Forschungsradar Energiewende METAANALYSE Juli 2016 Maßnahmen und Instrumente für die Energiewende im Verkehr Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Klimaziele erfordern grundlegenden Wandel im Verkehrssektor Der Erfolg der nationalen und internationalen Klima-, Energie- und Umweltziele hängt auch wesentlich von den Entwicklungen im Verkehrssektor ab, der für 18 Prozent des gesamten Treibhausgasausstoßes in Deutschland verantwortlich ist. Die im Energiekonzept der Bundesregierung und der europäischen Klima-Roadmap 2050 vorgesehenen Emissionsminderungen können nur erreicht werden, wenn der Verkehr seinen Beitrag leistet und die sektorspezifischen Ziele zur Entwicklung des Energieverbrauchs und des Beitrags Erneuerbarer Energien erfüllt werden: Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht vor, dass der Endenergieverbrauch des Verkehrssektors bis 2020 um 10 % und bis 2050 um 40 % gegenüber 2005 sinkt. 10 % des Endenergieverbrauchs im Verkehr müssen im Jahr 2020 aus Erneuerbaren Energien stammen (Erneuerbare-Energien-Richtlinie der Europäischen Union). Die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung setzt zu diesem Zweck auf einen verstärkten Einsatz von Batterien und Brennstoffzellen, die mit Strom aus Erneuerbaren Energien versorgt werden. Die Kraftstoffqualitätsrichtlinie der EU schreibt vor, dass die Treibhausgasemissionen der eingesetzten Kraftstoffe bis 2020 um 6 % gegenüber 2010 sinken müssen, was unter anderem über den Einsatz von Biokraftstoffen zu erreichen ist. Die EU legt mittels Verordnungen Grenzwerte für den Kohlendioxidausstoß von Personenkraftwagen (Pkw) und leichten Nutzfahrzeugen (Nfz) fest (95 Gramm Kohlendioxid (CO2) pro Kilometer im Durchschnitt der Neuwagenflotte im Jahr 2020 gegenüber 130 Gramm pro Kilometer (g/km) im Jahr 2015). Auch für die Einhaltung der europäischen Luftqualitätsrichtlinien, die unter anderem Grenzwerte für Feinstaub, Stickstoffoxide und Schwefeldioxid festlegen, ist der Verkehr von zentraler Bedeutung. 1 Die tatsächliche Entwicklung ist jedoch weit von den angestrebten Zielen entfernt. Aufgrund des zunehmenden Verkehrsaufkommens liegt der Ausstoß von Treibhausgasen im Verkehr trotz der erzielten Effizienzsteigerungen auf dem gleichen Niveau wie 1990. Für die Zukunft sehen die meisten Prognosen ein weiteres Wachstum der Verkehrsleistung. Die Energiewende im Verkehr ist also bislang nicht in Sicht, im Gegenteil, die von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ (2015) stellt fest, „dass die Zielerreichung im Verkehrssektor nicht ausreichend ernstgenommen wird“ (S.57). Trotz vorhandener Zielsetzungen und Richtlinien fehlt es bislang an konkreten politischen Weichenstellungen, um die Energiewende im Verkehr voranzutreiben. Erforderlich sind langfristig gedachte und wirksame politische Maßnahmen. Dabei sind über Effizienzsteigerungen und alternative Antriebstechnologien hinaus auch strukturelle Veränderungen erforderlich, die eine Verminderung des Verkehrsaufkommens sowie eine Verlagerung auf umweltfreundliche Verkehrsträger bewirken. Vor diesem Hintergrund arbeitet die vorliegende Metaanalyse die in 16 einschlägigen Studien ausgesprochenen Handlungsempfehlungen zur Beförderung der Energiewende im Verkehr heraus. Ziel ist es, einen Überblick über Vorschläge zu Maßnahmen und Instrumenten zu geben und damit eine Grundlage für eine fundierte verkehrs- und energiepolitische Diskussion zu schaffen. Dazu werden die entsprechenden Aussagen der Studien im Kontext wiedergegeben und verglichen. Die Auswertung zeigt, welche Maßnahmen und Instrumente seitens der jeweiligen Autoren als geeignet erachtet werden, um den Verkehrssektor in Richtung Klimaschutz zu lenken. 1 Vergleiche dazu die Forschungsradar-Metaanalyse zur Energiewende im Verkehrssektor vom November 2015 www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 2 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Hinweise zur Einordnung und Bewertung des Studienvergleichs Die im Rahmen der Metaanalyse betrachteten Studien behandeln ein komplexes Themengebiet, setzen unterschiedliche Schwerpunkte und untersuchen verschiedene Fragestellungen. Daher unterscheiden sie sich in der Herangehensweise, den getroffenen Annahmen und der Datenbasis. Politische Maßnahmen und Instrumente werden in einigen Fällen erwähnt, aber nicht genauer erörtert. In anderen Fällen unterscheiden sich die Studien darin, wie sie verschiedene Instrumente konkret ausgestaltet sehen wollen. Auch zu den Wirkungsweisen und Effekten gibt es unterschiedliche Erwartungen. Dennoch lassen sich durch die Häufigkeit der Nennungen Tendenzen und Prioritäten erkennen. In den meisten Studien werden Maßnahmen und Instrumente im Rahmen von Szenarioanalysen betrachtet. Darunter fallen Trend- oder Business-as-Usual-Szenarien, Zielszenarien und Wirkungsprognosen. Trend- oder Business-as-Usual-Szenarien beschreiben eine von den jeweiligen Autoren unter den aktuellen Rahmenbedingungen als wahrscheinlich erachtete Entwicklung. Sie werden daher in den meisten Szenarioanalysen als Referenzszenario eingesetzt. In Zielszenarien wird vorab ein Ziel definiert (z.B. die Minderung der Treibhausgasemissionen um 80 % oder 95 % bis 2050; siehe Öko-Institut/Fraunhofer ISI 2015) und davon ausgehend ein Szenario entwickelt, in dem dieses Ziel erreicht wird. Zweck dieser Herangehensweise ist es, den Handlungsbedarf in verschiedenen Bereichen aufzuzeigen und zielführende Maßnahmen zu identifizieren. Das ist unabhängig davon zu sehen, ob die Autoren die Umsetzung der Maßnahmen und das Erreichen der Zielszenarien für realistisch halten oder nicht. In Wirkungsprognosen werden die Effekte bestimmter Maßnahmen und Instrumente abgeschätzt (z.B. Ifeu et al. 2011; Wuppertal Institut/Ecofys 2016). Die Metaanalyse ermittelt die Häufigkeit, mit der die einzelnen Instrumente in den ausgewerteten Studien genannt werden, beschreibt die erwartete Wirkung, die adressierten Akteure und Verkehrsträger sowie den Zeithorizont für die Umsetzung. Dabei zielen die Instrumente auf die Handlungsfelder Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung, Steigerung der Fahrzeugeffizienz und Einsatz klimaschonender Antriebe und Kraftstoffe. Die Kategorisierung der Instrumente orientiert sich weitgehend am Vorgehen von Fraunhofer ISI/INFRAS/ifeu 2013: Ökonomische Instrumente umfassen Preisinstrumente wie Steuern, Abgaben und Gebühren, aber auch Fördermittel und Subventionen. Sie bestimmen die relativen Preise bzw. den Wettbewerb zwischen den alternativen Verkehrs- und Energieträgern und wirken damit auf Nachfrage und Angebot. Ordnungsrechtliche Instrumente setzen die gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen in Form von Ge- und Verboten, Grenzwerten etc. Sie bestimmen die marktwirtschaftlichen Spielregeln. Planerische Instrumente betreffen vor allem raum- und stadtplanerische Maßnahmen sowie die damit verbundenen Auswirkungen auf die Verkehrsinfrastruktur. Sie bestimmen den Mobilitätsbedarf, das Angebot an Verkehrsmitteln und -wegen sowie deren Attraktivität. Sie bewirken vor allem langfristige strukturelle Veränderungen im Verkehrssystem. Weiche Instrumente beeinflussen das Wissen und die Einstellung der Verkehrsteilnehmer. Im Wesentlichen gehören Informations- und Kommunikationsmaßnahmen, Bildungs- und Schulungsangebote dazu, z.B. zu alternativen Verkehrsangeboten, zum Kraftstoffverbrauch oder zu energiesparender Fahrweise. Die Entscheidung für Verkehrsvermeidung oder die Nutzung effizienterer Fahrzeuge, Verkehrsmittel oder -träger kann dadurch begünstigt oder gar erst ermöglicht, aber nicht direkt gesteuert werden. www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 3 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Ergebnisse Die Metaanalyse verdeutlicht, dass umfangreiche verkehrs- und energiepolitische Maßnahmen sowie technologische Veränderungen erforderlich sind, um den Verkehr auf den für den Klimaschutz erforderlichen Zielpfad zu bringen. Die notwendige Transformation des Verkehrssektors kann nur durch ein effektives Zusammenspiel von angebots- und nachfrageseitigen Maßnahmen, preislichen Anreizen, ordnungsrechtlichen Vorgaben sowie planerischen und informativen Strategien erreicht werden. Gerade strukturelle Veränderungen müssen dabei möglichst zeitnah eingeleitet werden, da die Maßnahmen erst mittel- bis langfristig ihre Wirkung entfalten. Die Häufigkeit, mit der bestimmte Maßnahmen und Instrumente erörtert bzw. empfohlen werden, kann als Indiz für die Bedeutsamkeit der genannten Ansätze gewertet werden. Beispielsweise nennt die Mehrheit der Studien Anpassungen bei der Kraftstoffsteuer, der Maut für Lastkraftwagen (Lkw), die Verschärfung der Flottengrenzwerte für den CO2-Ausstoß von Pkw, Tempolimits, die Förderung des öffentlichen Verkehrs (ÖV) und den Ausbau des Schienennetzes. Diese Maßnahmen werden also oft als besonders wirksam eingestuft. Die Effekte der genannten Instrumente und Maßnahmen lassen sich grob in vier Wirkungsbereiche einteilen: Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung, Steigerung der Fahrzeugeffizienz und Einsatz alternativer Antriebstechnologien bzw. Kraftstoffe. Die nachfolgende Abbildung ordnet die betrachteten Instrumente und Maßnahmen diesen vier Wirkungsbereichen zu, wobei das nicht immer trennscharf möglich ist. Verschärfte Umweltzonen beispielsweise vermindern zunächst den motorisierten Individualverkehr in den jeweiligen Regionen, die Wege werden jedoch vermutlich nicht vermieden, sondern auf andere Transportmittel verlagert (z. B. Rad oder ÖV). Es könnte auch sein, dass Fahrzeughersteller auf die neuen Anforderungen reagieren und umweltfreundlichere Antriebe entwickeln. So wirkt bspw. das ordnungsrechtliche Instrument Umweltzone bzw. Zugangsbeschränkungen im Allgemeinen direkt oder indirekt in allen vier Bereichen. Ähnliches gilt für die Kraftstoffsteuer, die bei einer entsprechenden Ausgestaltung gleichzeitig hilft, Verkehr zu vermeiden, auf andere Verkehrsträger zu verlagern und die Wettbewerbsposition klimafreundlicher Kraftstoffe zu verbessern. Abbildung 1: Wirkungsfelder von Maßnahmen für die Energiewende im Verkehr www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 4 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Verkehrsvermeidung: Die hier aufgeführten Maßnahmen zielen auf eine Verminderung des Verkehrsaufkommens ab. Erreicht werden soll dies häufig durch ökonomische Instrumente, die den motorisierten Verkehr insgesamt oder einzelne, besonders umweltschädliche Verkehrsmittel verteuern. Einen anderen Ansatz verfolgen die planerischen Instrumente: Eine nachhaltige Stadtund Raumplanung soll Wege verkürzen und dadurch Verkehr vermeiden. Verkehrsverlagerung: Die hier angesiedelten Instrumente haben zum Ziel, einen Umstieg von umweltschädlichen, energieintensiven Verkehrsmitteln auf energieeffiziente, umwelt- und klimafreundlichere Alternativen zu bewirken, ohne die Mobilität zu verringern. Dazu gehört zum Beispiel die Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) und Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Da der öffentliche Verkehr meist mehr Personen bei geringerem Energieeinsatz und Verkehrsaufkommen transportieren kann als der MIV und ein Güterzug viele Lkw ersetzt, gehen Verkehrsverlagerung und -vermeidung häufig Hand in Hand. Eine Ausweitung des Angebots und eine Qualitäts- und Attraktivitätssteigerung alternativer Verkehrsmittel und -träger ist dafür eine wesentliche Maßnahme. Steigerung der Fahrzeugeffizienz: Effizienzsteigerungen in Fahrzeugtechnik und -betrieb werden beispielsweise durch eine Verschärfung der Flottengrenzwerte für den CO2-Ausstoß oder Abgasnormen regulatorisch verordnet. Die Wirksamkeit dieser ordnungsrechtlichen Instrumente hängt allerdings von zuverlässigen Mess- und Kontrollverfahren ab. Auch ökonomische Instrumente wie die Kfz-Steuer setzen voraus, dass die relevanten Kennzahlen korrekt ermittelt werden. Daher empfehlen einige Studien (z.B. Expertenkommission 2015) eine kurzfristige Einführung von Abgastests unter realen Bedingungen und in repräsentativen Testzyklen. Weitere Instrumente setzen an der Nachfrage nach sparsamen Fahrzeugen an. Geschwindigkeitsbegrenzungen (Tempolimits sowie fahrzeugseitige Tempobegrenzer) beeinflussen einerseits die Fahrweise der Verkehrsteilnehmer, andererseits verändern sie das Anforderungsprofil für Neufahrzeuge und somit die zukünftige Fahrzeugflotte. Alternative Antriebe und Kraftstoffe: Um den Einsatz klimafreundlicher Technologien zu beschleunigen, sehen mehrere Studien eine Stärkung der staatlich finanzierten Forschung und Entwicklung vor, um den technologischen Fortschritt zu beschleunigen. Ein weiterer Ansatzpunkt ist der Preiswettbewerb zwischen konventionellen und alternativen Technologien, der durch ökonomische Instrumente gesteuert werden kann. So können eine entsprechende Ausgestaltung der Kfz-Steuer, eventuelle Kaufprämien und individuelle Steuersätze für die im Verkehr eingesetzten Energieträger dafür sorgen, dass die Wettbewerbsposition umweltfreundlicher Technologien gestärkt wird. Ökonomische Anreize könnten bewirken, dass sich die Nachfrage für Strom, Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe auf Basis Erneuerbarer Energien am Markt erhöht und die Nachfrage nach fossilen Kraftstoffen sinkt. www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 5 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Ökonomische Instrumente Abbildung 2: Ökonomische Instrumente für die Energiewende im Verkehr Zu den ökonomischen Instrumenten zählen in erster Linie Steuern und Abgaben, welche einerseits die Verkehrsinfrastruktur finanzieren und gleichzeitig Preisanreize zur Steuerung von Angebot und Nachfrage setzen. Viele Studien berücksichtigen die Lenkungswirkung von Kraftstoff-, und Kraftfahrzeugsteuern und sehen Anpassungen vor. Oft wird eine Differenzierung der Steuern und Gebühren entsprechend des Kohlendioxidausstoßes bzw. der Energieintensität des Kraftstoffs oder Fahrzeugs (Äquivalenzprinzip) vorgeschlagen, was die Erschließung von Energieeffizienzpotenzialen und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit alternativer Antriebe und Kraftstoffe befördern würde. In einigen Szenarien werden mittel- bis langfristig Benzin- und Dieselpreise unterstellt, die deutlich über zwei bis drei Euro je Liter liegen. Es wird auch davon ausgegangen, dass die hohen Preise die Nachfrage nach fossilen Kraftstoffen erheblich reduzieren könnten. Neben Kraftstoffsteuern berücksichtigen die meisten Studien verschiedene Mautsysteme (u.a. Lkw-Maut, Pkw-Maut und City-Maut). Solche Straßennutzungsgebühren sollen die Kosten des Verkehrs verursachergerecht verteilen und die Verkehrsnachfrage reduzieren bzw. auf andere Verkehrsträger verlagern. Intelligente Mautsysteme können zwischen Ort, Zeit, Fahrzeugeigenschaften etc. differenzieren und gezielt die externen Kosten des Verkehrs adressieren. Während Kraftstoffsteuern in erster Linie die Klimakosten der Verbrennung abbilden, sind Mautsysteme in der Lage, auch andere Aspekte wie Staus, Luftverschmutzung, Infrastruk- www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 6 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr turkosten oder Lärm zu berücksichtigen. Ökonomische Instrumente werden oft genutzt, um externe Effekte als eine der klassischen Ursachen von Marktversagen zu internalisieren und dem Verursacherprinzip gerecht zu werden. Auch Subventionen und Fördermittel zählen zu den ökonomischen Instrumenten. Sie verändern die Kosten- und Preisstrukturen zwischen den Verkehrs- und Energieträgern und beeinflussen dadurch den Wettbewerb. Um eine Reduktion der Verkehrsnachfrage bzw. eine Verlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel oder Antriebe zu bewirken, unterstellen viele Szenarien einen Umbau der Subventionspolitik. Auf der einen Seite müssten umweltschädliche Subventionen abgebaut werden. Dazu zählen unter anderem die Vergünstigungen bei der Dienstwagenbesteuerung und die Entfernungspauschale, die vor allem den motorisierten Individualverkehr (MIV) begünstigen. Auch Steuerbefreiungen und staatliche Subventionen im Luftverkehr (Energiesteuerbefreiung für Kerosin, Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge, Förderung von Regionalflughäfen) müssten abgebaut werden, da sie den Wettbewerb zur Schiene verzerren und Verkehrsnachfrage erzeugen. Auf der anderen Seite sieht rund die Hälfte der betrachteten Studien eine stärkere Förderung von klimafreundlichen Verkehrsmitteln, Antriebstechnologien und Energieträgern vor. Dadurch können auf der Angebotsseite Alternativen für eine klimafreundliche Mobilität geschaffen werden. Eine Ausweitung des Europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS) auf den Straßenverkehr wird lediglich in einer Studie als Option betrachtet (Expertenkommission 2015), eine weitere (ÖkoInstitut et al. 2013) betrachtet den Emissionshandel als Option für den Luft- und Seeverkehr. Ordnungsrechtliche Instrumente Abbildung 3: Ordnungsrechtliche Instrumente für die Energiewende im Verkehr Unter den regulatorischen Maßnahmen stellt die Verschärfung der Flottengrenzwerte für die durchschnittlichen CO2-Emissionen von Neufahrzeugen (Pkw) die am häufigsten genannte Maßnahme dar. Die Grenzwerte werden in vielen Szenarien weiter verschärft, teilweise auf 50 Gramm CO2 pro Kilometer bis 2030. Die aktuelle Gesetzeslage sieht für den Zeitraum 2015 bis 2020 lediglich eine Reduktion von 130 g/km auf 95 g/km vor. In einigen Szenarien werden auch Grenzwerte für Nutzfahrzeuge und Lastkraftwagen eingeführt. Effizienzsteigerungen werden hier nicht durch Preisanreize bewirkt, sondern rechtlich verbindlich vorgegeben. Für die Wirksamkeit sind allerdings entsprechende Kontrollen und Messverfahren sowie gegebenenfalls Sanktionen erforderlich, wie Erfahrungen mit manipulierten Verbrauchs- und Abgaswerten zeigen. www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 7 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Neben der Verordnung von Effizienzsteigerungen sehen einige Studien Zugangsbeschränkungen (u.a. Umwelt- und Fußgängerzonen) und Tempolimits vor, um das Verkehrsaufkommen und den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Solche Maßnahmen würden die Attraktivität des motorisierten Straßenverkehrs senken und die Attraktivität von Fuß-, Rad- und öffentlichem Verkehr steigern. Tempolimits könnten zudem zu einer geringeren Nachfrage nach hochmotorisierten Fahrzeugen führen und damit den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch der Pkw-Flotte senken. Im Kraftstoffsektor gilt in Deutschland – anders als in anderen EU-Mitgliedstaaten - seit 2015 eine Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) zur Förderung von Biokraftstoffen. Sie hat die bis dahin geltende Biokraftstoffquote ersetzt, die an dem in Verkehr gebrachten Kraftstoffvolumen ausgerichtet war. Die THG-Quote verpflichtet die Unternehmen, den Klimagasausstoß der von ihnen in Verkehr gebrachten Kraftstoffe um 3,5 Prozent gegenüber dem fossilen Referenzwert zu reduzieren. Im Jahr 2017 steigt die THG-Quote auf 4 Prozent, im Jahr 2020 auf 6 Prozent. Mit der THG-Quote ist die Treibhausgasbilanz eines Biokraftstoffs zum Wettbewerbsfaktor geworden. Einige Studien sehen vor, die THG-Quote unter Voraussetzung weiterer ökologischer Kriterien über 2020 hinaus zu verlängern und deutlich zu verschärfen. Planerische Instrumente Abbildung 4: Planerische Instrumente für die Energiewende im Verkehr Zu den planerischen Instrumenten zählen zuvorderst Infrastrukturmaßnahmen, welche die Attraktivität der Alternativen zum MIV steigern sollen. Vor allem im Bereich des öffentlichen Verkehrs, im Schienennetz sowie im Fahrrad- und Fußverkehr sehen viele Studien Potenzial für Kapazitäts- und Attraktivitätssteigerungen. Im Gegensatz zu Subventionen steht dabei neben dem finanziellen Aspekt insbesondere der (stadt-)planerische Ansatz im Fokus. Tiefgreifende, meist längerfristige Veränderungen der Verkehrsstrukturen sollen angestoßen werden. Zu diesem Zweck schlagen einige Studien auch die verstärkte Förderung von Forschung und Entwicklung (F&E) sowie Demonstrations- und Pilotvorhaben vor. So können alternative Verkehrskonzepte entwickelt und regional erprobt werden. Die Integration der Verkehrs- in die Stadt- und Raumplanung hat zum Ziel, Verkehrsstrukturen effizienter zu gestalten und besser dem tatsächlichen Bedarf anzupassen. Auf diese Weise könnten Wege verkürzt und das Verkehrsangebot optimiert werden. Verkehr wird hier meist als Teil eines größeren Systems verstanden, das ganzheitlich gestaltet werden sollte. In diesem www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 8 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Zusammenhang kritisieren einige Studien die Bundesverkehrswegeplanung (BVWP) (z.B. Fraunhofer ISI/INFRAS/ifeu 2013), die die deutsche Verkehrsinfrastruktur der nächsten Jahrzehnte präge, den Ansprüchen einer integrierten Planung aber nicht gerecht werde. Das Umweltbundesamt (UBA 2016b) etwa bemängelt den Fokus auf den Verkehrsträger Straße und vermisst eine übergreifende Mobilitätsstrategie, die stärker auf eine Verkehrsverlagerung abzielt. Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans 2030 verfehle elf der zwölf selbstgesteckten Ziele in den Themenfeldern Mensch, Tiere/Pflanzen, Boden, Wasser, globales Klima, Landschaft/Erholung und Kulturgüter. Weiche Instrumente Abbildung 5: Weiche Instrumente für die Energiewende im Verkehr Die sogenannten weichen Instrumente dienen vor allem der Information und Aufklärung von Verkehrsteilnehmern. Beispiele sind Schulungen zu kraftstoffsparender Fahrweise, Leitsysteme, Internetseiten oder Smartphone-Applikationen, die auf alternative Verkehrsangebote oder -wege hinweisen. Die Maßnahmen können konkrete Verhaltensänderungen bewirken, haben aber keine direkte Lenkungswirkung. Vielmehr eröffnen sie Handlungsoptionen für eine umweltschonendere, zeiteffizientere oder kostengünstigere Gestaltung der eigenen Mobilität. Das Labeling von Fahrzeugen, Produkten oder auch Logistik soll für die Auswirkungen der eigenen Mobilität bzw. des Konsums sensibilisieren und eine informierte Entscheidung der Verbraucher ermöglichen. Die Kennzeichnung bestimmter Produkteigenschaften (z.B. Kraftstoffverbrauch) helfe Verbrauchern, diese in Kaufentscheidungen zu berücksichtigen. Ein effektives Labeling setzt voraus, dass die angegebene Produktinformation verlässlich ist. Je nach Komplexität kann das zusätzliche Regulierung, Kontrolle und Sanktionierung bei Missachtung bzw. Falschinformation bedeuten, weil Labels häufig zu einem wichtigen Bestandteil der Produktvermarktung werden. www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 9 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Ansatzpunkte und Adressaten der empfohlenen Instrumente Abbildung 6: Kategorisierung politischer Instrumente nach Verkehrsträgern, Lenkungswirkung und betroffenen Akteuren Der Großteil der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor ist auf den motorisierten Individualverkehr sowie den Straßengüterverkehr zurückzuführen. Das spiegelt sich in den Schwerpunkten der betrachteten Studien bzw. den dort genannten politischen Steuerungsinstrumenten wider: Die meisten beziehen sich auf den Personen- und/oder Güterverkehr auf der Straße und zielen hier auf eine Verringerung oder Verlagerung des Verkehrsaufkommens. Viele Szenarien sehen in der stärkeren Verlagerung des Straßen- und teilweise auch Luftverkehrs auf die Schiene eine Voraussetzung für den Erfolg der Energie- und Verkehrswende, so dass entsprechende Instrumente den Schienenverkehr stärken sollen. Ansatzpunkt ist dabei meist eine angebotsseitige Steigerung der Kapazität und Attraktivität. Für den Luft- und Wasserverkehr finden sich hingegen nur wenige Instrumente und Maßnahmen, obwohl Verkehrsprognosen gerade im Luftverkehr von weiter hohen Wachstumsraten ausgehen. Die Schifffahrt findet wenig oder keine Beachtung. Ein Grund könnte sein, dass die betrachteten Studien meist einen nationalen Fokus haben, Luft- und Schifffahrt jedoch stark international geprägt sind, weshalb kaum nationale Handlungsmöglichkeiten gesehen werden. www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 10 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Indirekt wirken viele Instrumente auf alle Akteure und teilweise auch verkehrsträgerübergreifend. Beispielsweise betrifft die Lkw-Maut direkt den Güterverkehr auf der Straße. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass auch Fahrzeughersteller auf die Maut reagieren und Verlagerungseffekte auf die Schiene eintreten. Im obigen Diagramm werden ausschließlich direkt betroffene Akteure berücksichtigt. Die farbliche Kennung verdeutlicht die Kategorisierung nach ökonomischen, ordnungsrechtlichen, planerischen und weichen Instrumenten. Fazit Der Vergleich der Studien zeigt, dass eine deutliche Reduktion des Energiebedarfs im Verkehr und die Umstellung auf alternative Antriebe und Kraftstoffe Voraussetzung für den Erfolg der Energiewende im Verkehr sind. Die Durchsetzung alternativer Antriebe und klimafreundlicher Kraftstoffe wird in vielen der untersuchten Studien und Szenarien vorausgesetzt, ohne dass näher erörtert wird, wie die Umstellung gelingt. Politischer Handlungsbedarf wird vor allem im Hinblick auf Verkehrsvermeidung und -verlagerung formuliert. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Verlagerung des MIV und des Güterverkehrs auf die Schiene, wo Personen und Güter relativ energieeffizient und klimaschonend transportiert werden können. Die analysierten Studien zeigen darüber hinaus, dass viele Maßnahmen kurzfristiges Handeln voraussetzen, da ihre Wirkung erst in einigen Jahren zu erwarten ist. Insbesondere planerische Instrumente und Veränderungen der Infrastruktur sind in ihrer Umsetzung häufig langwierig und müssen frühzeitig angestoßen werden. Der Bundesverkehrswegeplan beispielsweise stellt ein planerisches Instrument dar, dessen Umsetzung langfristige Auswirkungen auf das deutsche Verkehrsnetz hat. Hier wäre nach Einschätzung vieler Akteure eine wesentlich stärkere Berücksichtigung ökologischer Belange erforderlich (z.B. Fraunhofer ISI/INFRAS/ifeu 2013). Wenn die angestrebten Klimaziele bis 2050 ohne Verzicht auf Mobilität eingehalten werden sollen, müssen rechtzeitig entsprechende Verkehrskonzepte und Technologien entwickelt und die nötige Infrastruktur bereitgestellt werden. Andere Instrumente sind kurzfristig umsetzbar, müssen aber ebenfalls zunächst alle politischen und administrativen Hürden nehmen. Einige Studien sehen vor allem Anpassungen oder Verschärfungen von bestehenden Instrumenten vor, beispielsweise empfiehlt etwa die Hälfte der betrachteten Studien, die Flottengrenzwerte für den CO2-Ausstoß kurz- oder mittelfristig deutlich zu verschärfen. Ähnliches gilt für Steuer- und Mautsätze. Konkrete Zeithorizonte für einzelne Maßnahmen nennen zwar nur wenige Studien, aber wenn Zeitangaben gemacht werden, dann werden die meisten Instrumente kurzfristig (bis 2020) eingeführt, was zeitnahe politische Aktivitäten erfordert. www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 11 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Ausgewertete Literatur und Erläuterungen Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ (2015): Stellungnahme zum vierten Monitoring-Bericht der Bundesregierung für das Berichtsjahr 2014 In ihrer Stellungnahme analysiert die unabhängige Expertenkommission den vierten MonitoringBericht der Bundesregierung zum Fortschritt der Energiewende in Deutschland. Mit Blick auf die Erreichung der 2020-Ziele erörtern die Experten die Entwicklung des deutschen Energiesystems sowie energie- und umweltpolitische Entscheidungen im Hinblick auf das Erreichen der Energiewendeziele. Ziel ist in erster Linie, relevante Handlungsfelder zu identifizieren und Maßnahmen zu diskutieren. Für den Bereich Verkehr resümieren die Experten, „dass die Zielerreichung im Verkehrssektor nicht ausreichend ernstgenommen“ werde und sie „in weite Ferne gerückt“ sei (S. 57). In einer Instrumentendiskussion werden bereits existierende Instrumente überprüft sowie zahlreiche Anpassungen und neue Instrumente in Erwägung gezogen. Fraunhofer ISI/INFRAS/ifeu (2013): Wirtschaftliche Aspekte nichttechnischer Maßnahmen zur Emissionsminderung im Verkehr Die vom Umweltbundesamt herausgegebene Studie untersucht die Wirkung von ausgewählten nichttechnischen Maßnahmen der Verkehrspolitik in den Bereichen Personen- und Güterverkehr. Die Maßnahmen zielen auf die Verlagerung und Veränderung der Verkehrsnachfrage sowie die Steigerung der Energieeffizienz von Pkw. Unter anderem werden die Auswirkungen einer Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs durch den Wechsel zu umweltfreundlicheren Alternativen und kürzeren Wegen sowie ein erhöhter Bahnanteil im Güterverkehr analysiert. Für jede Maßnahme werden Instrumente und deren Wirkungsweise aufgezeigt, die zu ihrer Umsetzung beitragen. Auf eine mögliche Ausgestaltung der einzelnen Instrumente wird jedoch nicht eingegangen. Fraunhofer IWES/Fraunhofer IBP (2015): Interaktion EE-Strom, Wärme und Verkehr Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Studie analysiert die Interaktion zwischen den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr in einem zukünftigen Energiesystem, das sehr hohe Anteile von Strom aus fluktuierenden Erneuerbaren Energien hat. Ziel ist es, Entwicklungspfade zu ermitteln, die die Klimaschutzziele in den Bereichen Verkehr und Wärme unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen mit dem Stromsystem kostenoptimal erreichen. Zu diesem Zweck wird ein Zielszenario modelliert, das eine Treibhausgasminderung um 80 Prozent bis 2050 unterstellt. Analysiert wird unter anderem die Entwicklung des Strombedarfs. Für den Verkehrssektor werden vollelektrische Pkw, Plug-In-Hybride mit Erdgas, Oberleitungs-Lkw sowie Power-to-Gas als Schlüsseltechnologien identifiziert. Die aktuellen Kostennachteile dieser Technologien werden durch finanzielle Förderung (z.B. Bonus-MalusSystem, Kfz-Steuer) ausgeglichen. Der zusätzliche Strombedarf im Zielszenario setzt einen erfolgreichen Ausbau Erneuerbarer Energien im Stromsektor voraus. Greenpeace (2015): Der Plan. Energiekonzept für Deutschland In der Studie entwirft Greenpeace mit Unterstützung des Büros für Energiewirtschaft und technische Planung GmbH (BET) sowie des Hamburg Instituts (HI) ein Szenario für ein nahezu klimaneutrales Deutschland im Jahr 2050. Die Autoren analysieren zunächst die Potenziale zur Verringerung des Energiebedarfs und zum Ausbau der Erneuerbaren Energien in den Bereichen www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 12 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Strom, Wärme und Verkehr. Im Verkehr sollen die Klimaziele im Wesentlichen durch eine Minimierung des Autoverkehrs, eine Verlagerung auf den öffentlichen Verkehr, Effizienzsteigerungen und den Umstieg auf alternative Antriebsmodelle erreicht werden. Insgesamt werde im Zielszenario eine Reduktion der THG-Emissionen um 90 % gegenüber 1990 erreicht. IEA-RETD (2015): Driving renewable energy for transport. Next generation policy instruments for renewable transport (RES-T-NEXT) Die Autoren sehen in der Umstellung auf erneuerbare Energiequellen einen entscheidenden Faktor für den Klimaschutz im Verkehrssektor. Sie untersuchen, wie sich eine flächendeckende Nutzung von Batterien, Wasserstoff oder Biokraftstoff jeweils auf die Fahrzeugflotte, die energetische Infrastruktur und Energieträger auswirken würde und welche Hindernisse einem solchen Wandel im Wege stehen. Darauf aufbauend entwickeln die Autoren eine umfassende Strategie, wie der Einsatz Erneuerbarer Energien im Verkehrssektor befördert werden kann. Jedes empfohlene Instrument wird detailliert analysiert und anhand eines Kriterienkatalogs bewertet. Darüber hinaus präsentiert die Studie Praxisbeispiele und Erfahrungen aus Staaten, die entsprechende politische Instrumente bereits umgesetzt haben. Ifeu et al. (2011): Endbericht Energieeffizienz: Potenziale, volkswirtschaftliche Effekte und innovative Handlungs- und Förderfelder für die Nationale Klimaschutzinitiative Die „Wissenschaftliche Begleitforschung zu übergreifenden technischen, ökologischen, ökonomischen und strategischen Aspekten des nationalen Teils der Klimaschutzinitiative“ sollte die Nationale Klimaschutzinitiative (NKI) in einen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Kontext einbetten und das Programm strategisch verorten. In einem Szenarienvergleich wurden Energieeffizienzpotenziale und die volkswirtschaftlichen Wirkungen ihrer Erschließung analysiert. Zusätzlich untersuchten die Autoren, wie die Einsparpotenziale unter Berücksichtigung der politischen Rahmenbedingungen der NKI realisiert werden können. Für den Verkehrsbereich erörterten die Autoren ein Maßnahmenpaket zur Förderung effizienterer Fahrzeuge, einer effizienteren Fahrzeugnutzung sowie einer Verlagerung auf umweltschonende Verkehrsmittel. Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) (2015): Die neue Verkehrswelt Die Studie entwirft im Auftrag des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) das Bild einer völlig gewandelten, digitalisierten und multimodalen Verkehrsinfrastruktur im Jahr 2050. Das Verkehrssystem könne dann komplett auf Erneuerbaren Energien basieren und in gemeinschaftlich genutzten Flotten nach dem „Hub-and-Spoke-Prinzip“ organisiert sein. Während für den kleinräumigen Verkehr Individualfahrzeuge („Spokes“) vorgesehen werden, sollen weitere Distanzen zwischen den Bündelungspunkten („Hubs“) vor allem auf der Schiene zurückgelegt werden. Um den gesteigerten Strombedarf im Verkehrssektor zu bedienen, wird auf eine Vielzahl dezentraler Versorgungssysteme in Bürgerhand gesetzt. Der Einstieg in die postfossile Mobilität soll über ambitionierte Emissionsgrenzwerte, eine flächendeckende Bewirtschaftung von Parkund Verkehrsflächen sowie die Erprobung dezentraler Prosumentenstrukturen in Pilotprojekten erfolgen. Grundlage für das Szenario ist eine Potenzialanalyse alternativer Antriebe sowie die Annahme veränderter gesellschaftlicher Wertepräferenzen. www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 13 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Nitsch, Joachim (2016): Die Energiewende nach COP 21 – Aktuelle Szenarien der deutschen Energieversorgung Im Auftrag des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) vergleicht die Kurzstudie ein Trendszenario, das die aktuellen politischen Rahmenbedingungen berücksichtigt, mit zwei Zielszenarien, in denen eine Minderung des Treibhausgasausstoßes um 95 Prozent bis 2040 oder 2050 erreicht wird. Im Fokus der politischen Rahmenbedingungen stehen vor allem das Erneuerbare-Energien-Gesetz 2014, der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) und das angekündigte Aktionsprogramm Klimaschutz 2020. Für die Zielszenarien sind laut Autor eine praktisch 100%ige Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien sowie erhebliche Effizienzsteigerungen erforderlich. Im Verkehrssektor ändere sich der Energieverbrauch im Trendszenario auch langfristig kaum, weil technologische Effizienzsteigerungen durch schwerere Fahrzeugkonzepte aufgezehrt würden (Rebound-Effekt). Eine Halbierung des Endenergieverbrauchs im Verkehr bis 2050 könne durch weitgreifende Strukturveränderungen erreicht werden, setze jedoch unter anderem ein „Downsizing“ der gesamten Pkw-Flotte sowie signifikante Verkehrsverlagerungen voraus. Dafür fehlten jedoch bislang die Anreize. Öko-Institut/DLR/Fraunhofer ISI (2013): Weiterentwicklung des Analyseinstruments Renewbility RENEWBILITY II – Szenario für einen anspruchsvollen Klimaschutzbeitrag des Verkehrs Im Rahmen des Forschungsprojekts Renewbility II entwickeln die beteiligten Institute ein Analyseinstrumentarium, das Maßnahmen und Wirkungen der Verkehrspolitik abbildet und ihren Beitrag zum Klimaschutz quantifiziert. Im Basisszenario, das in erster Linie von Effizienzsteigerungen und dem Einsatz alternativer Antriebe und Kraftstoffe ausgeht, reduziert sich der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 12 %, im Klimaschutzszenario sind es 37 %. Die im Klimaschutzszenario vorgesehenen Maßnahmen sind in einem mehrstufigen Prozess von verschiedenen Stakeholdern erarbeitet worden und sollen ein konsistentes und schlüssiges Bündel an Klimaschutzmaßnahmen für den Verkehr darstellen. Ausschlaggebend für die Differenz zum Basisszenario ist die Implementierung vielfältiger Maßnahmen und Instrumente, die zur Verkehrsverlagerung und -vermeidung beitragen. Öko-Institut (2014): eMobil 2050. Szenarien zum möglichen Beitrag des elektrischen Verkehrs zum langfristigen Klimaschutz Die mit Unterstützung des Bundesumweltministeriums durchgeführte Studie beleuchtet anhand zweier Szenarien mögliche langfristige Interaktionen zwischen Verkehrssektor und Energiewirtschaft im Fall einer hohen Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen in Verbindung mit hohen Effizienzsteigerungen. Im Szenario „Grenzenlos eMobil“ werden ein weiteres Wachstum der Verkehrsnachfrage im Personen- und Güterverkehr ohne große Veränderungen im Modal Split angenommen. Eine Treibhausgasminderung wird hier vor allem durch Technologiewandel, ambitionierte Effizienzsteigerung und hohe Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen (inklusive Oberleitungen im Straßengüterverkehr) erreicht. Im Szenario „Regional eMobil“ wird eine stärkere Änderung im Verkehrsverhalten angenommen, sodass sich der Modal Split (hin zu öffentlichem Verkehr) verändert und dadurch auch die Verkehrsleistung reduziert. www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 14 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Öko-Institut / Fraunhofer ISI (2015): Klimaschutzszenario 2050. 2. Endbericht Die im Auftrag des BMUB durchgeführte Studie vergleicht in einer Szenarioanalyse, welche Emissionsminderung mit der derzeitigen Klimaschutzpolitik möglich ist und welche Maßnahmen und Strategien erforderlich sind, um die Klimaschutzziele in Deutschland zu erreichen. Das Basisszenario berücksichtigt lediglich aktuelle Maßnahmen der derzeitigen Klimaschutzpolitik. Zwei Zielszenarien setzen eine Minderung der Treibhausgase um 80 bzw. 95 % bis 2050 voraus und erörtern die dazu nötigen Maßnahmen und Strategien. Der Anteil Erneuerbarer Energien müsse bis 2050 auf rund 95 % steigen. Da das Reduktionspotential in einigen Sektoren wie der Landwirtschaft geringer sei als in anderen, müssten insbesondere im Bereich der Stromerzeugung große Fortschritte erzielt werden. Der Fokus verkehrspolitischer Maßnahmen müsse bis 2030 auf der Förderung effizienterer Verkehrsträger sowie auf einer Effizienzsteigerung bei Pkw und Lkw liegen. Ab 2030 soll zusätzlich ein breiter Einsatz strombasierter Kraftstoffe erfolgen. Öko-Institut et al. (2013): Politikszenarien für den Klimaschutz VI Die im Auftrag des Umweltbundesamts (UBA) erstellte Studie analysiert mittels eines Szenarienvergleichs die mögliche Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Dabei werden im Aktuelle-Politik-Szenario die Wirkungen bestehender Maßnahmen und Instrumente quantifiziert, während im Energiewendeszenario darüber hinausgehende Maßnahmen analysiert werden. Bis zum Jahr 2030 wird im Aktuelle-Politik-Szenario eine Emissionsminderung um etwa 44 % gegenüber 1990 erreicht. Bei Umsetzung der zusätzlichen Maßnahmen im Energiewendeszenario rechnen die Autoren mit einer Reduktion der Emissionen um 59 % bis 2030. Im Verkehrssektor könne zwischen 2005 und 2030 eine Treibhausgasminderung um 36 % erreicht werden durch Effizienzsteigerungen, Verlagerungseffekte und den Einsatz alternativer Antriebe. Umweltbundesamt (2016a): UBA-Emissionsdaten für 2015 zeigen Notwendigkeit für konsequente Umsetzung des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020. Presseinfo Nr. 09 vom 17.03.2016 Umweltbundesamt (2016b): Bundesverkehrswegeplan besteht eigene Umweltprüfung nicht. Presseinfo Nr. 18 vom 25.04.2016 Umweltbundesamt (2014): Treibhausgasneutrales Deutschland im Jahr 2050 Ziel der Studie „Treibhausgasneutrales Deutschland“ ist es, eine technisch machbare Möglichkeit aufzuzeigen, wie die Klimaemissionen in Deutschland bis 2050 um 95 % reduziert werden können. Wesentliche Elemente dafür seien eine Stromversorgung aus 100 % Erneuerbaren Energien und die weitgehende Ausschöpfung von Effizienzpotenzialen. Als Maßnahmen zur Erreichung des Klimaschutzziels im Verkehr sehen die Autoren insbesondere ökonomische und ordnungsrechtliche Instrumente wie eine höhere Kraftstoffsteuer, die Ausweitung der Lkw-Maut, einen Abbau der Subventionen im Luftverkehr, verschärfte Grenzwerte und die Einrichtung von Umweltzonen vor. Aber auch eine Verkehrsverlagerung auf Fuß, Rad und Schiene sei zwingend erforderlich. www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 15 Forschungsradar Energiewende Metaanalyse: Instrumente für die Energiewende im Verkehr Wuppertal Institut/Ecofys (2016): Wirkungsanalyse bestehender Klimaschutzmaßnahmen und -programme sowie Identifizierung möglicher weiterer Maßnahmen eines Energie- und Klimaschutzprogramms der Bundesregierung Im Auftrag des Umweltbundesamts evaluiert die Studie die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland vor dem Hintergrund der angestrebten Reduktion der Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 % bis 2050. Es wird herausgestellt, inwiefern die betrachteten Maßnahmen ihren Beitrag zur Zielerreichung leisten und Verbesserungen und Ergänzungen vorgeschlagen. Für den Verkehrssektor stellen die Autoren fest, dass viele Instrumente zu schwach seien, um Veränderungen herbeizuführen. Darüber hinaus reichten technikseitige Maßnahmen nicht aus, um bedeutende CO2-Reduktionen zu erzielen, sondern es müssten verstärkt Instrumente zur Verkehrsvermeidung und -verlagerung eingesetzt werden. WWF/Prognos/Öko-Institut (2009): Modell Deutschland. Klimaschutz 2050 Die Studie im Auftrag des WWF Deutschland präsentiert einen durchgerechneten Politikentwurf für den Wandel zu einer klimaverträglichen Wirtschaftsweise in Deutschland. Durch den Vergleich eines Referenzszenarios mit ambitionierter Fortsetzung der derzeitigen Klimaschutzpolitik und eines Innovationsszenarios, das sich konsequent am Ziel einer Treibhausgasreduktion um 95 % bis 2050 orientiert, wird ein enormer Handlungsbedarf aufgezeigt. Die Autoren stellen die Eckpunkte eines umfassenden Maßnahmenpakets vor, mit dessen Hilfe die gesteckten Ziele erreicht werden sollen. Im Verkehrsbereich sind erhebliche Verkehrsverlagerungen, Effizienzverbesserungen sowie die Umstellung auf Elektromobilität und der Einsatz von Biokraftstoffen vorgesehen. Insgesamt werden die THG-Emissionen aus dem Verkehrssektor im dargestellten Innovationszenario bis 2050 um 83 % gegenüber dem Jahr 2005 gesenkt. WWF et al. (2014): Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland. Weichenstellungen bis 2050 Das durch das UBA geförderte Verbändekonzept zeigt einen Weg auf, wie sich der Treibhausgasausstoß im deutschen Verkehrssektor bis 2050 um 95 % reduzieren ließe. Die Kernaussage lautet, dass neben technischen Maßnahmen zur Verringerung des Energiebedarfs vor allem Maßnahmen zur Verkehrsvermeidung und -verlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel ergriffen werden müssten. Für eine fast vollständige Minderung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor müssten neben Strom aus Erneuerbaren Energien auch Gas- und Flüssigkraftstoffe auf regenerativer Basis eingesetzt werden. Allerdings sei noch ungewiss, ob und wie diese unter anspruchsvollen Nachhaltigkeitsanforderungen verfügbar gemacht werden können. Bearbeiter: Matthias Runkel (Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft) / Alexander Mahler (Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft) / Claudia Kunz (Agentur für Erneuerbare Energien) Weitere Informationen und www.forschungsradar.de. Grafiken finden Sie im Forschungsradar Energiewende: Kontakt: Agentur für Erneuerbare Energien e.V. Claudia Kunz Projektleiterin Forschungsradar Energiewende Tel: 030-200535-43 E-Mail: [email protected] www.unendlich-viel-energie.de www.forschungsradar.de Juli 2016 | Seite 16
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