Vereins für Volkskunde.

des
Vereins für Volkskunde.
Begründet von Karl Weinhold.
Unter Mitwirkung von J o h a n n e s B o l t e
herausgegeben
von
Fritz Boehm.
BERLIN.
B E H R E N D & C °.
1913.
Die Zeitschrift erscheint 4 m al jäh rlich .
Inhalt
Seite
F eu er und L icht im Judentum e. Yon B erthold K o h lb a c h
Zur Sym bolik der F arben, II. Yon Hans B e r k u s k y
Spechtnam en. Yon R ichard R i e g l e r ............................................
Volksglauben und Volksm einungen aus Schlesw ig-H olstein, II
(5. Schwangerschaft, G eburt, Taufe, K indheit. 6. B rautstand
und Hochzeit. 7. K rankheit). Von H einrich C a r s t e n s f
225—249
250—265
265—277
277—283
Kleine M itteilungen:
Hexen- und Zauberglaubc der Gegenwart. Von II. B ä c h t o l d . S. 283. — Durch­
ziehkur in W inkel am Rhein (mit drei Abbildungen). Von P. B a r t e l s . S. 288. — Braun­
schw eigische Volksreim e Nr. 1— 7.'). Von 0 . S c h ü t t e . S. 293. — Bastlösereim e aus dem
Harzgau. Von R. B lo c k . S. 298. — »Karl und E legast“ in Pommern. Von W. B e n a r y .
8. 299. — N achträge zur Sage vom Schuss auf den lieben Gott. Von J. J. S t r a u s s .
S. 302. — Aus dem Volksglauben der Ladiner. Von R. L o e w e . S. 303. — R eligions­
wissenschaftliche V ereinigung in Berlin. Von F. B. S. 301.
B erichte und Bücheranzeigen:
Neuere Arbeiten zur slawischen Volkskunde. 2. Südslawisch (G. Polivka) S. 305. —
V. G r u n b e c h , Vor Folkeset i Oldtiden 2 —4 (A. Heusler) S. 327. — F. K o n d z i e l l a ,
Volkstüm liche Sitten und Bräuche im mhd. Volksepos (H. Lohre) S. 328. — E. F r i e d l i , Bärndütsch 3: G uggisberg (0 . Ebermann) S. 330. — L. S ü t t e r l i n , Werden und W esen der
Sprache (II. Michel) S. 331.
Notizen:
Abels, Bahlmann, Brietzm ann, de Cock, Edda, K eller, Könnecke, Norlind, Ober­
holzer, Otto, Strassburger, Ühlm ann-Bixterheide, Werner, Zapf S. 332—336.
Abgeordnetenversam mlung des Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde und
P h ilologentag in Marburg a. d. Lahn S. 336.
D er N a c h d r u c k der Aufsätze und M itteilungen ist n u r n a c h A n ­
f r a g e b e im H e r a u s g e b e r gestattet.
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anderen B ankinstitut erfolgen; dagegen erfordert Zahlung durch P o st­
scheck 25 Pf., durch Postanw eisung 5 Pf. Z u s c h l a g s e i t e n s d e s
Z a h le n d e n . Nach jenem Z eitpunkte w erden wir uns erlauben, den
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g l i e d e r durch die Post oder P aketfahrtgesellschaft einzuziehen.
D e r V o r s ta n d .
B e i t r ä g e f ü r d ie Z e i t s c h r i f t , bei denen um deutliche Schrift auf
Q uartblättern m it R and gebeten w ird, M i tte il u n g e n im I n t e r e s s e d e s
V e r e i n s , K r e u z b a n d s e n d u n g e n beliebe man an den H erausgeber
O berlehrer Dr. F ritz B o e h m , B erlin-P ankow , P a rk str. 12d, zu richten.
(Fortsetzung auf S. 3 des Um schlags.)
Feuer und Licht im Judentume.
Y on
ßerthold Kohlbach.
Es gibt in Ü berlieferung und Brauch des Judentum es kein Elem ent,
dem eine grössere R olle zufiele, als dem F eu er und dem Lichte. Im
F am ilienkreise wie in den B ethäusern, in F reud und Leid flackern die
Lichter, und trotzdem hat das Judentum keine Prom etheussage, enthält
der Schöpfungsmythus keine Feuerlegende. V ielleicht liegt der Grund
darin, dass die Schilderung des wonnevollen G artens Eden in der Genesis
das w ärm ende F eu er entbehren konnte. E rst als der Mensch das Paradies
verlassen muss, um im Schweisse seines Angesichtes sein Brot zu ver­
dienen, v ersp errt ihm den W eg zum Baum e des Lebens das F la m m e n ­
s c h w e r t , d. h. der zündende Blitz oder die sengende F euersäule. E rst
ein später E n k el findet im F eu er seinen H elfer: T ubal-K ain schm iedet
m it seiner H ilfe das Erz (Gen. 4, 22). E rst Jahrtausende später ver­
ewigt die T radition in einer Zerem onie in der sogenannten H a b d ä l a
die E rin n eru n g an die Schöpfung des F euers. Anders verhält es sich
m it dem L i c h t e .
‘Und die E rde war wüst und leer, und F insternis
lagerte ü b er dem Chaos; und der Geist Gottes schwebte über den W assern’,
und die erste Schöpfung dieses Geistes war das L icht (Gen. 1, 2f.).
Das F eu er schwand schon in der U rzeit des Judentum s, der H ebräerzeit,
aus dem Mythus und dem K ulte; bloss verstreut finden wir Spuren davon,
dass es einen B estandteil des Mythus gebildet hatte; die B ibel selbst
nim m t entschieden gegen die V erehrung der F euergötter Kemosch und
Moloch Stellung, wenn auch hin und w ieder in Jahves Spuren die F e u e r­
flamme ein h ertritt. Das L icht ist im m er segenspendend, m ehrt in Zeiten
der F reu d e die Lust, verscheucht in Stunden der T rau er das trostlose
D unkel m it seinen Spuk- und Schreckgestalten.
I. Die Schöpfung des Feuers.
In der ältesten U rkunde des Judentum s kann von der H e r­
stellung des F euers keine R ede sein, wenn auch die Etym ologie
des W ortes ‘esch’ auf die Gewinnung des F euers durch Bohren hinZeitschr. d. V ereins f. V olkskun de. 1913. H eft 3.
15
•226
Kohlbach:
w e ist1). D ie Verfasser und R edaktoren der einzelnen biblischen B ücher
leben doch un ter dem Einflüsse der vorgeschrittenen K ultur Ägyptens,
Assyrien-Babyloniens, P ersiens und H ellas. Eines jedoch ist auffallend,
dass Leviticus über die B ereitung des heiligen F euers nichts enthält, wo
doch selbst des kleinsten Nagels im Stiftszelte E rw ähnung getan wird.
Von einem h e i l i g e n , d. h. von einem auf uralte W eise gewonnenen
F e u e r w e is s d ie S c h r i f t . D er H ohepriester Aaron b ereitet das W eihe­
opfer und ordnet es auf dem A ltäre nach Mosis V orschrift. ‘Und Aaron
erhob beide H ände gegen das Volk und segnete es; dann stieg er h in ­
unter, nachdem er die verschiedenen Opfer angerichtet hatte. Mose und
Aaron gingen hernach ins Stiftszelt, kam en w ieder heraus, segneten das
Volk, und Gottes H e rrlich k eit erschien vor dem ganzen Volke. Und F euer
stieg nieder von G ott und verzehrte auf dem A ltäre das Opfer und die
F ettstü ck e. Als das Volk dies gesehen hatte, frohlockte es und fiel aufs
Angesicht. Doch da nahm en die Söhne Aarons, Nädab und Abihü, ihre
Pfannen, gaben F eu er hinein und streuten darauf W eihrauch und trugen
vor G ott (frem des) p r o f a n e s F e u e r , d a s n i c h t n a c h V o r s c h r i f t
b e r e i t e t w o r d e n w a r (ascher lo ziwwäh ötäm). Und ein F e u e r fiel
von Gott und schlug sie, dass sie sofort vor Gott starben’ (Lev. 9,
22—10, 2). E in h e i l i g e s F eu er brannte auch auf dem A ltäre zu Je ru ­
salem (2. M akk. 1, 19).
D ie S c h ö p f u n g d e s F e u e r s , von der die Schrift schweigt, bildet
ein Them a in der T radition, denn das Judentum fühlte den Mangel der
F euersage, die sich so herrlich bei den A riern und zumal bei den P ärsis
entw ickelt hatte. W ie kam nun der Mensch in den Besitz des Feuers?
Zehn D inge schuf G ott unm ittelbar vor Sabbatbeginn, und unter diesen
D ingen w ird auch das F eu er aufgezählt. Doch zur A usführung gelangte
die Absicht erst am Ausgange des Sabbats: Gott gab dem Menschen
E insicht; er nahm zwei K iesel auf, rieb sie aneinander, und es löste sich
ein F u n k e los (Pesächim 54). Nach dem M idrasch (Exodus rabba § 15)
ging der W eltschöpfung die Schaffung dreier D inge: des W assers, des
W indes und des F e u e r s voraus. D er Midrasch b earbeitet diese Be­
m erkung, und wir bekom m en eine j ü d i s c h e F e u e r l e g e n d e . D er Jude
gewann w ieder Sinn für die N atur und ihre E rscheinungen, und schon der
M idrasch w iderlegt Troels L und: „W as endlich zugleich eine S tarke und
eine Schwäche der Ju d en ausm achte, das war die U nabhängigkeit des Volkes
1) V ielleicht hat der Urhebräer im Feuerbohren etwas dem Coitus Entsprechendes
gesehen, wie der R igveda 3, 29, 3; s. A. Kuhn, D ie Herabkunft des Feuers (Berlin 1859)
S. 44 und 104ff., die Araber, s. F. Nork, Etym ol. Real-W örterbuch (Stuttgart 1843) 2, 47;
v gl. auch das griech. eayaQa bei Aristophanes Equ. v. 1286 = pudendum muliebre.
ist nicht ‘sich gesellen ’ = assuescere, sondern = coire und
=
das Bohrbrett eoxäga,
der Bohrer (xQvnavov), das Feuer selbst Sogar dafür, dass man
den Bohrer m it einer Sehne gew irbelt hat, finden wir eine Andeutung in dem Verb FH2£,
nach G esenius urspr. ‘winden’, als
‘brennen’, z. B. Ezech. 21, 3.
Feuer und Licht im Judentume.
227
von N atureindrücken. In früher Jugend m it d er W urzel herausgerissen
und dann u n ter allen möglichen N aturverhältnissen herumgestossen, vom
E uphrat bis zum Nil und wieder zurück, hatte das Yolk die unm ittelbare
E inheit m it der bestim m ten natürlichen U m gebung, welche zugleich
fördernd und hem m end w irkt, verloren.“ (H im m elsbild und W elt­
anschauung im W andel der Z eiten 4, L eipzig 1913 S. 74.)
‘R a b b i L e v i tradiert im N am en r. S e ira ’s: S e c h su n d d r e iss ig Stu n d en w a ltete
d ie S o n n e ih r es A m te s; z w ö lf Stu n d en am F reitag, z w ö lf Stu n d en F reitag n achts
und z w ö lf S tu n d en am Sab bat.
S ob ald d ie S o n n e am Sab bat u n tergin g, trat
F in ste rn is ein . D a fü rch tete sic h d er M en sch . . . .
W a s tat der A llm ä ch tig e ?
Er le g te ih m z w e i S tein k lu m p en (r eä fim ) in den W e g , d ie sc h lu g d er M en sch
an ein an d er, und e s e n tsp ran g der F u n k e. D e r M en sch sp rach ein D a n k g e b e t, w ie
w irs le s e n (P s. 130, 11): „N ach ts en tstan d e in L eu ch ten um m ich h e r .“
W ie
lau tete d as D a n k g e b e t? (G ep riesen s e is t du E w ig e r, u n se r G ott, K ö n ig der W e lt),
„der du d en L ich tq u ell
d e s F e u er s g e sc h a ffen h a st.“
Und
d ies
en tsp rich t v o ll­
k o m m en d em A u ssp ru ch e R . S a m u els, d e m g e m ä ss am Sab b atab en d b e im A n b lick
d e s L ich ts darum ein S e g e n ssp r u c h g e s a g t w ird , w e il am S ab b atab en d d ie
S ch öp fu n g d e s F eu er s vor sic h g e g a n g e n ist (G e n e s is rabba § 11 und P e sä c h im 53 b). — ‘D ie R a b b in e n k e n n en d ie T rad ition , n ach w e lc h e r G ott am
S ab b atab en d e A dam d e s b e g lü c k e n d en L ic h te s beraubt und ihn aus d em E d en
R . L e v i tradiert im N am en r. Se'ira’s : S e c h su n d d r e issig
vertrieb en h a b e ...............
S tu nd en w a lte te d ie S on n e ih r es A m t e s ............... S ob ald A dam der S ü n d e ver­
fa lle n , w o llte G ott sofort das L ich t ve rste c k e n , d och er nah m R ü c k sic h t a u f den
Sab bat, w ie g e sc h r ie b e n steh t: „und G ott se g n e te den sie b e n te n T a g “ (G en . 2, 3).
U n d w o m it se g n e te er ih n ? M it L i c h t . B ald n ach S on n en u n tergan g, am F reitag­
nach m ittag,
b eg a n n
je n e s
L eu ch ten .
Da
w u rd e
G ott g e p r ie se n ,
w ie
un s
d ie
S ch rift m e ld et: „ W o sic h au ch der H im m el w ölb t, verk ü n d et m an d e in e H errlich ­
k eit,
sein G lan z verb reitet
sic h
b is
zu der E rde E n d e n “ (H io b 37, 3 ).
W arum
b ed ien t sic h der V e r fa s se r d e s A u sd ru ck es: „S ein G lanz v e rb re ite t sic h bis zu
der E rde E n d e n ? “ W e il in W ir k lic h k e it d ie s e s U rlich t den ga n zen T a g u n d d ie
g a n z e N a ch t h in durch g e stra h lt hatte. S o b a ld d ie S on n e am S ab b atab en d e u n ter­
g e g a n g e n w ar, trat tie fe D u n k e lh e it ein . ln d em M om en te ersch rak A d am ; v ie l­
le ic h t e rfü llt sic h je tz t an ihm d er F lu ch , d a ss d ie S c h la n g e ihn b e is s e (G en . 3, l o ) ,
u n d er sc h r ie auf: „A ch, e s erdrü ck t m ich der D ra ch e der F in s te r n is ! “ (P s . 139, 11).
W a s tat nun der A llm ä c h tig e ? E r le g te ihm z w ei S tein k lu m p en in d en W e g , die
sc h lu g der M en sch an ein an d er, e s en tsp ran g der F u n k e, und A d am r ie f freu d ig
au s: „ N a ch ts en tstan d ein L eu ch ten um m ich h e r .“ ............... U n d d ie s entsp rich t
d em A u ssp ru ch e R . Ism a e ls (1. S a m u e ls), d em g e m ä ss am S ab b atab en d e beim
A n b lick d e s L ic h te s darum ein S e g e n ssp r u c h g e s a g t w ird, w e il am Sab b atab en d e
d ie S ch ö p fu n g d e s F e u e r s vor sich g e g a n g e n is t’ (G e n e s is rabba § 12 [v g l. J o se f
bin G orion, D ie S agen d er Ju d en 1, 108 f. 1913]).
Die grosse Bedeutung des F euers gibt sich auch darin kund, dass
noch heute in den m eisten jüdischen H äusern den symbolischen Übergang
aus der Sabbatruhe zur Arbeitswoche ein Segensspruch über die Licht­
erscheinungen des F euers (m eöre ha-esch) bildet, weil nach der talm udischen
Legende am Sabbatabende zum Tröste des aus dem Eden vertriebenen, im
F instern sich fürchtenden Menschen Gott das F euer geschaffen hatte.
15*
228
Kohlbach:
A uf den Einw and, dass auch andere D inge an einzelnen Schöpfungs­
tagen entstanden seien und doch im Zerem oniell nicht Vorkommen, an t­
w ortet der scharfsinnige Salomo ben A braham A dreth (13. Jah rh .), dass
es m it dem F eu er eine ganz andere B ewandtnis habe; denn da der Jude
am S abbat kein F eu er m achen darf, gilt der Sabbatabend in bezug auf
das F eu er für ihn, als wenn es eine Neuschöpfung wäre (T ur Orachchajjim § 28). D erselbe (a. a. O.) verm ittelt uns auch die E rinnerung
an eine der ältesten B ereitungsform en des Feuers, näm lich durch R eiben
und Schlagen. ‘U ber F euer, welches aus Holz oder Stein entspringt, darf
am Sabbatabende die B enediktion gesprochen w erden, am Ausgange des
Versöhnungstages aber nicht, denn — wie D avid H allevi bem erkt — das
F eu er w urde am Sabbatabende erschaffen, indem Adam zwei Steine an­
einander schlug; dies bezieht sich jedoch nicht auf den V ersöhnungstag.’
Im R itus des H eiligtum es spricht für die ausserordentliche W ichtig­
k eit des F euers die Bestim m ung: ‘Und auf dem A ltäre brenne ein F euer,
es erlösche nicht! An jedem Morgen entzünde der P rie ste r Holz . . . .
E in ewig F eu er brenne auf dem A ltäre; es erlösche n ic h t!’ (Lev. 6, 5 f.).
II. Feuer und Licht im Mythus.
A uf den ersten Blick w irkt es befrem dend, dass in der m ehrere J a h r­
hunderte um fassenden H eiligen Schrift so selten das F e u e r eine mythologische
R olle spielt. Zuweilen handelt es sich um die einfache N aturerscheinung
als B egleiterin der göttlichen Strafe, wie im F alle Sodoms und Gom orrhas
(Gen. 10), oder als schwere H eim suchung zur E rprobung des F rom m en,
wie bei Hiob (1, 16). D en Glanz der Offenbarung erhöht das F eu er,
dieselbe A nschauung k eh rt bei Jesaja (6, 4) und etwas kom plizierter bei
E zechiel wieder. Als T radition mochten ja F euersagen von Mund zu
Mund gew andert sein, aber der Jahvism us m achte die beredten L ippen
verstum m en, der M ärchenerzähler verschwand von der Strassenecke, die
R edaktoren der Schrift verw arfen die heidnischen Mythen, und vor ihrem
strengen G ericht fanden bloss jen e spärlichen R este Gnade, die Jahves
Grösse nicht nur nicht beeinträchtigten, sondern eher hoben.
G egenüber dieser starren Auffassung w agte sich selbst die Agada
nicht an die sagenbildende Ausschm ückung von F eu er und Licht. In
den m eisten F ällen enthält sie zu den B ibelstellen gar keine B em erkung;
natürlich w irkt hier auch die P olem ik gegen den Parsism us mit, der oft
genug selbst auf das noch biblische Judentum von Einfluss gewesen war.
E ine einzige Ausnahm e k en n t der M idrasch: Abraham ist der T radition
so sym pathisch, dass sie in seinem Leben einen solchen Vorgang sich
abspielen lässt, wie uns das Buch D aniel ihn von Chananja, Mischael und
A sarja m itteilt.
Zum Opfer Abels lieferten die Analogie die Opfer
Aarons, Gideons, Salomos und des P ropheten Elias.
Feuer und Licht im Judentume.
229
1. G o tt a ls F e u e r o d e r in d e s s e n B e g le i t u n g .
A b r a h a m s O p fe r. A braham erhielt das Versprechen, dass Kanaan
ihm gehören solle. Als er ein Zeichen hierfür erbeten und Gottes Befehle
gem äss verschiedene T ieropfer dargebracht hatte, befiel ihn ein tiefer
Schlaf. Und er hörte eine Stimme, die ihm verhiess, seine Nachkom men
w ürden in einem frem den Lande Sklaven sein, im vierten Geschlechte
ab er reich und verm ögend zurückkehren. ‘Als es nun tiefdunkel ge­
worden war, siehe, e in r a u c h e n d e r O fe n u n d F e u e r f l a m m e n ,
w e lc h e e i n h e r g i n g e n z w is c h e n d e n O p f e r s t ü c k e n .
An jenem
T age knüpfte Gott m it Abraham einen Bund, sprechend: D einen Nach­
kom m en gebe ich dieses Land vom Strome Ägyptens bis zum grossen
Strome, dem E u p hrat . . .’ (Gen. 15, 7f.). — B ekannter ist die E r­
scheinung Gottes im f l a c k e r n d e n D o r n b ü s c h e vor M o se (Ex. 3, 1—3)
und als F e u e r s ä u l e , welche dem befreiten Israel den D ekalog gab:
‘Und den B erg Sinai bedeckte vollkomm en der Rauch, denn in einer
F euersäule war G ott auf ihn herniedergestiegen’ . . . (Ex. 19, 16— 18),
und die auf der W anderung nachts das Volk begleitete (Ex. 13, 21).
D er Jahvism us siegt. Gott ist nicht m ehr das F eu er; dieses ist selbst
sein V ertreter nicht, bloss sein W erkzeug, doch ist dessen R olle noch
im m er eine mythologische. G ott benutzt das F euer, um seine From m en
auszuzeichnen, sie zu rechtfertigen, ihre T reue zu belohnen. Das erste
B eispiel dafür ist das Opfer Aarons (Ex. 40, 3 4 f.), dem entsprechend A b e ls
O p f e r , welches der M idrasch ein wenig ausschm ückt: ‘A uf dem A ltäre
Abels lohte das F eu er zur lichten Flam m e empor, Kains A ltar stürzte
der Sturm um , und die dargebrachten F rüchte fielen zur E rd e.’ Die
Schrift selbst erzählt nur: ‘Gott wendete sich zu Abel und seinem
G eschenke, zu K ain und seinem G eschenke wendete er sich nicht’
(Gen. 4, 4f.). W ie sich der Verfasser das Zuwenden vorgestellt hat,
wissen wir nicht. Vielleicht dachte er sich das F euer anthropom orph,
m it H änden versehen, wie man die Sonnenscheibe zur Zeit der R eligions­
reform Am enhoteps IV. auf R eliefs dargestellt hatte. D er T radition folgt
R aschi, und selbst der kritische A braham ibn E sra deutet die Stelle so:
‘F eu er fiel aus der H öhe und verzehrte Abels Opfer, dasjenige Kains nicht.’
G id e o n s O p fe r. Als in der grossen Notlage Israels Gottes Bote
dem Gideon erschienen war und ihn aufgefordert hatte, Israel aus der
Gewalt Midjans zu erretten, forderte Gideon ein Zeichen, dass Gott zu
ihm geredet. „E ntferne dich nicht von hier, bis ich hinauskom m e und
dir mein Geschenk hinausbringe, um es dir vorzulegen“, und die Antwort
lautete: „Ich bleibe, bis du zurückkom m st.“ Gideon bereitete sein Opfer
und bot es ihm dar. A uf die A ufforderung des Boten nahm Gideon das
F leisch und das ungesäuerte B rot und legte es auf den Felsen. „D er Bote
Gottes streckte den Stab m it der Spitze aus, berührte das Fleisch und das
Kohlbach:
23 0
Brot, und aus dem F elsen brach F eu er und verzehrte Fleisch und Brot, Gottes
Bote jedoch verschwand vor seinen A ugen“ (Judic. 6, 11—2 1 )x).
Auffallend ist es, dass anlässlich der Einw eihung des salomonischen
Tem pels das Buch der K önige nicht erwähnt, dass Gottes F eu er die Opfer
verzehrt hatte, was 2. Chron. 7, 1— 2 angeführt wird.
E in e Erscheinung Gottes im F eu er behandelt das 1. Buch der Könige
18, 18—39. D er P ro p h et E lia versam m elt das Volk an dem Fuss des
K arm elgebirges und spricht: „. . . Siehe! Ich allein blieb übrig unter
den P ro p h eten G ottes; die Zahl der B aalspropheten ist vierhundertundfünfzig. Man bringe vor uns zwei S tiere; sie mögen den einen wählen,
ihn zerstückeln, auf den A ltar legen, aber kein F eu er darunter geben, und
ich b ereite den zweiten Stier, lege ihn auf den Scheiterhaufen, ohne
F eu er darunter zu legen. W endet euch an eure Götter, ich wende mich
an den Ew igen, und es sei jen e G ottheit, die im F eu er sich offenbart,
der wahre G ott.“ Vergebens bem ühten sich die B aalspriester; da wandte
sich E lia an den Ew igen, und obwohl Opfer und Scheiterhaufen von
W asser troff, fiel Gottes F eu er herab und verzehrte das Opfer, den
Scheiterhaufen, den Staub und sog das im G raben befindliche W asser auf.
Im 2. Buche der M akkabäer 1, 19—23; 31 —36 wird berichtet, dass
fromme Exulanten auf dem W ege nach P ersien einige glim m ende Kohlen
vom heiligen F eu er in Jerusalem m itgenom m en und unterw egs in einer
leeren Zisterne verborgen hatten. Als nun der P erserkönig unter L eitung
Nehem ias Ju den nach Jerusalem heim kehren liess, schickte Nehem ia
N achkom m en je n e r P rie ste r aus, das F eu er zu suchen. Als sie aber an
Stelle des F eu ers eine dichte F lüssigkeit fanden, hiess sie Nehemia daraus
schöpfen und dam it das Opfer und den A ltar begiessen. Nachdem dies
geschehen und eine kleine W eile verstrichen war, brach ein so grosses
F e u e r aus, als die Sonne aus dem N ebel hervorbrach, dass alles ringsum
erstaunt w a r ............. D er König liess nach gründlicher U ntersuchung den
P latz um zäunen und dort einen Tem pel errichten.
Ü ber das H erabkom m en des F euers vom H im m el berichtet auch der
Talm ud (Chagiga 14 b) im Anschlüsse an R. Jochanan ben Sakkai.
‘E in st ritt R . Joch an an ben S ak k ai a u f e in e m E se l
(a u s J e ru sa lem ),
und e s
fo lg te ih m se in S c h ü le r E la sa r b en A roch um d ie L eh ren d e s M eiste rs g e n ie s s e n
zu k ö n n en . E r w ü n sch te , d a ss ih m der M eister ü b er R ap. 1 in E z e c h ie l (m ä a sz e
m erk äb ä: G ott und d ie H im m e lsg e s c h ö p fe ) A u fsc h lu s s e rte ile . A ls d ie s der R a b b i
m it R ü c k s ic h t a u f d ie E rh a b en h eit d e s G eg e n sta n d e s ab leh n t, ersu ch t ihn der
S c h ü ler , er m ö g e ih m erlau b en das zu w ie d e r h o le n , w a s er v o m M eister früher
g eh ö rt hatte.
„S p rich ,“
sa g te der M eister,
s tie g v om E se l,
v e rh ü llte
das
H aupt
1)
Auf die A nalogie zwischen dieser Stelle und Mosis Sendung (Ex. 3 ,7 bis 4 ,5 )
verw eist D. H. Müller in seinen Ezechiel-Studien (W ien 1894) S. 31 f. N ach ihm ent­
spricht dem m atteh (Stab) bei Mose hier m isch‘enet; ich halte hier für das W ichtigste
die Spitze des Stabes und den Felsen. Die M etallspitze entschlug dem F elsen Funken,
und so entstand das Feuer.
Feuer und Licht im Judentume.
231
und se tz te sic h a u f e in en S tein u n ter ein er O live. D a fragte ihn d er S ch ü ler:
„ R ab b i, w arum stie g s t du vom E s e l ? “ D er M eister an tw ortete: „ V ie lle ic h t sp ric h st
du au ch üb er m erkäbä,
d ie d ien sttu en d en E n g e l
und b e h a n d e lte w irk lich
H im m el un d v e rg o ld e te
u n d da g e s e llt sic h u n s d ie G lorie, und m it u n s w erd en
se in , u n d ich so ll r e it e n ? “ D a hob E lasar ben A roch an
das T h e m a : M äasze m erkäbä. U n d sie h e , F eu er fiel vom
m it se in e m G lan ze a lle B äu m e rin gsu m , d ie B äu m e b e ­
g an n en H ym n en zu sin g e n . . . .; und im F eu er lie s s sich ein E n g e l v e rn eh m en
un d r ie f au s: „D a s is t d ie M y stik der m e r k ä b ä !“ V o n d ie se m w u n d erb aren B e ­
g e b n is s e R . J och an an ben S ak k ais hörte R a b b i Jo su a .
An e in em h e isse n T a m m u s-
(J u li)ta g e e rg in g sic h R . J o su a m it dem P riester R . J o s e im F re ie n .
U n terw eg s
b esp rach en s ie a u ch das T h e m a m erk äbä; d och kau m b egan n R . J o su a darüber
zu sp rech en , b e w ö lk te sic h der H im m el, d ich te W o lk e n z o g en am H orizon te auf,
un d am W o lk e n h im m e l w u rd e e in e dem R e g e n b o g e n ä h n lic h e E r sc h e in u n g sichtbar.
E s v ersa m m elten sich die E n g e l; sie v ersa m m elten sic h , um auch m itan zu h ören
d ie m erk äb ä-L eh ren ,
D e r P riester R a b b i
w ie w en n M en sch en
J o se
erzäh lte
d ie s
zu ein em H o c h z e its fe s t h erb eiström en .
d em
R . J och an an ben S ak k ai,
der
nun
au srief: „ H eil eu ch , und g lü c k lic h eure E ltern . . . J “
2. F e u e r a ls S t r a f e u n d B e lo h n u n g .
Der Mensch sah im verheerenden W irk en des F euers eine Strafe
Gottes, und er erlernte dieses W irken von der N atur; die Autodafes er­
folgten genau nach den V orschriften der Bibel (Num. 31, 10: die Städte
M idjans, Deut. 7, 5: K anaans blühende O rtschaften m itsam t A ltären,
H ainen und Statuen, D eut. 9, 3: A naks Volk, Josua 6, 24: Jericho, Judic.
1, 8: Jerusalem usf.) bis auf die Neuzeit. Das erfuhren Städte, Fam ilien,
einzelne; Ju d en , H a eretik er, G elehrte und ausserdem die vielen un­
schuldigen F rauen, die auf Grund von Exodus 22, 17 als H exen verbrannt
worden sind. Die strafende Gewalt des F euers herrscht im Jenseits der
auf der Bibel fussenden R eligionen; das H ö l l e n f e u e r h arrt m it erlesenen
Qualen der Seelen der Verdam m ten; als G l o r i e n s c h e i n kränzt des
F euers Glanz die H äu p ter der From m en. Gottes Zorn als F e u e r r e g e n
erfährt in der Schrift zuallererst das blühende Städtepaar Sodom und
Gomorrha. ‘Und es stieg auf die Sonne am H orizonte, als L ot nach Zöar
gelangt war. D a sandte Gott auf Sodom und Gom orrha einen R egen
h ern ied er: Schwefel und F eu er (von Jahve) aus dem Him m el. Und es
vernichtete (das F eu er) diese Städte und ihr ganzes Gebiet, alle E in­
wohner der Stadt und den E rtrag des Bodens’ (Gen. 19, 23—25). — Als
freie Menschen gegen die V orherrschaft einer einzigen F am ilie aufgetreten
waren, öffnet sich der Boden und verschlingt Korach und die L eiter der
Bewegung; die verblendete Masse wird anders gestraft: F eu er stürzte
herab von Jahve und verzehrte die zw eihundertundfünfzig Mann, die (in
ihren P fannen) R äucherw erk dargebracht hatten (Num. 16, 15). Auch
sonst ist die Strafe der A uflehnung das F eu er (ebd. 11, 1—3).
Es ist wohl wahr, dass die Schrift auch solche F älle anführt, wo
M enschengewalt gottesfürchtige Männer zum F euertode verurteilt, doch
Kohlbach:
232
tu t ihnen das F euer, der Bote Gottes, nichts an, um lodert sie, ohne selbst
die K leider oder das H aar zu sengen.
A llbekannt ist die biblische
L egende in Dan. 3, 5—27 von Schadrach, Meschach und Abed-Nego. Ganz
analog bildete der Midrasch eine A braham legende, nach w elcher Nimrod
den ju n g en Abram in einen brennenden K alkofen werfen liess (Genesis
rab b a § 38 und 44, gekürzt Talm . E rubin 5 3 a )1). A nders stehts, wenn
ein F euerw eg ins H im m elreich führt, die Flam m e, die Botin Gottes, der
Blitz, seinen W eg zurücknim m t, vom O pferaltare aufsteigt und den m it­
entrückt, der sich dem F euer anvertraut. D ie B ibel lässt bloss einen
Menschen diesen W eg machen, den P ropheten Elia. E lijähü und Elischa
‘lustw andelten und sprachen w ährend des Spazierganges zueinander, als
plötzlich vor ihnen ein feuriger W agen und feurige Rosse auftauchten, sie
voneinander trennten und E lijähü im Sturm e in den H im m el aufstieg’
(2. Reg. 2, l l ) 2). D ie zweite Stelle der Schrift lässt nicht m ehr einen
Menschen, sondern einen E ngel in F lam m en zum H im m el aufsteigen:
dir
‘M anoach sp rach zum B o ten G o ttes: „L aes
ein k le in e s B ö c k le in v o r se tz e n .“
Jahves
„W enn
ic h
au ch
h ie r
v e r w e ile ,
nehm e
w ills t du e s J a h v e a ls O pfer darbringen,
e s n ä m lich nich t,
ich
d ich d och a u fh a lten , w ir w o llen
B o te an tw ortete d em M anoach:
n ic h t
te il an d e in e m M ahle,
m a g st du e s tu n .“
d a ss je n e r ein B ote J a h v e s w äre.
—
—
doch
M anoach w u sste
U n d M anoach sa g te dem
B oten J a h v e s: „ W ie h e is s t d u ? W en n sic h n ä m lich erfü llt, w as du v e rh e isse n ,
w o lle n w ir d ich p r e is e n .“ H ie r a u f sa g te der B o te J a h v e s: „W aru m fragst du
nach m e in em N a m en , der doch so son d erb ar k lin g t? “ — M anoach nahm das
B ö ck lein un d d ie un b lu tigen O p ferstü ck e und le g te s ie a u f e in en F e lse n für J a h v e
hin , der im A n g e sic h te M an öach s und s e in e s W e ib e s W u n d e r g e w ir k t hat. A ls
n ä m lich d ie F la m m e vom A ltar g en H im m e l a u fstie g , s tie g au ch J a h v e s B o te in
d er F la m m e d e s A ltars em p or . . .
.’
(J u d ic. 13, 15 —20).
D ie grösste R olle spielt F eu er und L icht im G lauben des Judentum s
ü b er das Jenseits. Das Strafm ittel ist das H ö l l e n f e u e r , w orüber hier
w eiter nicht gesprochen werden soll. Es genügt darauf hinzuweisen, dass
in Adolf Jellin eks Sam m lung K leinerer Midraschim eine A bhandlung
über die H ölle (Ge-hinnöm ) in vier K apiteln aufgenom m en ist; es ist eine
erw eiterte, ausgeschm ückte Erzählung der W anderung R. Josua ben Levis
in H ölle und Eden, von der der babylonische Talm ud (K etübot 77 b
und Sanhedrin 98a) berichtet. D er O rt jenseitiger F reuden ist das Eden
oder P a r a d i e s , das in der Auffassung der Juden über das L eben im
1) D ieses Wandeln durch Feuer lebt bei vielen Völkern, vgl. V ergils Aen. 11,.785
bis 788; W. W ächter, Das Feuer (Wien u. L eipzig 1904) S. 94 —102; Frazer, Golden Bough
3, 3 0 7 f. und besonders Andrew Lang, M agic and R eligion (London 1901) Cap. 15. Y gl.
ferner W. Bossm ann, Gastfahrten (Leipzig 1880) S. 21 f.
2) Es ist interessant, das R. Jose (2. Jahrh. n. Chr.) höchstwahrscheinlich pole­
misierend die Himmelfahrt E lias zum T eile negiert: Mose und Elia stiegen nicht auf in
den H im m el, denn ‘der H immel ist Gottes, die Erde bloss gab er den M enschensöhnen’
(Ps. 115, 16) in S u k k a ö a . — Über das A ufsteigen m ittels des -Blitzes vgl. E. Rohde,
Psyche 1, 320 f.
Feuer und Licht im Judentume.
233
Jenseits eine wichtige R olle spielt. Auch darüber handelt ein Midrasch
in Jellin ek s Sammlung, aber ganz belanglos; er enthält nicht das M indeste
ü b er F eu er und Licht. Dem Judentum e verschaffte Eden und Hölle m it
G lorienschein und F euerqual der K abbalism us; der Glaube daran fand
auch poetische B earbeitungen, besonders durch italienisch-jüdische D ichter,
wie durch Im m anuel aus Rom und Mose da R ieti.
III. Feuer und Licht in der Theologie.
1. F e u e r g ö t t e r u n d F e u e r o p f e r .
A uf prim itiven K ulturstufen mag das F eu er noch als Lebew esen ge­
golten haben, das biblische V erbot stam m t schon aus einer viel späteren
Z eit und richtet sich gegen den F e u e r g o t t und seine Verehrung.
„ V o n d e in e n N a ch k o m m en la s s e k e in O pfer d em M oloch darbringen, a u f d ass
du ja n ic h t e n tw e ih e st d en N a m e n d e in e s G o ttes;
ic h bin J a h v e ! “
(L ev . 18, 21 ).
‘V e rk ü n d e den S ö h n e n Is r a e ls: W e r im m er auch u n ter den S öh n en Israels oder
un ter d en F re m d e n , d ie in Isr a e l sic h a u fh a lten , v on se in e n N a ch k o m m en ein en
d e m M o lo ch a ls O pfer d arbringen lä sst, so ll sterb en ! D ie B e w o h n er d e s O rtes
m ö g e n ih n ste in ig e n . Ich aber w e n d e m ich g e g e n je n e n M ann u n d rotte ihn aus
aus se in e m V o lk e , d ie w e il er d em M o lo ch von sein en N ach k o m m en ein O pfer
d arbringen lie s s , a u f d ie se "Weise m ein H eilig tu m sch ä n d en d un d m e in en g e ­
h e ilig te n N a m e n e n tw e ih e n d .
U n d so llte n d ie B e w o h n e r N a c h sic h t m it je n e m
M anne h ab en , n a ch d em er von se in e n e ig e n e n K in dern d em M oloch opfert, und
ih n n ic h t töten, dann w e n d e ich m ich g e g e n ihn un d se in e F a m ilie un d rotte aus
so w o h l ih n a ls a lle , so ih m leic h tfer tig fo lg en , in d em s ie w ie d ie B u h lerin dem
M o lo ch an h an gen (L ev . 20, 2 — 5 ).
Doch Israel wurde rückfällig:
‘D e r
K ö n ig S a lo m o
tat
B ö s e s vo r
Jahve;
er
fo lg te
dem J a h v e
n ich t
m it
so lc h g a n z e r H in g eb u n g , w ie se in V a ter D a v id . S alom o lie s s v ie lm e h r ein en
A ltar errich ten zu E hren d e s m o a b itisc h e n G ötzen K em ö sch a u f d e m B e rg e , der
in u n m ittelb arer N äh e v on J eru sa lem lie g t,
u n d d em M oloch ,
d em
sc h e u s slic h e n
G ötzen d e s V o lk e s A m m on . . . U n d a u flo d e r te der Zorn J a h v e s g e g e n S alom o,
w e il se in H erz ab trü n n ig g e w o rd en w ar von J a h v e, d em G otte Israels, ob zw ar
d ie se r ih m z w e im a l e rsch ie n e n w ar un d ihn daran g e m a h n t hatte, n ic h t zu ändern
G öttern ü b er z u g e h e n ’ (1. R e g . 11, 6 f.).
Die Strafe für den Molochdienst ist laut dem P entateuch hart. Das
Volk selbst m usste den Ü bertreter des Verbotes steinigen. Mit dem
Könige Salomo geht der V erfasser des Buches der Könige glim pflicher
um ; es durfte ja von einer gänzlichen A usrottung keine R ede sein, sie
w iderspräche der G eschichte, blieben doch Ju d a und Benjam in der
davidischen D ynastie treu.
‘J a h v e r ed ete zu S a lo m o : W e il es an dir g e le g e n w ar und du d ich d enn och
n ic h t g e h a lte n h ast an m e in en B un d un d an m ein G esetz , d ie ich dir anvertraut
h a b e, e n tr e isse ic h dir d ie H errsch aft un d g e b e sie d e in e m K n ech te. D o c h b e i
L e b z e ite n tu e ic h s dir n ic h t a u s R ü c k sic h t a u f d e in e n V a ter D a v id ; d ein em
Kohlbach:
234
S o h n e e n tr e isse ich sie . D o c h s e lb s t dann e n tr e isse ich dir n ich t d as g a n z e
R e ic h ; e in en S tam m la sse ich d e in e m S o h n e uni der V e r d ie n ste m e in e s K n e ch tes
D a v id w ille n un d J e ru sa le m s w e g e n , w e lc h e s ich lie b g e w o n n e n h a b e ’ (1. R e g .
11, 11— 13, v g l. 2 9 — 4 0 ).
Umsonst war aber jeglicher K am pf gegen die V erehrung der F e u e r­
g ötter; Kemösch und Moloch wurden verehrt; Achas führt im T ale Hinnom
seine Söhne durchs F eu er (2. Chron. 28, 3), Menasse hiDg auch jenem
K ulte an (ebd. 33, 6), bis der König Joschia den Unfug, wenn auch nicht
gänzlich, einstellte. D as im Tale Hinnöm befindliche Thofeth wird auf­
gehoben :
‘A u f d a ss k e in e r m eh r se in e n Soh n od er s e in e T o c h te r d u rch s F e u e r
a ls ein
dem M o lo ch d a rg eb ra ch tes O pfer fü h re . . . ., lie s s er auch d ie A ltäre, w e lc h e
a u sse rh a lb J e ru sa lem s rech ts v om B e r g e d e s V e r d e r b e r s 1) S alom o, Is r a e ls K ön ig,
d e m sid o n isc h e n G ötzen A störeth , dem m o a b itisc h e n G reu el K em ö sch un d dem
sc h e u s slic h e n G ötzen der A m m on iter, M ilk om , h at errich ten la sse n , der V e r ­
n ic h tu n g p r e i s g e b e n ............... ; a lle G ötzen b ild er, d ie nur im R e ic h e Ju d a und in
J e ru sa lem g e s e h e n w erd en k o n n te n , v e rn ic h te te Jöschijähü. durch F e u e r , um
G eltu n g zu v ersch a ffen den W o rten der T h ora, d ie sch riftlich n ie d e r g e le g t w aren
in j e n e m B u c h e ,
w e lc h e s der H o h e p r ie ste r C h ilk ijä h ü
in J a h v e s H au s
gefu n d en
h atte’ (2. R e g . 23 , 10. 13. 24 ).
Es ist n ur selbstverständlich, dass der P rophet Jerem ias (625—580),
der zur Zeit des Königs Joschia zehn Ja h re Gottes W ort verkündet
hatte, den F eu erk u lt verabscheut (7, 18. 31—32; 32, 35). Schon zur Zeit
H iskias käm pft Hosea (13, 2) gegen M enschenopfer; die ‘M enschenopferer’
sind w ahrscheinlich die M olochpriester, die maschchiszim (V erderber) k a te ­
xochen. Zur Zeit Jöschias lebte der P ro p h et E zechiel; auch er u n ter­
stützt die religiöse R estauration der letzten Könige in Juda, zum al die
Jöschias. In der V erirrung des M olochdienstes sieht er Gottes Strafe.
(Ezechiel 20, 24 —26. 37—38; die F eueropfer geisselt Ezechiel 23, 37— 39.)
Im H eiligtum e w ar das T i e r - F e u e r o p f e r ‘ischeh’ üblich; das Opfer
wurde ganz verbrannt. Selbst jen es Opfer, das der H ohepriester Aaron
am T age seiner E inkleidung und W eihe dargebracht hatte, war ein solches
(Ex. 29, 14). D er E xeget Nachm äni lässt uns die Ursache ahnen: ‘der
Grund des V erbrennens ist derselbe wie bei der r o t e n K u h , und den
mystischen Sinn erkennt jed er, der die B edeutung des Sündenbockes
erfasst.’ Das Opfer der r o t e n K u h (pära adumma) ist ausserordentlich
geheim nisvoll (Num. 19); die E rläuterung dieses Kultes gehört in den
1) Der M a s c h c h i s (Verderber), die Personifikation M olochs, irgend ein maskierter
Priester, besuchte der Reihe nach die Häuser Israels und übernahm die Erstgeborenen,
um sie im Tale Hinnom zu verbrennen. V gl. Ex. 12, 14. Ich erörterte dies ausführlicher
im Globus 97, 2 3 8 f.: Spuren der Tätowierung im Judentum. — Den Ausdruck, so auf­
gefasst, verstehen wir 2. Chron. 27, 2: (J o th a m )..............kam nicht in Jahves H eiligtum ,
und das Volk brachte noch immer M enschenopfer dem M oloch; vom M enschenmorden
g ilt dies Wort auch 1. Sam. 26, 15 u. 2. Sam. 1 1 ,1 ; vom Todesengel ebd. 2 4 ,1 6 .
Feuer und Licht im Judentume.
235
Kreis der L ustration und übersteigt den Rahm en dieser Abhandlung. Die
Institution des S ü n d e n b o c k e s erläuterte ich in V erbindung m it dem
T ierschutz im Judentum e (Allg. Zeitung des Judentum s 75, Nr. 50). Doch
dort war nicht von dem Symbole des F euers die R ede, indes die be­
glaubigte T radition uns m itteilt, dass man an den K opf des-Sündenbockes
ein rotes Band gebunden hat (Jöm a IV. Cap. 2 Mischna und T ractat
Jöm a 39). Auch in der Gebetsordnung (siddür) des Versöhnungstages
lesen w ir: ‘E ine rote Schnur band man an den Kopf des Sündenbockes,
Man stellte ihn so, dass er dem Ausgangstore zublickte.’ Die Tradition
deutet die B estim m ung der roten Schnur in verschiedener W eise, so z. B.
damit, dass man die beiden Sühneopfer nicht verwechsle, oder dass bloss
das eine Ende der Schnur am Kopfe des Sim denbockes befestigt gewesen
sei, das andere Ende an jen e Felszacke, von der man den Bock in die
T iefe stiess (Jöm a 66, 68 b usw.). Sehr häufig wird folgende Stelle aus
Jesaja angeführt: ‘W enn eure Sünden gleich Karm oisin sind, werden sie
weiss wie Schnee, wenn sie so rot sind wie P urpur, werden sie werden
wie die W olle’ (1, 18). Es war ein Symbol der Vergebung, dass die
rote Schnur weiss wurde, sobald der Sündenbock in den A bgrund gestürzt
war. Ich billige diese W underm är der Tradition nicht, betrachte auch
nicht dieses Gleichnis des P ropheten Jesaja als Stilblüte. Die W irklich­
keit, das R eale, bot ihm dieses G leichnis: das m it allen Flüchen beladene,
die Sünden übernehm ende Opfer wird im läuternden F eu er feuerrot,
w ährend nach dem V erbrennen auf dem Scheiterhaufen oder dem A ltäre
licht-graue (lichte = weisse) Asche zurü ck b leib t1).
D er Sündenbock vertrat den sündhaften Menschen, war also cherem d. i.
tabu, denn er übernahm ja die Sünden Israels; man tötete ihn nicht.
D en zweiten Bock opferte m an, sprengte von seinem Blute auf den
Altar, doch das Fleisch, die H aut, ja selbst den Mist verbrannte man
(Lev. 16, 27). Auch der dem Asasel verschriebene Bock verdiente den
F euertod, doch da m an dies auf Grund des R ekom pensationsprinzips
unterliess, versah man ihn wenigstens m it dem Symbol der Flam m e, dem
flammroten Bande oder der feuerroten Schnur. Von der r o t e n F a r b e
nun wissen wir, dass sie eine bedeutende Rolle sowohl als purpur- wie
auch als dunkelrot im Gewände des H ohenpriesters und in den Troddeln
und Quasten der L aien (der purpurne F aden der cicit, volksetymologisch
Schaufäden genannt) gespielt hat; finden wir sie doch auch noch heute
im R ituale der rö m .-k ath . Kirche von dem hellroten Cingulum bis zur
violetten Cappa. W eniger bekannt, doch in der Archäologie oft w ieder­
kehrend, ist die Anwendung der roten Farbe, besonders im Totenkulte.
1)
D ie Asche selbst, d. h. das Produkt des Feueropfers, sühnt, so Num. 19, 9.
Stelle des Aschgrauen tritt im Ritus der kath. Kirche das dem Granblauen verwandte
V iolett an den Sühne- und Busstagen. — Ins Gebiet der Lustration gehört die Aschc
als Zeichen der Trauer, doch ursprünglich als Entsühnungsritus nach einem Todesfälle.
An
236
Kohlbach:
Typhon wurden in Ägypten rothaarige M enschen g eo p fert1), in H ellas war
der P u rp u r die F arb e der T o te n 2); bei den R öm ern bem alte man mit
ro ter T onerde die L ippen der Toten, und im D evecserer (Ungarn, Kom.
Veszprem) R öm erfunde lag in einer der kleineren U rnen ein Stück roter
F arb e rd e; oft finden wir rotgefärbte S chädel8) usw.
D ies alles führt uns in jen e Zeit zurück, wo die Leichenverbrennung
durch die E rdbestattung noch nicht verdrängt w ar; da bestand noch die
Sym pathie der roten F arb e (d. i. der F eu erfarb e) zum Tode.
2. D ie G lo r ie u n d d e r H e i l i g e G e is t.
D ie Glorie (schechina) und der H eilige Geist (rüach haqqödesch) sind
beide sehr interessante Züge der R eligionsgeschichte, doch sollen sie hier
bloss soweit behandelt werden, als sie m it L icht und F eu er in V er­
bindung stehen. E in unerm esslich weites Forschungsgebiet der V olks­
kunde ist die Volkspsyche, die jedem A berglauben, jed er Mystik offen
steht. Dem H erzen des Juden im M ittelalter und in den der westlichen
K ultur entlegenen G ebieten steht die K abbala weit näher als der ge­
läu terte Gottesglauben. Auf welch rationeller und ethischer G rundlage
darum auch im m er der m oderne Ju d e die schechina deutet, der Menge
ist sie m it der Auffassung des C hristentum s von der him m lischen Glorie
identisch. Bloss die D arstellung ist eine andere, denn einesteils darf die
allgem eine V erkörperung der Schechina, Gott, im Bilde nicht dargestellt
w erden, andererseits bieten die w enigen B ilder Mosis in P entateuch­
ausgaben und Pesach-haggaden statt des üblichen S trahlenkranzes bloss
zwei Strahlenbüschel, die m ichelangeleske D arstellung von Ex. 34, 29
variierend; die jüdische P lebs sieht das ganze A ntlitz von der Glorie
übergossen; es spricht: cdi schichine rü t of em \ D ie traditionelle Ü ber­
setzung (m it Ausnahm e von Aquila und der V ulgata) fasst im Sinne von
G lorie den A usdruck: ki qäran ‘ör pänäw (Ex. 34, 29. 30. 35) auf.
W as ist die S c h e c h in a ?
Sie ist nach H a m b u rg er4) ‘der Aus­
d ruck für die Allgegenw art Gottes schlechthin, sowie für die gewissen
M enschen sich besonders offenbarende G ottheit oder ihnen speziell verheissene Gegenw art Gottes, auch für die durch deren W erke sichtbar
w erdende G o tte s n ä h e .................... D ie jüdischen V olkslehrer in P alästina
und in den babylonischen Städten haben nach der Zerstörung und Auf­
lösung des jüdischen Staates in ihren V orträgen, wenn es galt, das Volk
1) Paul Scholz, Götzendienst und Zauberwesen bei den alten Hebräern und den
benachbarten Völkern (Regensburg 1877) S. 190; S. Munk, Palästina (1872). — Über rot­
farbige Tieropfer vgl. Rosstnann, Gastfahrten S. 36.
2) V gl. Erwin Rohde, P syche 1, 226; 2, 340f.
3) V gl. Ethnol. Mitt. 30, 70. Rotfärbung von Knochen. [Unten S. 254f.]
4) J. Hamburger, Real-Encyclopädie des Judentums (Leipzig 1896) 2, 1080 f.
Feuer und Licht im Judentume.
237
zu trösten, m eist von Gott unter dieser Bezeichnung gesprochen; es er­
kannte in ihr den in seiner Mitte noch im m er w irkenden Gott. W ir
schliessen uns daher nicht den G elehrten an, welche die Schechina, soweit
von derselben in den Targunim , Talm uden und M idraschen gesprochen
wird, gleich dem phiionischen Logos als eine vom Gotteswesen ausgeström te zweite G ottheit, ein göttliches M ittelwesen, das den D ienst
zwischen Gott und der W elt verm ittelt, h alten.1 Es ist leicht verständ­
lich, warum H am burger sich gegen eine derartige Auffassung der
Schechina ablehnend verhält, doch kann selbst er es nicht leugnen, dass
man diese Nähe und A nw esenheit Gottes sich so vorgestellt hat, dass,
wie die Sonne m it ihren Strahlen, so die Schechina alles m it ihrem
Glanze überflutet. Als ein G egner in einem religiösen D isput G am aliel II.
m it der F rag e in die Enge treiben w ollte: „Ihr verkündet allenthalben,
dass, wo im m er auch zehn Juden sich versam m eln mögen, dort auch die
Schechina w eile; nun denn, wie viele G ötter habet ihr denn?“ antw ortete
der P atriarch : „D ie Sonne dringt überall ein und ist doch bloss eine
D ienerin Gottes, und G ott selbst sollte dazu nicht im stande sein ?“ (Sanhedrin 39a.)
Ü brigens ist auch nach dem Talm ud (Sabbat 22b) die
ewige Lam pe im Tem pel ein Zeichen dafür, dass die Schechina in
Israel weilt.
Später aber verblasst im jüdischen V olksleben der symbolische Be­
griff der Schechina. Die K abbala verleiht ihr S elbständigkeit, und in
diesem Sinne w ird sie noch heute in streng konservativen K reisen gefeiert,
wenn z. B. um M itternacht der R abbiner sein L ager verlässt, um erst
ü b er die E ntfernung der Schechina aus Israel zu wehklagen, dann w ieder
darü b er zu frohlocken, dass sie sich m it Israel vereint. In der K abbala
ist sie eine der zehn U rkräfte in Strahlenform ; die gesam ten Sefiroth
n ennt der Söhar (Glanz) U rlicht oder L ichthülle Gottes. Nach dem Sohar
em aniert aus Gott als U relem ent das Licht, das den Keim aller W elten
und W esen enthält. Es w ird auf G rund von Ps. 104, 2 auch L ichtm antel
Gottes g en an n t1). D ie Glorie wacht über dem K rankenbette (Sabbat
12 b). R abbi Jeh uda ist der Ansicht, dass m an ums tägliche B rot nicht
aram äisch b itte; nach R. Jochanan soll man deshalb nicht in aram äischer
Sprache bitten, weil die diensttuenden G eister darauf nicht hören, da sie
aram äisch nicht verstehen. Doch anders ists bei einem K ranken (den darf
m an aram äisch grüssen, z. B. rachamönö jedakrinoch lischelöm = Es ge­
denke dein G ott zum H eile!); bei dem K ranken w eilt die Schechina selbst.
R. Anan trad iert im Nam en R äbs: W ie wissen wir, dass die Schechina
den K ranken stützt? Zu diesem Glauben bevollm ächtigt uns Ps. 41, 4:
1) V gl. A. Franck, D ie Kabbala (Leipzig 1844), besonders S. 109. 113; J. Hamburger
a. a. 0 . 2 , 557— 603 und Suppl. Über den H eiligen G eist und die Glorie (rüach haqqödesch,
schechina und käböd) vgl. Ludwig Blaus (L. B.) B eiträge in The Jewish Encyclopedia
(N ew York—London 1904) s. v. H oly Spirit.
Kohlbach:
238
‘Gott ist ihm Stütze auf dem K rankenbette’. E ine ähnliche T radition ist
diese: W er K ranke besucht, setze sich nicht auf das B ett des K ranken
noch auf einen Stuhl, sondern verhülle sein H aupt und bleibe ruhig vor
dem K ranken stehen, dieweil die Schechina über dessen H aupt ist. L iegt
der K ran k e aber nicht auf einem höheren B ette, sondern anf dem Boden,
dann darf der B esucher sich auf einen Stuhl oder auf eine B ank setzen
(Schulchan-äruch, Jorea-deä § 335, 3). Yor dem Schlafengehen beruhigt
man sich bei dem G edanken, dass die Schechina über dem Schläfer
wacht: ‘Im Namen Jahves, des Gottes Israels! Zu m einer R echten steht
Michael, zu m einer L inken G abriel, vor m ir Uriel, hinter m ir R aphael
und über m einem H aupte Gottes G lorie.’
Es bleib t uns noch übrig, auf den T otenritus hinzuweisen. Eines
der eindruckvollsten G ebete am G rabe ist das m enücha n e c h o n a .............
(Vollkom m ene R u h e ............. ); es tröstet den T rauernden damit, dass der
V erklärte unter den From m en w eiterlebt, deren H äupter Kronen zieren
und die den Glanz der Schechina geniessen. (D ie Grundlage dieses
T rostes ist B erächot 17a.)
D er H eilige Geist fungiert als K ä b ö d
Traum gesichte Ezechiels (1, 26—28):
(H errlich k eit G ottes)
im
‘U n d ü b er der F lä c h e üb er ih rem H au p te le u c h te te w ie S ap h ir irgen d ein
T h r o n g e b ild e , un d a u f je n e m T h r o n g e b ild e sc h ie n s, a ls ob je m a n d d arau f sä s se .
U n d ic h sa h e tw a s d em G lan zerz (g lü h e n d em E r z e ) Ä h n lich es, w ie F e u e r u m gab s
ih n . V o n der H ü fte au fw ärts sah ich g le ic h F eu er, d e ss e n G lan z sic h rin gsu m
v erb reitete. W ie der R e g e n b o g e n , der an e in e m reg n er isch en T a g e in der W o lk e
sich tb ar w ird , so w ar d er stra h len d e S c h e in — e s w ar d ie s d ie E r sc h e in u n g der
G lorie (k äb öd ) G o ttes.’
E ben als F eu er sah der P ro p h et Ezechiel Gott, als er ihn nach
Jerusalem geführt hatte: ‘Und ich sah etwas, gleich F e u e r , von der
H üfte abw ärts F euer, von der H üfte aufwärts wie L i c h t g l a n z , eine A rt
glühendes E rz ’ (8, 2). In Cap. 9, 3 erscheint die Glorie des Gottes Israels
und sein T hron ist, als ob er aus lauter Saphirsteinen bestünde (10, 1).
— Jahves Glorie, die käböd, erhebt sich und verlässt Jerusalem (11,23)*).
D ie A nw esenheit des H eiligen Geistes als L icht erw ähnt Exodus
rab b a § 15:
‘A ls u n se re L eh rer das Jahr zum S ch altjah r d ek larieren w o llten , g in g e n zeh n
k a le n d er k u n d ig e G re ise in den H örsaal und m it ih n en der V o r sitz e n d e d e s S y n h ed rio n s.
S ie
v e r s c h lo s se n
d ie T ü ren
und
besp rach en
d ie
A n g e le g e n h e it
d ie
1)
V gl. D. H. Müller, Ezechiel-Studien (W ien 1894) S. 11— 18. Der Thron Gottes
strahlt nach D aniel (7,9) Feuer, seine Räder sind lohende Flam m en: ‘Als die Schechina
aus dem H eiligtum e auszieht, kehrt sie immer wieder zurück, umflattert es, küsst die
Mauern des Tem pels, küsst die Säulen des H eiligtum es, weint und ruft: Lebe wohl! Ich
muss von dir scheiden, mein Tempel! Von dir, meine Eesidenz!
Du m eines Glanzes
Heim! Lebe wohl für immer!’ (Einleitung zu Midrasch Echa [Threni].)
Feuer und Licht im Judentume.
g a n ze
N a ch t
hin durch.
fo lg en d e n A ntrag:
V or
„ W ir w o lle n
M itternacht
d ie s e s Jahr
un terb reiteten
239
sie
d em
a ls Schaltjahr erk lären ,
V o r sitze n d en
d. h. d ie se s
Jahr z ä h le d reizeh n M onate. S tim m e m it u n s !“ D a r a u f erw id erte der V o r sitze n d e:
,,Ic h stim m e m it eu c h darin üb erein , w a s ihr b e a b sic h tig t.“ In d em M om en te
erstrah lte im B ö r sa le e in L ich t, und es ersch ie n v o r ih n en , und sie w u ssten , d ass
G ott ih ren B e sc h lu ss g u tg e h e isse n h a b e .’
Zum Schlüsse sei m ir erlaubt zur B ekräftigung dessen, dass die
Käböd L icht ausstrahlt, den P ropheten Ezechiel anzuführen:
‘U nd er füh rte m ich zum T ore, zu je n e m T o re, das a u f den W e g g e n O sten
führt. U n d sie h e ! d ie G lo rie d e s G ottes Isra els e rsc h ie n vom W e g e g e n O sten
h er; d ie S tim m e tön te w ie d ie b ra u sen d e F lu t, und d ie E rde le u c h te te von ih rem
G la n ze. U n d d ie E rsch ein u n g war, w ie ich sie g e se h e n , a ls ich kam , J e ru sa lem s
V e rn ich tu n g zu verk ü n d en , und w ie j e n e E r sch ein u n g , w e lc h e ich am U fe r d e s
F lu s s e s K abor
g e se h e n
hatte,
und
ich
fiel
aufs
A n g esic h t.
D ie G lorie J a h v es
keh rte e in in s H eilig tu m durch je n e s T or, w e lc h e s a u f d en W e g gen O sten blick t.
M ich ab er erh ob ein W in d und brachte m ich in den in n eren H ofraum , und sie h e !
v o n J a h v e s G lorie war erfü llt das H eilig tu m ’ (4 3 , 1— 5).
3. D ie E n g e l.
D ie E ngel sind sowohl nach der Bibel wie nach den L ehren der
T radition Gottes Geschöpfe und als solche von ihm abhängig; ‘aus jedem
einzelnen W orte, das Gott ausspricht, entsteht je ein E ngel’1) (Chagiga 13b);
sie vollführen seine Aufträge. Mal’ach ist je d e r im Aufträge Gottes
w irkende Bote. Nach Millionen kann Gott Engelscharen aus dem F eu er­
strom e (nehar di-nür) hervorrufen, dam it sie vor ihm Lob- und P reis­
lieder singen und dann w ieder im F euerstrom e verschwinden, oder aber
dam it sie ihm als diensttuende E ngel (m al’ache haschoret) zur V er­
fügung stehen und zwischen ihm und den Geschöpfen verm itteln.
Ich habe durchaus nicht die Absicht, eine m etaphysische A bhandlung
über die E ngel zu schreiben. W ir wissen, dass das Judentum noch vor
seiner engen B erührung m it dem P ersertum e den Begriff ‘E ngel’ gekannt
hat. Je grösser der Abstand zwischen Gott und W elt wurde, je transzenden­
taler der Begriff ‘G ott’ wurde, desto seltener offenbart sich die G ottheit
selbst. Die R olle des prophetischen Geistes übernehm en bei den späteren
P ropheten, wie bei Ezechiel, Sacharia und D aniel — die E n g e l2). D er
Stoff, aus welchem die E ngel gebildet sind, ist in der Tradition (besonders
in den Evangelien) ätherisch, in den A pokryphen (z. B. Tobit) Licht,
aus dem die W esen (chäjöt) höheren Ranges gebildet sind, das fla m 1) Midrasch Echa rabbäti, 3. Cap. § 8: Nach der Ansicht R. Chelbos erschafft Gott
jeden Tag neue Engelscharen. Auf den Einwand, dass Gen. 32, 37 diese Ansicht nicht
rechtfertigt, macht R. Chelbo einen Unterschied zwischen den Erzengeln Gabriel und
M ichael und den übrigen Engeln. — In einem Gespräche m it dein Imperator Hadrianus
erklärt R. Josua ben Chananja, dass die E ngel aus dem Feuerstrom e entstehen.
2) V gl. Erik Stave, Einfluss des Parsismus auf das Judentum (Haarlem 1898) S. 212.
240
K ohlbach:
m en J e F e u e r (E zechiel 1, 13). Als aus dem F euerstrom e entstandene,
lichtartige Gebilde strahlen sie L icht aus, und die S trahlen blenden derart,
dass Menschen E ngel nicht schauen können. Mose verhüllt sein Antlitz,
als Jahves E ngel vor ihm als Feuerflam m e erscheint (Ex. 3, 2). — ‘Als
Gideon gesehen hatte, dass es ein E ngel Jahves wäre, da sprach Gideon:
„W eh m ir, Gott und H err! Dass ich Aug’ in Auge Jahves E ngel sehen
m usste.“ Und Jahve ( = dessen E ngel) sagte ihm : „F riede m it dir!
F ü rch te dich nicht! Du w irst nicht sterb en “ (Judic. 6, 22 —23).’ R. Judan
trad iert im Namen R . Isak s: D ie E n g e l n ä h r e n s ic h v o m L i c h t e
d e r S c h e c h in a , und begründet diese A nsicht m it Prov. 16, 15: ‘Im A b­
glanze vom A ntlitze des Königs leben s i e ............. ’ (N um eri rabba § 21).
Die Quelle für den im Talm ud und in den M idraschim so oft erw ähnten
F e u e r s t r o m ist Dan. 7, 10.
W enn nach A nsicht der T radition Gott je nach B edarf Engel nach
Millionen erschafft und w ieder entrückt, so k en n t andererseits die T radition
auch solche Engel, die vom Schöpfungsbeginn an in der Nähe Gottes
weilen, wie z. B. die E rzengel G abriel und Michael.
Schon das V erhältnis zum Monotheismus zwingt die T radition dazu,
die F rag e aufzuwerfen und zur Entscheidung zu bringen, an welchem
Schöpfungstage denn Gott seine M ithelfer hervorgerufen habe. R . Jochanan
m eint, am zw eiten Tage, R. Chanina, am fünften T age habe Gott der
E ngel Chor erschaffen. Darin stim m en alle überein, dass am ersten T age
kein E ngel erschaffen worden ist. Es solle niem and sagen, dass Gott
sich die A rbeit geteilt habe, dass Michael der Süden des Him m elsgew ölbes,
dem Erzengel G abriel der Norden zugeteilt worden sei, w ährend Gott in
der Mitte der W elten R äum e ausgem essen . . .; er allein hat die W elt er­
schaffen (M idrasch Genesis rabba § 1 und ähnlich § 3). Später unter­
scheidet die T radition vier Erzengel, indem neben Michael und G abriel
R aphael (zuerst bei T öbit 9, 5) und U riel (G ottes F lam m e)1) hin­
zutritt.
U riel identifiziert K o h u t2) m it dem pärsi Q areno; es ist dies wohl ein
ab strak ter Begriff, doch auch hier die B edeutung: Glanz, Licht. U riel
gleicht A rdebesht, dem E ngel der höchsten F röm m igkeit, der zugleich
E ngel des F euers is t3).
Nach E rich Stave h at in der P ärsi-R eligion Asha Y ahista eine d er
des U riel ähnliche R olle; er ist der E ngel der vollkom m enen H eiligkeit,
der R einheit und Tugend, der H ü ter des F euers und zugleich H e rr der
1) D ie übliche Ü bersetzung: ‘Mein Licht ist Gott’ akzeptiere ich nicht; das — i ist
nicht ein possessives Suffixum, sondern ein Bindevokal in zusam m engesetzten Wörtern.
2) Alexander Kohut, Über die jüdische A ngelologie und Däm onologie in ihrer Ab­
hängigkeit vom Parsism us (Leipzig 1866) 3 § 10, S. 3 3 —35.
3) Dadabhai Naoroji, The Parsi R eligion in R eligious System of the W orld (London
1892) S. 190.
Feuer und Licht im Judentume.
241
M etalle1). Nach dem schon früher angeführten T eile des G ebetes vor
dem Schlafengehen sind die vier Erzengel um den Schläfer verteilt, doch
vor ihm hält U riel W acht, der dem Erw achenden das L icht bringt. .
IT. Beleuchtung in der Synagoge.
1. D i e e w ig e L a m p e .
D ie ewige Lam pe ist keine ausschliesslich jüdische und christliche
Einrichtung. W ir finden sie im Isiskult; auch im Tem pel der Pallas Athene
zu A then brannte ein ewiges Licht, vielleicht ursprünglich das Symbol
der Göttin selbst; wie H estia war auch Athene eine Jungfrau, dem F eu er
gleich, das kein Leben zeugt, sondern v ern ic h tet2). Ist doch auch nach dem
T alm ud (M enachoth 86 a) das ewige L icht ein Zeugnis dafür, dass die
Schechina, d. i. Gott, im H eiligtum e weilt. Ich suche in der mosaischen
G esetzgebung über die ewige Lam pe keine Anlehnung an ägyptischen
K ult; das Gesetz, welches darüber handelt, ist ausserordentlich klar, bloss
d er L euchter, die siebenarm ige Menöra, führt uns in den assyrisch­
babylonischen K ulturkreis, insofern sie das Symbol der sieben P laneten
gewesen sein m ag (N um eri rabba § 15).
D ie biblische Grundlage der Institution selbst sind die Stellen: Ex. 27,
20—21, Lev. 24, 2 —4, Num. 8, 2—5:
‘Nun aber verordne den Kindern Israels, dass sie vor dich reines Baumöl
bringen, das sie zum Beleuchten gereinigt haben, damit sie die ewige Lampe
entzünden können. Im Stiftszelte, vor dem Vorhänge der Bundeslade, richte sie
her Aaron und seine Söhne vom Abend bis zum Morgen vor Jahve. Eine ewige
Verpflichtung sei dies von Geschlecht zu Geschlecht von seiten der Kinder Israels.
— Auf dem Leuchter aus purem Golde ordne er (Aaron) die Lampen vor Jahve,
für ewige Zeiten! — Wenn du die Lampen anzündest, mögen alle sieben Lampen
nach vorne hin leuchten!’
W as zur Zeit der mosaischen Gesetzgebung selbstverständlich war,
dass näm lich der siebenarm ige L euchter bloss nachts das Stiftszelt b e­
leuchtete, um die Spukgestalten der Nacht wegzuschrecken, konnte die
T radition nicht erfassen.
Es beschäftigte sie sehr der W iderspruch
zwischen Hamid’ (ewig, fortw ährend) und ‘m eerev ‘ad böqer’ (vom
Abend bis zum Morgen). In der P raxis brannte die m ittlere Lampe
ständig; abends w urden an der m ittleren Lam pe die übrigen entzündet;
dann reinigte man die ständige Lam pe, und wenn die Flam m e erlosch,
durfte m an sie an einer anderen Flam m e nicht entzünden; bloss am
heiligen F euer, an der Flam m e des ständigen A ltarfeuers durfte die ewige
1) Stave 1898 S. 206.
2) V gl. Otto Seeck, Die Bildung der griechischen R eligion, N eue Jahrbü clier2,322 (1890).
Zeitschr. d. V ereins f. V olkskun de. 1913. H e f t s .
iß
242
Kohlbach:
Lam pe (die m ittlere Lam pe der Menöra) entzündet w erden (Sifre und
Sifrä zu den betreffenden Stellen des P entateuchs; Mischna Täm id I § 1,
III § 9 und besonders VI § 1; M enächöt 86 b; Nachm ani zu Ex. 27,
20—21) 1).
In den Synagogen ist die Menöra als ewiges L icht nicht üblich, weil
sie zur E inrichtung des H eiligtum es zu Jerusalem gehörte. Im Sinne der
T radition bren n t vor dem T o ra-S ch rein e ununterbrochen ein Ölläm pchen,
und zwar, wie schon erwähnt, nach Auslegung R. Jochanans ‘als Zeichen
für die gesamte M enschheit, dass die Glorie in Israel w eilt’ (Menachot 8 6 b )2).
Das L icht der ewigen Lam pe wurde früher fü r heilig gehalten und
durfte nicht profaniert w erden; nur in besonderen F ällen, wenn z. B. die
Synagogen w eit ausserhalb des Ortes gelegen waren, war den Besuchern
erlaubt, ihre L aternen an der ewigen Lam pe zu entzünden; dasselbe war
der F all, wenn m an eine K erze zum T öra-Studium bei einer W öchnerin
oder einem K ranken benötigte. Später m ilderte sich die P raxis, und man
b enutzte die ewige Lam pe auch sonst, z. B. zum Lesen (Orach-chajjim
§ 164, 13, 14).
W äh ren d die B ibel das 01 als Beleuchtungsstoff vorschreibt, pflegt
m an am B etpulte oder zu beiden Seiten des V orbetertisches W achs- oder
S tearinkerzen zu entzünden, was bloss eine durch G ewohnheit gew eihte
Sitte ist, denn diese K erzen dienen bloss dazu, das G ebetbuch zu be­
leuchten. Am V orabende (und am Morgen) des P urim s wird beim V er­
lesen des Buches E sther ein geflochtener W achskerzenstock (habdäla)
entzündet, dam it das L ich t intensiver wirkt.
2. D e r g e f l o c h t e n e W a c h s k e r z e n s t o c k ( H a b d ä l a ) .
Noch auf die Zeit der Mischna geht jen e E inrichtung zurück, am
Ausgange des Sabbats der W eltschöpfung zu gedenken, dass es schon im
P lane der Schöpfung gelegen habe, die W erktage vom Sabbat zu sondern.
Es wurde eine besondere G ebetsform el verfasst, die später endgültig in
die vierte B enediktion des Achtzehn- (heute: N eunzehn-)gebetes ein­
geschaltet wurde. In dieser F orm el dankt Israel Gott für das W issen
und die Einsicht, womit er den M enschen begnadet h a t; die V ernunft
leh rt uns Profanes und H eiliges scheiden. (Am Sabbatabende beginnt
die E inlage der vierten B enediktion m it den W orten: attä chonantäni
[= du begnadigtest uns . . . . ] , an einem auf Sabbat fallenden F eiertag e:
w attödienü . . [und du verkündetest uns . . . . ] .
1) Raschi befriedigt diese Lösung des W iderspruches nicht; ‘täm id’ bedeutet: ewig,
wenn es auch nicht beständig, ohne Unterbrechung ist, sondern jede N acht brennt. N ach
Josephus, Antiquit. V I 3, 9 brannten drei Lampen am Tage.
2) In der röm.-kath. Kirche ist die zuletzt ausgelöschte Kerze am Gründonnerstag Christi
Symbol. Noch interessanter ist der Karsam stag-Ritus, bei dem das neue Feuer m it
Stahl und Feuerstein angem acht wird. Y gl. Rossmann, Gastfahrten S. 58—63.
Feuer und Licht im Judentume.
243
Vom Beginne des 3. Jahrhunderts n. Chr. wurde die Scheidung von
Sabbat und W ochentagen ein selbständiger R itus, die H abdala m it dem
geflochtenen W achskerzenstock bildete darin den M ittelpunkt.
Am Sabbatabende — ausgenommen, wenn der Vorabend des 9. Ab,
des G edenktages der Zerstörung Jerusalem s, auf Sabbatabend fällt — ent­
zündet nach Schluss des Abendgebetes der T em peldiener einen aus 3 bis
8 W achslichtern — zopfartig — geflochtenen W achsstock und hält ihn
hoch oder lässt ihn durch einen K naben halten. D er V orbeter nim m t
einen bis an den R and gefüllten Becher W ein in die H and und spricht:
„Ich erhebe den B echer des H eiles und verkünde des Ewigen Namen.
G epriesen seist du Ew iger, unser Gott, H err der W elt, der du geschaffen
hast die F ru ch t des W einstockes.“ Die T radition empfiehlt den L eid­
tragenden und T rauernden W ein (kosz tanchümim = Becher des Trostes).
lD er W ein wurde bloss zum Tröste der Leidtragenden geschaffen’ (Berächöth 65). D er die H abdala Zelebrierende trin k t zuerst und reicht den
Becher auch den Um stehenden.
D er T em peldiener reicht darauf dem V orbeter die Büchse m it Ge­
würzen und M yrtenblättchen; der rü ttelt sie ein wenig, dam it der D uft
sich verbreite, und spricht: „G epriesen seist du, Ewiger, unser Gott, H err
der W elt, der du geschaffen hast die verschiedenen G ew ürzarten!“ E r
riecht daran und bietet sie auch den Um stehenden, darauf hält er
beide H ände dem Lichte zugewendet, blickt auf die H ände und spricht:
„Gepriesen seist du Ew iger, unser Gott, H err der W elt, der du geschaffen
hast die Lichtquellen des F eu ers!“ Dann verlöscht er die H abdala, sie
m it W ein übergiessend, und beendet die Zerem onie m it den W orten:
v,G epriesen seist du Ew iger, unser Gott, H e rr der W elt, der du scheidest
zwischen Heiligem und Profanem , zwischen L icht und F insternis, zwischen
Israel und den Völkern, zwischen dem siebenten Tage und den sechs
W erktagen. G epriesen seist du Ew iger, unser Gott, der du scheidest
H eiliges von P rofanem “ 1).
Über die Zerem onie im H ause und über die Stellung der Hand
spreche ich noch.
3. B e l e u c h t u n g s g e b r ä u c h e im Z y k lu s d e s L a u b h ü t t e n f e s t e s .
a) Das Fest der Fackeln.
Am L aubhüttenfeste des Jahres 1888 besuchte ich im Dortschol (Juden­
viertel) B elgrads eine sefardische Synagoge; nach Schluss des A bendgebetes
entzündete man Kerzen, und die angesehensten M itglieder der Gemeinde
wie auch der R abbiner tanzten im D uett, je eine K erze in der H and
1) Vgl. Berächot 33a und b, Pesächim 103b—107; Thäamt 27 b u. A. — Orachchajjim § 294—298; über den W achsstock besonders § 29(5.
16*
K ohlbach:
244
haltend; die T änzer w echselten ab. D iese bei abendländischen Juden
nicht b ekannte Sitte befrem dete mich dam als; heute weiss ichs wohl,
dass sie ein R esiduum jenes grossartigen Fackelfestes in Jerusalem ist,
von dem die Zeitgenossen so geurteilt h atten : ‘W er den Ju b el des F ack e l­
festes nicht gesehen hat, sah sein L ebtag keine F reu d e’ (Mischna
S ukköt V 1).
‘Am ersten F e stta g e g in g d a s V o lk in d en F ra u en h o f, d er z u d ie se m Z w eck e
g a n z u m g e sta lte t w u rd e. (N a c h d em T a lm u d s te llte m an T r ib ü n en für d ie F rau en
auf, um s ie von d en M ännern zu tren n en un d O rgien u n m ö g lic h zu m a ch en , w ie
s ie an den antiken E’e sten der E le u sin ie n (S ep tem b er-O k to b er), S atu rn alien (1 7 . bis
24. D e z e m b e r ) u sw . stattfan den).
Im w eiten , freien H o fe w a ren g o ld e n e K a n d e­
lab er a u fg e ste llt; je d e r L eu ch ter h atte v ier g o ld e n e S c h a le n für das Ö l. A n je d e m
K an d elab er leh n te e in e L eiter, u n d ju n g e P r ie ste r sö h n e w aren e ifr ig daran, aus
v o lle n Ö lk rü gen d ie e in z e ln e n S c h a le n n a c h z u fü lle n . Zu D o ch ten v e rw e n d ete m an
a lte K le id e r und G ürtel der P riester. D an n e n tz ü n d e te m an d ie L am pen, und in
g a n z J e r u sa le m g a b s k e in e n H of, den d ie L ic h tfü lle d er ‘b e t-h a s c h o ‘e w a ’ n ich t h e ll
e r leu ch tet hätte.
A d ep ten (c h a sz id im ) un d le ite n d e M änner ta n zten m it F a ck eln
in H änd en , s ie w arfen d ie F a c k e ln em p or un d fin gen s ie w äh ren d d e s T a n z e s
w ie d e r au f; s e lb s t H ille l tat so .
W ä h r e n d d e s T a n z e s sa n g m an P sa lm e n und
H ym n en .
D ie fü n fzeh n S tu fen ,
d ie
aus
dem
in n eren
in d en ä u sse re n H ofrau m
füh rten, fü llten L ev iten m it ih ren H arfen, L au ten , C ym b eln un d B lasin stru m en ten
un d sa n g en d ie im P sa lte r a ls S tu fen g esä n g e (sc h ir e h a m m ä ‘alöt) bek an n ten
H y m n en (P s . 1 2 0 — 134).
A m o b eren T o r e, d as d en H o f d es V o lk e s m it der
F r a u en h a lle verb an d , stan d en z w e i P r ie ste r m it T ro m p eten in der H an d ; s ie er­
w arteten den d ie M orgen röte an k ü n d en d en H a h n en sch re i.
P o sa u n en sc h a ll v e r ­
k ü n d ete dem V o lk e d en S o n n e n a u fg a n g ; a u f d er zeh n ten S tu fe w u rd e d er Alarm
w ie d e rh o lt, und w en n der H o f erreich t w ard, ertön te n o c h m a ls d er d r e ifa c h e A larm
un d d ie P riester b lie s e n so la n g e, b is s ie zu m O sttore g e la n g ten .
B e im O sttore
a n g ela n g t, w an dten s ie sich g e g e n W e s te n und sp ra ch en : „ U n se re V ä te r kehrten
h ie r e in st d e m H e ilig tu m e den R ü c k e n , w e il s ie g en O sten b lick ten u n d sich vor
d er im O sten a u fs te ig e n d e n S o n n e b ü ck ten , d och w ir h alten treu zu Jah ve, u n ser
B lic k h ä n g t an J a h v e ’ (M isch n a Su k k a 51)*).
W ährend im sefardischen R itus sich die E rinnerung an den F ack el­
tanz im H eiligtum e von Jerusalem als K erzentanz erhalten hat, finde ich
im R itus der Juden Nord- und W esteuropas nichts davon. E ine sehr
verblasste Spur bew ahrt der R itus der polnischen Juden, indem fromme
T alm udisten die S u kkot-N ächte zum T eil bei Gesang und Psalm en ver­
bringen und in den L aubhütten viele K erzen entzünden. Viele Talm ud­
schulen heben auch den Glanz des A bendgebetes in den H albfeiertagen
(chol hammo‘ed) dadurch, dass sie viele K erzen anstecken. D er polnischchasidische R itus n en n t den selig, der auf diese W eise des H eiligtum es
1) D ie Eleusinien feierte man nach der H erbsternte; sie dauerten wahrscheinlich
9 T age; es wurden Hymnen gesungen, Fackeln getragen. Das F est schloss die W a s s e r ­
w e i h e ab. Auch von diesem F este hiess es: „H eil dem, der diese Handlungen gesehen.
Wer nicht Adept und an diesem heiligen Ritus nicht teilnim m t, der wird nach dem Tode
nicht selig .“ V gl. Erwin Rohde, Psyche 1, 278—300, besonders S. 281, 286 und 289.
Feuer und Licht im Judentume.
245
zu Jerusalem gedenkt, und wünscht, dass auch der P rivate L oblieder und
Psalm en singe. E r schäme sich dessen nicht, hat doch auch König D avid
auf der Strasse getanzt, als die Bundeslade Jahves nach Jerusalem ge­
bracht wurde (2. Sam. 6, 5. 14. 16. 21. 1. Chron. 15, 29).
b) Das Fest der Weiden und das Törafest.
Am siebenten Tage des Laubhüttenfestes werden W eidenruten ihrer
B lätter beraubt, indem man sie an den B änken oder B etpulten abschlägt;
es soll das Abschütteln der Sünden sym bolisieren. In den Rahm en dieser
A bhandlung gehört die E rw ähnung dieses Lustrationstages insofern, als
der V orabend jenes Tages, das sog. Hoschäna rabba in der Synagoge oder
im B etlokal beim Scheine der vom Yersöhnungstage übriggebliebenen
K erzenreste verbracht w ird; m an bindet die W eidenrutensträusschen,
sagt B ibelverse und G ebete her, die in einer besonderen G ebetsordnung
gesam m elt sind1); auch m ahnt die M orgenandacht in m ancher Beziehung
an den Jo m kippür-R itus; nach einer anthropom orphistischen Legende näm ­
lich wird das Sündenregister am N eujahrstage zusam m engestellt; das U rteil
wird am Yersöhnungstage gefällt, doch das Am tssiegel wird erst am
H oschäna-rabba aufgedrückt. Beim M orgengottesdienste wird die Synagoge
festlich beleuchtet (O rach-chajjim § 664, 1), und zwar m it den K erzen­
resten, die vom Jom kippür übriggeblieben sind.
Sowohl an diesem
Morgen wie am Törafeste (abends und m orgens) w erden der T öraL ade alle Törarollen entnom m en. In den leeren K asten wird eine
brennende K erze hineingestellt; wird doch schon in der Bibel (Prov. 6, 23)
das Gesetzbuch L euchte (ner), die Tora Licht (ör) genannt.
4. D ie C h a n u k a l i c h t e r (M e n ö ra).
Vom Abende des 24.K islev an werden allabendlich nach Sonnenuntergang
m den Synagogen und W ohnungen der Juden auf dem achtarm igen L euchter
die flackernden L ichtlein entzündet. P oeten und P red ig er verherrlichen
jen e L ich ter am Abende, die m it ihrem bescheidenen Flim m ern an den
glänzendsten K riegsruhm der Juden, an den Sieg Juda M akkabis mahnen.
In den Synagogen werden die L ichter in arithm etischer Progression von
1 bis 8 entzündet (S abbat 12b); ein gem einsam er Zug — in Synagoge
und H aus — ist der, dass die L ichter ins F en ster gestellt w erden; der
‘feige’ Jude b rüstet sich das eine Mal mit seinem Kriegsruhm e. Nach
dem Entzünden des ersten Lichtleins spricht der W irt von der Be1) D ie Römer brachten im Februar verschiedenen T otengottheiten Opfer für die
Verstorbenen. Dam it die Götter sich der Toten erbarmten, brachte man ihnen Festopfer,
durchwachte die ganze N acht, die Götter bei Kerzen- und F ackelschein preisend. — Dass
Hoschäna-rabba auch m it dem Seelenkult in Verbindung gestanden haben mochte, zeigt
der Aberglaube: ‘wer seinen Schatten in der H oschäna-N acht nicht sieht, stirbt in dem
Jahre.’
Kohlbach:
246
Stimmung der C hanukalichter:
„D iese L ichter entzünden wir zur E r­
innerung an jen e W under . . welche du durch deine heiligen P riester an
unseren V ätern getan hast. WTährend der acht C hanukatage sind diese
L ichter heilig; wir dürfen sie zu nichts anderem verwenden, als aus­
schliesslich dazu, sie (vergnügt) anzuschauen und Lob und P reis zu singen
deinem grossen Namen für deine W undertaten, besonderen H andlungen und
für deine H ilfe.“
Und was war das W^under? Die Volksm asse vergisst das Grosszügige,
zumal in Zeiten der Not und D rangsal; ihre W under m isst sie nach dem
kleinlichen Massstabe ihres beengten Geistes. Sieg ist ein ab strak ter B e­
griff; L eiden vernichten gar zu schnell die E rinnerung selbst an die ruhm ­
vollste V ergangenheit. Doch ein W under, das die V olkstüm lichkeit des
Propheten Elisa begründet hatte (2. Reg. 4, 1 — 7), das ähnlich dem F eu er
Nehem ias die Lichtw eihe des Tem pels möglich gem acht hatte, ist für
die Masse etwas R eales; das kom m t unters Volk, und so erhielt sich die
L egende im R itu s:
‘A ls d ie G riech en (]. S yrer) ins H eilig tu m e in b rach en ,
Ö l,
das im H eilig tu m e sich vorfand.
p rofanierten
A ls d ie F a m ilie H asm on
sie
d ie G riech en
a lle s
be­
s ie g t hatte, su ch ten sie (g e w e ih te s Ö l), fand en je d o c h b lo ss ein e in z ig e s Ö lk rü glein , das m it d em S ie g e l d e s H o h e n p riester s v e r s c h lo s se n w ar. D o c h w ar in
d ie se m K ru ge n ic h t m ehr Ö l, a ls für e in en T a g n o tw e n d ig g e w e s e n w äre, und
s ie h e !
e s g e sc h a h d as W u n d e r, d a ss e s für ach t T a g e g e n ü g te .
E in Jahr darauf
erk lärte m an (d ie s e n T a g ) a ls F eier ta g u n d b estim m te e in en b eso n d e re n F e s te s ­
ritu s: D a n k e sp sa lm en (H a lle l: P s. 1 1 3 — 118) und ein D a n k g e b e t (al h a n n iss im )’
(S ab b at 12 b).
5. L i c h t im D i e n s t e d e r P i e t ä t .
Es ist allbekannt, welch grosse R olle der F ackel im T otenritus der
griechisch-röm ischen W elt zugefallen ist. An der B ahre brannten gewöhn­
lich zu H äupten und zu den Füssen F ackeln oder W achskerzen. U nter
dem Einflüsse der Griechen und R öm er übernahm auch das Judentum in
seinen T otenritus das Licht, als w ohltuende U nterbrechung der finstern,
düstern T ra u e r1) und zugleich als T röster der L eidtragenden. Man ist
leicht versucht, zwischen Totenlichtern und Totenopfern einen Zusam m en­
hang zu finden, doch kenne ich weder in der Bibel noch in der T radition
irgendeine Spur davon. Im Judentum e w aren bei Leichenbegängnissen
F ackeln üblich (O rach-chajjim § 298, 12); es wurde darin keine verpönte
Nachahm ung unjüdischer Sitten gesehen. ‘Eine L euchte Jahves ist des
M enschen Seele’ (Prov. 20, 27); ‘D ie Seele, welche du dem Menschen ge­
geben hast, heisst L euchte (n e r)’ (S abbat 22a) und ähnliche Aussprüche
liegen der Sitte zugrunde, in der ersten Trauerw oche ein Olläm pchen
zu H äupten des T otenbettes zu entzünden. Aus dem F am ilienritus ging
1) Der T odesengel wird auch Finsternis genannt; Lev. rabba 18 §.
Feuer und Licht im Judentume.
247
der Brauch leicht in den synagogalen R itus über; den Eingang in die Synagoge
verschafften ihm die verschiedensten M artyrien zur Zeit der Kreuzzüge,
der Alm ohäden-Bewegung, der Blutbeschuldigungen und die Inquisition.
D ie M ärtyrer starben für die Gemeinde, und von Jah r zu Ja h r .mehrten
sich die ‘S eelenlichter’ in den Vorhallen oder an den W estw änden der
Synagogen, Bet- und Lehrhäuser. Am V ersöhnungstage — einer A rt
A llerseelentag — w erden sog. P fundkerzen (500 g) rings um den A ltar ent­
zündet; der Synagogen Vorstand erlaubt von F all zu Fall, dass dort auch
P riv ate ihre G edächtniskerzen einreihen können; die übrigen sind den
G rossen der Gemeinde und Stiftern gewidmet.
V. Beleuchtung im Hause.
1. D e r S a b b a t.
Am F reitagnachm ittag wird in frommen jüdischen H äusern der Tisch
m it weissem L innen gedeckt; die H ausfrau bereitet die L euchter und
Lam pen zum Entzünden vor, und sobald es däm m ert, stellt sie sich im
F eierkleide vor die Leuchter, entzündet die L ichter, hält beide Hände
vors Angesicht, schliesst die Augen und spricht: „G epriesen seist du,
ewiger Gott, H e rr der W elt, der du uns geheiligt hast durch deine Gebote
und uns verordnet hast, die Sabbat- (an F esttagen: die F eiertags-) lichter
zu entzünden.“ D ie Tradition glaubt, die Hände müssen deshalb vor dem
Gesichte gehalten werden, dam it die B enediktion nicht vor dem Anzünden
erfolge (O rach-chajjim § 263,5), d. h. eine reservatio m entalis: sie sieht
den L ichterglanz erst, nachdem sie die B enediktion gesprochen. Eine
ganz und gar läppische D eutung. Ich glaube, auch hier liegt eine Polem ik
gegen frem de R iten zugrunde: Die P arsis sprachen ihr H auptgebet an­
gesichts des F euers; um nun selbst den Schein einer A nbetung des
F euers zu meiden, m usste die F rau ihre Augen verdecken, wenn sie
die B enediktion beim Lichtentzünden rezitierte. Ähnlich verhält es sich,
wenn bei der H abdäla am Sabbatausgange der F ungierende nicht in die
Flam m e hinauf-, sondern auf seine H ände (d. i. H andrücken) hinunter­
schaut. Sehr interessant ist es, dass dieser R itus an die F rau geknüpft
ist; nur die W öchnerin darf der G atte vertreten (O rach-chajjim § 263,5);
sonst ist nach der T radition die U nterlassung dieses R itus von seiten der
F rau m it einer der Gründe, weshalb F rauen im K indbette sterben
(S abbat 22 a, Mischna Sabbat II § 7). W ir werden keinesfalls jen e naiven
E rk lärungen der C asuistiker akzeptieren, wie z. B. A braham Gum binners
(M ägen Avröhom zu Orach-chajjim § 263, 3), dass das W eib darum ver­
pflichtet sei den R itus einzuhalten, weil sie den Glanz (ner) der W elt
verlöscht hatte, als näm lich Evas Schuld den Tod im Gefolge hatte, oder
es gehöre die Einw eihung des Sabbat- und F eiertages darum zu den
P flichten der F rau ‘weil sie zu Hause ist und ihr die H ausarbeit obliegt’
248
Kohlbach:
(ebd.). W ir haben es hier vielm ehr m it dem R este der uralten V er­
ehrung der Bendis, A starte, H era-Juno, H estia-V esta zu tun; ihnen ist das
F eu er geweiht. Juno als L ucina (lux) ist die G eburtshelferin. Es gebe
besonders das W eib auf F eu er und L icht acht, denn die beleidigte G ott­
heit rächt sich, wenn F ie b er ( = F eu er) im K indbette auftritt.
Gegen das E ntzünden der L ichter am Sabbat käm pfte die A ufklärung
im Jud en tu m e: Sadducäer und später K a räer1); sie beriefen sich auf das
V erbot des Feueranzündens am Sabbat (Exodus 35, 3); der R abbinism us,
einst als Pharisäism us, rechnete m it den Gefühlen der Menge, die unter
persischem , indischem und röm ischem Einflüsse gar vieles aus dem heid­
nischen K indbettritual übernom m en hatte. Die alte Form erfüllte bloss
ein neuer G ehalt: der Sabbat- und F eiertagseinzug soll glänzend gefeiert
w erden; es wurde gegen Sadduzäism us und K araism us das Lichterzünden
verordnet. Es fehlt bloss die K onsequenz: man beliess das Strafausm ass
bei V ernachlässigung des R itus: Tod durchs K indbettfieber, d. h. Strafe
der Juno L ucina usw.
Bei Sabbatausgang ist nunm ehr nicht die F rau , sondern der Mann
verpflichtet, H abdäla zu machen. Die H ausandacht unterscheidet sich bloss
darin von dem synagogalen R itus, dass einleitend einige Schriftstellen
(Jesaja 12, 2— 3; Ps. 3, 9; Ps. 15, 12) rezitiert werden.
Es ist selbstverständlich, dass die fromme F rau w ehm ütig den S abbat
scheiden sieht. Sobald sieh die A bendschatten neigen, spricht die Gross­
m utter zu den E n k eln : „D er liebe ‘schabbes kojdesch’ (heilige Sabbat)
geht eweg . .
und wie’s Abend wird, singt sie:
„Gott fün Avrohom, fün Jizchok ün für Jajnkew,
A der libe schabbes kojdesch g e t ew eg,
Soll kümmen di fille W och’ lem asl ün livroche,
(= zu Glück und Segen)
Urnen, Urnen, es soll wer’n •währ,
M eschiach ben D avid soll kümmen dos heirige Jahr!“
Zu bem erken ist noch, dass man die H abdäla in das auf den Tisch
gegossene Nass taucht, dann darein die F in g er tu n k t und die feuchten
F in g er in die Taschen steckt, den W unsch andeutend, dass die kom m ende
W oche Geld und E rw erb bringe.
Im H ause k an n den W ein oder Alkohol auch Milch, die geflochtene
W achskerze auch der K ienspan oder eine P echfackel vertreten.
2. L i c h t e r u n d K e r z e n im F a m i l i e n l e b e n .
D as L icht spielt eine grosse Rolle in den verschiedenen P hasen des
F am ilienlebens, zumal 1. bei der G e b u r t , 2. im K i n d b e t t e und 3. bei
T o d e s f ä l l e n als Schutz gegen Däm onen und Geister, 4. bei H o c h z e i t e n
und F a m i l i e n f e i e r n als M ehrer des Glanzes.
1) Abr. Geiger, N achgelassene Schriften (Berlin 1876) 3. 287 f.
Feuer und Licht im Judentume.
24 9
K indbett und N eugeborne gehören zusamm en; in beiden F ällen ist
das L icht sowohl als Öllämpchen, wie als K erzenschein ein Schutzm ittel
gegen verderbenbringende G eister; so muss, um L ilith abzuhalten, drei
Nächte hindurch das Zim m er der W öchnerin beleuchtet sein. Kabbalistischen
Ursprungs ist das Entzünden der sog. S e e l e n l i c h t e r im H ause des
Verstorbenen (oben S. 246) und an den S terbetagen1). Doch noch vor
dem Tode um stehen den Sterbenden die F reunde und m ännlichen An­
gehörigen — je tz t m ehr die A ngestellten der C hevra-kadischa — m it
brennenden H abdälas.
‘W en n der M en sch — so d er S o h a r 2) — im A u g en b lick e d e s S c h e id e n s von
h ie n ied en d ie A u gen w e it öffnet, sie h t er im H a u se e in e r eich e L ich tflu t un d er­
b lick t vor se in e m B e tte d en E n g e l d e s H errn ; L ich t um flutet ihn , sein K örp er ist
e ite l A u ge, u n d ein F la m m e n sch w er t ist in se in e r H and. D a e rsch rick t der
S terb en d e,
und
d ie se A n gst b e z w in g t
ih m K örper un d G eist.
zu den e in ze ln e n G lied ern un d su ch t b e i ih n en S ch u tz,
D ie S e e le flü ch tet
a ls w äre sie ein M en sch ,
der se in e n P la tz änd ern w o llte. D a sie ab er sieh t, d a ss ihre F lu c h t u n m ö g lich
ist, b lick t s ie ihrem W id e r sa c h e r fe st in s A u g e u n d fä llt ih m geb a n n t an h eim . Ist
der S terb en d e ein b ie d e re r M en sch , so e rsch ein t ihm d ie S c h e c h in a , un d d ie S e e le
ve rlä sst sofort den K örp er.’
Von F am ilienfeiern sei erw ähnt: 1. die B e s c h n e id u n g ; sie findet
bei B eleuchtung statt; doch ausserdem w erden zwei brennende H abdälas
zu beiden Seiten des O perateurs gehalten. W ie m ir R abb. Dr. Josef Klein
(K assa-K aschau) m itteilt, holen die G evattern den N eugebornen m it
flackernden H abdälas aus der Vorhalle der Synagoge in die Synagoge.
2. Bei H o c h z e i t e n wird der A ltar — oft die ganze Synagoge — hell
erleuchtet; in Szabadka (M aria-Theresianopel) wird der Bräutigam von
seinen Zeugen, den sog. U nterführern, m it brennenden H abdälas zum T raubaldachin (chuppa) geleitet, und die W achsstöcke brennen w ährend der
ganzen Trauungszerem onie. (Vgl. Abr. G um binners Note zu T ür Orachchajjim § 298, 12.) Auch im H ause der B raut w erden K erzen entzündet,
während der R ab b i die B raut nach althebräischem R itus m it dem Schleier
um hüllt; das sog. Bedecken hat seine Quelle in Gen. 24, 65: ‘Und sie
(R eb ek k a) nahm den Schleier und verhüllte sich.’
B u d a p e s t.
1) In einigen polnisch-orthodoxen Gemeinden, z. B. in Munkäcs (Oberungam) ist es
üblich — besonders am Sterbetage —, das Grab bedeutender Talm udisten mit Wachskerzen
zu um stellen.
2) Vgl. A dolf Franck, D ie Kabbala, S. 270.
‘2 50
B erkusky:
Zur Symbolik der Farben.
Von Hans Berkusky.
(Vgl. S. 146-1GB.)
3. Kot.
Ist W eiss die F a rb e des Todes, so ist R o t, diese leuchtendste aller
F arb en , ein Sinnbild des Lebens, denn rot ist das Blut, und B lut und
L eb en sk raft sind für den prim itiven Menschen fast identische Begriffe.
D ie Sitte, zur V erstärkung der eigenen L ebensenergie das B lut erschlagener
F ein d e oder geopferter T iere oder Menschen zu trinken, ist noch heute
bei zahlreichen N aturvölkern w eit verbreitet; ein verw undeter Som ali1)
trin k t sein eigenes Blut in der M einung, dadurch die m it dem B lute ent­
ström ende L eb enskraft w ieder in sich aufzunehm en. U nter den v er­
schiedenen M itteln, durch die der prim itive Mensch seine L ebensenergie
zu erhöhen sucht, ist das T rinken von B lut aller W ahrscheinlichkeit nach
das ursprünglichste. Die V eränderungen und W eiterbildungen, die diese
prim itivste F orm allm ählich im L aufe der Zfeit erfahren hat, lassen sich
vielleicht durch folgende E ntw icklungsreihe kennzeichnen: das T rinken
von B lut — das Bem alen, E inreiben oder B esprengen m it Blut oder das
E inw ickeln K ran ker in das blutige F ell eines frischgeschlachteten T ieres
— das Bem alen des K örpers m it ro ter F arb e oder das E intatuieren roter
F iguren, denen m agische K räfte zugeschrieben werden — und schliesslich
das T ragen ro ter Gew änder oder roter A m ulette. Dass die rote F arbe,
m it der zahlreiche prim itive V ölker ihren K örper bem alen, ursprünglich
w enigstens als ein E rsatz für B lut anzusehen ist, geht schon daraus hervor,
dass sich noch bis in die G egenw art hinein neben dem Bemalen des
K örpers m it ro ter F arb e vielfach die ursprünglichere Form , das B estreichen
des K örpers m it Blut, erhalten h a t2). Die Ideenverbindung zwischen R ot
und B lut ist so naheliegend, dass in m anchen prim itiven Sprachen, so in
d er Sprache der K inipetu-E skim os3), die für viele abstrakte Begriffe noch
kein eigenes W o rt geprägt haben, der Begriff ‘R ot’ durch ‘wie B lut’ um ­
schrieben wird.
1) Ph. Paulitschke, Ethnographie Nordostafrikas (Berlin 1893) S. 186. — 2) [Beispiele
hierfür z .B . bei Samter, Geburt, H ochzeit und Tod S. 187 f.; ders., Fam ilienfeste S. 53.
An beiden Stellen sind weitere Literaturangaben zu finden.] — 3) H. W. Klutschak, Als
Eskimo unter den Eskimos (Wien 1881) S. 229.
Zur Symbolik der Farben.
251
Das B e m a le n d e s K ö r p e r s m it roter F arb e hat also zunächst den
Zweck, seine L ebensenergie zu steigern und seine W iderstandskraft zu
erhöhen, und daher findet dieses M ittel in solchen F ällen Anwendung, in
denen L eben und G esundheit besonders gefährdet sind, also vor allem
bei K ran k h eiten und im Kriege. In A ustralien1) w erden K ranke häufig
statt m it B lut m it rotem O cker eingerieben, durch dasselbe Mittel schützen
sich die S ee-T schuktschen und die asiatischen E skim os2) gegen an­
steckende K rankheiten, auch bei m anchen prim itiven Stäm m en In d ien s3)
w erden K ranke m it ro ter F arb e eingerieben. W er sich in B urm a4) die
F ig u r des sagenhaften indischen Königs Bawdithada auf seine B rust oder
auf seinen Arm tatuieren lässt, ist unverw undbar; dieser König B awdithada
soll übernatürliche K räfte besessen haben, weil er sich nur von M enschen­
fleisch nährte und M enschenblut trank. W enn im H interland von K am erun5)
zwei M änner B lutsfreundschaft geschlossen haben, so reiben sie sich gegen­
seitig ih ren rechten Arm und ihre rechte B rust mit Rotholz ein, verm utlich
soll hierdurch die m it dem B lut dem K örper entzogene L ebenskraft w ieder
ersetzt werden. Um ihre L ebensenergie zu verstärken, bem alen die Schuli
im ägyptischen Sudan6) und die W arangi in D eutsch-O stafrika7) im K riege
ihren K örper m it roter F arb e ; dieselbe Sitte findet sich auch bei einigen
anderen prim itiven Yölkern, so bei den Bewohnern der N ikobaren8), den
m eisten Stäm m en des australischen F estlan d es9), den T lin k it in N ord­
w estam erika10), einigen Stämmen der P rä rie -In d ia n e r11) und bei den
T o b a12) und M acusi13) in Südam erika.
D a die rote F arb e die W iderstandskraft des K örpers steigert, ist sie
zugleich e in S c h u tz g e g e n s c h ä d li c h e E i n f l ü s s e aller A rt; diese
beiden Vorstellungen hängen so eng zusammen, dass es in vielen F ällen
zw eifelhaft bleibt, welche von ihnen überw iegt. Die Ngumba in K am erun14)
bem alen neugeborene K inder m it roter F arbe, um ihre L ebenskraft zu
erhöhen und um sie gegen unsichtbare G efahren zu schützen. Aus dem
zuletzt genannten G runde bestreichen auch alle, die das Kind tragen, ihre
Fusssohlen m it ro ter F arbe, und ebenso werden die Türpfosten und die
Schwellen aller H äuser des Dorfes rot bem alt. Bei den K affern15) werden
die F rau en kurz nach ih rer N iederkunft m it rotem Ton bestrichen, in
1) B. Spencer and F. J. G illen, The N ative Tribes of Central Australia (London 1899)
S. 4(55. — 2) Bogoras, The Chukchee, 2 (Leyden and New York 1907) S. 365. — 3) Rouse,
Folklore 6, 208. — 4) J. G. Scott and P. Hardiman, Gazetteer of Upper Burma, Part I,
2 (Rangun 1900) S. 78. — 5) Hutter, Globus 75, 2. — 6) R. Hartmann, Die Nilländer
(Leipzig und Prag 1884) S. 140. — 7) Kannenberg, Mitt. aus den deutschen Schutzgel).
13, 156. — 8) The Imperial Gazetteer of India (Oxford 1907/1908) 19, 77. — 9) E. M. Curr,
Australian Race (London 1886) 2, 191. — 10) Fr. Müller, Mitt. der anthropol. Ges. in W ien
1, 180. — 11) A. Hrdlicka, American Anthropologist, New Series 3, 723. — 12) Chr. NusserAsport, Globus 71,161. — 13) C. Martius, Zur Ethnographie Amerikas (Leipzig 1867) S. 646. —
14) L. Conradt, Globus 82, 350. — 15) A Compendium of Kalir Laws and Customs,
com piled by Colonel M aclean (Grahamstown 1906) S. 97.
252
Berkusky:
B urm a1) m it K urkum a, einem roten Farbstoff, eingerieben; bei den Guatusos
in K o starik a2) w erden neugeborene K inder m it K akaobutter, bei den
S chw arzfuss-Indianern3) m it O cker rot bem alt, die T eto n -In d ian er4) färben
wenigstens die G esichter N eugeborener m it rotem Ocker.
D asselbe
geschieht vielfach auch bei dem E in tritt in den zw eiten w ichtigen L ebens­
abschnitt, bei dem Beginn der P u b ertät. In L oango6) w erden die m annbar
gew ordenen K naben und Mädchen m it roter F arb e bestrichen. In Südn ig e ria 6) w erden die Mädchen nach dem ersten E in tritt der Menses von
ihren Y erlobten rot (oder weiss) bem alt, ebenso werden auf der Insel
H alm ah era7), bei den K üstenstäm m en von D eutsch-N euguinea8) und den
E ingeborenen des australischen F estlan d es9) die Jünglinge nach der Be­
schneidung m it ro ter F arb e bestrichen.
W enn bei den CheyenneIn d ian e rn 10) in N ordam erika ein Mädchen zum ersten Male m enstruierte,
w urde sie früher von einer alten F rau am ganzen L eibe m it ro ter F arb e
bestrichen und m usste einige T age in einem abgesonderten R aum der
H ü tte zubringen. Auch bei dem dritten w ichtigen L ebensabschnitt, bei
der H eirat, spielt bei einigen Stäm m en Indiens das B estreichen m it ro ter
F arb e eine w ichtige Rolle, hierdurch sollen die jungen E heleute nicht
nur vor Neid und M issgunst geschützt, sondern es soll auch ihre L ebens­
energie, vor allem ihre sexuelle Potenz, m öglichst gesteigert w erden,
dam it sie eine gesunde und zahlreiche N achkom m enschaft erzeugen. Bei
den K o l11) re ib t der B räutigam die S tirnhaare seiner B raut m it ro ter
F arb e ein, bei den P a rs e n 12) wurden die B rautleute bei der Hochzeit
früher m it B lut bestrichen; heute wird dem B räutigam ein ro ter Strich
auf die S tirn gem alt, der B raut ein ro ter K reis. Ob dieser Sitte noch
eine andere Idee zugrunde liegt, näm lich die eines B lutbundes zwischen
den beiden E heleuten, mag dahingestellt bleiben.
Bei der arabischen
B evölkerung der Insel Ja v a 13) färben sich die Y erlobten kurz vor ih rer
H ochzeit ihre Nägel rot, und der B räutigam bestreicht ausserdem noch
seine Fusssohlen m it roter F arbe, w ahrscheinlich um sich gegen Z auber­
m ittel zu schützen, die er m it seinem Fusse, ohne es zu wissen, berühren
könnte. In vereinzelten F ällen dient das B em alen m it ro ter F arb e auch
als ein Schutz gegen den Geist des T oten und gegen die D äm onen des
T odes; die F eu erlä n d er14) bem alen bei T rauerfällen ih r Gesicht m it roten
S treifen, in einigen Gegenden der Salom onsinseln15) färben die A n­
1) Shway Yoe, The Burman S. 1. — 2) C. Sapper, Globus 76, 352. — 3) Nach B. Grinnel,
Globus 70, 323. — 4) Dorsey, 11. Annual Report of the Bureau of American E thnology S. 482. —
5) Bastian, Die deutsche Expedition an der L oan gok ü stel (Jena 1874) S. 169. — 6) Ch. Partridge,
Cross River N atives (London 1905) S. 169. — 7) Riedel, Zs. f. Ethn. 17, 81. — 8) 0 . Schellong,
Intern. Arch. f. Ethnogr. 2, 161. — 9) Curr, Australian Race 2, 254. — 10) G. Bird Grinnel,
Am erican Anthropologist, New Series 4, 13. — 11) Crooke, Tribcs and Gastes 3, 309. —
12) Jivanji Jam shedi Modi, Marriage Customs am ong the Parsees (Bombay 1900) S. 15. —
13) Raden Mas Adipati Ario Sosro Ningrat, Bijdragen tot de T.-L.-en Vkkd. van Nederl. Indie
6. F olge, 6, 697. — 14) Nach Aspenall, Globus 55, 270. — 15) M. Eckardt, ebd. 39, 364.
Zur Symbolik der Farben.
253
gehörigen eines V erstorbenen ihr Gesicht rot; die H interbliebenen eines
verstorbenen W adschagga1) nehm en die K leider des Toten nicht eher in
B enutzung, bevor sie m it roter Tonerde eingerieben sind. E in W andoro b b o 2), der einen E lefanten erlegt hat, m alt drei breite rote Streifen auf
seine B rust, auch dies soll wohl, ursprünglich wenigstens, ein Schutz
gegen den ‘Geist’ des getöteten T ieres sein3). [Auch Bäume wurden im
A ltertum zum Schutze gegen dämonische Einflüsse m it roter F arb e b e­
sch m iert4).]
W enn einige prim itive V ölker auch bei F e s t e n ihren K örper mit
ro ter F arb e bem alen, so geschieht dies wahrscheinlich zunächst darum,
weil gerade bei diesen G elegenheiten an die körperliche Leistungsfähig­
k eit und Ausdauer ganz besonders hohe A nforderungen gestellt werden.
Bei den P u eb lo -In d ian ern in A rizona5) finden zu bestim m ten Zeiten
Schlangentänze statt, vorher w erden die hierzu bestim m ten lebenden
Schlangen gewascheD, und alle, die an dieser nicht ungefährlichen Zerem onie
teilnehm en, bem alen ihren nackten K örper m it roter F arb e und stecken
rote F ed ern in ih r H aar. Vor dem — heute verbotenen — Sonnentanz
d er D ak o ta-In d ian er6) bestrichen sich alle T eilnehm er m it roter F arbe,
vielleicht um die später folgenden M artern besser ertragen zu können,
vielleicht aber auch zu E hren der Sonne, die in den M alereien der P rärieIndianer in der R egel als eine rote, runde Scheibe dargestellt wird. Die
M asai-M ädchen7) schm ücken sich bei Tänzen m it rotem P uder, die Balue
in K am erun8), die B erta und Noba in K ordofan9) und viele andere afri­
kanische V ölker bem alen sich bei F esten m it roter F arbe, ebenso die
m eisten Stämme des australischen F estlan d es10); die Bewohner der Nikob aren 11) färben bei festlichen G elegenheiten ihre G esichter rot, die neu
aufgenom m enen M itglieder des A rreoy-B undes auf der Insel T ah iti12)
schm inkten ihre G esichter m it scharlachroter F arbe.
Die ursprüngliche B edeutung dieser Sitte — die V erstärkung der
L ebensenergie — tritt in vielen F ällen nicht m ehr k lar hervor,
das R ot­
färben des K örpers ist schliesslich n u r ein
f e s t l i c h e r S c h m u c k , und
weil der prim itive Mensch geneigt ist, seine äussere Erscheinung m öglichst
zur G eltung zu bringen, bem alt er seinen L eib m it ro ter F arbe. In
m anchen Sprachen sind ‘ro t’ und ‘schön’ geradezu identische Begriffe, bei
den K orjaken in N ordostsibirien13) gelten Mädchen m it roten W angen als
1) B. Gutmann, Globus 89, 199. — 2) M. Merker, D ie Masai (Berlin 1904) S. 243. —
3) [W eiteres über Rot als Trauerfarbe s. oben 14, 204 (Indien) und 22, 428 (Russland)]. —
4) [Scheftelowitz, Das Schlingen- und N etzm otiv (Giessen 1912) S. 32; Lewy, oben 3,136.] —
5) J. W. Few kes, 19. Annual Report 2, 971. — 6) Dorsey, A Study of Siouan Cults
S. 459. — 7) Merker a. a. 0 . S. 132. — 8) Lessner, Globus 8(5, 276. — 9) Hartmann,
N illänder S. 91. 105. — 10) Eylm ann, Die Eingeborenen der K olonie Südaustralien
S. 389. — U ) \\rt Swoboda, Intern. Arch. f. Ethnogr. 5, 164. — 12) E. Jung,
Der W elt­
teil Australien (Leipzig und P rag 1883) 4, 72. — 13) W. Jochelson, M aterial
Culture of
the Koryak (Leyden and New York 1908) S. 414.
254
B erkusky:
die scliönsten, und von einer schönen F ra u verlangen die T schuktschen1),
dass ihr G esicht ‘rot wie B lut und brennend wie F e u e r’ sei.
Die
M ädchen und F rau en der H o tten to tten 2) ‘verschönern’ ih r G esicht durch
A ufträgen ro ter Schm inke, die m eisten Stäm m e des ägyptischen Sudan3)
bem alen sich täglich m it ro ter F arbe, die B a-M bala in S üdafrika4), die
diesen Schm uck zweimal und selbst dreim al am Tage erneuern, heissen
daher geradezu rotes Volk.
W as den L ebenden recht ist, ist den T o t e n billig, und wenn bei
m anchen V ölkern auch die Leichen oder T eile von ihnen rot bem alt
w erden, so geschieht dies häufig einfach darum , weil sich auch die
L ebenden rot färben; der V erstorbene, dessen K örper so oft in leuchtendem
K ot erglänzte, will auch nach seinem Tode diesen Schm uck nicht missen.
In vielen F ällen aber ist die rote F arbe, m it der die Leiche bestrichen
wird, nicht ein Schm uck, sondern ein Opfer, die F a rb e ist ein Ersatz für
das B lut der zu E hren des T oten geschlachteten T iere. Bei einigen
V ölkern w erden längere Zeit nach der Beerdigung, nachdem alle W eich­
teile verw est sind, die Knochen w ieder ausgegraben, rot bem alt und dann
entw eder von neuem b estattet oder als zauberkräftige G egenstände auf­
bew ahrt, um als Schutzam ulette oder als F etische zu den verschiedensten
Zwecken verw endet zu werden. W ie durch die rote B em alung die L ebens­
energie des K örpers erhöht wird, so wird auch die m agische K raft der
Knochen — gelten sie doch häufig, da sie der Verwesung w iderstehen,
als Sitz der Seele des T oten — durch das B estreichen m it ro ter F a rb e
gesteigert. A ndererseits aber muss der Tote alle seine K räfte anspannen,
um den zahlreichen G efahren zu entgehen, die ihn auf seiner R eise ins
Jenseits bedrohen, die L eiche w ird daher rot bem alt, dam it er siegreich
alle W iderw ärtigkeiten und P rüfungen überw inde.
D ie Sitte, T e i l e d e r L e i c h e n r o t zu f ä r b e n , scheint im p rä­
historischen E u ro p a6) w eit v erb reitet gewesen zu sein; in Süd- und Ost­
europa h at man in alten, aus der jüngeren Steinzeit stam m enden G räbern
zahlreiche rotgefärbte m enschliche Knochen gefunden, in attischen G räbern
auch Büchsen m it ro ter Schm inke, m it der sich der T ote bem alen sollte.
W ährend die Bali in K am erun und die Niam -Niam im ägyptischen S udan6)
die Leichen vor der B eerdigung rot färben, w erden bei den B hil in
V o rderindien7) die G räber angesehener M änner nach einigen M onaten ge1) Bogoras, American Anthropologist, N ew Series 3, 91. — 2) L. Schultze, Aus
N am aland und Kalahari (Jena 1907) S. 207. — 3) H. Frobenius, Die H eiden-N eger des
ägyptischen Sudan (Berlin 1893) S. 150. — 4) E. Torday and T. A. Joicc, Man 7, Nr. 52. —
5) F. v. Duhn, Arch. f. R eligionsw iss. 9, lff. [vgl. jedoch die Ausführungen von Sonny,
Arch. f. Religionsw . 9, 525f., der sich auf Grund genauer Untersuchungen der Funde
nicht für eine Bem alung der Gebeine, sondern für eine B egiessu n g mit roter Farblösung
— zum Ersatz des ursprünglichen Blutopfers — ausspricht; w eiteres bei Sam ler,
Geburt usw. S. 192f.J. — 6) Hartmann, N illänder S. 173. — 7) The Im perial Gazetteer of
India (Oxford 1907/1908) 8, 103.
Zur Symbolik der Farben.
255
Öffnet, die Knochen rot bem alt und dann w ieder bestattet. Bei den B e­
wohnern der A ndam anen1) trägt die W itw e zeitlebens den m it einer
roten, w ohlriechenden Masse bestrichenen Schädel ihres verstorbenen
G atten an einer Schnur um den Hals, auf den Inseln der T orresstrasse2)
w erden die Schädel gereinigt, rot bem alt und von den H interbliebenen
des Toten aufbew ahrt; auf den im Norden von N eu-G uinea gelegenen
kleinen Inseln W uw ula und A ua3) w erden die Lippen V erstorbener rot
gefärbt. In diesem Zusam m enhange sei noch einer eigentüm lichen An­
schauung gedacht, die in einigen G egenden des B ism arck-A rchipels4)
besteh t; hier sollen näm lich alle, die eines gewaltsam en Todes gestorben
sind, sich bei ihrem E in tritt in das Totenreich in einem roten See baden,
angeblich, um sich von der Asche des Scheiterhaufens zu reinigen, w ahr­
scheinlich aber doch wohl darum, um ihren B lutverlust w ieder zu er­
setzen. Die nordam erikanischen In d ian e r5) gaben früher den Toten häufig
Gefässe m it ro ter O ckerfarbe m it in das Grab, die Irokesen gruben ihre
verstorbenen Angehörigen m ehrere Male w ieder aus, bem alten sie m it
roter F arb e und bekleideten sie m it neuen Gewändern. In F lorida und
bei einigen Stäm men K aliforniens wurden die gereinigten Schädel rot
bem alt, die Bororo in B rasilien färben alle Knochen der Toten rot, die
C havantes6) graben die Leichen nach einem Jah re aus, bem alen die
Knochen m it ro ter F arbe und bestatten sie dann wieder.
W ie die Knochen der Toten, so werden auch andere z a u b e r k r ä f t i g e
G e g e n s t ä n d e m it r o t e r F a r b e b e s t r i c h e n , und auch hier soll diese
Bem alung entw eder ihre magische K raft steigern oder das B lut geopferter
T iere oder Menschen ersetzen. Die als Abw ehrm ittel dienenden P riapusfiguren und P halli der G riechen7) waren häufig rot bem alt, ebenso die
G esichter der Statuen der Dionysos; [mit Zinnober war das A ntlitz des
Ju p p iter Capitolinus und nach diesem Vorbild das des T rium phators
g e fä rb t8)]; in der Nähe von T iberias bem erkte R ouse9) an einem heiligen
Baume drei rote Streifen, die von einem Manne angebracht waren, der
dadurch seine D an k b ark eit für die Genesung seines Sohnes bekunden
wollte. Bei dem alljährlich im F elsentem pel von T ilok Sendur in In d ie n 10)
gefeierten F est tauchen fromme P ilg er ihre H ände in ein Gefäss m it
ro ter F arb e und drücken sie dann m it den F ingern nach oben gerichtet
an die W and des Tem pels, um dadurch W ohlergehen und G esundheit
1) v. Duhn, Archiv 9, 17. — 2) Nach Haddon, Globus 86, 179. — 3) P. Hambruch,
W uwula und Aua (Hamburg 1908) S. 34. — 4) R. Thurnwald, Zs. f. Ethnol. 42, 131. —
5) Hrdlicka, American Anthropologist, New Series 3, 715ff. [vgl. Schiller in ‘Nadowessiers
Totenlied’ Str. 12: Farben auch, den Leib zu m alen, Steckt ihm in die Hand, Dass er
rötlich m öge strahlen In der Seelen Land!]. — 6) Martius, Zur Ethnographie Amerikas
5. 290. — 7) W. Schwartz, Zs. f. Ethnol. 6, 170. — 8) [Plin. nat. hist. 33, 5; Serv. Buc.
6, 22. W eitere Beispiele zur Rotfärbung von Götterbildern s. Liebrecht, Zur Volksk. S. 396;
Zachariae, oben 20, 141 f.]. — 9) Rouse, Folklore 4, 172. — 10) Crooke, Populär
R eligion 2, 38.
256
Berkusky:
ih rer K inder zu fördern. In den V ereinigten Provinzen in N ordindien1)
bestreichen F rau en, die das L eben ihres Mannes zu verlängern wünschen,
einen heiligen Pipal-B aum m it ro ter F a rb e ; in G urgaon2) sucht man eine
Viehseuche dadurch fernzuhalten, dass man allerlei rot bem alte Zauber­
m ittel (Zw iebeln, Nägel, Modelle von Pflügen u. a.) an ein über den
E ingang zum D orf gespanntes Seil hängt. Die A u stralier3) bestreichen
ihre zauberkräftigen Steine jedesm al, bevor sie verw endet werden, m it
rotem O cker; auch h ie r4) finden sich in m anchen G egenden an den
W änden der Sandsteinhöhlen zahlreiche rotgefärbte H andabdrücke, die
verm utlich ein Opfer für die in den H öhlen hausenden G eister sein
sollen. A uf den w estlichen Inseln der T orresstrasse5) schleudert man, um
einen fernen F ein d zu töten, einen rotgefärbten K rokodilzahn oder einen
rotbem alten Stein nach der R ichtung, in der man den G egner verm utet.
In der Nähe des Apachendorfes Kochiti am Rio G rande6) liegen die
R uinen einer alten Siedlung; unter den T rüm m ern befinden sich noch
zwei gut erhaltene steinerne Idole, die öfter von den in der Umgegend
wohnenden Indianern aufgesucht und m it roter F arb e bestrichen w erden;
frü h er soll hierzu das B lut geopferter M enschen verw endet worden sein.
Die D a k o ta-In d ian er7) bem alten früher vor der Schlacht ihre Lanzen und
W urfbeile m it ro ter F arbe, und ebenso wurden die m agischen Steine
(T u n k an ) vor dem G ebrauch rot angestrichen. Die C heyenne8) trugen als
Schutzam ulett ein H alsband aus P erlen und daran die abgeschnittenen
F in g e r getöteter F einde, auch diese wurden, teils um sie besser zu kon­
servieren, teils aber auch, um ihre W irksam keit zu steigern, von Zeit zu
Z eit m it rotem O cker eingerieben.
W ährend der fast unbekleidete Mensch die rote F arb e unm ittelbar
auf seine H aut aufträgt, wird diese Sitte in dem Masse, wie das Bedürfnis
nach einer vollständigeren B ekleidung des K örpers zunim m t, m ehr und
m ehr durch das T ragen r o t e r G e w ä n d e r und ro ter A m u l e t t e ersetzt;
auch diese sollen die Lebensenergie des K örpers und seine W iderstands­
k raft gegen schädliche Einflüsse aller A rt steigern. Die Vorstellung, dass
die m agische K raft eines Zauberm ittels durch das B estreichen m it roter
F arb e erhöht wird, erw eitert sich schliesslich dahin, in allen rotfarbigen
G egenständen ein w irksam es Schutz- und A bw ehrm ittel zu sehen. R ot
sind die B lu tsteine9), die, auf eine W tfnde gelegt, das Blut stillen sollen;
u n ter den A d lersteinen10), die früher vielfach zur E rleichterung der G eburt
verw endet wurden, galten die rotgefärbten, die ‘m ännlichen’, als besonders
1) Bouse, Folklore 7, 205. — 2) Ders., ebd. 6, 100. — 3) Eylmann, Eingeb. v. Südaustr.
S. 190. — 4) Curr, Australian Race 2, 476. — 5) Report on the Cambridge A nthropological
Expedition to the Torres Straits 5, 324. — 6) J. G. Bourke, Folklore 2, 438. — 7) Dorsey,
A Study of Siouan Cults S. 528. 447. — 8) G. J. Bourke, 9. Annual Report S. 482. —
9) W uttke § 477. — 10) Fr. Eaumanns, H ess. Bl. f. Volksk. 5, 135.
Zur Sym bolik der Farben.
257
wirksam . Nach den Angaben des A grippa von N ettesheim 1) ist das an
eine H olunderw urzel gebundene und m it dem Urin eines roten Stieres
durchtränkte Auge eines brünstigen H irsches ein unfehlbares M ittel zur
S tärkung der sexuellen Potenz. In O berbayern2) w indet man eine ge­
w eihte rote W achskerze um das H andgelenk einer W öchnerin, im F rick tal
in der Schw eiz3) w erden F ie b erk ran k e in einen roten F rauenrock gehüllt,
rote H alsb än d er4) schützen kleine K inder gegen das Beschreien.
In
m anchen Gegenden D eutschlands tragen kleine K inder zur E rleichterung
des Zahnens ein H alsband aus roten K orallen; schon im M ittelalter“)
galten solche K orallen als ein w irksam es Am ulett, sie wurden auch auf
den F eld ern vergraben, um das Korn gegen H agelschlag zu sichern. Bei
den S iebenbürger S achsen6) tragen kleine K inder als ‘B lickableiter’ gegen
den bösen B lick an ihrem H äubchen über der Stirn ein rotes Band, bei
den ungarischen Z igeunern7) tragen schwangere F rau en ein Büschel roter
H aare auf dem Leib, um leichter zu gebären. Die H uzulen in der B uko­
w ina8) hängen den K älbern zum Schutz gegen den bösen B lick ein
Säckchen m it ro ter W olle um den H als, die E ste n 9) schützen ihre K inder
gegen Zauberei durch ein H alsband aus roter W olle, bei den R ussen10)
g ilt ein um den H als oder um den Arm gebundener F aden aus roter
W olle als ein Schutz- und H eilm ittel gegen Scharlach. In den skandi­
navischen L än d e rn 11) w ehren rote B änder den bösen B lick ab, ebenso in
S chottland12); in D onegal in Irla n d 13) bindet m an behexten K ühen einen
roten F aden um den Schwanz, auf dieselbe W eise14) sucht man die Kühe
auch gegen die ‘fairies’ zu schützen. In M assachusetts15) gilt ein um den
L eib gebundenes rotes Band als ein H eilm ittel gegen die S eekrankheit;
in einigen Gegenden des Staates New York und in K ansas16) sollen am
H alse getragene rote P erlen oder rote Bohnen das N asenbluten stillen,
bei den deutschen A nsiedlern in der kanadischen Provinz O ntario17) ein
um den F in g er gebundener ro ter F a d e n 18).
Die alten Ä gypter19) gaben den Toten, um sie auf ih rer R eise ins
1)
Agrippas von N ettesheim m agische Werke 4 (Stuttgart 1856) S. 293. — 2) E. Samter,
Geburt, H ochzeit und Tod S. 70. — 3) v. Duhn, Archiv für R eligionsw issenschaft 9, 8. —
4) Wuttke § 413. — 5) Schindler, Der Aberglaube des M ittelalters S. 347. 187. —
6) v. W lislocki, Volksglaube der Siebenbürger Sachsen S. 144. — 7) v. W lislocki, Ethnol.
Mitt. aus Ungarn 1 , 275. — 8) Fr. K aindl, Die Huzulen (W ien 1894) S. 75. —
9) J. W. Boecler-K reutzwald, Der Esten abergläubische Gebräuche (St. Petersburg 1854)
S. 60. — 10) G. W. Abbot, Macedonian Folklore (Cambridge 1903) S. 227. — 11) H. F. F eil­
berg, oben 11, 324 [vgl. 22, 182]. — 12) R. C. Maclagan, Folklore 6, 155. — 13) Th. Doherty, ebd. 8, 15. — 14) A. C. Haddon, ebd. 4, 359. — 15) Bergen, Memoirs of the
Am erican Folklore Society 4, Nr. 815. 801. — 16) G. O. Davenport, Journal of Am. Folkl.
11, 132. — 17) W. J. W intemberg, ebd. 12, 47. — 18) [Über rote Fadenam ulette vgl.
ferner Rochholz, Glaube und Brauch 2, 2 0 4 f.; Liebrecht, Zur Volksk. S. 305f.; Zachariae,
oben 21, 155; Abt, Apol. des Apul. S. 148; P ley, D e lanae usu (G iessen 1911) S. 92;
Scheftelow itz, Schlingen- und N etzm otiv S. 32 f. 46f. 57; oben 3, 20. 8, 39. 169. 172J. —
19) A. W allis Budge, E gytian M agic (London 1899) S. 60.
Zeitschr. d. V ereins f. V olkskun de. 1913. H eft 3.
17
258
Berkusky:
Jenseits gegen Schlangenbisse zu schützen, ein A m ulett in F orm eines
Schlangenkopfes aus rotem Jaspis oder einem anderen rotfarbigen Stein
oder M etall m it ins Grab. D ie Ju d e n 1) banden ihren K indern gegen den
bösen B lick einen roten F aden um den F in g er; eine an die W and des
Hauses gem alte rote H and gilt noch heute bei den Juden P alästin as2), in
N ordw estafrika3) und im ganzen O rient als Schutzm ittel gegen Z auberer
und böse G eister. In S yrien4) bindet man ein rotes Band um die W ein­
stöcke, dam it sie gedeihen und gute F rüchte tragen; auf der Insel L esbos5)
w erden am G ründonnerstag T üren und F en ster m it roten B lum en ge­
schm ückt, auch dies hat wohl, ursprünglich wenigstens, den Zweck, alles
Böse von dem H ause und seinen Bewohnern fernzuhalten. H ier sei noch
eine eigentüm liche, wie es scheint vereinzelt dastehende Form der B luts­
brüderschaft erw ähnt; bei den M asai6) in O stafrika überreichen sich
zwei M änner oder zwei F rauen, die einen B lutbund geschlossen haben,
eine rote P erle.
Auch in Indien gelten r o t e K o r a l l e n als ein S c h u t z m i t t e l gegen
den bösen B lick 7), im P anjab legt m an sie häufig V erstorbenen in den
M und; bei den M alers8) führt der D orfvorsteher einen neuen Z auber­
priester in sein Am t ein, indem er ihm einen m it Muscheln behängten
roten Seidenfaden um den H als bindet. In S arw ar9) m alt man, bevor
m an ein neues H aus bezieht, die F ig u r des Gottes Ganesha m it ro ter
F arb e an die T ür. Die rote F arb e ist den D äm onen ganz besonders
verhasst; w er daher nachts einen bösen G eist zitieren w ill10), muss ein
rotes K leid anziehen, um von dem Dämon nicht überw ältigt zu werden.
W enn aber ein B huiya11) m it einem roten Gewände in den W ald gehtr
muss er sich vor bestim m ten Bäum en, die als W ohnsitz böser G eister
gelten, verneigen, sonst fahren die D äm onen in seinen L eib und töten
ihn, um ihn für diese H erausforderung zu bestrafen. In Siam 12) hängt
m an ein rotes Tuch an den Bug der Kaufboote, um G lück im H andel zu
haben; der chinesische B au er13) heftet an seinen K arren ein Stück rotes
P ap ier m it dem W ortzeichen fu [= Glück] beschrieben. Magische Schrift­
zeichen w erden in C hina14) in der R egel m it ro ter F arbe (oder auch m it
B lut) auf P ap ier geschrieben; derartige Z ettel gelten als w irksam e Schutz­
am ulette gegen K rankheiten und böse Geister. E in Mandaya15), der 5
bis 10 F einde getötet hat, w indet sich ein rotes Tuch um den Kopf, hat
1) H. Lewy, oben 3, 24. — 2) B. W. Schiffer, Am Urquell 5, 225. — 3) ten Kate,
Verh. d. Berl. Ges. für Anthr. 1887 S. 373. — 4) Fr. Sessions, Folklore 9, 4. —
5) G. G eorgeakis et L. Pineau, Le F olk -L ore des Lesbos (Paris 1894) S. 300. —
6) A. C. H ollis, The N andi (Oxford 1909) S. 85. — 7) Crooke, Populär R eligion 2, 15. 69. —
8) Dalton, Zs. f. Ethnol. 6, 357. — 9) Rouse, Folklore 6, 96. — 10) Ders., ebd. 7, 213. —
11) Crooke, Tribes and Castes 2, 83. — 12) Bastian, Reisen in Siam S. 197. —
13) G. M. Stenz, Anthropos 1, 862. — 14) v. d. Goltz, Mitt. der deutschen Ges. f. d.
Natur- und Völkerkunde Ostasiens 6, 5. — 15) Blum entritt, Mitt. der k. k. geogr. Ges^
in W ien 33, 237.
Zur Symbolik der Farben.
259
er 10 bis 20 F ein de getötet, so legt er dazu noch ein rote Jacke an, und
wenn m ehr als 20 F einde von seiner H and gefallen sind, so träg t er
ausserdem noch eine rote H ose; bei einigen Stäm men im Süden der
Insel M indanao1) hat jed er, der einen F eind erschlagen hat, das R echt,
ein rotes Kopftuch zu tragen.
D ie rote K leidung des Siegers ist wohl
nicht n u r eine ehrende Auszeichnung und ein Beweis für seine K raft und
K ühnheit, sondern auch ein Schutzm ittel gegen die G eister der getöteten
Feinde. D ie Idole der O stjaken*) sind häufig m it roten Gewändern b e­
kleidet, um ihre magische K raft zu steigern; rote B änder um den Arm
oder um den H als gelten auch hier als w irksam e Am ulette, die Onggoi,
die ‘S ch u tzg itter’ der K alm ücken, sind aus vier roten Baumwolllappen
hergestellt.
W enn die Bewohner der Insel N euguinea3) in der Nähe ihrer H ütten
oder auf ihren Tarofeldern m it Y orliebe r o t b l ü h e n d e B lu m e n u n d
S t r ä u c h e r anpflanzen, so scheint auch d ies’ den Zweck zu haben, alles
Unheil von den H ütten und den F eldern fernzuhalten. Bei den W innebago-Indianern4) gab es frü h er eine ‘R ote-M edizin-Tanzgesellschaft’; die
M itglieder dieser G esellschaft tranken vor dem Tanz in W asser zerkochte
rote Beeren, die den T änzern m agische K räfte m itteilen sollten. Auch
andere Siouxstämme hatten eine rote Medizin, eine B ohnenart von scharlach­
roter F arbe, w er solche Bohnen bei sich trug, war gegen alles U nglück
gefeit; die O jibw a-Indianer5) kannten früher ein magisches rotes P ulver,
dem die K raft zugeschrieben wurde, alle K rankheiten zu heilen.
W as von der roten F arb e gilt, m it der bei einigen Völkern Indiens
die B rautleute eingerieben werden, das gilt auch von den roten Gewändern
und roten Schm uckstücken, die b e i H o c h z e i t e n getragen w erden6).
Auch diese sollen alles Unheil fernhalten und die sexuelle Potenz der
jungen E heleute steigern; oft genug freilich ist die ursprüngliche Be­
deutung dieser Sitte verloren gegangen und die rote F arb e ist schliesslich
nichts w eiter m ehr als ein Sinnbild der Lebensfreude. Bei der deutschen
B auernbevölkerung in der Umgegend von Iglau in M ähren7) ist das Seil,
das den Hochzeitszug aufhalten soll, m it roten Tüchern behängt, in
A argau8) ist die zu dem selben Zweck über den W eg gehaltene Stange
m it roten B ändern um wunden, bei den W eissrussen im G ouvernem ent
Sm olensk9) ist der K um m et der P ferde vor dem H ochzeitswagen m it
roten B ändern geschm ückt. W enn in A lbanien10) die B raut zum Hause
1) A. Schadenberg, Zs. f. Ethnol. 17, 18. — 2) A. Castren, Vorlesungen über linn.
Mythol. (St. Petersburg 1853) S. 220. 234. — 3) M. K rieger, N eu-G uinea (Berlin 5898)
S. 18. — 4) Dorsey, 11. Annual Report S. 429. 416. — 5) Bourke, 9. Annual Report S. 531.
6) [Ausser dem unten beigebrachten M aterial vgl. W einhold, Dt. Frauen im M a.8 1, 339;
Zachariae, W iener Zs. f. d. Kunde des Morgenl. 17, 1 5 0 f; ferner oben 8, 429; 10, 223;
15, 439], — 7) p r> P iger, oben 6, 260. — 8) Samter, Geburt, H ochzeit und Tod S. 167;
[ders. Fam ilienfeste S. 51 f.]. — 9) O. B artels, Zs. f. Ethnol. 35, 653. — 10) Th. Löbel,
H ochzeitsgebräuche in der Türkei (Amsterdam 1897) S. 171. 210.
17*
260
Berkusky:
des B räutigam s reitet, h ü llt sie sich in einen roten Schleier; in Bulgarien
reiten an der Spitze des Zuges, der den B räutigam zum H ause der B raut
geleitet, ‘S ch n ellreiter’, die ein langes rotes Tuch an den rechten Zügel
ihres P ferdes gebunden haben, der B rautführer träg t eine rote F ahne.
Bei den M ordwinen in O strussland1) wird die B raut m it einem rot­
seidenen Kopftuch bedeckt dem B räutigam zugeführt, in M ek k a2) wird
das H eiratsgeld (der B rautpreis) einige Tage vor der H ochzeit von V er­
w andten des B räutigam s auf einem m it fünf E llen roten Stoffes belegten
T ab lett zum H ause des B rautvaters g e b ra c h t
[Auch in der B rauttracht
der R öm er spielte die rote F arb e eine wichtige R o lle 3)].
In den vereinigten Provinzen in N ordindien4) träg t der B räutigam in
der R egel ein rotes Gewand, in S arw ar5) streut er, bevor er m it seiner
B raut sein H eim b etritt, ein rotes P u lv er auf die E rde, als Opfer für die
E rdgöttin und als Schutz gegen böse G eister. Bei der m oham m edanischen
B evölkerung des P a n ja b 6) findet kurz vor der Eheschliessung im H ause
des B räutigam s eine eigentüm liche Zerem onie statt; vier M änner halten
ein rotes Tuch baldachinartig ü ber den B räutigam , und einer von ihnen
hat ein blosses Schw ert in der H and; hierdurch sollen alle bösen G eister
ferngehalten werden. Nach dem Vollzüge der E he käm m t die F rau des
D orfbarbiers die junge F ra u m it roten Käm m en und flicht rotseidene
B änder in ihr H aar. Bei den Mandschus in N ordchina7) sendet der Bräutigam
seiner B raut die für sie bestim m ten Schm ucksachen in einem rot aus­
geschlagenen K ästchen, bei der E ntgegennahm e dieser Geschenke erscheint
die B raut in einem roten K leid; nach einigen Tagen schickt ihr der
B räutigam 4 Schweine, 4 Schafe, 4 Gänse und 4 E nten, deren R ücken
ro t g efärbt ist. Vor der Sänfte, in der die rotgekleidete B raut in das
Haus ihres V erlobten gebracht wird, gehen zw ei'M änner m it roten T üchern;
im H ause des B räutigam s wird der W eg von der T ü r bis zum B raut­
gem ach m it roten T eppichen belegt. Auch bei den eigentlichen C hinesen8)
schickt der B räutigam seiner V erlobten häufig 8 rot gefärbte Gänse und
8 Schafe, deren R ücken ebenfalls rot bem alt ist; für diesen Zweck be­
stim m te und gefärbte T iere sind zu je d e r Z eit auf allen M arktplätzen zu
kaufen.
D ie rote F arb e ist ein Sinnbild der L ebenskraft und L ebensfreude
und daher auch eine G l ü c k s f a r b e ; nach deutschem V olksglauben8)
d eu tet eine im H erbst blühende rote Rose auf eine baldige H ochzeit;
sieht m an in Sachsen10) im F rühling zuerst einen roten Schm etterling,
so d arf man der Z ukunft m it frohen Hoffnungen entgegensehen. W enn
1) J. Abercromby, Folklore 1, 447. — 2) C. Snouck Hurgronje, Mekka 2 (H aag 1889)
S. 159. — 3) [Sam ter, Fam ilienf. S. 40. 47. 52]. — 4) Rouse, Folklore 7, 208. — 5) Ders.,
ebd. 6, 97. — 6) Mc. Nair and T. L. Barlow, ebd. 9, 140. 148. — 7) J. H. St. Lockhart,
ebd. 1, 484. — 8) N ach C. Arendt, Globus 55, 383. — 9) W uttke § 285. — 10) Veckenstedt in seiner Zs. f. Volksk. 1, 241.
Zur Symbolik der Farben.
261
ein griechisches M ädchen1) wissen will, w er ihr Z ukünftiger sein wird,
legt sie abends drei verschiedenfarbige B änder unter ihr K opfkissen und
zieht am nächsten Morgen aufs Geratewohl ein Band hervor; ist es rot, so wird
sie einen Jün g lin g heiraten, ist es schwarz, einen W itw er, und ist es blau,
so w ird ein F rem d er sie zum W eibe begehren. W er in der Landschaft
G hilghit in K aschm ir2) sich im T raum e in einem roten Gewände auf einem
roten Pferde reiten sieht, hat bald ein grosses G lück zu e rw a rte n ; um ­
gek eh rt aber bedeutet es U nglück, wenn man träum t, in schwarzer K leidung
auf einem schwarzen P ferde zu sitzen. W ie in Gutach im Schwarzwald
die M ädchen auf ihren H üten ro te, F rauen aber schwarze Troddeln
tragen, so winden bei einigen eingeborenen Stäm men S üdchinas3) Burschen
und M ädchen einen roten T urban um ihren Kopf, V erheiratete einen
schwarzen, und ähnlich tragen bei den Tschinwan auf F orm osa4) ledige
W eiber eine rote, verheiratete dagegen eine schwarze Mütze. Auf der
Insel M adagaskar6) gilt die rote F arb e als besonders vornehm, in der
m adagassischen Magie ist der F reitag der T ag der Adeligen und zugleich
der T ag alles R oten; in früheren Z eiten 6) durften nur die M itglieder der
königlichen F am ilie scharlachrote G ew änder tragen.
W ie schwarze und weisse T iere m it V orliebe als O p f e r verw endet
werden, so auch rote; auch sie sollen, wie das B estreichen mit B lut oder
m it ro ter F arb e oder das E inhüllen in rote Gewänder, die magische K raft
des Geistes steigern, dem sie geopfert w erden; bei m anchen heidnischen
Stäm m en des westlichen S udan7) gelten nur schwarze, weisse oder rote
H ühner als geeignete O pfertiere.
[In m anchen F ällen ist freilich der
Grund für die W ahl roter O pfertiere anders zu erklären; so w urden in
Rom in jedem F rü h jah r von Staats wegen rötliche H unde geopfert (Augurium
canarium ), um von den Saatfeldern allzugrosse Sonnenglut fernzuhalten8).
Auf Rhodos w urden dem Helios weisse oder rote T iere g eo p fert9). H ier
liegen ohne Zweifel sym pathetische G edankenverbindungen zugrunde,
ebenso wie wenn die rote F arb e in Segen gegen R otlauf eine Rolle
sp ielt10)]. D ie Ghasiya in N ordindien11) bringen nach der R eisernte der
F eldgöttin H ariyari Dewi rote H ühner und einen roten H ahn dar, die
M ajhwär opfern bei K rankheiten dem Schlangengott Nag eine rote Ziege,
ein rotes H uhn und zehn Kuchen, die Mischmis in A ssam 12) schlachten
bei der B eerdigung einer Leiche einen roten H ahn und eine rote Henne.
W enn Kam ang T rio, der Schutzpatron der K opfjäger im Innern Borneos13)
1) Lawson, Modern Greek Folklore S. 303. — 2) G. W. Leitner, The Hunza and
N agyr Handbook (2. Edition 1893) S. 193. — 3) Nach J. Monpeyrat, Mitt. der k. k. geogr.
Ges. in W ien 47, 111. — 4) Kisak Tamai, Globus 70, 96. — 5) Sibree, Folklore 3, 225. —
6) Ders., M adagaskar (Leipzig 1881) S. 206. — 7) H. Barth, Reisen und Entdeckungen 1
(Gotha 1859) S. 406. — 8) [Festus p. 285; Paulus p. 45; Serv. z. Georg 4, 425; vgl.
Deubner, N eue Jahrbücher 14, 328]. — 9) [Ziehen, L eges sacrae 2 ,1 nr. 149], — 10) [Oben
8, 389]. — 11) Crooke, Tribes and Castes 2, 418; 3, 436. — 12) D alton, Zs. f. Ethnol.
5, 190. — 13) Schadee, Bijdragen, 7. F olge, 5, 218.
262
Berkusky:
K rankheiten verursacht hat, wird ihm ein H und mit rotem F ell oder ein
H ahn m it roten F ed ern geopfert; diesem blutdürstigen Däm on sind naturgemäss rotgefärbte O pfertiere am m eisten erwünscht. E in K aro-B atak1),
der seinen F ein d vernichten will, um w ickelt H als und Kopf eines roten
H undes oder eines roten H ahnes m it Nesseln und vergräbt das T ier unter
der H austreppe seines Gegners. R ote H unde und rote H ähne gelten als
besonders bösartig, wie denn ja auch nach deutschem V olksglauben2) in
einem roten Schwein eine H exe stecken soll, und der T eufel m itunter in
einem roten K leid erscheint. [Auch der W ilde Jä g e r und der W asser­
mann träg t nach deutschem V olksglauben bisweilen rote T ra c h t3)]; ebenso
deuten rote H aare und rote Augen auf einen schlechten C harakter.
W enn stellenw eise auch die L e i c h e n in rote G ew änder gehüllt oder
in roten Särgen beigesetzt werden, so geschieht dies wohl teils aus den­
selben G ründen wie das B em alen der T oten m it roter F arbe, teils aber
auch darum , um den T oten im G rabe festzuhalten; wie die rote F arb e
ein Schutzm ittel gegen böse G eister ist, so soll sie auch den T oten ver­
hindern, sein Grab zu verlassen und die L ebenden zu beunruhigen. In
S p a rta 4) w ickelte man die V erstorbenen in rote D ecken ein, die Leichen
indischer F ü rsten werden in rotseidenen T üchern beigesetzt, auch in Italien
w urden früher die Toten in rote T ücher gehüllt, die T otenkapellen waren
rot ausgeschlagen und die L eidtragenden erschienen zur Beerdigung in
roten Gewändern. D ie Leichen neuseeländischer H äuptlinge w urden in
rote D ecken gew ickelt und in einen roten Sarg gelegt; die Eskim o an
der B erin g strasse5), die ihre T oten — schon wegen der Schw ierigkeit, in
dem h art gefrorenen Boden ein G rab zu graben — über der E rde bei­
setzen, bestreichen häufig den Sarg und die Pfosten, auf denen er ruht,
m it ro ter F arbe. D iese V erbindung zwischen R ot und Tod erk lä rt auch
die Angabe eines siam esischen T raum buches6), nach der m an bald sterben
wird, wenn man sich im T raum e in roter K leidung sieht; nach indischem
V olksglauben7) bedeutet es dasselbe, wenn m an im Traum einen Kranz
ro ter B lum en auf dem K opf trägt.
4. Gelb.
Von den übrigen F arb en sollen hier nur noch Gelb und Blau kurz
behandelt werden. W as zunächst die g e lb e F a r b e angeht, so steht sie
in ih rer sinnbildlichen B edeutung dem R ot am nächsten; sie soll gleich
ihm die L ebensenergie des K örpers steigern und U nheil abw ehren; bei
den Munda, Santal und anderen prim itiven Stäm m en B engalens8) werden
1) C. J. W estenberg, Bijdragen, 6. F olge, 5, 236. — 2) v. Duhn, Arch. f. Relw. 9, 22. —
3) [Oben 4, 290. 297; 11, 206]. — 4) Samter, Geburt, H ochzeit und Tod S. 190; [dort
w eiteres M aterial aus dem Altertum]. — 5) E. W. N elson, 18. Annual Report, S. 314. —
6) 0 . Frankfurter, Intern. Arch. für Ethnogr. 8, 152 — 7) v. Duhn a. a. 0 . S. 7. —
8) D alton, Zs. f. Ethno'l. 6, 262.
Zur Sym bolik der Farben.
263
die B rautleute am Hochzeitstage m it gelber F arb e bestrichen, bei den
R ajp u ten 1) und bei einigen anderen K asten Indiens sind die H ochzeits­
gew änder gelb, [reticula lutea (K opftücher?) w erden unter den K leidungs­
stücken der B raut in Rom genannt2)], indische A sketen tragen häufig
gelbe Gewänder, in m anchen G egenden w erden auch die Leichen m it
gelber F arb e b estrichen3). Gelb gefärbter R eis gilt im festländischen
Indien wie in Indonesien als ein Schutz- und A bw ehrm ittel gegen böse
G eister; auf der Insel S um atra4) w erden vornehm e oder gern gesehene
G äste bei ih rer A nkunft m it gelbem R eis bestreut. W enn der Z auber­
priester der D a ja k 5) in das Land der Toten reist, um die Seele eines
S chw erkranken w ieder zu holen, nim m t er zum Schutz gegen die ihn
unterw egs bedrohenden bösen G eister gelbgefärbten R eis mit.
D ie
A pachen6) reiben K ranke m it einem gelben P u lv er ein, das auch zu vielen
anderen Zw ecken verw endet w ird; kleinen Kindern hängt man Säckchen
m it diesem P u lv er als Schutzam ulett um den Hals, vor der Aussaat wird es
auf die F elder, vor dem Schlangentanz über die Schlangen gestreut.
5. Blau.
S teht die gelbe F arb e in ih rer sinnbildlichen B edeutung der roten
am nächsten, so die b l a u e F a r b e der schwarzen; die P rärie-Indianer
stellten in den Malereien, m it denen sie die Aussenseiten ihrer kegel­
förmigen Büffelhautzelte schm ückten, die N acht ebenso häufig m it blauer
wie m it schwarzer F arb e dar. U nter V ölkern m it schwarzer oder brünetter
Augen- und H aarfarbe sind Menschen m it blauen Augen eine seltene und
frem dartige E rscheinung; sie werden daher m it M isstrauen betrachtet und
sind häufig wegen ihres ‘bösen B lickes’ gefürchtet; ‘kein H eil bei den
B londen’ sagt schon der P rophet M oham m ed7) von ihnen.
W ie die
schwarze F arb e vor den Däm onen der F insternis schützt, so ist die blaue
F arb e ein A bw ehrm ittel gegen den bösen B lick. In manchen Gegenden
G riechenlands8) stehen Menschen m it blauen Augen im V erdacht, den
bösen B lick zu besitzen, zum Schutze gegen sie werden blaue Perlen,
blaue Steine oder A m ulette aus blauem Glas getragen. In S yrien9) gelten
vor allem F rauen m it blauen Augen als bösartig und gefährlich, man
schützt sich vor ihnen durch einen blauen T ürkis am F in g errin g ; in
A rm enien10) tragen kleine K inder ein vom P riester gew eihtes Halsband
aus blauen P erlen. Ü berall im O rient, in M akedonien11), in K leinasien12),
1) R isley, Census of Iudia 1901, 3, 82. [Vgl. oben 14, 204. 398], — 2) [Festus p. 256;
über N etze im H ochzeitsbrauch s. Scheftelowitz, Schlingenm otiv S. 5 4 f.]. — 3) Cro»ke,
Populär R eligion 2, 20. 26. — 4) W. L. Larive, Tijdschrift 18, 241. — 5) Schadee, Bijdragen
5, 220. — 6) Bourke, 9. Annual Report S. 501 ff. — 7) von Mülinen, Deutsche
Revue
33, 43. — 8) Lawson, Modern Greek Folklore S. 9. — 9) Sessions, Folklore 9, 9. —
10) G. A. Edwards, Journal of Am. F olkl. 12, 401. . — 11) Abbot, Macedonian Folklore
S. 144. — 12) Naqji P- W. de Jerphanion, Globus 91,
116.
264
Berkusky: Zur Symbolik der Farben.
in Syrien und in A rab ien 1) werden den P ferden und M aultieren blaue
G lasperlen in den Schweif und in die Mähnen geflochten, oder R inge
aus blauem Glas oder blauem P orzellan an den H als gehängt.
In
ägyptischen G rä b e rn 2) hat m an häufig S karabäen und Schutzam ulette aus
blauem Glas oder blauen Steinen gefunden; auch hier wurde der blauen
F arb e eine U nheil abw ehrende K raft zugeschrieben, daher hiess die
Indigopflanze, die den F arbstoff für die m it V orliebe getragenen blauen
G ew änder lieferte, D ar-neken, ‘vor Schaden bew ahrend’3). In F erghana
im russischen Z en tralasien 4) ist die F arb e der T rauerkleidung blau, eine
W itw e, die das Grab ihres Mannes besucht, legt vorher eine blaue L eib­
binde an. [Blau als T rauerfarbe war ferner gebräuchlich auf F ö h r6) und
angeblich auch im alten R o m 6]. Auch in Indien gelten blaue P e rle n 7)
oder blaue H alsb än d er8) als ein Schutzm ittel gegen den bösen B lick; bei
den G oajiro-Indianern in N ordcolom bia9) sind Menschen m it blauen Augen
so gefürchtet, dass sie nicht selten überfallen und getötet werden.
In vereinzelten F ällen gilt die blaue F arb e auch als ein S i n n b i l d
d e s W a s s e r s ; die Ä gypter10) stellten den K ataraktengott in blauer F a rb e
dar, bei den M exikanern11) bekleidete man die K inder, die gewissen, im
W asser stehenden F elsen geopfert w urden, m it blauen Gewändern.
D ixon12) v erm u tet, dass zahlreiche Indianerstäm m e N ordam erikas die
H im m elsrichtung Süden darum durch die blaue F arb e sym bolisiert hätten,
weil die grösste ihnen bekannte W asserfläche, der m exikanische Golf, im
Süden liegt. Ob diese V erm utung zutrifft, ist freilich zweifelhaft, da auch
jed e der übrigen fünf K ardinalrichtungen13) häufig durch die blaue F arbe
sym bolisiert w urde; die G ründe hierfür, die wir wohl verm uten, aber noch
nicht m it einiger Sicherheit feststellen können, sind so verschieden, dass
sich k eine allgem eineren A ngaben darüber m achen lassen. D asselbe gilt
für viele andere F älle, in denen einer bestim m ten F arb e infolge eines
eindrucksvollen E rlebnisses, eines T raum es oder aus irgendw elchen anderen
G ründen eine besondere B edeutung zugeschrieben wird.
1) Musil, Arabia Petraea 3, 315. — 2) W allis Budge, E gyptian M agic S. 40. —
3) H. B rugsch-P ascha, Aus dem M orgenlande (Leipzig, Reclam) S. 20. — 4) W . B ugiel,
Mitt. der anthrop. Ges. in W ien Bd. 20, Sitzungsberichte S. 99. — 5} [Häberlin, oben
19, 264]. — 6) [Cato b. Serv. Aen. 3, 64]. — 7) Crooke, Populär R eligion 2, 19. —
8) Crooke, Tribes and Castes 2, 40. — 9) Fr. C. N icolas, American Anthropologist 3, 647. —
10) Brugsch-Pascha a. a. O. S. 18. — 11) E. Seler, Altm exikanische Studien (Berlin 1899)
S. 72. — 12) Dixon, Journ. of Am. Folkl. 12, 10. — 13) D ie nordamerikanischen Indianer
unterscheiden sechs K ardinalrichtungen: Norden und Süden, Osten und W esten, Oben und
Unten; wie verschieden die Farbensym bolik dieser sechs W eltgegenden ist, dafür m ag
hier nur ein B eispiel angeführt werden. Der W esten (vgl. Dorse.v, A Study of Siouan
Cults S. 532) wird durch folgende verschiedene Farben sym bolisiert: bei den Cherokee
durch Schwarz, den Ojibwa durch Rot oder W eiss, den N aw ajos durch Blau oder Gelb,
den Apachen durch Schwarz oder Gelb, bei den Zufii und den m eisten übrigen PuebloIndianern (vgl. M. C. Stevenson, 11. Annual Report S. 130) wie bei den alten Azteken
durch Blau.
Riegler: Spechtnamen.
2 65
So wenig wir auch über die E ntw icklung des F arbensinnes bei den
prim itiven V ölkern wissen, so ist es doch sehr w ahrscheinlich, dass sich
die Em pfindung für Schwarz, W eiss und R ot am frühesten entw ickelt hat,
da diese drei F arb en sich am kräftigsten von den übrigen abheben. D aher
mag es auch wohl kom m en, dass sich die P hantasie des Menschen m it
diesen drei F arb en am m eisten beschäftigt hat, w ährend die übrigen n u r
von untergeordneter B edeutung sind.
L e i p z ig .
Spechtnamen1).
V on
Richard Riegler.
D er Specht war einst ein M e n sc h , der hackte beständig Holz, so
dass er es sogar in der Karwoche tat. D a bestrafte ihn Gott. „W enn
du,“ sagte er, „Holz hackst, m eine W oche aber nicht achtest, so sei ein
Specht, und wenn du schon hackst, so hacke ewig m it dem S chnabel2).“
So erk lärt sich die kindlich-from m e P hantasie des Volkes, das unerm üd­
liche Klopfen des Spechtes, das für ihn so charakteristisch ist. D er
Specht ist der H o l z h a c k e r unter den Vögeln, und ‘H olzhacker’ oder
‘B aum hacker’ heisst der Specht auch in den verschiedensten Sprachen.
Im Bairisch - Ö sterreichischen begegnen die Namen B a u m h a c k e l (vgl.
mhd. poum heckel, paum heckel), B a u m h e c k e r 3), B a m b e c k 4) (Baum ­
picker) usw. Das bajuvarische hackel finden wir wörtlich w ieder in den
engl. D ialektnam en hak el, h ick le, ferner in den Zusam mensetzungen
1) D ie N am en sind, wenn nicht eine andere Quelle angegeben ist, aus folgenden Werken
geschöpft: v. E d l i n g e r , Erklärung der Tiernamen aus allen Sprachgebieten (Landshut (1886).
— G i g l i o l i , Avifauna italica (Firenze 1907). — N a u m a n n - H e n n i c k e , Naturgeschichte
der V ögel M itteleuropas, 4. Bd. (Gera 1900). — N e m n i c h , Polyglottenlexikon der Natur­
geschichte, Bd. 1—3 (Hamburg 1793—98). — R o l l a n d , Faune populaire de la France,
vol. 2 (Paris 1879) und vol. 9 (1911). — S u o l a h t i , D ie deutschen Vogelnam en (Strass­
burg 1909). — S w a in s o n , The Folk Lore and Provincial N am es of British birds (London
1886). — D ie Nam en beziehen sich grösstenteils auf die drei europäischen Hauptarten
der Spechte, den Buntspecht (picus major), den Schwarzspecht (picus martius) und den
Grünspecht (picus viridis). Dem sem asiologisch - vergleichenden Charakter dieser Studie
gem äss konnte eine strenge Scheidung zwischen den einzelnen Spechtarten nicht immer
durchgeführt werden; doch lassen viele Bezeichnungen die Art ohne w eiteres erkennen.
Die Lokalisierung der N am en wird genau nach den Quellen angegeben; von diesen lassen
allerdings einige, wie Naumann und Nem nich, das Verbreitungsgebiet unberücksichtigt.
2) 0 . Dähnhardt, Natursagen 3 (Leipzig 1910) S. 434.
3) Offenbar eine volksetym . Angleichung an ‘hecken’.
4) D alla Torre, Die volkstüml. Tiernamen in Tirol und Vorarlberg (Innsbruck 1894) S. 83.
266
Riegler:
stockheckle (Baum hackel), hickw all (W andhacker), hickway (W eghacker)
usw. D en süddeutschen Spechtnam en entsprechen in den rheinischen
M undarten B ö m h a c k e r , B a u m p e c k e r 1) (vgl. dän. traep ik k er), B o u m k l ö p p e r (Baum klopfer, vgl. norw. trae -k lo p p e) und R o n n e n p e c k e r
(R in d e n p ic k e r)2), wozu sich in en g l.-d ial. rin e -ta b b e re r (rine = rind,
R inde), sowie in franz.-dial. p ik ’escource, p ik ’cource = p iq u e -e c o rc e 3)
Analoga finden. Auch ostfriesich S p i n t v o g e l 4) gehört hierher, denn Spint
ist das Holz zwischen R inde und K ern. A uf H elgoland heisst der Specht
H o l t b e c k e r , in P reussen H o l z h a c k e r . Im A ltgriechischen findet sich
u n ter anderen Spechtnam en auch nelexav, nekexag (von 7ie)^£yAo), „behaue
m it der A xt“). D a sich unser Vogel m it V orliebe in N adelw äldern auf­
hält, führt er in einigen G egenden der Schweiz den Nam en T a n n e n b i c k e r oder F ö r e n b i c k e r , d. h. T annen- oder F öhrenhacker, womit
sich franz.-dial. ta ra v e la -p i5) (F ichtenbohrer) vergleichen lässt.
W enden w ir uns dem E n g l i s c h e n zu, so finden wir ebenfalls analoge
B ezeichnungen. D er schriftsprachliche Name ist w o o d p e c k e r (W ald­
picker). D ialektisch findet sich nicker p e c k e r6), d. i. der P icker, der
sein Ziel trifft, daneben auch einfaches pecker. In M undarten kom m en
ferner vor w o o d k n a c k e r 7), w o o d c h u c k 8) , w o o d h a c k 9), säm tlich m it
der B edeutung von woodpecker. T a p p e re r10) ist = K lopfer schlechtweg-,
hiem it lassen sich vergleichen die rum änischen Spechtnam en ciocänitoare
(zu ä ciocäni = m it dem H am m er k lo p fen 11) und b ocäm toarelf) (zu
a bocäni = klopfen). Form ell interessant ist nordengl. p i c k a t r e e 18),
eigentlich ein im perativischer Satz: P icke an den Baum (a = on the),
eine bei T iernam en nicht seltene Bildung. E in anderer engl. D ialek t­
nam e des Spechtes, w o o d s u c k e r 14), bedeutet Holzsauger, dem ndd. H oltfreeter (H olzfresser) und das gleichbedeutende neugriech. £vkocpdyoq ent­
sprechen. Das fortw ährende B ehacken des Baumes mag beim Volke die
Meinung hervorgerufen haben, der Specht nähre sich von H o lz16). Man
vergleiche hiezu die m ongolische Spechtsage bei D ähnhardt, N atur­
1) G ottscheeisch Pakar und Schpakar (vgl. Satter, Volkstüm liche Tiernamen aus
Gottschee 1899 S. 10). In letzterer Form sehe ich eine Kontamination von Schpacht
(Specht) und Pakar.
2) Ähnliche N am en bei H eeger, D ie Tiere im pfälz. Volksmunde (Progr. Landau 1902) 2 ,9 .
3) V allee du Lavedan (H.-Pyr.).
4) Sundermann, O stfriesisches Jahrbuch 1, 97.
5) Sain t-D id ier la Seauve (H.-Loire).
6) N otts. — 7) Hants. — 8) Salop. — 9) Lincoln. — 10) Leicestershire.
11) H iecke, 12. Jahresb. des rum. Seminars in Leipzig, S. 127.
12) Ebenda S. 126.
13) North. — 14) N ew Forest.
15)
Eine exaktere Beobachtungsgabe verraten sard. papaformigas und calabrisch formicularu di voscu (Ameisenfresser), da es die Spechte in der Tat besonders auf Ameisen
abgesehen haben. (D ie Rossam eise ist die Lieblingsnahrung des Schw arzspechtes). Snapper
(engl.) heisst der V ogel, w eil er seine Beute erschnappt.
Spechtnameu.
267
sagen 3, 232, wo ein D ieb zur Strafe in einen Specht verw andelt und
zum H olzfressen verurteilt wird. Als bester oder eigentlich einziger H olz­
k en n er w ird der Specht gerühm t in dem limousinischen Sprichw ort: ‘Lou
bouei troumpo Tome, degun lou connet ma lou p i’, d. h. Das Holz täuscht
den M enschen, keiner k en n t es als der Specht. (Vgl. Rolland, F aune
pop. 9, 101.) Schliesslich ist aus dem Engl, noch h ig h h o e anzuführen,
d. h. der hoch oben hackende Vogel. Aus dem A ltgriechischen gehören
hierher devÖQOxoldjixrig (B aum klopfer) und dQvoxoXajzxris (F ich ten k lo p fer)1).
Gehen w ir zum F r a n z ö s i s c h e n über, so finden w ir zunächst t a i l l e b o i s 2), c o u p e - b o i s 8) (H olzschneider), b o q u e - b o i s 3) (H olzhauer, vgl.
boquillon), ferner p i q u e - b o i s (Holzstecher) und p e r c e - b o i s 4) (Holzbohrer),
welchen G rundtypen eine Menge von dialektischen m ehr oder m inder von­
einander abw eichenden Bildungen entsprechen. Auch in i t a l i e n i s c h e n
M undarten sind Bezeichnungen wie b a t t i l e g n 6) (H olzhauer), b e c c a r a m i 6)
(Ä stepicker), b e c c a z o c c o 6) (H olzpicker) recht häufig. Aus dem S p a ­
n i s c h e n sind gleichfalls analoge Spechtnam en anzuführen wie p ic a m a d e r o ( s ) 7), p i c a p o s t e 8), p i c a p o t r o s 9), wozu portugiesisches p i c a p a o 7)
zu stellen ist. Ganz vereinzelt steht ital.-d ia l. p i d d i t o 10) (piddo = tosk.
pillo) = ‘kleine Stam pfe’ m it selbstverständlicher B eziehung auf das Klopfen.
N eben diesen dialektischen N eubildungen leben in den rom anischen
Sprachen die d irekten Nachkom m en von lat. p ic u s fort: span, pico —
bezeichnenderw eise auch = Schnabel — port. pico (S pitze), picango
('Specht), franz. pic und pi, letzteres m it vert zusam m engesetzt: pivert
(G rünspecht), ital. picchio (von piculus). Dieses picus, das im Rom anischen
eine reiche W ortsippe m it der vorherrschenden B edeutung von klopfen,
hacken, stechen, S chnabel11), Spitze, Stachel entw ickelt hat, mag auf
Schallnachahm ung b e ru h e n 12). Mit picus hängt auch durch die Mittelform
pictiare = prov. pitar (schnäbeln) zusammen span, pito (pito real = G rün­
specht) sowie portug. peto = Specht. (D er W andel des i in e erk lärt sich
wohl durch Einfluss von ahd. speht, das ja ins Französische eingedrungen
ist). E ine Scheideform zu peto ist portug. pito (ju n g er H ahn). (Vgl. auch
span, p ito rra = Schnepfe, die in den m eisten Sprachen nach dem Schnabel
benannt is t) 13).
Von picus gibt es eine Unzahl von dialektischen W eiterbildungen14),
1)
Nebenform en s. bei 0 . Keller, D ie Tiere des klass. Altertums, Innsbruck 1887,
S. 452 Anm. 4. — 2) Guernesey, Yonne. — 3) Yonne. — 4) Dauphine.
5)
Giudicarien. — 6) Istrien. — 7) span, madero, port. pao = Holz. — 8) span,
poste = Pfosten. — 9) N ach Baräibar, Nom bres vulgares de anim ales y de plantas usados
en Alava (Madrid 1908) S. 7. Potro bedeutet hier nach dem Autor ‘Stamm’. — 10) Bari.
11) V gl. engl, peak ‘Spitze’ u. ‘Specht’.
12) Vgl. jedoch Walde, Lat. etym. W b .2 (H eidelberg 1910) unter pica'E lster’, p icu s‘Specht’.
13) Rolland, Faune pop. 2, 353ff. u. Riegler, Das Tier im Spiegel der Sprache (Dresden
und L eipzig 1907) S. 183.
14) Rolland 2 ,5 7 u. 9, 9 9 ff.; G iglioli, Avifauna lta lic a S. 303ff.
R iegl er:
268
auf die wir h ier nicht näher eingehen wollen, da sie sem asiologisch nicht
interessieren. Dass der überaus starke, pfriem enförm ige S c h n a b e l das
Um und A uf des Spechtes, ja seine E xistenzm öglichkeit bedeutet, hat
das Volk wohl erkannt. D aher die engl. Spechtnam en cu tb ill1) (H ie b ­
sch n ab el)2), awl bird (P friem envogel)3), wood awl (W aldpfriem e), wom it
sich franz. bec de bois vergleichen lässt. Dass um gekehrt der Spanier
den Schnabel nach dem Specht (pico) benennt, w urde schon gesagt. D ie
P han tasie des Volkes begnügte sich aber nicht m it diesen nüchternen
Namen. D ie so charakteristische T ätig k eit des Spechtes legte den V er­
gleich m it H a n d w e r k e r n nahe, die in Holz arbeiten. Dass er H olz­
hacker genannt wird, haben wir schon oben gesehen. Im A lem annischen
heisst er Z im m e r m a n n und Z i m m e r m e i s t e r 8), dem franz. charpentier,
ital. c a rp en teri4), span, pico carpintero entsprechen. Im F ranz. findet sich
auch m en u isier6) (T ischler). Das H äm m ern erin n ert an den Schmied,
d arauf deutet franz. m a r e c h a l - f e r r a n t 6). (Vgl. den A usdruck Specht­
schm iede: Brehm , 3. Aufl. v. P echuel-L oesche, Vögel 1, 574). Auf das
Bohren m it dem Schnabel beziehen sich engl, p u m p b o r e r 7) (R öhren­
bohrer), franz. louche-potö8) (P fostenbohrer), ital. serra chiavi9) (Schlüssel­
dreher). Provenz, longo lengo (Langzunge) und sizil. lingua grossa (D ick­
zunge) bew eisen, dass das Volk die W ichtigkeit dieses Organs für den
Specht wohl zu würdigen versteht.
N eben dem Klopfen fällt besonders die charakteristische A rt auf, m it
der der Specht am S ta m m s i t z t. W ährend er sich m it den Zehen in
die R inde einhakt, stem m t er den Schwanz als Stütze dagegen, daher der
Name B a u m r e i t e r . Sein E m porklettern ist einem R utschen ähnlich,
was der Nam e B a u m r u t s c h e r 10) besagt, womit sich ndd. bom m löüper11)
vergleichen lässt. Rum . cä tä räto a reia) (zu a cä^ärä = k lettern ) und franz.
gravisson13) (zu gravir id.) bedeuten ‘K letterer’. E in er kuriosen E igen­
heit verd an k t der Buntspecht den Namen P f l o c k a r 14) im Gottscheeischen.
D er Specht ist näm lich ein grösser L iebhaber von K iefernsam en. Um
leichter zu diesem gelangen zu können, steckt er den K ieferzapfen wie
einen P f l o c k m it dem Stielende in einen B aum spalt und hackt m it dem
Schnabel die Schuppen auf.
T iere w erden naturgem äss nach jen en E igenschaften oder T ätigkeiten
benannt, die am m eisten auffallen. D er Specht m acht sich in erster
1)
3)
4)
7)
10)
11)
12)
13)
14)
North. — 2) Cornwall.
Ebenso in Tirol, vgl. D alla Torre a. a. 0 . S. 81.
Sizilien. — 5) Avon (Sein e-et-M arn e). — 6) Sain t-C lem ent (Yonne).
Salop. — 8) Yonne. — 9) Polizzi.
Im Egerländischen Nam e der Spechtm eise, vgl. Köferl, Unser Egerland 11, 107.
Leithaenser, Volkskundl. aus dem Bergischen Lande (Barmen 1906) I 2, S. 33.
H iecke a. a. O. S. 125.
Zentrall'rankreich.
Satter, Volkstüm liche Tiernamen aus Gottschee S. 10.
Spechtnamen.
269
L inie durch sein K lo p f e n bem erkbar, daher die grosse Zahl von Namen,
die ihn als ‘K lopfer’ bezeichnen. (Vgl. die ital. R edensart stiacciare come
un picchio, klopfen wie ein Specht, d. h. w ütend werden). W as bei
vielen anderen Vögeln zu allererst die A ufm erksam keit erregt, das G e­
fieder, spielt beim Specht eine verhältnism ässig untergeordnete Rolle.
Im m erhin haben w ir eine R eihe von Spechtnam en, die sich auf die
F ä r b u n g d e s G e f ie d e r s beziehen. D aran fällt nam entlich der allen
S pechtarten (w enigstens den M ännchen) gem einsam e rote F leck auf dem
Kopfe auf. Beim B untspecht sind die A ftergegend und die unteren
Schw anzdecken gleichfalls rot, was ihm in ital. M undarten die Namen
braga ro ssa1) (Rothose), culo rosso2) (R otarsch, vgl. franz. rouge-cul, cul
ro u g e3), cacafuoco4) (Feuerscheisser), fuocu ’n culo4) (F euerarsch), picchio
fo caro 5) (F euerspecht) eingetragen hat. A nm utiger als diese drastischen
Namen klingt b eretta ro ssa1) (R otkäppchen). D ieser Name erinnert an
eines der lieblichsten deutschen Märchen, und die Verm utung, dass hinter
dem R otkäppchen des Märchens das gefiederte Specht-R otkäppchen sich
birgt, erscheint nicht zu kühn, wenn man bedenkt, dass W olf und Specht
nicht n u r in den ältesten Mythen der R öm er, sondern auch gelegentlich
im m ittelalterlichen Tierm ärchen gepaart erscheinen8). D en roten F lecken
in seinem Gefieder verdankt der Specht überhaupt seine m ythische Be­
deutung. W ie Storch, G oldhähnchen, R otkehlchen, lauter Vögel, die
irgend etwas R otes — sei es am Schnabel, an den Beinen oder am Ge­
fieder — an sich haben, galt auch der Specht, und zwar besonders der
Schwarzspecht, als F eu erh o le r7). D arunter sind solche Vögel zu verstehen,
die nach der Sage das him m lische F eu er den Menschen auf die E rde
brachten (Vgl. D ähnhardt, N atursagen 3, 93). Den R öm ern wenigstens
galt der Specht sicher als B litzträger, womit die aus dem Altertum
stam m ende und heute noch fortlebende Sage von der S p r i n g w u r z e l 8) im
engsten Zusam m enhange steht. D ie Springwurzel, deren ausschliesslicher
B esitzer der Specht ist, sprengt wie der B litz die stärksten Schlösser.
Man lockt sie dem Specht ab, indem m an F eu er anm acht oder ein rotes
T uch ausbreitet, in welches der Vogel die W urzel fallen lä s s t9). Die
Beziehung zum F eu er tritt hier aufs deutlichste hervor. W egen der roten
1) Modena. — 2) Oberitalien, Florenz, Viterbo. — 3) H.-Marne, Le Mans (auch
altfranz). — 4) N eapel. — 5) Viterbo.
(5) K eller, Die Tiere des klass. Altertums 1, 453, Anm. 30.
7) Zur Entstehung dieses M ythus m ag folgende, bei Brehm erwähnte E igenheit des
Spechtes besonders beigetragen haben. Während der Paarungszeit pflegt der V ogel so
schnell m it dem Schnabel an den Baum zu klopfen, dass es in einemfort wie errrr klingt
und „die schnelle B ew egung seines roten Kopfes fast aussieht, als wenn man m it einem
Span, an dem vorn eine glühende Kohle ist, schnell hin und her fährt.“
8) Uber S p e c h t w u r z e l = Dictamnus albus vgl. M arzell, D ie Tiere in deutschen
Pflanzennamen (H eidelberg 1913) S. 189.
9) Kuhn, Herabkunft des Feuers S. 30; Wuttke-Meyer, D eutscher V olkeabergl.8 § 125.
270
R iegler:
F arb e b rin g t man den Specht wohl auch zur L i e b e u n d E h e in Beziehung,
wenigstens gilt er in Böhmen, wo m an aus seinem R ufe erfährt, ob man
bald h eiraten werde, als eine A rt L ieb e so rak el1). D er rote K opf des
Spechtes h at die P hantasie des Volkes überhaupt stark beschäftigt, wie
dies hervorgeht aus den bei D ä h n h ard t2) abgedruckten N atursagen, die
dieses physische M erkm al in ih rer W eise zu deuten suchen. Seinem roten
K äppchen verd ankt der Specht auch den franz. Nam en p a p e 8) (P apst,
A nspielung auf die scharlachrote T iara des P apstes) sowie den ital. Nam en
picchio cardinale4). D ass der R otspecht wegen seines bunten Gefieders
englisch auch popinjay (P apagei) oder english parrot (engl. P apagei) ge­
nannt wird, bew eist die grosse P opularität dieses exotischen Vogels (vgl.
die ital. R ed en sart vendere picchi p er pappagalli, Spechte für Papageien
verkaufen, d. h. den K äufer m it der W are betrügen). Im A ltgriechischen
w ird der G rünspecht einfach als der ‘G rüne’ ( x Acoqös) bezeichnet, womit
sich slow, zolna (zu zolt = gelb) vergleichen lässt. Auch das W ort
S p e c h t versuchte m an von der F ärb u n g des Vogels herzuleiten. Specht
ist nicht gem eingerm anisch, es findet sich n u r im D eutschen und in den
skandinavischen Sprachen (dän. spette, norw. spetta, spett, auch h akkespet = schwed. h ack sp ett5). Aus der m ythischen B edeutung des Vogels
bei den D eutschen dürfte es sich wohl erklären, dass das deutsche W ort
in das Engl, (speight) und ins F ranz. eindrang (altfranz. espeche,
espoit). Auch dürfte der Vogel in D eutschland seit je h e r ziem lich häufig
gewesen sein, führt doch ein deutsches G ebirge seinen Namen (Spessart
= Spehteshart = Spechtw ald)6). Im Ahd. gab es neben speht eine Form
speh, die noch im Eisass und in der P falz gebräuchlich ist. Auch tirol.
G rünspeck geht auf speh zurück. H ierh er gehört ferner schwed. hackspik
m it volksetym ologischer A nlehnung an s p ik 7) (Nagel), als ob der Specht
Nägel in die Bäume klopfe. Um die Etym ologie des W ortes Specht hat
man sich vielfach bem üht. D ie einen leiteten es von ahd. spehon (spähen)
ab, die anderen brachten es in Zusam m enhang m it lat. picus, lat. pingo
(m ale), griech. noixikog (b u n t)8). N euere Etym ologen wie K luge und
Much nehm en V erw andtschaft m it altengl. specca, dänisch sp£ette (Fleck)
an.
M uch9) vergleicht dän. radspsette (eine A rt F lu n d er m it roten
1) W uttke-M eyer § 281. — 2) Natursagen 1, 189 ff. 193; 3, 89.
3) Deux, Sevres, Vendee, Charente-Inferieure.
4) Maremmen, Rom. V gl. über ähnliche V ogelnam en R iegler, Das Tier im Sp iegel
der Sprache S. 167 f. B eispiele aus dem Deutschen finden sich bei Suolahti, D ie deutschen
Vogelnam en, E inleitung S. X X X II.
5) Suolahti a. a. 0 . S. 28.
6) Uber sonstige Bildungen von Eigennam en m it Specht vgl. Suolahti a. a. 0 . S. 28f.
7) Ebd. S. 29.
8) W er an dem lautsym bolischen Charakter von picus festhält, muss diese Etym ologie
verwerfen.
9) Zschr. f. deutsche Wortf. 2, 285 f.
Spechtnamen.
271
S p re n k e ln )1). Schliesslich gehört noch der im 16. Jah rh u n d ert im Eisass
vorkom m ende Ausdruck Schiitspecht = B untspecht hierher, da Schild
— F leck en ist.
W enn der Specht in verschiedenen Sprachen nach d em P f e r d e b e­
nannt wird, so mag dies den N aturunkundigen befrem den. W er aber einm al
den Spechtesruf vernom m en hat, wird sich nicht darüber wundern, denn
das G eschrei dieses Yogels (namentlich des G rünspechts) ist dem W iehern
eines P ferdes nicht unähnlich. D aher die deutschen Nam en W a ld p f e r d ,
B o s c h h e n g s t 2), W i e h e r s p e c h t , W i e h e r l e 8), denen slow. K obilar (von
K obila = Stute), franz. poulain4) (F üllen), pouliche des b ois5) (W ald­
füllen), cheval des bois (W aldpferd), ital. picchio cavallo6) (Pferde­
specht), span, caballico (P ferdchen), picorelincho (W ieherspecht) und
port. cavallo rinchao (W ieherpferd) entsprechen.
Dem W iehern des
Pferdes ist das m enschliche L a c h e n nahe verwandt, — daher heisst
der Yogel auch engl, laughing b ird 7) (lachender Yogel).
Geradezu
schallnachahm end sind die engl. D ialektnam en yaffle, yaffler, yaffingale,
yelpingale (von yelp = kläffen). D ie zwei letzten Namen sind angeglichen
an nightingale (N achtigall). D er R u f des G rünspechts gilt wie der vieler
anderer Yögel als r e g e n - oder s t u r m k ü n d e n d .
Ob dieser G laube ein
A berglaube ist oder ob er auf richtiger B eobachtung beruht, ist hier
nicht der O rt zu untersuchen. Im m erhin scheint es Tatsache, dass ge­
wisse T iere, nam entlich Yögel, W itteruugsänderungen vorausfühlen.
A llerorts finden sich Namen, die den G rünspecht als R egenpropheten b e­
zeichnen. So heisst er in T irol R e g e n v o g e l 8), im Engl, ebenso rain
bird, rain fowl oder rain pie (R egenelster), im Schwed. regnkräka. Im
Franz. finden sich die Namen pic de la p lu ie 9) (R egenspecht), oiseau de
la p lu ie 10) (Regenvogel). W eil die R egenfrage für den M ü l l e r von be­
sonderer W ichtigkeit ist, führt der G rünspecht den E hrentitel avocat du
m e u n ie r11) (procureur du m eu n ier10), procureur-m eunier11), procureur,12))
der auch im D eutschen vorkom m t (M üllers A dvokat). Auch crii del
m en i13) (des M üllers R ufer), Jean du m oulin14) (M üllerhannes) gehören
hierher. Als V erkünder von W ind oder Sturm heisst der G rünspecht
deutsch W i n d r a c k e r 16), engl, storm cock16) (Sturm hahn). Interessanter
1) Ich ziehe auch hierher lübeckisch Spethals = ein Taucher, wahrscheinlich Rot­
hals. (Vgl. Schumann, Beiträge zur Lübeckischen Volkskunde in Mitt. des Vereins f.
Lübeckische G eschichte und Altertum skunde 5, 16.)
2) Leithaeuser a. a. O. S. 33, 2. — 3) D alla Torre, D ie volkstüml. Tiernamen in
Tirol und Vorarlberg S. 81. — 4) Yonne, Aisne, Meuse; poulain de bois (Lothringen).
5) Quarouble (Nord). — 6) Ancona, Rapolano, Valdich.
7) Salop. V gl. weiter unten laughing betsy.
8) D alla Torre S. 39. — 9) Jura.
10) Chambery. — 11) Calvados, Normandie, Zentralfrankreich, Burgund. Sologne,
Yonne. — 12) Genf. — 13) Faucigny.
14) Yonne. — 15) Altmark. — 16) Salop.
272
R ie g le r :
sind die s c h a l l d e u t e n d e n N a m e n dieses Vogels. So nennt m an ihn in
einigen G egenden F rankreichs p leu p leu 1) oder p lieuplieu2) (il pleut
= es regnet).
Man vgl. die franz. B auernregel:
Lorsque le pivert crie,
II annonce la p lu ie 3).
Das Volk schliesst aus dem verm eintlichen R u f nach R egen auf den
D u r s t des Vogels, den es in from m -sinniger W eise deutet: Als der liebe
G ott das Meer und die Flüsse grub, kam en ihm alle Vögel zu Hilfe, nur
d er G rünspecht blieb abseits stehen und wollte nichts von A rbeit wissen.
Z ur Strafe muss er nun in aller Ew igkeit im Holze bohren und darf kein
anderes als R egenw asser trinken, das er aus der Luft aufschnappen muss.
D ah er befindet er sich stets in senkrechter R ichtung, um die Tropfen
leich ter auffangen zu k ö n n en 4). Auch im D eutschen finden sich für den
G rünspecht ähnliche rufdeutende Namen. Sein Ruf, der wie ‘giek’5)
k lin g t (daher H olzgieker), wurde zu giet oder giess (an giessen angelehnt)
um gedeutet, daher die Namen G i e s s v o g e l 6), österr. Gissvogel, Vogel
G uiss6), steir. Göosvogel7), G iesser6), ndd. Gütvogel, gietvogel, g ü tfu g el8).
Zu diesen N am en steht in — allerdings vager — Beziehung folgende nor­
wegische Spechtsage: D er Specht war einst eine F rau, nam ens G ertrud
(daher der Nam e G e r t r u d s v o g e l ) . Zu dieser kam unser H errgott, als
e r noch auf Erden wandelte, und bat sie, da sie eben buk, um ein Stück
Kuchen. D a sie dem H errn jed e Gabe verw eigerte, verw andelte er sie
in einen Vogel, der sein F u tte r zwischen Holz und R inde suchen und nur
trin k en sollte, wenn es regnete. D a sie durch die Ofenröhre hinausflog,
w urde sie schwarz; bloss ihre rote H aube ist noch an dem roten F leck
am Kopfe k e n n tlic h 9). (Vgl. R otkäppchen!)
Zu diesen V erw andlungssagen, die die M etamorphose eines w eiblichen
W esens in einen Specht zum G egenstände haben, stimm en vortrefflich die
w e ib l i c h e n P e r s o n e n n a m e n , m it denen der Specht im Ital., Franz.
und Engl, benannt wird. Catlinon, C atlinoun10), die grosse K atharina,
C aterinaza, die garstige K .11) , grande M arte12) (picus m ajor), petite
M arte13) (picus ininor), die grosse, die kleine M artha14), laughing Betsy,
1) Picardie, Norm andie, Calvados.
2) Normandie.
3) Eure-et-Loire, vgl. Rolland, Faune pop. 2, 61. — 4) Dähnhardt, Natursagen 3, 322
u. Rolland a. a. 0 . 2, 63. — 5) W inteler, Naturlaute und Sprache (Aarau 1892) S. 9. —
6) Tirol: D alla Torre a. a. 0 . S. 3 9 .— 7) Dähnhardt, 3 ,3 1 3 . — 8) Grimm, D. Myth. S. 561.
9) Grimm, ebd. V gl. die bei Dähnhardt, 3, 400 m itgeteilte finnische Spechtsage, wo
gleichfalls ein w eibliches W esen in einen Specht verwandelt wird.
10) Lombardei. — 11) Cremona. D er V ogel ist in seinem Äussern und in seinen B e­
w egungen ungraziös. — 12) Isere, Dauphine. — 13) Isere.
14)
D ie Schreibung ohne h, wie sie Rolland hat, erklärt sich aus Anlehnung an
(picus) Martius.
Spechtnamen.
273
die lachende Liesel (B etsy = Koseform von Elizabeth). H ierh er gehört
schliesslich auch petite dame, dam ette (D äm chen), die B ezeichnung des
K leinspechts (picus m inor) in Savoyen.
Im D eutschen finden sich m ä n n l i c h e Analoga, so im Steirischen
B a u m j ü r g e l , woraus durch Assim ilation B aum nirgel (Jürgel ist Koseform
zu Georg), ferner G rünnigel für den G rünspecht (Nigel = N ickel ist Kose­
form zu Nikolaus). W etterh an sl1) und Jean du moulin (s. oben) spielen
auf den regenkündenden R u f des "Vogels an (vgl. arom unisch gon2)
= Specht und Gön = Johann. D azu rum. ghionoae = Schwarzspecht).
D er Specht ist ein sehr geräuschvoller Vogel. Abgesehen von seinem
H äm m ern und Klopfen, das er bei seiner Insektenjagd hören lässt, und
seiner gewöhnlichen stim m lichen B etätigung bringt er ganz eigenartige Töne
hervor, indem er sich an einen dürren Ast hängt und diesen durch w ieder­
holte Schläge m it dem Schnabel in zitternde Bewegung bringt (Brehm
a. a. O. S. 575).
Diese eigentüm liche ‘M usik’ bezeichnet man als
T r o m m e ln , R o l l e n oder K n a r r e n . Auf dieses Geräusch beziehen sich
die Namen T a n n e n r o l l e r und schwed. ved-knarr (W aldknarrer). Auch
griech. xgavyog , lit. krakis scheinen nicht auf das Geschrei des Vogels,
sondern auf dieses Trom m eln Bezug zu nehm en. H ierher gehört ferner
der rum än. Spechtnam e sfarcioc m it den V arianten spräcioc, sfrancioc und
sfräncioc (von a sfäräi = summen, brum m en und cioc = S chnabel)8).
In engl, ja r-p e g 4) deuten beide B estandteile auf die eigentüm liche m usika­
lische B etätigung des Spechtes (ja r = knarren, peg = wirbeln). A uf den
ersten B lick erkennt man als lautm alend span, pipo (G rauspecht). Nach
Brehm lässt der Vogel dann und wann ein helles ‘pick’ hören. (Vgl.
deutsch piepen und lat. pipio, woraus ital. piccione, franz. pigeon = T aube.)
W eitaus die interessantesten der Spechtnam en sind aber jene, in denen
die m y th is c h e B e d e u t u n g des Vogels hervortritt. Bei den R öm ern
stand der Schwarzspecht als Vogel des M a rs in grossem Ansehen. Das
pic-m ar der franz. N aturforscher ist unm ittelbar dem lat. Picus Martius
nachgebildet. D aneben finden sich auch volkstüm liche Form en wie pim art, pim ar, pinm ar (angeglichen an pin = F ichte), pium ar, pieum art.
Nach Keller®) w ar der Schwarzspecht dem Mars, der ein F rühlingsgott
ist, deswegen heilig, weil er besonders im F rühling sich bem erkbar
m ach t6). Im m erhin mag auch des Vogels ‘m artialisches’ Aussehen seinen
1) H ansl ist Rufname für verschiedene gezähm te V ögel, so nam entlich Rabe und
Star. In der Leibnitzer Gegend (Steiermark) heisst das W iesel Hanserl (U nger-K hull,
Steirischer W ortschatz, Graz 1903).
2) N ach H iecke, Jahresb. des Instituts für rum. Sprache 12, 133 u. 142 schall­
deutend. Nach einer rumänischen Sage ist der Specht eine verwandelte Frau, die ihren
Sohn Johann (Gön) ruft (ebenda).
3) V gl. Hiecke a. a. 0 . S. 126 f. — 4) Northants. — 5) Tiere des klass. Altertums 1, 281. —
6) V gl. schweizerisch M ä r z f ü g e le , vorarlbergisch Märzefühele (Dalla Torre S. 81).
Zeitschr. d. V erein s f. V olkskun de. 1913. H eft 3.
18
274
R iegler:
B eziehungen zu dem K riegsgott einen besonderen N achdruck verliehen
haben. Auch heute noch nennt man den Schw arzspecht ‘tapferer’ Specht,
F üselier, K riegsheld, franz. gendarm e1). D ie R olle, die der Specht im
heutigen A berglauben als O rakelvogel2) und in m odernen Mythen als
verw andelter Mensch spielt, finden w ir schon im A ltertum vorgezeichnet.
B erühm t w ar das S pechtorakel8) in dem sabinischen Städtchen T iora
M atiena und allbekannt die von Ovid dichterisch behandelte Sage vom
K önig Picus, der von Circe in einen Specht verw andelt w ird als R ache
dafür, dass er ihren L iebesw erbungen kein Gehör schenkt. W enn in
Toulon der Specht oiseau de Saint-M artin heisst, so ist es sehr w ahrschein­
lich, dass h ier — wie in vielen ähnlichen F ällen — der H eilige an Stelle
des heidnischen Gottes getreten ist. D ie Ä hnlichkeit oder G leichheit der
N am en (Mars, M artinus) sowie der Um stand, dass der heilige M artin u r­
sprünglich Soldat gewesen war, mögen diesen Rollenw echsel veranlasst
h aben 4).
In m ittelbarem Zusam m enhange m it der Rolle des Spechtes als F e u e r­
brin g er (Springw urzel = B litz) stehen jen e Namen, die den Specht als
E i s e n p i c k e r bezeichnen: ital. appizzaferru5), pizzica fe rru 5), wallon. beche
fet, bech’ -fie. D ie Springwurzel, deren B esitzer der Specht ist, hat näm ­
lich die K raft, die stärksten Schlösser zu sprengen. Und zwar genügt es,
dass der Vogel m it dem Z auberkraut seinen Schnabel reibt, um diesem
die K raft der Springw urzel zu verleihen. Ja, diese K raft scheint auf den
Vogel selbst überzugehen. Man überzeugt sich leicht davon, man braucht
nu r in den Baum, in dem er nistet, einen Nagel fest einzuschlagen. (Vgl.
in schwed. hackspik A ngleichung an spik = N agel.) D er Specht setzt sich
auf den Nagel — und dieser fällt heraus. D ie grosse K raft, die der
Specht tatsächlich in seinem Schnabel besitzt, hat beim O ldenburger L and­
m ann den G lauben hervorgerufen, der Schnabel sei aus S ta h l6). D ieser
norddeutsche A berglaube findet seine B estätigung in dem neapolitanischen
Nam en des Spechtes: beccu de fierru (Eisenschnabel). Seinem Klopfen,
das einem abergläubischen Gem üte in der Stille des W aldes unheim lich
klingen mag, verdankt er den auch der Eule zukom m enden Nam en T o t e n ­
v o g e l 7), m it dem sich bergisch hoacksel gespäns8) (hackendes (?) Ge­
1) H.-Marne.
2) Hauptsächlich bei den W otjäken, wo er göttliche Verehrung geniesst. Auf eine
solche scheinen auch schliessen zu lassen die merkwürdigen N am en des Schwarzspechtes:
Gott vom Dorfe W angen, Wangerer, die ich bei D alla Torre (a. a. 0 . S. 81) aus der
Gegend des R ittens (Tirol) verzeichnet finde, für die ich aber keine genaue Erklärung
weiss. — 3) K eller, Tiere des klass. Altertum s, S. 277.
4) Vgl. de Gubernatis, Die Tiere in der indogerm. M ythologie, deutsch von M. Hartmann, L eipzig 1874, S. 548, Anm. 2. Den weiteren phantastischen Ausführungen des Ver­
fassers kann ich keinen Geschmack abgewinnen.
5) Sizilien. — 6) Wuttke-M eyer, § 161.
7) Unterinntal (vgl. D alla Torre S. 81).
8) Leithaeuser 2, 33.
Spechtnamen.
275
spenst) und engl, sp rite1) (G eist; K lopfgeister!) vergleichen lässt. H ie r­
her gehört auch engl, gallow bird (Galgenvogel), volkstüm lich um gedeutet
zu (F rench) g alley b ird 2) (G aleerenvogel) und gulley bird (gulley = W asser­
furche; vgl. w eiter oben die Sage).
Schliesslich sind noch jen e Namen anzuführen, die den Specht auf
Grund einer m ehr oder m inder auffallenden Ä h n l i c h k e i t n a c h e in e m
a n d e r e n V o g e l benennen. N aheliegend ist der V ergleich m it dem H a h n ,
m it dem nam entlich der Schwarzspecht das M artialische des Äusseren
gem ein hat. Auch m ag sein R u f an das K rähen des H ahnes erinnern.
So finden sich denn die Spechtnam en W a l d h a h n 3), W aldhähnle4), W aldhahn’l 5), W ald h u h n6), Schwarzhahnl, H olzgöcker7), H olzgüggel8) (G öcker
und Güggel = H ahn), ital. dem entsprechend picchio g alletto 9), gadd di
vosco10) (W aldhahn), gadduzzu di m ontagna11) (B erghahn). Auch Holz­
huhn, Holzhenne, Tannenhuhn kom m en vor, wozu italienisch picchio pollastro 12) und picchio gallinaccio13) zu stellen sind. Auffallend ist H o lz g a n s. Am häufigsten sind jedoch die Namen, die auf einem Vergleich
m it der K r ä h e beruhen, wie L o c h k r ä h e , H o h lk räh e8), H olzchräj14),
H o h lk rän 15), H o h lkragn16), H oh lk ro h 17), H u lk ru h 18), H u lek ru h 18), H olderk r ä 19), H o llek rö g e20), H ollakrogn21), H u lk ra u a22), Spechtkrähe und K rähen­
specht23). (Vgl. franz. pic-cournelh.)24) H ohlkrähe oder L ochkrähe heisst
der Vogel, weil er in einem Loch nistet, das er sich selbst in einen Baum
höhlt (vgl. engl, hewhole = Lochhacker). H olderkra, H ollekrogn und
ähnliche V arianten sind offenbar volksetym ologische U m gestaltungen von
H ohlkrähe. K r a p p e n s p e c h t 25) = R abenspecht (vgl. franz. pic-corbeau26).
So wird auch coue, das in Haut-M aine den R aben bezeichnet, in der Um­
gebung von ßonneville (Savoyen) für den Specht gebraucht. Ebenso ist
crou = R abe in H erce (May.) B ezeichnung des Buntspechtes. Nach der
E l s t e r ist der Specht im D eutschen (Elsterspecht, S chreiheister)27), im
Engl, wood pie (W aldelster), french p ie 28) (franz. E lster) und im F ranz.
(agachette)29) benannt. Ü ber Specht = P apagei vgl. S. 270. Auffallend ist die
Bezeichnung B a u m k a t z e 30). D ieser Name kom m t wohl daher, dass der
Specht beim K lettern seine Nägel in die R inde schlägt wie die K atze ihre
1) Suffolk. — 2) Sussex.
3) Drautal (D alla Torre S. 81). — 4) Vorarlberg (ebenda). — 5) Tirol (ebenda). —
6) Im Steirischen heisst das Auerhuhn so (Suolahti S. 251). — 7) Schwaben. — 8) Schweiz.
9) Valdich. — 10) Bari. — 11) Calabrien. — 12) Grosseto, P isa. — 13) Lucca. —
14) Schweiz (mhd. holzkrä). — 15) Österr. — 16) Unterinntal. (D alla Torre S. 81). —
17) Nördl. Böhmen. — 18) D esgleichen (Zimmermann in Mitt. des nordböhm. ExkursionsKlubs, 31, 32). — 19) Tirol. — 20) Kärnten. — 21) Sarntal (Tirol). V gl. Dalla Torre,
S. 81. — 22) W estböhmen.
V gl. H öferl, Unser Egerland, 11, 107. — 23) Bodensee
(D alla Torre, S. 81). — 24) La Teste (Gir.). Bagneres-de-Luchon. Landes. — 25) Schwab.
Krapp = Rabe. — 26) La Chaux-de-Fonds (Schweiz).
27) Altmark. — 28) Staffordshire.
29) Depart. du Nord. — 30) Steiermark.
18*
276
R iegler: Spechtnamen.
K rallen. D er Name I m m e n w o lf oder Bienenw olf für den G rünspecht
ist eine gelehrte B ildung und beruht überdies auf einer V erwechslung
m it dem Bienenfresser.
Zuletzt einige W orte über den Specht in der P h r a s e o l o g i e . Die
ital. R ed en sart vendere picchi p er pappagalli wurde schon w eiter oben
erw ähnt.
D er Specht hat einen gestreckten L eib , weshalb er den E in ­
druck der M agerkeit m acht. H ierauf b eru h t der V ergleich m aigre comme
un pic, m ager wie ein Specht, der in einigen G egenden F rankreichs
üblich i s t 1). G ebräuchlicher ist m aigre comme un coucou, m ager wie ein
K u c k u c k 8). D er Specht hat die E igenheit, auf der einen Seite des Baumes
auf den Stamm zu klopfen und dann rasch um den Baum herum zulaufen,
dam it ihm k ein In sek t entgehe. D aher sagt man in Savoyen (Annecy)
von jem andem , der sorgfältig betrachtet, was er gem acht: E r m acht es
wie der Specht (faire comme le p th a )3). A uf dieses m erkw ürdige Ge­
h aben des Spechtes, sein H erum laufen um den Stam m , sein rechts und
links Schauen bezieht sich im Engl, der m etaphorische G ebrauch von
w oodpecker für einen, der Spielenden, ohne selbst zu spielen, zusieht.
(Vgl. deutsch ‘K ibitz’.)
W ie so viele andere Vögel w ird auch der Specht unrechterw eise für
d u m m gehalten, wenigstens w ird beque-bois in einigen G egenden F ra n k ­
reichs (Nord, P as-de-C alais, A ube) als Synonym von niais gebraucht. Auch
vieux-pic (Ille - et-V .) hat dieselbe B edeutung4). — In den deutschen Alpen­
ländern, wo der Specht sich einer grossen P o p u larität erfreut, ist Bamhackl der Name eines H autekzem s6), das sich durch Schrunden k en n ­
zeichnet, ähnlich den durch den Specht in der R inde hervorgebrachten
R issen, sowie der gleichsam in die H aut gepickten B latternarben. (Meto­
nym ie: Ursache für W irkung.)
In Ö sterreich muss auf dem L ande der Specht als Schreckm ittel für
unreinliche K inder herhalten, denen man droht, d a s Bam hackl w erde den
Schm utz von H änden und F üssen wegpicken. Mit kühnem B edeutungs­
wandel und Geschlechtswechsel w ird dann d e r B am hackel für ‘Schm utz’
selbst gebraucht. So sagt m an zu unreinen K indern: ‘Du hast ja schon
1)
Rolland, Faune pop. de la France 2, 59 u. 9, 101. — 2) ebd. 2, 88 u. Riegler,
Das Tier im Spiegel der Sprache, S. 126.
3) Rolland 9, 101. Nach der M einung des franz. Landvolkes tut dies der Specht
deshalb, w eil er in seiner Einbildung glau b t, er habe m it seinen Hieben den ganzen
Baum durchbohrt (ebenda). [Vgl. das süddeutsche ‘spechtn’ = eifrig betrachten.]
4) Rolland 9 , 101. — 5) D agegen soll das Bamhackelkraut (herba meropis)
helfen (Höfler, Deutsches Krankheitsnamenbuch 1899 S. 212). Auch Frostbeulen werden
in Tirol als „Bam hackl“ bezeichnet. V gl. Schöpf, Tirol. Idiot. (Innsbruck 1866) S. 28.
V gl. franz. picote für „Blattern“ sowie becqueriau für „N achtblattern“ (Brissaud, Histoire
des expressions populaires relatives ä la m edecine (Paris 1892) S. 134 Anm. 1). D em ­
entsprechend heisst ‘blatternarbig’ beque = frappe ä coups de bec.
Carstens: Volksglauben und Volksmeinungen aus Schleswig-Holstein.
277
den B am hackel’ oder ‘D ir wachst schon der B .’1). Aus welchem Grunde
der Specht als Schim pfwort für leichtfertige l i e d e r l i c h e P e r s o n e n ge­
braucht wird, ist nicht recht ersichtlich; auf jeden F all ist er nicht un­
m oralischer als andere Yögel. C ohn2) zitiert einen ‘lockeren Specht’ aus
Schiller (Hist. krit. Ausgabe 1, 212 f.). E inleuchtend hingegen ist die
Bezeichnung Spintvogel im Ostfries, für einen Tadler, der wie der Specht
am Holze allenthalben Spint sieht (vgl. oben S. 266). W enn man einen
Yielfrass S c h l u c k s p e c h t 8) schimpft, so ist dies auch verständlich. D er
Specht ist unerm üdlich im Aufsuchen von K erbtieren, die er m it grossem
A ppetite v erzeh rt4).
Klagenfurt.
Volksglauben und Volksmeinungen aus SchleswigHolstein.
Von Heinrich Carstens f.
(V gl. oben 20, 3 8 2 -8 8 7 .)
o. Schwangerschaft, Geburt, Taufe, Kindheit.
1.
W o n a c h e in e S c h w a n g e re e in e G ier hat, d a v o n m u ss s ie e tw a s g e n ie s se n ;
so n st w ird d as K in d d ie Z u n g e a u sste ck en .
W is c h t m an ab er das K ind m it dem ,
w on ach d ie M utter ‘g e g ie r t’ hat,, um den M und, so w ird das K in d d ie Z u n ge n ich t
a u sste ck en (D r a g e in S ta p elh o lm ).
S c h w a n g e rsch a ft is t
g e fr ä ssig .
un d
W e n n m an
W in k e l se tzt
und
e s,
—
2.
W enn
e in e F rau üb er d ie H älfte ih rer
steh en d vor e in em E sssc h r a n k e isst,
dann
aber
u n g ea ch tet
so w ird das K ind
d as K in d en tw e d e r in den Schrank o d er ein en
d e s S c h r e ie n s,
so
la n g e
sitz en lä sst,
b is
d ie
M utter n e u n er lei A rb eiten v errich tet, so ist das Ü b e l g e h o b e n (S c h ü tze , H o l­
s te in is c h e s Id iotik on 4 , 24). — 3. Jü n g erin n en der Y e n u s v u lg iv a g a tr eib e n sic h
die L e ib e sfr u c h t m it T e e vom L eb en sb au m (T h u ja o c c id e n ta lis) ab (L u n d en i.
D ith m .).
—
4. S tie h lt e in e S ch w a n g ere,
so w ird auch d as K ind e in D ie b
(Stad t
S c h le sw ig ). — 5. E in e S c h w a n g e re darf nirg en d s unter e tw a s d u rch k riech en , b eso n d ers
d arf s ie n ic h t durch e in e Ö ffnung k riech en (D ith m .). — G. S c h w a n g e re dü rfen
kein S tü ck B rot ste h e n d e s s e n , da dann d as K ind n a sch h a ft w ird (L e h e b e i L un den
in D ith m .). — 7. E in e S c h w a n g e re d arf n icht ‘ed en , e d n ’, d. i. k e in e n E id le iste n ;
das so ll n ic h t gu t se in für das K in d (D r a g e in S ta p elh o lm ). — 8. E in e S ch w a n g ere
1) Branky, Zs. f. deutsche P hilologie 21, 208 f.
2) H. Cohn, Tiernamen als Schimpfwörter (Progr. Berlin 1910) S. 25 Anm.
12.
3) Prümer, Zs. des Vereins f. rhein.-westf. Volkskunde 4. 108.
4) V gl. auch Cohn a. a. 0 . S. 16, Anm. 11, wo zwei individuelle Metaphern aus Jean
Paul und Gottfried K eller angeführt werden.
278
C arstens:
d arf k e in e F ru ch t e s s e n von e in e m B au m , w o r a u f z w e ie r le i O b st w äch st, da dann
d ie s e lb e n ic h t e n tb u n d en w e rd en kan n (L e h e b e i L u n d e n in D ith m .).
—
9. E in e
S c h w a n g e r e d arf d as S ch ü rzen b an d n ic h t h in ten z u b in d en (S ü d e r sta p e l in S ta p el­
h olm ). — 10. E in e S c h w a n g e re m u ss sic h m o rg en s so fo rt w a s c h e n u n d käm m en ,
so n st w ird d a s K in d sc h r e ie n (N o r d e rd ith m a rsch en ). — 11. E in e S c h w a n g e re d arf
n ic h t zu G evatter ste h e n ; d er G evatterstan d brin gt ih r u n d ih rer L e ib e sfr u c h t
n ic h ts G u tes (H a n se n , C h arak terb ild er, H am b u rg 1858 S. 11). — 12. W e r m it e in er
G lü ck sm ü tz e , G lü ck sh a u b e , g e b o r en ist, w ird g lü c k lic h (a llg e m e in ). — 13. W e r
an e in e m S o n n ta g e g e b o r e n ist, w ird g lü c k lic h (a llg e m e in ). — 14. W e r an e in em
u n g lü c k lic h e n T a g e g e b o r e n ist, stirb t b ald (a llg e m e in in D ith m . un d S ta p elh o lm ).
— 15. E in n o ch n ich t g e ta u fte s K in d d arf m an n ic h t h in a u sb rin g en , d a r f m an
v o r a lle n D in g e n n ic h t u n ter d er T r a u fe (D a c k ä s ) h in d u rch tragen (N o r d e rd ith m .). —
16. E in S tü ck vom N a b e l d e s K in d e s m u ss m an in e in en L ap p en w ic k e ln und
h in ter e in en Sparren ste c k e n (D a h re n w u r th b. L u n d en i. D ith m .). — 17. E in Stü ck
v o m N a b e l ste c k t m an in e in en B a lk en o d er in d as S c h o r n stein lo c h ü b er dem
H erd (O sd o rf im D ä n is c h e n w o h ld ). — 18. A u f d e n N a b el e in e s K in d e s b in d et
m an e in en k u p fern en S e c h s lin g (G e ld stü c k im W e r te v o n 3V a b is 4 P f.), in L e in en
e in g e w ic k e lt (D a h re n w u r th ). — 19. D a s N a b elstü ck n im m t d ie M utter b e i ihrem
erste n K ir c h g a n g m it in d ie K irch e un d w irft e s h in te r den A ltar (G eg e n d von
S c h e n e fe ld ). — 20. D ie le e r e W ie g e d arf n ich t g e sc h a u k e lt w erd en ,
dann sc h r e ie n w ird (D ith m ., S ta p e lh o lm ).
—
21. K in der
F eu er sp ie le n , so n st n ä sse n s ie das B ett (a llg e m e in ).
—
dü rfen
da d as K ind
n ic h t
m it
d em
22. E in K in d d a r f n ich t
d u rch ein offen es F en ste r g e h o b e n w erd en , da e s dann n ich t w ä ch st. E b e n so
d arf m an e in K in d n ic h t ü b er e in e h a lb e T ü r h in w e g h e b e n , da e s dann n ich t
g r o ss w ird (D ith m .). — 23. M an d arf k le in e n K in dern in w e n d ig n ic h t d ie H än d e
w a s c h e n ; m an w ä s c h t ih n en d ie R u h e fort. E b e n fa lls d a r f m an s ie n ic h t z w isc h e n
den Z e h e n w a s c h e n (O sd o rf im D ä n is c h e n w o h ld ). — 24. W e n n k le in e K in der
sic h v ie l erb rech en , so g e d e ih e n sie .
D a h e r d ie R e d e n s a r t: ‘S p ie g ’n K in ner,
d ie g ’n K in n e r !’ (D ith m . S ta p elh o lm ). — 25. D e r ‘H e id e n d r e c k ’ 1) d arf n ic h t von
d e m K o p f d e s K in d e s ab gek ratzt w erd en (D ith m . S ta p e lh o lm ). — 26. E in K ind
m u ss au s d e m B ette fa lle n , so n st g e d e ih t e s n ic h t (F e d d r in g e n in D ith m .). —
27. B e v o r e in e M utter ih ren K irch g a n g n ic h t g e h a lte n , d arf s ie n ic h t a u sg eh en ,
b e so n d e r s n ic h t ü b er e in e n W e g h in ü b e r g eh en (L e h e ). — 28. In S ta p elh o lm nahm
d ie F rau , d ie ih ren K irch g a n g zu h a lte n g e d a c h te , e in e N ach b arfrau m it, g in g
e in m a l u m d e n A ltar h eru m un d le g te e in G eld stü c k a u f d e n se lb e n , w ofü r der
P r e d ig e r ein D a n k g e b e t zu sp rech en h atte (B e rg e n h u se n in S ta p elh o lm ). —
29. K ann e in e F rau n ic h t zur K irch e k o m m e n u n d ih r en K irch gan g h a lte n , so
g e h t s ie in d ie S c h u le und sp rich t vor d em K ath ed er e in G eb et (S c h w ie n h u sen
b. D e lv e in D ith m .). — 30. B e im T a u fen d a rf m an von dem T a u fw a sse r k e in e n
T r o p fe n a u f d ie E rd e fa lle n la sse n , da dan n d as K in d v ie l L a st h a b en w ird m it
se in e m W a sse r u n d in s B ett p isst; d o ch kann e s v on d ie s e m L e id e n g e h e ilt
w erd en , w en n m an ein er L e ic h e v o n se in e m U rin m itg ib t (S c h w ie n h u se n ). —
31 . W ä h r e n d der T a u fe m u ss d as K in d tü c h tig sc h r e ie n , dann w ird e s ein
tü c h tig e r S än ger (F ed d r in g en ). — 32. A llg e m e in h e is s t e s: K lein e K in d er m ü sse n
tü ch tig sc h r e ie n ,
dann w erd en s ie gu t
sin g e n (D ith m .).
—
33. U n ru h ig e K in der
w erd en n a ch der T a u fe ru h ig er (P r e il b. L u n d en in D ith m .). —
34. G le ic h nach
1) Heidendreck ist der Schmutz, den kleine Kinder auf dem Kopfe haben; H eide ist
eine Nebenform von ‘Hut’ (Haut). Man vgl.: ‘He spicht H eid un W eid’ = H aut und E in­
gew eide, und: ‘supen, dat de Heid w ackelt’.
Volksglauben und Volksmeinungen aus Schleswig-Holstein.
279
d er T a u fr e d e m u ss m an das K ind in se in e m T a u fk le id e sc h la fe n la sse n (D a h r e n w urth). — 35. P is st d as K in d w äh ren d d er T a u fe , so w ird e s d a s B ett n ä sse n
(D ith m .). — 36. G ie ss t m an d as T a u fw a sse r h o ch an d ie W a n d , so b ek o m m t d as
K in d k r a u ses H aar (F e d d r in g e n ). — 37. V or der T a u fe d arf der N a m e d e s K in d e s
n ic h t g en a n n t w erd en (S c h w ie n h u se n ). — 38 . E in e m K in d e darf m an n ich t den
V o r n a m e n e in e s v ersto rb en en K in d es g e b e n , da e s dann au ch sterb en m u ss. E s
h e is s t: W e r g e sto rb en ist, den m u ss m an ruhen la sse n un d n ich t durch den
N am en w ie d e r a u fw ec k e n w o lle n (D ith m .). — 39. K in der erh alten m e iste n s den
V orn am en d e s G ro ssv a te rs un d der G rossm u tter.
M anche erh alten auch den
N a m e n d e s V a te rs u n d der M utter (D ith m .). — 40. A n m an ch en S te lle n ist es
B rauch, den K in d ern den V o rn a m en der P aten z u g e b e n ; d o ch sc h w in d e t d ie se r
B rau ch im m er m eh r (D ith m .). — 4 1 . W e rd en 2 K in der, und zw ar 1 K nab e und
1 M ädchen, zu sa m m e n getau ft, so d arf d as M ädchen n ich t zu erst g e ta u ft w erd en ,
da e s so n st e in e n B art b ek om m t (D r a g e). — 42 . D a s ‘K a sse ltu c h ’1) od er T a u fz eu g , d. i. das Z eu g, w o rin d as K ind g e k a r stet (z u e in em C h risten g e m a ch t) ward,
w u rd e b eim P re d ig er a u fb ew a h rt.
In d en 6 0 e r Jahren kam e s n o ch in H ohn b e i
R e n d sb u r g in A n w e n d u n g (S c h ü tz e 2, 2 32: K a sse n = taufen, zu m C h risten m ach en ;
u n d 2, 2 3 6 : D ö p e ltü g ).
—
4 3 . W e n n d ie g e la d e n e n P a ten
a u sb le ib e n
un d
m an
an d ere lad en m u ss, so w ird , w en n d ie P a ten sc h le c h t b e leu m u n d et sin d , das K ind
du m m u n d sc h le c h t (D r a g e ). — 44. J u n g e L e u te , b e so n d e rs B rau tleu te, n im m t
m an gern a ls G evattern ; d a s bringt G lü ck für d as K in d (F ed d r in g en ). — 45 . B e i
e in e m T a u ffe ste d a r f k e in e H an d arb eit g e m a ch t w erd en , w e il d as K in d dann nim m er
R u h e h a b en kann und im m erfort arb eiten m u ss (B la n k en m o o r b. N eu e n k ir c h e n
i. D ith m .). — 4 6 . A ls P a te n g e s c h e n k sin d silb e rn e L öffel se h r b e lie b t (D ith m .) —
4 7 . In H e id e in N ord erd ith m arsch en läd t m an b e i e in em M äd ch en 3 w e ib lic h e
un d b e i e in em K nab en 3 m ä n n lic h e G evattern . — 48 . In V o lle r w ik in E id e rsted t
lädt m an b e i e in em M ädchen ein ju n g e s M ädchen, e in en ju n g e n M ann und e in e
verh eira te te F rau
a ls G evattern ;
bei
ein em K nab en
ein ju n g e s M ädchen,
e in en
ju n g en M ann u n d e in en verh eira teten M ann; so n st bek om m t d as K in d sp äter k e in e n
G em ah l. — 49. In S ü d ersta p el in S ta p elh o lm lä d t m an b e i ein em M ädchen 2 ju n g e
M äd ch en u n d e in en ju n g e n M ann zu G evattern ; b e i ein em K n ab en u m gek eh rt. —
50 . Im D ä n is c h e n w o h ld w erd en b e i e in em M ädchen
2 F rau en un d
b e i e in em K nab en 2 M änner un d 1 F rau zu G evattern g e b e ten .
1 M ann
und
D a s K in d erh ält
d e n N a m en der G evattern . — 51. A u f der K o lo n ie C h ristian sh olm b e i H oh n feiert
m an, so b a ld e in K in d g e b o r en w orden, lu stig e n ‘K e e sfo o d ’ (K e e sfo o t = K in d sfoot,
S c h ü tze 2, 25 6 ).
D ie N achb arfrauen w erd en d azu e in g ela d e n , un d je d e brin gt e in e
K u m m e v o ll rech t d ic k e n R a h m m it.
F rau en
m it
K affee
un d B a c k w e r k
In d e m H a u se der K in d b etterin w erd en d ie
b ew irtet.
D a r a u f w ird
tü ch tig
S ch n a p s
ge­
trunk en un d auch ü b er ein a u f ein em g r o sse n T is c h e ste h e n d e s L ich t g esp r u n g en .
W e r d as L ich t au ssp rin gt, m u ss zur Strafe e in en S ch n a p s au strin k en . D e n s e lb e n
B rau ch fand ic h a u f d er K o lo n ie K c n ig sh ü g e l b e i H ohn . — 52. A u f der D ith m arsch er
G e e st w ird
e in e
Z e itla n g
nach
d er
G eb urt d e s
K in d es,
w en n
d ie
W öch n erin
b e r eits w ie d e r g e su n d ist, lu stig e r ‘K e e sfo o d ’ g e feier t, w e n n e in e ju n g e Frau,
d. i. e in e Frau, d ie erst v o r k u rzem verh eiratet w o rd en ist, sich im D o r fe befindet.
D ie s e w ird dann von d en F rau en a b g e h o lt und m u ss s ie bew irten , w o b e i g e sc h n a p st
u n d g e ta n z t w ird (S c h w ie n h u se n ).
1) Kasseltuch nennt man noch jetzt das beste Zeug; z. B. ‘he hett sin best’ K assel­
tuch an’.
Carstens:
280
6. Brautstand und Hochzeit.
1.
J o h an n isk rau t (S e d u m t e le p h iu m )1) ste c k t m an am J o h a n n ista g e in e in e
B a lk e n r itz e ; an se in e m V e r w e lk e n un d F o rtw a c h sen kan n m an erk en n en , ob z w e i
V e r lie b te ein a n d er h eira ten w erd en o d er n ic h t (D e lv e in D ith m .
V g l. au ch
H a n sen , C h arak terb ild er S. 11.). — 2. W e m d ie F in g e r k n ack en , w en n m an s ie
ih m au sreck t, d er h at e in e B raut (D ith m . S ta p elh o lm ). — 3. W e r w e is s e F le c k e
un ter den N ä g eln hat, h at e in e n F r e ie r o d er e in e B raut (N ord erd ith m ., R le in s e e
in S ta p elh o lm ). — 4. W e n n d ie L in ie n in der H a n d e in W b ild e n , so w ird m an
e in e W itw e od er e in e n W itw e r h eiraten (A n g eln ). — 5. W ill ein M äd ch en ihren
Z u k ü n ftigen se h e n , so streu t s ie S an d in den B ack ofen , dreh t sic h e in m a l in d e m ­
se lb e n h erum un d k riech t w ie d e r h era u s, u n d der Z u k ü n ftig e ste h t leib h a ftig
h in ter ih r (D ith m .). — 6. W e n n ein M ädchen in d er W e ih n a c h tsn a c h t u m 12 U h r
z w e i L ich ter in d ie H an d n im m t un d in den S p ie g e l sch au t, so ste h t der Z u ­
k ü n ftig e h in ter ih r (D ith m ). — 7. W en n e in M äd ch en in d er W e ih n a c h tsn a ch t
(N e u ja h rsn a c h t? ) a u f dem F eu er h e rd sitzt, in d er O ffen barung St. J o h a n n is lie s t
u n d in den S ch o rn stein h in ein g u ck t, so ste h t d er Z u k ü n ftig e v o r ih r (D r a g e in
S ta p e lh o lm ). — 8. W e n n d ie S c h n e id e r in b e im N ä h en d e s B ra u th e m d e s s ic h m it
der N a d e l stich t, so b e k o m m t d ie B raut G lü ck in ih rem E h e sta n d (T e llin g ste d t
in D ith m .). — 9. W e r in e in er G e s e llsc h a ft an d er T is c h e c k e sitzt, m u ss sie b e n
Jah re v e r g e b lic h fr eien ;
a n sch n e id et (A n g eln ).
—
d e sg le ic h e n , w e r in e in er G e s e llsc h a ft
10. W e r d ie P fe ife
zu erst
am L ich t a n z ü n d e t,
d ie B utter
b ek o m m t e in e
sc h m u tzig e F rau (H e id e in D ith m .). — 11. S itzen S p in n n g ew eb e in d er S tu b e, so sagt
m an : D a sitzt e in F reier! (O sd o r f im D ä n is c h e n w o h ld .). — 12. W e n n d er Storch
in d e n S ch o rn stein h in ein g u ck t, so brin gt er en tw e d e r e in e B rau t o d er h o lt e in e
L e ic h e (F ed d r in g en ). — 13. E in e n A p fel d a r f ein M ä d ch en n ich t a ls G esch en k
an n eh m en ; er k ön n te u n ter d em Arm g e tra g e n und m it S c h w e is s b e n etzt w orden
se in , u n d das r e iss t L ieb en d e a u sein a n d e r (K o ld en b ü tte l in E id e rsted t). — 14. W en n
H aarn ad eln a u s d e m H aar h e r a u sg u ck en o d e r ga r h e r a u sfa llen , so d en k t der
F r e ie r an d ie B e sitze rin (D ith m .). — 15. B e im A p fe lsc h ä le n m u s s m an d ie S c h a le
g a n z la s s e n un d ü b er den K o p f w e r fe n ; dan n e n tste h e n B u c h sta b e n , d ie den
N a m en der B raut od er d e s B räu tigam s en th alten (D ith m .). — 16. W e r unterm
S p ie g e l sitzt, w ird in d e m se lb e n Jahre n o ch B raut (D ith m .). — 17. W er sic h b eim
W a sc h e n
18. W e n n
se h r
n a ss
m acht,
d er T e e k e s s e l
bekom m t
k o ch t, und
e in e n
S äu fer
zum
M ann
d er D a m p f ste ig t g e ra d e
(D ith m .).
in d ie
H ö h e,
—
so
g e h e n d ie F re ie r zu m S ch o rn stein h in a u s (D ith m .). —
19. T e e s te n g e l
a u f e in er
T a s s e T e e b ed eu ten e in e B raut o d e r e in en B räu tigam im H a u se (D ith m .). —
20. W e n n b e im A u sb la se n d er S a rg lich ter der R a u c h in e in e E c k e z ie h t, so g ib ts
zu erst e in e B raut in d em H au se (S c h w ie n h u s e n ). — 21. W e n n ein H u n d h eu lt,
so sie h t er oftm a ls e in e n H o c h z e itsz u g (D r a g e in S ta p e lh o lm ). — 22. T rä g t ein
M ädchen ein v ier b lä tter ig es K le e b la tt b e i sic h u n d ih m b e g e g n e t e in ju n g e r M ann,
so w ird der Z u k ü n ftige
d e ss e n N a m e n tragen (?) (A n g eln ).
—
22.
V e r lie r t e in e
B raut e in S tru m p fb an d , so w ird d er F reier u n treu (S c h w ie n h u se n , S ü d e rsta p e l). —
23. E in e B raut d arf ih r em L ie b ste n k e in e S c h u h e sc h e n k en , w e il er ih r dann
davon läu ft (L u n d en in D ith m ., Stad t S c h le sw ig ). —
24. W e r n och k e in B rot
sc h n e id e n
kann, d arf n och k e in e F rau n e h m e n ,
da er
s ie n ic h t
ern ähren kann.
1) Hypericum perforatum ist sonst das Johanniskraut, der Volksmund nennt aber
Sedum telephium Johanniskraut.
Volksglauben und Volksmeinungen aus Schleswig-Holstein.
K ann e in e F rau kein B rot sc h n eid e n , so kan n s ie n och k e in e n M ann k r ieg e n
(D ith m .) — 25. W e r das B rot s c h ie f sc h n eid e t, b ek om m t e in e n sc h ie fe n M ann
od er e in e s c h ie fe F rau (F ed d r in g en ). — 26. W e r das Brot rauh (n ic h t g latt)
sc h n eid e t, b ek o m m t e in en rauhen, d. h. e in en u n o rd en tlich en M ann od er e in e
s o lc h e F rau (F ed d r in g en ).
—
27. W e r g e rn e K n u ste (E n d stü ck e v o m B rot) m ag,
b ek om m t e in e W itw e od er e in en W itw e r (F ed d r in g en ). — 28. S ch n eid et je m a n d
ein g a n z e s R o g g e n k o rn im B rote durch, so le g t m an es ü b er d ie Stu bentü r; w er
dann zu erst durch d ie T ü r ein tritt, m u ss d ie P e r so n h eiraten , d ie d as K orn durch­
sch n itten hat, o d er au ch d er o d er d ie Z u k ü n ftige trägt den V o rn a m en der e in ­
treten d en P erson (S c h w ie n h u se n , F ed d r in g en ). — 29. W o in ein em H a u se ein
H eim c h e n sic h h ören lä sst, da b e d e u te t das d em H a u se e in e b a ld ig e B raut oder
e in en T o te n (S c h ü tze 1, 16 7 ) o d er au ch G lü ck (S c h ü tz e 1, 2 8 8 ). — 30. H alten
d ie P ferd e d en K o p f in der N eu ja h rsn a ch t h och , so k om m en s ie vor d en B raut­
w a g e n (L u n d en ). — 31. W e r d ie K atze quält, b ek o m m t s c h le c h te s H o c h z e its­
w e tter (D a h ren w u rth ). — 32. I s t e s am H o ch ze itsta g e sc h le c h te s W etter, so hat
d ie B raut K atze und H und n ic h t gu t g e fü tter t (D ith m ., S ta p elh o lm ).
k le in e S p in n e am B r a u tsc h le ie r bringt G lü ck (S c h w ie n h u s e n ).
—
—
33. E in e
34 . D e n B raut­
sc h le ie r d a rf k e in e le d ig e P e r so n a n fa sse n , w e il d ie dann n o ch sie b e n Jah re v e r ­
g e b lic h fr eien m u s s (S ü d e rsta p e l in S ta p elh .). — 35. N o c h w äh ren d der H o ch ze it
m u ss der B r a u tsc h le ie r zerrissen w erd en . In L u n d en g e s c h ie h t das n ach ts 12 U hr;
d e sg l. in d er Stadt S c h le sw ig . — 36. A u f d er D ith m a r sc h e r G e e st w ird bei den
g r o sse n B a u e r n h o c h z e ite n der B rautkranz am z w e ite n H o c h z e its ta g e m itta g s 12 Uhr
b e i dem B rauttanz, n ach d e m d er ju n g e M ann m it d er ju n g e n F rau in d ie S tu b e
h in ein tan zt, d er ju n g en F rau ab g en o m m en und d ie se r d ie H a u b e (d e H uv) a u fg e se tz t.—
37. W e n n b e im E in s te ig e n in d en H o c h z e its w a g e n der B r a u tsc h le ie r z er re isst, so
stirbt e in er v o n d en b eid en B r a u tleu ten b a ld ; m in d e ste n s brin gt das U n g lü ck
(A n g eln ). — 38. W e r an se in e m H o c h z e itsta g e arb eiten m u ss un d k ein e R u h e
findet, b ek om m t z e itle b e n s k e in e R u h e (S ta p elh o lm ).
—
39. A u f e in er H o ch ze it
m u ss e tw a s zerb ro ch en w erd en
(D ith m . S ta p elh o lm ).
—
40.
d e s B rä u tig a m s
d em
w ird
vertan zt:
B räutigam
v erb in d e t
H o c h z e itsle u te b ild e n e in en K reis u n d tan zen um ih n herum .
B rä u tig a m
z u e rst
greift,
erh ält
den
S trau ss
und
w ird
D e r B lu m e n str a u ss
m an d ie A u g en ,
a lle
D e rje n ig e , den der
d e m n ä c h st
B räutigam
(K e llin g h u s e n a. d. Stör).
7. Krankheit.
1.
S te ig t m an au s d e m B ett, so m u ss m an d as B ett sc h n e ll zu d e c k e n ;
lau ert so n st a u f ein en K ranken (D ith m ., S ta p elh o lm ). — 2. V o m B etta u fm a ch en
d a r f m an n ic h t fortlau fen , b evor m an fertig ist, da e s so n st K ran k h eit gib t
(D ith m .). — 3. G önnt m an je m a n d e m das W a ss e r nicht, d. h. w ill m an nich t, d ass
er au s dem S o d (B ru n n en ) W a ss e r h o le , so erkrankt m an an d er W a sse r su c h t
(F r ied ric h sta d t a. d. E id e r). — 4. W e r im F rü hjahr d ie ersten d rei A n em o n en
(A n em o n e n e m o r o sa ),
d ie er findet, au fisst,
b le ib t v o m F ie b e r
v ersch o n t
(B orn -
h ö v e d e in H o lst., K e llin g h u se n ). — 5. W e r d ie ersten d rei G ä n se b lü m ch en (B e llis
p e r e n n is) a u fisst, b ek o m m t n ic h t d as F ie b e r (H e id e ). — 6. R ü h m e dich n ich t
d e in e r G esu n d h eit, o h n e d reim al un ter d en T isc h zu k lo p fen ; du w ir st so n st krank
(D ith m ., H u su m , K e llin g h u se n ). — 7. K atzen h aare im M unde bringen S c h w in d ­
su ch t (D ith m .). — 8. A lp, Mar, N ach tm oor is t ein rau h es T ie r od er ein h alb m e n sc h lic h e s K o b o ld sw e se n , d as n ach ts sich durch d ie T ü rritzen e in sc h le ic h t und
a u f den M en sch en reitet (S c h ü tz e 1, 32 ). — 9. R ü ck w ä r ts m u ss m an sic h in s B ett
le g e n , dann kann e in en d ie N ach tm äh r n ich t reiten (D ith m ., O w sc h la g b. E ck ern -
es
282
Carstens: Volksglauben und Volksmeinungen aus Schleswig-Holstein.
fö r d e ). — 10. W e n d ie N ach tm äh r n ic h t reiten so ll, d er m u ss d ie P an toffeln
verk eh rt vors B ett ste lle n (O w sc h la g b. E c k ern förd e, D ith m ., O sd o r f b. G etto rf im
D ä n is c h e n w o h ld . V g l. S c h ü tze 4, 2 8 6 ). — 11. E in e n P ilz , p la ttd e u tsch Schap p,
a u c h P o g g e n s to h l g en an n t, d arf m an n ic h t a n fa sse n , da m an dan n d ie ‘S ch ap p ’
(K rätze) b e k o m m t (F e d d r in g e n ). — 12. E in M esser d arf m an n ich t a u f d em R ü c k e n
lie g e n la sse n , da m an dann L e ib sc h m e r z e n b ek o m m t (S c h w ie n h u s e n ). — 13. M it
e in e m M e sse r o d e r e in er G a b el d arf m an n ic h t e tw a s T r in k b a re s u m rü h ren und
d an n d avon trin ken,
w e il
m an
dann L e ib sc h m e r z e n
k rieg t (D r a g e ).
—
14. D ie
M elk erin m u ss ih re H än d e in e in em G rab en w a sch en , d as verh in d ert d ie S p rö d ig ­
k e it d er H än d e (D ith m .). — 15. B e im S c h n e ila u fe n m u s s m an d en D a u m en in
d ie H and n eh m en , dann b e k o m m t m an k e in e S tic h e in der S e ite (D ith m . S ta p el­
h o lm ). — 16. D ie W a rzen (W u tte ln ) e in e s an d eren d a r f m an n ic h t z ä h len , so n st
b e k o m m t m an sie se lb s t (D ith m .). — 17. W e r ro h en T e ig isst, b e k o m m t e in en
B an d w u rm (F ried ric h sta d t). — 18. A u f e in em S te ig d arf m an n ic h t s e in e N otd urft
v errich ten , w e il dann je m a n d u n s le ic h t e tw a s antun kann (D r a g e ). — 19. A u f ein
G ew itter, e in e n Stern, a u f d en M ond d a r f m an n ich t m it d em F in g er z eig en , da
m an dann N o tn ä g eln (N ie tn ä g el am F in g er ) erh ä lt (D a h re n w u r th ). — 20. Ein
E im er W a s s e r un ter d em K ran k en b ett sc h ü tzt vo r d e m D u r c h lie g e n (a llg e m e in ). —
2 1 . In d e n Z w ö lften d a r f m an k e in B ett h in a u sle g e n , d a dann d er V o g e l ‘K räf’
(K re b s) darüb er h in flieg t (D ith m .). — 22. Im M ai d a r f m an k e in B ett n ach d rau ssen
tragen , da dann der V o g e l ‘K räf’ flie g t und m an K re b sg esch w ü r e b ek o m m t (S ü d e rsta p el).
—
23 . A b en d s d arf m an k e in B e tt d ra u ssen la sse n ,
da
dann der V o g e l
‘K räf’ darüb er h in w e g flie g t (D ith m .). — 24. Am J o h a n n e sa b en d so ll m an d as Z eu g
von der B le ic h e n e h m e n ,
d e n M en sc h e n
d am it sic h der flie g en d e K reb s n ich t d a ra u f se tz e ,
den K re b ssc h a d e n
an
den L e ib
bringt.
A u ch
der
h ä lt m an g e w is s e
K räu ter (N e s s e ln , B e ifu ss u. a.) für G eg e n m ittel, w en n m an s ie in s D a c h
T ü r e n un d F en ste r ste c k t (S c h ü tze , 2, 3 4 6 ; 4. 2 8 7 ). — 25. V o r M ai d a rf m an
B e tt h in a u sb rin g e n zum A u slü ften , da d as G ich t bringt (D ith m .). — 26. W e r
b e k o m m t e in e n sc h w a rz en F le c k a u f d er N a s e (N o r d s c h le sw ig ). — 27. W e r
üb er
k e in
lü gt,
lü gt,
b ek om m t e in e B la s e an der Z u n ge. „ S te c k e e in m a l d e in e Z u n ge h e r a u s“, sa g t
m an zu K in dern , w e n n s ie g e lo g e n . Is t d a s G e w is se n dan n n ic h t g a n z rein , so
w a g e n s ie e s nich t, w e il s ie fü rch ten , d a ss m an d ie L ü g e n b la se g e w a h r w ird
(F e d d r in g e n ). — 28. S o v ie le w e is s e F le c k e m an u n ter den N ä g e ln hat, so v ie l
m al hat m an g e lo g e n (D ith m .). — 29. M an d a rf k e in e n w o lle n e n F a d en in s H aar
b in d e n ,
da
dan n der H aarw urm darein k om m t (S ü d e rsta p e l).
Strum p fban d
d a r f m an
d as H aar
d arein (S c h lic h tin g in D ith m .). —
n ic h t
a u fb in d e n ;
—
30.
M it ein em
dan n k om m t der H aarw urm
31 . B e im E ss e n von B ü c k lin g e n d a r f m an d ie
‘F ib er ’ (e in g e tr o c k n e te B la se ) n ic h t m it
a u fe sse n ,
da
m an
dann
d as F ie b e r b e ­
k om m t (D ith m ., S ta p elh o lm ). — 32. S ch en k t m an je m a n d e m etw a s zu se in e m
G la se , b ev o r er g a n z a u sg etru n k en hat, so b ek o m m t m an R h e u m a tism u s (B la n k en m o o r b. N e u e n k ir c h e n i. D ith m .). — 33. B e k o m m e n K in d er, w e n n s ie barfuss
u m h er g e k lette rt un d u m h er g e la u fen sin d , p lö tz lic h e in en g e s c h w o lle n e n F u ss, so
s a g t m an :
„Ju n g’, dar h e t d ie ja en T u ts ( = K röte) a n p u st.“
(J u n g e,
daran hat
d ir ja e in e K röte g e b la se n ). K röten g e lte n im V o lk sg la u b e n für g iftig (D r a g e ). —
34. V o n e in e m E rb sch a d en m u ss m an e in er L e ic h e e in e n T e il m itg eb en in d en
Sarg, w ill m an d avon g e h e ilt w erd en (L u n d e n ). — 35. E rb lä u se (A rflü s) sin d
n ic h t a n d ers lo sz u w e r d e n , a ls w en n m an s ie e in er L e ic h e m itgib t. M an p flegt
3 — 9 S tü ck in e in e F e d e r p o s e zu ste c k e n u n d in d en Sarg z u le g e n (L u n d en ). —
36. E in e n ‘B lä lle r s te e n ’ ( = B latterstein , M ilc h k ie se l) m u s s m an n ich t in den M und
nehm en,
da
m an
dann
e in e B la tter ( = B la se )
a u f d er
Z unge
b ek o m m t.
M an
B ächtold: K leine M itteilungen.
283
sp u c k e r a sch d arau f u n d w erfe ih n r ü c k lin g s fort (B e rg e n h u se n in S ta p elh o lm ). __
37. Brot, S alz un d E rd e in ein em L ap p en b ei sic h tragen sch ü tzt g e g e n H eim w e h
(W itten b o r n b. S e g e b e r g ). — 38. G eg e n H e im w e h näh t m an h e im lic h S a lz un d
B rot in s Z e u g o d er e in S tü ck ch en B rot in s R o c k fu tte r (G eg . v. L u n d e n ). —
39. G eg e n H eim w e h n äh t m an e tw a s ‘S tu b e n fe g e lsc h ’ (K eh rich t) od er B ettstroh
in e in K le id u n g sstü c k (D r a g e in S ta p elh o lm ). — 40. W e n n m an n ach A m erik a a u s­
w an dert, m u ss m an e tw a s E rde au s der H eim a t m itn e h m e n ; m an w ird dann n ich t
seek ra n k (S ü d e rsta p e l). — 41. A lle sie b e n Jahr ist e in K ran ken- oder U n g lü c k s­
ja h r (S c h ü tze , 2, 182). — 42. M it ein em n eu en K am m d a r f m an sich n ich t se lb e r
zu erst k äm m en , so n d ern z u e rst e in en H an d od er e in e K atze; so n st v erliert m an
se in H aar (L ü b ec k ). — 4 2 . E in en ‘B a b b e ls te e n ’ 1) in den M und n e h m e n sch ü tzt
g e g e n S e e k r a n k h eit (D e lv e ). — 43. H at ein K ind W ü rm er, so m u ss m an ih m
W u rm p u lv er od er W u rm k u ch en D o n n e rsta g m o rg e n s n ü ch tern e in g eb en , da dann
d as WTurm h au s ofTen ist. N ach d em V o lk sg la u b e n h at n ä m lich je d e r M en sch
W ürm er, d ie in e in em so g e n a n n te n W u rm h a u s w o h n en (H e id e ). — 4 4 . W en n m an
e in Stü ck T u c h o d er e in en H a n d sch u h findet,
w orin
o d er E iter g e str ic h e n ,
m it
so
m u ss
m an
dreim al
etw a b ö se M en sch en K rätze
dem F u s s
daran
sto sse n ,
so
sc h a d e t e s n ic h ts (S c h ü tze , 4, 20 7 ). — 45 . W e n n m an Ä p fel, d ie m an b is G rün­
d o n n ersta g a u fb ew ah rt hat, isst, so b leib t m an das g a n z e Jahr g e su n d (K e llin g h u se n a. d. Stör). — 46 . W ill m an e in e P u ssw a n d e ru n g m ach en un d le g t e in E ic h e n ­
b latt in den H ut, so lä u ft m an sic h d ie P ä s s e n ich t w u nd (L u n d en ).
(Fortsetzung folgt.)
Kleine Mitteilungen.
Hexen- und Zauberglaube der Gegenwart.
D u r c h d ie g ü tig e V e rm ittlu n g d e s M in isteriu m s
d e s G ro ssh e r zo g i.
b a d isch en
H a u se s der J u stiz u n d d e s A u sw ärtigen in K arlsru h e, dem ich auch h ie r d en ver­
b in d lic h sten D an k a u ssp rech e, e rh ie lt ich von d e n A m tsg er ic h te n P fu lle n d o r f und
Ü b e r lin g e n Strafakten g e g e n e in en ‘W u n d erd ok tor’ zur E in sic h t. D e r A n g ek la g te,
e in im Jahre 1866 g eb o ren er, a u s d em H o h e n z o lle r n sc h e n stam m en d er T a g elö h n er,
stan d 19 0 2 zu m ersten M ale w e g e n B etru gs vor G erich t un d e rh ie lt e in e fü n fm on at­
lic h e F re ih eitsstra fe .
1903 ergab sic h aus ein em z w eite n V erfah ren g e g e n ihn n ich ts,
d as a ls V erle tzu n g d e s G e s e tz e s hätte b estraft w e rd en
k ö n n en .
D agegen
w u rd e
e r 1912 w ie d e r w e g e n ‘G a u k elei u n d g ro b en U n fu g s’ z u 14 T a g e n H aft v e r ­
u rteilt. Ic h te ile au s den A k ten das k u ltu rg e sc h ic h tlic h und v o lk sk u n d lich In ter­
e ssa n te m it.
1) Babbelstein stammt aus der Schiffersprache und ist ein Stein, der gar nicht
existiert. N ach N iedersachsen 7, 206 heisst der Stein W abbelstein und ist ein gew öhn­
licher K ieselstein von W alnussgrösse.
Bächtold:
284
Ü b e r s ic h s e lb st sa g te der A n g ek la g te 1912 au s:
„Während ich noch bei m einen Eltern zu H ause war, starben nach und nach fünf
Brüder von mir im Alter von 3—5 Jahren. Sie wurden heim lich von bösen Menschen
geplagt. Ein alter, schon län gst verstorbener Mann kam zu uns und übte die Praxis als
Wunderdoktor aus. Geholfen hat es bei keinem , alle starben. D ieses G eschäft hat mir
im poniert, und ich gin g damals vier W ochen bei dem fremden Mann in die Lehre. D iese
H eilkunst übe ich nun schon längstens aus.-4
E in ig e n se in e r K lie n te n h atte er 1902 a n g e g e b e n , er se i darin m it n eun
a n d eren z u sa m m e n d u rch e in en ‘h o h en G e istlic h e n ’ un terrich tet un d gep rü ft w ord en .
„ D e r hat m ir g e s a g t,“ b e h a u p te te er w e iter , „ w ie m an d ie S a ch en m ach t. D i e
L e u te , d e n e n ic h h e lf e n s o l l , u n d ic h m ü s s e n z u b e s tim m te n Z e ite n
e t w a s b e t e n . “ N ach d ie se r A u ssa g e k ön n te m an ih n für ein en g e w ö h n lic h e n
G esu n d b eter h alten . W ie b e i d ie se n L e u te n d as G eb et au s d er A n fleh u n g G ottes,
se in e r G nad e u n d d er V e r g e b u n g d er S ü n d en (fü r w e lc h e K ran k h eit u n d
U n g lü c k d ie Strafe sin d ) zu e in e r B e sc h w ö r u n g G ottes w ird, so in n o c h v ie l
h ö h erem M a sse b eim A n g ek la g te n , w o d as G eb et zur r ein en Z au b er- und B e ­
sc h w ö ru n g sfo r m e l g e w o r d e n ist. D a s z e ig t sic h sc h o n durch s e in e ‘K ra n k h eitsth e o r ie ’, d ie er v o r G erich t a u sfü h rte:
„Man hält oft etwas für eine Krankheit des V iehs (an anderen Orten spricht er von
M enschen), es kommt aber oft von bösen M enschen her, die einen Einfluss auf das Vieh
haben. Ich glaube daran, und die Leute glauben auch daran. Ich gebe den Leuten an,
was sie beten müssen, wenn sie daran glauben. Zu ganz bestim m ten Zeiten m üssen die
Leute beten; es ist nicht gleich, zu w elcher Zeit man betet. Ich w eiss, dass es hilft,
wenn man es richtig m acht, halte m ich aber nicht besonders von Gott zu solcher Sache
berufen. Der M einung bin ich, dass unser H errgott durch die Gebete im mer beson dem
Einfluss ausübt und dass ich die bestim m ten Gebete angeben kann. Ich bin wie andere
M enschen auch. Zu den Leuten gehe ich nur, wenn sie m ich holen; angepriesen habe
ich m ich noch n ie 1). Ich habe den Leuten nur gesagt, wenn sie glauben, dass ungerechte
D inge im Spiel sind, dann m üssen sie das und das anwenden.“
„ D e n n ,“ argu m en tiert er e in a n d er e s M al, „ w e n n e s L e u t e g i b t , d i e e i n e m
e t w a s z u f ü g e n k ö n n e n , d a n n m u s s e s a u c h s o l c h e g e b e n , d ie e in e m
h e l f e n k ö n n e n . “ E r s e i, w ie d ie ü b e r w ie g en d e M eh rh eit der B e v ö lk er u n g d e s
D e u tsc h e n R e ic h e s a lle r B ild u n g ssc h ic h te n , der Ü b er ze u g u n g , d a ss j e d e r d u r c h
G l a u b e n , G e b e t e , W e i h w a s s e r u. d g l . d i e E n t s t e h u n g v o n K r a n k h e i t e n
v e r h in d e r n
u n d d ie B e s e it ig u n g e n ts ta n d e n e r K r a n k h e ite n h e r b e i­
fü h re n k ö n n e ,
M en sch en .
und
zw ar
n ic h t
nur
b e im
V ie h ,
son d ern
auch
b e im
D a s s e s H e x e n g e b e , u n d d a ss d ie ‘b ö sen M en sc h e n ’ so lc h e se ie n , le u g n e t er
zw ar vor G erich t. D ie Z e u g e n a u s sa g e n e r g e b e n aber, d a ss er s ie im m er a ls
H e x e n , sic h s e lb s t öfters a ls H ex e n b a n n e r b e z e ic h n e t h at. A u s d e n A k ten lä sst
sic h k e in k la r e s B ild ü b er den H e x e n g la u b e n d e s A n g ek la g te n u n d se in e r K lien ten
g e w in n e n . E r so ll ein m a l erk lärt h ab en : „ D ie je n ig e P er so n , d ie m ir am M orgen
z u e rst b e g e g n e t, o d er d ie je n ig e F rau , d ie v o r o d er h in ter m ir in d ie K irch e g e h t,
is t e in e H e x e .“ D a n n m a ch t er a u ch e in e n U n te r sc h ie d z w isc h e n O ber-, M ittel­
un d U n ter h e x en . D ie T ä tig k e it d ie se r H e x e n rich tet sic h vor a lle m g e g e n d as
V ie h , u n d zur H e ilu n g
u n d R e ttu n g d e s v e rh ex te n V ie h s
w u rd e
der A n g ek la g te
1)
Er soll sich aber doch nach einer Zeugenaussage in einem Inserat einer K arls­
ruher Zeitung im Novem ber 1911 als Wunderdoktor angepriesen haben.
Kleine Mitteilungen.
285
m e is t a u c h g e h o lt. „S au b er is t e s da nich t, da sin d d ie H e x e n d r a n ,“ p flegte er
zu sa g e n , w en n er in e in en S tall g etreten u n d d as V ie h b e se h e n h atte — od er:
„ D a ist w a s B ö s e s dran. D a s s e s auch L e u te gib t, d ie so w a s m a ch en k ö n n e n !“
u sw . W ie v erb reitet d ie se r G lau b e ist, z e ig t d ie G esch ic h te , d ie sic h in d er E rd ­
b eb en n a ch t 1911 e r e ig n e te . E in B auer, d er in d en A kten a ls K lie n t d e s A n g e ­
k la g ten un d a ls Z e u g e auftritt, fglau b te,
e in and erer sp ran g au s se in e m B ett,
sc h r ie: „Jetzt ist sie h in !“
e s g e is te
un d
p o ltere in se in e m H a u se ;
h o lte e in e M istg a b e l,
l ie f in
den S ta ll u n d
W ie d e r e in an d erer rannte m it ein em B e n g e l der v e r ­
m e in tlic h e n H e x e n ach.
D a s g e w ö h n lic h ste M ittel, das d er A n g ek la g te g e g e n a n g e h e x te K ran k h eit bei
V ie h un d M en sch en an w an d te, ist, w ie sch o n erw äh nt, d as G e b e t . E in em B auern,
d e s s e n K ü h e m o r g en s k e in e , a b en d s a b er M ilch in g e w ö h n lic h e r M en g e g ab en ,
rie t er, m it „ se in e r F a m ilie zu e in e r b estim m ten Z eit e t w a s zu b e te n .“ — E in em
and eren w aren d ie K ü h e n ach ts u n ru h ig. S ie w aren am M orgen m it S c h w e iss
bedeckt
un d
gaben
fa st
k e in e M ilch .
Er
e rh ie lt v om W u n d erd ok tor
den R a t,
„ m o r g en s vor u n d a b en d s n ach d em B etzeitlä u ten das e rste m a l fü n f V ateru n ser, das
z w eite m a l drei V a te ru n ser und das drittem al
sie b e n
V ateru n ser
un d je w e ils den
G lau b en d azu zu b e te n .“ D a s M ittel so ll g e h o lfe n haben. „ Ic h g la u b e ,“ sa g t der
A n g ek la g te au s, „ d a ss d ie s e s G eb et d ie U r sa c h e der G e n e su n g w ar.“ — Zu e in em
dritten kam er, g eru fen , in d en S tall, griff d er v o rd ersten K uh an d ie H örn er und
sa g te : „ D a g ib t e s zu b eten , d ie K u h ist v e rh ex t oder v e rw u n sch en u s w .“ — In
e in e m an d eren F a lle fiel ein ju n g e s P fer d , d as der T ierarzt früher für gan z g e su n d
erk lärt hatte, n ach ts oft um un d w ar fa st n ich t m eh r a u f d ie B e in e zu b rin gen . A lle
im H a u se m u ssten an v e r sc h ie d e n e n T a g e n etw a s b eten : d rei V ateru n ser, fü n f
V ateru n ser, z w e i G lau b en , drei G lau b en u s w . D ie G eb ete m u sste n zu b estim m ten
Z eiten verrich tet w erd en . „ W ir h ab en d ie S a c h e n g e b e te t,“ erk lärte d er B e sitz e r
d e s P fer d e s, „und e s is t ta tsä c h lich b e sse r g e w o rd en . Ich g la u b e, d a ss er ein
b e so n d e r e s W is s e n in so lc h e n S a c h e n hat.
F rü h er
h ab e
ic h
n ic h t an d erartige
S ach en [V e r h e x u n g d e s V ie h s un d W irk u n g d e s G eb ets] g e g la u b t, je tz t aber g la u b e
ic h so h alb daran.“
„ W e n n d ie U n a n n eh m lich k e iten in m e in em S ta lle sic h w ie d e r ­
h o len s o llte n ,“ sa g te ein er, dem S ch . au f g le ic h e W e is e h alf, „ru fe ic h ih n w ied er.
D ie s w ird m ir w o h l n iem a n d v erb ie ten k ö n n e n .“
und d ie Art der G eb ete w ie
ein R e z e p t
G ew ö h n lich sch rieb er d ie A n zah l
a u f e in en Z ettel
un d
b en etzte
ih n m it
W e ih w a ss e r .
N eb en u n d m it d em G eb et zu sa m m en sp ie lte
aber w e ite r d a s W e i h w a s s e r
e in e w ic h tig e R o lle b e i d en K uren d e s A n g ek la g ten .
E r sp ritzte W e ih w a ss e r in S tälle
und S tu ben u n d verord n ete, d a ss d ie s w e ite r öfters g eta n w e rd e. M eist g o s s er
W e ih w a ss e r a u f e in e n Z e ttel u n d k r itze lte m it d em B le istift a u f d em P a p ier h eru m
u n d v e r w is c h te d as G e sc h r ie b e n e . D a s Z e ttelch en le g te er in e in en S p alt im Stall.
D a m it w o llte er z. B. e in e m B auern h e lfen , d e s s e n P fer d e n ic h t m eh r z ie h e n
w o llten , trotzd em s ie g e su n d
sc h r ieb er a u f d en Z e ttel:
u n d se h r kräftig w aren . In e in em and eren F a lle
„ G o t t , V a t e r , S o h n , -j- -j- -J-,“ un d v ersteck te
ih n im S ta lle. — E in e m ändern B auern
erk ran kten
s e in e
z w e i Z ieg e n ,
n ach d em
ihm v o rh er sc h o n z w e i v e re n d et w aren ; s ie fra ssen n ic h ts und g a b e n k e in e M ilch.
In se in e r N o t w a n d te er sic h an S ch ., der e in en g r o sse n R u f b e s a s s ; der m ein te,
d a s e i w a s B ö s e s dran; d ie S a ch e d au ere sc h o n vier Jahre, u n d d ie b e id e n letzten
Z ie g e n w ären u n z w e ife lh a ft auch e in g eg a n g en .
D an n vero rd n ete er G eb ete und
j e w e ilig e s B e sp r itze n d e s S ta lle s un d der T ie r e m it W e ih w a sse r .
„E r se lb st
k ritzelte a u f z w e i Z e ttel j e e in ig e K reuze un d H e ilig e n -V e r s e , h i n g d e n e i n e n
d e r Z ie g e um d e n H a ls , d e n a n d e r e n s c h lu g er an d ie I n n e n s e it e d e r
Bächtold:
286
S t a l l t ü r e . D ie M eth od e d e s S ch ., v o n d er ic h a n fä n g lic h n ic h t v ie l erw artete,
h a t g e h o lfe n . M ein e Z ieg e n w u rd en g le ic h d arau f g e su n d , un d ic h bin m it ih m
z u fr ie d e n .“ In z a h lre ich en an d eren F ä lle n n a g e lte er in g le ie h e r W e is e d ie m it
W e ih w a s s e r b e sp ritz ten Z ettel an d ie S talltü re. — E in a n d er e s M al — e s h a n d e lte
sic h u m e in 3/ 4 Jah re a lte s k ra n k es K in d u n d u m K ü h e — b e s c h r i e b e r d r e i
Z e tte l, w a r f z w e i d a v o n in s F e u e r u n d s c h o b d en ä n d e r n u n te r d as
K in d . „ D a s M ittel S c h .s h at g e h o lfe n ,“ sa g te d er Z e u g e , „ K in d un d K ü h e w u rd en
z u se h e n d s b e ss e r un d sin d b is h e u te g e su n d . H ätte S ch . n a c h h er 1 0 0 M k. von m ir
v e rla n g t, so w ü rd e ich s ie ih m a ls D a n k für s e in e M ittel g e rn e g e g e b e n h a b e n .“
N e b e n d ie se n e in fa ch en M itteln w an d te S ch . n o c h so g . S c h u t z b r i e f e an,
deren O rigin al er v o n e in em h ö h er e n G e istlic h e n
e rh a lten
h a b en w o llte .
E in ig e
d e r se lb en lie g e n d en A k ten b e i; ic h g e b e s ie h ie r w ie d e r, s o w e it s ie — d a s ie
a lle m it B le is tift g e s c h r ie b e n u n d m it W e ih w a s s e r b e sp ritz t o d er in s o lc h e s g e ­
ta u ch t sin d — n o c h le s e r lic h sin d :
1. t t t I m Nam en Jesus K istus (!) schreibe ich hir . . . durch Gnade Gabe V olmach (!) der H ochhiligen D reieinigkeit. Sakrament des Altars
G ott Y.
Gott S.
t
Gott H. G.
t
(d a s an d ere u n le se r lic h e s G ek ritzel;
t
u n ter sc h r ieb en
von
Sch.
m it V o r - un d G e­
sc h le c h tsn a m e n ).
A u f der R ü c k se ite : N . 4.
t
f
G ott V.
Gott S.
t
t
Gott H. G.
t
t
2. B e g in n t m it der N e n n u n g d e s N a m e n s S c h .s (n ach je d e m B u c h sta b e n ist
e in P u n k t g e se tz t) so w ie d e s E h ep a a rs, d as ih n u m s e in e H ilfe g e b e te n . D an n
h e isst e s w e iter :
Dom ene (!) Wo bist . . . nomene B ater m itB oten tz in Eckselzis Zeonomene. . 5 Vater­
unser. Klauben [Glauben]. Salveregina Amen.
F o lg t wieder seine Unterschrift,
t
t
t
Im Nam en Jesus Krisum und durch volm acht des . . . G ottes ~
y-
[Namen.]
Im Nam en Jesus Kristus t t t • • • [unleserlich]
E w igkeit.
E w igkeit.
Ewigkeit.
[F o lg t Vaterunser.]
H ailig.
H ailig ist unser Herr und Gott.
[Unterschrift.]
4.
E in e m an R h e u m a tis m u s le id e n d e n B auern b rach te er e in z u g e n ä h te s,
k le in e s L e d e rtä sch ch en (e tw a 2 cm la n g un d 1 cm breit) un d h ie s s ih n , e s m o r g en s
v o r S o n n e n a u fg a n g um den H a ls zu h ä n g en un d es n eun T a g e so zu tragen.
D ie s e s T ä sc h c h e n e n th ie lt e in en a u fg e r o llten , 1 cm b r e ite n u n d 25 cm la n g en
P a p ier str eife n , a u f d em d er n a c h fo lg e n d e S e g e n stand.
P a p ier str eife n un d T ä sc h c h e n
sin d m it W e ih w a ss e r geträn k t w ord en .
„ ..............et spiridus sanktus Amen . . . d. G esicht Gicht u. Krampf das gebiet Ich f
dier hei deinen vielen H lgen Christen deines Dieners Josef aus Deinem F leisch Nerfen
K leine M itteilungen.
287
und gebein. das gebiet Ich dier Josef dessen gebein, Nerfen u. F leisch zu wünschen
lern aus gebein Nerfen u. F leisch es sei ein Bann u. ein jeder Gerechte Da sprach mein
lieber Herr Jesus Christus ist mein Gericht es ist meine wäre Gottheit Gott Vater f Gott
Sohn f u. Gott hlger G eist f Gott zum Grus. So war als Maria den Sohn Gottes durch
den hlgen Geist hatt em pfangen, So war sind dier J o sef alle Schmerzen jn deinem F leisch
Nerfen u. Gebein . . . durch Jesum Christum Amen t Am en f Amen f So war als Maria
Sie Gottes Sohn hat geboren, So war hast du J o se f alle Schmerzen in Händen u. Füssen
u. Rücken verloren durch Jesum und Maria Amen f So war der hlge G eist ist vom H im ­
m el gekommen, So war sind dier Josef alle Schmerzen im Gebein Nerfen u. F leisch g e ­
mindert durch Christus Amen t M f F t B f S f B .
A .“
S eh r g r o sse s G ew ic h t le g te Sch. a u f d as O p f e r , n a m e n tlich vor se in e m ersten
P r o z e s se . G ew ö h n lich sa g te er, n ach se in e m e ig e n e n G estän d n is, se in e n K un den, „d ass,
w e n n d ie S a c h e h e lfen so lle , s ie O pfer brin gen m ü ssten , a n so n st e s m it dem V ie h n ic h t
b e ss e r w e rd e. E b e n fa lls sa g te ich d e n se lb e n , d a ss ich das G eld , w e lc h e s s ie m ir g e b e n ,
nach K on stan z in d as M ü nster opfern w e rd e, da s o lc h e s nur in e in e D r e ifa ltig k e itsK irch e g e o p fe rt w e rd en d a r f u s w .“ D ie s e G eld o p fer m u sste n nach d er hl. D r e i­
fa ltig k eit im m er durch drei te ilb a r
s e in
un d z u n ä c h st e in ig e Z eit in W e ih w a ss e r
g e le g t w erd en . D u rch s o lc h e O pfer fe ite er d ie L e u te g e g e n a lle s B ö se , h a lf vor
a lle m au ch in M isch eh en , „und da g e b e e s für ih n g e ra d e d o p p e lte A rb eit und
s e i e s fü r ih n n ic h t le ic h t, d ie S a c h e zu m a c h e n .“ M it d em O pfer du rfte Sch.
aber n ic h t ü b e r den S e e , son d ern m u sste u m d en S e e n ach K on stan z fahren, da
er so n st k e in e G ew a lt m eh r h ätte u n d dann s e in e S a c h e n ic h ts w äre. A lle s d as
h a b e er von e in em alten P farrer erfah ren, b eh a u p tete er.
In d ie se r W e is e h a n d e lte d er A n g ek la g te in z a h lre ich en F ä lle n . S o z. B . b e i
ein em T a g e lö h n e r , d e ss e n z w e i K ü h e k e in e M ilch m eh r ga b en u n d im m er m a g erer
w u rd en . D ie F rau d e s T a g e lö h n e r s sa g te vor G erich t au s:
„Sch. kam nun eines Tages zu uns, gin g in den Stall und sagte, er sehe schon, da
könne er schon helfen, es gebe eben böse Leute, die schuld seien, dass die Kühe keine
M ilch mehr geben. Derselbe blieb sodann m it meinem Ehemann allein im Stall und
b e t e t e m i t d i e s e m u n d s c h l u g d r e i N ä g e l in d ie S t a l l t ü r e u n d d ie W an d . Als
Sch. im Stall fertig war, sagte er, wenn die Sache etwas nützen und helfen solle, so
m üsse er für jede Person im Hause und für jede Kuh ein Opfer bringen, und das Opfer
betrage je 3 Mark. Dieses Geld m üsse er zu Konstanz in einer Kirche opfern, er d ü r f e
h i e r b e i a b e r m it d ie s e m O p f e r g e l d n i c h t ü b e r d a s W a s s e r , s o n d e r n er
m ü s s e um d e n S e e h e r u m fa h r e n . Da wir m it unserem Sohne drei Personen waren,
so machte das Opfergeld m it den beiden Kühen 15 Mark, w elches Geld ihm von meinem
Ehemanne in dem guten Glauben, es werde helfen, übergeben wurde. Wir waren damals
noch in G eldverlegenheit, und ich m usste es zuerst entlehnen. Sch. sagte, er dürfe das
Geld erst nach Ablauf einer gew issen Zeit opfern und müsse zuerst noch einm al zu uns
kommen und nach den Kühen sehen. N ach Verlauf einiger Tage kam er wieder; die
Kühe waren aber noch nicht besser geworden und gaben auch nicht mehr M ilch. Er
deutete uns nun an, dass er jetzt das Geld nach Konstanz in eine Kirche verbringen wolle
und hierzu das nötige R eisegeld haben m üsse, worauf ihm mein Mann noch einmal drei
Mark gab. Sch. beteuerte hoch, er habe von all diesem Geld und für alle seine Mühe
nichts, er dürfe nur diese 3 Mark für Fahrgeld und Zehrung nehmen. A ll das B eten und
das von meinem Manne so sauer verdiente Opfergeld nutzte uns jedoch nichts, im Gegen­
te il standen uns gleich nachher zwei Schweine u m . . . "
A u sse r d ie se n P rak tik en w e n d e te Sch. auch n och an d ere an:
„Ich war im vorigen Jahre (1901) sehr krank,“ sagte eine Bäuerin vor Gericht aus,
„und ärztliche Kunst verm ochte mir lange nicht zu helfen. Ausserdem hatten wir auch
U nglück im Stall. Ich gab daher Bekannten, die mir von den Fähigkeiten des Ange­
B ächtold, Bartels:
288
klagten erzählt hatten, den Auftrag, ihn mir einm al zu schicken. Er kam, und ich bat
ihn, mir aufrichtig zu sagen, ob es keine Krankheit oder ‘so etw as’ (d. h. Verhexung,
Verwünschung) sei. D er Sch. fühlte mir den P uls (‘er versteht das P ülslein wohl zu
drücken') und sagte, es sei wirklich ‘so etw as’. Es stehe schlim m m it mir, es sei mir fast
nicht mehr zu helfen. Er glaube aber, dass er mir schliesslich doch noch helfen könne.
Ich fasste Vertrauen zu ihm und betraute ihn m it meiner Behandlung. Er verlangte vor
allem G eld zum Opfer in K onstanz.......... für das ganze Anwesen 5 Mark, für den Laden
5 Mark sowie für jede Person des Hauses 5 M a r k .... Ich musste dem Angeklagten auch
mein W asser geben, und er brachte mir Kräuter zu einem Fussbad und zwei Fläschchen
M edizin.“ B ei anderen verordnete er Tee, dessen Kräuter im Schatten am Waldrande
gesam m elt und von einem hohen G eistlichen gew eiht worden seien usw.
In teressa n t is t d ie S tellu n g , d ie das G erich t a lle n d ie se n H a n d lu n g en d e s A n­
g e k la g ten g e g e n ü b e r ein n a h m :
„Bei Anwendung des § 68 Bad. P. Str. G. B. (der Gaukelei und Unfug verbietet),“
führte die Staatsanwaltschaft aus, „ist es ohne Belang, ob der Angeklagte selbst an die
W irksamkeit seiner M ittel geglaubt hat oder nicht. Eine b e w u s s t e Täuschung ist nicht
Tatbestandmerkmal des § 68, wenn man unter Gaukeleien zwar auch insbesondere auf
Täuschung und Übervorteilung abergläubischer nnd leichtgläubiger Leute gerichtete Hand­
lungen zu verstehen hat (vgl. Entsch. d. Oberlandesgerichtes München V. Bd. 187; vgl.
302 ; 7, 301; 11, 183; Zeitschr. f. Rechtspflege in Bayern 1911, 346; Goltd. Archiv f. Str.
59, 134; Jurist. W och. 1911, 505; Das Recht 1911, B eilage Nr. 2291). Das Gesetz steht
jedoch m it der W issenschaft auf dem Standpunkt, dass es irgendwelche übernatürliche
M ittel, welche wunderbare Wirkungen hervorzubringen g eeign et sind, nicht anerkennt,
sondern die Anwendung solcher M ittel, welcher Art sie nur immer sind, abergläubischen
und leichtgläubigen Leuten gegenüber, welche an solch übernatürliche W irkung glauben,
schon an sich (objektiv) als Täuschung erklärt. Das Gesetz bedroht daher w egen der
hierin liegenden Gefahr des Missbrauches zur Ausbeutung des Aberglaubens denjenigen
m it Strafe, der gegen Lohn oder zur Erreichung eines sonstigen Vorteils sich m it der An­
wendung solcher, vom Gesetz als Täuschung angesehener M ittel abgibt, einerlei ob er
selbst daran glaubt oder nicht.“
B a s e l.
H a n n s B ä c h to ld .
Durchziehknr in Winkel am Rhein.
(Mit 3 Abbildungen.)
Im A n sc h lu ss an m e in e in B erlin g e h a lten en V o rlesu n g e n ü b er P rim itiv e
M ed izin (V o lk sm ed iz in , M ed izin der N a tu rv ö lk er), e rh ielt ich von d en H erren
cand. F e t z e r u n d B e m a drei a u f d a s D u rc h z ieh en a ls H eilsm itte l b ez ü g lic h e ,
v o n ih n en für m ich a u fg en o m m en e P h o to g ra p h ien , d ie m ir, a ls w o h l d ie e in zig e n
d erartigen A u fn ah m en , e in e M itteilu n g zu rech tfertig en sc h e in e n .
D ie B ild er z eig en , in w e lch er W e is e d ie D u rch zieh k u r in W i n k e l a m R h e i n
b is vo r ku rzem a u sg eü b t w u rd e. D o rt erfreut sic h ein frü h er a ls H olzh ack er,
je tz t a ls H ilfsfö rster tä tig er M ann e in e s g r o sse n R u fe s in d ie se r ‘S p ezia litä t’, d ie
dort a ls ‘D u rc h z ieh en ’ o d er ‘D u r c h s te c k e n ’ b e z eich n e t w ird. S chon der V ater,
ein B auer, e b e n so der G rossvater, h a b en d ie s e K unst, offenbar m it gu tem E rfolge,
g eü b t.
S ie w ird
in
d er R e g e l
nur
b e i K indern
a n g ew en d et,
und
m e ist a u ch
nur
g e g e n B ru ch sch ä d en . D a s V erfa h ren b e ste h t darin, d a ss e in ju n g e s B äu m ch en
od er e in w ild er S c h ö s slin g stark g e sp a lte n w ird; durch d ie so en tsta n d en e ö se n ­
fö rm ig e Ö ffnung w ird der P a tien t h in d u rch g esteck t.
V o rsch rift is t, d a ss nur
Kleine M itteilungen.
289
S te in o b st zu d ie se r P rozed u r verw en d et w ird : m e is t n im m t m an e in Z w e tsc h e n -,
M ira b ellen - od er A p rik o sen b ä u m ch en ; P fir sich e w erd en dort am S p alier, K irsch en
in b e so n d e re n , m e ist e in e V ie r te lstu n d e v o n d er O rtsch aft en tfernten, a lso w oh l n ic h t
so b eq u em erreich b aren A n la g en g e zo g e n , k o m m en d ah er w e n ig e r in B etracht.
D ie K ur w ird für g e w ö h n lic h im G arten der A n g eh ö rig e n d e s k le in e n P a tie n te n ,
z u w e ile n w o h l au ch in d em d e s D o k to rs, v o r g en o m m e n , u n d zw ar z w isc h e n 11 un d
Abb. 1.
12 U h r m ittags.
D e r P a tie n t w ird (in se in e n K leid ern ) d reim al n ach ein an d er
vom D o k to r d u rch g esteck t, m it d em K op fe voran (v g l. A bb. 1).
In der R ich tu n g
d e s D u r c h ste c k e n s w ird a b g e w e c h se lt; das erstem al g e sc h ie h t e s von lin k s nach
rech ts, dann von r ech ts nach lin k s, d arau f w ie d e r von lin k s n ach rech ts.
D as
D u rc h stec k e n
b eso rg t
der W u n d erd ok tor,
w äh ren d
e in er
d er
A n geh örigen
d ie
Ö ffnung im Stäm m ch en a u sein a n d erh ä lt und d as d u rc h g e ste ck te K in d je d e sm a l in
E m p fan g nim m t. W ä h ren d d e s D u rc h stec k e n s sagt der D o k to r d en Spruch:
Brüchelchen, du sollst heilen
Im Nam en der heiligen D reifaltigkeit!
Zeitschr. d. V ereins f. V olkskun de. 1913. H eft 3.
19
P. Bartels:
290
D a m it d ie K ur n u n aber w irk lich h e lfe , sin d n och z w e i w e iter e B e d in g u n g e n zu
er fü lle n . E in m a l is t e s n ötig, d a ss so w o h l d er D o k to r w ie auch d ie V erw a n d ten
d e s P a tie n te n f le is s ig b eten .
E s m ü s se n n eun T a g e lan g, m it d em T a g e d er K ur
an g e fa n g e n , V a te ru n ser g e sp r o c h e n w erd en , u n d zw ar am ersten T a g e n eu n V a te r ­
u n ser, am z w e ite n T a g e acht, am dritten T a g e
d in g u n g fü r d as G e lin g e n d er K ur is t d ie, d a ss
w a c h s e und k e in e n S ch a d en n e h m e .
sie b e n u sw .
E in e z w e ite B e ­
d a s B äu m ch en n a c h h er w e iter
D e sh a lb m u ss n ach V o llz ie h u n g d e s D u rc h -
Abb. 2.
ste c k e n s d ie g e se tz te S p alte w ie d e r g e s c h lo s s e n und zum Z u sa m m en h e ile n geb rach t
w e rd en . M an le g t a lso (w ie e s A b b. 2 z eig t) e in en V erb a n d an: e in e B in d e, am
o b e r en E nd e der S p a lte m it Sch n u r b e fe stig t, w ird in Sp iraltou ren b is un ten hin
un d d an n w ie d e r zu rück n ach ob en g efü h rt; h ier w ird w ied eru m e in e Sch n u r
h e r u m g e le g t.
A ls B in d e d ie n t irg e n d ein e in fa ch er Stoff;
in
d ie se m P a lle w ar es
z. B . ein S tü ck e in e s g e b lü m te n V o r h a n g es, w ie er in b ä u erlich en V e rh ä ltn isse n
für B e tten o d e r F e n ste r v e rw e n d et w ird (bed ru ck ter B arch en t).
D a s so v e r ­
b u n d en e B ä u m c h e n z e ig t A b b. 3.
Im N o tfä lle,
e in r iss , v e r w e n d e t m an au ch B a u m w a ch s.
fa lls
das
S täm m ch en
a llz u w e it
Ü b e r e in e tw a ig e s H onorar für d e n D o k to r w ar n ic h ts S ic h e r e s von ih m zu
erfah ren ; er w o llte d a a n sch ein e n d n ic h t rech t m it der S p rach e h erau s. J e d e n fa lls
Kleine M itteilungen.
291
is t aber d as V ertra u en , d as ihm e n tg e g en g eb ra c h t w u rd e, e in g r o sse s, d enn er
w u rd e frü h er z ie m lic h häufig, oft au ch v o n L e u te n der w eiteren U m g eb u n g , in
A n sp ru ch g e n o m m en . In n e u e ste r Z eit m ach t er e s a n g e b lich n ic h t m ehr.
„S e
m is s e w is s e , w an n e ic h m er d ie G esch ie h t so rech t iw e r le h e , do g la w
n im m i d ran “, w ar s e in e A n tw ort a u f e in e dah in z ie le n d e F rage.
D ie
w e ite V e rb re itu n g
der
in
N ord d eu tsch la n d
au ch
a ls
ic h s e lb st
‘S c h m ie g e n ’
be-
Abb. 3.
ze ic h n e te n D u rc h z ieh k u r e n üb erh au p t un d d es D u r c h z ie h e n s durch B äu m e im
b e so n d e re n is t a llg e m e in b ekan nt; üb er d ie B e d e u tu n g derartiger B räuche — ob
e s sic h um e in Ü b ertra g en d es K ran k h eitsd äm on s a u f d ie B a u m s e e le han d elt,
o d e r um d ie H er b e ifü h r u n g e in er W ied er g eb u r t, o d er um ein A b streifen der
K ran kh eit m itte ls d e s H in d u rch zw ä n g en s durch irg en d e in e E n g e — w ird g estritten ;
v ie lle ic h t k o m m t bald d ie se , b ald je n e M ö g lic h k e it in B etrach t. E in e V e rg le ic h u n g
m it a ll d en v ie le n a u f d er E rde ü b lic h e n ä h n lich en B räu ch en d e s D u rc h z ieh en s
kann h ie r u n te r b le ib e n ; e s g e n ü g t, a u f Z a c h a r i a e s in d ie se r Z e itsch rift (2 0 , 141 ff.)
veröffen tlich te S tu d ien ü b er S ch ein g eb u rt un d se in e K ritik der D e u tu n g sv e r su c h e
(2 0 , 1 5 3 — 159) zu v e r w e ise n . N ur e in ig e w e n ig e V arian ten m öch te ich anführen,
19*
P. B artels, Schütte:
292
d ie
s p e z ie ll
d a s D u r c h z ie h e n d u rch B ä u m e,
un d
zw ar
n ich t
durch
e in e natü r­
lic h e Ö ffnung, so n d ern durch e in e k ü n s t l i c h h e r g e s te llte Ö se im S täm m ch en b e ­
treffen.
S o h e is s t
b r u c h le id en d e
e s b e i R ic h a r d A n d r e e 1): „ N o c h im v o r ig e n Jah rh u n d ert w u rd en
K in d er in E n g l a n d d u rch g e sp a lte n e E sc h e n h in d u r c h g e zo g e n .
N a c h M a g d e b u r g i s c h e m G lau b en w ird e in k ra n k es K in d g e h e ilt, w en n e s z w e i
B r ü d e r d u rch ein en v on ih n en g e sp a lte n e n K irsch b au m d u rc h z ieh en . . .
Auf
R ü g e n w ird ein K in d m it B ru ch sch a d en b e i S o n n e n a u fg a n g d u rch e in en g e ­
sp a lte n e n ju n g en E ich b a u m d r e im a l h in d u r c h g e zo g e n u n d d ie se r w ie d e r z u sa m m e n ­
gebunden.
In W e h l a u
(P r o v . P r e u s se n )
su ch t
m an,
w enn
K n ab en
d ie
K e ile
(H o d e n v e rg r ö sser u n g ) h a b en , e in e a r m sd ic k e E ic h e im W a ld e , sp a lte t d en S tam m
u n d z ie h t d as k ran k e K ind d reim al d u rch d en Sp alt, der dan n w ie d e r v e r k e ilt
w ird. W ie der B aum z u sa m m e n w ä ch st, sc h w in d e t d ie K ra n k h eit.“ — v. H ovork a
u n d K r o n fe ld 2), w e lc h e (1, 5 7 ) g le ic h fa lls d ie s e S te lle z itie r e n , fü h ren au ch
(2 , 6 9 4 ff.) au s S k a n d in a v ien ä h n lic h e s an.
S o su ch t m an z. B . in N o r w e g e n
„ e in e g r o s s e E b e r e s c h e an e in e m O rte auf, w o m an a n n eh m en k an n , d a ss d ie
U n te r ir d isc h e n w o h n e n (z . B. in d er N ä h e v o n B e rg e n o d e r tie fe n T ä ler n ). D i e s e
E b e r e s c h e sp a lte t m a n m it K e ile n in z w e i T e ile u n d treib t d ie s e s o w e it a u s­
ein an d er, d a ss m an d a s K in d d u rc h stec k e n kann. D r e i D o n n e r sta g sa b e n d e h in te r ­
ein a n d er brin gt m an d a s K in d dorth in . Z w e i P er so n e n m ü sse n z u g e g e n se in , d ie
e in e
ste ck t
d as
K ind
r ü c k lin g s
durch
d ie
S p alte,
d ie
a n d ere
n im m t
es
en t­
g e g e n . D ie s e O peration w ird b e i tie fste m S c h w eig e n d reim a l w ie d e r h o lt“ u sw .
„ ‘T rä d -sk erfra n ’ (T rä d = B au m , sk erfra = e n g lis c h e K ran k h eit) b e i K in dern b e ­
h a n d e lt m an in S c h w e d e n dad urch , d a ss d ie E ltern an e in e m D o n n e rsta g m o rg e n
h in a u sg e h e n , e in e le b e n d e E ic h e oder E sp e m it h ö lz er n e n K e ile n u n d e in em h ö lz er n e n
S c h le g e l sp a lte n u n d d as K in d d reim al n ack t d u rch den Sp alt füh ren. N a c h h er
w e rd en d ie K e ile w e g g e n o m m e n u n d W e id en b ä n d e r um d en B aum h e r u m ­
g e b u n d e n , d am it d ie V erw u n d u n g w ie d e r v e r w a c h se n kan n.
G e sc h ie h t d ie s, so
w ird d as K in d w ie d e r g e su n d ; w e lk t aber d er B au m , so stirbt d a s K in d .“ —
D e r A utor d ie se r A n gab en ist m ir a u s H o v o rk a -K r o n fe ld s W e r k le id e r n ich t er­
s ic h tlic h .
In D a l m a t i e n
le id e n d e n K in d ern
m ach t
bei
m an
n a ch v. H ovork a
r a c h itisc h e n K in dern
d ie
„ ä h n lic h w ie
P ro zed u r
ju n g e n E ic h e (D u r c h z ie h e n ), d o c h m it dem U n te r sc h ie d e ,
e in e A b k och u n g von d er R in d e d e ss e lb e n B a u m e s
B au m w ird w ie d e r
d ie K ran kh eit.
zu sa m m e n g e b u n d en ,
D ie s
bei
d en b ru ch ­
d er g e sp a lte n e n
d a ss d as K in d n a ch h er
trin k en m u ss.
u n d w äh ren d
m u s s am V o r a b e n d e d e s
m it
er
D e r g e s p a lte n e
s e lb s t v e rw ä c h st,
h e ilt
St. J o h a n n ista g e s od er b e i n e u e m
M on d viertel vo r M orgen grau en , u n d zw ar in d er W e is e g e sc h e h e n , d a ss d as K in d
von z w e i rein en W a ise n im N a m e n der D r e ifa ltig k e it dreim al d u rc h g e z o g e n w ird,
w o b e i d ie z w e i B a u m h ä lfte n v on den E ltern g e h a lte n w e r d e n .“ E b e n d a 2, 87 a
g e b e n H o v o r k a -K r o n fe ld an, d a ss sic h b e i M a r c e l l u s (d e m e d ica m e n tis ed.
H elm re ich , L e ip z ig 1889 p. 2 2 9 ) e in e S te lle finde, an w e lc h e r er von ein em g e ­
sp a lte n e n K ir sc h b a u m e sp rich t, u n d s c h lie s s e n d a r a u s, d a ss d as D u rc h z ieh en
b e r eits d en R ö m e r n b ek an n t w ar.
Z ach ariae (o b e n 12, 1 1 3 ) hat d arau f h in ­
g e w ie s e n , d a ss e s fa st a ls R e g e l b etra ch tet w erd en kann, d a ss das D u rc h k rie ch en
o d er D u r c h z ie h e n , w en n e s w ir k sa m se in so ll,
dreim al
a u sg efü h r t w e rd en m u ss;
d ie s fin d et au ch in der in W in k e l ü b lic h e n P ro zed u r w ie d e r e in e B e stä tig u n g .
1) R. Andree, Ethnographische P arallelen und V ergleiche. Stuttgart 1878 S. 31.
2) v. Hovorka u. Kronfeld, Vergleichende Volksm edizin (Stuttgart 1909).
Kleine M itteilungen.
293
S ch o n d ie w e n ig e n a n gefü h rten B e is p ie le g e n ü g e n , um d ie w e ite V e rb re itu n g
d e s B r a u c h e s, B ä u m e zum Z w e c k e d e s D u rc h z ieh en s k ü n stlic h zu sp alten , so w ie
d ie g r o sse V a ria b ilitä t d er h ierm it verb u n d en en M assn ah m en vor A u gen z u füh ren.
H errn F e t z e r u n d H errn B e m a s e i au ch an d ie se r S te lle h e r z lic h st dafür
ged a n k t, d a ss s ie e in e n o ffen sic h tlic h uralten H eilb rau ch u n se r e s V o lk e s im B ild e
fe stg e h a lte n und durch E rm ittlu n g der N e b e n u m stä n d e erläu tert hab en !
K ö n i g s b e r g i. Pr.
P a u l B a r te ls .
Braunschweigische Yolksreime1).
E in je d e s E h ep aar b e g e h r t
e in en Stam m h alter.
W ird
ih m
a ls
e rste s K ind
e in J u n g e g eb o ren , so h errsch t e ite l F reu d e, n ich t nur in H errsch erfam ilien , ein
M äd ch en w ird je d o c h le ic h t sc h e e l a n g e se h e n .
A ls ic h a b er e in m a l au fs L and
k am u n d e in e ältere F rau fragte, ob ih re S c h w ie g e rto c h te r e in en J u n gen oder ein
M äd ch en g e b o r en
o le n Spru ch :
h ab e,
da
sa g te s ie freu d ig :
En M äken.
S e i k en n t
d och
den
1. Erst en W äscher,
Denn en Döscher.
W ird d as K in d getau ft, so b rin gen ih m d ie P aten in d em b ekan nten V a d d ern k n u tten e in G e ld g e sc h e n k dar. D ie s e r B rau ch ist alt. S ch o n im Jah re 1529 w erd en
n ach den B r a u n sch w e ig e r K äm m ereirech n u n g en z w e i D e n a r e a u sg e g e b e n ‘vor
sin d a l ( = S eid en sto ff) v a d d ern g u ld en dar in to b y n d e n d e .’ M ein V a ter le g te se in e r
Z eit e in en Z ettel d ab ei, a u f d en er d ie W o r te g e sc h r ie b e n h atte:
2. W as ich als Pate dir verehre,
D as segne und mehre
Der aller Vater in der Höhe,
Der dich
heut’ hat auserwählet
Und nun zu seinen Kindern zählet,
Auf dass
dir’s ew ig wohl ergehe.
N a ch d er R ü c k k e h r von der K irche w ird g e sa g t:
3. D e Pater let üsch en lütjen
Jungen döpen,
Christensinne inneknepen,
Dat hei in dem Nam
In de Döpe kam.
Seiht emal, wie de Küster jippert,
D at et ne im Koppe zippert,
Wenn et blanke Geld
Plum p in’t Becken fällt.
B e im S p ie le n ah m t das K ind gern d em O rgeld reh er nach, in d em e s g le ic h sa m
d reht u n d d ab ei d ie W o rte sp richt:
4. Orgel, Orgel, nutt nutt nutt,
Mine Orgel is kaputt,
Un wenn ik nich mehr dudeln kann,
Sau fäng’ ik wedder von vorne an.
od er d er M elk erin :
5.
Stripp strapp strull,
Mine Mölle is vull,
Dine M ölle geit,
Mine Mölle steit.
1) Andree, Braunschweiger V olkskunde2, 1901 S. 469£f. — Schütte, Braunschw eig.
M agazin 1898 S . 3 7 ff. — Schütte, Zeitschr. d. Vereins f. Volkskunde 10, 330; 11, 73.
S ch ü tte:
294
K o m m t e s in d ie S c h u le , so w ird e s zu m F le is s e a n g e h a lte n :
6.
K leines Gretel, lerne fleissig,
Sonst m usst sagen: F aules heiss’ ich;
u n d zur O rd nu ng:
7. Lat dat sin,
U t en Farken ward en Swin.
8. Wer nich kummt taur rechten Tit,
Is de M altit quit.
[Vgl. W ossidlo, Meckl. Volksüberl. 3, 231 Nr. 1961.J
A u ch d ie K in der se lb s t sc h m ie d e n a lle r le i R e im e :
9. Zupp zupp in de Haare.
W etste noch von te Jahre? (= vom vorigen Jahre).
10. T euf man, teu f man, du sast kriegen (erg. Schläge),
B ist ober usen Tun estegen,
B ist in usen Garen ewest,
Hast utcstockelt dat V ögelnest.
V ie l w ird b e im H e id e lb e e r su c h e n g ereim t.
D ie
erste H eid e lb e e r e ,
d ie
m an
findet, w ird ü b rig e n s ü b er den K o p f g e w o rfe n , d am it m an m eh r fin d e :
11. H eilebecren et ik geren,
Lat se man erst ripe weren.
12. Juch H eilebeeren,
Juch Heilebeeren,
Ik hebb’ en olt W if,
D at m ot ik ernähren
Mit luter swarten H eilebeeren.
13. Juch H eilebeeren, juch H eilebeeren,
D e leiw e Gott w ill üsch en lütjen Jungen
bescheren,
Den sollt we bekränzen m it H eilebeeren.
14. Heilebeeren swart (Var. rund),
De Mäkens sind sau glatt (Var. bunt),
De Jungens sind sau klaterig,
Stinket as en Taterich (= Tater)
(Var. Se döget den Düwel im
Marse nist).
15. H eilebeeren rot,
D e Jungens het en Klot,
De Mäkens het ne Rinderpütje,
Da könnt se m idde nän Himmel
sprütjen.
A n d ere R e im e s c h lie s s e n sic h an den A n fang d e s G eb ete s o d er von G esa n g b u ch v er se n an:
16. V ater unser, der du bist,
De Vader is de hi lü g e Christ,
De Mutter is de W inachtsmann,
D e uns wol wat gew en kann.
Bei meinem Mädchen schlaF ich gern,
B ei meinem Mädchen ist gut liegen,
Da bleibt mir keine Zeit verschw iegen. (!)
20.
17. Vater unser, der du bist,
D e du uns en Stücke snittst,
N ich tau lüttig un nich tau grot,
D at is de beste Lebenslop.
18. Pater noster Heckelenstrick,
Sebben Hunne betten sik.
19. W ie schön leucht’t uns der
M orgenstern,
Die Völker haben Sand g e ­
karrt,
B is daß der B erg erhöhet ward,
D a sandte Gott von seinem Thron
Zehn Silbergroschen zu ihrem Lohn.
21. A lle Menschen müssen sterben,
Nur der Lehrer Sch . . . nicht,
Wer soll seine Hose erben?
Wer ihn kennt, der nimm t sie nicht.
Kleine M itteilungen.
Im letz ten R e im e w u rd e sch on
e in L e h r er erw ähnt.
295
D ie se
zu b e r eim en hat
den S ch ü lern , au ch den h öh eren , stets F reu d e g e m a ch t:
26. V oges is en Schinder,
Sleit alle lütjen Kinder.
22. M eier von Kaier
H at de Mütze vull Eier,
Hat hundert Z aldaten1),
Kann’t Lachen nich laten.
23. Schöttler mit den Eselsohren
Hat den Mädchen zugeschworen,
Daß er sie nicht schlagen w ill,
Noch den Stock gebrauchen will.
24. Syropskop liebt zweierlei:
W ürfelspiel und Bosselei,
Acht um den K önig
Sind Bossen noch zu wenig.
25. Der D ickkopf m acht Gedichte
Und ärgert sich zunichte.
27. D es Morgens, wenn es sieben
schlägt,
Kommt der Kantor angefegt
Mit dem dicken B esenstiel,
Haut die Kinder allzuviel,
Allzuviel ist ungesund,
Der Kantor ist ein Schweinehund.
28. Herr Bosse, ich bedanke mich
Für den erhalt’nen Unterricht,
Für die em pfangenen Schläge.
Ich konnte wohl, ich wollte nicht,
Ich war ein kleiner Bösewicht,
Und Sie ein grösser F legel.
S ch rieb en d ie K in der n ic h t gut, pflegten d ie E ltern w oh l zu sa g e n :
29.
Haken und Staken
Kann en wol maken,
Ulen un Kreihn
Kann en wol dreihn.
H aben d ie K in der auch d ie S c h u le v e rla ssen , d ie E rzieh u n g m u ss d och fort­
g e se tz t w erd en . D a h er w ird den Ju n gen zu g e ru fen :
30. Junges B lu t, verzehre dein
Gut,
Im Alter dir’s nicht schmecken tut.
33. W at beter is wie ne Lus,
Dat nimmt en midde na Hus.
34. Ach Heinerken, ach Heinerken,
Wie w ill et dik noch gän!
Dik w asset ja din Häneken,
Du m ost nän Mäkens gän.
Kalduderitt, kalduderitt,
De Küttje nich w it vom Marse sitt.
31. Ga in den Kraug,
So warste klauk.
32. Versauk
Makt klauk.
V o r d em H eiraten w ird er fr eilic h gew a rn t:
35.
Ach, min Hans, dat Frien
Dat is sone Sak,
Hört ok Larm genaug dabi,
Wenn man sik mot mit Kindern plaen.
Is en denn ok wol noch fri?
B alle w illt se dit, balle
Sünd immer hinnen un
Und so geit dat immer
Von den Hacken bet in
w illt se dat,
vorne natt,
tau
en Schau.
D e n M ädchen aber ruft m an zu:
36. Wer Myrten baut,
Wird keine Braut.
[V gl. Treichel, Volkslieder aus W estpreussen S. 142 Nr. 27.]
und
37. Wo Myrte gedeiht,
Da wird nicht gefreit. [Vgl. oben 2, 438 N r. 13 (Ruppin).]
1) Er liess die Kinder während der Schulzeit in seinem Garten arbeiten.
S ch ü tte:
296
Doch der Jüngling fleht sie an:
38. Lütte Mäken, smucke Deren,
Jam m ert dik denn nich min Schmart?
H ensels G reitjen, lat dik erweiken,
Mäken, si doch nich so hart.
Lat üsch enander frin,
Et is in der besten Tit,
W enn de Lerk röpt, „sachte Lew e“ !
Junke Frue, junke Frue, lüt dat nich
karjeisch?
Hat sie aber den Jüngling erhört und ist sie ihm angetraut, so ruft sie selbst­
bewusst aus:
39. Junge Fru bin ik,
l n ’t Bedde spring1 ik,
Wenn de nu wat dögst,
Findste wat de söchst.
Ist sie jedoch schon vor der Ehe betört worden, so wird sie gefragt:
40. Mädchen, warum w einest du, w einest du so sehr?
W einest du um dessen wegen,
D ass du sollst die Treppe fegen?
M ädchen, warum w einest du, w einest du so sehr?
Und sie antwortet traurig:
W eil ich hab’ ein K indelein,
Und w ill niem and V ater sein,
Darum, darum weine ich, weine ich so sehr.
Dabei fallen mir zwei Reime ein, die auf einer Wiege in unserm städtischen
Museum stehen, nämlich auf der einen Seite:
41. Ich hab ein Kind und einen Mann,
D a sind wir beide schuld daran.
Und auf der ändern (die wird aber so gestellt, dass sie nicht gesehen
werden kann):
42. Ich hab ein Kind und keinen Mann,
D och bin ich selber schuld daran.
Wie geht es aber den alten Jungfern nach dem Glauben des Volkes?
43. D e olen Junfern m öt de Ütschen
N a Jerusalem e pitschen.
Eine Menge "Reime gründen sich auf eine lange Lebenserfahrung:
44. W at lange währt, ward gut
Oder et ward er garnist ut.
48.
F o lg t en Bloten.
45. W as der Sonntag erwirbt,
Der M ontag wieder verdirbt.
49.
De Vader geit nakig,
D e Mutter geit blot,
Aber dat wackere Döchterken, dat maket
sik grot.
46. Vor ollen Titen was et sau,
D a bund en en Schau m it Baste tau.
47. W enn’t tenget (= anfängt) tau
schemmern an en
Wannen,
Denn reget de F ulen de Hanne.
Op en Groten
50. Wer verstarb et,
D e verdarbet1).
51. Et let sik lichter obcrilen
A ls verwilen.
1) D. h. für das Kind, dessen Eltern sterben, wird oft nicht gesorgt.
Kleine M itteilungen.
297
52. Etwas gelinder
Schrift de K alender1).
57. En guen Gast
Kummt niemals taur Last.
53. Wer sik m it Hunnen un Jungen bewert,
De hat schon lange verspelt.
58. D e Oien
Sind gu t tau beholen.
54. Kompagnie
Is Lumperie.
59. Wer sinen Mann hat leif,
Gift nich alles op en B r e if2).
[Vgl. oben 8, 302; Treichel S. 159 Nr. 19.]
55. Schitt w at Fründ, wat Swager,
Wer kein G eld hat, b lif mik vom W agen.
56. D at w ett ik von Hörensagen,
Wie Mathies de Krankedage.
d. h. am A b en d w ill
m an
n ic h t g ern
60. Gistern um düse Tit
War de Uhr grade sau wit.
Gl. Et Abends is de Herd warm,
E t M orgens is de Stert warm,
aus
d e m g e h e iz te n Z im m er
in
d ie
kalte
K am m er u n d d e s M orgen s n ich t gern aus dem w arm en B ette.
62. Mik trut je alles tau,
Un mik g e it je allet Sot in en Schau.
63. Meß segt de Bure allebott,
Meß is de halbe H erregott,
Ohne Meß keine Eren (= Ernten),
Ohne Eren nist tau verteren.
64. Meier — Beier,
Raper — Water,
Binder — Koffent,
Binder — K offent3).
65. Versprechen und nicht halten
Ist gem ein (= das Gewöhnliche) bei Jung
und Alten.
A u f d en L e b e n sg e n u ss , zu m al das k räftige E ss e n un d T rin k en ,
w ö h n lic h e M en sch v ie l. D a s b e w e ise n d ie R e im e :
g ib t der g e ­
66. W at is et beste op de W elt?
Wenn et Mäken stille hölt.
72. Suren Kohl un Swinetöne,
De sm ecket schöne.
67. Slapen, freten, supen,
Sachte gän un pupen.
73. Suren Kohl un Klump
F üllt den Buren en Rump.
68. Appel un Beren
E t ik geren.
74. Wer ne Fru ut Räbke hat,
D e bruket keinen Hund,
Un wer den suren Kohl nich mag,
D e krigt ok keinen Klump.
69. Wer itt Eierkauken,
Kann den Boden säuken4).
70. Kalffleisch
H alf Fleisch.
71. Rindfleisch
Gift en harten Streich.
75. W er den suren Kohl nich mag,
D e m ag ok keinen Klump,
Un wer ne Fru ut Engelnstedt hat,
D e bruket keinen Hund.
B r a u n s c h w e ig .
O tto
S c h ü tte.
(Fortsetzung folgt.)
1) Übertragen vom W etterberichte im Kalender auf die M enschen, sie zur Sanft­
mut ermahnend.
2) D. h. lässt sich nicht durch briefliche N achrichten von seiner Liebe zu ihm und
seinem Glauben an ihn abbringen.
3) Wird beim Streichen der Sense gesagt; der Mäher bekommt also Bier bei seiner
Arbeit, der Kornabnehmer nur Wasser, der Binder Dünnbier.
4) D. h. bekommt Kraft zum Dreschen.
Block, Benary:
298
Bastlösereime aus dem Harzgau1).
1. P i, pi, pale,
wol ne fleitje mäken;
kam Hans W östchen
m it n scharp m estchen,
sneit äf,
beit äf,
alles w at da äne sät. Dardesheim.
2.
P lok, plok, pipe,
biste bale ripe,
wil ek dek in’n gräben schm iten,
sollt dek hunt un kate biten.
kam H ans W östchen
m it n scharpen m estchen,
sneit af,
beit af
alles wat da dräne sät. Derenburg.
3.
P ip, pip, pere,
wute nich gewere,
w il ek dek in’n gräben schm iten,
hune un katen sölt dek biten.
kam Hans W östchen
m it n lanken m estchen,
schneit af, beit af,
alles water dräne sät m oßte af,
äwe, äwe, äwe, äwe m ot se sin. Sargstedt.
4. Klop, klop, pipe,
op n m ölendike
sät Hans W östchen
m it n stum pen m estchen,
sneit hüt af,
sn eit här af,
sneit de kätche n swanz ök af.
Osterode b. Hornburg. — Ähnlich in Veltheim am F allstein, wo es heisst Zeile 2
op n steinm olendike, Zeile 4 m it n scharpen m estchen, und wo der Zusatz gem acht w ird :
rutsch af, rutsch af. [Zu Zeile 3 vgl. oben 8, 64 nr. 24.]
5. P lok , plok, pipe,
biste bale ripe.
kam ne öle dräke
m it n witen läken,
wole de ganze w eit bedeken,
kone nich öwert water reken.
Eilsdorf. [V gl. oben 8, 64 nr. 23.]
6. P lok , plok, pläke,
op n mölendake
sät ne öle dräke
m it n stumpen m este,
wole m isekätchen häre äfsnin,
konet nich war krin,
wole de ganze w eit bedeken,
kone nich öwert water reken. Schianstedt.
7. Brum , brum, Bastian,
lat de pipe afgän,
lät se jo nich klemen,
ek w il se jern nemen.
käm ne öle dräke
m it n w ites läken,
wole de ganze w eit bedeken.
kone nich öwert water reken;
käm ne öle kau,
slök dreim al tau,
wär dat ganze wäter wech. Hornhausen.
L eip zig .
8. Ploke, ploke, pipe,
biste bale ripe,
kumt de öle hope
m it den diken stoke.
w it haun (= Huhn)
swart haun,
weket sal ek döt haun (= hauen)?
dit oder dat,
wit oder schwärt?
W ernigerode.
9. P lok, plok, pipe,
op n m ölendike
sät ne öle hexe
m it n scharpen m este,
sneit äf,
beit äf,
bet de pipe äwe wär.
Anderbeck. [Vgl. 8, 64 nr. 19. 22.]
10. Plok, plok, pipe,
op n m ölendike
sät ne öle hexe
m it n stumpen m este,
w ole mek n här äfsnin
kone mek nich wär krin.
Aspenstedt. [V gl. 8, 64 nr. 23.]
R o b e r t B lock.
1) [V gl. die zu den oben 4, 74; 6, 99; 11, 64 veröffentlichten Reim en angegebene
Literatur.]
Kleine M itteilungen.
299
„Karl und Elegast“ in Pommern.
U n ter der B e n e n n u n g „ D e r se ltsa m e
m ärch en aus P om m ern
T raum “
steh t
b e i U lr. J a h n ,
u n d R ü g e n I (1 8 9 1 ) S. 1 5 8 ff. (Nr. 29 )
V o lk s ­
fo lg en d e G e­
sc h ic h te :
Der alte Fritz lag im Bette und schlief. D a sprach eine Stim me zu ihm im Traum:
„König Friedrich, steh auf und geh stehlen, oder es kostet dich dein LebenI"4 Der K önig
erwachte und lachte über die seltsam en W orte, die er im Traume vernommen, dann legte
er sich auf die andere Seite und sch lief wieder ein. Kaum hatte er die A ugen geschlossen,
so erscholl die Stim m e zum zweiten M ale, und die Rede klang dringlicher: „K önig
Friedrich, steh auf und geh stehlen, oder es kostet dich dein L eben!“ Der alte Fritz
fuhr auf und dachte bei sich: „Was soll der Spuk? N icht einm al im Sch laf habe ich
Ruhe.“ Nachdem er sich darauf eine Zeitlang schlaflos im B ette herum gewälzt hatte,
wurden ihm endlich die A u gen schwer, und er versank von neuem in Schlaf. Es dauerte
aber gar nicht lange, so sprach es zum dritten M ale, laut und gebieterisch: „K önig
Friedrich, ich sage dir, steh auf und geh stehlen, oder es kostet dich dein L eb en !“
Jetzt ward dem alten Fritz nachdenklich zu Mute, als er erwachte, und ihm bangte
für sein Leben; darum stand er auf, warf sich einen alten, abgetragenen M antel um und
gin g in die finstere N acht hinaus. Im Schlosse seines ersten Ratgebers war ein Fenster
hell erleuchtet, und eine Leiter lehnte dort an der Wand; darauf stand ein Soldat, der
schaute in die Stube hinein. „W as m achst du da oben?“ fragte ihn der König leise. —
„Ich schaue nur eben einm al in das Fenster hinein“ erhielt er zur Antwort, „im übrigen
geh ich heut N acht aus, um zu stehlen; denn m it dem geringen Sold, den uns der
König gibt, m üssten ich und die Meinen Hungers sterben.“ — „Nim m m ich m it auf den
G ang,“ bat der alte Fritz, „du kannst mir glauben, mir fehlt’s auch an allen Ecken und
Enden.“
Der Soldat war damit einverstanden, stieg von der Leiter herab, und sie wanderten
zu zweien in die Stadt hinein auf den Marktplatz, wo die reichen Kauf leute ihre Läden
hatten. B ei dem grössten zog der Soldat eine W ünschelrute unter dem Rocke hervor,
und als er damit die Tür berührte, sprangen die festen V orlegeschlösser von selbst auf,
und sie gingen in den Laden. Ein Schlag m it der Gerte auf die eiserne Kasse, und der
D eckel tat sich auf, und all das Gold und Silber des reichen Kaufmanns la g vor ihnen
in dem Kasten. Von dem G elde m achte der Soldat drei Teile, dann sprach er zum
König: „Dieser H aufen ist das Geld, w elches der Krämer zum Einkauf der Waren ver­
ausgabt hat; dieser zweite ist sein rechtm ässiger Gewinn, der dritte aber gehört ihm zu
Unrecht, w eil er ihn durch schlechtes Mass und falsches G ewicht erworben hat; das Geld
wollen wir ihm nehm en.“ Sprach’s und machte zwei gleiche Teile; davon schob er den
einen dem alten Fritz in die Tasche, den ändern nahm er für sich und seine A ngehörigen
in B esch la g 1).
Der alte Fritz rieb sich vor Verwunderung die Augen und kniff sich in die Ohren,
als er das sah, denn er dachte, er läge noch im Schlafe und träume; endlich sprach er:
„Guter Freund, kannst du m it deiner W ünschelrute alle Schlösser öffnen?“ — „G ewiss,“
antwortete der Soldat. — „Auch des Königs Schatzkammer?“ forschte der alte Fritz
weiter. — „W enn ich es w ollte, könnte ich’s schon tun,“ versetzte sein Gefährte, „aber
ich m ag nicht dahin gehen.“ D a bat nun der alte Fritz so lange, bis der Soldat müde
ward und mit ihm in das Schloss ging. „Aber das sage ich dir vorher,“ sprach er zum
alten Fritz, „rührst du auch nur ein Goldstück dort an, so geht es dir schlecht!“
Als sie vor der Schatzkammer waren, zog der Soldat wieder die Gerte hervor und
schlug damit an das Schloss, und sogleich sprang es auf, und sie konnten nun sehen, wie
das Gold scheffelweis in dem Zimmer angehäuft lag. „Du w illst den Kerl doch einmal
1) D ieses W egnehm en des unrechtm ässig erworbenen B esitzes der Kauf leute noch in
der gekürzten F assung der G eschichte; s. unten S. 3 0 0 J.
30 0
Benary:
auf die Probe stellen,“ sprach der alte Fritz bei sich, bückte sich und steckte einen
Dukaten in die Tasche. Sogleich hatte er aber einen Schlag hinter die Ohren bekommen,
dass ihm die Backe dick anschwoll. „Schäm st du dich nicht, S ch lin gel!“ rief erzürnt der
Soldat; „der K önig muss uns alle ernähren, und wer es nur kann, betrügt ihn, und nun
w illst du ihm gar noch das G eld aus der Schatzkam mer stehlen? Auf der S telle leg st du
den Dukaten wieder hin, wo du ihn hergenom men.“ N achdem der alte Fritz das getan,
stiess ihn der Soldat zur Kammer hinaus und w arf die Tür ins Schloss, dass er nur ja
nicht wieder an das Stehlen denke. Draussen gab er ibm noch eine gu te Mahnung auf
den W eg, und dann trennten sie sich voneinander.
Dem K önig gin g die Sache durch den Kopf, und nachdem er am ändern Morgen
aufgew acht war, liess er den Soldaten kommen und sagte ihm auf den K opf zu, dass er
gestern nacht ausgegangen sei zu stehlen und dass er in seiner Schatzkammer gewesen
sei. Anfangs leg te sich der Soldat aufs Leugnen, als er aber dem K önig scharf ins
G esicht sah und auch die geschw ollene Backe bemerkte, erkannte er, dass sein Gefährte
von gestern niem and anders als der alte Fritz selbst gew esen sei. „K önigliche M ajestäten,“
bat er darauf flehentlich, „lasst mir Gnade angedeihen, ich habe nicht gew usst, m it wem
ich ginge.“ — „Du hast mir freilich übel m itgespielt,“ lachte der König, „aber da du
m eines Schatzes geschont hast, w ill ich dir verzeihen und den G algen schenken; aber die
W ünschelrute lass bei mir, sonst könntest du doch einm al in Versuchung geraten.“
Der Soldat gab dem alten Fritz die Gerte und dankte ihm, dass er seines Lebens
geschont habe; dann sagte er: „K önigliche M ajestäten, Ihr habt mir m ein Leben geschenkt,
so w ill ich Euch das Eure erhalten.“ — »Wie m einst du das?“ fragte der König. —
„Gestern N acht, als Ihr m ich auf der Leiter traft,“ antwortete der Soldat, sah ich in ein
hellerleuchtetes Zimmer. Da stand Euer erster R atgeber m it seiner Frau, und sie be­
rieten, w ie sie den Herrn K önig um bringen könnten, um selbst die Krone zu erlangen.
Endlich wurden sie dahin eins, dass der Herr K önig bei dem Gastmahl, das Ihr heute
Abend bei dem R atgeber einnehm en werdet, m it dem ersten Becher W eins vergiftet
werden solle.“
D er alte Fritz wurde weiss wie der Kalk an der Wand, als er das hörte, und dachte
an seinen Traum; dann befahl er dem Soldaten zu schw eigen und wartete ab, bis der
Abend herankam. V ergnügt und heiter, als ob er von nichts wüsste, gin g er zu dem
Schmaus, den der erste R atgeber ihm hergerichtet hatte, und als dieser aufstand und
ihm im goldenen Becher den W ein reichte, erhub er sich und sprach: „Ihr Herren, mein
erster R atgeber hat mir schon viele Jahre treu gedient, und ich w eiss nicht mehr, womit
ich ihm das lohnen soll. H eute w ill ich ihm grössere Ehre aatun, als je zuvor einer von
mir genossen: er soll m it seiner Frau den köstlichen W ein trinken, den er mir soeben g e ­
reicht hat.“
Der erste Ratgeber m einte, das sei zu viel Ehre für ihn, und er habe nur getan, was
ein treuer Diener seinem K önig schuldig sei. Aber sein Sträuben half ihm nichts, er
m usste trinken. Mit Zittern und Beben setzte er den B echer an den Mund, und kaum
hatte er den ersten Schluck getan, so sank er zu Boden und gab den G eist auf. Und
ebenso erging es auch seiner Frau. D a erzählte der alte Fritz den anderen Herren seinen
Traum, und wie er in der N acht stehlen gegangen wäre und dadurch hinter des ersten
Ratgebers böse Ränke und Schliche gekom m en sei. Auch den Soldaten liess er herbei­
rufen und gab ihm Geld, so v iel er haben w ollte, dass er fortan nicht mehr nötig
hatte, m it dem Geld, das die reichen K aufleute veruntreuen, seinem kargen Sold auf­
zuhelfen1).
1)
S. 368 wird vermerkt: „Mündlich aus Ferdinandshof, Kreis Ückermünde. V gl. dazu
in Jahn, V olkssagen aus Pommern und Rügen [Stettin 1886] nr. 630 die von Prof. E. Kuhn
aus Mesow, Kr. Regenw alde, aufgezeichnete Sage, w elche nur das Abenteuer des alten
Fritz m it dem Soldaten kennt.“ — In dieser Sage, die aus der ganzen G eschichte, wie sie
hier vorliegt, nur ein Stück herausreisst, ist die Hauptperson eigentlich der Soldat, und
alles dreht sich um die Schatzkamm er und die W ünschelrute. D er K önig fordert den
Soldaten auf, m it ihm zur königlichen Schatzkammer zu gehen, nachdem er auf ihn auf-
K leine M itteilungen.
301
Wir haben in dieser Geschichte einen Niederschlag der alten Sage von K arl
und E le g a st (= Elbegast)1). Ich brauche diese hier wohl nicht auszuführen.
Auch Karl der Grosse wird da durch eine göttliche Stimme, die eines Engels, auf­
gefordert, stehlen zu gehen3). Er begegnet dem Elegast8), einem Ritter, der von
ihm seinerzeit aus dem Lande vertrieben war und der sich seither in Wald und
Wildnis aufhält und mit Raub und Diebstahl sein Leben fristet. Die Umbildungen
sind modern, aber nicht uninteressant. An Stelle von Karl dem Grossen treffen
wir hier Friedrich den Grossen, wobei zu beachten ist, dass in der vorliegenden
Sammlung noch manch andere Erzählung auf diesen so volkstümlichen Herrscher,
den alten Fritz, übertragen ist. Aus Elegast, dem ‘Meisterdieb’4), ist ein Soldat
geworden, der mit Hilfe einer Wünschelrute Türen und Schlösser öffnet5). Daraus,
dass der Begleiter des Königs ein Soldat ist, somit sein Untergebener, braucht
nicht unbedingt geschlossen zu werden, dass in der dieser volkstümlichen Dar­
stellung zugrunde liegenden Fassung Elegast, oder wie er da geheissen haben mag,
ein Gefolgsmann Karls war, wenngleich der Übergang zum Soldaten von einem
Ritter naheliegt. Wie die Aufforderung durch göttliches Gebot erhalten ist, so
merksam gem acht worden ist und von ihm erfahren hat, dass er sich m it seinem ‘Zauber­
stab’ das unrechtm ässig erworbene Geld der reichen K aufleute zu verschaffen wisse. Er
greift, um den Soldaten zu prüfen, den Schatz an, wird aber von ihm verprügelt; am
folgenden Tage belohnt er ihn wegen seiner Königstreue, indem er ihm sein Stehlen ver­
zeiht und nur verlangt, dass er den Zauberstab abliefere. [Ähnlich bei Haas, Rügensche
Sagen und Märchen 1891 nr. 200 ‘K önig Fritz’ und bei Yernaleken, österreichische KHM.
1870 nr. 19 ‘Wie ein Schafhirt reich wurde’ (aus Südböhmen).]
1) Weder vom H erausgeber noch in der kurzen Besprechung, die das Buch g e ­
funden hat (Centralorgan f. die Interessen des R ealschulwesens 19 [1891], 361) wird etwas
darüber gesagt. [In Lübeck ward 1450 ein Fastnachtspiel ‘Koning Karl stelen vor m it
O llegaste’ aufgeführt; W alther, Jahrbuch für niederdeutsche Sprachforschung 6, 20.]
Band 32, H. 2 der ‘Tijdschrift voor nederl. taal-en letterkunde’ enthält eine M itteilung von
R. van der Meulen, ‘De sage van Karel en E legast bij de Litauers.’ (Korrekturnote.)
2) G leichfalls dreimal im niederländ. bzw. niederrhein. Gedicht; dort finden auch die
Worte ‘oder es kostet dich dein Leben’ eine Entsprechung in Vers 46: ‘oft anders hebdi
u lijf verloren’ und Vers 90: ‘het sal u an uwen live gaen’ (Jonckbloet, Carel ende
E legast = K eller, ‘Karl M einet’ S. 576 f.); vgl. das nordische ‘hava lif f»itt’ bezw. ‘redde
titth liifiF.
3) A legast in der Karlskrenike (ed. Brandt, Romantisk D igtniug fra M iddelalderen).
In der Karlam agnus-saga und der vorauszusetzenden französ. Dichtung treffen wir statt
seiner bekanntlich Basin. In der Saga wie in der Krönike lässt Karl auf Geheiss des
E ngels den Basin bzw. den A legast holen.
4) V gl. Mone, Untersuchungen zur Geschichte der deutschen H eldensage S. 137;
Müllenhoff, Zs. f. d. Altert. 13, 182f.; J. Grimm, Kl. Sehr. 6, 34ff. : R. Köhler, Germania
2 8 ,1 8 7 .2 9 ,5 8 [= Kl. Schriften 2, 304. Merkwürdig ist, dass schon 1541 Hans S a c h s
(Fabeln und Schwänke ed. G oetze-Drescher 3,257 nr. 122) Eigasts Vertauschung der beiden
ungleichen Ehepaare nach B erlin verlegt und auf einen Markgrafen von Brandenburg und
einen ungenannten ‘Schwarzkünstner’ überträgt; zur Verbreitung dieses Stoffes vgl. Bolte,
Forschungen zur brandenburg. u. p r e u s s . Geschichte 11, 201: ferner Behrend, Märchenschatz
aus W estpreussen 1908 nr. 10 ‘D er geschickte Prinz’ und 17 ‘Der Schneidergraf’; ungarisch
bei Vikar nr. 4 (oben 16, 470).] V gl. noch Benary, Die germ. Ermanarichsage u. die französ.
H eldendichtung (1912) S. 57 ff. und einen demnächst in Herrigs Archiv erscheinenden kleinen
Aufsatz, der ein Zeugnis von gleichzeitigem Vorkommen von Basin und E legast
bringen wird.
5j E legast ist zum Soldaten geworden, ähnlich wie z. B. Odin gelegen tlich zu einem
Offizier, der auf einem Schim m el reitet (oben 20, 79).
Benary, Strauss, Loewe:
302
auch d ie E n td ec k u n g d e s M ord a n sch la g s
und
auch
d ie Art un d W e is e ,
n ä m lich
d u rch B e la u sc h e n d e s G esp r ä ch es z w isc h e n d e m W ü rd en träger u n d se in e r E h e ­
frau. D ie V e r sc h w ö r u n g der G ro sse n is t z u d em M ord versu ch e in e s e in ze ln e n ,
a lle r d in g s d e s ‘e rste n R a tg e b e r s ’, v eren gert; au ch is t dort von e in e m V e r g iftu n g s­
v e r su c h e k e in e R e d e .
D e r w e s e n tlic h s te U n ter sc h ied d e s V e r la u fe s d er p o m m e rsch en E rzä h lu n g im
V e r g le ic h zur a lten S a g e ist der, d a ss h ier d as v e rrä terisch e G esp rä ch b e r eits vom
S o ld a te n erla u sch t ist, a ls d er K ö n ig ih n v o r d em S c h lo ss e se in e s ‘R a tg e b e r s’ an ­
trifft, w ä h ren d dort K arl u n d der M eiste rd ie b g e m e in sa m zu m S c h lo s s e d e s
V a s a lle n z ie h e n . V o n E le g a s t e rla u sch t w ird d a s G esp rä ch fr eilic h au ch im
n ie d e rlä n d isch en u n d n ie d e rr h e in isc h e n G ed ic h t (J o n c k b lo e t S . 9 6 ff.; K e lle r S. 5 9 5 ),
w äh ren d in d er K a rla m a g n ü s-sa g a K arl s e lb s t e s anhört.
F er n e r v o llz ie h t sic h d ie
A u fd e ck u n g d e s F r e v e ls h ie r in an d erer W e is e . D a s s d er K ön ig den V erräter
se lb s t d en G iftb ec h e r trin ken lä sst, d er für ih n b e stim m t w ar, is t ein Z ug, w ie er
im M ärchen b e g e g n e t.
E in g e sc h a lte t is t in der v o r lie g e n d e n G e sc h ic h te d as E n tw en d e n d e s u n re c h t­
m ä ss ig erw o r b e n e n K a u fm a n n sg u tes un d d as S te h le n in der k ö n ig lic h e n S ch a tz­
kam m er. E s sc h e in t m ir n ic h t u n m ö g lic h , d a ss e tw a s dem e rste r en Ä h n lich es
e h e d e m v o m ‘M eiste r d ie b ’ e rz ä h lt w o rd en ist. Zu v e r g le ic h e n sin d je d e n fa lls d ie
W o rte, n ach d en en d ie se r nur r e ic h e n L eu ten , b e so n d e r s G e istlic h e n , S c h ä tz e ab­
n im m t (J o n c k b lo e t S. 8 1 ; K eller S. 5 8 6 ).
M ünchen.
W a lte r B e n a r y .
Nachträge zur Sage vom Schuss auf den lieben Gott1).
In d er K ö ln isch en Z eitu n g N r. 607 v om 27. Mai 1 9 1 3
w ird
im A n sc h lu ss an
e in e in N r. 599 v erö ffen tlich te E rzä h lu n g ‘D a s W ö lk c h e n ’ a u f d ie M itteilu n gen
üb er d e n S c h u ss a u f den lie b e n G ott h in g e w ie se n , d ie von O tto K n oop ob en
S. 188 g e m a c h t w erd en .
D ie A n g a b en in d er K öln . Ztg. h ab en m ich v e ra n la sst, e in ig e w e iter e E r­
g ä n z u n g en zu g e b e n , d ie in Nr. 631 v o m 2. Ju n i 1913 z u sa m m e n m it e in e m H in ­
w e is von
an d erer S e ite a u f d ie
k o m m e n d e S te lle :
in E m il Z olas R o m a n ‘L a T e rr e ’, S. 111 f.
vor­
. . . ‘B ru sq u em en t la G rande, fu rib on d e, ra m a ssa d e s c a illo u x ,
le s lan<ja en l ’air pou r crev er le c ie l . . .
Et e ile g u e u la it: S acre co ch o n lä-h au t!
T u n e p e u x d on c p as n o u s foutre la p a ix ? ’ ab ged ru ck t sin d u n d d ie
m ö g en , da s ie d ie V e rw a n d tsc h a ft d e s S toffes m it e in er
un d U m g e b u n g b ek a n n ten V o lk s e r z ä h lu n g n a c h w e ise n :
h ier
fo lg en
in F ran kfurt am M ain
S o w o h l in K arl E n s l i n s F ran kfurter S a g e n b u c h a ls auch in G eorg L i s t ­
m a n n s S a g e n b u c h d er fr eien R e ic h ssta d t Frankfurt am M ain — b e id e 1856 er­
sc h ie n e n — ist d ie B e g e b e n h e it v e rz eic h n e t.
In der ersten S am m lu n g w ird d ie G e­
sc h ic h te S. 164 un ter d em T ite l ‘Z w e i K ir c h w e ih sc h ü sse ’ erzäh lt; in der z w eite n
findet s ic h S. 190 u n ter der Ü b er sc h r ift ‘D e r W irt v on O berrad’ e in e v e rsifizierte
B e a rb eitu n g v o n J. B . R o u sse a u . D ie z w e i V e rö ffe n tlich u n g en sc h ild e rn N o t und
S o rg en
e in e s
v e r sc h u ld e te n W irte s
in O berrad
(h e u te
e in
S ta d tteil F ran kfurts),
1) [Vgl. Benary, Archiv f. neuere Sprachen 130, 154: Siebenbürgische, auf die Grendel­
sage zurückgehende Lokalüberlieferung von der B estrafung eines Bauern, der m it dem
‘Kulter’ nach der Sonne haut.]
K leine M itteilungen.
d er
s e in e G lä u b ig er
303
a u f d ie K ir c h w e ih ‘O berräder K erb ’ vertröstet,
von
der
er
sic h g r o s s e E in n a h m en un d R e ttu n g versp rich t.
E in p lö tz lic h h e r ein b re ch en d e s
U n w e tter zerstö rt ab er a lle H offn u n gen a u f G ew in n , u n d d er en ttä u sch te u n d ver­
z w e ife lte W ir t h o lt d ie F lin te , z ie lt g e n H im m e l u n d sc h ie sst. D e s H im m els
R a c h e b le ib t n ic h t au s. D e s F re v le r s R o s s v eren d et, H au s u n d S ta llu n g g e h e n
in F la m m e n auf, W e ib und K in d sterb en . U n d am n ä ch sten K ir c h w e ih fe st h o lt
d er U n g lü c k lic h e w ied er d ie F lin te , z ie lt u n d s c h ie s s t a u f . . . s ic h selb er!
A u ch F ried ric h S t o l t z e h a t d as E r eig n is zum In h a lt e in e s G e d ic h te s von
a ch tzeh n S trop h en zu j e ach t Z e ile n g e m a ch t (G e d ic h te in F ran kfurter M undart,
1. B d. 24. A ufl., 1 901, S. 1 9 4 — 199). S to ltz e g ib t nur den K ern d er B e g e b e n h e it und
erzä h lt in se in e r h u m o rv o llen Art von den E rw artu n gen u n d bitteren E n ttäu sch u n gen ,
d ie den alten C lau s v o n O berrad sc h lie s s lic h so w e it b rin gen , d a ss er die
D o p p e lb ü c h s e von der W a n d h e r u n te r re isst und a u f den H im m e l an leg t:
„ . . . Un gleich druff hat’s en K nall gedali
Un hinnenach e zweiter,
Un — ’s regent sinnig weiter.
Un wie der Claus geschosse hat,
Da war die Sach erleddigt.
Un Sonndags druff hat in der Stadt
E Candidat gepreddigt
Un iwwern Text, wie war err doch?
„Der alte Gott, er lebet noch!“
Un deshalb is ze h offe:
Claus hat en net getroffe!“
D ie F a ssa d e d e s 1908 errich teten B ü r g e rsa a lb a u e s d es n e u e n F rankfurter
R a th a u se s, d ie m it r e ic h e m b ild n e r isc h e n S ch m u ck g e z ie r t ist, z e ig t in den
B rü stu n g en
d es
H e ilig e n s c h e in
z w e ite n O b e r g e sc h o sse s
über
d em W a p p en
u n ter an d erem
von O berrad
und
e in en K o p f m it
darunter
ein en
e in em
M ann
m it
e in er B ü c h se , d en O berräder W irt C lau s, der d ie E h re d ie se r V e r e w ig u n g se in e m
S c h u ss a u f den lie b e n G ott zu verd a n k en hat.
F r a n k f u r t a. M.
J u liu s J a c o b S tr a u ss.
Aus dem Volksglauben der Ladiner.
B ei
e in er W an d eru n g
d u rch T ir o l
im S ep tem b er 1912
h ab e
ic h
üb er
den
V o lk sg la u b e n der L a d in er e in paar A u fze ich n u n g en g e m a ch t, d eren In h a lt h ier
m itg e te ilt se in m ö g e.
M ein e B erich terstatter hab en m ir in d e u tsch er Sp rache
e rz ä h lt
und
m ir
nur
d ie
N am en
d er
F a b e lw e s e n
in
la d in isc h e r S p rach e
an­
gegeb en .
D e r sic h für d en V o lk s g la u b e n se h r in te re ssie re n d e M au rerm eister P a u l R a s o m
au s V ig o sa g te m ir, d a ss d ie L eu te in se in e r H eim a t v ie l A n g st d avor g e h a b t
hätten, d a ss der d u rch d ie L uft flie g en d e D r a c h e (d rak ) s ie m itn eh m e, der w ie
e in B litz a u s g e s e h e n u n d m eh rere K öpfe g e h a b t h a b e. S eh r v ie l s e i früher ü b er
H ex e n g e sp r o c h e n w o rd en (e r se lb s t erzä h lte m ir e in e G esch ic h te d avon , d ie ich
m ir ab er n ic h t a u fg e z eich n e t h a b e).
M an h a b e z w e i A rten v on H e x e n u n ter­
sc h ie d e n ,
d ie strle (S in g u la r stria), e in z e ln e H ex e n im W a ld e ,
d ie se h r b ö se g e ­
Loewe, B oehm : K leine M itteilungen.
30 4
w e se n w ären , u n d d ie v iv ä n e o d e r b reg o stä n e, d ie g le ic h fa lls in W a ld u n d F e ld
sic h a u fg e h a lte n , ab er w e n ig e r B ö s e s g eta n h ä tte n : s ie lo ck ten d ie L eu te zum
T a n z e an u n d z e r fle isc h te n d ie je n ig e n , d ie n ic h t taten , w a s s ie w o llte n .
Z w e r g en s e i n ic h t e rz ä h lt w ord en , o b g le ic h e s B e r g w e r k e g e g e b e n h ab e.
N am en
‘R o s e n g a r te n ’ fü r
e in e n T e il
der D o lo m ite n
h ätten
sic h
V on
D en
d ie D e u tsc h e n
erfu n d en ; im L a d in isc h e n e x is tie r e nur d ie B e z e ic h n u n g m o g o g u , e ig e n tlic h
‘K n o sp en ’ für e in e n b e i V ig o g e le g e n e n T e il d e s R o s e n g a r te n s.
A m le b e n d ig ste n sc h e in t b e i den L ad in ern ü b erh a u p t d e r H e x e n g l a u b e g e ­
w e s e n z u se in . W e n ig s te n s w u sste m ir d ie 1868 in St. U lr ic h im G röd en er T a l
g e b o r e n e (jetz t in M eran w o h n h a fte ) F rau S en o n er, g e b . M ah lk n ech t, nur von
H ex e n a u s ih rem h e im a tlic h e n V o lk sg la u b e n zu b erich ten .
D ie H e x e n hätten
M en sch en , d ie in ih r em Z im m er g e s e s s e n h ätten , p lö tz lic h a n d er sw o h in , z. B . in
ein a n d er e s Z im m er, a b er au ch in d en W a ld versetzt, w o sie , d ie H e x e n , g eta n zt
hätten ; p lö tz lic h aber w ären d ie V erz a u b er te n w ie d e r in ih r em Z im m er g e w e s e n .
O b g leic h e s sic h h ie r b e i u m ta n z e n d e H e x e n h a n d e lte , so n an n te s ie F rau S en o n er
in A b w e ic h u n g v o m V o lk s g la u b e n in V ig o d och strle. W ie s ie m ir n och erzäh lte,
s o ll e s v o r g ek o m m e n se in , d a ss L eu te, d ie v on G röd en n ach W aid b ru ck g e g a n g e n
w ä ren , v o n d en H e x e n bezau b ert, p lö tz lic h n ic h t h ä tten w e ite r g e h e n k ön n en u n d
z a le id e n g e h a b t h ä tte n ; d e s M orgen s früh um 4 U h r b e im G eb etlä u ten se ie n
s ie e r lö st g e w e s e n .
B e r lin .
R ic h a r d L o e w e .
Religio nswissenschaftliche Vereinigung in Berlin.
N a c h d e m in letz te r Z e it in M ünster, K ö n ig sb er g u n d a n d eren O rten V e r e in i­
g u n g e n v o n F o rsch er n a u f d e m w e ite n G e b ie te d er R e lig io n s w is s e n s c h a ft en tstan d en
sin d , ist n u n m eh r a u c h in B e r lin e in e s o lc h e b eg rü n d et w ord en . In d e m zur
T e iln a h m e au fford ern d en R u n d sc h r e ib e n , d as v o n d en H erren Dr. E. L e h m a n n ,
P r o fe s s o r für R e lig io n s g e s c h ic h te an der U n iv e r sitä t B e rlin , P rof. D r. E. S a m t e r
u n d P rof. D r. A. V i e r k a n d t u n te r z e ic h n e t ist, h e is s t e s:
‘D e r r eg e A u fsc h w u n g , d en d ie r e lig io n s w is s e n s c h a ftlic h e F o rsch u n g se it
e in ig e r Z e it a u f d en v e r s c h ie d e n e n G e b ie ten g e n o m m e n hat, u n d d ie v ie lfa c h e n
B erü h ru n g en u n d P a ra llelen , d ie sic h d a b ei e rg e b e n , le g e n d en W u n sc h n ach e in er
so lc h e n V e r e in ig u n g n ah e, l n ih r s o lle n V ertreter d er g e rm a n istisc h e n , k la s s is c h e n
u n d o r ie n ta lisc h e n P h ilo lo g ie n u n d A rch ä o lo g ie n sic h m it so lc h e n d er n e u - un d
a lttesta m e n tlic h e n F o rsch u n g , s o w ie m it E th n o lo g en u n d m it V ertretern der R e l i ­
g io n s p s y c h o lo g ie u n d d er v e r g le ic h e n d e n R e lig io n s w is s e n s c h a ft zu g e m e in sa m e r
A rb eit u n d g e g e n s e itig e m G ed a n k en a u sta u sc h z u sa m m e n fin d en .’ E in e g r ö sse r e
A n za h l von F a ch g eleh rte n , b e so n d e r s au s B e rlin e r U n iv e r sitä tsk r eisen , h a b en ih re
T e iln a h m e z u g e sa g t. In d er ersten S itz u n g am 4. Ju n i h ie lt n ach e in ig e n e in ­
le ite n d e n W orten d e s H rn. V ierk a n d t H err E. L eh m an n e in en fe sse ln d e n V ortrag
ü b er d ie P r o b le m e d er R e lig io n s w is s e n s c h a ft, d e m e in leb h a fte r M ein u n g sa u sta u sch
fo lg te . B e i dem e n g e n Z u sa m m en h a n g e der R e lig io n s w is s e n s c h a ft m it der V o lk s ­
k u n d e is t z u hoffen, d a ss d ie w e iter en V erh a n d lu n g en der n e u e n V e r e in ig u n g au ch
für u n se re W is s e n s c h a ft v on B e d e u tu n g se in w erd en . D ie n ä c h ste S itzu n g so ll
E n d e O k tob er stattfind en .
[F . B .]
Polivka: Berichte und Bücheranzeigen.
305
Berichte und Bücheranzeigen.
Neuere Arbeiten zur slawischen Volkskunde.
2. Südslawisch in den Jahren 1910— 1913.
(Vgl. oben 20, 4 1 1 -4 2 8 .)
U n se re Ü b er sic h t der s l o w e n i s c h e n V o lk sk u n d e m ü sse n w ir m it der sc h m e rz ­
lic h e n N ach rich t von dem H in sc h e id en d e s P r o fe sso r s an der U n iversität Graz
D r. K a r l S t r e k e l j ( f 7. Ju li 1 9 1 2 ) e in le ite n .
S e in e leid e r n ich t a b g e sc h lo ss e n e
m o n u m en ta le S a m m lu n g der slo w e n isc h e n V o lk slie d e r , der w ir in u n seren B e ­
rich ten d ie h ö c h ste A n erk en n u n g zo llten , w ar nur ein T e il se in e r g r o sse n w is s e n ­
sc h a ftlich en A rbeit. (V g l. se in e n N e k r o lo g aus der F ed er V . J a g ies im A rch iv
f. sla v . P h il. 34, 3 1 7 .) D em N e k r o lo g au f fctrekelj von M. M urko in der Z s. V e d a
(2 , 5 2 9 — 5 4 2 ), w o e in B erich t ü b er se in e n reich en w isse n sc h a ftlic h e n N a c h la ss
e r sta tte t w ird, e n tn eh m en w ir m it F reu d e, d a ss der R e s t se in e r V o lk s lie d e r ­
sa m m lu n g g r ö sste n te ils zum D ru ck e v o r b e re ite t is t und d a ss d e ss e n k ü n ftigem
H er a u sg eb er v e rh ä ltn ism ä ssig w e n ig A rbeit v e rb le ib t.
W ic h tig ist e in e an d ere
B e m er k u n g M. M urkos, d a ss JStrekeljs V o lk s lie d e r stark u n ter der Z ensu r d es
V e r le g e r s, d e s litera risch en V e r e in s ‘M atica S lo v e n sk a ’, litten , d er m a n ch e se h r
w ic h tig e L ied er aus b lo sse r P rü d erie strich , so vom In ze st, von der L ie b e z w isc h e n
B ru d er u n d S c h w ester ,
un d
d a ss
JStrekelj,
dad urch
a b g esch reck t,
v ie le
L ied er
se lb st strich und für ein en b eso n d eren P rivatd ru ck z u r ü c k leg te . S trek elj sa m m e lte
a u s se r
L ied ern
fo rm eln u. a.
n och
M ärchen,
F ab eln ,
R ä ts e l,
Er h in te r lie ss n och A rb eiten ,
d ie
S p richw örter,
zu m D ru ck
B e sc h w ö r u n g s­
z ie m lic h v o rb ereitet
w aren , w ie ‘E in e In z e stb a lla d e a ls K in d e rsp iel’, oder M aterial zu so lc h e n , w ie v o m
V e r h ä ltn is der slo w e n isc h e n B a lla d en zu den w e ste u r o p ä isc h e n u. a.
W ir w o llen
hoffen, d a ss d ie se r eich e N a c h la sse n sc h a ft in B ä ld e den w iss e n sc h a ftlic h e n K reisen
z u g ä n g lich g em a ch t w ird. — Zur G esch ic h te der slo w e n isc h e n V o lk sk u n d e w ü rd igte
J. M e r h a r V a lv a so r a ls E th n ograp h en (J a h resb erich t d e s k. k. S ta a tsg y m n a siu m s
in T r ie st 1 9 0 9 — 1910).
W ic h tig e B e itr ä g e brachte das d em A n d en k en an Stanko
V r a z g e w id m e te H eft d e s C asopis za z g o d o v in o in n a ro d o p isje 7 ;
W a n d eru n g en in den s lo w e n isc h e n L änd ern h a n d e lt 1. P r i j a t e l j
ü b er d e ss e n
S. 1 4 5 — 190
m it e in ig e n N a ch rich ten ü b er ältere L ied ersa m m lu n g en , d och bringt er n ich ts über
e ig e n e S a m m e ltä tig k eit d e s St. V raz; ü b er se in e B e z ie h u n g e n zu A n a st Grün
b e so n d e r s w e g e n d er Ü b e r se tz u n g der slo w e n isc h e n V o lk s lie d e r te ilte F r. K i d r i c
n e u e D a ten m it (S . 2 0 5 — '222), a u sse rd em üb er se in e B e zieh u n g en zu dem p o l­
n isc h e n E m igran ten K orytk o, der zu erst d ie s lo w e n isc h e n V o lk s lie d e r h e r a u s­
z u g e b e n b egan n (S . 2 2 2 — 2 3 1 ); am w ic h tig ste n von a lle n den B eiträ g en is t D a v o rin
B e r a n i c s K ritik der V r a zsch en A u fzeich n u n g en v o n V o lk s m e lo d ie n (S. 232 — 2 7 0 ).
K . y t r e k e l j z eig te, d a ss V raz zu P fin gsten 1832 V o lk s lie d e r a u fzu zeich n en b egan n
{S . 3 0 7 ) u. a. Sehr w ertvoll ist d ie von Fr. K i d r i c b eso rg te B ib lio g r a p h ie der
sc h r iftlic h e n
W e rk e
un d
K o rresp o n d en zen
Z e its ch r. d. V e r e in s f. V o lk s k u n d e .
1913.
H e ft 3.
des
St.
V raz
(S . 322— 384).
20
Polivka:
306
1. G r a f e n a u e r z e ig te (C arn iola 1, 17), w ie d er D ic h te r P reseren V o lk s lie d e r
a u szu b e sser n v e rsu c h te. — F r. K i d r i c w ie s (e b d . 1, 9 7) nach , d as K opitar M it­
a rb eiter d e s im Jah re 1812 ged r u c k te n B u c h e s ‘D ie I lly r is c h e n P ro v in z e n und
ih re E in w o h n e r ’ war. — F r. K o t n i k m ach t u n s b ek a n n t m it ein em K ärn tner
V o lk s p o e te n d e s 18. Jah rh . (6 0 . P rogram m d e s S ta a ts-O b er g y m n a siu m s zu K la g e n furt 1 9 0 9 — 1910, vg l. C arn iola 1, 2 6 6 ). — T e ilw e is e kann h ie r n och K id ries
A u fsatz ‘E in B eitra g zur G e sc h ic h te d e s G o ttsc h e ee r V o lk s lie d e s ’ (C arn iola 3, 2 8 — 4 3 )
erw äh n t
w erd en ,
w orin K orytk os B e m ü h u n g e n
um
d ie
G o ttsc h e ee r V o lk sk u n d e
g e sc h ild e r t un d aus se in e m N a c h la ss e e in ig e L ie d e r m it H in w e is e n a u f A d. H auffens
B u ch a b g ed ru ck t w erd en . — E in e a llg e m e in e e th n o g r a p h isch e S k izz e ü b er d ie
W e issk r a in e r
v e rfa sste
J. L o k a r
(C arn iola 2,
1— 3 1 ),
C h arak teristik
d er
B e­
w o h n e r, A b erg la u b e, B e sc h w ö r u n g en , R e ig e n ta n z m it L ied ern (S . 8 ), T rach t un d
H e r ste llu n g der K le id e rstü c k e a u s F la c h s u n d H a n f (S. 1 0 f.), T ö p fe r ei (S. 1 5 f.),
H o ch z e itsg e b r ä u c h e (S . 18) und L ied er, T a u fe (S. 2 9 ). — J. A. G l o n a r u n ter­
su ch te in d em A u fsätze ‘M o n o cero s un d D ip ta m u s’ (Ö asop is za z g o d o v . n arod op isje
7, 3 4 — 106) d ie E n tsteh u n g u n d E n tw ic k lu n g d er durch R u d . B au m b ach s G ed ich t
b ek a n n t g e w o r d e n e n Z l a t o r o g s a g e ; von dem d e u tsch en K ir c h e n lie d e ‘H och v o n
d em T h ro n e in J e g er , d er ja g e t das E in h orn fe in ’ (W a c k e r n a g e l 1 1 3 6 ) a u sg eh en d ,
b e sp ric h t er d e ss e n s lo w e n isc h e B e a rb eitu n g , d ie im Jah re 1672 g ed ru ck t wurde,,
ste llt d ie T r a d itio n en vom E in h orn w ie von d em H eilk rau t d ictam n u s, d ictam u s,
d ip tam u s,
w e iter
d ie vom w ild e n J ä g er z u sa m m e n ,
V e rm ittlu n g
d er P r e d ig e r d ie s e e in z e ln e n Stoffe
sa g e
ist je d o c h w e n ig ste n s
se lb st
d er
F orm
z eig t,
w ie
b e so n d e rs
in s V o lk d ran gen ;
nach
durch
d ie Z latorog­
n ich t v o lk stü m lic h ,
son d ern
D e sc h m a n s E ig en tu m , un d in der W ie d e r g a b e d e s T r ie ste r P r o fe sso r s W . U rb a ss
lern te d ie s e B e a rb eitu n g R u d . B aum b ach k en n en . D a s V olk k enn t d ie S a g e nicht,
auch n icht in der G e b ir g sg e g en d , w o sie lo k a lis ie r t w u rd e. — J. S a s e l j g ab den
2. T e il se in e r w e issk r a in e r is c h e n V o lk s ü b e r lie fe r u n g e n herau s (B ise r n ic e iz b e lo k ra n jsk eg a n a ro d n eg a za k la d a 2. L a ib a c h 1909 V J, 2 6 4 S .).
D e r H er a u sg eb er
lie s s sic h a lle T e x te v on M itg lied ern se in e r P farre A d le sic i sa m m eln u n d n ie d e r ­
sc h r e ib en , un d e s h ab en a lle d ie s e A u fze ich n e r, m e iste n s F rau en , au ch u n ter­
sc h r ieb en . G eg e n d ie s e Art u n d W e is e w u rd en E in w e n d u n g e u g e m a ch t, n ich t m it
U n re ch t w u rd e h e r v o rg e h o b en , d a ss der S a m m ler s e lb s t den V o lk sü b er lie fer u n g en
v ie l o b jek tiv er g e g e n ü b e r ste h t a ls A n g eh ö rig e d e s ‘V o lk e s ’. In den A u fze ich n u n g en
d er B a u e r sleu te w ird ‘E in flu ss der S c h u le u n d d er K irche b e so n d e r s im S til
p r o sa isc h e r S tü ck e ’ g e w itte r t un d Z w e ife l a u sg esp r o ch en , ob d ie von den L a n d ­
leu ten a u fg e z e ic h n e te n S tü ck e d ie w ah re G esta lt ü b erliefern . D e r E in w u rf berührt
fr e ilic h h a u p tsä ch lich
u n d in d ie se r H in sic h t
d ie
is t
sp ra c h lich e W ie d e r g a b e
(v g l. d ie Z s. C arn iola 2, 173),
er g e w is s b e g r ü n d et w ie au ch b e z ü g lic h d e s S tils der
p r o sa isc h e n E rzäh lu n gen . Im m erh in ist d ie se r V e rsu c h d e s slo w e n isc h e n S a m m lers
b e m e rk en sw e rt und lä sst sic h n ic h t v o llstä n d ig a b w e ise n ; n eb en der o b je k tiv ste n
A u fze ich n u n g m itte ls d e s P h o n o g r a p h en und d er o ftm als n ich t g a n z o b je k tiv e n d e s
S a m m le rs b ietet auch d ie der V o lk sa n g e h ö r ig e n s e lb s t m a n c h e s In te r e s se . S a selj
h at sic h a u f den K reis se in e r P farre b esch rän k t. E in e s o lc h e E in sch rä n k u n g hat
fr eilic h au ch ihre K eh rseiten (s. C arniola 2, 1 7 3 ). E s w äre vom h ö c h sten W ert,
w en n der P farrer von A d le sic i e ifr ig e N a c h fo lg e r b e i se in e n A m tsb rü d ern fän d e.
D a s B u ch en th ä lt e in ig e S p rich w örter un d R e d e n sa r te n , e in e g r o sse A n zah l er­
z ä h len d e r L ied er, B a lla d en u . a . (S. 11— 7 4 ), v ie le r e lig iö se n In h a ltes, L e g en d e n .
V ie lfa c h h at der H erau sgeb er a u f ä h n lic h e L ied er in S tr e k e ljs B u ch v e r w ie se n ;
b e i m an ch en , b eso n d ers den ersten im z e h n silb ig e n V e rsm a ss g e d ic h te te n , h ätte
ee sic h e m p fo h le n , S a m m lu n g en serb o k ro a tisch er L ie d e r h e r a n z u z ie h e n ; auch in
Berichte und Bücheranzeigen.
der S p rach e m ach t
sich
se rb o k ro a tisch er E in flu ss
307
g e lte n d .
So k ön n te
Nr. 10 S. "22 a u f H rvat. nar. p je sm e M at. H rvat. 2, 117, 379
z. B.
nr. 30 und
5,
b ei
189,
483 nr. 115 v e r w ie se n w erd en . E s fo lg en w e iter ‘ly r isc h e ’ L ied er, W e ih n a c h ts-,
H o c h z e its-, T rin k -, T o te n lie d e r , r e lig iö se , K in d erreim e u. a. In ein em A b sch n itte
(S . 1 9 7 — 2 0 5 ) sin d G eb räu ch e und A b erglau b en zu W e ih n a c h te n u. a. v e r z e ic h n e t w ie
au ch T ä n ze. E n d lic h is t au ch e in e k le in e S am m lu n g von E rzä h lu n g en (S . 2 0 9 — 205,
21 N u m m ern ) zu erw äh n en .
D a s W ö rterb ü ch lein en th ält e in ig e B em erk u n gen
ü b er T rach t u. a. E in ig e T ra ch ten b ild er b e sc h lie s se n d as B u ch .
E in e au sfü h r­
lic h e R e z e n s io n b eid er B än d e sc h r ieb R . P er u sek , b e so n d e rs ü b er d ie Sp rache
d ie se r Ü b er lie fer u n g en (C a m io la .1, 167, 2 9 4 ; 2, 2 3 3 ). — St. K ü h a r te ilte e in e
z ie m lic h r eich e S am m lu n g von V o l k s ü b e r l i e f e r u n g e n der in den w e stlich en
G eg en d en U n g a rn s a n g e sie d e lte n S lo w e n e n m it, d u rc h w eg im D ia le k te (C a so p is za
zg o d o v in o in n a ro d o p isje 7, 1 0 7 — 128; 8, 4 7 — 7 6 ); v e r sc h ie d e n e L e g en d e n von
der W an d eru n g C h risti a u f E rden, S a g en von K irch en , von b ü ssen d e n G esp en sterS ch lo ssh e rr e n ,
u. a.
S lo w e n e n k am :
er
e in e S a g e v o n M artin L uth er,
traf K in d er an,
d ie H olz
w arum
er
zu sam m en tru gen ,
n ich t
um
b is
ihn
zu den
zu
ver­
b rennen (7, 1 1 6); F re isch ü tz (7, 120 nr. 27 ), e in Z aub erer kon nte fest m a ch en
(7 , 127 nr. 33 ), w eiter von W ile n , S c h w a rz sc h ü le r veru rsach t H a g elsc h la g , ein
R a b e la s in d e ss e n B u ch und flog in d ie L uft, k on n te erst h in u n terk om m en , als
er rück w ärts la s; T e u fe l — w e c h se lt K in d er aus u. a., bringt T o d , P est, E rd b eb en —
d ie E rde sc h w im m t a u f d em W a sse r , a u f d er M ilc h str a sse bringen d ie E n g el dem
P a p ste n a c h R o m B riefe; se h r v ie le n a tu rd eu ten d e S agen , S p rich w örter, R e d e n s ­
arten, S ch im p fw örter, S p itzn am en . — E in ig e L ied er w ie auch E rzäh lu n gen aus
dem G ö rzisch en ero tisc h e n un d o b szö n en In h a ltes w urden von Joh . K o s t i a l und
R . T r e b s e in der A n th rop op h yteia 6, 3 83; 7, 365, d ie an d eren 6, 272 und 7, 3 2 4 ;
8, 378 veröffen tlich t; au ch Sp rich w örter ebd. 8, 383. — J. B a u d o u i n d e
C o u r t e n a y b esp rach (Z ap isk i der ru ss. geo g ra p h . G es. A bt. f. E thn ogr. 34, 2 37)
e in ig e s lo w e n isc h e F lu g b lä tter ap ok ryp h en In h a ltes, w ie d ie L ä n g e u n se re s Herrn
J e su
C hristi,
den
C h risti’ druckte
B eitra g
zu
er
T raum
im
der
M utter
O riginal
un d
den R e c h t s g e b r ä u c h e n
G o ttes;
in
gab
e in en
T ext
‘das T e sta m en t J e su
r u ssisc h e r Ü b er se tzu n g
L. P i v k o
in
se in e m
ab.
—
E in en
A u fsatze
üb er
G em e in d e g u t (W e id e , W a ld ) und d e ss e n V e rw a ltu n g im sü d lic h e n Steierm ark bei
P etta u an der D rau (C asop is za zg o d o v . in n arod op isje 8, 11 ff.). — W alter 8 m i d
z e ig t
(C a m io la 2, 3 9 — 4 5 )
d ie
U m g e sta ltu n g
d er
V o lk stra c h t durch
stä d tisch e,
b ü rg erlich e T rach t vom 17. Jahrh. ab u n d den E in flu ss ita lie n isc h e r un d ob er­
d e u tsch er T ra ch ten , un d d a ss d ie V o lk stra c h t ‘a ls ein durch lo k a le und n ation ale
E ig en tü m lic h k eite n d ifferen ziertes e u r o p ä isc h e s A llg e m e in g u t’ b etrach tet w erd en
m u ss. — J. L o k a r b esch reib t das w e issk ra in e r isch e H aus (C a m io la N . F . 3, 1— 2 7)
und d e ss e n in n ere A u sstattu n g
bis
zu
den H eilig en b ild ern und zum S p ieg e lc h e n
an d er W a n d w ie au ch d ie W irtsch a ftsg eb ä u d e, S tälle u. a., B eleu ch tu n g sk ö rp er,
H a u sg erä te; der A u fsatz ist m it sch ö n en und leh rreich en A b b ild u n gen a u sgestattet.
E in ig e B em erk u n g en üb er F a h r ze u g e a u f der S a w e und im L a ib a c h flu sse le se n w ir in
der C arniola 2, 172, u. a. d a ss noch zu V a lv a so r s Z eiten E in b äu m e g eb ra u ch t w u rd en .
J. E r d e l j a n o v i c hat e in e g e n a u e A n le itu n g und e in en b is in s e in ze ln e a u sg e ­
arb eiteten F ra g eb o g en zur E rforsch u n g d e s s e r b i s c h e n V o lk e s und d e s V o lk s le b e n s
veröffen tlich t (S rp sk i etn ograf. zborn ik 16, 4 3 9 —4 8 0 ). Er b eg in n t m it der B e ­
sc h r e ib u n g der g e o g ra p h isc h e n L age d e s betreffenden O rtes,
e in e sta tistisc h e A u fn ah m e
der H äu ser
un d F a m ilien
und
L an d strich es, fordert
hierb ei
ste te
B erü ck­
sic h tig u n g älterer V e r h ä ltn isse , so w e it s ie sic h an der Ü b erlieferu n g b eso n d ers
der älteren S c h ich ten der B ev ö lk er u n g b estim m en la sse n .
W eiter Sprache, d ie
20*
Polivka:
308
v o lk sw ir tsc h a ftlich en
V e r h ä ltn is s e ,
H au s
un d
w ir tsch a ftlic h e
G eb ä u d e,
G erät­
sc h a fte n , d ie g e sa m te L eb e n so r d n u n g d e s V o lk e s , z. B. w an n d ie L e u te sc h la fe n
g e h e n un d w er zu erst, ob je d e r sein e ig e n e s B ett hat, ob s ie zur W in te r sz e it in
g e h e iz te n Z im m ern sc h la fe n , ob d ie L e u te w äh ren d d e s T a g e s b eten , zur w e lch er
S tu n d e, a u f w e lc h e W e is e u sw ., S p e ise un d T rank, T ra ch t; dann fo lg t das so z ia le
L eb en , F a m ilie u sw ., G eb räu ch e, A b erglau b en , U n terh altu n gen (L ied er, M ärchen,
R ä ts e l, M usik, S p iel, T a n z ), g e is tig e und k ö rp erlich e E ig en tü m lic h k eite n , d as
W isse n d e s V o lk e s . E s is t aus d ie se r A u fzäh lu n g e rsic h tlic h , d a ss g e g e n d ie se E in ­
te ilu n g m a n ch e E in w e n d u n g g e m a c h t w erd en k ön nte, so s o llte w o h l der an th rop o­
lo g is c h e T e il g le ic h an den A n fang e in er so lc h e n U n tersu ch u n g v e rleg t w erd en u. a. —
E in ige au fm u n tern d e W o r te zu fr isch er er A rbeit a u f d ie se m F e ld e b eso n d ers in B o sn ien
un d in der H e r z e g o w in a sc h r ieb V I. S k a r i c in d er Z s. B o sa n sk a V ila *27, 2 97. —
D ie a n th ro p o g eo g r a p h isch e u n d e th n o g r a p h isch e E rfo rsch u n g e in ig e r s e r b i s c h e r
u n d k r o a t i s c h e r L ä n d e r hat e in e R e ih e g r ö sse re r un d u m fa n g reich erer Stu d ien
zur A u fgab e. T . R a d i v o j e v i c u n ter su ch te und b e sc h r ie b e in en z en tralen L än d er­
strich S e r b ien s, L e p e n ic a g e n a n n t (S r p sk i etn ograf. Z bornik 15, 1— 3 8 4 ), der h eu te
fast m it dem B e z. K ragu jew atz zu sa m m e n fä llt. D e r V e r fa s se r m a c h te sic h zu m
Z ie le G rü n d u n g un d E n tw ic k lu n g , V e r g a n g e n h e it und G eg en w a rt d er B e sie d lu n g
u n d d er B e v ö lk er u n g d er g e n a n n ten G eg e n d zu erfo r sc h e n ; er w a n d te w e iter
e in e b e so n d e r e A u fm er k sa m k e it d er g e n e tis c h e n E n tw ic k lu n g d e s H a u se s d ie se r
G eg e n d zu.
D ie A ltertü m er un d R e s t e früherer A n sied elu n g en w erd en c h r o n o lo g isch
gru p p iert in p rä h isto risch e, rö m isch e, au s d em se r b isc h e n M ittelalter u sw .
u n d so
d as M aterial zur G e sch ic h te d er B e sie d e lu n g d e s L a n d es fe s tg e s te llt (S . 2 5 ff.). E s
w ird g e z e ig t, w ie stark das L an d in der vortü rk isch en Z e it b ev ö lk ert w ar, w ie e s
dann un ter der tü r k isc h e n H errsch aft
v on
d er z w eite n H älfte
des
15. Jahrh.
an
en tv ö lk ert u n d v e r w ü ste t durch z w e i J ah rh u n d erte d alag, w ie von der M itte d e s
16. Jahrh. an n ach un d n ach n e u e A n sie d e lu n g e n en tstan d en und e ig e n tlic h erst
v o m E n d e d e s 17. Jahrh. ab d e sse n n e u e B e sie d e lu n g b egan n , b e so n d e rs u n ter
der ö ste r r e ic h isc h e n O kk upation in d er ersten H älfte d e s 18. Jahrh., dann un ter
der n e u e n tü rk isch en H errsch aft 1 7 3 9 — 1803, e n d lich v o m Jah re 1804, von der
B e fre iu n g d e s se r b isc h e n L a n d e s an. V o m Jah re 1818 an, w o a u f B e feh l d e s
F ü rsten M ilosch d ie e rste A u fze ich n u n g der H ä u ser und K o p fsteu erza h ler d u rch­
ge fü h r t w u rd e, b is 1903 ste llte der V e rfa sse r a u f G rund d er sta tistisc h e n B e ­
sc h r e ib u n g e n d en Z u w a ch s der H äu ser in e in er b e so n d e re n T a b e lle z u sa m m en , für
d ie n e u e r e Z eit vom Jah re 1866 an au ch d en Z u w ach s der B e v ö lk er u n g . S eh r
e in g e h e n d sin d d ie a g ra risch en V e r h ä ltn isse b esp ro c h e n (S . 61 ff.), e s w ird g e z e ig t,
d a ss s ic h e in ag ra risch er K o m m u n ism u s
n ich t
ein m a l
für d ie
ä lte s te Z eit n a ch -
w e ise n lä sst, dan n d ie E n tw ic k lu n g z u e in e m v o llstä n d ig e n K a ste n w e se n im m ittel­
a lter lic h e n se r b isc h e n S taate u n ter b y z a n tin isch em E in flü sse , d ie U m g e sta ltu n g
un ter der tü r k isc h e n H errsch aft, d as A u fh ören d er ‘h o m in e s g le b a e a d scr ip ti’ und
d ie E n tw ick lu n g freier G ru n d b esitzer. W e ite r w ird d ie L age der O rtsch aften b e ­
sc h r ieb en , rech t e in g e h e n d d ie B ru n n en (S . 9 4 ff.), der T y p u s der O rtsch aften,
H a u sg e n o s se n s c h a fte n (S . 113), d ie B a u te n (S . 11 8 ), das H au s u n d d e ss e n e in z e ln e
G esta lten (S . 1 2 2 ) un d d ie W irtsch a ftsg eb ä u d e (S . 147). D ie je tz ig e B e v ö lk er u n g
d e s L a n d es ist v e r h ä ltn ism ä ssig ju n g en D a tu m s, s ie b egin n t erst vom E n d e d e s
17. Jahrh., und d er V e rfa sse r s te llt d ie e in z e ln e n P h a se n fest, in w e lc h e n d as
L and d u rch E in w a n d e ru n g e n n eu b e s ie d e lt w u rd e (S . 1 6 * ff.); vom Jahre 1815
n a c h d e m z w e ite n e r fo lg re ich en A u fstan d d er S erb en s te llt d er V e r fa sse r für je d e s
Jah r b is 1 9 0 2 fe st, w ie v ie le F a m ilie n e in g e w a n d e r t und w ie d ie s e b is je tz t an­
g e w a c h se n sin d (S . 173 ff.), und in je d e r e in ze ln e n O rtsch aft (S . 176 ff.), w e iter
Berichte und Bücheranzeigen.
309
n och , au s w e lc h e r G eg en d d ie F a m ilien ein g ew a n d e r t sin d (S. 1 8 4 ff.); d an ach ist
d ie B e v ö lk er u n g se h r m an n igfach en U rsp ru n g es, und O rtsch aften m it h o m o g e n e n
E in w o h n ern sin d rech t v e re in ze lt. D i e E in w a n d erer aus den ö stlic h e r e n G eg en d en
v om T im o k her, aus B u lg a rien , h ab en z ie m lic h stark n och ih re E ig e n tü m lic h ­
k eiten b e so n d e rs in d er Sp rache b ew ah rt, freilich nur, w o s ie z u sa m m en g ed rä n g t
w o h n e n ; s ie h e is s e n n och je tz t S ch op en , se lte n e r B u lgaren . In b eso n d eren T a b e lle n
sin d w e ite r (S . 2 1 0 - 3 0 3 ) d ie e in z e ln e n F a m ilie n nach der Z eit ih rer E in ­
w an d eru n g m it A n gabe ih r e s H eim atortes und -la n d e s un d au ch m it ih rem H a u s­
patron an gefüh rt. D e m F este d e s H au sp atron s is t n och ein b eso n d e re s K ap itel
g e w id m e t (S . 3 0 6 ff.), dann n och den von der B e v ö lk er u n g g e fe ie r te n F estta g e n :
d eren g ib t e s etw a 160 T a g e (I) im Jahre.
E in ig e w e n ig e B em erk u n g en finden
w ir n o c h ü b er d a s je tz t seh r g e b r ä u c h lic h e — b eso n d e rs bei d en arm en B auern
— E n tlau fen der M äd ch en (S . 3 1 3 ), ü b er d ie T ra ch t (S . 3 1 4 ), K en n tn is der Schrift
(S . 3 1 6 ), sta tistisc h e D a te n ü b er A ck erb au , V ie h z u c h t, H an d el u. a. — A. J o v ic e v ic
d u rch fo rsch te
Z bornik
15, 3 8 7 — 835).
den
m o n te n e g rin isch en
N ach
B ezirk
e in er g e o g ra p h isc h e n
R ije k a
(S rp sk i
B e sc h r eib u n g
des
etnograf.
L an d es
u n d e in er e in g e h e n d e n S c h ild e ru n g der L a g e der e in z e ln e n O rtsch aften (S. 4 2 5 ff.)
w e n d e t sic h d er V e r fa s se r den ö k o n o m isch en V e rh ä ltn isse n zu (S. 4 6 3 ff.). W e ite r
w ird b e sc h r ieb en d er T y p u s der O rtsch aften (S. 4 8 2 ff.) w ie au ch je d e e in z e ln e
O rtsch aft; das H au s m it der T e r m in o lo g ie a lle r se in e r B e sta n d te ile (S. 5 0 4 ff.),
B e le u c h tu n g un d M öb el (S. 51 9 ), S tallu n gen u. a. (S . 5 2 2 ). E in e b e so n d e re A b­
te ilu n g ist d er N o m en k la tu r g e w id m e t (S . 5 2 6 ), h ier w erd en R e s te älterer
r o m a n isc h e r und a lb a n e sisc h e r B ev ö lk er u n g n a c h g e w ie se n . N ach e in er B e sc h r eib u n g
d er A ltertüm er, R u in e n alter B auten, K irch en , K löster, B u rgen u . a. (S . 5 4 2 )
v e rsu c h t der V e r fa sse r d ie Z eit d e s U rsp ru n gs der je tz ig e n O rtsch aften zu b e ­
stim m en (S. 5 6 6 ); der g r ö sste T e il d er B e sie d e lu n g fä llt in das E n d e d e s 15. Jahrh.
un d d au erte b is in das 17. Jahrh.; nur w e n ig e A n sied elu n g en sin d älter, um v ie le s
älter,
es
d ie se
B ew egungen
g ib t
auch sp ätere B e sie d e lu n g e n
hatten
d ie
tü rk isch en
aus d em 18. un d 19. Jahrh.
K äm pfe
S täm m en den g rö ssten und e n tsc h e id e n d e n E in flu ss.
ste h u n g
un d
G e sc h ic h te je d e r
e in z e ln e n
m it
den
A u f a lle
m o n te n e g rin isch en
E s w ird dann w e iter d ie E n t­
O rtsch aft g e g e b e n
(S . 5 7 9 — 5 9 3 )
und
h ie r a u f d ie je d e r e in z e ln e n F a m ilie (S. 5!)3— 66 2 ). H ieran ist ein K apitel üb er d ie
e th n isc h e n E ig en tü m lic h k eite n der B e v ö lk er u n g an gek n ü p ft (S . 6 6 2 — 76 1 ), d ie
p h y sisc h e n un d p sy c h isc h e n , üb er das h o c h e n tw ic k e lte E h r g e fü h l, G astfreu n d sch aft,
F rö m m ig k eit u n d A b erglau b en , R a c h s u c h t (S . 70 6 ) u. a., S p rache, T rach t (S . 7 1 7 ),
F a m ilie n le b e n (S . 7 2 1 ); G eb räu ch e
F e s t d e s H au sp atron s (S. 73 0 ), P ro z essio n e n
im F rühjahr, um e in e r e ic h e E rnte zu erb itten , b e i D ü rre u sw ., T o te n fe ste u. a.,
T a n z (S. 7 3 7 ) u . a. B e ile g u n g v on Z w ist u n d V e rsö h n u n g (S . 7 3 9 ), W e ih n a c h ts­
fe st (S. 7 4 2 ); G eb urt u n d T a u fe (S . 7 4 5 ), H o ch ze it (S. 74 8 ), T o d (S. 766).
bau, V ie h z u c h t (S. 7 6 2 ), B ien en zu ch t (S . 76 9 ), A u sw an d erer (S . 7 7 0 ).
(S. 775) w ird n o c h e in e sta tistisc h e Ü b er sic h t der B e v ö lk er u n g
F a m ilie n g e g e b e n .
—
D e r s e lb e
A ck er­
Zum S c h lü sse
und der e in ze ln e n
sc h ild e rte noch b e so n d e r s d as L e b e n
in
der
Z a d r u g a -H a u sg en o ssen sc h a ft in d ie se m B e zirk e (Z bornik z a nar. ziv. 15, 2 9 — 119),
d eren V e rfa ll un d d e ss e n U rsa ch en , V e rh ä ltn is z w isc h e n M ann u n d F rau — s ie
n en n en n ie d en N a m en d e s and eren,
d ie F rau
eh e r den N am en d e s V a ters od er
S c h w ie g e r v a te r s — , E h e lö su n g (S . 4 6 ) , E ltern und K in d e r, V e r w a n d tsc h a fts­
v e r h ä ltn is se (S. 5 6 ), d as L e b e n m it den N ach b aren (S . 57 ), J ü n g lin g u n d M ädchen
(S . 63 ), d as g e fa lle n e M äd ch en (S . 65), d ie B raut (S . 68), d as L eb en d er Frau,
d er W itw e (S . 72 ), d e s M an n es (S. 75), der G reise (S . 7 9 )
H irten (S. 81), G e­
w e rb etr e ib en d e un d K a u fleu te (S . 84 ), b e so n d e rs S c h m ie d e , Ä rzte (S. 87), W a ise n
P o liv k a :
31 0
(S. 8 8 ), B ettler (S . 9 0 ), Z ig eu n e r (S. 9 2 ).
K ranke u n d K rü p p el (S . 95 ),
Ir r sin n ig e
(S . 9 8 ), V e rb re c h e r (S . 100), T r u n k en b o ld e , L ü gn er, S p io n e (S . 1 0 6 ); das r e lig iö s e
L e b e n (S. 108), S c h u le (S . 116). — J. E r d e l j a n o v i c b e sc h lo ss m it se in e r A b ­
h an d lu n g ‘D ie E n tsteh u n g d e s S ta m m es P ip e r i’ (S r p sk i etnograf. Z bornik 17, 241
b is 5 2 8 )
se in e S tu d ien
ü b er d ie m o n te n e g r in isc h e n S täm m e
(s. ob en 1910, 4 1 4 ).
E r b e sc h r e ib t d eren A n sie d e lu n g e n (S . 2 5 8 ) und zäh lt a u sfü h rlich d ie e in z e ln e n
D ö r fer m it ih ren k le in er e n T e ile n , d ie A n zah l der H ä u ser u n d ‘H erd e’ auf, e b e n so
d ie S o m m e rsitz e m it d em V ie h a u f d en A lm en und d as A n rech t d er e in ze ln e n
F a m ilie n
a u f d ie W e id e p lä tz e
und
H ütten.
E ig e n tu m sv e r h ä ltn isse
(S . 2 7 3 )
—
P riv a teig e n tu m n ic h t e in z e ln e r In d iv id u en so n d ern F a m ilie n h at sich erst in
n e u erer Z eit e n tw ic k e lt, so n st ist a lle r G rund E ig en tu m d er C lans, d er W a ld
E ig en tu m d e s g a n z e n S ta m m es — O rg a n isieru n g d e s S ta m m es (S . 2 7 6 ), B e stim m u n g
d er V ojvod en , d ie V e rsa m m lu n g e n u. a. D i e H a u sg e n o s se n s c h a fte n sin d z ie m lic h
se lte n un d k le in (S . 2 8 7 ). D e n N a m e n d e s S ta m m es b rin gt der V e r fa sse r in V e r ­
b in d u n g m it d em b ek an n ten P fla n zen n a m en (P feffe r) und m ein t, d ass er a ls S p itz ­
n am e a u f P e r so n en ü b ertragen w u rd e; e s hätten auch V o lk sm ä rc h e n h eran ­
g e z o g e n w erd en k ön n en , w o d ie k in d e r lo se F rau sic h w e n ig ste n s e in K in d w ie
ein P fefferk orn ( ‘b ib ero v o zrn o’) w ü n sch te u n d d as K ind dann ‘b ib erce’ (a u ch das
K o m p o situ m ‘b ib er -a g a ’ k om m t vor) g e n a n n t w u rd e (fr e ilic h ist im S erb isch en h ier
nur d ie m e d ia b w ie im T ü r k isch en , n e b e n ‘papar’).
V o n B ed eu tu n g ist, d ass
v ie le an d ere to p o g r a p h isch e N am en
in
den S itz en d ie s e s S tam m es
sic h
nur aus
der S p rach e der v o r sla w isc h e n , m it den je tz ig e n A lb a n e se n m eh r od er w e n ig er
in n ig verw an d ten S täm m e erk lären la sse n , w ie e s der V e r fa s se r b ei e in er z ie m lic h
g r o sse n A n za h l d a r leg t (S . 327 ff.), e in ig e sin d w o h l au ch
F r e ilic h sin d to p o g r a p h isch e N am en auch für g e w ie g te
ro m a n isch en U rsp ru n gs.
L in g u isten v ie lfa c h ein
sc h w er zu lö se n d e s R ä ts e l. A u ffa llen d ist, d a ss auch z w e i N am en B u garevo,
B u garin -b rijeg (S . 3 7 8 ) V orko m m en, d ie a u g e n s c h e in lic h m it d em eth n isc h e n
N am en der B u lgaren Z u sam m en h än gen ,
deren E rk läru n g d en n o ch u n gem ein
sc h w ie r ig ist. D e r V e r fa sse r o p eriert rech t oft m it der V o lk s ü b e r lie fe r u n g und
bringt ih r ein allzu g r o s s e s V ertrau en e n tg e g en .
V o llstä n d ig is t se in e n A u s­
fü h ru n gen b e iz u stim m e n , d a s s d ie je tz t v o n den P ip eri b e se tzte n G eg e n d en e in st
von e in em rom an isierten illy r is c h e n S tam m b e v ö lk e rt w aren , und zw ar rech t dünn
in e in z e ln e n G eh öften , nur in den fruchtbareren S tr ich en lä n g s oder in d er N äh e
der
F lu s s g e b ie te
(S . 3 9 9 ).
D ie
se r b isc h e B e s ie d e lu n g
d ie se r
L a n d str ic h e
g in g
la n g sa m v o r sic h in e in z e ln e n F a m ilie n un d H a u sg e n o sse n sc h a fte n e in e lä n g ere Z eit
h in d u rch und drang a llm ä h lic h tiefe r in L an d strich e, d ie von der illy r isc h e n U r ­
b e v ö lk e r u n g n ic h t b e se tzt w aren ; ü b rig e n s h a b en sich durch lä n g e re Z eit rom a n isie rte S täm m e erh alten , so ein M u g o si b en an n ter Stam m (S . 4 3 6 ). In d ie se n
G e g e n d en k om m en z a h lr e ic h e S te in h a u fen vor, b e so n d e rs in d er N ä h e von F ried ­
h öfen u n d K irch en , w o h l G räber der S ta m m e sh ä u p tlin g e , g r ö sste n te ils n och in
v o r ch ristlich er Z eit von d en se r b isc h e n E in w an d erern errich tet (S . 4 7 2 ). Im w eiteren
V e r la u fe se in e r A rb eit sc h ild e r t der V e r fa s se r d ie E n tw ic k lu n g d e s S tam m es,
se in e V e rb in d u n g m it n eu en z u g ew a n d erten E lem e n te n , w e lc h e nach der V o lk s ­
ü b e r lie fer u n g von d er H älfte d e s 16. Jahrh. an vor sic h g e h t. E in se h r grü n d lich
a u sg ea r b e itete s N a m e n - un d S a c h r e g iste r w ie au ch z a h lr e ic h e A b b ild u n g en von
L an d sch aften , B auten u n d T y p e n b e s c h lie s s e n d ie le s e n sw e r te A b h an d lu n g.
V I. M. N i k o l i c b e sc h r ieb L e b e n u n d T r e ib e n der B e v ö lk er u n g z w e ie r K reise,
L u z n ic a u n d N isa v a , im sü d ö s tlic h e n S e r b ien (S rp sk i E tn o g r a f Z bornik 1 6 , 1 — 4 3 6 );
L a g e und P lä n e der D ö rfer, A ck erb au , B ien en zu ch t (S . 8), V ie h z u c h t, G eb räu ch e
vor dem A u streib en d e s V ie h e s a u f d ie W e id e (S . 17 ), B e r e itu n g v o n K ä se und
Berichte und Bücheranzeigen.
311
B u tter (S. 22), G ew er b e (S . 31 ), W u c h e r (S . 3 4 ), d ie A rbeit der Frau, B ea rb eitu n g
d e s H an fes, d e s F la c h s e s , d er W o lle (S . 4 0 ), S p in n en u n d W e b e n , F ärb en d er
W o lle (S . 4 4 ) u. a., H au s u n d H o f (S. 47 ), K eller, b e so n d e rs W e in k e lle r (S. 67),
S tä lle für das V ie h (S. 72), M ühlen (S . 76 ), T u ch -S ta m p fen (S. 78 ). D a s F a m ilie n ­
le b e n (S . 81 ), V e rfa ll der H a u sg e n o sse n sch a ft, N a m e n g e b u n g (S. 89) u. a.
D er
V e rfa sse r, ein V o lk ssc h u lle h r e r ,
g ib t ein rech t d ü ste re s B ild von dem L eb en d es
V o lk e s , der ‘E rzieh u n g ’ der K inder, d er ‘R e in lic h k e it’ u. ä. E s folgt d ie B e ­
sc h r e ib u n g der S p e ise n u n d G etränk e (S . 102), T rach t (S . 117), G eb räu ch e, F e s t
d e s H au sp atron s (S. 123); g e fe ie r t w ird u. a. auch d er T a g d e s h l. V la s-B la siu s
für das W o h le r g e h e n d e s V ie h e s (S. 129), d er T a g d e s h l. T h e o d o r ist den
P ferd en g e w e ih t, b e so n d e rs au sfü h rlich d ie F e s te zu St. G eorgi ('S. 133) un d d ie
W e ih n a c h tsfe ste (S. 143); auch da h errsch t der h l. G erm an ü b er W o lk e n und
H a g e l (S . 140). G eb räu ch e bei a n h a lten d er D ü rre (S . 156) u. a. Ü b e r S ch w a n g er­
sc h a ft u. ä. (S . 160), Sorgen u m das n e u g e b o r e n e K in d (S . 16 7 ), d e ss e n durch
B e sp r e ch u n g e n v eru rsa ch te E rkranku ngen un d M ittel d a g e g e n ; G ev attersch aft
(S . 177), H aarsch ur (S. 180), H eirat u n d V e rm ä h lu n g (S. 18 3 ). das g a n ze H o ch ze its­
ritu al
is t
bis
in s
e in z e ln e
b e sc h r ieb en .
A n g e sc h lo sse n sin d noch B em erk u n g en
ü b er B rautraub, der s te lle n w e is e n och in den G eb irgsd örfern vork om m t (S. 2 4 7 ),
T o d un d B e g rä b n is (S . 2 4 9 ). A ck erb a u g eb rä u ch e (S. 257), O pfergeb räu ch e b eim
S äen, b e im H au sb au (S . 2 6 1 ), E in m au ern d e s S c h a tte n s e in e s M en sch en o d er T ie r e s
(S . 2 6 5 ). R e ch tsg e b r ä u c h e , T e ilu n g d er H a u sg e n o s se n s c h a ft (S. 2 6 6 ). K au f und
T a u sc h (S. 2 6 8 ).
B esch w ö ru n g en von K ran k h eiten un d B esc h w ö r u n g sfo r m eln
(S . 2 7 3 ); sie w e rd en für ein sü n d h a fte s W e rk g e h a lten , d ie F rauen, d ie es d en n och
tun, freilich g e h e im , sin d d u rc h w eg arm un d g e h e n n ie in d ie K irche, b e ich ten
n ie m a ls (S . 273). W e ite r w ird e in e z ie m lic h g r o sse A n zah l V o lk s lie d e r m itg ete ilt
(S. 2 7 9 — 372), e in ig e w e n ig e E rzäh lu n gen (S. 3 7 2 — 3 8 0 ), darunter e in e F a ssu n g
d er b ekan nten S a g e, wann d ie L e u te au fh örten d ie G re ise zu töten (S . 378 nr. 13);
e in e z ie m lic h e A n zah l von R ä ts e ln (S. 3 8 0 — 384);
S e g e n und T rin k sp rü ch e
(S. 3 8 4 — 387). M usik, T a n z und S p iel (S. 3 8 7 — 4 0 0 ), D u d e lsa ck , F lö te u. a.,
R e d e n sa r te n
un d
Sp rich w örter
(S. 4 1 2 ).
V o lk sm ed iz in
(S. 4 2 0 — 4 3 5 ).
G e h e im ­
sp ra c h e d er T ö p fe r (S . 4 3 5 ). — Ü b e r d ie B e d e u tu n g un d R e su lta te d ie se r anth rop og e o g r a p h isc h e n
U n tersu ch u n g en
sc h r ieb
e in ig e
B e m er k u n g e n
J. D e d i j e r (B o s.
V ila 25, 3 5 1 ). — Im G la sn ik -B u lle tin der serb. geograp h . G e s e llsc h a ft in B elgrad
H . 1 z e ig te T ih o m . R . G j o r g j e v i c den E in flu ss der w ir tsch a ftlic h e n V e rh ä ltn isse
a u f d ie E n tw ic k lu n g der A n sied lu n g en an z w e i D ö r fer n d e s n o r d ö stlic h e n S erb ien s,
deren B e w o h n er sc h a ft te ils se r b isc h , te ils ru m än isch ist.
—
N. 2 u p a n i c
w an d te
se in e A u fm erk sa m k eit den B e w o h n er n von S ic h e lb u r g und M arindol an der G renze
von Ivrain und K roatien zu ; d ie B e v ö lk e r u n g ist aus v e rsch ie d e n e n G eg en d en
zu sa m m e n g e w ü r fe lt u n d n och je tz t durch R e lig io n , S p rach e un d G eb räu ch e g e ­
tren nt. N e b e n e in er eth n o g ra p h isch en B e sc h r e ib u n g hat der V e r fa sse r (in d er Z s.
P ro sv etn i G lasn ik , S .-A . B elg ra d 1912, 5 0 S. und 12 T a b e lle n , vg l. L e to p is m at.
srp sk e H. 2 8 6 S. 8 3 ) e in e g e n a u e a n th ro p o lo g isch e U n ter su ch u n g der S erb en an
3 0 9 P er so n en d u rch gefü h rt. — E in e p räch tige eth n o g r a p h isch e u n d an th rop ogeog r a p h isc h e S k iz z e d er H er ze g o w in a und ihrer B ev ö lk er u n g e n tw a rf J. D e d i j e r
(L e to p is M at. S rp sk e H . 2 89, 4 7 — 73).
M. L a n g b e sc h r e ib t L an d und L eu te von S am ob or in K roatien (Z bornik za nar.
ziv. 16, 1— 1*28, 1 6 1 — 2 7 4 ; 17, 1— 150, 1 9 3 —3 4 2 ); er b eg in n t m it d er Natur, b e id e n
J a h r e sz eiten w erd en au ch e in ig e P ro g n o stica erw äh n t ( 1 6 ,3 1 ) ; b ei den P flan zen
deren m e d iz in isc h e B e d e u tu n g u n d e in ig e S agen , so vom S tiefm ü tterch en , aus d em
C orn u s m a s w u rd e C h risti K reuz verfertigt,
dah er w ä c h st
der Strauch so n ied rig
Polivka:
312
(S. 39), v o m A d a m sa p fe l (S . 4 0 ), S a g en von T ier en , V ö g e ln , F isch en — der H e c h t
hat im K o p fe d ie Z e ic h e n d er M arter C h risti (S . 4 8 ). In d em A b sc h n itte üb er d ie
Sp rach e au ch e in e B em erk u n g ü b er G eh eim sp ra c h e n , d. i. e ig e n tlic h v ie lfa c h ver­
k eh rte K in d ersp rach en (S. 73 ). W e ite r H a u s und H o f (S . 84 ), W irtsch a ftsg er ä te
(S . 92 ), K ü ch e (S . 1 0 1 — 12 5 ), K le id u n g u n d B e sc h u h u n g (S. 161), S ch m u ck
(S . 175), H aartrach t (S. 178 — vor etw a 5 0 Jahren tru gen au ch d ie M änner la n g e
in Z öp fe g e flo c h te n e H aare) u. a. V o lk s m e d iz in (S . 187— 2 0 7 ). Jagd (S. 2 3 7 ),
V ie h z u c h t (S . 2 4 4 ), A ck erb au (S . 2 5 9 — 2 7 4 ; 17, 1— 36 ), H a u sa rb eiten (S . 36 ), B au
(S . 4 0 ), w e ib lic h e H an d arb eiten (S . 45 ), G ew er b e : M ü ller (S. 4 8 ), L o h g erb er (S. 5 2 ),
S c h u ste r (S. 5 8 ), R ie m e r (S . 64), K ü rsch n er (S. 6 9 ), H u tm ach er (S . 72), W e b e r
(S. 7 5) u. a. m it g e n a u e r B e sc h r e ib u n g der W e r k z e u g e un d der T e r m in o lo g ie , d ie
v ie lfa c h d e u tsc h e n U rsp ru n g s ist. Ü b e r sic h t der T a g e s - und. Ja h resa rb eit und
-ru h e (S . 100), H a n d el (S . 110). D a s L e b e n in d er H a u sg e n o sse n sc h a ft (S . 1 14)
und. in der F a m ilie (S. 1 1 5 ), V e r h ä ltn is z w isc h e n M ann und Frau, E ltern und
K in dern (S . 119), V e rw a n d tsc h a ftsv e r h ä ltn isse (S , 1 2 8); d ie h era n reifen d e Ju g en d
b e id e r le i G e s c h le c h te s (S . 132), d ie ju n g e F rau (S . 139), der M ann (S . 144), d ie
G re ise (S. 148), B ä ck er (S . 193), H irten (S. 19 5 ), W a ise n (S. 19 8 ), G esin d e (S. 19 9 ),
B e ttle r (S . 2 0 2 ), Z ig eu n e r (S . 2 0 4 ), H er re n le u te (S . 2 0 5 ); Z e c h w e se n (S. 2 0 8 — 2 3 6 );
r e lig iö s e B ru d ersch a ften (S . 2 3 6 — 2 5 3 ), so g a r das V e r e in s w e se n w ird h era n g e zo g e n
(S . 2 6 7 ), w ovon in v o lk sk u n d lic h e n A rb eiten so n st kaum g e h a n d elt w ird. D a s
L eb en krank er L e u te (S . 2 8 0 ), V e rb re c h e r (S . 283), T ru n k su ch t u. a.
D a s r e lig iö s e
L eb en (S. 2 8 8 ), h ie rb ei ab ged ru ck t der T rau m d er M utter G ottes und. d ie in B e th ­
le h e m g e fu n d en e, d u rch d en E r ze n g e l M ich ael g e sc h ic k te un d in R o m m it g o ld e n e r
Sch rift a u fg e sc h r ie b e n e E p iste l von d er H e ilig u n g d e s S o n n ta g s (S. 2 9 2 ), G eb ete
an den z w ö lf F reitagen (S . 2 9 4 ). S c h u lw e s e n (S. 296), d ie B e w o h n er sc h a ft, d ie
e in z e ln e n F a m ilien , ih re G e sc h ic h te u n d A bkunft (S . 3 0 9 ). — A n th r o p o g e o g ra p h isc h e
S k izz en üb er B e sie d e lu n g , A b k u n ft der B ev ö lk er u n g u. a. hat D . F r a n i c in se in
B uch ü b er d ie S een d er P litv ic a und d eren U m g e b u n g im sü d lich en K roatien e in ­
g e r e ih t (P litv ic k a je z e r a i n jih o v a ok o lin a . U Z agreb u 1 9 1 0 , b e so n d e r s S. 284
bis 34 8 ). — A u f G rund a lter H an d sch riften au s der ersten H älfte d e s 17. Jahrh.
sc h ild e r te R . S t r o h a l d as L eb en d er B e w o h n er d e s O rtes V rb n ik a u f d er In se l
V e g lia (Z bornik za nar. z iv o t 16, 2 7 4 — 2 9 2 ). — E in a b s c h lie s s e n d e s W erk ü b er
d ie v ie lb e sp r o c h e n e n ‘serb o k ro a tisch en K o lo n ie n S ü d ita lie n s’ gab M. R e s e t a r in
d en Sch riften
der B a lk a n k o m m issio n
N ach e in er Ü b e r sic h t
e in z e lte
ü b er
se r b o k r o a tisc h e
(W ie n , A k ad.
d. W iss. 1911,
4 °,
4 0 2 S p .).
d ie b ish er ig e L iteratur w erd en N ach rich ten ü b er v e r ­
K o lo n ie n
in
v e rsch ie d e n e n
ita lie n isc h e n G eg e n d en
zu ­
sa m m e n g e ste llt (S. 17 — 5 0 ). D ie v e re in ze lten K o lo n iste n fa m ilie n h ab en sic h rech t
b a ld der s ie u m g e b e n d en ita lie n isc h e n B e v ö lk er u n g a ssim ilie r t. E rhalten h ab en
sic h Serb ok roaten b is h e u te nur in drei O rtsch aften der P ro v in z C am p ob asso, d er
G rafsch aft M o lise , d e s e h e m a lig e n K ö n ig re ich s N e a p e l, und. d ie se r B e v ö lk e r u n g is t
e ig e n tlic h das B u ch R e se ta r s g e w id m e t. N a c h den m ü h e v o lle n F o rsch u n g e n R e se ta r s
(S. 4 9 — 9 0 ) begann d ie s e B e s ie d e lu n g am S c h lu ss d e s 15. Jahrh. un d d au erte w e ite r
durch d ie
e rste H ä lfte
des
16. Jah rh .; a ls
ihr M utterland
ist h ö c h stw a h r sc h e in ­
lic h d as d a lm a tin isc h e N aren tatal zu b etrach ten ; d ie A n zah l der A n sie d le r
b etru g e tw a 3 0 0 0 P er so n e n . S o r g fä ltig su ch te der V e r fa s se r (S. 9 1 — 139) R e s t e
se r b o k r o a tisc h e r V o lk sk u n d e in d ie se n O rten fe stz u ste lle n , fand n atü rlich v ie l, v iel
w en ig er, a ls an d ere B e o b a c h te r; in T rach t, B rauch un d Ü b er lie fer u n g en ist d a s
V o lk fa st d u rc h w eg ita lie n isie r t, nur d ie S p rach e h at e s b ish er erh alten un d h ä lt
au ch je tz t n och z ä h e an ihr trotz der a llg e m e in e n Z w e isp r a c h ig k e it. D e r H aupt­
w ert d e s B u c h e s lie g t in d em g r a m m a tisc h e n T e il (S . 1 4 0 — 2 3 4 ), d e s s e n B e ­
Berichte und Bücheranzeigen.
313
sp re c h u n g a u sse r d em B e re ic h d ie se r Z eitsch rift lie g t. S eh r w illk o m m en sin d d ie
S. 2 3 7 — 322 ab ged ru ck ten T e x te . N e b e n z a h lr e ic h e n e ig e n e n A u fze ich n u n g en h a t
R . m it R e c h t a lle b ish er zum T e il in sc h w e r zu g ä n g lich en P u b lik a tio n en zer ­
streu ten S p rachp rob en h in zu g en o m m en , um so d ie S p ra ch en reste d ie s e s a b ster b e n ­
d en V o lk ssp litte r s d er W isse n s c h a ft zu erh alten . V o n den M ärchen g eh ö rt nr. 1
zu G rim m KEIM. nr. 21 und erinn ert stark an B u sk p. 31 nr. 5 (B o lte -P o liv k a ,
A n m erk u n gen zu den KHM . d er Br. G rim m 1, 1 7 4 ); nr. 2, d ie L e g en d e vom hl.
A le x iu s — der v e rsto r b e n e H e ilig e lie s s den B r ie f au s d er H and nur se in e r B raut;
nr. 4 Sp. 247 zu G rim m KHM . nr. 11: nr. 5 Sp. 254 zu G rim m nr. 24, ä h n lich
C om p aretti nr. 31 (v g l. A n m erk u n gen zu d en K H M . d er Br. G rim m 1, 21 5 ). —
Nr. 6 von d er hl. C esaria zu G rim m KHM . nr. 3 1; nr. 7, e in g o ttlo se r H err
läd t e in en T o te n k o p f zum A b en d e sse n ein un d w ird dafür bestraft, nr. 9 ein
F ra g m en t vom g e stie fe lte n K ater; w e iter e in ig e F a b e ln u. a. A b erglau b en w ie
B e sc h r e iu n g und M ittel d a g e g e n Sp. 274 u. a. Sp rich w örter Sp. 276, 3 1 9 ; T o te n ­
k la g e n Sp. 277.
F ra g m en te e in e s ep isc h e n L ie d e s Sp. 281, v g l. Sp. 125; M a ilied er
Sp. 2 8 4 v ie lfa c h ita lie n isc h e r H erk u n ft und n och an d ere B r u c h stü ck e ve rsch ie d e n e r
L ied er. D a s am E n d e d es W e r k e s a n g efü g te W örterb u ch , Sp. 3 2 3 — 390, b ietet
auch A n la ss zu m an ch en e th n o g r a p h isch en B em erk u n gen , das W ic h tig s te hat R .
s e lb s t in den e in le iten d e n W orten z u sa m m e n g e fa sst. — J. C v i j i c ste llte e in e
h ö c h st w ic h tig e und in te re ssa n te A n le itu n g zur E rforsch u n g der p sy c h isc h e n E ig e n ­
tü m lich k e ite n d e s se r b isc h e n V o lk e s z u sa m m e n (B o sa n sk a V ila 2(>, 7 4 ) , e in er
A rbeit, d ie, w ie er a u sd r ü c k lich bem erk t, zu d en sc h w ie r ig ste n geh ört. Er hob
v ier H au p tau fgab en h erv o r: d ie B e stim m u n g der p s y c h is c h e n E ig en tü m lic h k eite n ,
d ie ein D o r f o d er e in e G eg en d von der U m g e b u n g sc h e id e n , dann d ie v e rsc h ie d e n e n
p s y c h is c h e n E ig en tü m lic h k eite n der A lt-A n sä ssig e n g e g e n d ie E in g ew a n d erten ,
w e lc h e A u fgab e z u g le ic h m it der B e stim m u n g der A b ku nft d er B e w o h n er sc h a ft zu
lö se n ist, w ie au ch im V e rh ä ltn is zu U n ter sc h ied en in T rach t, G eb räu ch en ,
Sp rache, oft au ch zu d en so m a tisc h e n E ig en tü m lic h k eite n ; h ierb ei is t auch d ie
K reu zu n g z w isc h e n den F a m ilien und d eren F o lg en
der E in flu ss der F rau,
der M utter.
D ritten s
in s A u g e
zu
fa ssen ,
e b e n so
sin d d ie p s y c h is c h e n E ig e n tü m lic h ­
k e iten der h ervorragen d en F a m ilie n d e s D o r fes,
en d lic h d ie h a u p tsä ch lic h ste n p s y c h is c h e n T y p e n
der G eg e n d
zu
erforsch en
un d
je n e r B ev ö lk er u n g fe stzu ste lle n .
T e ilw e is e b ea n tw o rtete s o lc h e F ra g en T . R . G j o r g j e v i c , der (G od isriica N ik o le
Ö upica Bd. 31 ) z e ig te , w ie sich b e stim m te T y p e n in fo lg e von so z ia le n u n d ö k o n o ­
m isc h e n
Verhältnissen
c
e n tw ic k e lte n .
V I.
o r o v i c g ab e in e c h r o n o lo g isch e, k r itisch -b ib lio g r a p h isc h e Ü b e r sic h t der
s e r b i s c h e n V o l k s l i e d e r s a m m l u n g e n von V u k St. K aradzic a n g efa n g en (S rp sk i
k n iz -G la s n ik 27, 5 9 3 — 603,
6 7 2 — 681,
750— 758)
m it ku rzen
k ritisch en
B e m er ­
k u n g en ; e in e lä n g e re is t den A u sgab en von Fr. S. K rau ss g e w id m e t, w orin d ie A u th e n ­
tizitä t d er von ih m ged ru ck ten L ied er stark b estritten w ird (S . 679 f.). — S e in e
g r ü n d lic h e B ib lio g ra p h ie d er k roatisch en und se r b isc h e n V o lk s lie d e r se tz te J. M il a k o v i c fort (S k o lsk i V je sn ik 16, 9 1 3 — 9 7 4 ); er m u sste leid e r d ie se v e r d ie n stv o lle
A rbeit ab b rech en , d a d ie s e Zs. ein g in g . — D ra g . P r o h a s k a nah m in se in B u ch
‘D a s k r o a tisc h -se r b isc h e S ch rifttu m in B o sn ien un d d er H e r ze g o w in a ’ (Z agreb
1911) ein b e so n d e r e s den ‘R a ja und ih rer P o e s ie ’ g e w id m e te s K ap itel a u f (S. 1 4 6 — 175),
in d e m au ch d ie P o e s ie d er ‘m u selm a n isc h e n H erren w elt’ b e r ü c k sic h tig t w ird. D ie
so z ia le n S c h ic h te n , in d en en d a s so g . F ra u en lied und d a s n ation ale H eld e n lie d b eso n d ers
g e p fleg t w u rd en , sin d r ic h tig ch arak terisiert. — E in e n ku rzen, für w e iter e K reise b e ­
stim m ten V o rtra g ü b er d as V o lk s lie d im S ü d en d er M on arch ie b ot M. R e s e t a r
u n d das ö ste r r e ic h isc h e K ü sten lan d 1911, S. 2 0 0 — 215, v g l. o b en
(D alm atien
Polivka:
314
2?, 106)
m it
e in er
C h arak teristik
ita lie n isc h e n L ied er u n d M elo d ie n ;
d er
slo w e n isc h e n ,
in d er B e ila g e
sin d
serb o k ro a tisch en w ie auch
e in ig e d ie se r L ie d e r m it
M elo d ie n au ch m it d e u tsch er Ü b e r se tz u n g ab ged ru ck t. — Zur G e sch ic h te der
se r b o k r o a tisc h e n V o lk sk u n d e finden w ir e in en B e itr a g in I v . M i l c e t i c s B io ­
g r a p h ie d e s g e is tr e ic h e n und g e le h r te n S p a la tin er A rztes Ju l. B ajam on ti (1 7 4 4 b is
1 8 00), R a d ju g o sla v -A k a d . 192, S. 97 ff.; er v e r g lic h in e in e m A u fsa tz e ‘II M orlacch ism o
d ’O m ero’ d as
se r b o k r o a tisc h e V o lk s e p o s
V o lk s lie d e r und M elo d ien , M ilcetic
e in ig e L ied er in d as Ita lie n is c h e . —
m it dem h o m e r isch en ,
sa m m e lte se lb st
d ru ck te s ie ab (S . 143 ff.), ü b er se tzte auch
E in ig e v o lk s m ä s s ig e od er h a lb v o lk sm ä ss ig e
L ie d e r w u rd en in G rada z a p o v ije st k n iz. hrvat. 7, 140 ab ged ru ck t. — S t. T r o p s c h
se tz t se in e k r itisch -b ib lio g r a p h isc h e Ü b er sic h t d er d e u tsch en Ü b er se tzu n g e n der
se r b o k r o a tisc h e n V o lk s lie d e r fort (R a d ju g o s la v . A kad. 187, 2 0 9 — 2 6 4 ), b e sp ric h t
E ug. W e s e ly s ‘S e r b isc h e H o c h z e its lie d e r ’ 1826, P. G o e tz e s ‘S e r b isc h e V o lk s lie d e r ’
1827, w o der Ü b e r se tz e r g e g e n d ie V o rw ü rfe T a lv js v e r te id ig t w ird ; er ü b er se tzte sie ,
b ev o r d ie Ü b e r se tz u n g T a lv js e rsch ie n , nach d eren E r sc h e in en le g te er d ie letz te F e ile
an s e in e Ü b er se tzu n g ; e n d lich w ird d ie A rbeit W ilh . G erh ard s g e w ü r d ig t. D e r s e l b e
z e ig t A rch iv f. sla v . P h il. 34 , 540, d a ss d ie A n a sta siu s G rün z u g e sc h r ie b e n e Ü b e r ­
s e tz u n g z w e ie r se r b o k r o a tisc h e r V o lk s lie d e r J o h . N ep o m u k V o g l zu v erd an k en ist.
H ie r s e i n o c h a n g e m e rk t d as B u ch von J. K r e j c i ‘B eiträ g e zur K en n tn is der
d ic h te risc h e n T ä tig k e it S ie g fr ie d K ap p ers’ (P ra g , A k a d e m ie 1 911) v g l. A rch iv f. slav.
P h il. 33, 5 6 2 ff. und Ö ech. R e v u e 4, 364, w o d e ss e n Ü b er se tzu n g e n der se r b isc h e n
V o lk s lie d e r str en g v eru rteilt w erd en . — In e in er R e z e n s io n d es B u c h e s ‘U n sere
V o lk s e p ik ’ v on T . M aretic (v g l. ob en 1910, 4 1 5 f.) w e n d e t sic h S v e t . S t e f a n o v i c
(L e to p is M at. S rp sk e H. 2 6 6 S. 6 7; H. 267 S. 5 9 ) g e g e n d ie w ic h tig ste n T h e se n d e s
A gram er G eleh rten , d a ss d ie s e V o lk s lie d e r v e r h ä ltn ism ä ssig sp äten U rsp ru ngs
s e ie n u n d d a ss d ie in ih n en b esu n g e n e n E r e ig n iss e früherer Z e ite n vordem la n g e
Z e it in P r o sa erzä h lt w u rd en , e h e s ie b e g a b te S ä n g er in p o e tisc h e r F orm b e ­
a rb eiteten . E r op eriert h a u p tsä ch lich m it der T h e se , d a ss sich p r o sa isc h e Ü b e r ­
lie fe r u n g e n v o n h isto r isc h e n E r e ig n iss e n n ic h t lä n g er a ls drei b is vier G en eration en
e rh a lten k ön nen, w o g e g e n d eren p o e tisc h e B ea rb eitu n g fü n f b is se c h s Jah rh u n d erte
u n d lä n g e r erh alten b leib t. — I. S c h e r z e r u n terw arf d ie so g . B u g a rstice e in er
n e u e n U n ter su ch u n g (R a d ju g o s l. akad . 182, 1 8 1 — 2 2 4 ) und w id ersp ra ch älteren
F o rsch ern , d ie nur d en 15 — 1 6 silb ig e n V e r s für r ic h tig un d r eg e lr e c h t h ie lte n und
a lle
a b w e ic h e n d e n V e r s e
d a ss a lle V e r s e
E s la sse n sic h
L ie d e r
L ie d e r
für
verd erb t
erk lärten ;
der V e rfa sse r m ein t
dagegen,
d ie se r L ied er o h n e R ü c k sic h t a u f d ie S ilb e n z a h l rich tig sind .
z w e i G ru pp en v on L ied ern erk en n en .
D ie e in e bild en d ie
der R a g u sa n e r H an d sch rift (a u s A n fan g und M itte d e s 18. Jah rh .), d ie
der z w e ite n G ruppe h ab en e in en e tw a s e rw eiterten V e rs u n d z u g leic h
e in e n Z u satzrefrain, d er in den L ied er n der R a g u sa n e r H s. se h r se lte n ist.
Z u g le ic h sin d b e id e G ruppen auch d em S tile nach v e r sc h ie d e n , die L ie d e r o h n e
Z u satzrefrain h ab en e in en g a n z e p isc h e n C harakter, sin d d u rc h w eg län ger, d ie
L ie d e r m it Z usatzrefrain e in en m ehr ly r isc h e n , w e n ig e r H an d lu n g, m eh r G esp räch ,
D ia lo g un d sin d r e g e lm ä s sig kürzer.
E n d lic h w ird d ie M ein u n g B o g isir s von
e in e m Z u sa m m en h a n g d e s in der r a g u sa n isch en P o e s ie , b e so n d e r s b e i G u n d u lic
ü b lic h e n a c h tsilb ig e n V e r s e s m it d em ‘b u g a rstic e ’ z u r ü c k g e w iesen .
V . M. J o v a n o v i c sc h ild e r te den V a m p i r i s m u s in d er ro m a n tisc h e n L ite ­
ratur (S rp sk i k u iz-G la sn ik 28, 4 8 — 54, 1 2 8 — 135). Im A n sc h lu ss an Ant. St. H o c k s
b ek a n n tes B u ch sc h ild e rt er d ie A tm osp h äre, in w e lc h e r d as b ek an n te F alsifik a t
P ro sp e r M erim ees ‘L a G u zla ’ en tstan d . Er h at d ie se m b erü ch tig ten E r ze u g n is d e s
fr a n z ö sisc h e n D ic h te r s au ch ein b e so n d e r e s B u ch g e w id m e t: ‘L a G u zla’ de P ro sp e r
Berichte UDd Bücheranzeigen.
M erim ee.
E tü d e d ’h isto ir e rom antique,
315
P a ris 1911, X I, 565 S., vgl. d ie R e z e n s io n
J o v . S k er lic s (S rp sk i k riiz-G Ia sn ik 26, 874, 9 4 7 ) un d b eson d ers d ie a u sfü h rlich e
R e z e n s io n v o n M. Öurcin im A rch iv f. sla v . P h il. 34, 2 5 4 — 266. — S. T r o j a n o v i c
b esp rich t (S rp sk i k n iz-G Iasn ik 27, 9 2 4 ) e in e am A m s e lfe ld e e rz ä h lte S a g e , w on ach
d ie dort w a c h se n d e rote B lu m e P a e o n ia d e c o ra A n d ers aus d em B lu te d er 1389
g e fa lle n e n H eld e n e n tsta n d ; d ie im E rd b od en häufig v o rk o m m en d en v erstein erten
M u sch eln sind ihre G eb ein e, d ie fa u stg ro ssen Q u a rzitstein e ihre verstein erten B rote
u n d rote, a b g eru n d ete S te in e ih re F le is c h s p e is e . E r v e rg leic h t e in e b reto n isch e
R age, n ach d er der rote K le e aus d em B lu te v on H eld e n en tstan d . — G. M a r c o c c h i a
b esp ra ch in e in er k le in en B ro sch ü re ‘L a le g g e n d a di D io c le z ia n o in D a lm a z ia e
n el M o n te n e g ro ’ (S p alato 1911, 19 S .) b e so n d e rs d as m it d er S a g e vom K önige
M id as z u sa m m e n h ä n g e n d e M ärchen, w ie e s in der U m g e b u n g von S p alato erzäh lt
w ird ; v g l. L eto p is M at. S rp sk e H . 285, S. 103. — J. B a r l e brachte ein en k le in en
B eitrag zur V e rb re itu n g von der L e g e n d e der hl. K ü m m ern is in slo w e n isc h e n L ä n ­
d e r n und in K roatien (Z s. P ro sv jeta 1909, S .-A . Z a g r eb -A g ra m 28 S., vgl. Carn io la 1, 162). — C. L u c e r n a ü b er se tzte , k o m m en tierte und a n a ly sie rte m it fein em
V e rstä n d n is ‘M on ten egros b ed e u te n d ste s H e ld e n v o lk slie d , D ie H o c h z e it d es M axim
C r n o je v ic ’ (Z agreb 1911, 74 S., v g l. B o s. V ila 26, 252). — D ie se r b isc h e n F ab eln
v erg lich M. J. M a j z n e r m it den ä so p isc h e n (G o d isn ic a N ik o le Ö upica B d. 31).
E in e n e u e S am m lu n g m o n ten eg rin isch er H e l d e n l i e d e r verd an k en w ir G. M.
D r a g o v i c G j u r i c k o v i c (C etin je 1 9 1 0 , 356 S ).
S ie en th ält 34 N u m m ern, d ie
nur v e r e in z e lt e in e g r ö sse r e L ä n g e erreich en (Nr. 34 809 V e rse, Nr. 2 770 und
N r. i /4 2 , Nr. 23 u n d 26 j e 563, N r. 11 4 9 3 V e r se ), m e is te n s hab en s ie z w isc h e n
‘2 00 b is etw a 3 0 0 V e r se , ein e in z ig e s, Nr. 9, ist kürzer, e s hat nur 81 V e r s e . E s
w erd en E r e ig n iss e v e rh ä ltn ism ä ssig ju n g er Z eit b e su n g e n , nur Nr. 1 e in e T a t
a u s der W e n d e d es 17. Jahrh., Nr. 2 — 18 T a te n au s dem 18. Jahrh., Nr. 19— 34
v e rsc h ie d e n e G e s c h e h n isse d e s 19. Jahrh.
b is
in d as Jahr 1861.
D urchw eg
sin d
d ie A u fze ich n e r der L ied er und deren W o h n o rt a n g e g e b e n , g r ö sse n te ils au ch deren
S än ger.
V o n d ie se n sin d 16 g en an n t,
g e z e ic h n e t, von dreien je z w ei.
ein L ehrer (N r. 19)
und
ein
nur
von
z w e ie n
sind j e
drei L ied er auf-
N eb en den b e r u fsm ä ssig e n ‘G u sla r en ’ h ab en auch
O ffizier (N r. 2 4) j e
ein L ied
v orgetragen .
An der
A u fze ich n u n g h a b en sich a lle B eru fe b e te ilig t. B e i v ier L ied ern (Nr. 3, 11, 26, 27)
h at der H er a u sg eb er an gem erk t, d a ss s ie V arian ten von L ied ern sin d , d ie b ereits
V u k St. K aradzic g ed ru ck t hat, u n d Nr. 3 is t e in e b e sser e F a ssu n g (v g l. noch
J . E r d e lja n o v ic im S rp sk i k n iz -G Ia sn ik '26, 94 ). D e r H era u sg eb er hat h ier nur
ein en T e il se in e r S a m m l u n g h e r a u sg e g e b e n , er verfü gt n och üb er M aterial für z w ei
B än d e, versp rich t in ihrer H erausgabe rasch fortzu sch reiten und fordert zu n eu em
S a m m e ln auf. A n dere L ie d e r druckte er ab in der B o s. V ila 27, 12, 201. — V e r ­
sc h ie d e n e e p isc h e H e ld e n lie d e r w erd en u. a. in d erselb en Z s. g ed ru ck t 25, 23, 252,
287, 3>!4, 35 8 ;
26, 45 , 58, 187 (d er m o h a m e d a n isch en Serb en ), 2 15, 2 46, 268, 3 00;
2 7 , 76, 108, 125, 141, 2 2o,
S a m m lu n g
von
e p isc h e n
251,
und
270,
auch
299,
317.
—
U n zu g ä n g lic h
ly risch en L ied ern
aus
d er
ist m ir
e in e
U m gebung
von
C a ste ln u o v o un d R a g u sa , w e lc h e R a d o j e v i c in F re sn o -C ity , K aliforn ien , h era u s­
g a b (v g l. B os. V ila 27, 128). — F o rtg e se tzt ist L. K u b a s S am m lu n g von L ied ern
u n d M elo d ien
au s B o sn ien
und
der H er ze g o w in a (G la sn ik d. L a n d esm u seu m s f.
B o s.-H er ze g . 22, 5 1 3 — 536 nr. 8 2 9 — 965 und N oten S. 2 0 9 — 2 4 0 ). — In P o la er­
sc h ie n e in e von M. B r a j s a - R a s a n b e so r g te S am m lu n g von k roatisch en L ied ern
aus Istrie n (H rvatsk e n arod n e p o p ije v k e iz Istre, 1910). D a s m ir n ich t z u g ä n g ­
lic h e
B uch
Rezensenten
le g t den S ch w erp u n k t a u f d ie M elo d ien ; nach der M ein u n g d e s
der Z s. S a v rem en ik 6 , 75 b estreb t sic h der H er a u sg eb er in se in e r
P o liv k a :
316
H arm on isation
m ö g lic h s t
d er
V o lk s s e e le
sich
zu
n äh ern .
—
E in en
pop ulären
Z w e c k v e r fo lg t d ie v on T i h . O s t o j i c au s V u k St. K arad zics m on u m en talem W e rk
z u sa m m e n g e ste llte S am m lu n g von L ied ern von denJH eld en taten d er so g . U sk o k en , d. i.
d er vor d er tü r k isc h e n H errsch aft a u f v e n e z ia n isc h e s od er ö ste r r e ic h isc h e s G eb ie t
en tfloh en en S e r b e n , d ie e in en u n u n terb roch en en K a m p f m it d en T ü rk en führten.
‘U sk o c i u ju n a ck im narodnim p e sm a m a ’ (U N o v o m Sad u 1911, 174 S .). A n gek n ü p ft
ist e in k u rzer A u fsatz ü b er d ie se U sk o k e n u n d au ch e in ig e B em erk u n g en ü b er
d ie e p isc h e n L ied er d er m o h a m m e d a n isie r ten B o sn ier . — S c h u lz w e c k e n g e w id m e t
sin d
d ie
von
N. A n d r i c
b e so r g ten
‘A u sg e w ä h lte n V o lk s lie d e r ,
2. F ra u en lie d e r ’
(U Z agreb u 1913. X L , 184 S .). E in g e le ite t ist d as B u ch m it e in ig e n B em erk u n g en
ü b er d ie ä ltesten N a ch rich ten v o n V o lk s lie d e r n , a u sfü h rlich er ü b er den E in flu ss
d e s V o lk s lie d e s a u f d ie ältere K u n stly rik d er R a g u sa n er (u n d d a lm a tin isc h e n )
D ich ter, ü b er L ie b e s lie d e r und L ie d e r , d ie b e i b e stim m ten B räu ch en g e su n g en
w erd en , e n d lic h ü b er d ie M etrik d er V o lk s lie d e r . D ie L ie d e r sin d in drei g r o sse
G ru pp en e in g e te ilt: 1. L ie b e s lie d e r , 2. S c h e r z- und sa tir isc h e L ied er, 3. e r z ä h len d e
L ie d e r u n d B a lla d en (r e ic h h a ltig ste ).
V e rtr e ten sin d a lle L än d er d e s se r b o ­
k r o a tisc h e n V o lk e s. L e id e r hat der H e r a u sg e b e r e s u n ter la sse n , den U r sp ru n g s­
ort d er e in z e ln e n L ied er a n z u g e b e n , au ch dort, w o er in d e n Q u e lle n a n g e g e b e n
w ar. B e so n d er e n W e rt v e r le ih t d e m B u c h e , d a ss e in e g r o sse A n zah l v o n L ied ern
h a n d sch riftlic h e n S a m m lu n g en en tn om m en ist, se h r v ie le aus sc h w e r zu g ä n g lich en
Z eitsch riften .
In
der In h a ltsa n g a b e
is t
an gem erk t,
w o h er
d ie
e in z e ln e n L ie d e r
ab ged ru ck t sin d . L e id er w u rd e n ich t im m er d er W ortlau t d e s O rig in a ls fe st­
g e h a lten , n ic h t ein m al bei d en V u k s W e rk en en tn o m m e n e n L ied ern , so n d ern d er
D ia le k t g eä n d ert, z. B. Nr. 6, 9, '25, 35, 38, 39, 4 3 , 50 , G2, 63, 67, 71, 76, 77, 79,
8t>, 195, 206 u. a., w a s g e w is s n ich t n ö tig war, d a ja so n st d ia le k tisc h e L ied er
a u fg e n o m m e n w u rd en ; auch a n d ere n ic h t n o tw e n d ig e Ä n d eru n gen w u rd en v o r ­
g e n o m m en , z. B . N r. 36 ( = V uk 1 nr. 3 1 2 ‘su n c e ’ statt ‘s n ije g ’). — K le in e re A u f­
z eic h n u n g e n v e rsc h ie d e n e r L ied er, so g . F r a u en lie d e r u. a., b rach te r e g e lm ä ssig d ie
Zs. B o s. V i l a 2 5 , 81 au s der G eg en d von P o ze g a , ebd. S. 120 au s S la w o n ien — der
G elieb te sc h r e ib t n ich t au s W ie n , o b w o h l ih n d as M äd ch en bat, er m ö g e ein
‘z ie rlich , fr a n z ö sisc h ’ g e sc h r ie b e n e s B r ie fch en sc h ic k e n ; tro stlo s k la g t e s ‘und w en n
T in te w äre w ie der S a w e k a lte s W a ss e r un d P a p ier w äre w ie d ie E ss e g g e r W ie s e ,
k ön n te e s n ic h t se in L e id v ö llig b e sc h r e ib e n ’; au s d er ob eren M ilitärgren ze
eb d . '25, 160, a u s S ü d u n garn S. 161, a u s d er Z eta S. 255, au s M a zed o n ien S. 332,
a u s A ltse rb ien S. 3 3 6 ; 26, 1 2 2 ; a u s d er H e r z e g o w in a S. 3 60; 26, 27, 2 20, 2 5 0 ;
au s S y rm ien 2 7 ,9 3 ;
au s D a lm a tie n 27, 202, 2 25, 2 53, 2 7 1 ;
au s S yrm ien g e r e im te
k u rze L ie d c h e n 25, 122.
E in e z ie m lic h r e ic h h a ltig e S a m m lu n g von M ä r c h e n au s
der U m g e b u n g von
E s s e g g , b e so n d e rs a u s der u n teren Stad t E s s e g g aus d en Jah ren 1 8 6 3 /6 4 veröffen t­
lic h te T . S m i c i k l a s (Z bornik z a nar. ziv. 15, 2 7 9 — 3 0 5 ; 16, 129— 143, 2 9 3 b is
3 0 4 ; 17, 151— 170, 3 4 3 — 356), le id e r o h n e je d e B e m er k u n g ü b er deren E rzäh ler,
o h n e b ib lio g r a p h isc h e H in w e is e a u f ä h n lic h e , w e n ig ste n s se r b o k r o a tisc h e F a ssu n g e n .
— R u d . S t r o h a l dru ck te e in ig e L e g e n d e n au s e in er g la g o lit. H s. d e s 17. Jahrh.
ab (S k o ls k i V jesn ik 16, 9 0 4 — 9 1 3 ) üb er d ie W ich tig k eit der B e ic h te u n d d ie
H ö lle u str a len d e r jen ig e n , d ie b e i d er B e ic h te au s S ch a m ir g e n d e in e S ü n d e v e r ­
sc h w ie g e n hab en . — T . O s t o j i c hat e in e A n th o lo g ie ‘S e r b isc h e V o lk s m ä r c h e n ’
b eso rg t (D u b r o v n ik -R a g u sa 1911, V I I I , 237 S .). D ie 30 N u m m ern sin d d u r c h w e g
g e d r u c k te n
S a m m lu n g en
en tn om m en ,
g r ö sste n te ils
aus
V u k St. K arad zic;
w ill­
k om m en ist, d a ss e in ig e N u m m ern a u s sc h w e r z u g ä n g lich en Z eitsch riften g e sc h ö p ft
sin d . W is s e n s c h a ftlic h e Z w e c k e v e rfo lg t das B u ch nicht, und so kann e n tsc h u ld ig t
Berichte und Bücheranzeigen.
317
w erd en , w en n z w e i M ärchen aus v e rsc h ie d e n e n Q u ellen in e in e s (N r. 13) zu sa m m e n g e s c h w e is s t w u rd en . — Z a h lr eic h e M ärchen u n d E rzäh lu n gen w u rd en in der Zs.
B o sa n sk a V ila a b ged ru ck t: L eg en d en 25, 24, 359 ‘D e r hl. S a w a un d der P farrer’
z u G rim m KHM . nr. 8 1; 25, 82 (s e it w an n d ie F rau im m er sch w ä ch er ist a ls der
M ann); 26, 189; 27, 13 (d er W u c h e r er durch d ie L izita tio n stro m m el au s d em
H im m e l g e lo c k t);
27, 31
(d ie G esch ic h te ,
w ie der Soh n
u n w issen d s e in e E ltern
erm ord et in dem G lau b en , e s se i se in e F rau m it ihrem L ieb h a b er, ist m it der
L e g e n d e von I lija -E lia s verb u n d en , w ie so n st m it dem h l. L u k as od er M athias,
v g l. S trek elj, S lo v . nar. p e sm i, 1, 574 nr. 6 0 8 ). — M ärchen: 26, 157 von den drei
W u n d e rd in g e n zu G rim m KHM . nr. 36 (d er M ann b ek am sie v on se in e m S c h w ie g e r ­
so h n — d e m W o lf), S. 249 ‘W enn G ott n ich t gib t, kön n en es n ich t d ie M en sc h e n ’,
S. 2 7 0 und 285 drei T e u fe ls -H a a r e zu G rim m KHM. nr. 2 9; 27, 226 (m it H ilfe der
G efäh rten b efreite der H eld se in e F rau, d ie ihm d er au s d em v erb o ten en Z im m er
e r lö ste D r a ch e gerau b t h atte). 27, 272 z u G rim m KHM . nr. 29. 27, 319 zu
‘D r. A llw isse n d ’. — E rzäh lu n gen von K raljevic M arko 27, 156. — S c h w ä n k e 25, 81.
121.
162
(A b d e riten g esch ich te n );
2 88,
333
(zu G rim m KHM .
2 7 , 2 5 4 (D e r D u m m e für v e rk eh rte B eg rü ssu n g en g ep rü g elt,
nr. 3 4 );
2 6 , 189;
g la u b t tot
zu se in ).
F a b e ln 26, 27. — E in e k le in e S am m lu n g se r b isc h e r S ch w ä n k e, w e lc h e P e t a r 0 .
S t i j a e i c in N e w -Y o r k h era u sg a b , ist u n s nur a u s e in er b ib lio g ra p h isc h e n N otiz
(B o s . V ila 1912, S. 79, 2 3 0 ) bekannt. E in ig e w e n ig e E rzäh lu n gen w u rd en aus
d e r L ik a a b ged ru ck t (Z bornik za nar. ääivot 16, 156— 158), in der ersten hat K raljevic
M arko d ie R o lle d e s S c h n eid er s ü b ern om m en , der d ie R ie s e n ü b erlistet, d en gan zen
Brunnen abtragen w ill u n d b eh au p tet, e s hätten ihn in d er N a ch t nur z w e i F lö h e
g e b is s e n . — D ie w e iter e F o rtsetz u n g v o n D r. S. K r a u s s ‘S ü d sla v isc h e n V o lk s Ü b erlieferu n gen , d ie sic h a u f den G e s c h le ch tsv e rk eh r b e z ie h e n ’ (A n th ro p o p h y teia 6,
4 4 0 — 4 6 8 ; 7, 4 1 6 ff.; 8, 4 3 0 IT.) g ib t k ein en A n la ss zu b e so n d e re n B em erk u n gen .
E b e n so h ab en d ie ebd. 6, 190, 201, 2 4 0 u n ter den T ite ln ‘D ie E h eirru n g im B rauch
un d
d e m G ew o h n h eitsr e ch t
der V ö lk e r ’, ‘V on
der B lu tsc h a n d e ’, ‘V o n g a ttu n g s­
w id rig en P aaru ngen’ g ed ru ck ten E rzäh lu n gen nur W ert a ls Illu stra tio n en der an ­
g e fü h r ten M issb räu ch e.
I.
K a s u m o v i c hat d ie serb ok roatisch en S p r i c h W ö r te r m it den g r ie c h isc h e n
un d r ö m isch en v erg lich en (R a d ju g o sla v . A kad. H . 189, S. 1 1 6 — 2 7 6 ; H. 191, S. 68
b is 2 6 4 ).
Er kam
zu
dem
a llg e m ein en E r g e b n is,
d a ss
n ach
dem Z eu g n is
der
S p rich w örter d ie g r ie c h isc h e K ultur b is zu den K roaten und d ie rö m isch e b is zu
d en S erb en du rchdrang. Er w ill du rch au s n ic h t b eh au p ten , d a ss d ie g r ie c h isc h e n
un d r ö m isch en Sp rich w örter u n m ittelb ar zu den S erben und K roaten g e la n g ten ,
e h er lä sst er d ie m ü n d lich e Ü b er lie fer u n g b e i den g r ie c h isc h e n g e lte n , son d ern
s ie se ie n durch V erm ittlu n g and erer V ö lk e r v ie lfa c h ü b erbracht w o rd en .
V ie l ist
h ie rb ei
zu v e r ­
d an k en .
dem E in flü sse der L iteratur u n d S c h u le
w ie
auch
der P r e d ig e r
K a su m o ? ic hat d ie te ils au s S a m m lu n g en , te ils u n m ittelb a r au s d er Ü b er ­
lie fer u n g en tn om m en en S p rich w örter nach deren S tich w orten z u sa m m e n g e ste llt un d
bei
je d e m
d ie
e n tsp re ch en d e n
g r ie ch isch en
und
la te in isc h e n
P a r a lle le n
od er
Q u e lle n u n d V o r la g en an gefü h rt. W a s das S tich w o rt anbetrifft, so k ön nten ü b er
d e s s e n W a h l h ier u n d da Z w e ife l e n tste h e n , leid e r w u rd en V e r w e isu n g e n bei
an d eren m ö g lic h e n S tich w örtern u n terla ssen .
F ü r sic h w u rd en d ie aus der B ib e l
sta m m e n d en z u sa m m e n g e ste llt (1 9 1 , 1 98) und auch d ie, d ie a u f e in er alten F a b e l
beru h en (eb d . S. 195).
A n g efü g t ist n och ein a lp h a b e tisc h e s V e rz e ic h n is a lle r
z itierten und u n tersu ch ten S p rich w örter, 1025 N u m m ern .
E in ig e w e n ig e S p rich ­
w örter in d er Z s. B o s. V ila 25, 333 aus A ltserb ien , v g l. e b d . 27, 175. — M. B i l j a n
te ilte im Jahre 1867 in G o sp ic in K roatien
a u fg e z eich n e te R ä t s e l
m it (Z b orn ik
Polivka:
318
za nar. zivot 16, 1 4 9 — 1 5 2 );
e s is t au ffa llen d ,
d a ss
k e in e H in w e is e
a u f d ie b e ­
kan n te g r o sse S a m m lu n g S tojan N o v a k o v ic s b e ig e fü g t sin d ; e in ig e w e n ig e a u s
M azed on ien in d er Z s. ß o s . Y ila 25 , 3 3 3 , au s G n ila n e ebd. 3 3 5 , au s Ü s k ü b S k o p lje eb d . 3 36. — S p i t z n a m e n ste llte au s e in e m k ro a tisch en D o r fe St. D e b e l j a k
z u sa m m e n (Z b orn ik za nar. ziv o t 16, 3 0 5 — 3 1 0 ). — Zur K en n tn is d er M u s i k tru g
T . R . G jo rg je v ic m it dem A u fsatz ‘D ie Z ig eu n er u n d d ie M u sik in S e r b ie n ’
(B o s . Y ila 1 9 1 0 S. 75,
vgl.
L e to p is M at. S rp sk e H . 2 6 6 S. 8 2 ) b e i;
R e ste
türki­
sc h e n E in flu sse s u n d stärk ere V e rb re itu n g ru m ä n isc h e r M elo d ie n ; d er E in flu ss
d er Z ig eu n e r a u f d ie s e r b isc h e M u sik is t o h n e B e d e u tu n g . — E in ig e B e m er k u n g e n
ü b er d en se r b isc h e n R e ig e n ta n z ‘K o lo ’ floch t P avao S o f r i c in s e in e Sch rift ‘V o m
T a n z m it b e so n d e re r R ü c k sic h t a u f d en T a n z im R e ig e n ’ (N isc h 1910, v g l. L e to p is
M at. S rp sk e 274, 69 ). — D e r A u fsatz v o n I v . S t r o h a l ‘D a s R e c h t, w e lc h e s im
V o lk e le b t’ (Z b orn ik za nar. zivot 75, 1— 2 8 ), ü b er d a s V e r h ä ltn is d e s R e c h t e s
zu d em R e c h ts b e w u s s ts e in d e s V o lk e s , hat se h r w e n ig m it d er e ig e n tlic h e n V o lk s ­
k u n d e zu tun. — V o m P rivatrech t in B u k o v ica (D a lm a tie n ) sc h r e ib t V l a d . A r d a l i e
(eb d . 2 5 5 — 2 7 8 ), d ie B e n u tz u n g d e s G e m e in d e g u te s, W a ld , W e id e n , V e r h ä ltn isse
z w isc h e n N ach b arn , A b gren zen d er F eld er, R e c h t a u f g e fu n d e n e S ach en , V e r ­
p fä n d u n g von V ie h od er S a c h e n u. a.
E in u n g em e in g r o s s e s M aterial hat S. T r o j a n o v i c in se in e r A b h an d lu n g ‘D i e
h a u p tsä ch lic h ste n O p f e r g e b r ä u c h e der S e r b e n ’ (E tn ograf. Z bornik Bd. 17, SA .
2 3 9 S .) z u sa m m e n g e ste llt.
V ie lfa c h
w erd en
ä h n lic h e G eb rä u ch e
frem d er V ö lk e r zu m V e r g le ic h h e r a n g e zo g e n ,
v erw an d ter un d
d och b esch rä n k t sic h d er V e r fa s se r
g r ö sste n te ils a u f d ie g e n a u e B e sc h r eib u n g d er e in z e ln e n G eb räu ch e, o h n e a u f e in e
tie fe r e U n ter su ch u n g d e r se lb en sic h e in z u la s se n . W ir finden h ier u n g em e in v ie l
in te r e ssa n te s M aterial, d as d ie h ö c h ste A u fm erk sa m k eit d er v e rg leic h e n d en E th n o ­
lo g en v e rd ie n t. O pfer b eim S äen (S . 11), E rnten, D r esch en (S . 17), O p ferk u ch en
(S. 2 3 ), O pfer b e i der V ie h z u c h t (S. 25 ), B ien en (S . 2 8 ) , O pfern d er E r stlin g e
(S . ’2 9) — d ie ersten ju n g e n H ü n d lein w erd en in s W a ss e r g e w o r fe n , d enn nach
dem G lau b en d e s V o lk e s w ü rd en s ie to ll w erd en u. a. O pfer bei K ran k h eiten
(S . 35 ), d ie P e s t w ird p e r so n ifizie rt a ls e in W e ib ; d ie s e W e ib e r h ab en irg e n d w o
in der F ern e ihr R e ic h , zu e in e r g e w is s e n Z eit g e h e n s ie au s, d ie M en sch en zu
töten , ih re M änner b le ib e n zu H a u se d as L an d zu b eb au en (S. 36 ), U m ack ern
der D örfer (S . 3 8 ); h o c h in te r essa n t sin d d ie G eb räu ch e b ei E p ile p sie (S. 4 0 ), w e lc h e
stark an d ie V e rb re itu n g der K ra n k h eitsd ä m o n en erin n ern ; a u ffa llen d ist, w e lc h e
B e d e u tu n g
b ei
a lle n
d ie se n B rä u ch en
e in
w en n e s sic h um e in e krank e Frau h a n d elt)
ganz
sch w a rz er
sp ie lt;
H ahn
(o d e r H en n e ,
B a u o p fer (S . 5 0 ),
sc h o n
bei
der W ahl d e s B a u p la tze s — e s w ird ein G las v o ll sc h w a rz en W e in e s e in g eg r a b e n ,
ist d as G las d e s M orgen s v o ll, so is t d er P la tz gu t u. a. m .; d er G ru n d stein w ird
m it d em B lu te e in e s H a h n es od er L a m m es besp ritzt, d e ss e n K o p f e in g e m a u e r t
u . a . m . ; n e u e s O pfer e in e s H a h n es b eim E in zu g in d as n e u e H au s, an d ere O pfer
am F eu erh erd (S. 5 5 ), b ei d em B ru n n en , B rü ck en (S . 56), O pfer b e i S ch atzgrab en
(S . 6 4 ), ein W id d er g e o p fe rt im H a u se der B raut (S . 6 7 ), w ie an d ere O pfer im
H o ch ze itsritu a l; b ei der H aarsch ur (S . 75), zu E hren d er T o te n am G rabe und
im H a u se (S. 79), T o te n m a h le , O pfer e in e s sc h w a rz en L e ith a m m els am G rabe e in e s
a ls V a m p ir v e rsch rien en T o te n (S. 8 8 ), b ei d em F e s te d e s H a u s- od er F a m ilie n ­
p atron s, d. i. e ig e n tlich der A hnen (S . 91 ), O pfer dem W a sse r d argebrach t, je d e r
g r ö sse r e S e e h at se in e n H aush errn in der G esta lt e in e s g r o sse n Stiers, ihm w erd en
G eld stü c k e g e o p fe rt, b evor d ie L e u te d as F ell ihrer S c h a fe w a sch en (S. 1 0 6 ),
an d ere O pfer beim Ü b er sc h r eite n d e s W a ss e r s (S . 108) u. a., au ch b e i d em R e g e n ­
zauber.
E in g e sc h a lte t
sin d
v e r sc h ie d e n e
D aten ,
d ie
d ie
e in stig e
V erb reitu n g
Berichte und Bücheranzeigen.
319
d e s sla w isc h e n G ottes P erun b ei den S erben n a c h w eise n so lle n (S . 1 1 4 ), üb er d ie
P flan ze ‘p e r u n i k a ’ (Ir is g erm an ica), ü b er P eru n s N ach folger, d en hl. Ilija -E lia s,
u n d das ih m dargeb rach te O pfer — den ä ltesten H ahn d e s H a u se s — u. a. (S. 128),
üb er d ie H e lfe r d e s hl. Ilija, den hl. G erm an, den H errn d e s H a g e lsc h la g e s, d ie O pfer
an d e ss e n F eier ta g , d em 12. Mai und dem W e ih n a c h tsa b en d , nur au s d em Bz. P irot
(S . 1 3 6 ),
G eb räu ch e
un d
O pfer
bei
d roh en d em
H a g el — d ie W o lk e n führt ein
d ra c h e n a r tig e s w e ib lic h e s U n g etü m h erb ei u. a. (S. 13 9 ), b e i den G eb räu ch en n im m t
e in e w ic h tig e S te lle ein v ö llig e n tk le id e te s W e ib e in ; vor d em H a g el hü ten au ch
d ie H a u ssch la n g e n , h ieran sin d e in ig e B e itr ä g e zu m S c h la n g en k u ltu s b e i d e n
S erb en a n g e fü g t (S. 147); V o r ste llu n g e n und G eb räu ch e b e i S o n n e n - un d M ond­
fin stern is (S. 150); vor den W o lk e n z ie h t d ie h a la (a u s dem N e u g r iec h .), m a n ch ­
m al au ch ein M en sch en k in d , m it d e r se lb en der D r a ch e ‘zm aj’, in w e lc h e n sich
au ch e in M en sch v erw a n d eln kann — un ter der A c h s e lh ö h le hat er k le in e F lü g e l
(S . 152), so lc h e H eld e n k en n t auch das se r b isc h e V o lk s e p o s. D o c h auch bei an­
d au ern d er D ü rre w ird der D rach e a u fg e trie b e n , e s w ird (S. 57) e in e g r a u sig e
Szene,
d ie sic h im Jah re 1908 in ein em se r b isc h e n D o r fe a b sp ielte ,
b e sch rieb en ,
w ie der D r a c h e , d er a n g e b lic h der L ieb e m it den D o rfw itw en un d F rau en h u ld ig te,
vertrieb en w u rd e. F ür e in en D ra ch en , der s e in e L ie b ste su ch t, w erd en au ch
M eteo rite g e h a lte n . S o lc h e K äm pfe g e g e n den H a g e l u n tern eh m en au ch d ie s o g .
stu vac oder stu va, d a s sin d S e e le n , d ie dem M en sch en a u f e in ig e Z eit au s dem
M und e in G esta lt e in er F lie g e en tfloh en sin d (S . 160). H ieran sin d noch e in ig e
B erich te üb er d as J o h a n n isfe u e r b e i den S erb en a n gek n iip ft (S. 16 2 ). E s fo lg en
G eb räu ch e am G e o r g i-T a g , • b e so n d e rs um d en H a g el ab zu h alten (S . 17 1 ), zum
S chu tz der H erde (S . 1 7 4 ); G eb räu ch e b e i C h risti H im m elfah rt, e b e n so g e g e n
H a g elsc h la g , am D o n n e rsta g darf n iem an d v o n G rü n d on n erstag an w e d e r ack ern
n och e in e an d ere A rbeit verrich ten (S . 18 2 ). W e ite r sin d n och v e r s c h ie d e n e O pfer­
g e b r ä u c h e b e i R e g e n w e tte r und D ü rre z u sa m m e n g e ste llt (S . 20 0 ), auch d em W in d e
w erd en O pfer dargeb rach t (S . 20 5 ).
E in ig e B e is p ie le finden
w ir auch für V o tiv e ,
so vergrub z. B. e in e k in d e rlo se F rau e in au s W a c h s v e rfe rtig tes, z ie m lic h s c h w e r e s
( 1 — 4 kg) K ind a u f dem F r ie d h o f (S. 21 0 ).
V e r sc h ie d e n e
G eb räu ch e
in
den
D örfern
S u si’ie v o s e lo
und
C akovac
in
K roatien , K om . M od ru sch -F iu m e, b esch reib t J. B o z i c e v i c (Z bornik za nar. 2iv. 15,
2 0 4 — 2 5 4 ) d u rc h w eg im lo k a len D ia lek t,
b ei
den M ah lzeiten u. a.,
beim Bau —
in den G rund w ird der K op f ein er g a n z sc h w a rz en H en n e vergraben (S . 2 0 8 ), bei
E rnte, H eu m ah d , S p in n en ; R e c h tsg e b r ä u c h e (S. 2 1 4 ), G eb räu ch e im V erk eh r m it
den M en sch en , G ev a ttersch a ft (S. 21 7 ), G eb urt (S . 2 3 3 ); d a s S c h ic k sa l d e s K in d es w ird
b e stim m t nach d er T a g e sz e it, w ann e s a u f d ie W e lt kam (S. 23 4 ), H o ch ze it (S . 2 3 6 ),
T o d (S . 2 4 3 ) u n d B eg rä b n is. — G eb räu ch e und A b erg la u b en d er m o h a m m e d a n isch en
J u g e n d am G eo r g sta g in S arajevo (eb d . 16, 158— 16 0 ).
G eb räu ch e am 1. M ärz
un d zu G eorgi in d er Z eta (B o s. V ila 25, 2 4 9 ) — der 1. M ärz noch je tz t a ls
e rste T a g
d e s Jah res
betrach tet,
G eb räu ch e
zum V ertreib en
d er
der
b ö sen G eister,
H ex en , durch G lo ck en lä u ten , L ärm en, R ä u ch ern m it a n g e z ü n d ete m M ist u. a. m .
Ü b er v e r sc h ie d e n e S p ie le in S erb ien (B o s. V ila 27, 75).
S e in e A n sich t,
d a ss von ein er e ig e n tlich en B ig a m ie
od er
gar P o ly g a m ie
b ei
den S erb en in h isto r isc h e n Z eiten n ich t d ie R e d e se in kann, hat R . M. G r u j i c
(v g l. ob en 20, 4 2 4 ) in e in e m se lb stä n d ig h e r a u sg e g e b e n e n B u c h e ‘M atrim onialia
d e s se r b isc h e n V o lk e s
in d er V e r g a n g e n h e it’ (S a ra jew o 1910. 79 S .)
zu sa m m en ­
g e fa sst (v g l. L e to p is Mat. S rp sk e 265, 84 ).
H o ch ze itsg eb rä u ch e w erd en nur aus
B o sn ie n b e sc h r ieb en (G la sn ik d e s L a n d esm u seu m s für B o s.-H e r z e g . 22, 135— 139).
H ier
se i
n och
d ie U m frage
von F. S . K r a u s s ‘ D ie B rau tn ach t in G lauben,.
P o liv k a :
320
S itten, B rauch u n d R e c h t d er V ö lk e r ’ n otiert (A n th r o p o p h y teia 8, 2 6 0 ), m it
B erich ten a u s K roatien , Sü d u n garn und B o sn ie n . — VI. C o r o v i c te ilte M a ss­
n a h m en g e g e n zu se h r ü b er h a n d n eh m en d e P e s tg e la g e am F e s te d e s H au sp atron s
u . a. im Jah re 1 7 7 2 m it (G la sn ik d e s L a n d e sm u se u m s f. B o s.-H e r z e g . 23, 351 ff.).
Zur G e sc h ic h te d e s H e x e n g l a u b e n s te ilt R . G r u j i c (S r p sk i k n iz -G la s n ik
2 5 , 1 8 9 — 2 0 0 ) A kten b etreffen d e in en H e x e n p r o z e s s in S e r b ien au s d em Jah re
1 7 3 4 m it u n d z e ig t, w ie d ie K irch e d ie U n sc h u ld der a n g e k la g te n un d v o n der
B e v ö lk e r u n g v erfo lg ten Frau n a c h w ie s. — Z um A b e r g l a u b e n lie fe r t B eiträge
T . D r a g ic e v ic ,
s o w e it
er
d a s V ie h
und
d ie
V ie h z u c h t
betrifft
(G la sn ik
des
L a n d e sm u se u m s f. B o s.-H e r z e g . 23, 3 7 8 — 3 8 9 ); bei V ieh k ra n k h eiten w ird ‘le b e n ­
d ig e s ’ F e u e r a n gew an d t, d ie Art d er Z u b ereitu n g w ird b e sc h r ie b e n S. 378 nr. 9,
M ilch za u b er (S . 3 8 0 ff.), H ü h n er (S . 3 8 5 ff.), G eg e n m itte l g e g e n Z aub er u. a.
A n d erer m an n ig fa ltig er A b erg la u b e au s d er H er ze g o w in a ist in der B o s. V ila 2 6 ,
2 1 8 z u sa m m e n g e ste llt. — A u s e in er g la g o litisc h e n H s. d e s 15. Jahrh., w a h rsch ein lich
a u s dem k ro a tisch en K ü sten la n d e, te ilte R . S t r o h a l (Z b orn ik za nar. ziv. 15,
1 2 0 — 132) v e r s c h ie d e n e Z a u b ersp rü ch e m it g e g e n F e in d e , b ö se M en sch en , b e so n d e rs
K ran k h eiten , F ie b e r u. a .; d e r se lb e a u s e in er an d eren g la g o litisc h e n H s. a u s d em
A n fa n g d e s 18. Jahrh. (e b d . S. 1 3 2 — 1 40) v e r sc h ie d e n e G eb ete und B e sc h w ö r u n g s­
form eln g e g e n U n g e z ie fe r in den W e in g ä rten u . a. w ie au ch g e g e n U n w etter u n d
H a g e lsc h la g u n d au s e in er dritten g la g o litisc h e n H s. d e s 17. Jahrh. von der In se l
V e g lia
(e b d .
rezitierten ;
S. 1 4 0 — 1 5 3 )
G eb ete ,
d ie
G e istlic h e
gegen
G ew itter
fa n g d e s 18. Jahrh. g e sc h r ie b e n e G eb ete u n d B e sc h w ö r u n g sfo r m eln
h e iten ,
d ie
un d
H agel
w e iter v o n ein em g la g o litisc h e n G eistlich en am E n d e d e s 17. und A n ­
p erso n ifiziert g e d a c h t
sin d ,
auch
g e g e n K rank­
k le in e r e M ittel g e g e n K ran k h eiten ,
w ie d e r d ie E p iste l v on der H e ilig u n g d e s S o n n ta g s, d ie C h ristu s e ig e n h ä n d ig g e ­
sc h r ieb en , g e fu n d en a u f dem B e rg e ‘K u n ap u lem ’, e in an d eres im G rabe C h risti in
J e r u sa le m g e fu n d e n e s G eb et, d as den vor p lö tz lic h e m T o d e sch ü tzt, der e s b ei
sich trägt u. a. (S . 153— 160, 3 0 6 — 3 1 1 ), e n d lic h au s e in er g la g o litisc h e n H s. aus
d e m 17. Jahrh. im B istu m Z e n g g B e sc h w ö r u n g sfo r m eln g e g e n W e r w ö lfe (eb d .
S. 3 1 1 — 3 1 5 ). — S o lc h e B esc h w ö r u n g sfo r m eln g e b r a u c h te auch ein d a lm a tin isc h e r
G e istlic h e r ; d e ss e n E n k elin te ilte s ie V la d . A rd alic m it, d er s ie eb d . 17, 3 5 7 — 364
ab d ru ck te. — A u s e in em B u c h e au s d em Jah re 1764 en tn ah m D . B o r a n i e ver­
s c h ie d e n e S agen von der V e rtr e ib u n g b ö ser G eister, d e s T e u fe ls , d er H ex e n
(eb d . 17, 3 6 5 — 3 7 2 ). — V e r s c h ie d e n e M ittel b ei L ieb esza u b e r sin d in der A n thro­
p o p h y te ia 6, 2 2 3 ; 7, 2 7 4 m itg ete ilt,
eb d . 6, 2 0 6 ; 7, 287
u n ter ‘N a c k th eitsz a u b er ’,
G eb rä u ch e zu W e ih n a c h te n , am N eu m o n d freita g . Fr. S. K r a u s s v e rg leic h t n och
‘In d isc h e n u n d se r b isc h e n F eld fr u c h tb a rk eitsz a u b er ’ (eb d . 6, 9 7 ), w ie der H aush err
m it se in e r H au sfrau a ls E ig en tü m e r d e s F e ld e s d a s e lb s t zum W o h le ih r es B e sitze s
d en B e is c h la f übt. M anche Z au b erm ittel, V e r sch re ib u n g e n e n th ä lt d ie S k izz e e in e s
B e s u c h e s b ei e in em H o d sc h a in S era jew o (eb d . 8, 2 5 1 ). W ie kann d as G esch le ch t
d e s K in d es vorh er erk annt o d er b e stim m t w erd en (eb d . 8, 2 8 0 ). T rau m d eu tu n gen
(e b d . 8, 28 6 ). N a c k h eitsz a u b er (e b d . 8, 2 8 8 ). — Ü b e r A m u lette un d in T ä sc h c h e n ,
B ü c h sch en u. a. e in g e s c h lo s s e n e od er e in g en ä h te B e sc h w ö r u n g sfo r m eln , w ie s ie d ie
m o h a m m e d a n isie r ten S erb en tragen , sch rieb L. G r g j i c - B j e l o k o s i d (B o s. V ila 27,
11, 29 ).
Zur V o l k s m e d i z i n : M. M e d id
ste llte
a u s v e r s c h ie d e n e n H an d sch riften d ie
so g . ‘D r ec k a p o th e k e ’ zu sa m m e n , B e n u tz u n g v o n K ot, U rin u. a. (Z bornik z a nar.
z iv o t 15, 3 1 6 — 3 2 0 ). — S eh r e in g eh en d hat T . M. B u s e t i c d ie V o lk s m e d iz in der
B e v ö lk e r u n g d e s L a n d str ic h e s L e v a c in S e r b ien b e h a n d e lt (S rp sk i etnograf. Z bornik
17, 5 2 9 — 5 8 7 ); zu erst w ird z u sa m m e n g e ste llt, w a s sic h sc h ic k t u n d n ic h t sc h ic k t,
Berichte und Bücheranzeigen.
321
dann Y o r k e h r u n g sm a ssre g e ln g e g e n K ran kh eit, v o ll d es u n g eh eu e r lic h ste n A b er­
gla u b en s, z. B . g e g e n H u sten n eh m en d ie K in d er je d e n M orgen d ie v on den F er se n
a b g e sc h a b te H au t m it H o n ig v e rm isc h t e in ; K ran k h eiten un d ih re E n tsteh u n g.
Z au b erei: e s sin d W e ib er , ciriarica gen an n t, d ie K ran k h eiten durch Z au b er ver­
ursach en , ab er au ch w ie d e r v ertreib en k ön n en , z. B . e in e W ac h sk er z e w ird a u f
e in e W e id e g e k leb t;
um
d ie se W e id e wird
der K ranke h eru m gefü h rt und durch
Z a u b ersp rü ch e d as F ie b e r von ih m a b g e w o r fen un d m it der W e id e verm äh lt. S eh r
e ig e n tü m lic h ist der B rau ch , den K ranken ‘lo sz u k a u fe n ’ von ein em u n lä n g st ver­
storb en en M itg lied der F a m ilie , das d e n selb e n T a g od er M onat g e b o r en w ar
(S. 5 4 3 ). Z a h lreich sin d d ie B e sc h w ö r u n g sfo r m eln (S. 5 4 5 — 5 5 2 ), n o c h z a h lre ich er
d ie A rzn eim ittel (S . 5 5 5 — 5 7 1 ). In ein em b e so n d e re n K ap itel (S . 571 — 5 8 3 ) ist d ie
B eh a n d lu n g un d H e ilu n g der H au stiere b e sp ro c h e n sam t a lle n Z aub er- un d
B e sc h w ö r u n g sfo r m eln , u. a. auch g e g e n A b zau bern der M ilch, g e g e n d e sse n ver­
d ä c h tig e P er so n e n . Zum S c h lü sse is t n o ch e in e S am m lu n g v o n T rau m d eu tu n gen ,
V o rb ed eu tu n g en , R e d e n sa rte n ü b er G esu n d h e it u n d K ran kh eit, F lü c h e n an gefü gt.
— Ü b er H e ilv e r su c h e krank er K in der b e i Q u e lle n , w ie s ie b e i den sü d u n g a risch en
Serb en
geübt
w erd en ,
sch rieb
B. P e t r o v i c
B o s.
V ila
25,
163;
h ierb ei
au ch
B räu ch e am S a m sta g vor P a lm so n n ta g : D ü n g e r un d Stroh au fgeh äu ft un d ver­
brannt, d am it S c h la n g en , M äu se, R a tte n , F rö sch e u. a. v o m H au se fe rn b leib e n ;
u m 3 U h r vor S o n n e n a u fg a n g z ie h e n d ie so g . L a zarice, 8 — 9 M ädchen, von H au s
zu H au s, e ig e n a r tig e L ie d e r sin g en d . — V e r s c h ie d e n e P r o g n o s t i c a w erd en aus
L ip o v o P o lje in der L ik a a b g ed ru ck t (Z b orn ik z a nar. zivot 16, 1 5 2 — 155). B e ­
n u tzu n g d es F ra u en b lu te s zu v e r sc h ie d e n e n H e ilz w e c k e n , g e g e n E p ile p sie u. a.,
d o ch au ch a ls L ieb esza u b e r, g e sa m m e lt in der A n th ro p o p h y teia 6, 2 1 3 ; 7, 281 ff.
V e r s c h ie d e n e ‘sk a to lo g isc h e H e ilm itte l’ g e g e n das B e ttn ä ssen , aber a u c h g e g e n d ie
M ar, ebd. 6, 4 21.
H ier se ie n n och ‘d ie E rh eb u n gen und M itte ilu n g e n ’ d e s
Fr. S. K r a u s s 'V on g e sc h le c h tlic h e n K ran k h eiten ’ (eb d . 6, 2 3 2 ; 7, 26 9 ), ‘D e r
G eru ch sin n d er V ita s e x u a lis ’ (7, 28 9 ), v on der ‘F ru ch ta b treib u n g ’ (7 , 26 4 ) notiert.
V on
der N ied erk u n ft
H er zeg o w in a ,
in B rauch
D a lm a tien ,
und G lau ben
S la w o n ien ;
d ie
(eb d . 7, 2 5 8 — 2 6 3 )
N ach g eb u rt
k in d e r lo se F rau en (8, 27 4 ), so w erd en A m u lette
(8, 2 7 3 ),
aus B osn ien ,
ein
au s W e iz en ä h r en
M ittel
für
u n d Stroh g e ­
braucht.
D ie um d ie tiefe re K en n tn is der se r b o k r o a tisc h e n S t i c k k u n s t un d O rnam entik
v e rd ie n te
J e lic a
B e lo v ic - B e r n a d z ik o v s k a
brachte
u n ter
dem
P se u d o n y m
L j u b a T . D a n i c i c n e u e B eiträge zu m v o llk o m m n e re n V e rstä n d n is der O rnam ente,
m it w e lc h e n d ie dem G elieb ten od er M anne a ls B e w e is der L ie b e u. a. g e ­
sch en k ten T ü c h e lc h e n und H em d en g e sc h m ü c k t sin d . S o z e ig t s ie in d em A u f­
sä tz e ‘E r o tisch e E in sc h lä g e in
6, 5 9 — 89,
den S tick orn am en ten
v g l. L e to p is M at. Srp. 262,
66),
w e lc h e
der S erb en ’ (A n th rop op h yteia
‘w u nd erbaren A b sch attu n gen
e in er so g a r z u v ie l raffinierten E rotik’ in d ie se n O rn am en ten ihren A u sd ru ck finden,
w e lch ‘r e ic h e C h ron ik von L ieb esa b e n te u e rn in den fe in en O rn am en ten a u f bunt­
sc h e c k ig e n T a sc h e n tü ch er n , H and tü ch ern, H osen b än d ern , S c h w e iss tü c h e ln , H em d en ,
K o p fh a u b e n u s w .’ v e rz eic h n e t ist.
ln in n ig ster V e rb in d u n g
und a u f G rund vertrauter M itteilu n gen
v iele r S tick erin n en
m it
d em V o lk slie d e
in terp retiert d ie V e r ­
fa sser in d ie se v e rsc h ie d e n e n O rn am en te un d d ie ih n en z u k o m m en d e Z auberkraft;
sie hän gt n ich t nur m it d en O rnam enten son d ern auch m it d em M aterial (z. B.
G old fäd en ) zu sam m en , m it w e lc h e m sie g e stick t, w ie au ch m it der Z eit, zu
w e lch er s ie au sg efü h rt w erd en . W ic h tig is t d ie B em erk u n g , d a ss nur d ie J u gen d
stic k t (S . 7 1 ).
D ie z u g e sc h ic k te n T ü c h e lc h e n sin d n ich t nur L ieb esb o tsc h a fte n ,
son d ern v ielfa ch au ch L ieb e slo c k u n g e n .
A b er auch u n g lü c k lic h e L ie b e , E ifersu ch t,
Zeitschr. d. V ereins f. V olkskunde. 1913. H eft 3.
21
Polivka:
322
sogar F lu ch w ird in ih n en
B e sc h w ö r u n g sfo r m eln w erd en
a u sged rü ck t.
A u ch an d erer L ieb e sz a u b e r und
m itg ete ilt.
D e m A u fsa tz e sin d e in ig e T a fe ln b e i­
g e fü g t, u n d d ie V e rfa sse rin erk lärt n o c h b e so n d e r s d ie se e in z e ln e n O rnam ente.
E in an d erer A u fsa tz d e r se lb en D a m e ‘D a s H em d in G lau b en , S itte un d B rauch
d er S ü d sla w e n ’ (eb d . 7, 5 4 — 128) en th ä lt w ie d e r e in e U n m a sse in te re ssa n ten
M aterials zum L ieb esza u b e r, von B e sc h w ö r u n g sfo r m e ln , A m u letten un d a lle r le i A b er­
g la u b en , n ic h t b lo s s zur E rla n g u n g d e s E rseh n ten , zur S te ig er u n g der L ie b e und
F e stig u n g d e s e h e lic h e n G lü ck es son d ern au ch zur H eb u n g d er K in d e rlo sig k e it,
zur V e r s ic h e r u n g
d e s L e b e n sg lü c k e s
d er
h e r a n w a c h sen d e n
K in der,
zur H eilu n g
v e r s c h ie d e n e r K ra n k h eiten ; d ie Z aub erkraft d e s H em d es h ä n g t oftm a ls d avon ab,
an w e lc h e m T a g d ie L e in w a n d g e sp o n n e n , an w e lc h e m das H em d g e n ä h t w u rd e;
an v ie le n T a g e n dü rfen ü b erh au p t k e in e r le i s o lc h e A rb eiten g em a ch t w erd en
(S. 93 ff.).
D ie V e r fa sse r in b ed a u ert seh r, d a ss d ie h e im is c h e H a u sin d u strie
zu rü ck g eh t, d ie a lten G ew eb e, G esp in n ste, S tic k e re ie n von d er F ab rik w are ver­
d rän gt w erd en u n d dam it, w ie m it d em S c h w in d e n d e s ‘alten sü sse n Z aub erg la u b e n s’ ein A n w a c h se n ‘d er sittlic h e n E ntartung’ ein tritt (S . 10 6 ).
Ä h n lich
sc h r e ib t d ie V e r fa s se r in a u ch in ih rer dritten A rb eit ‘H and tu ch u n d G o ld tü ch lein
in G lau b en , B rauch un d G ew o h n h eitsr e ch t der S la w e n ’ (A n th ro p o p h y teia 8, 41 ff.):
‘d er G lau b e an d as W u n d e rb a re , an d e n L ieb esza u b e r, an d ie M acht d es
G e h e im n isv o lle n ’ e rh ie lt ‘in ä lterer Z eit d ie S c h ö n h e it der F rau en arb eit so r ein ’.
— S eh r in te re ssa n t ist d ie B e sc h r e ib u n g d e s Z a u b erh em d ta n zes
des
b ö sen
B lic k e s,
zur
H e ilu n g
w e lk e n d e n M ä d ch en s (S . 112).
e in e s
von
g e h e im e r L ieb e
D ie V e r fa sse r in
zur B e sc h w ö r u n g
verzeh rten ,
d a h in ­
b erührt u. a. au ch d ie T e r m in o ­
lo g ie der S tick o rn a m en te u. a., sp rich t sich w e iter g e g e n d ie a llg e m e in a n ­
g e n o m m en e A b h ä n g ig k e it d er sla w isc h e n B e n e n n u n g d e s H em d es ‘k o su lja ’ von
lat. casu la, au s, u n d d er H er a u sg eb er d er A .nth rop ophyteia v e rb in d e t e s (S. 121,
A n m .) m it ‘k o s ’, e s a ls F le ch tw e rk d eu ten d , w o b e i er kaum Z u stim m u n g bei den
sla w isc h e n S p rach forsch ern finden w ird. In d em e rw ä h n ten dritten A u fsatze z eig t
d ie V e rfa sse rin , w ie sic h in den sü d s la w is c h e n , d. h. e ig e n tlic h se rb o k ro a tisch en
S tic k e re ie n
d ie
v e rsc h ie d e n ste n
K u ltu rein flü sse k r e u z ten , v om
O rient und
O k zid en t, au s B yzan z, au s d em m o h a m m e d a n isch en O sten un d au s R o m , sich m it
sla w isc h e n Ü b er lie fer u n g en v erm isch ten , und w ie durch sla w isc h e n G eist e tw a s w ie d e r
g a n z N e u e s ge sc h a ffen w u rd e, w as, w ie d ie e n th u sia stisc h e V erf. m ein t, ‘h eu te in
d ie se r S c h ö n h e it u n d g a n z b e so n d e re n K u n stfertig k eit kein a n d eres V o lk b e sitz t’.
E s w ird der G eb rau ch
des T u ch es
bei
d er W ö c h n e r in und an der W ie g e ,
vom
ju n g en M ädchen, d e ss e n B e d e u tu n g a ls L ie b e s g a b e , b e i u n g lü c k lic h e r L ie b e , im
Z au b erglau b en , a ls K irch en - o d er W e ih g a b e , b e i G astm äh lern , d ie S y m b o lik der
H an d tu ch orn am en te, d ie v ö llig v e r sc h ie d e n sin d von den O rn am en ten an H em d en ,
der G eb rau ch d e s H a n d tu ch es b e i der H o ch ze it, e n d lic h b ei d em T o te n ein g eh en d
b e sc h r ie b e n un d h ie rb ei ein r e ic h e s M aterial d e s A b er- und Z au b erglau b en s w ie
auch von V o lk slie d e r n verarb eitet, d as g r ö sste n te ils von der V e r fa sse r in se lb st g e ­
sa m m e lt u n d nur in g e r in g e r e m M a sse a u s ged rü ck ten S a m m lu n g en g e sc h ö p ft ist.
Z um U n te r sc h ie d e von ih ren an d eren A rb eiten hat d ie "Verf. hier au ch an d eres
s la w is c h e s M aterial zu m V e r g le ic h h e r a n g e zo g e n , b e so n d e rs p o ln isc h e s, v ie le
p o ln is c h e L ied er zitiert, d och oft o h n e A n gab e d er Q u e lle , nur m it der O rtsangabe,
so d a ss w ir n ich t w isse n , ob s ie au ch von der V e rfa sse rin a u fg e z e ic h n e t w u rd en ;
ein p o ln is c h e s L ied is t (S. 1 07) au s B o sn ie n an gefüh rt; stam m t e s au s ein er
p o ln isch en . K o lo n ie in B o sn ien ? E s h ätte au ch frem d es M aterial, n ic h tsla w isc h e s,
zum V e rg le ic h h e r a n g e zo g e n w erd en k ön n en , d och e s w äre z u v ie l verla n g t von
der V e r f.,
d ie u n s m it e in e r Ü b e r fü lle
n eu en ,
u n b ek an n ten M aterials
b e sc h e n k t.
Berichte und Bücheranzeigen.
323
F r e ilic h w ü rd e e s sic h e m p feh len , in e n g e re n k u ltu rg e o g r a p h isch en K re isen zu
b le ib en . U n v er stä n d lic h ist, w a s w ir S. 118 le s e n : ‘In a lle n G eg e n d en , se lb st
u n ter frem den V ö lk e r n , b e h ä lt d ie S ü d sla w in d ie se n in n ig e n G lau b en an ih re
K unst. P rob en v on L a u sitz e r so r b isc h e n S tic k e re ie n b e w e ise n u n s d a s se lb e . D i e
N ie d e r la u sitz e r . . . H och zeitsh a n d tü ch er, d ie der B rautfüh rer v on der B raut zu m
G esch en k b ek om m t, z e ig e n gan z d ie se lb e n A b sic h te n ’ . . .
E s b e ste h t d o ch gar
k e in näh erer Z u sa m m en h a n g der L a u sitz e r S o rb en m it d en sü d s la w is c h e n Serb en !
D e r B rauch der L a u sitz e r S orb en , d as O rn am en t an d er S ch ärp e d e s B rautfüh rers,
ist au s d e m g e o g ra p h isc h e n K reis zu erk lären , w o d ie s e s V ö lk c h e n nun ü b er ein
Jah rta u sen d leb t. D a s M ärch en m otiv: der K ö n ig v e rb in d e t d ie W u n d e d e s v e r ­
k an n ten H eld e n m it dem G o ld tü ch lein , w e lc h e s d e ss e n T o c h te r g e stic k t, ist n ich t
b esch rä n k t a u f d as p o ln is c h e M ärchen, w e lc h e s S. 75 an gefü h rt w ird, u n d kan n n ich t
a ls B e w e is e in e s a n a lo g e n G eb ra u ch es b e i den P o le n g e lte n .
U n ter d e n z a h l­
reich en Z itaten v e rm isst m an b isw e ile n e in e k r itisc h e S ic h tu n g ; e s kann d o c h n ich t
e in e ‘h isto r isc h e ’ E rzäh lu n g K ra sze w sk is a ls B e le g für p o ln is c h e s L e b e n u n d
p o ln isc h e n B rauch d e s l l . J a h r h . an gefü h rt w erd en (v g l. S. 4 5 ). — V . C u r c i c b e ­
sc h r e ib t (G la sn ik d e s L a n d esm u seu m s f. B o s.-H er ze g . 22 , 2 5 — 4 0 ) d ie A rbeit e in e s
T ö p fe r s in O rubica, B e z. B o s.-G ra d isk a , d ie so p rim itiv ist, d a ss s ie g e tr o st in d ie
p r ä h isto r isc h e Z e it v e rleg t w erd en k ö n n te; v o r a u sg e sc h ic k t sin d e in ig e B em erk u n g en
ü b er p r ä h isto r isc h e T ö p f e r e i und d arau f b e z ü g lic h e F u n d e in B o sn ien , b e ­
sc h r ie b e n a u sse rd em e in e in B o sn ie n n o c h häu fig g e b r a u c h te H an d m ü h le. D e r ­
s e l b e v e r fa ss te n o c h e in en v ie l au sfü h rlich eren , m it za h lre ich en leh rreich en A b ­
b ild u n g e n a u sg esta ttete n A u fsatz üb er d ie F i s c h e r e i in B o sn ien (e b d . S. 379 b is
4 8 7 ) an d er S ave, b eso n d ers in D o lin a , B ez. B o s.-G ra d isk a ; h ie rb ei ü b er K ähn e
und S chiffe, G eräte für d en F is c h fa n g m it b eso n d e re r R ü c k sic h t a u f p rä h isto risch e
F u n d e; n ach e in er B e sc h r e ib u n g der in d ie se r G eg e n d vork om m en d en F is c h e folgt
n och e in A b sch n itt ü b er d ie Z u b ereitu n g der F is c h e u n d zum S c h lü sse ü b er v e r ­
sc h ie d e n e G eräte zu m F a n g en d er W ild e n te n , w ie N e tz e , F a lle n u. a.
Zur G e sch ic h te d er b u l g a r i s c h e n V o lk sk u n d e lie fer te e in en B e itr a g M. A r naudov
m it
se in e m A u fsa tz e
P rof. M ile tic S. 2 7 — 6 3 );
er
‘R a k o v sk i
u n tersu ch te
a ls
F o lk lo r ist’ (S b orn ik zu E hren d es
d ie p h a n ta stisch en H y p o th e se n d e s h er­
v orragen d en A gitators un d W e ck er s d e s b u lg a risc h e n V o lk e s ü b er A ltertü m er und
M y th o lo g ie d e s b u lg a risc h e n V o lk e s und z e ig te , d a ss d e sse n P h a n ta ster eie n n ich t
nu r in se in e r u n g en ü g e n d en w iss e n sc h a ftlic h e n V o r b ild u n g ih ren G rund hatten,
so n d e rn d a ss in je n e r Z eit, in den fü n fzig er Jahren d e s 19. Jahrh., auch hervor­
ragen d e w e ste u r o p ä isc h e w ie r u ss is c h e G eleh rte (A fa n a sje v ) in d ie Irre gin g en ,
v ie lfa c h in fo lg e fa lsc h e n E ty m o lo g isie r e n s, und R a k o v sk i nur ihr sch w a ch er
S c h ü ler w ar. L e id e r v e r m iss e n w ir in dem A u fsatz e in e S c h ild e ru n g der V e r ­
d ie n ste R a k o v sk is um d as S am m eln der V o lk sü b e r lie fe r u n g e n uud um d ie reale
V o lk sk u n d e der B u lg a ren . — I v . D . S i s m a n o v sc h ild e rte das L eb en der B rüder
D im itri und K onstan tin M ilad in ev, der S a m m ler u n d H er a u sg eb er der ersten g r o sse n
S am m lu n g b u lg a risc h e r e p isc h e r V o lk s lie d e r au s M azed on ien (S p isa n ie der bulgar.
A k a d e m ie der W isse n s c h . 3, 4 3 — 7 2 ); d er A u fsatz is t ein se h r le s e n sw e r te r B e i­
trag zur G esch ic h te der b u lg a risc h e n B e w e g u n g in den fü n fzig er b is se c h z ig e r
Ja h r e n d e s 19. Jahrh., d ie W e rtsc h ä tz u n g ihrer V e rd ien ste, b e so n d e r s d e s jü n g er e n
B ru d ers K on stan tin , um d ie b u lgar. V o lk sk u n d e hat sic h der V e r fa sse r für e in e
sp ä tere S tu d ie V orbehalten.
D e r 2. B and der g e sa m m e lte n Sch riften M. S. D r i n o v s , der von der bulgar.
A k a d em ie d er W isse n s c h . unter der R e d a k tio n d e s P rof. V . N. Z latarski h era u s­
g e g e b e n w u rd e (S ofia 1911. V III, 5 8 6 S .) en th ält u. a. d ie S ch riften d e s v erd ien ten
21*
Polivka:
324
S la w iste n , w e lc h e d ie V o lk s k u n d e b etreffen , so d ie A u fsä tze ‘E in ig e W o r te üb er
S p rach e, V o lk s lie d e r u n d G eb räu ch e d er S la w e n v o n D e b r a ’ (S . 3 6 6 — 4 2 4 ), ‘D ie
S a g e von S v ja to g o r u n d der E r d e n la st in der sü d s la w is c h e n V o lk s ü b e r lie fe r u n g ’
(S. 4 6 0 — 4 7 3 ), ‘D ie T e n n e (d a s F e ld ) v on K u p fer in d en sla w isc h e n u n d
g r ie c h isc h e n V o lk sü b e r lie fe r u n g e n ’ (S. 5 0 2 — 5 2 9 ): d er V e r fa s se r g e h t von
g r ie c h isc h e n M ärchen bei G. r . H ah n nr. 64 aus, w o d er stark e H an s m it
d em
d em
Drakos a u f d er B le ite n n e , K u p ferten n e u n d S ta h lte n n e rin g t un d ih n ü b erw in d et,
v e r g le ic h t an d ere M ärchen, w o au ch s o lc h e T e n n e n o d e r F e ld e r Vorkommen, so
ein s lo w a k is c h e s , in w e lc h e m d er H e ld d ie S c h a fe a u f v e rb o ten e F eld e r v on
K up fer, S ilb e r un d G old treib t un d drei D ra ch en m it se in e m Z au b erp feifch en ü b er­
w in d et u. a., w e ist dann a u f e in ig e ältere h a n d sch riftlic h e T e x te h in , w o au ch d ie
K u p ferten n e e rw ä h n t w ird, u n d a u f d as in d er n e u e ste n Z eit w ie d e r b erü h m t g e ­
w o r d e n e O v ce p o le b e i Ü sk ü b , d as au ch K u p ferten n e g e n a n n t w ird ; er m ein t, d ie s e
O rtssage k ön n te d u rch M issv e rstä n d n is d e s N a m e n s e in er Stadt b e i P rilep in
g r ie c h isc h -r ö m isc h e n Z e ite n
d e s s e n V erb in d u n g m it
e n tsta n d en
se in .
E n d lic h w u rd en n o c h e in e k le in e S a m m lu n g b u lg a risc h e r V o lk s lie d e r
(S . 5 3 6 — 5 5 8 ), e in V o lk s lie d v on d er B e fre iu n g B u lg a r ie n s (S . 5 6 3 — 5 6 7 ) un d e in e
k o sm o lo g isc h e S a g e (S . 5 5 9 — 5 6 2 ) a b ged ru ck t. — M. A r n a u d o v b esp ra ch e in e
in te r e ssa n te , in d er a lten b u lg a r isc h e n H a u p tsta d t T rn ovo a u fg e z e ic h n e te O rtssa g e
(P e r io d . S p isa n ie 71, 2 0 6 — 2 3 6 ):
B ei
e in e m
E rdbeben
w u rd e
in
ein er
in e in e
M o sc h e e v e rw a n d e lte n K irch e durch z w e i von den T ü rk en e in st erm ord ete B raut­
le u te kund, d a ss d ie Z eit d er F r e ih e it sic h n äh ere. E s kam zu den O hren d er
T ü rk en , e in er ih rer a n g e se h e n e n M änner ste ck te vor d er g a n z e n zu sa m m e n g e ru fen en
B e v ö lk e r u n g e in a n g e z ü n d e te s S c h e it H olz in d ie E rd e m it den W o rten : d as b u l­
g a r isch e R e ic h w ird w ie d e r e rste h e n , w en n d ie s e s H o lz da grü n en w ird. N ach
e in ig e n a llg e m e in e n A u sfü h ru n g en ü b er S a g e u n d L e g e n d e g e g e n ü b e r d e m M ärchen
w e rd en a lle v erw a n d ten S a g e n k r e ise h e r a n g e zo g e n ü b er d a s K reu zh o lz, den r e u ig e n
R ä u b e r und an d ere v om g rü n en d en dürren B au m e, d ie in H ö h len sc h la fe n d e n
R itte r u n d B e fr e ie r u. a. — M. A r n a u d o v u n tersu ch te fern er in se in e n ‘S tu d ien
ü b er b u lg a r isc h e G eb rä u ch e un d L e g e n d e n ’ (S .-A . au s d em S p isa n ie d er bu lgar.
A k a d e m ie der W is s e n s c h . B d. 4, Sofia 1 912, 122 S .), d e n S o m m e rz y k lu s d er um
St. J oh an n d en T ä u fe r gru p p ierten F e s te u n d G eb räu ch e. E r b eg in n t m it e in em in
e in ig e n D örfern in d er U m g e b u n g d er Stadt S o zo p o l am
21. M ai, am T a g e d e s h l. K on stan tin und d er h l. H e le n a ,
w e lc h e s
se in e r z e it
S. 148 ff.) g e le n k t
S ch w a rzen M eer am
g e fe ie r te n F est, a u f
sch o n d ie A u fm erk sam k eit A n d rew L ä n g s (M odern M yth ology,
w orden
w ar.
A u sg e w ä h lte L e u te
tan zen
b arfu ss und v ielfa ch
b is a u f das H em d e n tk le id e t m it dem B ild e d e s h l. K on stan tin in der H and u m
ein F e u e r un d a u f g lü h e n d e n K o h len . D ie B e v ö lk er u n g is t g e m is c h t b u lg a risc h ­
g r ie c h isc h , b u lg a risier te G riech en , d ie au s K lein a sien ein g ew a n d ert sin d , d a b ei in
sic h a b g e sc h lo ss e n , e n d o g a m isc h ; se h r b e z eich n e n d ist e s, d a ss nur n och d er T a g
J o h a n n e s d e s T ä u fe r s g e fe ie r t w ird ab er so n st n ic h t e in m a l d ie S on n tage. D ie
L e u te h e isse n N estin ari, N istin a r i u . ä., u n d d er V e r fa sse r brin gt d en N a m en in
n äh ere V e rb in d u n g m it vrjozda, rrjarsvco ‘fa ste n ’ (S . 4 1 ); er h e b t auch hervor, d a ss
d ie T e iln e h m e r d ie s e s F e s te s g e w ö h n lic h M itg lied er e in er F a m ilie , e b e n so v ielfa ch
p sy ch o p a th isch d isp o n ie rt sin d (S . 3 7 1 ), sogar e in e ‘g e w is s e H ie r a rc h ie ’ (S. 38) a u sü b en .
E s w erd en ä h n lic h e F e s te (F a stn a c h t u n d F a sc h in g ) v e rg lich en , d ie in g a n z B u lg a rien ,
in S e r b ien , G riech en lan d , R u ssla n d un d in W e ste u r o p a verb reitet sin d (S. 16), w ie
au ch d eren U n te r sc h ie d von den e rsteren h erv o rg eh o b en . D a s F eu er a n m a c h e n zu
A n fan g d er F asten hat in e rster R e ih e e in en m a g isc h e n — r ein ig e n d e n — C harakter,
se h r b e z e ic h n e n d sin d h ier d ie se r b isc h e n G eb räu ch e (S. 17). E in e an d ere B e *
Berichte und Bücheranzeigen.
d eu tu n g h at d a s F eu er u n d der T an z der N e stin a r e;
325
e s ist u rsp rü n g lich e in F e s t
d er S o m m e r-S o n n en w e n d e un d w u rd e erst in fo lg e der v e rsch ie d e n e n k lim a tisc h e n
V e r h ä ltn isse a u f e in e um e in en M onat frü h ere Z eit verleg t, w ie ü b erh au p t in B u l­
ga r ie n u n d S erb ien der S om m er-J o h a n n ista g fa st v o llstä n d ig se in e B e d e u tu n g v e r ­
lo re n hat, e s fe h le n fast d u rc h w eg N a c h r ich ten von F eu er n am 24. Ju n i (S . 22).
D ie Ü b ertragu n g d e s F e s te s a u f den T a g d e s h l. K on stan tin hat ihre lo k a le n U r­
sa c h e n , b e so n d e rs die, d a ss der g e n a n n te H e ilig e K irchenpatron in je n e n ‘n estin a r isc h e n ’ D ö rfern is t (S . 24 ). D e r V e rfa sse r führt ä h n lic h e G eb räu ch e, d a s T an zen
a u f g lü h en d e n K oh len , au s d em k la ss isc h e n A ltertu m un d b e i h a lb ziv ilisier te n
V ö lk e r n an, w ie au ch d eren E rk läru n gen von M annhardt, A. L an g un d F razer. N ach
d e s V e r fa s se r s M ein u n g h a b en w ir e s h ier m it ‘im ita tiv er M a g ie’ zu tun. ‘D a s
F eu er a n m a c h e n , das R o lle n e in e s a n g e z ü n d ete n R a d e s , das Ü b ersp rin g en und der
T a n z ste h e n in u n m ittelb a rem Z u sa m m en h a n g m it der V o r ste llu n g v o n der S on n e,
d enn s ie fa llen m it d em M om en te der S o n n e n w en d e zu sa m m en u n d sin d a ls a griku ltu re Z erem o n ien zur E r lan gu n g d e s G lü ck es g e d a c h t’ (S . 30 ). D a s n e stin a r isc h e
F e st ist n ach d er M ein u n g d e s V e r fa s se r s e in B e sta n d teil e in e s b eso n d eren c h r is t­
lic h e n K u ltes, der sic h nur in e in ig e n D örfern e n tw ic k e lt hat,
deren B e v ö lk er u n g
a u s K le in a sie n e in g ew a n d e r t ist, un d d orthin w ill der V e r fa sse r au ch d ie A n fän ge
d e s K u ltes v e rleg e n .
S e in e
G ru nd lagen
sin d uralte sc h a m a n istisch e A n­
sch a u u n g en , d ie sic h rein ä u sse r lic h m it der c h r istlic h e n L e h r e verb an d en .
W e ite r w ird d er ‘G erm an ’ od er au ch ru m ä n isch K alojan , S k a lo -J e n i g en a n n te
B rau ch u n tersu ch t (S . 48 ff.); er b e ste h t darin, d a ss e in e P u p p e w ie e in V e r ­
storb en er b e w e in t, in d en S arg g e le g t, in e in en F lu ss od er S e e g e w o rfe n o d er in
den San d am U fe r d e s F lu sse s o d er in d ie E rde u n ter ein em b estim m ten
Z e re m o n iell vergraben w ird ; er findet statt am J o h a n n ista g od er au ch A n fan g M ai,
b e so n d e rs b e i a n h a lten d er D ü rre o d er a n h a lten d em R e g e n .
D er B rauch flie sst
v ie lfa c h b ei B u lg a ren
sam m en .
und R u m ä n e n
Ä h n lic h e B räu ch e
m it
sin d w ie
d em ‘P ep eru d a ’ gen a n n ten B rauch
D e r V e r fa sse r v e rw e ist a u f d ie A u sfü h ru n gen M annhardts un d F razers
des
r u ssisc h e n G eleh rten A n ic k o v
verw an d ter K ulte über.
zu­
aus R u ssla n d so au s W esteu ro p a bekannt.
und
geht
zur A n a ly s e
w ie
d e s A d o n isk u ltu s
au ch
un d
D ie B e w e in u n g der P u p p e b e i den e u ro p ä isch en V ö lk e r n
hat e in en Sin n nur als Ü b e r le b s e l (su rv iv a l) d e s A d o n is-M y th u s,
m ittelu n g der g r ie ch isc h -r ö m isc h e n K ultur ein d ran g.
k u ltu re G eb räu ch e h er a n g e zo g e n ,
an
w e lc h e n
der
durch V e r ­
E s w erd en n och an d ere agri-
d ie F rau en
e n tk le id e t te iln e h m e n ;
b ei den B u lg a ren füh ren den w este u r o p ä isc h e n H e x e n n ic h t u n ä h n lich e F rau en ,
‘b rod n ici’ gen an n t, v e r s c h ie d e n e n Z aub er aus, u n d zw ar im m er e n tk le id et, sie
str eife n den T a u ab o d er tragen a u f an d ere W e is e d ie F ru ch tb ark eit a u f ih r F e ld ,
m it b e so n d e re n A n ru fu n gen
J o h a n n ista g g e ü b t aber
des
auch
hl. J o h a n n e s.
D er
B rauch ‘G erm an’ wird
in e in e frühere Z eit verlegt,
d ie
am
den k lim a tisch en
V e r h ä ltn isse n en tsp re ch en d m eh r S orgen um das G ed eih e n d er F eld fr u c h t w eck t,
in den M onat M ai a u f d en T a g d es hl. G erm an. D e r N a m e d e s H e ilig e n w ird
v o lk se ty m o lo g is c h m it d em D o n n e r (b u lg. gärm ja = d on n ern ) in V e rb in d u n g g e ­
bracht, der H e ilig e w ird zu ein em d ä m o n isch en W e se n , das D o n n e r u n d H a g e l­
sc h la g
sen d et.
V on
e in ig e n
b u lg a risch en G eleh rten
w ird
G erm an os
für ein en
a lten th ra k isch en G ott d er H itze g eh a lten (K acarov in der Z s. K lio 6, 169). H eu te
g ilt er a ls Schu tzp atron g e g e n d ie se n g r o ssen S ch reck en d e s A ck erb au ers, und
ste lle n w e is e w ird er so g a r am
au ch an d ere B rä u ch e
24. D e z e m b e r g e feier t.
aus d em M ittsom m er
in
d ie Z eit
D e r V e r fa sse r
um
N eu jah r
zeig t,
w ie
üb ertragen
w urden, so m an ch er L ieb esza u b e r, R aten d e s kü n ftigen B räu tigam s, ein B rauch,
der v on den G riech en un d A rom anen zu d en B u lgaren e in ged ru n gen ist (S. 82 ff.,
Polivka, Lohre:
326
v g l. T h u m b , ‘Zur n e u g r ie c h isc h e n V o lk s k u n d e ’, ob en 2, 39 2 ).
E in ä h n lic h e r
B rauch is t im n ö r d lich en u n d w e stlic h e n B u lg a r ie n ü b lic h un ter d em N am en
‘k u m ic a n e ’ (S . 9 9 ): e in w ie e in e m e n sc h lic h e F ig u r g e fo r m te s B rot o d er au ch ein
W e id en k r a n z w ir d v o n d e n M äd ch en in s W a s s e r g e la s s e n , dann w ird geraten ,
w e lc h e s z u e rst h eira ten w ird u. a., s ie s c h lie s s e n h ie r b e i au ch G ev a ttersch a ft; er
w ird g e w ö h n lic h am P a lm so n n ta g g e ü b t.
D e r m it g r ö sse r S a c h k en n tn is un d
g r ü n d lic h e r A u sn u tzu n g d er L iteratu r g e sc h r ie b e n e n un d von V ertr a u th eit m it der
v e r g le ic h e n d e n E th n o lo g ie z e u g e n d e n A b h an d lu n g is t e in e ge d r ä n g te In h a ltsa n g a b e
in fr a n z ö sisc h e r S p rach e a n g efü g t. — A. P . S t o i l o v u n ter su ch t im P e r io d ic e sk o
S p isa n ie 71, 3 9 1 — 4 1 5 den B rau ch , S te in h a u fen au fz u w er fen zum Z e ic h e n der V e r ­
flu ch u n g e in e s B ö se w ic h te s ü b er se in e m L e ic h n a m
oder
bei
se in e n L e b z e ite n an
d em O rte, w o d ie U n tat v o llb ra c h t w u rd e, od er a u f K re u z w e g en ; je d e r V o r b e i­
g e h e n d e w irft e in en S te in m it dem R u fe : ‘V erflu ch t s e i N . N .’; d er B rau ch w ird
b ei V ö lk e r n a lle r W e ltte ile v e rfo lg t, au ch w e n n er e in e an d ere B e d e u tu n g hatte,
u n d se in e v e r sc h ie d e n e n D e u tu n g e n z u sa m m e n g e ste llt [v g l. o b e n 12, 89. 2 03. 31 9 ].
— D e r s e l b e sa m m e lte d ie b u lg a risc h e n S a g e n v on d en in S te in e ein g ed rü ck ten
F u ssta p fe n d e s K ra ljev ic M arko u n d se in e s P fe r d e s (S b orn ik zu E h ren d e s P rof.
M ile tic S. 3 5 2 — 35 5 ). — St. L . K o s t o v b e sc h r e ib t (eb d . S. 187— 2 0 1 ) d ie M ed a illo n s
m it d er A b b ild u n g d e s hl. G eorg, d e s D r a ch en tö ter s, w e lc h e d ie F rau en an ih ren
F esen
(d e n
‘tü r k isc h e n ’ M ü tzen )
lie fer u n g en v on d ie se m H e ilig e n ,
und
z e ig t
un d
E h e ist.
aus
e in ig e n
—
L ied er n ,
D. M ir c e v
an gen äh t
tr a g e n ,
d ie b u lg a risc h e n
u n tersu ch t
un d
d ie
V o lk s ü b e r ­
se r b isc h e n F r ü h lin g sfe ste
d a ss der hl. G eorg d er S ch u tzp atron der L ie b e
h a n d e lt
v on
d er
w e ib lic h e n
H a u sin d u strie
in
M azed on ien (eb d . S. 2 3 9 — 2 6 1 ), b e sc h r e ib t d ie W e rk ze u g e zur Z u b ereitu n g von F la c h s
un d H anf, W o lle u n d B a u m w o lle , b e im S p in n en u n d W e b e n , w e ite r das W e b e n
der T e p p ic h e , D e c k e n u. a., au ch d as S tic k e n u n d fügt n och e in ig e Z eilen üb er
das F ärb en u n d d ie M ittel h in zu , m it d e n e n v e r s c h ie d e n e F arb en h e r g e ste llt
w erd en .
Im 25. B d . d e s Sb orn ik z a nar. u m o tv o ren ija sin d se h r r e ic h h a ltig e L i e d e r ­
s a m m l u n g e n ab ged ru ck t, au s v e rsc h ie d e n e n O rten d e s B ez. V raca, L ie d e r
m a n n ig fa c h e n In h a lte s, au ch e p isc h e u n d erz ä h len d e ; a u s M u sta fa -P a sc h a (S. 37
b is 8 8 ), au s ein em O rte d e s B e z. R u sc h tsc h u k (S . 8 9 — 1 04) m eh rere e p isc h e
L ie d e r u. a., au s ein em O rte d e s B ez. G abrow o (S . 105— 134), u n ter an d erem ein
h ö c h s t e ig e n tü m lic h e s ‘L ied v on d er E m p fä n g n is u n d G eburt C h risti’ (S . 116
nr. 18), der V a ter w ill s e in e T o c h te r h eira ten (S. 133 nr. 5 1 ), ein h u m o ristisc h e s
L ie d
vom
S treite
der M ü ck e
und
der
F lie g e
(S .
119
nr.
24)
u. a. m .
D ie
S a m m lu n g en sin d u n sy ste m a tisc h , d ie L ied er fo lg en in der b u n testen R e ih e n fo lg e ;
ü b er d ie S ä n g er s e lb s t der e p isc h e n L ie d e r fin d en sic h nur se lten A n gab en . —
B ei
den b u lg a risc h e n K o lo n isten im G ou v.
T a u r is, B e z . B erd jan sk , sa m m e lte
A l. V . V r b a n s k i V o lk s lie d e r u n d g a b s ie u n ter d em T itel ‘B o lg a rsk ija p e sn o p o jk i’
h era u s (N o g a jsk 1910, vgl. d ie R e z e n s io n N . D e rz a w in s 2 iv . Star. 20, 145 f.).
N e b e n L ied ern m a n n ig fa ch en In h a lte s finden sic h au ch e in ig e e p isc h e vor, u. a.
so g a r von K ra ljev ic M arko. — E in e sta ttlich e S a m m lu n g von S p r i c h w ö r t e r n un d
sp r ic h w ö r tlic h e n R e d e n sa r te n au s W id in u. a. g ab P . K. G a b j o v h erau s im
S b orn ik z a nar. u m otvor. 25, S. 1— 80. L e id e r sin d
z u sa m m e n g e ste llt so n d ern d em in n eren In h a lte n ach
s ie n ic h t n ach S tich w o rten
in e in er g r o sse n A n za h l v on
G ruppen (S . 5 1 ), un d d ie se G ru pp en fo lg e n in a lp h a b e tisch er R e ih e n fo lg e nach
d e m ersten S tich w ort, z. B. G lu p ost, um , o p itn e st (D u m m h e it, V erstan d , E rfahrung),
Zivot, zd ra v e, sm art (L e b e n , G esu n d h e it, T o d ) od er M lad ost, starost (J u g en d ,
A lter), so g a r K o je b iva, sta v a i k o je n e (w a s vorkom m t, g e s c h ie h t un d w a s n ich t
Berichte und Bücheranzeigen.
327
un ter d em P ron om en k o je ) u. a. m.
In d ie se n A b teilu n g e n fo lg en d ie Sp rü ch w örter a lp h a b e tisch n ach d em ersten W orte. E s is t rech t au ffallen d , d a ss n ich t
e in e b e ss e r e , h eu te a llg e m e in a n g e n o m m e n e E in te ilu n g d e s S toffes g e w ä h lt w u rd e.
— D ie Z s. ‘R o d o p s k i N ap redäk’ brin gt fortlau fen d v e r s c h ie d e n e B e itr ä g e zur
V o lk s k u n d e (v g l. ob en 20, 4 2 8 ).
D e re n R e d a k teu r, St. N . S i s k o v , sc h r ieb
üb er d ie N am en d er m o h a m m ed a n isierten B u lgaren , b e so n d e r s üb er deren geb rä u ch ­
lic h s te n N am en ‘p om ak ’ un d s te llt v e rsc h ie d e n e V erm u tu n gen üb er d e ssen U rsp ru n g
zu sa m m e n (8, 2 0 9 — 214, 2 5 7 — *265); e in e an d ere nur lo k a le B e n e n n u n g d e r se lb en
‘achr’a n in ’ m öch te er m it d er th r a k isc h -illy r isc h e n V ö lk e r sc h a ft ’A ypiiveg in V e r ­
bin d u n g bringen, er d en k t auch an r u ssisc h e s, ‘och rejan ’, ‘ach rejan ’ (e in fauler,
b en g elh a fter M en sch ). E r b e sc h r ieb w eiter d ie G eb räu ch e am G e o r g i-T a g und
d e n d am it verb u n d en en A b erglau b en in ein em D o r fe der R h o d o p e im B e z.
S tan im ak (8, 4 4 ), V e r m ä h lu n g s- und H o ch ze itsg eb rä u ch e (8, 199), b ei G eburt und
d em ersten , den N e u g e b o r en en feiern d en F este, T a u fe (9, 103. 146), an v e r ­
sc h ie d e n e n F eier ta g e n (9, 148. 228), üb er G eh eim sp ra c h e n (9, 1— 6 ), über F lü c h e
(9, 193), zur T rach t (9, 2 1 3 ).
‘T ier e
in
der W e lta n sc h a u u n g
der B ew o h n er
der
R h o d o p e ’ (9, 81. 138. 161), in S p rü ch w örtern, A b erg la u b en , T rau m d eu tu n gen u . a .,
‘D er E p h eu a ls K u ltu sp fla n ze’ (9, 113). M a n ch es bringt d ie B e sc h r eib u n g e in e s
D o r fes d e s B ez. N ev ro k o p (9 , 62. 87 . 116). E n d lic h v erö ffen tlich t er m it and eren
v e r sch ie d e n e L ie d e r (7, 2 3 5 ; 8, 54 . 80. 121. 245. 2 8 1 ; 9, 26. 72. 157. 186. 2 3 0 ).
V orb ed eu tu n g en (9, 160), M ilch zau b er (9, 189), O rtsnam en (8 , 60 ). — N. S. D e r Z a v in
z e ig te in d em A u fsa tze ‘Zur F ra g e über d ie F a m ilie n -H a u sg e n o ss e n sc h a ft bei den
B u lgaren (Ziv. Starina 19, 313 f.) a u f G ru n d lage von A rch iv a lien , d a ss im Jahre
1835, bald nach der K o lo n isie r u n g d er B u lgaren im G ouv. B e ssa r a b ie n , e in e
H a u sg e n o sse n sc h a ft n ich t k on statiert w erd en kann.
P rag.
G e o r g P o h 'v k a .
Vilhelm Gronbech, Vor Folkeaet i O ldtiden (U nser Volksstam m in seiner
V orzeit): II. M idgard og M enneskelivet (E rdenrund und M enschen­
leben). 272 S. 8°. III. Heiliglied og Helligdom (H eiligkeit und H eilig­
tum). 208 S. 8°. IV. M enneskelivet og G uderne (D as M enschenleben
und die G ötter). 133 S. 8°. Kjabenhavn, forlagt af V. Pios Boghandel
(Povl B ranner) 1912.
E s g ib t B äu m e, d ie m an sic h u n w illk ü r lic h n ich t in A llee n g ep flan zt denk t,
und B ü ch er, d ie m an sic h un gern a ls B a n d serien vorstellt. D e s D än en G ran b ech
‘L y k k em a n d o g N id in g ’ (1 9 0 9 ), e in e A rt u rgerm an isch er S e e le n b e sc h r e ib u n g , war
für den R e f. und w o h l auch an d ere so lc h e in e Z eder, d ie in e in sa m e m W ü c h s e
den a u sd r u c k sv o lle n U m riss
ih r es W ip fe ls
ab z e ic h n en
so llte .
A b er d er U rh eb er
se lb st m u ss e s b e sse r w isse n , w ie er e s m it se in e n B ü chern g e m e in t hat.
E r hat
nich t an d ie Z ed er, so n d ern an den A lleen b au m , d ie ita lie n isc h e P a p p e l, ged ach t,
und so pflanzt er a u f e in e n sc h ö n en N eu ja h rsta g (1 9 1 2 ) drei w e iter e Stü ck in d ie
R e ih e . Z w ei d ie se r B ä n d e b e w e g e n sic h um m eh r od er w e n ig e r r e lig iö s e F r a g e ­
ste llu n g e n , e in er um d as F a m ilie n le b e n (b e i Gr. ist e ig e n tlic h a lle s R e lig io n und
der G erm an e d as fröm m ste d er E rd en k in d er).
Es
ste h e n
n o ch aus G eb iete,
d ie
bei den a lten N ord län d ern m it Q u e lle n g u t a u sg esta ttet sin d , w ie d as F e h d e w e se n ,
der K ö n ig sd ie n st. So ahn t m an noch k ein en A b sc h lu ss; e in e d erartige K om ­
m e n tie r u n g v e r m a g sic h b u ch ten reich , u n ab seh b ar, um a lle K apitel der a ltn o rd isch en
K ultur h e r u m z u sc h lin g e n .
H eusler, Lohre:
328
D en E in d ru ck d e s 1. B a n d es su ch ten w ir in d ie se r Z e itsch rift 1 9 1 0 S. 226
a n zu d eu ten . M an d a r f sa g e n , d a ss Gr. d ie G ru n d stim m u n g m it m erk w ü rd iger A u s­
d au er festh ält. E s m ach t k ein en U n te r sc h ie d , ob m an unter d ie se n od er je n e n
Ü b er sc h r ifte n a u fsc h lä g t: ü b era ll is t e s d a s s e lb e fe in e , h e im lic h e G eflüster, gern
ü b er g e h e n d in s o r a k e lh a fte G eraun e,
w e it
fern
b le ib e n d
der L a u th eit u n d H e lle
leh rh a ften V ortrags. D ie z u sa m m e n h ä n g e n d e L e k tü r e w irk t w ie e in e la n g e , b e ­
tä u b en d e Z au b erlita n ei, un d nur n och
w ie d u rch sie b e n S c h le ie r ersp äh t der B e ­
zau b erte d ie S a g a m e n sch en , d ie e in st, so sc h ie n e s ih m ,
gan z nah u n d in k larem
M itta g slich t vor ih m g e s p ie lt h atten . Gr. h at d as g r o s s e M isstrau en g e fa sst vor
d en V o k a b e ln , d ie g le ic h la u te n u n d U n g le ic h e s b e sa g e n ; er w ill je d e n A u sd ru ck
n e u g e b ä r en — d en n S ch lagw örtern ist er k e in e s w e g s gram , w en n s ie nur e ig n er
P rä g u n g
sin d .
Er w ill n ic h ts G er in g e re s,
a ls
d as
a ltg er m a n isc h e L eb en
in all
se in e n A k ten n a c h e r le b e n . N un, d as w ill am E n d e je d e r K u ltu rh istorik er m it
se in e m G e g e n stä n d e ; ab er w ie u n ser V erf. das N ach f ü h l e n , in F reu d e und L eid,
d u rch setzt, d as ist s e in e b e so n d e r e N o te ; er h at e tw a s von e in em h e ilig e n F ran z.
d en d ie in n ig e V e rsen k u n g in se in e n H e ld e n stig m a tisier t.
D e r R e f. b ek en n t erste n s, d a ss er d em T ie fs in n d e s V erfs. n ich t im m er zu
fo lg e n verm ag, u n d z w e ite n s, d a ss er in d em v o r ch ristlich en G erm an en n ic h t d ie se s
g e h e im n is r e ic h e , u n fa sslic h e , s e in e s G ottes v o lle , tiefd u m p fe un d z u g le ic h aus lauter
Id e e u n d N e rv b e ste h e n d e Ü b e r w e se n e rb lic k e n kann. K urz g e sa g t: d er A b stand
z w isc h e n e in em S a g a islä n d e r un d e in e m h e u tig e n n o r w e g isc h e n oder sc h w e iz e r is c h e n
G eb ir g sb ew o h n e r k om m t m ir n ic h t so r ie se n h a ft vor, w ie d er V erf. ih n m it sein en
v ie le n B änd en e r w e ise n w ill. G ross ist er ja , der A b stan d ; a lle in . . . beim L e se n
d er S a g a s fü h le ich m ich n och un ter M en sch en , d ie ic h n och trieb h aft zu v e r ­
ste h e n
g la u b e ;
b e im
A n b lick
von
G r.s
P räp araten
hab
ich
d iesen
E ind ru ck
n ic h t m ehr.
A b er ic h g e b e zu, e s ist e in e m isslic h e S a ch e, se in e In tu ition g e g e n d ie d e s
än d ern a u sz u sp ie le n . U n d je d e n fa lls kann m an sic h k e in e h e ils a m e r e W arn u n g
d e n k en , an b eq u em en , o b e r flä c h lich en S itten b ild ern h än gen zu b le ib en , a ls d ie s e
r a stlo s in s T ie f e b oh ren d en an tiq u a risch en
B e r lin .
M o n o lo g e d e s g e le h r te n D ä n e n .
A n d r e a s H e u s le r .
Franz Kondziella, V olkstüm liche Sitten und Bräuche im m ittelhoch­
deutschen Volksepos. (W ort und Brauch. V olkskundliche A rbeiten,
hsg. von Theodor Siebs und Max H ippe, H eft 8.) Breslau, M. & H.
Marcus 1912. V III, 207 S. 8°. 7,20 Mk.
hat,
W ie m an au s d en h ö fisch en E p e n ein B ild d e s ‘h ö fisch en L e b e n s’ g e w o n n en
so v e rsu c h t der V erf. nach d em V o r g ä n g e von 0 . H artu ng ( D i e d e u tsch en
A ltertü m er d e s N ib e lu n g e n lie d e s u n d d er K udrun, 1894) d ie m ittelh o c h d eu tsc h e n
V o lk s e p e n , b eso n d e rs auch d ie k le in er e n (im g a n z e n 28 Q u e lle n ), sitte n g e sc h ic h tlic h
zu verw erten , unter B e sc h r ä n k u n g a b er a u f d ie e ig e n tlic h v o lk stü m lic h e n Sitten
u n d G eb räu ch e. Er le g t d ie m it v ie le m F le is s e g e sa m m e lte n B e le g e im W o rtla u te
vor, fa sst d a r ste lle n d ih ren In h a lt z u sa m m e n un d se tzt a lle s in V e rb in d u n g m it
den a n d er w e it von der w iss e n sc h a ftlic h e n V o lk sk u n d e g e m a ch te n F e stste llu n g e n
(b u c h te c h n isc h ergib t das d ie u n b eq u em e aber u n v e r m e id lic h e D r e ite ilu n g in T e x t,
F u ss n o te n un d ‘g e le h r te n B e iw a g e n ’). D ie A rb eit lä sst erk en n en , d a ss V o lk sk u n d e
u n d P h ilo lo g ie sic h g e g e n s e itig au fs g lü c k lic h s te stü tze n : e in e r se its w erd en S te lle n
Berichte und Bücheranzeigen.
3*29
der D e n k m ä ler, deren la k o n isch er H in w e is a u f V o lk ssitten nur d em v o lk sk u n d lic h
b ew an d erten L e se r v o ll v e rstä n d lich ist, d em a llg e m e in e n V e rstä n d n is e r s c h lo s se n ;
a n d rerseits kann d ie V o lk sk u n d e n eu e, z e itlic h und örtlich w e n ig ste n s im grob en
fix ie rte Z e u g n isse für d as V o r k o m m e n der G eb räu ch e bu ch en .
So d a n k e n sw e rt ab er so lc h e A rb eiten sin d , e in e so e ig e n tü m lic h e S c h w ie r ig ­
k e it b ergen s ie in sic h . D e n n d ie Q u e lle n sin d D ich tu n g en , also n ich t e in fa ch e
P h o to g r a p h ie n d e s w ir k lic h e n L e b e n s. W en n ein b ek an n tes V o lk s lie d v on d em
S c h lo ss in Ö sterreich sp rich t, das „von S ilb e r u n d von rotem G old un d M arm or­
ste in g e b a u e t“ se i, so w e is s je d e r B e sc h e id ; so offen lie g e n S teig eru n g , U m d e u ­
tung, sp ie le n d e K om b in ation d er W ir k lic h k e itsz ü g e n ic h t im m er zu ta g e und w o llen
d o c h von dem F o rsch er b e h u tsa m e r w o g e n se in . H ie r lä s s t K. b isw e ile n d ie
n ötige V o r sic h t v e r m isse n . Ist d ie S te lle im ‘K ö n ig R o th e r ’ (e d K. v. B ah d er
31 5 8 ff.):
— --------nesi it dan nüwit war,
dat ich ü gesagit han,
so heizit mich van
unde up ein boum hän
un d e in e h ie rm it in V e rb in d u n g ste h e n d e S te lle d e sse lb e n G ed ic h te s B e le g g en u g ,
um zu b eh au p ten (S. 7 1 ): „ D e r Strafe d e s E rh ä n g en s v erfa llen L ü g n er “ ? In B e ­
teu eru n g en h errsch t d o c h d ie m a n n ig fa c h ste Ü b ertreib u n g.
O der S. 73: „M an
sc h e u t sic h nicht, ein en F u ss und e in e H an d a ls F e r g e n g e ld zu v e rla n g e n “. D en n
d er ‘u n g e fü e g e ’ F er g e im ‘R o s e n g a r te n ’ fordert d as (ed . H olz D . 168, 3 ):
„den er sol über vüeren,“ sprach m eister Hiltebrant,
„von dem wil er hän vergen solt einen fuoz und eine hant.“
Do sprach der von Berne: „daz woere ein tiurez pfant,
solte ich ihme läzen einen vuoz und eine hant.“
F ord ert
v ie lle ic h t S h y lo c k
au ch
sein P fu n d F le isc h
a u f G rund
v erb reiteter
P raxis ?
N o c h e in e
Q u e lle n .
andere S c h w ie r ig k eit
fo lg t
au s
der E igen art
D ie s e V o lk sep en verw erten Stoffe a lter S age.
der h ier
b enu tzten
F ür w e lc h e Z eit so ll m an
nun d ie c h a ra k teristisch en Sitten in A n sp ru ch n eh m en , für d ie E n tsteh u n g sz eit der
Sage
od er
d ie
E n tsteh u n g sz eit
der
G ed ic h te ?
Im
a llg e m ein en
w erd en ja
d ie
ä u sse r e n K le in ig k e ite n , d ie das K o stü m , d ie F arb e, d ie A n sc h a u lich k e it der E r­
z ä h lu n g a u sm a ch en , der E n tsteh u n g sz eit d e s G ed ic h te s an geh ören , und u n ter d ie se
D in g e fällt d as m e iste von d em V erf. A u sg e h o b en e.
A n d eres aber ist m inder
ä u sse rlich u n d berührt d ie Struktur d er S a g e.
W enn
so n en
v erb oten en
h eiraten
la sse n ,
d ie
in
d en
k ir ch lic h
d ie se Q u e lle n
ste h e n , so sp ie g e ln sie darin d ie a lte g e rm a n isch e Sitte;
so r g lo s P er ­
V e rw a n d tsch a ftsg ra d en
aber e s fo lg t n ich t, d ass
zur Z eit der E n tsteh u n g der G ed ich te d ie E h en n och h arm los in n erh alb d ie se r
G rade g e s c h lo s s e n w u rd en . A u f ein E h eb ü n d n is, m it dem d ie S a g e rech n et, kann
d er sp ätere B ea rb eiter n ic h t so le ic h t v e rz ic h te n , w ie a u f a lte K le id e r un d W affen ;
das sc h n e id e t der S a g e zu tie f in s F le isc h .
N a c h den Z e u g n issen , d ie v. R e ttb e rg
(K ir c h e n g e sc h ic h te D e u tsc h la n d s, 1846— 48 , 2, 758 ff.) b eib rin gt, ist für das H o c h ­
m ittela lter ein Z u stan d leb h a fte n K am p fes z w isc h e n K irch e u n d germ a n isch er S itte
in d ie se m P u n k te an zu n eh m en ;
m an kann
n ich t
ein fa ch sc h r e ib en (S . 14):
„D a­
g e g e n is t d ie L eh re v on den verb o ten en V erw a n d tsch a ftsg ra d en , w ie sie h eu te
b esteh t, d em d e u tsch en V o lk e d e s M ittelalters n och u n b e k a n n t.“ E b e n so so llte
d er A pparat darauf h in w e ise n , d a ss d ie in u n seren Q u e lle n ü b lic h e a lte T aufform
durch U n tertau ch en w a h rsch ein lich sc h o n se it d em 12. Jahrhu nd ert durch d ie au f­
Lobre, Eber mann, M ichel:
330
k o m m en d en n e u e n F orm en der A u fg ie ssu n g u n d B e sp r e n g u n g ein g esch rä n k t w ird
(W e tz e r u n d W e lte , K ir c h e n lex ik o n , 2. A ufl., 11, 1 2 5 8 ); th e o lo g is c h e L iteratu r
hätte im A pparat ü b erh a u p t in e tw a s w e ite r e m U m fa n g e b en u tzt w erd en k ön n en .
D ie M eth od e d er A rb eit w ird n ach d em o b e n A u sg efü h rten der V erfein eru n g
fä h ig se in — w a s w e ite r n ic h t w u n d er n e h m e n kan n, da A rb eiten d ie se r Art n och
n ich t z a h lre ich v o rlieg en . W e r e ig e n e Ü b e r le g u n g n ich t z u H a u se lä sst, w ird d ie
r eich en N a c h w e ise d e s V e rf. trotz a lle d e m gu t brau ch en k ön n en .
B e r lin .
H e in r ic h L o h re.
Ernanuel Friedli, Bärndütsch als Spiegel bernischen Volkstum s, 3. B and:
G uggisberg. Mit 189 Illustrationen im T ext und 17 Einschaltbildern
nach O riginalen von R.. M ünger, W . Gorge, F. Brand, E. H o stettler und
nach photographischen O riginalaufnahm en von D r. E. H egg, F . B ürki
und anderen und 1 K arte. H erausgegeben m it U nterstützung des Kantons
B ern. B ern, A. F ran ck e 1911. XV, 688 S. 8°. 12 F r.
D e r dritte B an d der B ern er M on ograp h ien (v g l. ob en 15, 359 und 18, 3 3 4 ) b e­
h a n d e lt m it G u g g isb e r g ein G eb iet, d as n ach ja h r h u n d er tela n g e r A b g e s c h lo s se n h e it
je tz t durch g u te S tra ssen u n d E ise n b u h n d em V erk eh r g eö ffn et ist. D a m it wird
natü rlich d ie b ish er w o h lb e w a h r te E igen art
d e s O rtes
und se in e r B e w o h n er E in ­
b u sse e rleid en , un d so kam der V erfa sse r zur rech ten Z eit, um a u fz u z e ic h n en , w a s
v ie lle ic h t in w e n ig e n Jah ren sch o n u n w ied er b r in g lic h d er G le ich m a ch er ei
Z eit v e rfa lle n se in w ird.
u n serer
D ie M eth od e ist d ie der b eid en e rste n B ä n d e g e b lie b e n ,
und so w ird au ch h ier a u f d ie m ö g lic h s t g e n a u e W ie d e r g a b e der M undart be­
so n d e re S orgfalt verw an d t, w o z u d er V erf. a ls e h e m a lig e r M itarbeiter am S c h w e iz e r
Id io tik o n e in e h ervorragen d e E ig n u n g b esitzt. D a b e i is t e s ih m g e lu n g e n , in d er
O rtssp rach e e in e ältere u n d e in e jü n g e r e S c h ic h t a u sein a n d erzu h a lten , da d ie e in ­
h e im is c h e M undart a llm ä h lic h v on d er u n ter b e r n isc h e n verd rän gt w ird. B e i der
F e s tle g u n g d er S p rach e w u rd e der V erf. von a lte in g e se ss e n e n O rtsb ew oh n ern in
v e rstä n d n isv o lle r W e is e u n terstü tzt u n d b ei der B e a rb eitu n g e in ig e r A b sc h n itte w ie
T rach t, R e c h tsg e sc h ic h te , G e o lo g ie durfte er au s dem W is s e n n am h after F a c h ­
g e le h r te r N u tzen z ie h e n ,
so
d a ss a n sc h e in e n d
in a llen T e ile n Z u v e r lä ssig k e it er­
reich t w ord en ist. D ie z w ö lf A b sc h n itte d e s B u c h e s g e b e n e in e e in g e h e n d e D a r ­
s te llu n g der L a n d sch a ft, ih rer B e w o h n e r s o w ie von d eren W o h n - u n d L e b e n sw e ise .
D a b e i ist,
w ie
in
den früheren B än d en ,
d er T e x t
b e stä n d ig
m it m un d artlich en
A u sd rü ck en u n d R e d e n sa r te n d u rch setzt. H at d ie s e s V erfah ren z w e ife llo s den
V o r teil, d ie M undart le b e n d ig e r zur W irk u n g zu b rin gen , a ls e s e in s y s te m a tisc h e s
W örterb u ch v erm ö ch te, so w ird d och für den der M undart U n k u n d ig en d as L e se n
se h r ersch w er t; aber d er m eh rfach erhobene V orw u rf, d a ss w e g e n der V erstreu u n g
d es M aterials F r ie d lis M on ograp h ien für den D ia le k tfo r s c h e r sc h w e r ben u tzb ar
w ären , w ird durch e in en u m fa n g re ich en , seh r so r g fä ltig g e a rb eitete n a lp h a b e tisch en
N achw 'eiser (S . 6 4 0 —6 8 3 ) für d ie se n B and en tk räftet. D ie B e m ü h u n g e n d e s V e r ­
fa sser s, e in m ö g lic h s t lü c k e n lo se s B ild d e s O rtes und se in e r B e w o h n e r zu g e b e n ,
w erd en au fs b e ste durch e in e g r o sse Z ah l v o r z ü g lic h e r A b b ild u n gen u n terstü tzt,
w ie d e n n — trotz d e s ‘v o llstä n d ig e n F e h le n s je d e s fin a n z iellen E r fo lg e s’ — d ie
A u ssta ttu n g d e s B an d es n o ch g r ö sse r e s L ob v e rd ie n t, a ls d ie d er frü h eren . Ü b e r ­
haupt h ä lt d er v o r lie g e n d e B and n ic h t nur, w a s d ie ersten v ersp r a ch en , son d ern
übertrifft s ie in m a n ch er H in sich t.
B e r lin -H a le n s e e .
D e r v ierte B and so ll In s b eh a n d eln .
O sk a r E b erm an n .
Berichte und Bücheranzeigen.
331
Ludwig Sütterlin, W erden und W esen der Sprache.
Meyer 1913.
IV, 175 S.
8°.
Leipzig, Quelle &
3,20 Mk., geb. 3,80 Mk.
D e r r ic h tig e T ite l d ie s e s h ü b sch g ed ru ck ten B ü c h le in s,
das
sic h
an w e ite r e
K re ise w e n d et, m ü s ste la u te n : „ E in ig e K ap itel v o m W erd en un d W e se n
d eu tsch en S p ra c h e .“ D e r T ite l, den e s je tz t trägt, w e ck t fa lsc h e H offn u n gen .
d er
Ich
kann n ic h t z u g e b e n , d a ss a lle G ru nd tatsach en d es S p ra c h le b e n s darin erw äh n t w erd en ,
w ie der V e rf. im V o rw o rt an d eu tet. U m nur e in B e is p ie l zu n e n n en : d ie E n t­
ste h u n g u n d E n tw ic k lu n g d e s G e sc h le c h ts, ein P ro b lem , d as v ie lle ic h t dank d en
(m e in e s E ra ch ten s fr eilic h im K ern v erfeh lten ) A u sfü h ru n gen M orsb ach s je tz t
w ie d e r m eh r d isk u tiert w erd en w ird , b le ib t u n b e rü ck sich tig t. E in g e h e n d e r w ird
fast nur d er B e d e u tu n g sw a n d e l b eh an d elt, m e ist im A n sc h lu ss an W u n d t. F ern er
ste h t d ie d e u t s c h e Sp rache d u rch au s im M ittelp un kt d er D a r ste llu n g . D a s s
m eh rfach W örter u n d W e n d u n g e n au s d en ü b rig en in d o g er m a n isc h e n , g a n z ver­
e in z e lt au ch au s n ic h tin d o g er m a n isc h e n Sp rach en h e r a n g e zo g e n w erd en , k om m t
d a n eb en kau m in B etrach t.
a ls der T ite l v e r h e iss t,
A n d e rseits
b ie tet
d er V erf.
au ch
w enn er S. 101 ff. d ie B e z ie h u n g e n
n och etw a s m ehr,
v o n L aut und Sch rift
b e le u c h te t un d m it w o ltu e n d er U n b e fa n g e n h eit d ie n eu erd in g s b is zum Ü b er d r u ss
erörterte F ra g e nach der B e re ch tig u n g d er F rak tur (er sagt: ‘E c k sc h r ift’) b ea n t­
w ortet. L e id er lä s s t er d ie g le ic h e U n b e fa n g e n h e it n ic h t in dem A b sch n itt ü b er
d ie F rem d w örter w alten , son d ern z ie h t g e g e n d ie b ö sen ‘E in d rin g lin g e ’ g e w a ltig zu
F e ld e . Ic h h a b e m ich erst k ü rzlich ü b er d ie se n G eg en sta n d g e ä u ss e r t (o b en S. 20K)
un d w ill m ich h ier n ic h t w ie d e r h o le n . N ur g e g e n d ie B e m er k u n g d e s V e rfs.
(S . 140), d a ss m an au ch o h n e a lle F rem d w örter a u sk o m m en kön n e, w ie d ie s ‘u n ser
g e w ö h n lic h e s V o lk ’ z e ig e , m ö ch te ich ein w e n d e n , d a ss n ach m ein en E rfahrungen
au ch das V o lk oft g e n u g F rem d w örter braucht und d a ss au ch v o lk stü m lic h e
S c h r iftsteller ersten R a n g e s , J e re m ia s G o tth e lf z. B ., gar k e in e p u ristisc h e n
N e ig u n g e n z eig en .
G esetz t aber,
S ü tterlin s M ein u n g w äre
zutreffend,
so
kön n te
u n s d och das V olk in d ie se r w ie in m an ch er ändern H in sich t d u rch au s k ein V o r ­
b ild sein .
S ü tterlin sc h e in t zw ar zu der A n n ah m e g e n e ig t, d a ss der v o lk stü m lic h e
Sp rach geb rau ch au ch
in S ach en der ‘S p rach rich tigk eit’ a ls h ö c h ste In stan z zu b e ­
trach ten se i.
so
A llein ,
b e g r e iflic h
es
ist,
d a ss
ih m
der
e w ig e W e ch se l a lle s
S p ra c h lich en e in e S c h e u vor je d w e d e r R e g le m e n tie r u n g ein flösst, so erfreu lich in s ­
b e so n d e re se in e V o r u r te ilslo sig k e it g e g e n a lle N e u b ild u n g e n w irkt: a u f d ie se W e is e
lä sst sic h d ie s c h w ie r ig e un d w ic h tig e F rage d er S p rach rich tigk eit, d ie d ie W is s e n ­
sc h a ft v ie l z u la n g e
a ls quantite n e g lig e a b le a n g e se h e n hat,
Dialektforschung noch
B eo b a ch tu n g der U m g a n g ssp ra ch e,
n ich t lö se n .
W eder
w ed er S p ra c h g e sc h ic h te
n o c h S p ra c h p sy c h o lo g ie g e b e n u n s dazu d ie n ö tig en H an d h ab en . Ich g la u b e, w ir
w erd en in Z uk un ft von der a llz u g r o sse n W e ith e r z ig k e it in d ie se m P u n k te w ie d e r abk om m en m ü sse n , un d w ir k ön n en das auch u n b e d e n k lic h , in der E rw ägu n g, d a ss d ie
n e u h o ch d e u tsch e S ch riftsp rach e e in K u n s t p r o d u k t ist, d as e r l e r n t se in w ill.
E in paar E in z elh e iten . U n b e g re iflich ist m ir, w ie der V erf. H erd ers Sch rift
üb er den U rsp ru n g
der S p rach e
‘s te lle n w e is e
zu
la n g s tie lig ’ fin d en kann (S. 4 );
au ch w ü rd e ich d en B egrü n d er der B e v ö lk er u n g ssta tistik n ich t ‘ein en g e w is s e n
S ü ss m ilc h ’ n e n n en (S . 4 ). — A ls A rnim m it B ren tano d as ‘W u n d erh orn ’ h erau sgab ,
w ar er n och n ic h t d e sse n S c h w a g er (S. 5). — K aspar S tie le r w ar k ein ‘N ü rn b erger’
(S . 99 ), so n d ern e in Erfurter; in N ü rn b erg sin d nur e in ig e se in e r W e rk e e rsch ie n e n . —
M u ss denn in ein em sp r a c h w isse n sc h a ftlic h e n B u ch , d as doch n ich t in erster R e ih e
für K rieg erv erein e b e stim m t ist, von d em ‘b le ic h e n K orsen ’ d ie R e d e se in (S . 5 ) oder
gar, au ch sa c h lich h ö c h st an fechtbar, von der ‘b len d en d en S c h e in g r ö s s e L u d w ig s X I V .’?
L e ip z ig .
H e r m a n n M ic h e l.
332
N otizen.
Notizen.
A. A b e l s , D ie krim inelle B edeutung der krankheitserregenden Bakterien. Sonderabdruck aus dem Archiv für K rim inalanthropologie und Kriminalistik, hsg. v. H. Gross,
Bd. 53. 45 S. — Der Vf. geht aus von den in letzter Zeit mehrfach festgestellten Mord­
taten verm ittelst Typhus-, Cholera- und anderen Bakterien. Volkskundlich w ertvoll sind
die geschichtlichen Ausführungen (S. 138 f.) über die seit dem 14. Jahrb. belegten Fälle
absichtlicher Krankheitsübertragungen, besonders über das Treiben der ‘Pestsalber’, ferner
über die Anschauungen vom übernatürlichen Ursprünge gew isser Seuchen, Personifikationen
von Cholera, P est u. dgl. [F. B.]
P. B a h lm a n n , Am Herdfeuer, lose Blätter aus und zu W estfalens Sagenschatz.
Münster i. W., A. Greve 1912. 80 S. 8°. 1 Mk. — In bunter Reihe erscheinen hier einige
Zeitschriftenartikel über m ünsterische Stadtsagen, Volmarsteins Sagenkranz, das Fegefeuer
des w estfälischen Adels u. a., verm ischt m it mehreren ebenfalls schon früher veröffent­
lichten metrischen G estaltungen westfälischer Sagen. F indet sich auch unter den letzteren
ein iges A nsprechende, so scheint uns doch für Sagen eine schlichte Prosa die an­
gem essenste Form zu sein. [J. ß.]
P. B a h l m a n n , V olkssagen aus den Kreisen Tecklenburg und Ib urg, zusammen­
gestellt. Münster i. W., E. Obertüschen 1913. 72 S. 8°. 90 Pf. — Auch diese westfälischen
Sagen sind fast säm tlich gedruckten Quellen entnommen. N eben allerlei Erzählungen
von Gespenstern, Hexen, W erwölfen, vom wilden Jäger, Glocken, begegnet uns eine an
H einrich den Löwen erinnernde Heimkehrsage (S. 14), ein Bericht aus dem Dreissigjährigen
Kriege (S. 19) und Schildbürgerstreiche der Bewohner von W echte (S. 28. 30). [J. B.]
F. B r ie t z m a n n , D ie böse Frau in der deutschen Literatur des M ittelalters. Berlin,
Mayer & M üller 1912. V II, 236 S. 7 Mk. (Palaestra 42.) — Der T itel passt streng g e ­
nommen nur auf die zweite H älfte des Buches, da die erste zwei Gedichte des Strickers
aus dem 13. Jahrh. in sauberer Textherstellung und mit m etrischen und stilistischen Unter­
suchungen enthält: die N ovelle von einer bösen, durch Prügel und Einsperrung gezähm ten
widerspenstigen Edelfrau und das Lehrgedicht von bösen Frauen. D iesen beiden Dich­
tungen sucht der Vf. durch eine gründliche M usterung der Literatur des 12. bis 14. Jahrh.
ihre Stellu ng anzuweisen. Er zeigt den religiösen Hintergrund der Frage in der biblischen
Forderung, das W eib müsse dem ManDe Gehorsam leisten, und in der Zurückführung
ihres W iderstrebens auf den T eufel; der untüchtige Mann einer solchen Keiferin erscheint
in der R egel der V erachtung und des Spottes wert; nur der m itleidige Teichner erblickt
in ihm einen Märtyrer, der schon auf Erden alle seine Sünden abbüsse. Als F olgen der
H errschsucht stellen sich in der Erzählungsliteratur neben kleinen Bosheiten der Frau
Hoffart, U ngastlichkeit, Schlem m erei ein, während sie im W ortkampfe dem Manne bald
schm eichelt, bald droht. Die Prügelszenen zeigen im 15. Jahrh. eine erhebliche Ver­
rohung der Sitten und des Geschmackes. W ar bisher die böse Frau als eine Dame der
ritterlichen G esellschaft aufgetreten, so sinkt sie jetzt in den Bürger- und Bauernstand
herab; durch Häufung der üblen E igenschaften wird sie zur hässlichen A lten, zur Hexe,
zur faulen und unsauberen, schlem m erhaften und sogar buhlerischen Hausfrau. Der Ehe­
mann wird in den Fastnachtsspielen vorwiegend als Pantoffelheld, als Siemann (oben 12,
29(!) geschildert, der im Ehestreit den kürzeren zieht; und gelehrte H um anisten wie
Albrecht von Eyb erwägen jetzt allen Ernstes die Frage, ob es für sie überhaupt noch
ratsam sei, zur Ehe zu schreiten. Der Vf. hat nam entlich aus der älteren Zeit viel
M aterial zusamm engebracht und übersichtlich geordnet, in der reicher erblühten Literatur
des 16. Jahrh. sieht er sich freilich gen ötigt, auf eingehendere V erfolgung der typischen
M otive zu verzichten und summarisch zu charakterisieren. N achgetragen sei z. B. Gatter­
manns D issertation über die deutsche Frau in den Fastnachtspielen (Greifswald 1911) und
zu den S. 230 aufgezählten Antithesen des Ehestreites unsere Zeitschrift 6, 296 und 8, 24.
[J. B.]
A. d e C o c k , Volkskunde (Viaanderen door de eeuwen heen 2, 192—260. 4°). — Der
gründliche Kenner des vläm ischen Volkes und hochverdiente H erausgeber der Genter
Notizen.
333
Zeitschrift ‘Volkskunde’, der uns schon m it einer Reihe exakter Sam m lungen der Sagen,
Sprichwörter, Kinderspiele, Volksm edizin seiner H eim at beschenkt hat, gibt uns eine aus
dem vollen geschöpfte Schilderung des Volkslebens von der W iege bis zum Grabe und
des kirchlichen Jahres. Gelehrte N achw eise sind diesm al, dem Zwecke des ganzen W erkes
entsprechend, fortgeblieben, dafür aber veranschaulichen uns treffliche N achbildungen von
Gemälden niederländischer M eister wie Eyck, Breughel, Jordaens, Teniers bis auf Leem putten die kräftige und trinkfrohe, lustige und abergläubische Sinnesart der Vlämen. Soll
einzelnes Bemerkenswerte genannt werden, so verweisen wir etwa auf die in Krankheits­
fällen angerufenen H eiligen, die K inderspiele und öffentlichen Belustigungen, die Kuchen­
formen, die vor Ostern nach Rom wandernden Glocken oder die zahlreichen Prozessionen.
[J. B.]
E d d a . 1. Band: H eldendichtung, übertragen von Felix Genzmer. Mit Einleitungen
und Anmerkungen von Andreas H eusler. (Thule, Altnordische D ichtung und Prosa, hsg.
von F elix Niedner, Bd. 1.) Jena, Eugen Diederichs 1912. IV, 222 S. 8°. 3 Mk. —
„Die Eddagedichte als Kunstwerke dem kunstliebenden deutschen Leser in die Hand zu
geben“ : das wird in der E inleitung als Ziel der Herausgeber hingestellt. Das Ziel so zu
fassen lag heutzutage nahe; es zu erreichen, waren grosse Schw ierigkeiten zu besiegen.
Aber sie wurden besiegt. Der Übersetzer verdeutscht eddische P oesie sinn- und formgetreu, im alten Versmasse, und wahrt dabei eine natürliche, künstlerisch belebte Sprache,
die nicht verschönt und nicht verwässert. Dabei schützt ihn gute Kenntnis der wissen­
schaftlichen Forschung vor jener Willkür, der bei dem Zustande der Überlieferung jeder
N ur-K ünstler anheim gefallen wäre. Es galt in der Tat, wie die E inleitung hervorhebt,
an diesen in der Ü berlieferung m isshandelten Texten „ein gew isses Mass höherer Kritik
zu üben, störende Zutaten zu entfernen, Lücken zu fü llen , Verschobenes um zustellen“;
nur so waren die Lieder modernen Lesern nahe zu bringen. Für diese Arbeit hat sich
der Übersetzer wissenschaftlich gerüstet, und er hatte wohl auch den Rat des bewährten
Forschers zur Seite, der die E inleitungen und Anmerkungen beisteuerte. D iese Zutaten
H euslers gelten im geringsten Masse einem antiquarischen Sachwissen, von dem nur das
Unentbehrliche gegeben wird; in der Hauptsache erschliessen sie die A rt und Kunst
dieser Lieder in Darlegungen voll eindringender Beobachtung und in einer Form, die in
Prägnanz und Schlichtheit ihren Adel hat. Anordnung und Auswahl der Lieder unter­
scheiden endlich diese Ausgabe von allen früheren; die Anordnung steht der alt­
isländischen Samm lung m it voller Freiheit gegenüber, und die Auswahl spannt den
Rahmen ‘eddischer P oesie’ m öglichst w eit (S. 178, auch eine Olrik gegenüber mehrfach
selbständige Bearbeitung des Bjarkiliedes, für das Saxos H exam eter die H auptgrundlage
bilden). So darf man dieser Ausgabe, die ja schon gew ichtige Anerkennung gefunden hat
(W. Raniscb, Deutsche Literaturzeitung 1912, 2854; W. Golther, D ie deutsche D ichtung
im M ittelalter, 1912, S. 582), nur m öglichst baldige F olge der noch ausstehenden Teile
wünschen. [Heinrich Lohre.]
A. K e l l e r , M aister Franntzn Schmidts Nachrichters inn Nürnberg a ll sein Richten.
Nach der H andschrift herausgegeben und ein geleitet. Leipzig, W. Heim s 1913 X V I,
119 S. 8°. geh. 6 Mk., geb. 7,50 Mk. — Das Tagebuch des 1634 verstorbenen Nürnberger
Scharfrichters Franz Schm idt war bisher nur in der selten gewordenen Ausgabe von
v. Endter (1801) bekannt. Es ist daher erfreulich, dass durch K ellers sorgfältige Ausgabe
die merkwürdige, für die K ulturgeschichte des 16. und 17. Jahrh. w ichtige Schrift, in der
über alle durch den Verfasser an 361 und 345 Personen vollzogenen Lebens- und Leibes­
strafen genau berichtet wird, wieder zugänglich gem acht ist. I s t auch die volkskundliche
Ausbeute nicht so gross wie in der oben 20, 232 angezeigten Schrift des Egerer Scharf­
richters K. H u s s ‘Vom Aberglauben’, so findet sich doch mancherlei Interessantes aus dem
Gebiete des Volksglaubens: Hände von ungeborenen oder neugeborenen Kindern zur Her­
stellung von Diebslichtern S. 5 nr. 22, S. 22 nr. 112, S. 55 nr. 206; verborgene Schätze
S. 45 nr. 182, S. 92 nr. 121, S. 112 nr. 259; Liebeszauber S. 82 nr. 9; Diebshoden S. 116
nr. 283. Erfreulich ist das v öllige Fehlen von Hexenhinrichtungen (s. dazuE inl. S. I I If.).
Für die Nam ensforschung wertvoll sind die oft derbkomischen Spitznamen der Ab­
geurteilten. [F. B.]
334
Notizen.
O tto K ö n n e c k e , R echtsgeschichte des Gesindes in W est- und Süddeutschland. Mar­
burg i. H., N . G. Elwertsche V erlagsbuchhandlung 1912. X X X II, 938 S. 21 Mk. — Der
In halt des um fangreichen Werkes, in dem übrigens ausser dem W esten und Süden auch
andere Teile Deutschlands sowie das benachbarte Ausland berücksichtigt sind, reicht zeit­
lich von der P eriode der Rechtsbücher (Sachsenspiegel, Schw abenspiegel, Stadtrechte) bis
in den Beginn des 19. Jahrhunderts hinein. H essen ist aus besonderen Gründen noch bis
1866 bearbeitet. Sachlich enthält das Buch einen kleineren, die Quellen in ihrer geschich t­
lichen Entw icklung behandelnden T eil und einen grösseren, in dem die Q uellen ihre
juristische Verarbeitung gefunden haben. Dabei hat der Verfasser die m it der Zeit als
B estandteile von D ienstverträgen aufkom menden und die neben dem G esinderecht sich
«innistenden Sitten teils gestreift, teils auch eingehender behandelt. Hierhin gehören z. B.
a lle sittenm ässigen Erscheinungen, die m it dem M ietgelde Zusammenhängen, die M ietfeste
der Hirten, die Schäfertage m it dem Bockessen, die L eitkaufgelage (W ein -oder Bierkäufe),
die Kolbel'braten und andere. Die B estim m ungen über das G eschenkwesen zeigen eben­
falls allm ählich zum G ewohnheitsrecht, zur Sitte gewordene Erscheinungen, das Opfer­
g e ld = W eihnachtsgabe, Neujahr, H alftergeld, Trinkgeld für den Gevatterbrief. W ie mit
dem D ienstantritt so hängen vor allem m it der Ziehzeit (Austritt) allerhand Bräuche zu­
sam m en. A bgesehen davon, dass bestim mte Zeiten wie heute noch schon vor Jahr­
hunderten, nach Ländern verschieden, üblich und bestim m te W ochentage beliebt waren
oder nicht, tritt besonders die in Bayern und sonst in Süddeutschland schon früh be­
käm pfte Schlender-, Schlenklzeit oder Rockenreiss, auch die Kälberweilen genannt, hervor.
An den alten Volksbräuchen nahm das Gesinde leicht erklärlicherweise grossen Anteil,
an den Tänzen, nam entlich Fastnachtstänzen, Kirchweihen, Um zügen und H eischegängen,
an dem Sternsingen, Lehnausrufen, Brunnenausfegen, an Rockenstuben und an so vielem
ändern. Man erfährt, wie die Polizei- und Gesindeordnungen und andere immer wieder
m it neuen Verboten gegen diese alten Bräuche einschritten und sie an vielen Stellen sehr
früh dem Untergange weihten. Eine lange Reihe von Sitten und Bräuchen, die im um­
fangreichen Sachregister durch Stichwörter leicht aufzufinden sind, wird in Könneckes
Werk aktenm ässig belegt, m anche zum ersten Male. Unleugbar ist das Buch selbst jetzt
ein e w ichtige Quelle für die historische Volkskunde. [Adam Wrede.]
T. N o r l i n d , Svenska allm ogens lif i folksed, folktro och folkdiktning. Med 255
illustrationer. Stockholm , B ohlin & co. 1912. V II, 695 S. in 29 H eften zu 0,30 Kr. —
Rasch und pünktlich hat Nordlind das schöne Werk über das schw edische Bauernleben,
auf dessen erste Lieferungen oben 22, 439 hingew iesen wurde, zu Ende geführt. Auch
die späteren K apitel zeigen die um fassende Kenntnis und Beherrschung des Stoffes, die
uns in den ersten Abschnitten entgegentrat, verbunden m it kurzer und schlichter Aus­
drucksweise.
N am entlich in der D arstellung der Bauerntrachten offenbart sich der
V orteil einer historischen Betrachtung, da N ., den W echsel der Zeiten betonend, den
Trachten der einzelnen Landschaften eine G eschichte der einzelnen K leidungsstücke seit
dem M ittelalter voraufschickt und die Veränderungen des Rockes, der Hosen, die Ein­
führung der Knöpfe, der K leidertaschen, die K opfbedeckungen, die B eilstöcke usw., die
Frauenmützen, Gürtel, Schmuck, Nadelbüchsen bespricht; die schonische Bauerntracht
leitet er z. B. S. 284 aus der älteren Soldatenuniform ab. Speise und Trank ziehen von
den Küchen- und Tafelgeräten an bis zum Tabak und zum bäuerlichen Sp eisezettel für
die einzelnen M ahlzeiten und W ochentage vor uns auf. — Der zweite H auptteil, die
g eistig e Kultur, wird ein geleitet durch eine Schilderung der verschiedenen G esellschafts­
klassen vom Bettler, Knecht, Hirten bis zum Handwerker, Hausierer, Glöckner und
Pfarrer hinauf. Dem K reisläufe des Jahres schliesst sich das darauf folgende Kapitel
über die Zeitm essung, die Runenkalender, die F este von der F astnacht bis zur W eihnacht
m it den dabei üblichen Bräuchen und Spielen an; die verschiedenen W eihnachtsgebäcke
sind auf S. 510. 518 abgebildet. Das dritte Kapitel ist der F am ilie gewidm et; Fam ilien­
zusam m enhalt (Stammtafeln) und hervorstechende Charaktereigenschaften wie K euschheit,
Fröm m igkeit und R einlichkeit und die H auptereignisse im Leben des einzelnen von der
Geburt bis zum Tode, B ildung und Aberglaube, nam entlich die Volksmedizin werden vor­
geführt. Besonders inhaltreich ist trotz ihrer Kürze die D arstellung der V olkspoesie, die
Notizen.
335
verm utlich auf Vorlesungen des Vf. beruht. Während N. sonst von Literaturnachweisen
absieht, führt er die W elt der V olkssage und des Märchens in ihren einzelnen Typen mit
den dazu gehörigen Zitaten vor und geht auch auf die Sprichwörter, Rätsel, Kinderreime,
N ecklieder, Balladen, den Tanz und die Musik ein. Den Beschluss inacht eine Geschichtc
der volkskundlichen Forschung in Schweden, die sich vom 16. Jahrhundert an bedeutender
Nam en wie Olaus Magnus, Rudbeck, Linne, H azelius rühmen kann, aber auch E m st
Moritz Arndt, den wir als den Unsern zu betrachten gewohnt sind, um seiner R eise in
Schweden (1804) w illen einen ehrenvollen Platz zuweist. Die in engem Zusammenhange
m it dem Texte stehenden Abbildungen sind säm tlich vortrefflich geraten. [J. B.]
A. O b e r h o lz e r , Thurgauer Sagen. Frauenfeld, Huber & Co. 1912. X , 87 S. 8°. 1,60 Mk.
— Im Thurgau hat zwar der Acker- und W einbau abgenom men, aber es gibt noch Gegenden,
die von Eisenbahn und Industrie unberührt blieben und wo noch kerniges, altes Sagengut
im Volksmunde lebt. 67 Sagen aus acht Bezirken hat 0 . zusammengebracht, darunter die
bekannten Legenden von Ida von Toggenburg, vom R ing im Fischbauch, vom Reiter und
dem Bodensee (Schwabs Gedicht), aber auch lustige Geschichten vom gefangenen Teufel
(S. 26), vom starken Esser (S. 52) und vom Dörflein W artenwil (S. 85); ferner einige
Pflanzensagen und Volksbräuche, z. B. die Eierlesete usw. fJ. B.]
E. O t t o , Das deutsche Handwerk in seiner kulturgeschichtlichen Entwicklung. 4. Aufl.
Leipzig, Teubner 1913. V III, 140 S. m it 12 Tafeln, geb. 1,25 Mk. (Aus N atur und G eistes­
w elt Nr. 14.) — D ie neue Auflage ist von der vorhergehenden (s. oben 18, 349) inhaltlich
nicht w esentlich verschieden, Verbesserungen haben besonders die Abbildungen erfahren.
H ingew iesen sei nochm als auf das volkskundlich interessante letzte K apitel ‘Aus dem
Handwerksleben vergangener Tage’ ; hier könnte vielleich t auf Grund von A .K ellers Buch
(s. oben S. 218) der A bschnitt über die Spottlieder noch reicher ausgestaltet werden. [F. B.]
E. S t r a s s b u r g e r , Über Naturdenkm äler, W üstungen, Warten und F lurteile in der
Gemarkung von Aschersleben. Zeitschrift des Harzvereins 45, 8 1 —116. S.-A. — Unter den
behandelten Naturdenkmälern ist von besonderem Interesse die sogenannte ‘Speckseite’,
ein etwa 2 m im Geviert m essender, 30 cm dicker Sandsteinblock auf einem dicht bei der
Stadt gelegenen Hügel. In die zahlreichen Hornspalten des Steines sind eine grosse
M enge von eisernen N ägeln getrieben, deren Herkunft durch verschiedene Überlieferungen
gedeutet wird; z. B. soll jeder Schm iedelehrling, der hier zum ersten Male vorbeikam,
unter Prügeln gezwim gen worden sein, einen N agel einzuschlagen. Bei Grabungen stiess
man im Jahre 1885 auf sechs m enschliche Skelette und andere Reste, die auf eine vor­
geschichtliche Begräbnisstätte schliessen lassen. Str. stellt alles über, die Speckseite
bekannt Gewordene zusammen und berichtet über einen ähnlichen m it N ägeln versehenen
Stein im Nordosten der Stadt.
(Eine Abbildung der Speckseite s. Daheim 48, 41.) Da
sich auch an anderen Orten Deutschlands solche vernagelten Steine finden (auch der
‘■Stock im Eisen’ in W ien gehört vielleich t hierher), wäre eine vollständige Sam mlung
ihrer Standorte, Masse usw., besonders aber der das Nageleintreiben deutenden Volkssagcn sehr wünschenswert. E s lie g t nahe, an Krankheitsvernagelungen zu denken. [F. B.]
W. U h l m a n n - B i x t e r h e i d e , Die rote Erde. Ein Heimatbuch für W estfalen. Mit
fünf Kunstbeilagen nach Werken w estfälischer Meister und Zeichnungen von Frida Teubler.
Leipzig, F. Brundstetter o. J. [1913]. 384 S. geb. 3,50 Mk. — Durch ausgew ähltc Stücke
aus den Werken früherer und lebender Autoren und einige O riginalbeiträge wird in Vers
und Prosa ein B ild von W estfalens Natur, Geschichte und Bewohnern gezeichnet. Unter
den novellistischen Abschnitten würde man gern ein Stück aus W ilhelm Raabes ‘Höxter
und Corvey’ sehen. Volkskundliches im engeren Sinne behandeln u. a. die Original­
aufsätze: Märkisches Landleben in alter Zeit, D er Pumpernickel, Das Volkslied in W est­
falen. Der vom V erlag in Bildschm uck und Einband prächtig ausgestattete Band wird
jedem Bewohner oder Freunde W estfalens eine erfreuliche Gabe sein. [F. B.]
J a k o b W e r n e r , Lateinische Sprichwörter und Sinnsprüche des M ittelalters aus
Handschriften gesam m elt (Sam m lung m ittellateinischer Texte, hsg. von A. Hilka, nr. 3).
H eidelberg, C. Winter 1912. V III, 112 S. 8°. 2,20 Mk. — Über 2500 Sprüche, aus sechs
Hss. (Basel, Darmstadt, München, Paris, St. Gallen) werden in alphabetischer R eihenfolge
zusam m engestellt. D ie gew öhnliche Form ist der Hexam eter und das Distichon, und zwar
N otizen. — Verbandstagung in Marburg a. d. Lahn.
336
m eist m it ein- oder zw eisilbigem Beim . Inhaltlich gehen die Sentenzen teils auf antike,
teils auf deutsche Vorbilder zurück, in den Fussnoten werden für die Herkunft kurze
N achw eise gegeb en , wobei sich der Sammler auf das N otw endigste beschränkt hat. Der
S. 104f. angehängte Index enthält die Schlagwörter, sow eit sie nicht am Anfänge der Verse
stehen. A uf diese W eise wird der Gebrauch des Buches, das zu den S. V III aufgezählten
Sammlungen eine wertvolle Ergänzung bietet, w esentlich erleichtert. [F. B.]
L. Z a p f, Der Sagenkreis des F ichtelgeb irges. 2. Auflage. Bayreuth, B. Seligsberg 1912.
X V I, 195 S. 8°. 2,50 Mk. — Von den m eisten Sagensam m lungen unterscheidet sich das 1873
zuerst erschienene B uch dadurch, dass es statt einer Reihe von Texten eine referierende
Ü bersicht über die hie und da gedruckten m ythologischen und geschichtlichen Sagen des
Fichtelgebirges liefert. Im 1. T eile bespricht der Vf. die Götter, weissen Frauen, Elben,
Tiere, Bäum e, Seelen, ohne immer an J. W. W olfs D arlegungen die wünschenswerte Kritik
zu üben, im 2. folgen die historischen und sagenhaften Überlieferungen über Venetianer,
Raubritter, H ussiten, Schweden und Zigeuner. Den Quellennachweisen fehlen leider regel­
m ässig die Seitenzahlen. [J. B.]
Abgeordnetenversammlung des Verbandes deutscher Vereine für
Volkskunde und Philologentag in Marburg a. d. Lahn.
A m 28. un d 29. S e p te m b e r
d ie s e s Jah res fin d et
in M arburg a. d. L ah n
e in e
A b g eo r d n ete n v e rsa m m lu n g d e s V e rb a n d es d e u tsch er V e r e in e für V o lk sk u n d e statt.
W ie a u s den so e b e n e rsc h ie n e n e n ‘M itteilu n gen d e s V e r b a n d e s d e u tsch er V e r e in e
für V o lk s k u n d e ’ (N r. 1 8) h erv o rg eh t, finden am 28. S ep te m b e r S itz u n g e n d e s A u s­
s c h u s s e s für d ie S a m m lu n g der S e g e n - un d Z au b erform eln und d e s V o lk s lie d ­
a u s sc h u sse s statt; am 29. fo lg t d ie S itzu n g d er A b g eo rd n eten , in der u. a. ü b er d ie
T ä tig k e it d er A u ssc h ü ss e s o w ie ü b er d ie B ib lio g r a p h ie B e r ic h te erstattet w erd en
so lle n . D e n T e iln e h m e r n w ird G e le g e n h e it g e g e b e n w erd en , u n ter sa c h k u n d ig er
F ü h ru n g d ie M arburger S a m m lu n g en h e s s is c h e r A ltertü m er zu b e sic h tig e n .
Au
d er V e r tr e ter v er sa m m lu n g k ön n en au ch n i c h t a b g e o r d n e t e M i t g l i e d e r der
V e r e in e m it b eraten d er S tim m e te iln e h m e n .
l n der v o l k s k u n d l i c h e n S e k t i o n der M arburger V e rsa m m lu n g d eu tsch er
P h ilo lo g e n u n d S ch u lm ä n n er (3 0 . S ep te m b e r b is 3. O k tober) finden fo lg en d e V o r ­
träge statt:
1. Dr. B ä c h t o l d (B a s e l), Z um R itu s der v e rh ü llte n H än d e.
2.
3.
I)r. K i s c h (S ie b e n b ü rg e n ), Ü b er d ie S ie b e n b ü r g er S a c h sen .
D r . K l a p p e r (B r e s la u ), B e d e u tu n g der sp ä tm itte la lte rlich en
4.
h an d sch riften für S a g e n - und M ä rch en forsch u n g.
P ro fe sso r S c h m i d t (K la u sen b u rg ), E r g e b n isse der M u n d arten forsch u n g
5.
in D e u tsch -U n g a r n .
P farrer S c h u l t e (G r o s s e n -L in d e n ),
6.
V o lk sa n sc h a u u n g e n ü b er F r ie d h o f und G rab se it d er R e fo rm a tio n .
D r. S p a m e r (M ü n c h e n ), D ie g e is tlic h e H au sm agd , G e sc h ic h te
W a n d lu n g e n
der
P re d ig t­
o b e r h e ssisc h e n
e in e s
r e lig iö s e n B ild er b o g e n s.
7. D r. U r t e l (H am b u rg), G eb ä rd en sp ra ch e in P ortu gal.
D ie B e rich te üb er d ie S itz u n g e n d e s V e r e in s für V o lk sk u n d e (A p ril-M a i)
w erd en , da der S ch riftführer, Hr. D r. K. B runn er, zu rzeit v e r r e ist ist, im 4. H efte
e rsch ein e n .
B ücher zur B esprechung in der Zeitschrift wolle man an die V erlags­
buchhandlung B e h r e n d & Co., B erlin W . 9, L inkstr. 23/4, senden.
°
B eitrittserklärungen zum Verein nehm en der 1. und 2. V orsitzende
Geh. R egierungsrat Prof. Dr. Max R o e d i g e r , B erlin W . 62, B ayreutherstr. 43,
und Prof. Dr. Johannes B o lte , SO. 26, E lisabethufer 37, sowie der Schatz­
m eister R itterg u tsbesitzer Franz T r e i c h e l , W. 30, Landshuterstr. 22,
entgegen.
Die nächsten Hefte werden u. a. bringen: A. A n d r a e , Hausinschriften aus Nord- und
M itteldeutschland; F. B o e h m , Volkskundliches aus der H um anistenliteratur des 16. und
17. Jahrhunderts; J. B o l t e , Bilderbogen des IG. bis 17. Jahrhunderts (Forts.); Zur
W anderung der Schwankstofl'e; Deutsche Märchen aus dem Nachlasse der Brüder
Grimm; H. C a r s t e n s , Volksglauben aus Schlesw ig-H olstein (Forts.); A. G e b h a r d t , Das
W indsheim er Martinslied; S. G r a f, H ianzische Märchen; H. H e u f t , W estfälische Hausinschriftcn (Forts.); B. H g , M altesische Legenden (Forts.); B. K a h le , Volkskundliche
N achträge (Forts.); E. L e h m a n n - N i t s c h e , Südamerikanische Volksrätsel; E. L e m k e ,
Volkstüm liches aus Sardinien; 0 . M e n g h in , Tiroler Hochzeits- und Prim izgebräuche;
C. M ü l le r , Nachbarreim e aus Obersachsen; L. N e u b a u r , W eitere N achträge zum Spruch
der Toten; C. P o s n e r , Volkstüm liche M ittel in der modernen Medizin; M. R o e d i g e r ,
Friedrich der Grosse in S age, Märchen und Volkslied;
G. B o h e im , Igelsagen;
P. S c h u l l e r u s , Glaube und Brauch bei Tod und Begräbnis der Romänen im Harbachtal
(Schluss); 0 . S c h ü t t e , Braunschweiger Sagen; D. S t r a t i l , W eihnachtslieder aus Mähren;
A. W e b in g e r , Volkslieder aus Oberösterreich: zusammenhängende Berichte über deutsche
und slawische Volkskunde.
Zeitschriftenschau.
Anzeiger des Germanischen Nationalm useum s 1012, 4. — M itteilungen aus dem Ger­
manischen Nationalm uscum hsg. vom Direktorium, Jahrg. 12. Nürnberg.
Bayerischer Heimatschutz (früher: Volkskunst und Volkskunde), hsg. von H. B ü c h e r
11, 5. München, Seyfried & Co. 1013.
Das deutsche Volkslied, Zeitschrift für seine Kenntnis und P flege, unter der Leitung von
Dr. J. P o m m e r , H. F r a u n g r u b e r und K. K r o n f u s s , hsg. von dem Deutschen
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Unser Egerland, Monatsschrift für Volks- und Heimatskunde, hsg. von A. J o h n 17 3 —<;
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Buda­
Paris,
etlmoLecheletterCoc k,
K ürzlich erschien:
Die Vorklassische Chronologie Italiens
von
Oscar Montelius.
T extband: v24(> Seiten m it 805 A bbildungen; .Mappe: :)!> Tafeln.
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Verlag von Behrend & Co. in Berlin W. 9.
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Dr. Paul Ehrenreich.
V III und 107 Seiten gr. 8°.
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