule. Wann eröffnen Sie eine Schule in Asien? Wir sind zwar im asiatischen Raum präsent und unterhalten ein Büro in Singapur, aber eine Hotelfachschule werden wir in China nicht eröffnen. Wir bieten Training und Consulting für den asiatischen Markt. Ich denke, in wenigen Jahren wird der Know-how-Transfer beidseitig laufen, also nicht nur von der Schweiz nach Asien. Studenten arbeiten heute fast nur noch auf dem Computer. Jeder besitzt ein Handy, einen Laptop, ein iPad. Gedruckte Lehrmittel gehören schon bald der Vergangenheit an. Wie sehen Sie das? Die Studenten des laufenden ersten Semesters wurden mit Tabletts ausgestattet. Die ganzen Unterlagen werden jetzt elektronisch vermit- 32 telt. Keine Skripts mehr! Zudem besitzen wir eine Internetplattform mit mehr als 600 Modulen. E-Learning ist auch an der Hotelfachschule Luzern angekommen! Und trotzdem glaube ich nach wie vor an den Frontalunterricht. Es geht ja nicht um «entweder oder», sondern um «sowohl als auch». Die Hotelfachschule Luzern sei auch so etwas wie ein Dienstleistungszentrum für die Hotellerie, habe ich mal gelesen. Wie kann ich als Hotelier von der SHL profitieren? Wenn Sie als Hotelier eine Machbarkeitsstudie wünschen, bitte sehr! Kommen Sie zu uns. Im Rahmen der Projekt- und Diplomstudien realisieren wir pro Jahr sechs bis sieben Aufträge. Das ist wichtig für den Praxisbezug. Wer sind die Auftraggeber? Zum Beispiel das Parkhotel Vitznau, oder ein Hotel im Engadin, das eine Neupositionierung anstrebt. Wir haben auch schon für Kliniken und Altersresidenzen Projekte entwickelt. Alle sprechen derzeit von einer Krise in der Schweizer Hotellerie, vor allem in der Ferienhotellerie. Die Logiernächte sinken, Gäste aus dem Euro-Raum bleiben weg, der starke Franken – Sie kennen ja das Lied. Wie beurteilen Sie die Lage? Wollen Sie meine ganz persönliche Meinung wissen? Bitte sehr! Was hat die Schweiz als Tourismusdestination stark und erfolgreich gemacht? Es sind unsere Schätze und Werte wie die Natur, es sind Dinge wie Sicherheit, wirtschaftliche und politische Stabilität, Sauberkeit, hohe Qualität. Wenn wir zu diesen Dingen Sorge tragen, geht es uns gut. Was wir nie dürfen: uns über den Preis verkaufen. Die Schweiz ist keine Billigdestination. Wir sind teurer als die andern, aber wir sind gut. Qualität statt Quantität, lautet das Motto. Wir haben gar keine andere Wahl, als auf Top-Qualität und Top-Dienstleistungen zu setzen. H Vielen Dank für das Gespräch. history Die Geschichte der SHL Die Trägerorganisation der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern (SHL), die Union Helvetia (heute Hotel & Gastro Union) wurde 1886 als «Dienstbotliche Hülfsgesellschaft» gegründet. Erst 1909 konnte – nach langwierigen Vorbereitungen – die Schweizerische Hotelfachschule Luzern an der Sempacherstrasse 14 in Luzern eröffnet werden, mit einem Kochkurs, der von zehn Teilnehmern besucht wurde. Bereits drei Jahre später war die Zahl der Schüler auf 293 angestiegen, um während des Zweiten Weltkrieges wieder um 50 Prozent abzunehmen. Das Jahr 1944 setzt in der Geschichte der SHL insofern einen Markstein, als die Schulräumlichkeiten zusammen mit den Büros der Union Helvetia ins Hotel Montana verlegt wurden. 1957 wurde mit einem Kredit von 182 000 Franken ein Erweiterungsbau realisiert. Seither hält der Aufschwung der Hotelfachschule Luzern stetig an: 1966 verzeichnete man über 700 Kursteilnehmer, 1974 wurde das Diplom von allen Schweizer Kantonen anerkannt. Um die Zukunft der Schule auch in punkto Führung zu konsolidieren, gründete die Union Helvetia 1985 eine Stiftung, der sie die Führung der SHL übertrug. Zum 80. Geburtstag erhielt die Hotelfachschule ein wertvolles Geschenk: die Anerkennung als Höhere Fachschule. Die Absolventen durften fortan den geschützten Titel «Dipl. Hotelfachmann/-fachfrau HF/SHL» tragen, der später in «Hotelier/ Restaurateur HF» beziehungsweise «Dipl. Hotelière/Restaura trice HF» umgewandelt wurde. Seit 1990 ist Kurt Imhof Direktor der Schule, nachdem er vorher Dozent und seit 1982 Vizedirektor an der SHL war. Unter seiner Führung durchlief die SHL das «eduQua-Zertifizierungsverfahren» für Weiterbildungsinstitute. Und 2005 realisierte das Schweizer Fernsehen SRF eine Doku-Serie mit SHL-Studenten. Für dieses Projekt erhielt die Schule im gleichen Jahr den Tourismuspreis «Milestone» für «Herausragende Projekte». 2009 feierte die SHL das hundertjährige Jubiläum mit einem Festakt und 1400 Gästen im KKL Luzern. Ein Studium an der SHL dauert heute durchschnittlich vier bis fünf Jahre – inklusive Praktika. Im Rahmen eines Vereins haben ehemalige Studenten der SHL ein weltweit aktives Netzwerk aufgebaut. persönlich Wer ist Kurt Imhof? 1950 in Brig im Wallis geboren, besucht Kurt Imhof das Gymnasium, um anschliessend eine Lehre als Kellner zu absolvieren. 1975 wird er zum Hotelier-Restaurateur an der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern (SHL) diplomiert und bildet sich in der Folge stetig weiter (u. a. Mastertrainer IMS, Seminare in Kommunikation, Sprachaufenthalte). Erfahrungen in der Hotellerie sammelt Imhof als Direktions assistent bei den Art Furrer Hotels auf der Riederalp und als Direktor des Hotels Seerose in Meisterschwanden. Seit 1982 unterrichtet er an der SHL, 1982 wird er Vizedirektor der renommierten Fachschule, seit 1990 ist er Direktor. Kurt Imhof unterrichtet an der SHL Personalmanagement, Front Office, Food & Beverage sowie Kommunikation und Führung. Daneben ist er Fachdozent für die höhere Fachprüfung an der «Hotel & Gastro Formation» in Weggis (Fach Personalführung). Seit 20 Jahren ist er zudem Mitglied des Verwaltungsrates der Hotel Schützen AG in Aarau. [email protected] 5I2013
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