Vereins für Volkskunde

ZEITSCHRIFT
des
Vereins für Volkskunde
Begründet von Karl Weinhold.
Unter Mitwirkung von J o h a n n e s B o l t e
lierausgegebeu
von
Hermann Michel.
21. Jahrgang.
I I U K tW
Heft 2. 1911.
BERLIN.
B E H R E N D & C °.
1911.
Die Z eitsch rift ersch ein t 4 m al jäh rlich .
Inhalt.
Seite
K atholische Ü berlebsei beim evangelischen V olke. Von Richard
A n d r e e .................................................................................................. 113— 125
W eiteres über R übezahl im heutigen V olksglauben (Schluss).
Von Richard L o e w e .....................................................................12(5 —151
Etwas vom Messen der Kranken.
(D er rohe Faden.) Von
Theodor Z a c h a r i a e ...........................................................................151— 159
K leine M itteilungen:
Gereimte Märchen und Schwänke aus dem 16. Jahrhundert (1. Hans Sachs, Der
ritter m it der verzauberten nadel. 2. Die Feindschaft zwischen Hunden, Katzen und
Mäusen. 2 a. P eter H eiberger, Die hund m it dem brieff. 2b. Eucharius Eyring, W er wil
der Katzen die Schelln anhencken? 2 c. Guillaume Haudent, De la guerre des chiens,
des chatz et des souris. 3. Ein lied von einem eelichen volck. 4. Lorenz Wessel, Der
wandrer m it dem hasen. 5 Adam Meyer, Der lanczkneclit m it den hünern). Von J. B o ltc .
S. 160. — Albanesische Volkslieder (1. Lied von der Geliebten. 2. Das Lied von Chimara.
3. Liebeslied des Mädchens. 4. Janina. 5. Nik Dhim, der Türkentöter. 6. Lied von
einem reichen C-himarioten, den seine H irten umbrachten. 7. Liebeslied des Jünglings).
Von F. S a t t l e r . S. 173. — Ein altisländisches Rechenrätsel. Von A. G e b h a r d t. —
K labautermann. Von E. H a h n . S. 178. — Das ‘Borenleihen’ (Bärenführen).
Von
E. W e itla n d . S. 179. — Segen wider die Rose aus Masuren. Von E. S c h n ip p e i. S. 179.
Berichte und Bücheranzeigen:
N euere M ärchenliteratur. Von J. B o lte . S. 180. — Neuere Arbeiten zur slawischen
Volkskunde 1. Böhmisch und Polnisch. Von A. B r ü c k n e r . S. 198. — H. H a h n e , Das
vorgeschichtliche Europa (S. Feist). S. 208. — R. M a r e t t , Die Anthropologie und die
Klassiker (E. Samt er). S. 210. — S. B u g g e , Der Runenstein von Rök (A. Heusler).
S. 212. — E. F r i e d e i und R. M ie lk e , Landeskunde der Provinz Brandenburg Bd. 2
(K. Beucke). S. 214. — E. v. F r i s c h , K ulturgeschichtliche Bilder vom Abersee (M. AndreeEysn). S. 216. — Th. B i r t , Aus der Provence (J. Hirsch). S. 216.
Notizen:
Evangelien van den Spinrocke, Junk, Kittredge', Knrtum, Kühnau, Ranke S. 217—218.
Bernhard Kahle f (M. R o e d i g e r ) ....................................................
219
Aus den Sitzungs-P rotokollen des Vereins für Volkskunde
(K. B r u n n e r ) .............................
.........................................219— 224
B e it r ä g e fü r d ie Z e it s c h r if t , bei denen um deutliche Schrift auf
Quartblättern mit Rand gebeten wird, M it t e ilu n g e n im I n t e r e s s e d es
V e r e in s , K r e u z b a n d s e n d u n g e n beliebe man an den Herausgeber
Dr. Hermann M ic h e l, Berlin NW . 52, Spenerstr. 35, zu richten.
Bücher zur Besprechung in der Zeitschrift w olle man an die Verlags­
buchhandlung B e h r e n d & Co., B erlin W . 64, Unter den Linden 10, senden.
Beitrittserklärungen zum Verein nehmen der 1. und 2. Vorsitzende
Geh. R egierungsrat Prof. Dr. Max R o e d ig e r , Berlin W . 62, Bayreutherstr. 43,
und Prof. Dr. Johannes B o l t e , SO. 26, Elisabethufer 37, sowie der Schatz­
m eister Dr. Max F i e b e l k o r n , NW . 21, Dreysestr. 4, entgegen.
D er Jahresbeitrag, wofür die Zeitschrift an die M itglieder gratis und
franko geliefert wird, beträgt 12'Mk. und ist bis zum 15. J a n u a r an den
Schatzmeister zu zahlen, am besten auf das Konto „Dr. Max F i e b e l k o r n
und Geheimrat Dr. R o e d i g e r “ bei der D epositenkasse K der D eutschen
B ank in Berlin. Nach diesem Term ine wird er von den Berliner Mit­
gliedern durch die Paketfahrtgesellschaft eingezogen werden.
(Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.)
Katholische Überlebsei beim evangelischen Volke.
Von R ichard Andree.
R egel ist, dass jed e neu zur Herrschaft gelangende R eligion von
ihrer durch sie unterdrückten Vorgängerin
mehr oder minder auch im
O
O
Kultus beibehält. Sie schleppt diese E lem ente durch die Zeiten m it sich
fort, ändert sie, passt sie ihren Zw ecken an und macht sie dabei öfter so
unkenntlich, dass nur ein sorgfältiges Studium den Ursprung wieder er­
kennen lässt.
So ist es auch dem Christentum eraansen,
o o 1 das viel Jüdisches und
H eidnisches in sich aufgenom m en hat. Von den Juden hat es die W oche
und deren E inteilung; das christliche Osterfest ist aus dem jüdischen
Passahfeste hervorgewachsen usw., so dass man sagen kann, die christliche
Kultusordnung sei jüdischer H erkunft. Und ebenso entstammt vieles dem
H eidentum . D ie w ichtigste Ergänzung des christlichen Festkalenders aus
dem H eidentum ist das W eihnachtsfest, auch B itt- und Sühngänge und
H eiligenfeste sind von der Kirche nach Massgabe heidnischer F este fixiert
worden, Kerzen und W eihrauch entstam m en dem Heidentum , und wenn
der H eiligen k u lt auch aus der Verehrung der Märtyrer herauswuchs, so
nahm er doch immer mehr die Form en des H eroenkults an. Auch W eih­
geschenke und A m ulette entlehnte die Kirche aus dem Heidentum . Dass
der Übergang von einer R eligion in die andere sich nur stufenw eise voll­
ziehen konnte, lieg t auf der Hand. Manches, was noch heidnisch war,
wurde von den Bekehrern in politischer W eise anfangs noch geduldet, um
es dann später zu unterdrücken, während anderes durch die Jahrhunderte
m itgeschleppt wurde bis auf den heutigen Tag. Und darüber sind anderthalb
Jahrtausende vergangen.
Ist es da zu verwundern, dass bis zur Gegenwart im V olke bei den
Bekennern der evangelischen Kirche, die doch kaum 400 Jahre alt ist,
sich noch echt katholische Gebräuche und Anschauungen erhalten haben,
die von jener verworfen werden? Zähe hält das V olk an m ancherlei auf
diesem G ebiete fest, zumal in jen en Gegenden, wo die K onfessionen
gem ischt oder einander benachbart sind und das katholische B eisp iel den
Zeitschr. d. Vereins f. Volkskunde. 1911. Heft 2.
8
114
Andree:
Evangelischen stets vor A ugen schwebt. D ie vielen Ä usserlichkeiten des
katholischen Kultus, die im evangelischen fortfielen, trugen dazu bei, dass
das Y olk darin etwas B esonderes und kräftiger W irkendes, als im ein­
fachen, nüchternen protestantischen K ultus erblickte.
D ie von den
Protestanten m it der Zeit nicht mehr verstandenen katholischen Kult­
handlungen erschienen als etwas G eheim nisvolles, regten die Einbildungs­
kraft an, und das Y olk schrieb ihnen eine besondere Kraft zu. Und diese
Kraft übertrug man auf die k a t h o l i s c h e n G e i s t l i c h e n , die man vielfach
mit Zauberkräften ausgestattet wähnte und nach dieser Richtung hin den
protestantischen als überlegen ansah.
Ich habe das im H ildesheim schen, wo die K onfessionen durcheinander­
gehen, erfahren. A lles, was sich auf Zauberei und abergläubige H andlungen
bezieht, kann dort w eit w irkungsvoller von einem katholischen G eistlichen
als von einem evangelischen ausgeführt werden, wozu manche katholische
Handlung, w ie das W eihen neuer Häuser, das Ausräuchern von Ställen usw.,
Anlass g e g eb en -haben kann. A llen E rnstes erzählte mir noch ein ‘A ll­
vater’ nam ens Brandes, dass, als in Ölsburg ein Verstorbener namens
R ittm eyer spukend in seiner W ohnung um ging und die Überlebenden
belästigte, man einen katholischen G eistlichen gerufen habe, um den G eist
zu bannen, ‘denn ein lutherischer kann so was nicht’ 1). Im Oldenburgischen
haben wir die gleiche V olksm einung. Man erzählt: Zu Vechta stritten
sich ein evangelischer und ein katholischer G eistlicher darüber, w elche
von beiden R eligion en die stärkere sei und ihren Priestern die m eiste
Gewalt über die bösen Geister gebe.
Um das auszuproben, holte man
einen ‘bösen G eist’ aus der H eide und setzte ihn auf einen Tisch, da
wurde er zu einem schwarzen Hund. D er katholische G eistliche steckte
ihm zum Zeichen seiner G ewalt den Arm bis an die Schulter in den
geöffneten R achen und zog ihn w ieder unversehrt heraus.
Als aber sein
protestantischer K ollege das gleich e tun w ollte, schnappte der Hund zu,
so dass jener eiligst zurückfuhr. D a ward offenbar, bei wem die grössere
Kraft zu finden w ar2).
In Ostpreussen bitten E vangelische b ei schwerem U nglück, besonders
auch, wenn Verstorbene um gehen, um die Fürbitte katholischer Priester
als besonders wirksam und machen G eschenke an deren Kirchen. Das
protestantische Landvolk Ost- und W estpreussens w endet sich, wenn es
durch unm ittelbare Verm ittlung des H im m els etwas erreichen w ill, z. B.
die Entdeckung eines D iebstahls, nicht an seinen eigenen, sondern an
einen katholischen G eistlichen, und wenn dort katholische Prozessionen
nach W allfahrtsorten ziehen, so geben viele evangelische L eute den W all­
fahrern Geld, um dort für sie zur H eilu ng von K rankheiten beten zu la ssen 3).
1) R. Andree, Braunschw eiger Volkskunde 2 S. 377.
2) Strackerjan, Aberglaube aus Oldenburg 2, 4 (1867).
3) W uttke, Der deutsche Volksaberglaube 3 § 207.
Katholische Überlebsei beim evangelischen Volke.
115
Im B eginne der Reform ation herrschte selbstverständlich eine Art
Verwirrung in der Kirche, und die Besucher richteten sich noch nach den
alten längst gewohnten Bräuchen, die erst allm ählich abgestellt wurden.
Ich w ill diese Übergangsverhältnisse an dem B eisp iele der Kirchen­
ordnung Joachim s II. von Brandenburg im Jahre 1540 erläutern, in welcher
viele katholische E lem ente erhalten blieben. B ei der Taufe wurden der
Exorzismus, die Salbung m it Chrysam, das Kreuzmachen beibehalten.
Auch die B eichte beliess Joachim II., lateinische Lieder, Chorröcke und
Kasein blieben. Prozessionen am Markustage, zu Ostern und am P alm ­
sonntage, die katholischen F este Circumcisio domini und Fronleichnam
blieben, ebenso die F este der H eiligen Stephan, Lorenz, Martin, Katharina
und Fasttage wurden m it der Begründung beibehalten, „weil Brandenburg
Überfluss an F ischen habe.“ D iese aus der katholischen Kirche herüber­
genom m enen B estandteile der Kirchenordnung Joachims II. verschwanden
erst nach und nach nicht ohne erbitterte K äm pfe1).
Auch in der Beurteilung des W e i h w a s s e r s herrschte Verwirrung.
Luther war in dieser Beziehung anfangs schwankend und unentschieden.
D em katholischen Begriffe des benedizierten W assers nachgebend (im
kleinen und grossen K atechism us) erklärte er das Taufwasser als göttlich,
him m lisch, heilig und selig W asser, während die evangelische Kirche dann
die besondere Konsekration des Taufwassers abschaffte2).
Aber noch jetzt wird die dem W eihw asser innewohnende Kraft in
evangelischen T eilen Oldenburgs gewürdigt. Man besprengt damit die
Stuben, um bösen Zauber von diesen oder den Menschen abzuhalten. In
der oldenburgischen protestantischen G eest werden katholische G eistliche
zu diesem Zw ecke aufgesucht3).
D ie h e i l k r ä f t i g e n h e i l i g e n Q u e lle n und W ässer, die in un­
gem essener Zahl heute noch in katholischen K apellen und an W allfahrts­
orten sprudeln, von Hunderttausenden von Pilgern benutzt werden und
ein reinliches Erbstück des H eidentum s sind, haben noch vielfach ihre
Bedeutung auch bei Evangelischen behalten und werden von diesen, wie
von den K atholiken benutzt, w iew ohl die evangelische G eistlichkeit dagegen
kämpfte. In der Übergangszeit war die Quellenverehrung natürlich noch
w eit stärker, während sie heute nur noch sporadisch bei Evangelischen
nachweisbar ist. E ine W olfenbüttler Handschrift vom Jahre 1584, also
bald nach der Durchführung der Reform ation im Braunschweigischen,
berichtet von einer solchen Quelle bei Adersheim , aus der die L eute
H eilung tranken und bei der sie noch ganz in alter Art opferten, indem
sie an die benachbarten Sträucher Lum pen, Hosenbänder, Nesteln, Kränze,
1) J. Sonneck, Die B eibehaltung katholischer Form en in der Reformation Joachims II.
von Brandenburg. Rostocker D issertation 1903, S. 11.
2) H. Pfannenschmid, Das Weihwasser 1869, S. 134.
3) Strackerjan a. a. O. 2, 10.
8*
116
Andree:
K erbhölzer und andere D in ge anknüpften1), ein vielfach auch anderwärts
bekannter Brauch.
K irchliche Verbote von protestantischer Seite gegen die ursprünglich
heidnische und durch den K atholizism us überkom m ene Quellenverehrung
sind nicht immer befolgt worden, und so wuchert sie noch hier und da
fort. D ie St. Y eitskap elle zu W ieseht in M ittelfranken war in katholischer
Zeit ein berühmter W allfahrtsort, der 1559 evangelisch wurde. Bis zum
Jahre 1671 befand sich noch unter der K anzel ein vergittertes, m it W asser
gefülltes Loch, das man in Töpfen heraufzog und gegen Augenschm erzen
nach alter Art benutzte. D er evangelische Pfarrer schrieb damals an das
K onsistorium zu Ansbach: „Ich habe dieses U nw esen zwar insow eit
abg-estellt,
dass es in m einem B eisein nicht mehr verrichtet wird,' aber
O
7
wenn ich hinw eg bin, geht es gleichw ohl vor“ 8). — Schon im 18. Jahr­
hundert käm pfte das evangelische Konsistorium zu Lauterbach in H essen
gegen ein ähnliches Augenw asser, drohte selbst mit harten Geldstrafen,
aber ohne Erfolg. Noch jetzt wird das R egenwasser, das sich in einem
alten gotischen Taufstein bei der evangelischen T otenkapelle von Meiches,
hessisches Am t Schotten, sam m elt, als heilkräftiges Augenwasser, w ie in katho­
lischer Zeit, benutzt, in Flaschen geholt und sogar bis Am erika versch ick t3).
U nd im protestantischen Dänem ark ist es gerade so, auch von dort
finde ich ein Zeugnis, dass gerade h eilige Quellen und deren W irkungen
sich ungew öhnlich zähe erhalten.
Hans Christian Andersen hat uns in
seinem Rom an ‘Nur ein G eiger’ eine genaue Schilderung von dem Kult
hinterlassen, der bei der St. R egissen qu elle in der G egend von Nyborg
zwischen den Dörfern Oerebäk und Frörup betrieben wird. D ie Quelle
hat den N am en nach einer gottesfürchtigen Frau, deren Kinder ermordet
wurden. An der S telle aber, wo dieses geschah, entsprang eine herrliche
Quelle, über w elcher fromme P ilg er eine K apelle erbauten. Jedes Jahr,
an St. B oelm essentag, wurde bis zur R eform ationszeit hier gepredigt und
erwies sich die Q uelle als heilkräftig. Und das ist sie in der Meinung
des evangelischen V olkes bis jetzt geb lieben. Nur treten die W irkungen
in der Johannisnacht auf. D ann bringt man die im F reien lagernden
Kranken dorthin und wäscht sie m it dem Quellwasser. D ie Quelle ist
von hohen Bäumen umschattet, an denen das Volk noch heutigen Tages nach
katholischer Sitte seine Opfer befestigt, die in einigen Lichtern bestehen.
Sehen wir so schon nach diesen B eispielen, dass die alte Q uellen­
verehrung sich aus dem K atholizism us in die protestantische Zeit hinüber­
gerettet hat, so ist dieses in noch w eit gesteigertem Masse bei den W a l l ­
f a h r t e n und der Darbringung von V otiven der Fall. Luther hatte gegen
1) Braunschweigisches Magazin 1905, S. 5(>.
2) B eiträge zur Bayerischen K irchengeschichte, Band 9, Heft 6.
N ach Hess. B lätter f. Volkskunde 3, 93.
3) Hessische B lätter für Volkskunde 3, 92.
Erlangen 1903.
Katholische Überlebsei beim evangelischen Volke.
117
die W allfahrten geeifert und in einer P redigt gesagt: „W enn der Geist
des W allfahrens in dein W eib oder deinen K necht fährt, so höre m einen
Rat, nimm einen Kreuzstock von Eichenholz und h eilige ihren R ücken
tapfer m it einigen Schlägen, und du wirst sehen, w ie durch diesen F inger
Gottes jen er Däm on ausgetrieben wird“ 1). Indessen ganz ist dieser Dämon
doch nicht bei Evangelischen bis auf den heutigen T ag ausgetrieben,
und auch hier erfolgte die Abschaffung nur allmählich. Sehr schwer ist
das z. B. in dem berühmten holsteinischen W allfahrtsorte Büchen geworden,
wo h eiliges Blut, eine wundertätige H ostie und ein wundertätiges Marien­
bild verehrt wurden. Um die W allfahrt auszurotten, vernichtete man die
H ostie, aber noch im Jahre 1581 kam en die „Bedefahrer“ dorthin und
nun verbot man bei schwerer Strafe die Kirche zu öffnen und Opfer an­
zunehmen.
1590 berichtet der dortige Pastor, der Aberglaube daure
trotzdem heim lich fort, und um ihn gänzlich auszurotten, liess man die
K apelle zerstören und das K irchensilber v erk au fen 2).
Für den Fortbestand evangelischer W allfahrten in der Gegenwart
liegen B eisp iele vor.
„W ie vor der Reformation so ist heute noch
die M argarethenkapelle zu R ennhofen (b ei Neustadt a. d. Aisch) für
Protestanten ein W allfahrtsort, wo Gelübde gelöst, Linderung leiblicher
und geistiger G ebrechen für Menschen und Y ieh gesucht und reiche Opfer
gespendet w erden“ schreibt Dr. G. L am m ert3).
R eichlich sind die katholischen Ü berlebsei bei den evangelischen
Masuren in Ostpreussen vorhanden. Noch im B eginne des 18. Jahrhunderts
wallfahrteten sie zu den R uinen der K apelle, w elche an der Stelle der
Schlacht von Tannenberg (1410) errichtet war. In einer Eingabe an die
R egierung zu K önigsberg von 1719 wird über das ‘abergläubische U nw esen’
geklagt, w elches dort, sowohl von lutherischem als päpstlichem V olke
getrieben wird. Man opfere dort „ein gew isses Geld, auch von Wachs
gem achte Figuren in Form von Hand, Fuss oder, wenn das Kopfweh
durch die W allfahrt gehoben werden solle, in Form eines wächsernen
Kranzes“ 4).
W o sich, in Anknüpfung an katholische W allfahrten, dem evangelischen
Masuren G elegenheit bot und noch bietet, da ist er dabei, wofür bei
iö p p e n sich B elege finden6), so die W allfahrten nach der heiligen Linde
bei R össel im Saarburger K reise und nach D ietrichswalde. W ie zahlreich
einst die protestantische B evölkerung nach Zluttowo bei Löbau pilgerte,
lässt sich daraus erm essen, dass einm al die Kirchenvisitation in Mühlen,
w elche auf den 6. August festgesetzt, war, verschoben werden musste, woil
1)
")
3)
4)
5)
A. H ausrath, Luthers Leben 1, 115.
Zeitschrift „N iedersachsen“ 13, 327 (1908).
Lamm ert, Volksmedizin in Bayern 18(59, S. 23.
M itteilungen der literarischen Gesellschaft Masovia 1906, S. 73.
Aberglauben aus Masuren 2 S. 10 f.
118
Andre e:
an diesem Tage ein grösser T eil der Schulkinder m it ihren Eltern sich
auf dem Ablassm arkte zu Zluttowo befand. Dort liess man sich W ein
segnen oder gar Ablass geben.
Für W allfahrten E vangelischer in H essen gibt uns das schon er­
wähnte ‘T otenkippel’ beim D orfe M eiches den B eleg. Am zw eiten Pfingsttage wallfahrten aus den evangelischen D örfern H elpershein, Dirlam m en,
Engelrod, H örgenau und E ichelhain kranke L eute dorthin, um im Opfer­
stock dort zu opfern, in der Voraussetzung, dass sie dadurch gesu n d en 1).
D iese W allfahrten sind einfache Fortsetzungen der alten katholischen, da
das T otenkippel eine alte St. G eorgskapelle und W allfahrtsort war, zu
dem, schon als es evangelisch war, noch im 19. Jahrhundert einzelne
K atholiken wallfahrteten.
Dazu noch ein B eisp iel aus N orwegen.
In der Kirche zu R öldal
befand sich in katholischer Zeit ein wundertätiges Christusbild, zu dem
in der Johannisnacht die L eute wallfahrteten, um m it dem Schw eisse, den
das B ild von sich gab, K rankheiten, nam entlich B lindheit zu heilen.
Zahlreiche zurückgelassene V otive legten von den H eilerfolgen Zeugnis
ab. D ie W allfahrt nach R öldal wird zuerst im 17. Jahrhundert erwähnt,
also in protestantischer Zeit, w iew ohl sie natürlich älter ist. Professor
B. K ahle, der dort war und dem wir obiges entnehm en, schreibt: „Höchst
m erkwürdig ist es, w ie lange sie sich in diesem protestantischen Lande
erhalten hat: Sie wurde erst im Jahre 1840 infolge eines Berichtes der
Propstei von R yfylk e durch den (protestantischen) B ischof von Kristianssand abgeschafft. W ie mir der Pfarrer von R öldal erzählte, seien in den
letzten Jahren der W allfahrt die L eu te vom
Ort freilich nicht mehr
gläubig gew esen, aber von weither sei man noch gekom m en“ 2).
Auch b ei den heut noch so vielfach in katholischen Landen vor­
kom m enden P ferde- und V iehsegnungen b eteiligen sich gern Evangelische.
So z. B. bei der P ferdesegnung von Gaualgesheim im R heingau am
L aurenzitage3).
Ziem lich verbreitet ist auch die öfter mit W allfahrten zusam m en­
hängende D a r b r in g u n g v o n O p fe r n in Geld und Naturalien und von
W eihegeschenken, W achsvotiven usw., ganz nach alter katholischer Art, in
evangelischen Kirchen bis auf unsere Tage. Am stärksten m usste natürlich
diese Fortdauer noch in der Z eit gleich nach der R eform ation sein, und
die ersten evangelischen G eistlichen hatten genug damit zu tun, die alten
katholischen G ewohnheiten auszurotten.
So berichtet am Ende des
lß . Jahrhunderts der erste evangelische Superintendent vom braun­
schw eigischen
D orfe Engerode: „Es geschieht aber noch bisw eilen an
diesem Orte A bgötterey, diew eil im Babstthum b daselbst gross Ablass
1) Hessische B lätter für Volkskunde 3, 89.
2) Archiv für Religionswissenschaft 12, 147.
o) Mitt. d. Ver. f. Nassauische Altertumskunde, Ju li 1909, S. 73. Globus 97, 133.
Katholische Überlebsei beim evangelischen Volke.
119
gew esen, die Leute oft noch kom m en und was sie in ihren N öten gelobt,
darbringen, als Arme, B eine, Hände, F üsse, Kreuze, Kinder u. dgl. von
W achs aufhängen in die Ehre unsrer L ieben F rauen“ 1).
D as hielt aber, trotzdem dagegen gewirkt wurde, in jenen Gegenden
noch lange an, worüber der Harzburger Superintendent Andreas Krieg
uns ausführliche Schilderungen hinterlassen h at2).
W ir müssen da eine
Abhandlung* über den sagenhaften Harzgötzen Krodo samt vier ‘Salzpredigten des frommen Superintendenten über uns ergehen lassen, bis er
Seite 24 darauf kommt, dass in Harzburg Abgötterei und Aberglauben,
w elche tiefe W urzel zu schlagen pflegen, nicht gänzlich ausgerottet werden
können. Und nun klagt K rieg darüber, dass in der damals noch vor­
handenen alten, ehem als katholischen K apelle auf dem Burgberge noch
katholische K ulthandlungen vorkam en, indem nicht allein in der N ähe,
sondern auch aus w eit abgelegenen Orten v iel presshafte Kranke und au
Händen und F üssen Lahm e, auch blinde L eute, sich durch M ittel auf die
Harzburg, durch K onivenz des Pförtners, gemacht, ihr Gebet vor dem
Altar verrichtet, ein w enig Geld in den ‘Armen Sack’ geleget und dann
das ungesunde L eib esglied in W achs abgebildet in der Kirchen auff und
an die W and nebst den Krücken, worauff sie hinauff gekrochen, gehenckt,
und sich alsdann gesund davon gem acht.
„Es wird auch beständig berichtet, dass an der Mutter Maria Rock,
w elches B ildnis auff dem Altar gestanden — — — Krücken und ab­
gebildete W achsbilder der m enschlichen Glieder von der Kirchen ab­
genom m en und also diesem neuen Greuel durch die hohe christliche
O brigkeit das F in al gem acht w orden.“
Im Jahre 1654 wurde dann dieses K irchlein auf der Harzburg auf
B efehl des H erzogs A ugust ‘gänzlich dem oliert’. Mit den ‘von press­
haften Leuten zurückgelassenen K rücken’ ist man aber ganz besonders
' ei fahren. D er über die katholischen Ü berlebsel empörte evangelische
Superintendent, der indessen kaum aufgeklärter als die armen, zur Mutter
Maria pilgernden Kranken gew esen sein wird, erzählt nämlich auf S. *25
von den geopferten Krücken, „dass selbige der damahlige Ambt-Mann,
Caspar W iedem ann, herüber auffs Am bt (in Harzburg) fahren lassen und
»ntendiert ein Gebrau Breyhan damit brauen zu lassen.
Als aber die­
selben unter die Pfanne gesteck et worden, ist ein solcher Lärm im Brauhause entstanden, dass nicht allein kein Mensch darinnen verbleiben
können, sondern das Bier dergestalt missrathen, dass auch die Schweine
selb iges nicht geniessen m ögen. So gibt der H öllen-G eist seinen Unmuth
zu erkennen, wenn sein R eich zerstöret wird.“
1) Braunschweigisches Magazin 1898, S. G7.
-) Andreas K rieg, H artzburgscher M ahl-Stein usw.
König 1709.
Goslar bey Joh. Christoph
Andree:
120
E in anderes B eisp iel aus der Ü bergangszeit, w obei es sich um die
Fortdauer des lebenden T ie r o p f e r s nach noch heute in Süddeutschland
üblicher Art in der protestantischen schon erwähnten St. V eitskapelle bei
W iescht in M ittelfranken handelt. Zu Zeiten des evangelischen Pfarrers
H orn (1 6 3 2 — 1661) wurde dort eine lebende Kuh geopfert und an den
Kirchthurm gebunden.
1671 berichtet der evangelische Pfarrer an das
Konsistorium zu Ansbach: „Von jungen Hühnern geht wenig- ein, w elche
man sonst häufig geliefert und in einem gew issen Behälter in der K apelle
gesperrt. W eil ich aber dieses w egen des Krähens unter der P redigt
nicht leiden w ollen, so unterlässt man’s. D och bringt man manchmal etwas
von Hühnern in m ein H aus“1).
Auch bei dem schon erwähnten evangelischen T otenkippel von
M eiches in H essen werden — w enigstens noch in der zw eiten H älfte des
19. Jahrhunderts — Naturalopfer von E vangelischen auf dem alten Stein­
altar niedergelegt, Mehl, Früchte, Kleider, H em den und ein Mann, der an einer
Salzfluss genannten F lechte litt, liess dort einen Zentner Salz hinschaffen2).
Von den Masuren O stpreussens w issen wir, dass sie noch im 16. Jahr­
hundert trotz der W irksam keit der katholischen G eistlichkeit die alten
heidnischen Götter anriefen und ihnen Opfer brachten. E s ist daher auch
nicht zu verwundern, wenn wir bei diesem slawischen Volksstam m e,
trotzdem er schon lange (nach 1525) die Reform ation angenom men hat,
noch eine ganze Anzahl katholischer U berlebsel finden, von denen er sich
nicht losm achen kann, w eil er m it ihnen eine wundertätige Kraft ver­
bunden g la u b t3). Opfer in Kirchen niederzulegen ist bei ihnen etwas
ganz Gewöhnliches. W enn für die G enesung einer Epileptischen geopfert
wird, so geschieht dieses gleichzeitig in drei Kirchen, von denen aber
eine eine katholische sein muss.
Am 6. August (T ag der Verklärung
Jesu) werden von den Masuren Opfer in katholischen Kirchen nieder­
gelegt, und sie strömen dann scharenweise zum katholischen Gottesdienst.
D as hat nach einem Synodalberichte des Superintendenten Sclielling in
Marggrabowa vom Jahre 1882 in letzter L in ie einen sprachlichen Grund.
„W eil das W ort Verklärung in der polnischen Sprache m it dem W orte
‘Um wandlung’ w iedergegeben wird, so hat sich in der katholischen Kirche
und von dorther auch bei den Masuren die Vorstellung ausgebildet, dass
die F eier dieses T ages den Teilnehm ern eine Um wandlung ihrer be­
sonderen Ü bel und L eiden einbringt, besonders w enn sie ihre Gebete m it
A ltargeschenken b eg leiten “ 4).
Durch Opfergaben können auch die a r m e n S e e l e n bei den evan­
gelischen Masuren erlöst werden. E ine Frau opferte fünf Silbergroschen
1)
2)
3)
4)
B eiträge zur bayerischen Kirchengeschichte, Band 9, Heft <5. Erlangen 1903.
Hessische B lätter für Volkskunde 3, 88.
Vgl. dazu A. Zweck, Masuren. S tu ttg a rt 1900, S. 215.
P. Hensel, Die evangelischen Masuren. Königsberg 1908, S. 4:5.
Katholische Überlebsei beim evangelischen Volke.
121
für den Mann, dessen Seele keine R uhe finde, und sprach dabei die
Hoffnung aus, dass eine glückliche Seele diese fünf Silbergroschen finde
und durch G ebet die arme Seele erlösen möchte. W enn das Opfer an
eine katholische Kirche käme, wäre es wirksamer, als an eine evangelische,
glaubte s i e 1).
Selbst Naturalopfer, Mehl und W achs, an katholische
Kirchen kom m en noch vor.
Dass auch heim lich in evangelischen Kirchen in versteckter Form
Geldopfer dargebracht werden, dafür lieg t ein B eispiel vor; es handelt
sich um den heiligen Ort, im Glauben dadurch eine W irkung zu erzielen.
Als im Jahre 1900 m it dem Abbruche der alten baufälligen Kirche zu
Bukow bei Lübbenau in der N iederlausitz begonnen wurde, fand man in
den Spalten der alten H olzsäulen und Balken viele Taler und Zweitaler­
stücke aus dem 18., w eniger aus dem 19. Jahrhundert versteckt. Jedes
einzelne Geldstück war in Papier eingeschlagen.
Als Grund wurde an­
gegeben, dass man auf diese W eise opfere, wenn ein Kind gestorben sei
und man die übrigen vor dem gleichen Schicksale bewahren w olle“ 2).
E ine besondere Art der W eihgeschenke stellen die S c h i f f s v o t i v e
dar, die bei den Seefahrern katholischer Länder oft in grösser Anzahl in
den Kirchen aufgehängt werden von Schiffern, welche Seenot glücklich
überstanden haben und nun zum D anke in den Kirchen des h. Nikolaus,
des Patrons der Seefahrer, oder in den Marienkirchen von der D eck e
herabhängen oder an den P feilern befestigt werden. R eich an solchen
Schiffsm odellen sind z. B. die H eiligtüm er der Notre Dam e de Roc-Amadour
(französische N ordküste), die Kirche der Maria d’Annunziata auf der
dalm atinischen Insel L ussin piccolo; ein k lein es Museum solcher Schiffsvotiye fand ich in der Kirche der Madonna del Soccorso zu Forio auf
schia, wo die V otive vom 18. Jahrhundert an bis auf die Gegenwart
reichen.
Schon früher8) habe ich darauf hingew iesen, dass bei unseren nord­
deutschen evangelischen Schiffern sich dieser katholische Brauch, ein
Zeichen der D ankbarkeit an die him m lischen Mächte für Errettung aus
Seenot, forterhalten hat. Und w enn es auch nicht immer sich um die
A ufstellung eines Modells des dem Untergange entrissenen Schiffes handelt,
so findet doch eine einfachere Form der D ankbezeugung statt.
A uf den
schlesw igschen H alligen bittet ein von langer Fahrt glücklich zurück»ekehrter Seem ann den Pastor, am nächsten Sonntag nach der Predigt
ein öffentliches D ankgebet für ihn zu sprechen, wofür er eine k lein e
Summe zu zahlen p flegt4). Noch heute sind Schiffsmodelle in den Kirchen
1) lö p p en , A berglauben aus Masuren 2 S. 7.
^ N ach einem Berichte aus Lübbenau in der Frankfurter Oderzeitung
10- APril 1900.
i>) K °rrespondenzblatt der deutschen Anthropolog. Gesellschaft 1905, Nr. 10.
4) E. T raeger, Die Halligen der Nordsee 1892. S. 50.
vom
12-2
Andree:
an der Ost- und Nordsee nicht selten, und sie reichen zum T eil, w ie die
Form en der Fahrzeuge bew eisen, in alte Zeiten, aber kaum in die vorreform atorische zurück. Auch in der Sage spielen diese Schiffsm odelle
eine R olle, so das noch heute in der evangelischen Pfarrkirche zu Rambin
auf R ügen aufgehängte1). Von dem bewährten K enner der pom merschen
V olkskunde, Herrn Professor A. Haas in Stettin, an den ich m ich um
Auskunft w endete, erhielt ich noch eine Anzahl auf Schiffsvotive in evan­
gelischen Kirchen bezügliche Angaben, die auch nach seinen Beobachtungen
erst in evangelischer Zeit gestiftet wurden, einm al zum A ndenken solcher
Schiffer, die auf S ee blieben oder aus dankbarer Erinnerung an eine er­
folgte R ettung aus Seenot. Als B eisp iele führt mir Herr Professor Haas
an ein Schiffsm odell von 1777 in der Kirche zu Lübzin am Dam m schen
See und mehrere aus evangelischen Kirchen in das Pom m ersche A ltertum s­
museum zu Stettin gelangte Schiffsm odelle, die teilw eise auf das 16. bis
17. Jahrhundert zurückgehen. E ines stellt ein V ollschiff aus der ersten
H älfte des 19. Jahrhunderts, unter Kapitän W ilhelm Bödow aus Stepenitz,
dar. Er verlor im Sturme bei Kap Horn seinen Steuermann. Ihm zum
A ndenken wurde das M odell angefertigt und seinerzeit in der Köpitzer
K irche aufgehängt.
Auch in Schw eden haben sich solche Votivschiffe
lange in der evangelischen Zeit erhalten, w ie die Exem plare im Nordischen
Museum in Stockholm bew eisen.
Sie hingen vordem in den Kirchen
norw egischer und schw edischer Küstenstädte, als Zeichen der D ankbarkeit
für Errettung aus S e e n o t2).
Und nicht nur die V otivschiffe in alter W eise lassen sich nachweisen,
sondern auch, w enigstens an die Schiffahrt anknüpfend, auch V o t i v ­
b ild e r . D ie Chorfenster der K irche zu G ross-Zicker auf der H albinsel
Mönchgut enthalten G lasm alereien, w ahrscheinlich Erzeugnisse nieder­
ländischer K ünstler aus dem 16. bis 17. Jahrhundert, die ältesten von 1595,
w elche vielfach Schiffe darstellen.
E ines dieser B ilder zeigt einen vom
Maste in die See stürzenden Mann, also wohl die D arstellung eines w irk­
lichen V organges3).
D ie Übereinstim m ung m it der D arstellung von
U nglücksfällen, w ie sie so vielfach auf den Votivtafeln der katholischen
Kirchen erscheinen, lieg t hier klar vor, wenn auch ein Gelöbnis, w ie es
sich bei den K atholiken in solchen F ällen findet, hier sich nicht nach­
w eisen lässt, sondern mehr der historische Vorgang betont zu sein scheint.
In der Übergangszeit der Reform ation herrschte bezüglich des Kultus
häufig Verwirrung. E s gab G eistliche, die nach B elieben ihrer Pfarrkinder diese auf katholische oder evangelische W eise bedienten.
Das
drückte sich auch b ei Luther aus, der m anchen katholischen Brauch erst
1) Jahn, Volkssagen aus Pom m ern 1886, S. 43. Haas, Rügensche S a g e n 2 S. 139.
2) Hazelius, Guide to the Collections of the N orthern Museum 1889, S. 50.
3) Baltische Studien 15, 2, S. 166. Haas und Worm, Die H albinsel Mönchgut
11109, S. 40.
Katholische Überlebsei beim evangelischen Volke.
223
nach und nach abstreifte. Im K leinen Katechismus, der die ‘Eierschalen
der Papstkirche an sich trug’, w ie die Zw inglianer sagten, empfiehlt er
noch das Segnen m it dem K r e u z s c h l a g e n 1).
Und was tut heute der
evangelische Masure? Er verneigt sich beim E in- und A ustritte aus der
irche vor dem Altar und macht dabei das Zeichen des Kreuzes*). Früher
wai die Bekreuzigung bei den Masuren noch w eit häufiger; die aufgetragenen Speisen wurden vor der M ahlzeit mit dem Zeichen des Kreuzes
%ersehen, und selbst der Fuhrmann machte mit der P eitsch e vor seinen
Pferden dieses Zeichen, wenn er eine R eise antrat3).
Auch das katholische F a s t e n hat sich in Überlebseln bei Protestanten
ei halten. Es war ja als ein der Gottheit w ohlgefälliges W erk der Selbst­
verleugnung bei vielen Völkern des Altertum s üblich. D a Luther es für
eine ‘feine äusserliche Zucht’ erklärte, erhielt es sich bei den Evangelischen
noch lange, und die R este sind auf unsere T age gekom m en. W enigstens
am Karfreitag fastet man im protestantischen Ostpreussen noch vielfach 4),
und im Zürcherischen Oberlande werden, nach vorreformatorischer Über­
lieferung, noch jetzt am F reitage von Protestanten nur Fastenspeisen g e ­
nossen. Man isst ‘W äfen’ aus Ä pfeln oder Birnen, ‘N idel’ (Rahm ) und
B o llen 5).
L ine unmittelbare B e i b e h a l t u n g d e r k a t h o l i s c h e n F e i e r t a g e
finden \\ir w ieder bei den evangelischen Masuren. Man findet bei ihnen
G elöbnisse am Jakobitage, an Christi Verklärung, an den Marientagen u. a.
nicht aut dem F eld e zu arbeiten. Als ein evangelischer Pfarrer an einem
solchen l ä g e dieses doch tun liess und unerwartet ein H agelw etter
eintrat, sam m elten die Bauern einige Metzen H agelkörner, brachten sie
zum Landrate nach N eidenburg und verklagten den Pfarrer, dessen
^ ottlosigkeit sie durch die H agelkörner zu beweisen m einten. D ie R ückir vung der katholischen Anschauungen zeigte sich bei den Masuren auch
t a< urch, dass, nach katholischer Art, der Karfreitag nicht, w ie bei den
>an_,elischen, als rechter F esttag gefeiert und bei vielen der Grün­
donnerstag höher gestellt w ird 9).
Sein stark sind die N iederschläge, die sich auf die katholische V e r -
o h lu n g dl e r H e i l i g e n beziehen, und sich w enigstens im Sprachgebrauche
und auch in Sitten bei den Protestanten erhalten haben. W ährend bei
der Reformation nur jene F este erhalten blieben, die sich auf das
Leben Jesu bezogen, wurden die F este der H eiligen und Fronleichnam
a o eschafft. Aber die Kalenderbezeichnungen nach den H eiligen sind bis
1)
2)
°)
4)
5)
<>)
A. H ausrath, Luthers Leben 2, 113.
P. Hensel, Die evangelischen Masuren S. 42.
Toppen, Aberglauben aus Masuren 2 S. G.
E. Lemke, Volkstümliches aus Ostpreussen 1, 13 (1884).
H. Messikommer, Aus alte r Zeit 1, 43 (Zürich 1909).
Toppen a. a. 0 . S. 7. 9.
124
Andree:
auf diesen T ag in evangelischen Landen geblieben; wir rechnen nach
M ichaelis, erinnern uns an den h eiligen Martin, dessen T ag im Deutschen
R eich e allgem einer T erm intag war, an dem das Gesinde an- und abzog.
So kann man denn im protestantischen N iederdeutschland noch die
R edensart hören für einen K necht, der zu früh seinen D ienst verlässt:
he m äket Martinich.
Erst in neuer Z eit werden die neugebauten pro­
testantischen Kirchen nach Luther, der D reifaltigkeit, den E vangelisten u. dgl.
benannt, während bei den in der Vorreform ationszeit erbauten die alten
katholischen H eiligennam en fortbestehen.
Und so gelten diese auch bei
F esten in evangelischen G egenden.
W enn in Hamburg ein Schulfest
gefeiert wurde, bei dem man die Kinder ins Grüne führte, so sagte man:
Se gät in’t P antaljohn 1), w obei man natürlich nicht mehr an den heiligen
Pantaleon von N icom edien dachte, der im vierten Jahrhundert lebte und
Schutzpatron der Ammen und gut gegen H euschrecken ist.
Und w ie
belieb t ist nicht auch bei protestantischen Kindern St. Nikolaus, der ein
B ischof von Myra in L ykien war! D ieser am 6. D ezem ber bei unsern
Kindern w egen seiner R ute ebenso gefürchtete als w egen seiner Apfel
und N üsse belieb te H eilig e ist ja bei Evangelischen noch ebenso ver­
breitet, w ie bei den K atholiken.
Auch in K inderspielen klingen bei
E vangelischen katholische H eilig e nach. D as von der Kirche gesegnete
Agathenbrot, w elches ins F eu er geworfen, dieses hemmt, ist in evan­
gelischen K antonen der Schw eiz in Abzählreim en erhalten geblieben,
w obei neben richtigen V ersen ‘Agathenbrot in der N ot’ auch allerlei un­
sinnige N am enentstellungen Vorkom m en2).
Selbst zur B ezeichnung der Bilderbücher schlechthin ist der Nam e
der H eilig en geworden und hat sich so nach der Reform ation erhalten.
In den Büchern, die in den frühesten Zeiten nach der Erfindung der
Buchdruckerkunst in die H ände des gem einen Mannes gelangten, waren
es zum eist die erbaulichen, w elche B ilder enthielten, unter denen die
H eilig en die erste R olle spielten, und daher kam der noch im 18. Jahr­
hundert übliche plattdeutsche Ausdruck H illigen für B ilderbücher3). Auch
die W eidm annssprache hat die H eilig en überall bewahrt. Sie redet von
der Hubertusjagd und sagt, dass der H irsch Ägydi auf die Brunft tritt.
W ährend so die H eilig en unter dem evangelischen V olke immerhin
noch in Ü berlebsein vertreten sind, verm ag man von der R e l i q u i e n v e r e h r u n g nur noch schwache Spuren nachzuweisen.
Ausserordentlich
scharf sind die R eform atoren gegen diese vorgegangen, und w ie heute
von christlichen M issionaren noch afrikanische G ötzenbilder verbrannt
wurden, so zerstörte man vielfach R eliquien, die aber auch von guten
1) Richey, Idioticon H amburgense 1755, S. 180.
2) Rochholz, Alemannisches Kinderlied S. 14. (Fritz Staub), Das B rot im Spiegel
schweizer-deutscher Volkssprache 1868, S. 115.
3) Richey a. a. 0 . S. 95.
Katholische Überlebsel beim evangelischen Volke.
125
K atholiken w iederholt vor Zerstörung bewahrt und gerettet wurden, w ie
jen e St. Bennos von M eissen, die H erzog Albrecht Y. von Bayern nach
München brachte.
B ei der nachdrücklichen R eliquienbeseitigung in
protestantischen Ländern konnte natürlich eine unm ittelbare Anknüpfung
{in solche dort nicht mehr erfolgen. W o aber die V orstellung herrschte,
solche R eliquien könnten in irgend einer B eziehung helfen, da suchte
man bei auswärtigen H ilfe. Dafür w enigstens ein B eispiel. Noch heute
verkauft die Kirche in Augsburg in kleinen Tüten St. U lrichserde, die
wirksam für die Vertreibung von Ratten und Mäusen sein soll. „Der
Umstand, dass St. U lrich ursprünglich auf blosser Erde bestattet wurde,
war die Veranlassung, dass man Jahrhunderte lang die Erde, die man im
Jahre 1183 dem Grabe entnahm, als eine Art R eliquie ansah und sie
besonders zur V ertreibung der R atten und Mäuse verwendete. Im Pfarrarchiv St. Ulrich befindet sich ein von dem (protestantischen) Herzog
Friedrich von Schlesw ig-H
olstein selbstgeschriebener
Brief, datiert 24. März
Ö
ö
1700 an das Kloster St. Ulrich, in w elchem er seine Bitte um Verabreichung
von Ulrichserde zur Vertreibung der R atten und Mäuse auf seinen Feldern
und in seinen Schlössern erneuert und verspricht, dass mit derselben
kein Missbrauch getrieben, sondern sie nur im Vertrauen zum h. Ulrich
gebraucht w erde“ 1). Es ist nicht ausgeschlossen, dass einzelne R eliquien
sich in evangelischen Kirchen erhielten und der Zerstörung entgingen.
Darauf deuten die mehrfach erhaltenen sagenum webten Mumienhände,
wohl ursprünglich R eliquienhände, hin. H inter dem Altar der Kirche zu
Mellentin in Pom m ern liegt eine solche Hand, von der die Sage berichtet,
sie hätte einem Mädchen angehört, das seine Mutter geschlagen und sei
aus dem Grabe herausgew achsen2).
Und so verhält es sich mit der
mumifizierten Menschenhand, die an eiserner K ette in der D orfkirche zu
G ross-R edensleben in der Altm ark hängt, dabei eine Tafel, welche in
A ersen die G eschichte von dem Sohne erzählt, der den Vater schlug3).
Auch in der Sakristei der P etri-P aul-K irche zu Stettin sollen zwei mumi­
fizierte Kinderhände gehangen haben, die aus dem Grabe gewachsen
waren. Ü berall erscheint mir die echte R eliquienhand als das ursprüng­
liche, an das dann später sich die so w eitverbreitete Sage von dem
undankbaren Kinde anschloss, dem die Hand aus dem Grabe wuchs.
D as sind nur ein ige B eisp iele von der zähen Ausdauer, die alt­
katholische Bräuche und Anschauungen heute noch im evangelischen
^ olke besitzen, und ein B eleg dafür, w ie neue R eligionen von ihren Vor­
gängerinnen immer noch einzelnes übernehm en und weiter gebrauchen.
M ünchen.
1) Friesenegger, Die St. Ulrichskirche zu Augsburg 1900, S. 59.
-) Kuhn und Schwartz, Norddeutsche Sagen 1848, N r. 28. 4G.
'*) Temme, Volkssagen der Altmark 1839, S. 48 Nr. 56.
Loewe:
1*20
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
V on
Richard Loewe.
(Vgl. oben 18, 1. 151. 21, 31.)
I. Der Südosten.
A us dem R ie s e n g ru n d (R ie s e n h a in ) b e ric h te te m ir n och d e r d a se lb st 1838
g e b o re n e u n d je tz t noch w o h n h a fte F e ld g ä rtn e r S tefan B u ch b erg er, d e r selb st
n ic h t m e h r w u n d e rg lä u b ig ist, fo lg en d e s:
„D ie a lte n L e u te h a b e n viel v o n R ü b e z a h l g e sp ro c h e n , w en ig vom N a c h t­
jä g e r, n ich ts vom F e u e rm a n n .
R ü b e z a h l le b te in T e u ie ls L u stg ä rtc h e n .
D och w ar e r a u ch ö fters in d er
B lau h ö lle u n d in R ü b e z a h ls G arte n . Im R ie s e n g ru n d is t er oft au f- u n d a b ­
g eg an g en . N eb e n ein em W a ss e rg ra b e n h a tte e r sein en W e g von T e u fe ls L u st­
g ärtc h e n in d as T a l (den R ie se n g ru n d ); d e r W eg fü h rte ü b e r ein e felsig e K lippe.
J e tz t is t d e r W eg ü b e rw a c h se n ; es is t n u r n o ch m ü h sa m h in d u rc h z u k o m m e n .
D e r T e u fe lsg ra t fü h rt vom T e u fe lsg ä rtc h e n a u s sow ohl a b w ä rts als auch nach
re c h ts u n d lin k s; er e rre ic h t a u ch noch d ie B lau h ö lle. In T e u fe ls L u stg ärtc h en
w uchs a u ch ein A pfelbaum .
R ü b e z a h l h a t so a u sg e se h e n , wie m an ihn d a rste llt. E r h at sich a u ch v er­
w an d eln k ö nnen, z. B. in ein e n J ä g e r o d e r ein en feinen H errn .
R ü b e z a h l h a tte au ch e in e F ra u n a m en s E m m a, d ie h ü b sch w ar. Sie h at sich
ö fters entfernt, er h a t sie a b e r im m e r w ied erg eh o lt.
R ü b e z a h l h o lte sich oft W a ss e rrü b e n au s d em R ie se n g ru n d ; d ie L e u te w aren
froh, w enn e r sich w ie d e r e n tfern t h a tte ; b e sc h w e rt h a t sich n iem an d d a rü b e r
au s A ngst. D ie L e u te h a b e n a u ch g efü rc h te t, d a ss R ü b e z a h l ih n e n a u f Z a u b e r­
a rt sc h a d e n k ö n n te.
Sie h ie lte n ih n fü r ein en bösen G eist u n d sag ten auch,
e r sei d e r T eu fe l. W enn R ü b e z a h l je m a n d e m etw as in den W e g legen w ollte,
so stieg ein G ew itte r auf. O ft g in g e r au ch m it d en L eu ten u n d zeigte sich
an fan g s d ab ei fre u n d lic h , ä rg e rte sie a b e r n a c h h e r. Ö fters h a t er au ch L eu te irre
g e fü h rt.“
G u tes w usste Stefan B u c h b e rg e r ü b e r R ü b e z a h l ü b e rh a u p t n ich t zu b e ­
rich ten , au ch n ich t, d ass e r d ie Äpfel se in es A p felb au m es irg en d je m a n d e m g e­
sc h e n k t h ätte.
Aus dem vom R ie se n g ru n d au s z u n ä c h st ta lw ä rts g ele g e n en S tu m p en g ru n d
e rh ie lt ich fo lg en d e A u sk u n ft von d e r d o rt 1836 g eb o ren e n u n d je tz t noch w ohn­
h aften S c h n eid erm e iste rsw itw e K a th a rin a B oen sch , geb. M itlö h n er:
„ R ü b e z a h l lie f im m e r von d e r S ch n eek o p p e a u f d ie g e g e n ü b e rlie g e n d e K oppe
(sch w arze K oppe o d e r B ru n n b erg ) d u rc h d en R ie se n g ru n d . E r ist ein G eist u n d
sch ick t n o ch je tz t G e w itte r u n d p lö tz lic h e U n w etter, fü h rt auch n och je tz t die
M en sch en irre. In R ü b e z a h ls L u stg a rte n g ib t es n o ch alle rle i O bstb äu m e, b rau n e
N elken, ro te N elken u n d a n d e re sch ö n e B lu m en . G etan zt h a t R ü b e z a h l oft m it
ju n g e n M äd ch en .“
D azu e rz ä h lt K a th a rin a B o en sch n och fo lg en d e G esch ich ten , d avon die erste
n ach E rzäh lu n g ih re r G ro ssm u tte r (V a te rs M utter) au s K lein -A u p a:
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
127
1. „ D e r G ro ssv ater (m ein es V a te rs V a te r a u s d em S tu m p en g ru n d e ) g in g e in ­
m al um die zw ölfte S tu n d e n a c h ts d u rch d en R ie se n g ru n d ü b e r d as W asser, d a
kam R ü b e z a h l m it sp itzig er K ap p e u n d m it e in e r P fe ife im M und, m it e in e r
S ch ü ssel in d e r H an d u n d sagte, e r so llte sie n eh m en , es w ä re n D u k a te n d arin .
E r m u sste sie neh m en , o b g leich e r sah, d ass n u r K arto ffelsch alen d a rin w aren.
A ls R ü b e z a h l fort w ar, sc h ü tte te e r die S ch ü ssel aus, n ah m sie a b e r se lb st noch
m it, u m sie zu H au se zu g e b ra u c h e n .
D a fand e r a b e r n o ch ein en D u k a te n
darin.
2. M ein M ann u n d m ein e b e id e n S öhne w ollten zum h eilig en A bend von
K ru m m h ü b el n ach H au se g eh en .
In d e r N ähe d e r R ie se n b a u d e a b e r v e rirrten
sie sich im N eb el u n d k a m e n im m e r w ie d e r an den alten O rt zu rü ck .
D as
m ach te R ü b e z a h l. E in p a a rm al w ä re n sie b e in ah e in d en M elzer G ru n d g e stü rz t,
a b e r die S c h u tzg eister sa g te n : ‘Je s se s, ih r v eru n g lü c k t’. Sie sin d sta tt m ittag s,
w ie sie w ollten, e rs t am A bend n a c h H au se g ekom m en.
3. Alte L e u te , die b ei d e r je tz ig e n R ieserib au d e G ras m äh ten , h a b e n g eseh en ,
w ie R ü b e z a h l von d e r S ch n eek o p p e zu m B ru n n b e rg lief. E in M ann k am einm al
von d e r S telle, wo je tz t (se it 1847) d ie R ie se n b a u d e steh t, h e ru n te r in den R ie s e n ­
g ru n d m it e in e r H ucke voll H eu u n d ass sein F rü h stü c k . D a sah er, w ie je m a n d
von d e r S ch n eek o p p e a u f d en B ru n n b e rg d u r c h d i e L u f t h in sch w ärm te. E r d a c h te :
;D u R ü b e z a h l-A a s, d u w illst g ew iss ein G e w itte r m a c h e n ’. In dem selb en A ugen­
blicke b ek am e r ein e fu rch tb are O hrfeige. D a lie f e r d a v o n .“
M eine F ra g e , ob R ü b e z a h l m e h r g u t o d e r sch le ch t g ew e sen w äre, b e a n t­
w ortete K a th a ria B oensch d ah in , d a ss er w ohl m e h r ein b ö se r G eist w ar.
D ie A n sch au u n g en ü b e r R ü b e z a h l a u s d em a u f d e r R ü c k se ite des B ru n n ­
b erg es gelegenen B lau g ru n d e rfu h r ich von dem d o rt 184(5 g eb o renen , seit 1D05
a b e r in D u n k e lta l w o h n h aften F e ld g ä rtn e r Ig n az M ergans:
„M eist h ie lt sich R ü b e z a h l im T e u fe lsg ä rtc h e n auf, d as eig en tlich R ü b e z a h ls
L u stg arten h eisst, zu w eile n au ch in d e r B lau h ö lle. Im B lau g ru n d se lb st w urde
er n ich t g e se h e n ; d ag eg en e rzäh lten d ie U reltern , d ass m an ih n ö fters im R ic se n g ru n d g eseh en hätte.
k m das T e u fe lsg ä rtc h e n h e ru m h a tte R ü b e z a h l G o ld b lä tte r au sg e streu t, die
er sich aus E n zian b lätte rn g em a c h t h atte. Im G arten h a tte e r einen A pfelbaum , d er
v ielleich t je tz t noch zu finden ist. E s ist ein Z w erg apfelb au m . D ie Apfel w aren
nich t g rö sse r als etw a E b e re sc h e n b e e re n . E in m al, E n d e d e r 1870 er o d e r Anfang
d e r 1 8 8 0 e r Ja h re , sind sie re if g e w o rd e n ; d e r V a te r d es jetzig en O rtsv o rsteh ers
von P e tz e r hat sie nach P ra g als D e lik a te sse g esch ick t. R ü b e z a h l pflegte viele
B lum en, b eso n d ers E nzian , H ab m ich lieb , A lm onie (w eisse B lum e, w ovon 8 10
a u f einem S tengel), auch T e u fe lsb a rt.
A lle selten en Pflanzen im G eb irg e sollen
von R ü b e z a h l stam m en .
E ltern und U re lte rn sch ild e rten R ü b e z a h l als ein en M ann im g rauen A nzug
m it lan g em B art. G etan zt h a t R ü b e z a h l ö fters fü r sich allein a u f einem eb en en
F leck, a b e r n ich t in G esellsch aft. Seine F ra u h iess E m m a.
E in m al in m einem L eb en , als ich etw a 15 J a h r alt w ar, sah ich zusam m en
m it m ein em B ru d e r u n d m e in e r S ch w ester einen g ro ssen M ann (an d e rth alb m a l so
gross als ein g e w ö h n lic h e r M ann) m it g rau em A nzug u n d tü ch tig em g rossem
H ut m it g ew altig g rö s se r K räm p e in d e r B lau h ö lle, wo kein M ensch und kein
W ild hin g elan g en kann. V o n S im m aleh n ich g ing er ü b e r eine g ro sse K luft m it
einem S ch ritt z u r B lau h ö lle, w ie ein M ensch es n ich t fertig bekom m t. E r blieb
sodann m in d esten s eine V ie rte lstu n d e g an z still steh en , die H än d e gegen die
S eiten gestützt. D a n n w u rd e e r im m er u n d e u tlic h e r zu sehen, b is e r ganz z e r­
128
Loewe:
g an g en w ar.
W ir d ach te n u n s g leich , d ass es R ü b e z a h l w äre.
A ls w ir es
u n serem V a te r e rz ä h lte n , sag te e r au c h , es w ä re R ü b e z a h l g e w e se n ; n u n w ü rd e
es b ald W in te r. Am N ach m ittag d e sse lb e n T a g e s sch n eite es schon.
E tw a 1887 sah ich R ü b e z a h l n o ch ein m al, als ich a u f m e in e r H euung a u f
d em S teinboden b e sc h ä ftig t w ar.
E r w ar g ro ss, tru g g ra u e n R o c k u n d g ra u e
H ose, a b e r eine g rü n e W e ste w ie ein T iro le r. E r ersch ien ü b e r e in e r K n iesch eib e,
v ersch w an d a b e r s e h r sch n ell w ied er. D as w a r m o rg en s 9 U h r; am N ach m ittag
g ab es ein fu rc h tb a re s G e w itte r m it S ch lo ssen . R ü b e z a h l w o llte m ir w ohl an
deuten, d ass ich m ich von d o rt en tfern e n so llte .“
M eine F ra g e n , ob R ü b e z a h l d ie L e u te irre g e fü h rt u n d g e n ec k t sow ie E u le n ­
sp ie g e lstre ic h e g e m ac h t h ätte, v e rn e in te Ig n a z M erg an s; R ü b e z a h l sei ein g u te r
G eist gew esen, d e r n ie m a n d em etw as zu le id e g etan h ä tte . A uch w a r M ergans
n ich t b ek an n t, d ass R ü b e z a h l M äd ch en g e rn g e h a b t h ätte.
A uch die E h e fra u von Ig n az M erg an s, d ie in d e n o b e rh a lb d es B la u g ru n d e s
steh en d en B ru n n b e rg b a u d e n 1843 g e b o re n e J u lia n e M ergans, g eb . R ic h te r, bezeich n ete R ü b e z a h l (R ib e n z ä l) als ein en g u ten G eist, d e r n ie m an d e m e tw as zu leid e
g etan h ätte. B e m e rk e n sw e rt ist a u ch ih re A n tw o rt: ‘R ü b e z a h l w ird auch h e u te
noch le b e n ’. W e ite re s k o n n te ic h n ic h t von ih r e rfah ren .
A us d en R ic h te rb a u d e n e rfu h r ich ein ig es von dem d o rt se it 1847 b e fin d ­
lichen , 1841 in G ro ss-A u p a g eb o re n e n S tefan T a s e le r (S p itzn am e L e isc h n e r). S ein
W 'issen ü b e r R ü b e z a h l h a t e r m eist au s d en R ic h te rb a u d e n , w e n ig er von sein em
V ater. E r b e ric h te te fo lg en d es:
„ R ü b e z a h l (R ibenzfil) w a r ein se h r g rö s se r M ann m it lan g em B art u n d
la n g e r N ase.
E r h a t sich oft lan g e m it ein em M ädchen b esc h ä ftig t, d an n w ie d e r m it ein em
an d eren . O ft h a t e r ein M äd ch en a u f la n g e Z eit v e rla sse n ; d an n k a m e r w ied e r
u n d ta t ih r G utes. E r h a t den L e u te n ü b e rh a u p t oft G u tes g etan , n ie m a ls a b e r
etw as ß ü se s . E r w a r v erm ö g en d u n d h a t im m e r G eld b e i sich g e h a b t; au ch
B erg w erk e h a t e r b e se sse n .
A uch m it K rä u te rn h a t e r sich v ie l ab g eg eb en .
Ö fters h a t er au ch p ro p h ezeit.
R ü b e z a h l w ar ein G eist.
E r lä s s t sich a b e r je tz t n ic h t m e h r sp ü ren . E s
m uss ihn irg e n d w e r b ezw u n g en h ab e n . E b en so d en N ac h tjä g er, d e r sich h e u te
au ch n ich t m eh r sp ü re n lässt.
G ew itter h a t R ü b e z a h l n ich t g em ac h t. D as
ta t v ie lm eh r d ie K rö llm aid
(K rälm ät) a u f d em K rö llb erg , wo je tz t die K rö llb a u d e steh t. Sie w a r k lein w ie
ein K ind, tru g w eib lic h e K le id e r u n d h atte ein a ltes G esicht. M ein V a te r h a t sie
ein m al g eseh en , w ie sie im K n ieh o lz h e ru m sp ra n g ; d a ra u f e n tstan d ein G e­
w itte r.“
A us G ro ss-A u p a e rh ie lt ich von d em d a se lb st 1833 g e b o re n e n F e ld g ä rtn e r
S tefan M itlö h n e r, d e sse n E lte rn g leich falls au s G ro ss-A u p a w a re n , folgende
A u sk u n ft:
„ R ü b e z a h l (R lb e n z ä l) sa h v e rsc h ie d e n a u s: e r k o n n te sich in e in en g rossen
H e rrn o d er einen F o rstm a n n v erw an d eln , auch in e in e n H u n d o d er eine K atze,
in
einen R a b e n o d e r ein en H a b ic h t; am B ru n n b e rg g ib t es H ab ich te . Z eitw eilig
h a t er einen lan g en w eissen B a rt g e h a b t, au ch lan g es w eisses H aar.
G ew o h n t h a t R ü b e z a h l m e ist in sein em G arte n u n d in sein en B erg w erk en
am K iesb erg . D e r G a rte n b efin d et sich im K n ieh o lz, d a rin soll ein B irn b au m
stehen. E in m al w ollten L e u te R ü b e z a h ls G a rte n b e ra u b e n ; da m a c h te e r ein
G ew itter, d ass sie n ic h t d azu konn ten .
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
129
W en n m an zu R ü b e z a h l sagte ‘H e rr Jo h a n n e s ’, d an n w a r e r freu n d lic h ;
w enn m an a b e r sagte ‘R ü b e z a h l’, d ann sp ielte e r ein em ein en P o ssen . M an
nan n te ih n au ch den B erggeist.
R ü b e z a h l h a t im G eb irg e auch G ew itter g em acht.
E r is t a u ch als W u rz e l­
h ack er gegangen, h a t d ie K rä u te r in d e r A potheke v erk a u ft u n d d as G eld w eg­
g esch en k t. A uch so n st h a t e r L eu te n g eholfen. E r h a t a b e r au ch v iel S treich e
g em ach t. W e n n die L e u te tan zten , h a t e r m itg etan zt; e r w a r d a b e i im m e r An­
fü h re r; die M ädchen h ab en sich m it ih m u n te rh a lte n . W en n ih n L e u te g e ä rg e rt
haben, so h a t e r sie irre g efü h rt, zu letzt a b e r doch w ie d e r a u f d e n rich tig en
W eg geb rach t.
R ü b e z a h l k am
ein m al oben a u f dem G eb irg e zu einem arm e n M ann,
der
ih m seine N ot k lag te. D a g ab R ü b e z a h l ih m G ras, d as e r se in e r Z iege zu fressen
g eben sollte.
D ie Z iege a b e r k re p ie rte davon.
A ls d er M ann n u n d ie Z iege
aufschnitt, h atte sie so viel D u k ate n im L e ib , d ass e r davon re ich w urde.
V on R ü b e z a h l
w u rd e m e h r g e sp ro c h e n als vom N achtjäger.
W en n
sich
je m a n d g ese tz t h at, wo d e r N ac h tjä g e r in d e r N ähe
w ar, so h a t e r sich ver­
laufen. D er F e u erm an n b ra n n te w ie ein e G arb e Stroh, b rach te a b e r kein e
G e fa h r.“
In M arsch en d o rf e rfu h r ich yon dem d a se lb st 1850 g eb o ren en L an d w irt
Jo h a n n D em u th folgend es:
„V o n R ü b e z a h l w ird noch viel erzäh lt. E r w a r B o ta n ik e r u n d ist m it d en
K räu tern , die er gepflückt hat, in d ie S täd te g e fa h re n u n d h a t sie d o rt verkauft.
E r h a t au ch viel N eck ereien g e trie b e n .“
Aus M a rsch en d o rf b e ric h te te m ir fe rn e r d e r d o rt 1853 g e b o ren e u n d je tz t
noch w ohnhafte S c h lo sse rm e iste r A nton R e n n e r:
„D er N a ch tjä g er soll m it k lein en H u n d en d es N ach ts g ejag t u n d dab ei die
L e u te irre g e fü h rt h a b e n ; R ü b e z a h l dag eg en soll b ei T a g e , b eson ders b ei N ebel,
d iejen ig en irre g e fü h rt h ab en , d ie ih n g e n e c k t h ätten . A uch soll e r ö fters H och­
w asser p ro p h ezeit haben , das d an n au ch g ek o m m en s e i.“
E n d lich e rh ie lt ich in M a rsc h e n d o rf von dem d a selb st 1848 g eb oren en
S c h n eid er m eiste r F ra n z B o en sch fo lg en d e A u sk u n ft:
ti V on R ü b e z a h l w u rd e m e h r als vom N a c h tjä g e r und vom F eu e rm a n n e r­
zählt. E r w ar d e r B erg g eist.
M anchen L e u te n ta t e r G utes, m an ch en B öses.
M anche L eu te fü h rte e r au ch irre. B ald sah e r a u s w ie ein G reis m it lan g em
B art, b ald w ie ein Jä g e r, b ald w ie ein z e rlu m p te r B ettler.
A uf H ochzeiten e rsc h ien R ü b e z a h l ö fters u n d m ach te G e sc h e n k e ; m ach te
m an ihm d ab ei etw as n ic h t rec h t, so m ach te e r am a n d e re n T a g e ein en Spuk. —
E r gab auch den L eu te n K rä u te r u n d B lätter, die zu G o ldm ünzen w urden, am
an d eren T a g e a b e r w ie d e r v ersch w an d en .
W en n die K rä u te rw e ib e r R ü b e z a h ls G arten zu n ah e kam en, so h a t er sie
davongejagt.
R ü b e z a h l soll auch den L eu ten die M eisterw u rzel geg en V ie h k ra n k h eit g e ­
geben hab en . D ie W u rze l, w elch e stin k en soll, w u rd e zerrie b e n und dem V ieh
e in g e g e b e n .“
In den zu K lein-A u p a g eh ö rig en G ren zb au d en g ab m ir d e r 1829 d o rt g e­
borene F eld gärtn er Jo h a n n R o se fo lg en d e A u sk u n ft:
„E s w ird noch je tz t viel von R ü b e z a h l g esp ro ch en , m e h r als vom N ach tjä g er.
R ü b e z a h l h ie lt sich m eist a u f den B ergen n ach d e r S ch n eek o p p e zu auf.
A rm en L eu ten h a t e r oft g eholfen.
E r h a t a u ch den L eu ten g esag t, w elch es
K rau t für je d e K ra n k h e it g u t ist.
Zeitsehr. d. Vereins f. Volkskunde. 1911. Heft 2 .
9
130
Loewe:
R ü b e z a h l h a t auch p ro p h ez e it. So h a t e r zum B eisp iel p ro p h ezeit, d ass d ie
W e lt m it B re tte rn v e rsch lag en w ird.
D as g e h t je tz t in E rfü llu n g ; ein H o lzzau n
is t je tz t d ie p re u ssisc h -ö ste rre ic h isc h e G ren ze en tlan g von M a rsc h e n d o rf b is O b e rK lein-A upa gezogen. E r h a t a u c h p ro p h ezeit, d a ss d ie K uh, d ie a u f d ie H u tw eid e
g e trie b e n w ürde, e in e g o ld e n e S ch elle tra g e n w ird .
E s w ird je tz t
aber g ar
k ein e K uh m e h r a u f d ie H u tw e id e g e trieb e n . D ie P ro p h ezeiu n g ist also n ich t
falsch. G e n a rrt h a t R ü b e z a h l d ie L e u te n ic h t; e r w a r ein w a h rh a ftig e r P ro p h e t.“
W e ite r b e ric h te te m ir d e r in den G re n z b a u d e n 1845 g eb o ren e u n d je tz t in d en
g leich falls zu O b er-K lein -A u p a g eh ö rig e n N e u h ä u se rn w o h n h afte F lo ria n K lein
fo lg en d es:
„ E s w ird h e u te n och vom N a c h tjä g e r g e sp ro ch e n , n och m e h r a b e r von
R ü b e z a h l.
R ü b e z a h l h a t sich m e ist a u f d em K am m zw isch en P e te rb a u d e u n d S c h n ee­
g ru b e n b a u d e au fg e h a lte n .
S ein g a n z e r K ö rp e r w a r m it G ra u b a rt ü b e rw a c h se n , so w ie e r an d en Bäum en,
h ä n g t; n u r d ie S tirn w a r w eiss. G e n ä h rt h a t e r sich n u r von K räu tern .
A rm en L e u te n h a t R ü b e z a h l oft g eh o lfen , in d em e r sie b esch en k te. D och
h a t e r au ch d ie M enschen oft in d ie Ir re g e fü h rt; d e r N a c h tjä g e r ta t d as nicht.
W en n je m a n d sag te, d a ss R ü b e z a h l n ic h ts ta u g e, so m ach te e r e in fu rc h tb a re s
U n w etter, d a ss m a n n ic h t von d e r S telle g e h e n ko n n te.
M ein Y a te r e rz äh lte au ch , w ie sein G ro ssv ate r, d e r g le ich fa lls sch o n au&
K lein-A upa w ar, ein m al von d e r P e te rb a u d e n a c h S c h re ib e rh a u g ing, in d em e r
zw ei H e rre n ü b e r d as G eb irg e g e le ite te.
A uf dem W e g e sah en sie im m er je ­
m an d en vor sich g eh en , d e r ganz g ra u a u ssa h u n d ein en g rü n e n H u t m it Federn,
d a ra u f tru g . Sie w o llten ih n g e rn ein h o len . W e n n sie a b e r sc h n ell liefen, dann,
lie f e r u m so sc h n e lle r. E s w a r in d e r N ähe d e r S ch n eeg ru b en .
A ls sie ih m
ganz n a h e k am en , v e rsc h w a n d e r in ein em K n ie h o lz stra u c h ; sie k o n n ten d o rt a b e r
n ic h ts m e h r finden. D a d a c h te n sie, es w ä re R ü b e z a h l.“
Zu d ie s e r E rz ä h lu n g fügte F lo ria n K lein noch zw ei b ek an n te , d ie ich h ie r
in d e r F o rm , w ie e r sie v o rtru g , w ie d erg eb e (d ie zw eite m it B eru fu n g w ie d e r
a u f seinen V a te r):
„1. R ü b e z a h l h a t sich v o n w eit h e r ein e F ra u n am en s E m m a g e sto h le n . E r
schaffte sie in sein en G arten a u f d e r g ro ssen S tu rm h a u b e n ah e bei d e r P e te r­
b au d e u n d den S c h n eeg ru b en . E m m a h a t im m e r g ew eint, w eil er so h ä sslic h
w ar. D a pflanzte e r W a ss e rrü b e n ; sie k o n n te d a ra u s m ach e n , w as sie w ollte;
S ie m ach te sich G e se llsc h a ft d a ra u s. W e n n a b e r R ü b e z a h l w ollte, w ar d ie G e­
se llsch aft w ied er fort.
Z u le tz t ra u b te ein M ann d ie E m m a; sie sta rb a b e r in.
sein en A rm en, b ev o r e r sie in sein e H e im a t b ra c h te .“
„2. E ine F ra u g in g in d en W a ld u n d h o lte sich G ras fü r die Z iegen. Sie
n a h m ih re d re i K in d e r m it; d as k le in ste h atte sie a u f d em R ü c k e n in ein em
K o rb e. A ls sie d as G ras m äh te, sch rie d e r J u n g e se h r. D a sag te sie: ‘W enn,
d u n ic h t ru h ig w irst, so g e b e ich d ich R ü b e z a h l’. A ls e r e in g esch lafen w ar,
m ä h te sie w eiter. D e r K lein e e rw ac h te w ie d e r u n d sc h rie noch sch ärfer.
Da
sagte sie : ‘W en n d u je tz t n ic h t ru h ig bist, so g eb e ic h dich R ü b e z a h l w irk lic h ’.
D a ersc h ie n R ü b e z a h l u n d w o llte d en K lein en h a b e n ; sie w o llte ih n a b e r n ic h t
geb en . A ls sie n ach H au se ging, setzte sie den J u n g e n a u f d as G ras, d a s sie inx
K orb a u f d em R ü c k e n tru g . D e r K o rb w u rd e sch w e r; d a w a rf sie etw as Grasfort. A ls sie n a c h H a u se kam , g ab sie d as G ras ih re n Z iegen.
A ls sie die
Z iegen ab en d s w ie d e r fü ttern w o llte , lag en d iese to t im Stall.
Ih r M an n
sch lach tete d a ra u f d ie Z iegen a u s; da h atten sie G o ld k lu m p en im L eibe. E ia
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
k lein w en ig G ras
w o rd en .“
w ar noch im K orb g e b lie b e n ;
d as w a r au ch
131
zu
G old
ge­
In Joh an n isb ad erfuhr ic h von d em d a selb st 1837 g e b o r en en früheren W e b e r
u n d je tz ig e n V ille n b e s itz e r J o h a n n Z ippel fo lg e n d e s:
,»Es w urde frü h e r vom N a c h tjä g e r u n d von R ü b e z a h l e rz ä h lt; e rs te re r sollte
a u f den B ergen b e i F re ih e it, le tz te re r im K nieholz u m die S ch n eek o p p e sein.
R ü b e z a h l soll d ie L e u te im G eb irg e irre g e fü h rt hab en .
E in m al soll e r in eine
S tad t zu einem B a rb ie r als G eh ilfe g e g an g en se in .“
in S ch w a rzen b erg b erich tete m ir d e r dort 1849 geb o r en e T a g a rb e ite r Jo h a n n
K ihnel:
„ E rz ä h lt w u rd e vom W a sse rm a n n , d e r eine ro te K appe tru g u n d k lein w ar.
E r w ohnte in S eiffenb ach u n te rh a lb S ch w arzen b erg s u n d im A upatale. D en N ach t­
jä g e r h ab e ich stets d es N ach ts g eh ö rt, als ic h noch ju n g w a r; je tz t lä sst e r sich
n ich t m e h r h ö ren . E r w o h n te a u f d em S ch w arzen b erg . E in m al sa h ich, als ich
lß J a h r alt w ar, vom S c h w a rz e n b e rg ein g ro sses b lau es W esen m it u n g e h e u e r
langem S c h w e if n ach u n ten zieh en . A ls ich es am n äch sten T a g e m ein em V a te r
erzählte, sagte e r : ‘D as w a r d e r G eier; w enn d u ih n b la u g eseh en h ast, h a t e r d en
L e u te n u n te n G etreid e g e b ra c h t; w enn er a b e r ro t ist, d ann b rin g t e r F e u e r u n d
zü n d et H ä u se r a n .’ D ass R ü b e z a h l d u rch den W a ld geg an g en ist u n d m it L e u ten
g esprochen h a t, h ö rt m an b isw eilen je tz t noch von a lten L e u te n ; R ü b e z a h l
(R lb e n z ä l) w ar h a ld h ier, b a ld dort.
R ü b e z a h l h a t die L e u te se h r v iel irre g efü h rt.
Oft v erk le id ete e r sich als
F ö rster o d er a u f a n d e re W eise, g e se llte sich so zu L eu ten , v e rsch w an d a b e r b ald
w ieder.
R ü b e z a h l h a t p ro p h ezeit, d a ss d ie M en sch en im m e r e le n d e r w erden u n d in
einigen ta u se n d Ja h re n a u sste rb e n w ü rd en . D ann w ü rd e die W e lt w ied er so öde
w erden w ie vor H u n d e rttau sen d e n von Ja h re n , d an n a b e r w ie d e r n eu angepflanzt.
E in e T ru p p e M u sik an ten zog ein m al d u rc h den W a ld u n d sp ie lte ein S tück.
D a k am ein g ew altig g rö s se r M ann (es w a r R ü b e z a h l, a b e r sie erk an n ten ihn
nich t) u n d sa g te : ‘I h r m a c h t m ir w irk lich sch ö n e M u sik ; w as b in ich euch d a fü r
sc h u ld ig ? ’ D ie M usik an ten an tw o rte te n : ‘W ir v erlan g en d a fü r n ic h ts.’ D e r M ann
e r sagte: ‘Ich w ill eu ch fü r d as sch ö n e S tü ck d och etw as g e b e n ; zeig t einm al
eu re M ützen h e r.’ D a ra u f ta t e r je d e m etw as in sein e M ütze. A ls d e r M ann sich
en e rn t hatte, erk a n n te n sie, d ass es P fe rd e m ist w ar, u n d w a rfen es fort.
Am
nac sten M orgen b ü rste te e in e r von ih n en sein e M ütze a b u n d fand d ab ei p lötzlich
noc
e in G old stü ck .
Mehr- k on n te er n ich t finden, d ie and eren aber fanden
gar n ic h ts.“
II. Der Nordosten.
S agen aus W o lfsh au b e ric h tete m ir d e r d o rt 1839 g eb o ren e, seit 1869 in
B rü ck en b erg w o h n h afte B en jam in W o lf:
i ,In
d e r S ch lin g elb a u d e soll R ü b e z a h l g e h a u st u n d teilw eis d o rt m it den
rem d en v e rk e h rt h ab en . — Als R ü b e z a h ls K eg elk u g el w u rd e ein g rö sse r ru n d e r
tein a u f dem W e g e von R ü b e z a h ls K egelb ah n n ach S e id o rf g ezeig t.“
Z w ei au ch so n st b e k a n n te E rz äh lu n g e n g ab B enjam in W o lf in b e so n d e re r
G estalt:
L j,V or u ra lte r Z eit sied elten sich h ie r (im R iese n g e b irg e ) v e rtrie b e n e B e­
w ohner an. R in g s u m h e r w ar a lles U rw ald.
D en B erg g eist R ü b e z a h l, d e r d a ­
m als, w ie au ch h eu te noch, sein e E x isten z h ie r h atte, ä rg e rte d ies fu rc h tb a r; e r
w ollte die A n sied ler v ertreib en .
E r san n a u f M ittel u n d k am a u f d en E in fall,
einen g ro ssen F elsb lo c k in den g ro sse n T e ic h zu w erfen, u m d a d u rch e in e Ü b e r­
132
Loewe:
sch w em m u n g d e r G eg en d zu v e ru rsa c h e n .
Z u d iesem Z w eck g in g e r ü b e r d en
S ilb erk am m u n d h o lte sich von d en D re is te in e n ein en g ro ssen F els, w elch en e r
a u f d em R ü c k e n tru g .
Z u letzt w u rd e ih m d e r S tein zu sch w er.
D a b e g eg n ete
ih m ein e H exe, w elch e zu ih m sag te, e r so llte d o ch d en S tein ein w en ig a b setzen
u n d sich a u sru h en . E r sag te, e r k ö n n te d as n ic h t; setzte e r den S tein ab, so
k ö n n te er ih n n ich t m e h r e rh e b e n ; e r m ü sste ih n d a n n ste h e n lassen . D a m ein te
die H exe, sie w ü rd e ih m helfen . D a ra u f setzte e r d en S tein ab. N ach d em e r sich
etw as au sg e ru h t h atte , w ollte e r m it d em S tein w e ite rg eh e n , a b e r e r k o n n te ih n
n ic h t m eh r erh e b e n , u n d d ie H ex e h a lf ihm nicht. D a ra u f w u rd e e r zornig, g riff
die H exe u n d w a rf sie an d en S tein. So sieh t m an h e u te n och die zu S tein g e ­
w o rd en e H exe am M ittag stein k leb en .
2. E in sten s b eg eg n ete R ü b e z a h l a u f sein er W an d e ru n g ein em arm e n W eib e,
d ie H e ilk rä u te r su ch te. E r fo rd erte sie auf, ih re K rä u te r w eg z u w erfe n ; e r w ollte
ih r an d e re geb en u n d füllte ih re n K o rb m it L au b . A ls d ie F ra u au s sein em G e­
sic h tsk re ise w ar, w a rf sie d as L a u b a u s d em K o rb e.
A ls sie d ie letz te n B lä tte r
h e ra u sw e rfe n w ollte, w ar es G old.
N un su c h te sie n ach dem W eg g ew o rfen en ,
k o n n te a b e r n ich ts m e h r fin d en .“
In K ru m m h ü b e l e rh ie lt ich von d em 1844 d o rt g e b o re n en H ein rich L in k e,
d e r z u e rst T rä g e r fü r d ie S ch n eek o p p e u n d d a n n von 1866— LS96 B e rg fü h re r g e ­
w esen w ar, fo lgende A u sk u n ft:
„ R ü b e z a h ls G arten la g a u f d em B ru n n b erg . Am G e h än g e w u rd e ein g rö s se r
Stein R ü b e z a h ls K affeem ühle g en an n t.
Im L o m n itz tal b efindet sich ü b e r dem
G a sth o f ‘W a ld h a u s’ in K ru m m h ü b e l seitlich vom L o m n itzk essel ein ru n d e s L och,
d as R ü b e z a h ls B ad ew an n e hiess.
R ü b e z a h ls W ü rfe l lieg t u n te r d e r N eu en
S ch lesisch en B au d e; e r w u rd e au ch R ü b e z a h ls S ch lu m m e rk issen g en an n t. Ü b e r
d e r P e te rb a u d e h a tte R ü b e z a h l sein e G ru ft; e r w ar a b e r im m e r w ie d e r da. W en n
d ie W itte ru n g sc h le c h t w ar, sa g te m an , d ass R ü b e z a h l a u f se in e r K eg e lb ah n ü b e r
d e r K irch e W a n g K eg el sch ü b e, n a c h d em e r ein g ro sses S tü ck vom G eb irg e
h e ra b g e k o m m e n w äre.
R ü b e z a h l w a r ein g rö s se r M ann m it g ro sse m g ra u e m B a rt u n d g ro ssem Stock.
E r tru g ein en g ra u e n R o c k m it M oos. D as H a a r tru g e r la n g ; es w ar m o o sg rü n .
Sein H ut w ar hoch , z e rk n itte rt u n d m oo sfarb ig .
R ü b e z a h l w u rd e ä rg e rlic h , w enn m an o ben a u f dem G eb irg e w eissen E n zian
pflückte. A uch ä rg e rte e r sich, w enn sein B art, d e r T eu fe lsb a rt, ab g ep flü ck t w u rd e.
In so lch en F ä lle n m ach te e r G ew itter.
V on R ü b e z a h l w u rd e im m e r erzäh lt, w en ig vom N a c h tjä g e r u n d vom g ro sse n
L e u c h te r.“
In K ru m m h ü b e l e rfu h r ic h w eite re s von d em B rie fträ g e r R o b e rt F leiss, d er
1847 in d en B a b e rh ä u se rn g e b o re n w u rd e, a b e r sch o n 1855 n ach K ru m m h ü b el kam ,
von wo e r g rö sste n te ils sein W isse n ü b e r R ü b e z a h l hat.
E r w a r eine Z eitlan g
g leich falls G eb irg sfü h re r. E r b e ric h te te m ir fo lg en d es:
„ R ü b e z a h ls L u stg a rten la g am B ru n n b erg .
A u f se in e r K e g elb ah n h a t R ü b e ­
zah l so sta rk g ek eg e lt, d ass d ie K ugeln b is O b e r-A rn sd o rf geflogen sind, wo sie
n och liegen.
R ü b e z a h ls N am e k o m m t d ah er, d ass e r R ü b e n zäh len m u sste , als er die
E m m a e rh a lte n w o llte ; d a e r ric h tig zäh lte, so n ah m sie ih n zu m M ann. V o rh e r
h a tte R ü b e z a h l die E m m a g esto h le n u n d in ein em R a n z e n fo rtg esch afft.“
A u sfü h rlich er als die G esch ich te von E m m a g ab R o b e rt F leiss zw ei a n d e re
E rzählungen, von den en d ie e rste w en ig er b ek an n t is t:
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
133
1. „ R ü b e z a h l s S c h n u r r b a r t b a u d e .
E in H irt, d e r sein e K ü h e ü b er d as
G ehänge trieb , v erlieb te sich in ein M ädchen. D ie a b e r w o llte lie b e r den F ö rs te r
h eiraten . D e r H irt k lag te R ü b e z a h l sein L eid .
D ie se r ersch ie n b ald als S eifen ­
h ä n d le r und v erk au fte dem M ädchen ein S tück Seife.
A ls sie d ie Seife g e ­
b rau ch te, w uchs ih r ein S ch n u rrb a rt.
N un m ochte sie d e r F ö rs te r n ic h t m e h r;
d e r H irt a b e r nah m sie. V ie rz e h n T a g e nach d e r H o ch zeit a b e r w ar d e r S c h n u rr­
b a rt w ied er v ersch w u n d en . D ie B aude, in d e r das M ädchen w o h n te, e rh ie lt d en
N am en ‘R ü b e z a h ls S c h n u rrb a rtb a u d e ’ ; so h eisst n o ch je tz t ein G a sth a u s o b erh a lb
K ru m m h ü b els.“
2.
„R übezahl
w ill
S c h le s ie n
ü b e rsc h w e m m e n .
R übezahl
w ollte
S c h le sie n ersäufen, w eil e s zu P re u s se n u n d n ich t zu Ö sterreich g eh ö rte.
Sein
R e v ie r w a r a u f d em K am m . E r b rachte von dort ein en g ro ssen S tein g e sc h le p p t
und w ollte ih n in den g ro sse n T e ic h w erfen.
D a b eg eg n ete ih m ein e F ra u , d ie
zu ih m sagte, e r solle ru h e n .
Als e r n ach dem R u h e n w e ite r g e h en w ollte,
b ra c h te e r den S tein n ic h t m e h r von d e r S telle.
An dem Stein sin d noch d ie
G lied er d e r K ette zu seh en , m it d e r e r sich ih n an g eb u n d en h a tte . A uch d as
G esicht d e r alten F ra u is t d a ran z u seh en .
M it d e r K ette h a t er d e r F ra u alles
v ersch lo ssen . E r sa g te : ‘S chön ste h t’s n ich t, a b e r h a lte n w ird ’s’.“
V ieles ü b e r R ü b e z a h l w u sste d e r 1861 in K ru m m h ü b el g eb o ren e u n d d o rt
je tz t n och w ohnhafte B rie fträ g e r S tefan T rö m e r n ach den E rzäh lu n g en sein es
V aters, des B e rg fü h rers T rö m e r au s K ru m m h ü b e l (18*22— 1904), zu b erich ten . "Von
ihm e rfu h r ich folgen d es:
„A ufgehalten h a t sich R ü b e z a h l m eist a u f dem K am m . B ei sch lech tem W e tte r
k am e r b isw eilen h e ru n te r, so nach W a rm b ru n n u n d n ach K ru m m h ü b el.
S eine
H eim at w ar eig en tlich S p in d elm ü h le. S ein e G ru ft h atte er ü b e r d e r P e te rb a u d e
am M anstein. B ei den M äd elstein en lie g t sein S arg. Z w ischen dem P a n tsc h e ­
falle u n d d em K rekonosch ist ein e F e lsp a rtie , d ie ‘R ü b e z a h ls S ch lo ss’ heisst.
B ei d e r N euen S ch lesisch en B aude h atte R ü b e z a h l seinen W ü rfe l; oft b o t er
T o u riste n an, d ass sie m it ih m w ü rfeln so llte n ; denen a b e r w ar d e r Stein, d e r
w ohl zw an zig Z e n tn e r w iegt, zu sch w er. — H in te r d e r K irch e W a n g h atte R ü b e ­
zah l seine K e g e lb a h n ; d o rt h a t er oft a n d e re L e u te im K egelspiel ü b ertö lp elt.
A uf d e r k leinen K oppe w a r R ü b e z a h ls K affeem ühle.
F ü r die B e e ren su ch er
u n d die F ö rs te r h a t e r d o rt K affee g e k o c h t: d an n sah m an eine W o lk en b ild u n g ,
als w enn R a u c h em po rstieg . Ä rgerte m an ih n ab er, so lie f e r m it d e r K u rb el fort,
so dass sich n iem an d m e h r Kaffee kochen k o n n te. E r g ing d an n a u f den Z iegen­
rü ck en , zuw eilen a u ch h e ru n te r n ach S pind elm ü h le.
R ü b e z a h l w ar ö fters au ch a u f dem L u d e rfelse n an d e r
sch w arzen K oppe; sah
e r von d o rt L eu te, die ih n ä rg e rte n , so liess e r S teine h era b ro lle n . — An b e ­
stim m ten S tellen bei K ru m m h ü b el d u rfte m an R ü b e z a h l n ich t ru fe n ; so n st liess
er en tw ed er ein g ro sses U n w e tte r kom m en o d e r d o n n e ra rtig e s G estein von oben.
D as w aren S tellen, die zu sein em R e ic h e g eh ö rten .
B ei d e r B erg sch m ied e h a tte R ü b e z a h l ein E rz b e rg w e rk 1). In seinem G arten
h atte e r a lle rh a n d F rü c h te fü r G em ü se, b eso n d ers W a ss e rrü b e n ; alle T ag e b is zu
seinem T o d e ass e r ein en T e lle r R ü b e n su p p e .
R ü b e z a h l hatte e in en la n g en B art, w ar kräftig un d g r o ss und tru g ein en
S p itzhu t und e in e n Stock, w ie m an ih n im B usch a b sch n eid et. W en n ihn jem a n d
1) Meine Frage, ob Rübezahl auch im Melzergrund ein Bergwerk gehabt habe, be­
jah te Tröm er m it dem Zusatze ‘dort sieht man noch Löcher’; gleichwohl ist die Angabe
vielleicht nur durch meine F rage veranlasst worden.
134
Loewe:
ä rg e rte , n ah m e r plö tzlich e in e a n d e re G e sta lt an, um zu foppen. E r ersc h ie n
d ann als B u m m ler o d e r als T o u ris t, g in g d an n m it d en L eu te n , d ie ih n g e k rä n k t
h a tten , ein S tück u n d g ab ih n en d an n ein e fa lsch e W e g ric h tu n g an. D o ch h a t er
auch viel G u tes getan .
B ei g u te r L a u n e g in g R ü b e z a h l u n te r d ie L e u te u n d tan zte. D ie M ädchen h a t
e r se h r gern g eh a b t u n d v iele v erfü h rt.
R ü b e z a h l h a t g esag t, w enn d e r feu rig e Hund, in s L a n d ko m m en w ü rd e, d an n
k äm e eine sch lim m e Z e it; m it dem fe u rig en H u n d w ar d ie E ise n b a h n g e m e in t.“
A u sserd em erzäh lte m ir S tefan T rö m e r auch d re i G esch ic h ten von R ü b e z a h l,
d a ru n te r die e rste vom M ittag sstein , a b e r in s e h r a b w e ic h e n d e r G estalt.
1. R ü b e z a h l w i l l S c h l e s i e n ü b e r s c h w e m m e n .
R ü b e z a h l zog ein m al
von S p in d elm ü h le z u r T e u fe lsw ie se ; d a tr a f e r eine alte P re ise lb e e re n su c h en d e
F rau , m it d e r e r frü h e r ein m al ein en S tre it g e h a b t h a tte . Sie e rk a n n te ih n n ic h t;
e r a b e r h a lf ih r such en . Z u letzt lu d sie sich einen g ro sse n S ack voll P re is e l­
b eeren a u f ih re H ucke, d ie sie d a n n ab w e c h se ln d m it R ü b e z a h l tru g .
R übezahl
w ollte m it den P re ise lb e e re n S ch lesien ü b e rsch w e m m e n , d a d u rc h , d a ss e r sie in
den g ro ssen T e ic h w arf, w eil d ie F ra u au s S ch lesien h e rü b erg e k o m m e n w ar. D och
ta t es ih m sch lie sslic h leid , S ch lesien B ö ses zuzufügen. E r sag te v ielm eh r z u d e r
F rau , a ls sie d ie P re ise lb e e re n tru g , sie solle ein m al a u sru h e n . A ls sie au sru h te , v e r­
ste in e rte e r sie ; m an sie h t sie n o ch am M ittag stein .
2. D i e S t e i n e a u f d e r S c h n e e k o p p e .
S ch u lju n g en au s S p in d elm ü h le
h a tte n ein m al R ü b e z a h l g e ä rg e rt. E r n a h m sie n u n h in a u f bis zum K o ppenkegel,
w o sie z u r S trafe d ie S tein e k lein k lo p fen m u ssten .
D a fü r a b e r b ek am e n sie
je d e r einen T e lle r R ü b e n su p p e . An e i n e m T a g e h a tte n sie d ie S tein e k lein g e ­
klopft. D avon sin d d ie S tein e a u f d e r K oppe m eist n ic h t g rö sse r als ein T a s s e n ­
kopf.
R ü b e z a h l b e g leitete d ie Ju n g e n b is zum Z ie g e n rü c k e n u n d sch ick te sie
d an n n ach H au se m it d e r D ro h u n g , d a ss sie, w enn sie ih n n o ch ein m al ä rg e rte n , die
S teine an d e r E isen k o p p e k lein k lo p fen m ü ssten . D o rt lieg en n äm lich g rö sse re S tein e.
3. D a s S e i f f e n l o c h .
R ü b e z a h l w ollte ein m al vom Seiffenloch au s (w o h er
d e r Seiften k o m m t) z u r H a m p elb a u d e g eh e n . E in F ö rste r, d e r ih n n ic h t erk a n n te,
h ie lt ih n je d o c h schon im Seiffenloch an u n d sagte, e r solle a u f d em W e g e b leib en .
W ü te n d d a rü b e r riss R ü b e z a h l ü b e r v ie r M orgen ju n g e r S ch o n u n g h e ra u s u n d
sch leu d erte sie h in a b : d a h e r je tz t n o ch d e r k a h le F lec k im S eiffenloch.“
In S teinseiffen te ilte m ir d e r d o rt 1840 g e b o re n e A lb ert B a u m ert fo lg en d es m it:
„E s w u rd e erzäh lt, d a ss ein m al ein M ann von Steinseiffen n ac h W a rm b ru n n
g in g ; u n terw eg s g e se llte sich ein a n d e re r M ann zu ih m , d e r sich als R ü b e z a h l
entp u p p te. Sie kam en beid e a u f H e ilk rä u te r zu sp re c h e n und R ü b e z a h l le h rte d en
M ann ein d a ra u f b ezü g lich es S p rü c h le in ; d ie W o rte d es S p rü ch lein s h a b e ich v erg essen .
Im J u li 1864 g in g ich m it dem K n ec h t m ein es S ch w ieg e rv a ters au s B rü c k en ­
b e rg einen W e g h in te r d e r H a m p e lb a u d e ; d a b rac h ein fu rc h tb a re r S tu rm au s;
d e r K n ech t a b e r sagte, d as m a c h te R ü b e z a h l.“
In S teinseiffen e rfu h r ich au ch n o ch ein ig es von B eate E n d e, geb. M ai, die
1835 in S a alb erg g e b o ren w u rd e, 1866 n ach K ru m m h ü b el, 1868 a b e r nach S tein ­
seiffen kam . Sie w ill von R ü b e z a h l h a u p tsä c h lic h e rs t in S teinseiffen g e h ö rt hab en ,
wo v o n dem M ann, d em R ü b e z a h l G eld b o rg te u n d zu einem b estim m ten T erm in
zu rü ck v erlan g te, sow ie von d e r F ra u , d e r e r B lätter in G old v erw an d elte, e rz ä h lt
w orden se i; alten K rä u te rw e ib e rn und H o lz h a c k e rn h ab e R ü b e z a h l g eh o lfen , in d em
e r in v e rw a n d e lte r G e sta lt zu ih n e n g e tre te n w ä re 1).
1) N icht ganz sicher bin ich, ob die allerdings zuversichtliche Angabe der Frau
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
135
In F isch b ach erz äh te m ir d ie d o rt 1830 g e b o re n e C h ristia n e F ich tn e r, geb.
D eu n ert, nach d em B eric h t ih re r G ro sseltern n a c h ste h en d e G esch ich te:
„E in E h e p a a r setzte sich a u f d e r S chn eek o p p e n ied er. D e r M ann sa g te :
‘Ic h m öchte noch ein m al ju n g sein, a b er den V e rsta n d h a b e n w ie je tz t’. D ie
F ra u dagegen m ein te: ‘Ic h m öchte n o ch einm al ju n g sein, a b e r so, w ie ic h als
K ind w a r . D a tra t R ü b e z a h l h in te r sie als g rau es M ännlein u n d sa g te : ‘W a s ih r
e u c h g ew ü n sch t h ab t, soll eu ch w erd en ’. D arau f sch liefen M ann u n d ITrau ein.
D em M anne träu m te, e r w äre w ie d e r ein K ind, a b e r v iel v e rstä n d ig e r als an d e re
K inder. A lle w aren ihm feindlich, w eil e r als K ind so v o rw itzig w ar. E r kam
in die L eh re, m u sste a b e r viele M eister h ab en , w eil e r m eh r v e rste h e n w ollte als
d iese. E ndlich v e rh e ira te te e r sic h ; a b e r es g in g ihm n och w eiter sch le c h t w egen
sein es V orw itzes. D e r F ra u trä u m te , sie w äre w ied er ein K ind b e i ih re n E lte rn
u n d so glü ck lich , w ie n u r ein K ind sein kann. D ann w urde sie Ju n g frau , u n d
alle w aren freu n d lich g eg en sie, w eil sie so v ern ü n ftig w ar. Sie v e rh e ira te te sich
d a ra u f u n d fü hlte sich in ih r e r E h e glü ck lich .
D a w achten M ann u n d F ra u auf.
D e r M ann sag te: ‘G ott sei D ank, d ass ich au fg ew ach t b in ; ich h ab e ein sc h re c k ­
lich es L eben g e h a b t’. D ie F ra u a b e r v erse tzte : ‘Ic h h ätte g ern n o ch w eiter
geträu m t, denn ich bin so g lü c k lich g ew e se n ’.“
E inige B em erk u n g e n ü b e r R ü b e z a h l m ach te m ir au ch die in F isc h b a ch 1836
g e b o ren e und noch w o h n h afte M arie D e u n ert, d ie S c h w ester d e r oben g en an n ten
C h ristia n e F ic h tn e r:
„D ie G ro sseltern hab en vom N a c h tjä g e r u n d von R ü b ez a h l gesp ro ch en .
L e tz te re r
sollte ab e r n ic h t in
F isch b ach , so n d ern im G eb irg e sein [F isch b ach
lie g t im V o rg eb irg e]. — E in a rm es B ra u tp a a r k lag te sich ein m al seine Not. D a
k a m R ü b e z a h l u n d m ach te b eid e B ra u tle u te reich , so d ass sie sich h e irate n k o n n te n .“
ln F isch b ach b e ric h te te m ir w e ite r d e r d o rt 1861 g eb o ren e W ilh elm K u h n t:
„ D ie alten L eu te in F isch b a c h g la u b te n frü h er, d ass R ü b e z a h l im G ebirge
w äre, sp rach en a b e r w e n ig er von ih m a ls v o n a n d eren G eistern . D och erzäh lte
d ie je tz t
etw a 60 J a h re alte, in F is c h b a c h g eb o ren e, je tz t a b e r
in L om nitz
w o h nende F ra u E rn e stin e K rügel, d ass sie, als sie zu sam m en m it B eate E n d e aus
F isc h b a c h am F o rstb e rg e B eeren such te, p lötzlich R ü b e z a h l v o r ih r g estan d en
habe; er
h ab e so au sg e se h e n , w ie m an ih n d a rs te llt; sie sei se h r ersch ro ck en
g ew esen , a b e r R ü b e z a h l sei sog leich w ied er v e rsch w u n d e n .“
V on den m ir von K u h n t g e n an n te n F ra u e n k o n n te ich w en ig sten s F ra u Beate
E n d e, geb. H aertel, sp rech en , die 1843 in E rd m a n n sd o rf g eb o ren w ar, vom fünften
J a h re ab in W a lte rs d o rf b ei K u p ferb erg le b te u n d je tz t auch in F isc h b a c h w ohnt.
Sie b erich tete m ir:
„ Ich h ab e einm al die w eisse F ra u g ese h en , d ie sich als B rau t vom S chloss
in den W a llg rab en g e stü rz t h a t u n d nun um geht. V on d ieser w ird in F isch b ach
e rz ä h lt. In d e r N ähe u n se re s H au ses sie h t m an an e in e r b estim m ten S telle ein
L ic h t bren n en , d as n ic h ts N a tü rlic h es is t; m an n e n n t es d en g oldenen Esel.
R ü b e z a h l ist o ben im G e b irg e ; a b e r a u c h in F isch b a c h w u rd e viel ü b e r ih n
gesprochen. G esehen h ab e ich ih n nicht. R ü b e z a h l m ach te D u m m h eiten w ie
E u le n s p ie g e l.“ 1)
Ende, dass Rübezahl seinen Sitz am Rabenstein zwischen Steinseiffen upd Wolfshau ge­
habt haben soll, nicht durch meine F rage, ob der Berggeist sich nicht in der Mähe von
Krummhübel und Wolfshau aufgehalten habe, hervorgerufen wai\
1) An letztere Bemerkung knüplte sie noch die Erzählung m it der P ointe: ‘Wenn
sich auf e i n e r Feder so schlecht liegt, "wie wird sich erst auf vielen liegen’ (vgl. oben
18, 19).
136
Loewe:
E in ig es b e ric h te te m ir in d ie s e r G eg en d n och die 1830 in Q u irl g eb o ren e,
je tz t in d e r z a E rd m a n n s d o rf g e h ö rig e n K olo n ie S ch eib e w o h n h afte A ug u ste F e ls ­
m ann, geb. L o re n z :
„ D ie alten L eu te h a b e n v iel v o n R ü b e z a h l e rz ä h lt. E r w a r o ben a u f dem
G ebirge, k am von d o rt ö fters ein S tü ck h e ru n ter, g in g d an n m it irg en d je m a n d e m
eine S treck e u n d en tfe rn te sich d an n w ie d e r.“
W e ite re s e rfu h r ic h von d em 1848 in S to n sd o rf g e b o re n e n W ilh e lm B au m g art,
d e r seit 1873 in Steinseiffen w o h n t:
„D en K rä u te rsu c h e rn , d ie n ic h ts g e fu n d en h a tte n , h a t R ü b e z a h l die S äcke
gefüllt. W en n je m a n d im W in te r beim H o lzfah ren d en S ch litten n ich t v o rw ärts
b rach te, so h a lf ih m R ü b e z a h l.
Z w ei T o u ris te n zogen einm al d u rc h d as G eb irg e.
D e r eine rie f: ‘R ü b e z a h l,
w o b is t d u ? ’ D a w u rd e es fin ster u n d re g n e te fu rc h tb a r.“
D azu e rz äh lte m ir W ilh e lm B a u m g a rt n o ch fo lg en d es M ärchen, d as e r von
s e in e r M u tter in S to n sd o rf g e h ö rt h a tte :
„ R ü b e z a h l k am einm al n a c h A g n e te n d o rf zu einem B auern u n d w o llte d o rt
ein M ädchen h eira te n .
Sie sa g te d a ra u f: ‘W e n n d u die R u n k e lrü b e n ric h tig
zäh lst, d ie w ir h eu te gepflanzt h a b e n , so w ill ich d ich n e h m e n ’. E r z äh lte e in ­
m al; u m ric h tig g ez äh lt zu h a b en , zä h lte e r n och e in m a l; es stim m te nicht. D a
zä h lte e r zum d ritten M al, a b e r es stim m te w ied er nicht. D a w o llte ihn das
M ädchen n ich t nehm en . D a zog e r in d ie B erg e u n d kam nach lan g em H in- u n d
H e rw an d ern in eine u n te rird isc h e B urg. N ach d em e r d o rt lan g e h eru m g e g an g e n
w ar, sah e r ein sch ö n es M ädchen sitzen, d as ih n fragte, w as e r such te. A ls er
d as e rk lä rte , sagte sie, e r so lle d o rt b leib en , sie b ra u c h e ein e n G efäh rten . So
b lieb er viele h u n d e rt J a h r e dort. E n d lich w ollte e r sich d ie W e lt w ied er a n seh en u n d ging w ie d er n ach A g n ete n d o rf u n d fragte, w o d e r b etreffen d e B a u e r
u n d d as M ädchen w ä re n : er h a tte n ich t g em e rk t, d a ss e r v iele h u n d e rt J a h re im
u n te rird isc h e n R e ic h e g e w esen w ar. D ie L e u te im D o rfe w u n d e rten sich , d ass
e r d o rt b e k an n t sein w ollte. E s gefiel ih m au ch je tz t n ic h t m e h r dort, und e r g ing
w ied er in d ie B e rg e “ .
In A rn sd o rf tr a f ich n och e in en von d en im R ie se n g e b irg e ein st h äu fig eren
p a ssio n ie rte n R ü b e z a h l-E rz ä h le rn , d en d o rt 1844 g e b o ren en S c h u h m ac h e r A ugust
H ertram p f. D ie G e sch ich ten h a tte er, w ie e r sagte, teils von sein en V o rfa h re n
g eh ö rt, teils, als e r in se in e r J u g e n d als K u h h irt in B rü c k e n b e rg w ar, d o rt von
ein em an d e re n H irte n , d e r d a m a ls sch o n e in ig e d re issig J a h re z äh lte. E r g ab m ir
folgende, zum T e il a llg e m e in e r b e k a n n te E rz äh lu n g e n :
1.
R ü b e z a h l a ls G lä u b ig e r .
E in M ann in d en R a sc h k e n h ä u se rn h a tte
N ot u n d w ollte sich d e sh alb an R ü b e z a h l w enden. E r g in g zu diesem Z w eck a u f
R ü b e z a h ls K egelbah n . B a ld g e se llte sich au ch ein H e rr in g rü n e r K leid u n g zu
ih m u n d frag te ih n , w as ihn d o rth in fü h rte ; frü h e r w a r n äm lich d as G eb irg e w eit
sc h w e re r zu beg eh en . D e r M ann a u s den R a sc h k e n h ä u se rn sag te nun, w as ihn
d o rth in fü h rte. D e r H e rr fragte, ob er v o lles V e rtra u e n h ä tte . D e r M ann sag te
ja . D a fü h rte ih n R ü b e z a h l — d enn d as w ar d e r H e rr — in d en M elzer G ru n d ,
w o m an den E in g a n g zu s e in e r S ch a tz k a m m e r n o ch sieh t.
E r n ah m ein en
S ch lü ssel h erau s, und ein e T ü r sp ra n g m it ein em K n all au f: d a w aren sie in
seinem u n te rird isc h e n R e ic h . D a stan d en v iele G eld to n n en . R ü b e z a h l frag te d en
M ann, w ie v iel e r b ra u c h te . D e r M ann n a n n te d ie S um m e, u n d R ü b e z a h l g ab sie
ihm , sag te ab er, d ass e r nach e in e r b e stim m te n Z eit (es w aren w o h l d re iz e h n
J a h re ) das K ap ital z u rü ck z ah len so llte ; w enn e r d as K a p ita l n ic h t h ätte, so llte e r
w en ig sten s d ie Z insen b rin g en . — D e r M ann k am au s d e r N ot u n d g in g zu r b e ­
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
137
stim m ten Z eit m it dem K ap ital w ied er zu R ü b e z a h ls K eg elb ah n . D a kam ein
H au ch, u n d R ü b e z a h l ersc h ie n . E r sagte, dass d e r M ann, w eil e r so p ü n k tlic h
w äre, d as G eld b eh a lte n sollte.
-• R ü b e z a h l u n d d i e B a u e r n . R ü b e z a h l kam ein m al a u f e in e r R e ise zu
einem B au ern und frag te ihn, w ie es ihm ginge. D e r B au er k lag te ihm sein e
N ot. D a lach te R ü b e z a h l u n d sa g te : ‘Ich w erd e Ih n en d en O fen ab k a u fe n ’. E r
k au fte d a ra u f au ch den O fen fü r v ieles G eld. D a ra u f liess e r d en se lb e n a b re issen u n d die K ach eln zu P u lv e r sto ssen . D as P u lv er liess e r in k lein e
S ch äch telch en tu n u n d v e rk a u fte es a u f dem M arkt als Safran. E r löste d a fü r
eine u n g e h e u re M enge G eld. A ls die an d e re n B auern das sah en , sta u n te n sie u n d
n s s e n zu H au se auch ih re Ö fen ab. A b er sie konnten d as P u lv e r a u s d en
K acheln n ich t so g u t h e rste lle n . D u rc h R ü b e z a h ls B etrug h a tte n d ie B au ern d as
N ach seh en : sie h a tte n nun k ein e Ö fen u n d a u ch k ein G eld. Sie gingen ih m nach
u n d kam en au ch in ein W irtsh a u s, wo e r sass, e rk an n ten ihn ab e r nicht. D a
sagte e r: ‘Ic h bin ein P fe rd e h ä n d le r. W e n n ih r P fe rd e verk au fen w ollt, so brin g t
sie n u r h e r o d e r ich g eh e m it euch. H ab t ih r sch ö n e P fe rd e ? ’ D ie B auern
e rw id e rte n : ‘J a ; w ir m ö ch ten sie auch verk au fen , w eil w ir G eld g e b ra u c h e n ’. D a
sagte er, sie so llten ih re P fe rd e holen, a b e r n ich t d ie sc h lech testen G äule. A ls
die B au ern fort w aren, g in g R ü b e z a h l zu ih re n F ra u e n und bot ihnen als
H an d elsm an n sein e W a re an. D ie F ra u e n w ollten ein M ittel g egen zu v iele
K inder. D a v erk au fte ih n en R ü b e z a h l ein P u lv er, w ovon sie d rei M essersp itzen
voll vo r S on nenaufgang n eh m en so llten u n d eb en so v iel vor dem S chlafengehen.
E r m ach te ein g ro sse s G esch äft u n d en tfe rn te sich. Im W irtsh a u s h atten d ie
B au ern ihn n ic h t w ied erg efu n d en . D u rc h d as P u lv e r a b e r h ab en die F rau e n das g anze
B ett b esch m utzt, als sie bei ih re n M än n ern sch liefen . [V gl. R . K ö h ler, Kl. S ehr. 1, 2.10.]
o.
R ü b e z a h l u n d d i e S t u d e n t e n . M eh rere S tu d en ten b ereiste n das G e­
birge. U n terw egs bek am e n sie H u n g e r u n d D u rst u n d w ü n sch ten sich in d e r
N ähe ein G asth au s. A ls sie ein S tück W e g e s zu rü ck g e le g t hatten , sah en sie ein
G asth au s m it d e r A u fsch rift ‘E in k e h r zum R ü b e z a h l’.
D a traten sie ein u n d
H essen sich S peise und T ra n k g eb en . E in e r fragte, wo h ie r R ü b e z a h l zu finden
w äre. D er W irt, d e r R ü b e z a h l se lb st w ar, ärg e rte sich ü b e r den N am en R ü b e ­
zahl. E r b ew irk te es, d ass d e rse lb e S tu d en t s p ä te r sc h lä frig w urde. A us diesem
’ru n d e m u ssten a lle S tu d en ten d o rt Q u a rtie r b is zum n ä ch sten T ag e nehm en.
- m n äch sten T a g e e rk u n d ig ten sie sich, wo sie den B erg g eist finden w ürden,
e r W irt sagte ihnen ein e S telle, wo sie d en selb en v ie lle ic h t treffen könnten.
W as h at d e r B erggeist fü r ein A bzeichen, d ass w ir ih n e rk e n n e n ? ’ fragten d ie
S tud enten . ‘E r trä g t eine R ü b e u n te rm A rm ,’ lau tete d ie A ntw ort.
Am n ächsten
T a g e trafen sie d enn a u ch ein en so lch en M ann. Sie b aten ihn, e r m öchte sie
doch in sein R e ic h fü h ren . D a n a h m e r sie m it in sein b ek an n te s u n te rird isc h e s
R e ic h am M elzer G run d . D o rt fan d en sie S chätze, w ie sie noch k eine g eseh en
h atten . D a frag te er sie n ach ih re n W ü n sch e n . D e r eine w ü n sch te sich v iel
eld, d e r an d e re , d ass R ü b e z a h l ih m ü b e r sein e Z u k u n ft w a h rsag en so llte; d e r
d ritte w ollte w issen, ob e r ein e re ic h e H eirat m achen w ürde. R ü b e z a h l w a h r­
sagte allen G utes, u n d a lles h a t sich sp ä te r auch so erfüllt. Zum D ank d a fü r
w ird das R ie se n g e b irg e au ch h e u le n o ch von den N achkom m en d er S tu d en ten
viel besucht. Als die S tu d en ten d as u n te rird isc h e R e ic h v erliessen , w u rd en sie
g ew ah r, d ass d e r v ierte von ih n en — d erselb e , d e r im W irtsh a u s sc h läfrig g e ­
w orden w ar — fehlte.
Sie frag ten den B erg g eist, wo e r g e b lie b e n w äre. D er
a b e r sa g te : ‘M eine Z eit is t u m ; ich d a rf je tz t d o rth in n ic h t z u rü c k k e h re n .’ E r
b estim m te eine Z eit, w ann sie w ieder d a sein sollten, um den S tu d en ten zu holen.
138
Loewe :
Als d ie Z eit u m w ar u n d sie k am en , fa n d en sie d e n S tu d e n te n u n te n in R ü b e ­
zah ls R e ic h a u f e in e r T a fe l sitzen, g e su n d u n d m it e in em g o ld e n e n A pfel in
d e r H an d .
D ie S tu d en ten n a h m e n ih n n u n w ie d e r m it; e r a b e r sta rb b ald
darau f.
4. R ü b e z a h l a l s S c h n e i d e r g e s e l l .
R ü b e z a h l v e rd in g te sich e in m al als
S ch n eid erg esell. A ls d e r M e iste r e in es S o n n tag m o rg en s in d ie K irc h e ging, g ab
e r R ü b e z a h l einen R o ck , an d en d ie Ä rm el n och n ic h t a n g e se tz t w aren , u n d
sa g te : ‘S ch m eisse Hink ein m al d ie Ä rm el h e ra n .’ A ls d e r M eister w ied erk a m ,
schm iss d e r G esell fo rtw ä h re n d m it d en Ä rm eln n a c h d en A rm lö ch ern hin. D e r
M eister s a g te : ‘K erl, w as m ac h st d u d a ? ’
D e r G esell e rw id e rte : ‘Sie h a b e n
j a g esag t, ich
so lle d ie Ä rm el g esch w in d an den R o c k sc h m e isse n ; ich finde
freilich , d ass sie n ic h t h än g en b le ib e n .’ D a lie ss d e r M eister d en R ü b e z a h l g e h en
und sa g te : ‘S o lch en G esellen h a b e ic h n och n ic h t g e h a b t.’ R ü b e z a h l a b e r sa g te :
S o lch en M e ister h a b e ich n o ch n ic h t g e h a b t.’ [V gl. E u le n sp ie g e l 1515, H ist. 48.]
5. D i e G e b u r t d e s K a l b e s . E in M ann au s F o rs t
w u rd e k ra n k . S eine
F ra u g in g d a ra u f m it sein em W a s s e r in s G ebirge, um es b e se h e n zu lassen .
R ü b e z a h l g e se llte sich zu ih r u n d g ab sich fü r ein en A rzt au s. E r u n te rsu c h te
das W a s s e r u n d sagte, ih r M ann w äre in a n d e re n U m stän d en . A ls d e r M ann
d as erfu h r, w ollte e r sich e rh ä n g e n . E r g in g in den W a ld n ach d en G ren zb au d en
zu. A uf d em
W eg e
fand
e r sc h o n ein en G e h a n g e n e n ; d a w u rd e e r a n d e re n
S innes. D e r G eh an g e n e h a tte ein P a a r n e u e S tiefel an. D ie w o llte d e r M ann
sich an e ig n e n ; als e r sie n ic h t a u sz ie h en k o n n te, sc h n itt e r d ie G elen k e d u rch
u n d steck te die B eine m itsa m t d en S tiefeln in e in e n Sack. E r irrte n u n u m h e r,
bis e r spät ab en d s n a c h S c h ild a u k am . D o rt fan d e r A u fn ah m e in ein em B a u e rn ­
haus. D e r B auer k o n n te ih m a ls N a ch tla g er n u r S tre u in d e r S tu b e b ieten. D ie
K uh d e r B au ersleu te w a rf in d e r N a ch t ein K alb ; d a es s e h r k a lt w ar, leg te d e r
B a u e r das K alb m it a u f d ie S treu . A ls d e r M ann frü h erw a c h te , g la u b te er, e r
h ä tte das K alb geb o ren , u n d g in g m it dem B ew u sstsein , von sein em L e id e n frei
zu sein, sch n ell von d an n en . M it d en B einen u n d S tiefeln a b e r w ollte e r sich
n ic h t w eiter sch lep p en , so n d e rn sc h ü tte te sie au s d em S ack a u f d ie S treu . A ls
die B a u e rsle u te in d ie S tu b e kam en, w a r ih r G a st v ersch w u n d en . S ie fragten
sich, w as h ie r p a ss ie rt w äre. E n d lic h sag te d e r B a u e r: ‘D as K alb h a t den M ann
g e fre sse n : h ie r sie h st d u n o ch d ie S tiefel an d en B einen.
S p rich n u r j a n ic h t
davon, d a m it w ir es n ic h t noch m it d en G erich te n zu tu n b e k o m m en .’ A ls d e r
M ann aus F o rst n a c h H a u se k am , e rz ä h lte e r se in e r F ra u a u f ih re F ra g e , w ie es
ihm erg an g en w ar. D a sag te die F ra u : ‘D u h ä tte st doch lie b e r d a s K alb m it­
bringen so llen ; d as w äre m ir lie b e r a ls d u .’ [V gl. H . Sachs, F ab eln 2, 13t>. 5, 112.]
(i. R ü b e z a h l im g r o s s e n T e i c h . E in M ann n a m e n s K ah l a u s B rü ck en ­
b e rg su ch te ein m al E n z ia n oben b e im g ro ssen T e ic h . E r h a tte sch o n so viel
gepilü ckt, d ass e r d a c h te , nun h ätte e r ein e ric h tig e T ra g e , u n d w ar sch o n im
Begriff, d en E nzian a u f sein e H u ck e zu lad en , d a sah e r a u f e in m a l von w eitem
einen R e ite r au f einem S ch im m el k om m en. D e r R e ite r ritt d ire k t a u f ih n zu.
K ahl d ach te, es w äre d e r G ra f von W a rm b ru n n , u n d w o llte R e iss a u s n eh m en ,
w eil es n ic h t e rla u b t w ar, W u rz e ln zu h ack en . D e r R e ite r a b e r g ab ih m ein en
W in k , e r solle steh e n b leib en, stieg ab, zog u n te r sein em g ro sse n M antel ein e
W ü n sc h e lru te h e rv o r u n d sa g te : „H ier, h a lte n S ie m e in P fe rd . Ich b in n äm lich
•der W a sse rm a n n au s B re sla u ; ich h a b e m ein e T o c h te r h ie r im g ro sse n T e ic h
v e rh e ira te t u n d w ill sie b esu ch en . W e n n ich je tz t d ie W ü n sc h e lru te g e b rau c h e ,
so w ird sich d as W a s s e r te ile n , u n d ic h w e rd e h in a b ste ig e n . W irft d a s W a sse r
sodann w eisse W e lle n , so kom m e ich w ie d e r; w irft es a b e r ro te W e lle n , d ann
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
139
können Sie m ein P fe rd n e h m e n .“ D a ra u f stieg e r h in ab . D as W a s s e r w a rf
w eisse W ellen , a b e r es d a u erte ein e lan g e Z eit, bis d e r H e rr zu rü ck k am . D em
K ahl w ar in d essen d ie Z eit lan g gew o rd en , w äh re n d d a s P fe rd M ist h a tte fallen
lassen. A ls d e r H err plö tzlich h erv o rk am , n ah m e r d ie Z ügel in d ie H and,
sch w an g sich a u f d as P fe rd u n d sag te zu K ah l: „ Z u r B elo h n u n g k ö n n en Sie sich
den P fe rd e m ist n e h m e n ; w erfen S ie ihn n ic h t fo rt; Sie w e rd e n sp ä te r an m ich
d e n k e n /“ K ahl leg te d a ra u f d en P fe rd e m is t in einen Sack, den e r a u f d e r H ucke
trug. Bald a b e r k o n n te e r d ie H ucke n ich t m e h r trag en , w eil sie zu sch w er
w urde. E s sch lep p te sich d a m it noch b is zum d ü rre n H ü b el u n w eit d e r S ch lin g e l­
baude und w a rf d ann den M ist fort. D en Sack a b e r n ah m e r w eiter m it. S eine
F ra u k am ih m entgeg en , w eil es schon finster w ar. A ls e r ih r se in E rle b n is
erzäh lte, sch ü ttete sie den Sack au s u n d fand d arin noch ein p a a r G o ld k lu m pen .
A ls sie d a ra u f b eid e nach d en ü b rig e n su ch ten , fanden sie n ich ts m eh r.
D e r ‘W asse rm a n n a u s B re sla u ’ w ar in W irk lic h k e it R ü b e z a h l g ew esen .
U nter den B ew ohnern d es G e b irg es h a tte sich n äm lich eine g ew isse F u rc h t v o r
R ü b e z a h l ein g estellt, d a d ie s e r oft S c h an d taten au sg efü h rt h atte.
U m sich n u n
u n e rk a n n t n ä h e rn zu kö n n en , n ah m R ü b e z a h l oft ein e a n d e re G estalt und einen
a n d e re n N am en an. — D e r K ahl au s B rü c k e n b e rg w ar d e r U rg ro ssv ater ein es
K ahl, d e r v o r kurzem in A rn sd o rf g e sto rb e n ist.“
Im allgem einen b em erk te H e rtra m p f so n st n u r n och:
„ R ü b e z a h l w ar ein F reu n d d e r L eu te, d ie sein e K räu ter zu A rzneien b e ­
n u tzten , a b e r ärg erlich a u f die, w elch e sie ab p flü ck ten und fo rtw arfen .“
V on dem V e tte r d es S c h u h m a c h e rs H ertram p f, d em 1820 in A rn sd o rf g e ­
b orenen frü h eren W a ld w ä rte r A u gust H ertram p f, e rfu h r ich m e h r ü b e r d ie ü b rig en
G eister als ü b e r R ü b e z a h l. D och m ag au ch d as h ie r w ied erg eg eb en se in :
„An den S p in n ab en d en tra u te m an sich n ic h t h e ra u s au s F u rc h t vor den
G e iste rn ; auch w enn die L a u te au stre te n w ollten, g in g en sie n ic h t allein h erau s.
D e r g ro sse L e u c h te r kam b is z u r L o ran itzb rü ck e, g ing w ie d er zu rü ck bis zum
K alkofen u n d verlo sch dort.
D er D rach e h a t ein en
b re n n e n d e n g ro ssen S ch w eif g e h a b t u n d
zog ü b e r die
H äu ser; beim L a b o ran te n
R ie se n b e rg e r setzte e r sich aufs D ach u n d sch ü ttete
o
aus. W e n n e r sc h w eres G old h atte , kam e r n ie d rig ; h a tte e r au sg esch ü tte t,
so zog e r hoch, d ass m an
ih n n ich t m e h r sah.
D e r N ach tjä g er h a tte H u n d e, d ie viel b e llte n ; e r m ach te die L eu te furchtsam .
R ü b e z a h l (R ib a z ä l) h a t d ie L e u te irre g e fü h rt.“
D agegen e rfu h r ich noch ein ig es in A rn sd o rf von d e r T o c h te r des eben ge­
n an n ten A ugust H ertram p f, d e r F ra u M arie B önsch, d ie d o rt 1851 g e b o ren is t u n d
m ir erz ä h lte , w as sie e in st von ih re r M u tter g e h ö rt h a tte :
„V on R ü b e z a h l w u rd e am m e isten g esp ro c h e n ; doch v e rg isst m an alles.
R ü b e z a h l h atte seinen Sitz o ben a u f dem G eb irg e.
E r h a lf oft d en K rä u te r­
suchern , a b e r n u r w enn sie taten , w as e r ih n en sagte. W e n n d ie L eu te etw as
an d eres p flü ck ten , als e r ih n en ang ab , so h atten sie sp ä te r n ich ts im Sack. R ü b e ­
zah l h a t viel W u n d e r g e w irk t.“
In B r ü c k e n b e r g e rh ie lt ich von der dort 183G g e b o ren en C h ristian e L inke, g e b .
Schm idt, fo lg en d e A u sk u n ft:
„B ei den D reistein e n soll R ü b e z a h l zu H au se g ew esen sein u n d d o rt K räu ter
g e su c h t h aben. A rm en L eu te n , die ih n u m etw as baten, m ach te e r g ro sse G esch en k e.
R ü b e za h l u n d d e r T e u fe l h ab en einm al, a u f einem D ach e sitzen d , zu sam m en
g e sc h u ste rt. D em T e u fe l is t sein O rt h e ru n te rg e k u g e lt, w eil d as D ach so sc h räg
w ar; R ü b e z a h l dag eg en se in O rt im D ach fe stg e ste ck t.“
140
Loewe:
F e rn e r g ab m ir ü b e r S ag en d ie s e r G eg en d H e rm a n n H aase (je tz t in K ru m m ­
h ü b e l) zu sein en M itteilu n g en au s d em J a h r e 1907 (vgl. o b en 18, 12 f.) n ach E rzä h lu n g e u sein es V a te rs u n d a lte r B rü c k e n b e rg e r n och fo lg en d e E rg ä n z u n g e n :
„ E in e n G arten R ü b e z a h ls, d en ic h a b e r n ic h t g e se h e n h ab e, g ab es au ch am
B ru n n b erg . W en n je m a n d T e u fe ls b a rt u n d H ab m ic h lie b a u sriss, w u rd e R ü b e z a h l
ä rg erlich .
D as G esp räch m it d em N ie sw u rz h a c k e r fand am R a n d e d es g ro ssen T e ic h s
statt. D e r M ann b e k a m e in en K uhfladen von R ü b e z a h l zum L ohn, liess ihn a b e r
lie g e n ; als e r ein S tü ck g eg a n g en w ar, b e m e rk te er, d a ss am S ack ein D u k aten hing-,
d e r von ein em S tü ck d es K uhfladens h e rrü h rte ; als e r d a ra u f zu rü ck g in g , fand er
je d o c h n ich ts m e h r 1).
III. Der Nordwesten.
In d en B ab e rh ä u se rn g ab m ir d e r 1830 d o rt g e b o re n e W a ld a rb e ite r Jo h a n n
K a rl M a rk ste in e r fo lg en d e A u sk u n ft:
„ E s w u rd e frü h e r viel von R ü b e z a h l erz ä h lt.
E r soll sein G eb iet 2 1/» M eile
von d e r b ö h m isch en G renze g e h a b t h ab e n . S ein en K eller, in dem m an u n te r d e r
E rd e lau fen kann, u n d sein e S o m m erlau b e h atte e r zw isch en P e te rb a u d e u n d
S ch n eeg ru b en .
K egel h a t e r vom S o m m erp lan au s ü b e r d e r K irch e W an g g e ­
sch o b en . D ie K ugeln sin d b is zum g rü n en P la n geflogen, wo noch ein e von
ih n en liegt. In d e r N ähe ist d as G oldloch.
E s w u rd e auch g esag t, d ass, w enn m an R ü b e z a h l n ich t ric h tig g rü sse , er
einem ins A uge sp u c k e : d as w ar d e r R e g e n a u s d e r W o lk e.
W e n n die L e u te B eeren pflückten, so h a t R ü b e z a h l ih n e n G eld g e b ra ch t,
auch A nzüge, w enn sie zu sc h le c h t g e k le id e t w aren . A uch h a t er g eh o lfen , w enn
die L eu te S y m p ath ie m itte l au s K rä u te rn m ach ten .
D e r T e u fe l h a t d en M ittag sstein g e b ra c h t; ein alte s W e ib re d e te ih m zu, den
Stein n ie d e rse tz e n ; d a k o n n te e r n ic h t w e ite r.“
W e ite re s e rfu h r ich in den B a b e rh ä u se rn von d e r d o rt 1836 g eb o re n e n
C h ristia n e W o lf, geb . H äk e l, d ie ih r W isse n ü b e r d en B erg g eist von ih re r 1855
g e sto rb en en G ro ssm u tte r Jo h a n n a M ark ste in e r, geb . L ie b ig h a t:
„ R ü b e z a h l h a t bei d en D re iste in e n g e w o h n t u n d ist oft im W ald bei den
B a b e rh ä u se rn ersch ien en , w o e r d ie H o lz fä lle r b e sc h e n k t h at.
Am S e ifen w asser
1) Einen ‘herrschaftlichen G arten’ (vgl. oben 18, 13) kennt Herrn. Haase in der
Gegend von Brückenberg nicht, wohl aber einen ‘H errengarten’, d. h. ..ein ebenes Stück
W eges; weiter herunter standen H äuser, wovon noch Spuren von Mauern sind: man nennt
sie H errenhäuser; w eiter unterhalb lag das Heideschloss. Das Ganze hiess der Türken­
hübel. Man sagt, dass es die T ataren zerstört haben sollen. Mit Rübezahl h at das
Ganze nichts zu tu n .“ — H einrich Linke aus Krumm hübel (vgl. S. 132) kennt noch den
‘herrschaftlichen G arten’ ; „dort soll das Heideschloss gestanden haben; dort sollen alte
R itter früher gewesen sein. Man h at auch nachgegraben; dabei sind die Mauern ein­
gerissen.“ Mein F ührer aus Krumm hübel h atte m ir also als ‘herrschaftlichen G arten’
etwas anderes gezeigt, als was m it diesem Namen wirklich bezeichnet wurde. Seine Un­
zuverlässigkeit hatte sich auch besonders darin gezeigt, dass er m ir gesagt hatte, von
Rübezahl eriähle niem and im Gebirge; wenn es ‘Rübezahls Kegelbahn usw.1 heisse, so
komme das daher, weil jed e r P u n k t doch seinen Namen haben müsse. Aus seinen An­
gaben lassen sich also keine Schlussfolgerungen ziehen. N ichtsdestow eniger ist auch heute
noch der Name ‘H err Johannes’ für Rübezahl stellenweise im Riesengebirge bekannt
(vgl. S. 129).
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
141
b ei den B ab erh äu sern h a t er H olz sägen helfen, so d ass d ie A rb e ite r oft in ein em
T a g so viel schafften w ie so n st in v ier W ochen.
R ü b e z a h l h atte ein en tie f h in a b re ich e n d en w eissen B art, ein v e rn a rb te s G e­
sicht, stru p p ig e H aare a u f den K opf, d ie h in ten w eit h e ru n te r hin g en .
Sein H u t
w ar g rü n m it M oos u n d T an n en zw eig en .
R ü b e z a h l h a t d en L e u te n G eld g esc h e n k t. W ä h re n d ein m al ein e F ra u im
W a ld e H olz las, spielte ih r Ju n g e u n d raffte ein e S ch ü rze v o ll tro c k e n e r B u ch en ­
b lä tte r zu sam m en ; R ü b e z a h l v e rw an d elte sie in G old. K in d ern g a b e r Z apfen von
F ichten, w oraus G old w u rd e.
R ü b e z a h l gab den L eu te n L ieb stö c k e l u n d T o rm e n tille , d am it sie g e su n d w ü rd en ,
und das K ra u t des L eb en s, d am it sie n ic h t stü rb en .
Als d ie P e st h e rrsc h te ,
sagte er:
Kocht Bibernell und Baldrian,
W ird Pestilenz ein Ende han.“
V on dem 1853 in d en B a b e rh ä u se rn g eb o re n e n u n d d o rt n o ch w o h n h aften
L an d w irt Jo h an n K arl H ein rich M ark stein er e rfu h r ich n och fo lg en d es:
„B eim alten S chloss u n d b ei T u m p sa h ü tte h a t sich R ü b e z a h l au fg eh alten u n d
d o rt die H exen fortgejagt, die d o rt S tein e au sg esessen h atten .
D ie K rä u te r h a t
er bei den T e ich en g e su c h t.“
In S eid o rf e rh ie lt ich von d em d o rt 1832 g eb o ren en frü h eren G e b irg sfü h re r
und je tzig en S te u erein n e h m e r L o u is H e in ric h A uskunft.
A u f m ein B efragen be­
m erk te d erselb e, d a ss e r als G eb irg sfü h re r nich ts a n d e re s e rzä h lt h ab e, als w as
allgem ein erzäh lt w urd e. E r b eric h tete m ir:
„V o n R ü b e z a h l w u rd e so g u t e rz ä h lt w ie vom N ach tjäg er, d em W asse rm a n n ,
den H o lzw eib ern u n d d em g ro ssen L e u ch te r.
R ü b e z a h l w ohnte in d en h ö h eren
W ä ld e rn des G ebirges, kam a b e r b isw e ile n in s T al.
M an d ach te sich ih n als
neck isch en K obold, a b e r m e ist g ro ss; doch soll e r v e rsch ied en e G estalten an ­
genom m en h aben.
R ü b e z a h l hat v iele L eu te geneckt, m an ch e n a b e r au ch G u tes getan. E r h at
auch L e u te g estraft, die sich u n g e b ü h rlic h geg en a n d e re b en ah m e n . Ö fters h at
er den L eu ten m ed izin isch e K rä u te r w eggenom m en, w o fü r sie sp ä te r ein schönes
G eld g esch en k g efu n d eu h ab en .
E in B au er g in g ein m al n ach H irsc h b e rg , u m sich ein en O fen to p f zu k aufen.
U nterw egs g esellte sich R ü b e z a h l zu ihm . B eide g in g e n d a ra u f zu ein em K upfer­
schm ied, bei d em d e r B au er sich ein en p a sse n d e n O fen to p f au ssu ch te. R ü b e z a h l
bezw eifelte, d ass d e r O fen to p f g ro ss g en u g w äre; er sagte, er k ö n n te ih n v o ll­
m achen. D er K u p fersch m ied e rk lä rte , dass, w enn R ü b e z a h l das im stan d e w äre,
e r den O fentopf u m so n st b ek o m m en sollte. D a m ach te R ü b e z a h l den O fentopl
voll und bek am ihn d a fü r.“
In S eid o rf te ilte m ir fe rn er d e r 1845 d a se lb st g e b o ren e frü h e re S ch u h ­
m ach er und G eb irg sfü h re r u n d je tz ig e L a n d w irt H ein ric h R itte r folgendes m it:
„D ie alten L e u te e rzäh lten , R ü b e z a h l w ä re ein B erg g eist, d e r in den K lü ften
d es R ie se n g e b irg e s w o h n te und b isw eilen d a ra u s h erv o rk ä m e. E r h a t den L eu ten
oft S ch ab ern ack g etan. E in e r F ra u v e rw a n d elte e r ih r L au b in G o ld b lä tte r.“
H a u p tsäch lich auch au s S eidorf, wo e r 1863 bis 1894 w ohnte, w ollte sein
W is se n ü b e r R ü b e z a h l d e r in G o tsc h d o rf 1835 g eb o re n e u n d je tz t in R o te rg ru n d
w o hnende S ch äfer H ein rich B re it h ab en , d e r m ir fo lg en d es e rz ä h lte:
„D ie L e u te sagten , R ü b e z a h l w äre e in B erg g eist. Je tz t w ird n ich t m e h r v iel
von R ü b e z a h l g esp ro ch en . R ü b e z a h l w ar b a ld h ier, b ald dort.
142
Loewe:
E in M ädchen m ä h te ein m al G ras, als ein H e rr zu ih r tra t. Sie sag te ihm ,
d a ss sie sich v or R ü b e z a h l fü rch te. D e r H e rr fasste sie d a ra u f a n das K inn,
d a w u ch s ih r ein Z ieg en b art. In W irk lic h k e it w a r d e r H e rr R ü b e z a h l s e lb s t.“
In S a a lb e rg erz ä h lte m ir d e r d o rt 1833 g e b o re n e frü h e re W a ld a rb e ite r, S tein ­
m etz u n d F re m d e n fü h re r H e in ric h F ro m b e rg fo lg e n d e s:
„V om N ach tjä g er, vom g ro sse n L e u c h te r, von den Irrlic h te rn u n d vom
D rach en w u rd e w e n ig e r g e sp ro c h e n als von R ü b e z a h l.
D e r N ach tjä g e r wra r in
W irk lic h k e it ein M ensch, a u c h R ü b e z a h l w a r es. A u c h d e r g ro sse L e u c h te r w a r
k ein G eist, so n d e rn eine feu rig e K ugel m it lan g em S chw eif. A uch d e r D ra c h e
w ar ein A berglau b e. V on d en B u sc h w e ib e rn sag t m an , d a ss sie S tein e au s­
g e sessen hätten.
R ü b e z a h l is t ü b e ra ll g e w a n d e rt. S ein B ackofen ist a u f dem W eg e von S a a l­
b e rg zum K y n a s t; vom B ack o fen w u rd e w irk lic h u n te r den L e u te n e rz ä h lt; d a ­
g eg en w a r es n u r ein S ch erz d e r F ü h re r, w enn sie bei N eb el sag ten , d ass R ü b e ­
za h l je tz t backe. R ü b e z a h l h a tte sein W ap p e n a u f v e rsc h ie d e n e S tein e gesetzt,
b isw eilen ein e H and, b isw eilen e in e n F u ss. A u f d em W e g e vom S aa lb e rg zum
K y n a st lie g t ein S tein, so hoch w ie ein S tu h lsitz, an d em H a n d u n d F u ss zu ­
g leich zu seh en ist. R ü b e z a h l h a tte d rei W ürfel m it A ugen d a ra u f; d e r e rste
lieg t am K o chelfall, d e r zw eite o b e rh a lb d es Z ack en falls, d e r d ritte bei d en
S ch n eeg ru b en .
R ü b e z a h l w ar ein la n g e r h a g e re r M ann m it sp itzem H ut w ie ein J u d e u n d
lan g em g ra u e n B a rt.“
A u sserd em e rz ä h lte m ir F ro m b e rg noch zw ei ik o n isch e S agen, von den en d ie
e rste eine e ig en tü m lic h e U m g e staltu n g d e r E rz ä h lu n g von d e r b e a b sic h tig ten
Ü b ersch w em m u n g is t:
„1. R ü b e z a h l h a tte ein e F ra u , m it d e r er u n te rh a lb d es E lb fa lls w o hn te. E r
h a tte einm al S tre it m it ih r. D a n ah m er sie a u f den R ü c k e n , g in g m it ih r ü b e r
den K am m bis zum M ittag stein u n d w o llte sie im g ro ssen T e ic h ersäu fen . S ie
b a t ih n , e r solle d a s n ic h t tu n ; d a setzte e r sie ab u n d v e rw a n d e lte sie in ein en
S tein. S ie ste h t d ic h t u n te rh a lb d e s M itta g ste in s; G e sic h t u n d K ö rp e r ist d e u tlich
z u s e h e n .“
„2. R ü b e z a h l h a tte im E lb ta l ein m al ein B ein g e b ro ch en u n d b en u tz te d e s­
h alb eine K rücke. A ls e r sie n ic h t m e h r brauchte., sa g te e r: ‘H ie r steck e ich
dich hin, u n d h ie r so llst d u w eite r w a c h se n ’. E s w u rd e ein B aum d arau s, d e r
a b e r wie eine K rü c k e g e s ta lte t is t.“
D e r in S a a lb e rg 1849 g e b o re n e frü h e re S p a n v e rfe rtig e r u n d B e rg fü h re r un d
je tz ig e L a n d w irt A ugust R e se l, d e r se it 1894 in G ie rs d o rf a n sä ssig ist, b e ric h te te
m ir fo lg en d es:
„ U n te r dem B ru n n b e rg h a tte R ü b e z a h l sein e S ch atzk a m m er, am B ru n n b e rg
sein en G arten. E in e r von sein e n W ü rfe ln lie g t b eim K o ch elfall, d e r zw eite ü b e r
d em Z ackenfall, d e r d ritte a u f d em K am m . B ei d en M äd elstein en liegt e r zw ischen
zw ei M ädeln b eg ra b e n ; e r w ar ein g rö s se r D am e n fre u n d .
R ü b e z a h l is t in v e rsch ie d en e n G estalten g ek o m m en , zuw eilen se h r gross,
zuw eilen a u ch k le in w ie ein g ra u e s M än n lein . E r h a tte ein en tü c h tig e n B art.
Als e r a lt w ar, is t e r se h r k ru m m g e g a n g e n .“
R e s e l e rz äh lte m ir a u sse rd e m zw ei G e sc h ic h te n , von d en en d ie ein e
w ied eru m eine eig e n tü m lic h e U m g estaltu n g d e r Ü b e rsc h w e m m u n g ssag e ist:
„1. R ü b e z a h l g in g zu r K irm es (P e te r u n d P a u l) in St. P e te r. D o rt b e sc h e n k te
e r die M ädel, b is e r sein G eld im W ü rfe lsp ie l v erlo ren h atte . D a g in g e r ü b e r
die T eu fe lsb a u d e n u n d d u rc h d en T e u fe lsg ru n d zum M ittag stein ; den w o llte e r
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
143
in den g ro ssen T e ic h w erfen, d am it die ju n g e n L eu te au s d en B aberhiiusern,
B rü ck en b erg u n d K ru m m h ü b el, d ie ihm d as G eld ab g en o m m en h atten , erträn k e n .
D a kam a b e r ein e a lte F ra u a u s B ö h m en u n d zw ang ih n , ste h en zu b leib en .
2. E ine F rau tru g G las von A g n eten d o rf n ach S c h re ib e rh a u zu r S chm elze.
D a g e se llte sich R ü b e z a h l zu ih r u n d tru g ih r den K orb. A uf ein m al liess er
ihn fallen u n d m ach te sich d avon. D ie F ra u m u sste d as ze rb ro c h e n e G las w ied e r
nach H au se schaffen; d a w aren es a b e r la u te r T a le r.“
V on g eb o ren en G iersd o rfe rn e rh ie lt ich kein e A uskunft, u n d au s H ain konnte
ich n u r von d em d o rt 18G9 g e b o re n e n W ilh e lm G eb a u e r erfah ren , d ass d ie alten
L eu te d o rt a u ch von R ü b e z a h l e rz ä h lt h ab en .
In H e rm s d o rf u n te rm K y n ast e rh ie lt ich von dem d o rt 1840 g eb o ren en
frü h eren G e b irg s fü h re r u n d sp äte re n N a ch tw ä ch te r H erm ann L ieb ig (vgl. S. 41)
folgende A u sk u n ft:
„E s w u rd e vom N ac h tjä g e r, d e r w eissen F ra u u n d dem g ro ssen L e u c h te r e r­
zählt, m e h r a b e r von R ü b e z a h l. D ie se r h a tte sein en N am en d a h er, dass e r e in ­
m al ein F u d e r R ü b e n u m g ew o rfen h atte u n d sie d esw eg en zählen m u sste. L r
tru g ein en spitzen H ut, ein en P elz u n d ein en lan g en Stock und h atte ein en lan g en
w eissen B art b is zu den S c h a m te ile n 1), a u sse rd e m eine ro te N ase.“
In W e rn e rs d o rf m ach te m ir d e r d o rt 1833 g eb o ren e D rech slerm eister Ju liu s
V ogel folgende A n gab en :
„ R ü b e z a h l w ar o ben a u f dem R ie se n g e b irg e . A u f dem K y n ast zeigten die
F ü h re r R ü b e z a h ls K anzel. R ü b e z a h l tru g einen B art, so la n g w ie e r w äc h st.“
In K aise rsw a ld a u e rz äh lte m ir d e r d o rt 1857 g e b o ren e G arte n b esitz e r A ugust
P lisc h k e :
„ V o n R ü b e z a h l w u rd e m e h r g esp ro c h en als vom N ac h tjä g er u n d vom g ro ssen
L e u c h te r. R ü b e z a h l h ie lt sich m e ist a u f dem G eb irg e noch h in te r dem K ynast
auf. N ach K aise rsw a ld a u so ll e r n ic h t g ek o m m en sein.
R ü b e z a h l w ar k le in ; ein F u ss w ar ein P ferd efu ss. E r g in g m eist als Jäg e r,
k o n n te a b e r v e rsch ied e n e G e stalten an n eh m e n .
L eu te, d ie g in g en , um von R ü b e z a h l N utzen zu h ab en, w u rd en von ihm g en a sfü h rt u n d irre g e fü h rt.“
D azu e rz ä h lte A u gust P lisc h k e n och fo lg en d e G esch ic h te n :
„1. R ü b e z a h l kam ein m al zu einem B au ern und b o t sich als A rb e ite r an.
D er B a u e r lie ss ih n H olz h ack e n . R ü b e z a h l h a c k te in k u rz e r Z eit se h r viel.
D e r B au er w a r s e h r zu frie d en u n d frag te ih n , w as er als L o h n h ab e n w olle.
R ü b e z a h l sa g te : „S ov iel H olz, w ie ich tra g e n k a n n .“
D e r B a u e r e rk lä rte sich
e in v e rsta n d e n ; d a tru g ih m R ü b e z a h l sein g an zes H olz fort.
2.
E ine A nzahl F ra u e n sam m elte einm al im W ald e H olz.
R ü b e za h l ü b e r­
re d e te sie, sich ih re K ö rb e m it g e lb e n L a u b b lä tte rn zu füllen. D ie F ra u en taten
es. Als sie gin g en , w u rd en ih re K örbe im m e r sch w erer, w esw eg en sie d as L aub
fo rtsch ü tteten . Z u H au se b e m e rk te n sie, d ass n o ch einige G old b lättch en in den
K örben w a re n ; sie su ch ten n u n n ach den B lättern , fanden a b e r kein e m e h r.“
D e r 1844 in K aise rsw a ld a u g eb o re n e u n d d o rt noch w o h n h afte B ien en zü ch ter
H ein rich U lb rich b em erk te n o c h :
„A n R ü b e z a h l als G eist g lau b te m an frü h e r auch. E r soll ein u n te rird isc h e s
Schloss im G eb irg e h ab e n , aus dem er oft a u f d as G ebirge h in a u f g in g ; cs ist
n u r n ich t b ek an n t, d ass e r a u ch in s T a l g ek o m m en w ä re .“
1) So hatte m ir auch Herrn. Haase angedeutet (vgl. oben 18, 12).
144
Loewe:
IV. Der Südwesten.
In N ie d e rh o f b e rich tete m ir d e r 1827 d o rt g e b o re n e H o lz h a u e r J o h a n n E rb e n ,
d e sse n E lte rn a u ch schon von d o rt w aren , fo lg en d es:
„ D e r N a c h tjä g e r w ohnte am K ogel b ei N ie d e rh o f; a u c h d e r F e u e rm a n n w ar
d o rt in d e r N äh e; d ag eg en h a u ste R ü b e z a h l im R ie se n g ru n d . A ls m an sic h im
B lau g ru n d H ä u se r bau te, is t er fortgezogen, a b e r n a ch h u n d e rt J a h re n w ie d e r­
gekom m en.
R ü b e z a h l is t den L e u te n b a ld g ro ss, b a ld k le in e rsch ien en .
L eu te, die ih n v e rsp o tte t h ab e n , h a t R ü b e z a h l g estra ft. A rm en L e u te n h a t er
geholfen.
R ü b e z a h l h a t eine P rin z e ssin g era u b t, d ie n ic h t w ie d er au s sein em P a la s te
kom m en konnte. W ä h re n d e r R ü b e n zum zw eiten M al n ac h zä h lte , w eil es n ich t
stim m te, ist sie geflohen.
Im S talle d e r H a m p e lb a u d e h a t R ü b e z a h l K ü h e in S tü ck e g e risse n . — In d e r
H a m p elb a u d e w aren einm al P a sc h e r: d a h a t R ü b e z a h l m it d em s tä rk ste n g e ­
ru n g e n ; k ein er a b e r h a t g esieg t. In d e r S tu b e w a r a u ch ein K alb ; d a stü rz te n
sie beide d a ra u f; R ü b e z a h l a b e r v ersch w an d so g le ic h .“
D e r g le ic h fa lls in N ie d e rh o f w o h n h afte, d o rt 1829 g e b o re n e W e b e r Alois
K rau s erz ä h lte m ir:
„ R ü b e z a h l (R lb e z ä l) h a t im G eb irg e g e w o h n t, ist a b e r ü b e ra ll h eru m gek ö m m en .
Z u a lle n H a n d w e rk e rn is t e r als G esell g eg an g en .
B ei einem
T is c h le r sagte e r n ach ein p a a r T a g e n , d e r H o b el w äre zu sc h w e r; d a h a t ihn
d e r M eister d avon g eja g t. B ei ein em S c h n e id e r h a t e r e in e n R o c k m it e i n e m
Ä rm el g e m a c h t; d a h a t ih n d e r M eister a u c h d av o n g ejag t. F ü r e in en S c h u h ­
m a c h e r a b e r m ach te e r P a a re n ic h t z u sa m m e n g e h ö rig e r S c h u h e ; d ie L e u te h a b e n
sie fü r
das V ieh g ek au ft, d e r S c h u h m a c h e r a b e r w u rd e davon reich . — A uch
K rä u te r h at R ü b e z a h l v e rk a u ft u n d h a t sich a u c h fü r e in en A rzt
aus­
g egeben. — E r w ar G eist, a b e r auch M ensch. W ie
e r g e w o llt hat, so ist es ih m
e rg a n g e n .“
E n d lich e rh ie lt ich in N ie d e rh o f n och von d e r d o rt 1824 g e b o re n en A ngela
F rie ss, geb. H am pel, d e ren b eid e G ro sse lte rn p a a re b e re its von d o rt w aren , folgende
A u sk u n ft:
„ D e r N a ch tjä g e r w ar a u f dem P o m m e rsb e rg b ei N ied erh o f, R ü b e z a h l (R lb e ­
zäl) d ag eg en n a h e b ei d e r S ch n eek o p p e. R ü b e z a h l k o n n te v e rsc h ied e n e G e­
stalten an n eh m e n . In sein em G arten h a t e r R ü b e n g eb a u t, a b e r au ch so n st
allerlei. E r w ar ein G eist. Je tz t sollen alle G e iste r g e b a n n t sein. D e sh a lb h ö rt
m an au ch je tz t n ic h t m e h r von G eistern s p re c h e n .“
N ach d e r E rz ä h lu n g se in e r M u tter au s H u tte n d o rf bei H o h en e lb e b e­
ric h te te m ir d e r g leich falls in H u tte n d o rf g e b o re n e O b e rle h re r J o s e f S cholz in
W itk o w itz die G e sch ich te vom M itta g stein fo lg en d erm assen (w obei e r h in zu setzte,
d ass m an sie auch v om T e u fe l e rzä h lte ):
„ R ü b e z a h l (R lb ez ä l) w o llte d u rc h eine Ü b ersch w em m u n g v iele L eu te töten.
E r b ra c h te d esh a lb m it e in e r K ette ein en g ro sse n S tein a u f d em R ü c k e n g e ­
schleppt. D a b eg e g n e te ih m ein a lte s W e ib , w elch es ih n w eg en se in e r sch w e re n
L a s t b e d a u e rte u n d ih m d en S tein n ie d e rz u se tz en rie t.
Ü b er v ieles N ötigen w ill­
fah rte R ü b e z a h l. A ls e r den Stein w ied e r a u fh e b e n w ollte, w ar e r es n ich t m e h r
im stan d e. A u f d iese W e ise w u rd e S ch lesien v o n ein em g ro ssen U nglück befreit.
E s is t d er M ittagstein, d en e r in d en sch w arzen T e ic h w erfen w ollte. A u f d e r
N o rd seite des M ittag stein s n ac h d em sch w arzen T e ic h zu is t au ch noch eine
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben*
145
m en sch lich e G estalt zu e rk en n en . F rü h e r w ar auch noch ein e K ette um d en Stein
g e m a lt; 1878 h ab e ich sie n o ch g e se h e n .“
Aus d ie se r G eg en d e rh ie lt ich n och folgende A u sk u n ft von d e r 1837 in
H ac k e lsd o rf a u f dem H e id elb erg g eb o ren en u n d seit 1905 in O b er-H o h en elb e
w o hn enden F ra u Jo se fa G ottstein , verw itw ete M öhw ald:
„V iele G eister w aren a u f dem H eid elb e rg , wo einm al ein e S tad t u n terg eg an g en
ist; vor diesen G eiste rn h a t m an sich g efü rch tet. R ü b e z a h l w a r n ic h t d aru n ter,
sondern oben im G eb irg e; e r kam ö fters h e ru n ter, liess sich b ald h ie r u n d b ald
d o rt sehen, h a t a b e r n iem an d em etw as zu leid e getan.
R ü b e z a h l w ar ganz h ü b sch , h atte einen ru n d en H u t von M oos u n d einen
langen B art, eine P feife im M und u n d ein en Stock in d e r H and. E r tru g au ch
AiVurzeln u m h er. —- A rm en L eu ten , d en en e r im B u sch begeg n ete, sch e n k te e r
ein S ilb erstü ck o d er ein G o ld stü ck .“
D er 1850 in S p in d elm ü h le g eb o ren e, in den L eierb a u d e n w oh n h afte H o tel­
b e sitze r W enzel H ollm ann b e stä tig te m ir n u r, d ass im W e issw asserg ru n d w eisse
S treifen gezeig t w urden, die von R ü b e z a h ls W agen h e rrü h re n sollten , sow ie
a n d e re w eisse S treifen , wo e r sein e P e itsc h e h in gew orfen hab en soll (vgl. oben
15, 177 f.).
D e r in d en B rad lerb a u d e n 1836 g eb o ren e und d o rt n och w o hnhafte G astw irt
V incenz H o llm an n erz ä h lte m ir folgende G esch ich te:
„E in M ann g ing ein m al m it d em H a u sm e iste r d e r W iesen b a u d e zum gro ssen
T eich . D o rt sch lu g d e rselb e d reim a l m it d e r R u te in d as W a sse r. D ieses teilte
sich, u n d e r g in g h in ein . D e r H a u sm e iste r so llte in d e s sein P ferd h a lte n : w enn
d as W a ss e r schw arze W e lle n w erfen w ürde, so solle e r m it d em P ferd e davon­
re ite n ; w ürfe es rote W elle n , so so lle
e r steh en bleib en . E s w a rf ro te W ellen ,
und nach d re i S tu n d en k am d e r M ann w ie d e r h e rv o r m it e in e r B ü rd e
im S chnupf­
tuch. Aus se in e r T a sc h e g ab e r dem H a u sm e iste r eine D ü te. D ie se r fand n u r
P fe rd e m ist d a rin u n d w a rf d en In h a lt fo rt; d ie D ü te steck te e r w ied er ein. Zu
H ause a b e r fand e r noch d re i D u k a te n d a rin .“ 1)
In den S ch ü sselb a u d e n b e ric h te te m ir d e r d o rt 1829 g e b o ren e H au sb esitzer
Jo h a n n G la se r fo lgend es:
« E rzäh lt w u rd e a u sse r vom N ach tjä g er, d e r d es N achts sc h iessen sollte, u n d
dem B uschw eib, d a s den L euten, d ie ih r L äu se ab su ch ten , L au b gab, d as sich
b ei denen, die es n ich t fortw arfen, in G old v erw an d elte, auch viel von R ü b ezah l.
D ie se r sollte ganz o ben a u f d em G eb irg e sein. N eben d em P a n tsc h e fa lle hat er
eine S chatzkam m er, in d e r viel G o ld sein soll. W en n L eu te d o rt hineingehen, so
g elan g en sie an einen T e ic h , d en sie n ic h t p a ssie re n können.
D ie S chätze a b er
sind e rs t h in te r dem T e ic h .“
Aus W itkow itz e rh ie lt ich m eine h a u p tsä ch lic h ste A u sk u n ft von dem d o rt
1*53 g eb o ren en , s e lb st n ic h t m e h r w u n d erg läu b ig en G astw irt Jo h a n n H ollm ann.
D erselb e h a t als K ind ü b e r R ü b e z a h l b eso n d ers sein e E lte rn u n d einen se h r alten
tsch ech isch en S ch n eid er a u s R au d n itz , d e r a b e r au ch se h r g u t d eu tsch sprech en
kon n te, erzäh len hören . E r b e ric h te te m ir fo lg en d es:
„R ü b ezah l h a t sich oben im R iese n g e b irg e, b e so n d ers a b e r in sein em G arten
o d er R o sen g a rte n a u f d e r K esselk o p p e a u fg e h a lte n 2). Im G arten v ersc h en k te er
B lum en, b eso n d ers E nzian.
1) Meine Frage, ob der „Mann“ eigentlich Rübezahl war, wurde von Vincenz Hollmann bejaht (vgl. S. 35).
2) Von Rübezahls Garten auf dem Brunnberg UDd seinem Aufenthalt auf B runn­
berg, Schneekoppe und im Rieseugrund war Hollmann nichts bekannt.
Zeitschr. d. Vereins f. Volkskunde. 1911. Heft 2.
II )
146
Loewe:
In R ü b e z a h ls S c h atzk a m m er am P a n tsc h e fa ll sind ta tsä c h lic h L e u te h in e in ­
g egangen, k o n n ten je d o c h n ic h t ü b e r d as W a s s e r h in w eg k o m m en . H in te r dem.
W a s s e r sollten R ü b ez ah ls S ch ätze sein ; e r allein k o n n te h in ü b e rg e la n g e n .
R ü b e z a h l h atte S ch u h e u n d S trü m p fe m it K nieh o sen von L ed e r. E r w ar s e h r
g ro ss u n d stark u n d h a tte K n iesc h e ib e n so g ro ss und so n n e n v e rb ra n n t sch w arz w ie
P fe rd e k n ie .
Sein G e sic h t w a r ü b e rw a c h se n b is a u f d ie S tirn ; e r h a tte ein e
h o h e, kahle S tirn ; h in ten d ag eg en w ar d a s H a a r se h r lang.
E r tru g ein en
kolossal gro ssen H u t m it s e h r g rö s se r K rem p e, d azu ein e lan g e K u tte m it einem
G ürtel. W e n n das W e tte r sc h le c h t w ar, so h a t e r den G ü rtel geöffnet u n d sich­
in die K utte g e h ü llt; b ei g u te r W itte ru n g d ag eg en h a t er d en G ü rtel zu sam m en ­
g e sc h n a llt und die K u tte w ie d e r in d ie ric h tig e F a^on g e b rach t. W en n er ganz:
o hne K u tte ging, d an n w a r lan g e an d a u e rn d e sch ö n e W itteru n g .
D en arm en L eu ten h a t R ü b e z a h l viel g eholfen.
F ü r K ran k h eiten , z. BR ü c k e n sc h m e rz e n , g ab e r b estim m te K rä u te r als M ittel.“
A u sserd em erz ä h lte m ir J o h a n n H o llm an n n o ch d re i G esch ich ten , von d en e n
freilich die b e id e n erste n n u r V a ria tio n e n b e k a n n te r R ü b e z a h lg e sc h ic h te n sin d :
1. „ E in e arm e F ra u au s d e n S c h ü sse lb a u d en w eid ete ih re Z iegen in d e r N ähe
von R ü b e z a h ls G arte n an d e r K esselk o p p e. Sie h a tte a u ch ein en K orb a u f dem
R ü c k e n , um sich F u tte r fü r ih re Z ieg en a u c h noch n ach H au se m itzu n eh m en . Da.
ersch ien R ü b e z a h l un d frag te sie, ob sie zu H au se n och e in e a n d e re B e sch äftig u n g
als die m it d en Z iegen h ätte. Sie a n tw o rtete , d a ss sie sich n u r d u rch d ie Z iegen
e rn ä h re . R ü b e z a h l sag te d arau f, sie solle m it dem G rase v o rsich tig n ach H a u se
g e h e n ; sie w ü rd e im K o rb e etw as finden. Z u H au se fand sie d en n auch D u k a te n
zw isch en dem G rase. D a ra u f g in g en viele W e ib e r hin, u m b e i R ü b e z a h ls G a rte n
G ras zu sam m eln ; a b e r R ü b e z a h l lie ss sich nun n ic h t m e h r seh en .
2. D e r T eu fel w o llte e in en g ro ssen S tein in d en sch w arzen T eich w erfen,
d am it das H irs c h b e rg e r T a l ü b e rsc h w em m t w ürde. D a k am R ü b e z a h l u n d fa sste
den S tein h in ten bei d e r K ette, so d ass d e r T e u fe l ih n n ie d e rse tz e n m u sste. D e r
Stein ste h t noch o b e rh alb d es sch w a rz en T e ic h e s ; m an sie h t n och d ie G lied e r d e r
K ette an ihm .
3. E in e r a rm e n F ra u , d ie S ch u ld en h atte, sollte d ie K uh v e rk a u ft w erd en .
B ei d e r le tz te n F ü tte ru n g w ein te d ie F ra u b itte rlic h .
D a tra t R ü b e z a h l in den
S tall u n d frag te sie, w aru m sie so tä te. Sie g ab ih m d a ra u f d en G ru n d an. D a
sagte R ü b e z a h l, sie so lle v o rsic h tig sein, d e r K u h au ch G e trän k e ho len u n d d as
ü b rig g eb lieb en e H eu d e r K uh z u sa m m en sc h arren . Als sie d as H e u z u sa m m e n ­
sch arrte, w aren la u te r D u k aten d a rin ; R ü b e z a h l a b e r w ar sch o n fo rt.“
In W itk o w itz b e ric h te te m ir n o ch d e r d o rt 1841 g eb o re n e frü h e re T isc h le r
und je tz ig e P riv a tie r V in cen z P fo h l fo lg en d es:
„ R ü b e z a h l h a t sein e F ra u ein m al a u sg esch ick t, R ü b e n in sein em G arten zu
zäh len. E r w ar w äh re n d d ie s e r Z eit se lb st fo rtg eg an g en . A ls er n ach H a u se kam ,
w ar sein e F ra u v ersc h w u n d e n . Im Z orn san d te e r ih r ein en D o n n ersch lag n ach ;
sie w ar a b er schon je n s e it d e r G ren ze sein es R e ic h e s .“
D e r in W itkow itz 1834 g e b o ren e u n d d o rt n och w o h n h afte G ru nd besitzer,
Z im m erm ann und W e b e r A nton S c h a rf b em e rk te m ir nur:
„R ü b e z a h l w ar o ben a u f dem G eb irg e. E r sah se h r v erw ild ert aus.
Sein
G esich t w ar ü b e rw a c h se n .“
In den H o fb au d en b e ric h te te m ir d e r d o rt 1849 g e b o re n e R o b e rt E rle b a c h :
„M ein V a te r h a t erzäh lt, w ie d e r R o se n g a rte n seinen N am en e rh a lte n hat.
E s w aren ein m al zw ei S ch w estern , R o s e u n d N e ssel; le tz te re e rfro r d o rt; da liess
R o se einen G arten d o rt m ach en , d er d e sh a lb R o se n g a rte n heisst. A ndere L eu te
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
147
n an n ten ihn R ü b e z a h ls G arten o d e r R ü b e z a h ls R o se n g a rte n .
W as a b e r von
R ü b e z a h l erzäh lt w u rd e, w a r alle s L u g .
R ü b e z a h ls K an zlei n a n n te m an die
S chw einsteine o b erh a lb d e r Q u a rg ste in e .“
D er S ch w ieg erso h n E rle b a c h s, d e r in R o ch litz 1873 g e b o ren e u n d do rt noch
w ohnhafte W e b e r J o s e f K rau se g ab m ir n och folgendes a n :
„R ü b e z a h l soll in d e r zw ölften S tunde des N ach ts im R o se n g a rte n sic h tb a r
sein, a u sserd em an ein em b estim m ten T a g e des J a h re s ; a n w elchem T a g e ab er,
w eiss ich n ic h t.“
F ra u C lem en tine J o h n geb. Ja e k l, d ie 1831 in P ry ch o w ic z (ein em d eu tsch e n
O rt) geb o ren w u rd e u n d je tz t in W u rz e lsd o rf lebt, b e rich te te m ir:
„N ach E rzäh lu n g m e in er G ro ssm u tte r a u s P ry ch o w icz le b te R ü b e z a h l a u f dem
K ynast. E r h atte ein en lan g en g ra u en B art. W e n n L eu te ih n foppten, so v e r­
liefen sie sich im W ald e . E r h a t au ch L e u te m it G old stü ck en b e sc h e n k t; ö fters
h at e r je d o c h d ab ei auch die L e u te g etäu sch t, in d em die G o ld stü cke zu H au se
zu S p reu w u rd e n .“
In W u rz e lsd o rf g ab m ir d ie d o rt 1860 g eb o ren e u n v e re h e lic h te A nto n ie B erg ­
m ann folgende A u sk u n ft:
„ R ü b e z a h l sa n d te G e w itter von d e r S ch n eek o pp e her. E r h atte einen lan g en
B art u n d tru g einen K orb a u f d em R ü c k e n m it K räu tern , d am it g in g e r u n te r
die L eute.
E in S ch u h m ach e r au s W u rz e ls d o rf n am en s R ö sle r, d e r je tz t u n g e fä h r 30 J a h r
tot ist, erzäh lte, w ie e r ein m al a u f d en F a re n b e rg gegangen w äre und sich d o rt
nicht h ä tte herau sfin d en kö n n en , w eil R ü b e z a h l ih n irre fü h rte . E s w ar d ort frü h e r
e in e H eid e, je tz t g rö sste n te ils W ald . R ö s le r h a t d o rt viel B lum en gefu n d en und
ist d en B lum en n ach g e g a n g e n ; e r h a t g eg lau b t, in R ü b e z a h ls G arten zu sein. W ie
e r w ied er h erau sg ek o m m e n ist, w eiss ich n ic h t m e h r.“
In W u rz e lsd o rf e rh ie lt ich w e ite r von dem d o rt 1852 g eb o ren en J o s e f
B atterm ann folgende A u sk u n ft:
„ R ü b e z a h l h a t d ie L e u te rich tig g e fü h rt o d er irre g efü h rt, je n ach d em sie ih n
lobten oder v ersp o tteten . E r h a t auch K rä u te r v e rte ilt.“
D azu erzäh lte B a tte rm a n n noch folgende zw ei G e sch ich ten :
1. „E inem M ädch en ta t R ü b e z a h l K rä u te r in d ie S ch ü rze u n d sagte, dass sie
ih r H eil bringen w ürd en . Sie d ach te ab er, d a ss d ie K rä u te r d och n u r zum F o rt­
sch ü tten w ären. Zu H au se an g elan g t, fand sie ein en D u k aten an d e r S chürze
hängen, d e r au s ein em h än g e n g e b lieb e n e n B latte en tsta n d en w ar.
2. M eh rere ju n g e L eu te g in g en ein m al in d en W a ld u n d h än g ten ih re
K leid u n g sstü ck e an d ie h erau sg e risse n e n W u rz eln ein es vom S turm e n ie d e r­
g erissen en B aum es (so lch en B aum n en n t d e r D ia le k t W o rp s).
Sie spo tteten
d arü b er, d ass R ü b e z a h l au s d e r W u rz e l ein e r R ü b e e n tstan d en w a r 1), u n d sagten,
aus den W u rzeln des B aum es k ö n n ten sie au ch R ü b e z a h le m achen. D a en tstan d
ein S turm u n d fü h rte ein K leid u n g sstü ck in d ie H öhe.
A lle ra n n te n n ach.
W ä h re n d d ie se r Z eit w a rf d e r S turm den W o rp s zu rü c k , so d ass die W u rzeln
w ied er in die E rd e fu h re n u n d d ie K leid u n g sstü c k e m itn ah m en .“
D ie Sage v o n der E n tsteh u n g R ü b e z a h ls aus der W u rzel ein er R ü b e so ll
nach B atterm ann a llg e m ein er b ekan nt g e w e s e n sein . D ass sich gerad e bei ih m
1) Aus dieser Bemerkung geht hervor, dass Rübezahl von Haus aus ein A lr a u n
war. Ich war zu diesem R esultat schon auf anderem Wege gekommen, noch bevor ich
übeihaupt (1907) Rübezahlsagen aus dem Volksmunde in grösserer Zahl gesam m elt hatte.
Meine diesbezüglichen Ergebnisse hoffe ich später noch darzulegen.
10 *
Loewe:
148
d iese T ra d itio n e rh a lte n h a tte , h ä n g t offenbar d a m it zu sam m en , d ass e r se lb s t d as
v erein ig te G ew erb e ein es K rä u terg ä rtn e rs, A p o th ek ers u n d A rztes fü r d as Y o lk
au sü b te. W ie m ir F ra n z R o e s le r (vgl. S. 36 f.) m itteilte, g ab es sch o n frü h e r in
W u rz e lsd o rf L eute, d ie (g an z äh n lic h w ie d ie L a b o ra n te n in K ru m m h ü b el) dem
g leich en B eru fe o blag en . V o rtrefflich p a ss t h ie rz u au ch d e r N am e ‘W u rz e ls d o rf.
B a tterm an n se lb st b e m e rk te n o ch h ie rü b e r:
„M eine T a n te h a t erzäh lt, d ass d ie P ry c h o w ic z e r au s A ntoniw ald, wo je tz t
W u rz e lsd o rf steh t, sich W u rz e ln g e h o lt h ab en . D o rt is t d as W u rzelflö ssel, d as
in O b e r-W u rz e lsd o rf e n tsp rin g t u n d in U n te r-W u rz e ls d o rf in d ie Is e r g e h t.“
V . D a s Is e rg e b irg e .
In K le in -Ise r e rh ie lt ich von
H u je r fo lgende A usk u n ft:
dem
d o rt 1848 g e b o re n e n .O rtsv o rsteh er J o s e f
„ ln m e in e r K in d h e it w u rd e von a lte n L e u te n ü b e r R ü b e z a h l g esp ro ch en . E r
w a r im R ie se n g e b irg e , u n d zw a r b a ld h ier, b a ld d o rt.
E r h a t v e rsc h ie d en e
G estalten an g en o m m e n ; b a ld sa h e r alt, b a ld ju n g au s. W e n n e r a u f L e u te b ö se
w ar, so h a t e r sich in ein en S teck en v e rw a n d e lt: se tz te n sich d ann so lch e L e u te
m it ih re r H ucke d arau f, so fielen sie p lö tzlich um , w eil d e r S teck en fo rt w ar.
A uch h a t e r L eu te irre g efü h rt. D och h a lf e r an d e re n a u ch d u rc h H e ilk rä u te r.“
F e rn e r b erich tete m ir in K le in -Ise r d e r d o rt 1843 g e b o re n e W a ld a rb e ite r F ra n z
S te fa n :
„ In m e in e r K in d h e it w u rd e v o n R ü b e z a h l u n d vom N a c h tjä g e r e rz ä h lt, w en ig er
vom W a sse rm a n n . D a n a c h h ie lt sich R ü b e z a h l in d en S tein h ö h len d es R ie s e n ­
g e b irg es auf; es g ab d o rt fö rm lich u n te rird isc h e S ch lö sser.
A uch W e ib e r n a h m
e r m it in seine H öh le u n d h a t sie d an n s e lb st w ie d e r n ac h H a u se g esch ic k t. E r
s ä te auch R ü b e n u n d m ac h te d a ra u s G eister, w elch e d ie W e ib e r, d ie e r sich
g e h o lt h a tte , b e d ie n e n m u ssten .
E s w a re n oft s e h r v o rn eh m e D am en . A uch
G ew itter hat R ü b e z a h l g e m a c h t.“
V o n dem 1836 in E in sie d e ln g eb o re n e n , a b e r se it sein em 6. L e b e n sja h re in
W e isb a c h befin d lich en U h rm a c h e r F ra n z T sc h ie d e l e rfu h r ich fo lg en d es:
„ E s w u rd e in W e is b a c h v o m N a c h tjä g e r erzä h lt, d e r in d e r G eg en d d e r
T afelfich te sein so llte a u f H u b e rtu sh ü tte zu. D ie B u sc h w eib e r so llten im W a ld
sein, auch in ein em H a u s in W e is b a c h g esp o n n en hab en . R ü b e z a h l soll a u f d e r
S ch n eek o p p e g ew o h n t h ab en .
R ü b e z a h l h o lte sich a u s W a rm b ru n n R ü b sa m e n u n d pflanzte ih n in d e r
G eg en d von Jo h a n n isb a d ; d a ra u s e n tsta n d e n P fe rd e ; a u f ein em so lch en entfloh
e in e P rin zessin , die e r sich g e ra u b t h atte . A us d e r w arm en K ü ch e R ü b e z a h ls
e n tsta n d e n die w arm en Q uellen von Jo h a n n isb a d .“
D e r Sohn des U h rm a c h e rs T sc h ie d e l, d e r H o lz a rb e ite r T sc h ie d e l, sag te m ir,
d a ss d as M oos, d a s an d en F ic h ten h än g t, R ib z ö ils b ä rt (R ü b e z a h ls B art) o d er
m eist k u rzw eg R ib z ö il h eisse.
In W eisb a c h m ach te m ir fe rn e r d e r d o rt 1827 g e b o re n e H o lz a rb e ite r u n d F e ld ­
g ä rtn e r Ig n az N e isse r ein ig e M itteilu n g en :
„ D e r N a c h tjä g e r u n d d ie H o lz w e ib er w a re n im W a ld e b ei W eisb ach , R ü b e ­
z ah l d ag eg en im R ie se n g e b irg e . R ü b e z a h l e rs c h ie n b a ld g rö s se r u n d b ald k le in e r.
W e n n je m a n d ih n v e rs p o tte t h a t, so h a t e r ih n irre g e fü h rt; w enn je m a n d a b e r
g u te s von ihm sp rach , h a t e r ihm auch g u tes g etan . — R ü b e z a h ls B art (R lb zö ilb ö rt)
h än g t an den F ich ten .
Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
149
E in e arm e F ra u su ch te L au b im W a ld . D a ta t ih r R ü b e z a h l etw as in die
S ch ü rze; sie sc h ü tte te es a b e r w ieder fort. Z u H au se fand sie je d o c h noch etlich e
G o ld b lätter in ih r e r S c h ü rz e .“
In dem schon in d e r V o reb e n e d es Ise rg eb irg e s g eleg e n en S ch ö n w ald erfu h r
ich von d em d o rt 1820 g e b o ren en G ed in g sb au er A nton G ö rla c h :
»D ie alten L e u te h ab en erzäh lt, d ass R ü b e z a h l (R ib z o il) a u f d em G ebirge
w ar. W ie m ein G ro ssv a ter sagte, h a t e r sich h in te r d e r ho h en S tra sse nach N eu­
stad t zu, wo frü h e r la u te r W a ld w ar, g e z eig t.“
In bezu g a u f B u llen d o rf b ezeu g te m ir d ie 1841 d o rt g e b o ren e P a u lin e H annik,
geb. T sc h ie d e l (d ie je tz t in S ch ö n w ald w ohnt), d ass d o rt d ie a lten L eu te auch
von R ü b e z a h l g e sp ro c h en h ätten .
VI. Das Bober-Katzbachgebirge.
D e r einzige au s d em B o b er-K atzb ach g eb irg e g e b ü rtig e M ann, von dem ich
ü b e r R ü b e z a h l einig e A u sk u n ft e rh a lte n h ab e, w ar d e r je tz t in K aisersw ald au
w ohnhafte, 1874 in G ru n au g e b o re n e G astw irt E rn st A nsorge. D e rse lb e h at sein
W issen d a rü b e r von seinen b eid erseitig en d u rch w eg auch au s G ru n au g eb ü rtig e n
G ro sseltern . E r b eric h tete m ir:
„ R ü b e z a h l (R ib ezo il) w ohnte in d en S tein h ö h len des R ie se n g e b irg e s, k am a b e r
bei N ach t auch in das T a l h in u n ter. E r h a tte ein v erw ittertes, v erm o o stes G esicht,
einen g ro ssen B art u n d ein e sta rk e F ig u r. E r g in g a ls J ä g e r und tru g d a h e r ein
k u rzes Ja c k e t m it zw ei R e ih e n K nöpfen u n d k u rze H osen. A uch fü h rte e r im m er
einen Stock bei sic h .“
Im ü b rig en teilte m ir n u r noch K an to r P re s c h e r in A rn sd o rf m it, dass seine
1833 g eb o ren e M utter, d ie ih re Ju g e n d in B o lk e n h a in (im O sten des B o b er-K atzb ach g e b irg es) v erleb t hat, ih m g esag t h ab e, d ass au ch d o rt viele R ü b e z a h lsa g e n im
V o lk sm u n d e w aren ; doch seien d iese m e h r allg e m e in e r A rt gew esen, w äh ren d die
in A rn sd o rf u n d U m gegend e rzä h lte n g efeh lt h ätten .
VIL Das Rabengebirge.
Im R a b e n g e b irg e h ab e ic h m ich n u r in u n d b e i S ch ö m b erg au fg eh alten und
dort m ein e h au p tsä c h lic h ste A u sk u n ft von dem 1836 in S ch ö m b erg g eb o ren en und
je tz t in V o ig tsd o rf w o h n h aften F e ld g ä rtn e r H ein rich W e se n e r bekom m en.
D e r­
selbe b e rich tete m ir fo lg en d es:
„D e r w ilde Jä g e r, d e r v iele H unde, d ie m an b ellen hörte, b e i sich hatte, w ar
u m S chöm berg, ebenso d e r F e u e rm a n n u n d a n d e re G eister. R ü b e z a h l (R lbenz;«l)
d agegen h atte sein en H au p tsitz a u f d e r S c h n eek o p p e; von d o rt au s m ach te e r
seine A usflüge. A rm e L e u te h a t e r zu sich in sein e G ro tte a u f die S chn eek o p p e
g efü h rt u n d d o rt g u t g e n ä h rt. W en n e r ih r V e rtra u e n h a tte , h a t e r sie a u s ­
g esch ick t, d ass sie e b en so lch e S ch erze m ach en so llten w ie e r selbst.
E r h at
auch A rzneistoffe von d e r S ch n eek o p p e m itg e b rac h t u n d L eid en d en d am it geho lfen .
G e n äh rt h a t e r sich v o n W a sse rrü b e n , d ie e r sich vom F e ld e holte. W e n n L eu te
ihn ärg erten , schaffte e r ih n en g ro sse n N a c h te il; w enn sie g u t von ihm sp rach en ,
w ar e r d ien stw illig .
R ü b e z a h l h a t viel u n d
F id u lü ck e. D am it h a t e r d ie
R ü b e z a h l lä sst sich je tz t
L an d strich gegan g en . L e b en
g e rn G eige g esp ielt.
E r n an n te d ie V iolin e seine
L eu te au fm erk sam gem ach t, w enn e r kam .
n ich t m e h r s p ü re n ; v ielleich t ist er in ein en an d eren
tu t e r sic h e r; ein G eist stirb t n ic h t.“
A usserdem erzäh lte m ir H ein rich W e s e n e r noch folgende G e sc h ich te:
150
Loewe: Weiteres über Rübezahl im heutigen Volksglauben.
„E in L a n d m a n n a rb e ite te n e b e n ein em W a ld e a u f sein em R ü b e n a c k e r. D a
kam je m a n d zu ih m a u s d em W a ld e h e ra b u n d sp ra c h , e r m ö ch te ih m ü b e r­
lassen , w as in seinem H a u se v o rg in g e.
D e r L a n d m a n n sa g te : ‘D a k ö m m t es
m ir n ich t d a ra u f an .1 D e r a n d e re M ann e rw id e rte : ‘So g e h e n S ie je tz t m it m ir
n a c h H a u se ’. D e r L an d m a n n sag te d a ra u f: ‘Je tz t k an n ich n ic h t m itg e h e n ; ich
w ill e rs t zäh len , w ieviel S chock R ü b e n ich h ie r g e se tzt h abe. W e n n d u zäh len
w illst, so w ill ich g e h e n ’. D e r a n d e re M ann z äh lte nu n , w äh re n d d e r B a u e r n ach
H au se ging. Z u H au se fand d e r L an d m a n n , d a ss ih m ein k le in e r Sohn g eb o ren
w ar. D a rü b e r e rs c h ra k er, sp ra n g h in au s zu m F e ld e u n d sag te zu d em a n d e re n
M anne, e r m ö ch te e rs t am n äc h ste n T a g e kom m en.
D e r a b e r w ar n o ch beim
Z äh len u n d w ollte a u ch n ic h t e h e r a u fh ö ren , a ls b is e r fertig w ar. E r w a r auch
e rs t ganz sp ä t am A bend fertig. A ls e r n u n in d e r N ach t k am , h atte d e r B au er
alles v ersch lo ssen . D a fluchte R ü b e z a h l u n d sa g te : ‘D as v erfluchte R ü b e n z ä h le n
h a t m ich so v e rsp äte t’. D avon e rh ie lt e r d en N am en R ü b e z a h l. E r sag te noch
zum F e n s te r h in e in : ‘M orgen zu d e r u n d d e r S tu n d e bin ich w ied e r d a ’ u n d g ing zu rü ck .
In d e s se n se tz te d e r L a n d m an n sein en S c h rau b sto ck vor d ie T ü re , wo die
F r a u im W o c h e n b e tt lag. A ls R ü b e z a h l k am , sp ra ch e r z u ih m , e r so lle beim
S ch rau b sto ck etw as w arten , e r w olle e rs t d ie F ra u w ecken.
W ä h re n d d e s G e ­
s p rä c h e s zw ischen b eid e n p asste d e r B au er ein en A u genblick ab, in dem R ü b e z a h l
seine H a n d in d en S ch rau b sto ck g e ste c k t h a tte ; d ann d re h te e r zu, so d a ss R ü b e ­
z ah l n ich t m e h r h in a u s ko n n te. R ü b e z a h l sc h rie u n d sp ra c h : ‘L ass m ich n u r
lo s ; ic h w ill d ir a lles lassen , d ass ich n u r au s d en S ch m erzen k o m m e’. D e r
L an d raan n a n tw o rte te : ‘Ich la s se d ich n ic h t e h e r los, als b is d u m ir fe st v e r­
sic h e rt h ast, d ass d u m ir n ic h ts n im m st’. N ach a n d e rth a lb S tu n d en lie ss d an n
d e r L an d m an n R ü b e z a h l los.
D e r a b e r lie f d av o n m it dem F lu c h e : ‘D as ver­
fluchte R ü b e n z ä h le n ’.
D e r L an d m an n u n d sein e F ra u sa h en u n d h ö rte n n u n ein e Z e itla n g n ich ts
m e h r von R ü b e z a h l. E in e s T a g e s ab e r, als sie m it dem H e u a u f d e r W iese be­
sch äftig t w aren u n d a u c h ih r K in d b e i sich h atten , sa h e n sie R ü b e z a h l von fern
a n g e sp ru n g en kom m en . D a n a h m d e r L an d m a n n se in e F ra u in d ie H öhe bei den
B einen u n d sp rach : ‘S ie h st d u den S ch ra u b sto c k ? D a w e rd e ich d ich w ie d er
e in k lem m en ’. R ü b e z a h l sag te d a ra u f: ‘W e n n d u im m e r d en verfluchten S c h ra u b ­
stock bei d ir h ast, kom m e ich n im m e r zu d ir’ u n d lie f fo r t.“
Zu S ch ö m b erg sag te m ir n o ch d e r je tz ig e P riv a tie r u n d frü h e re F le isc h e r
A d o lf W ien e r, d e r d o rt 1828 g e b o re n is t:
„M an sp rach frü h e r vom w ilden Jä g e r, vom D ra c h e n u n d vom F e u e rm a n n ,
am m eisten a b e r von R ü b e z a h l (R T benzäl).
E r leb te in d e r S ch m ied e b e rg er
G eg en d u n d a u f d e r S c h n e e k o p p e.“
E n d lic h teilte m ir in S ch ö m b erg d e r d o rt 1830 g e b o re n e je tz ig e P riv a tie r u n d
frü h ere F ä rb e r F ra n z F ie b ig fo lg en d es m it:
„E s w u rd e g esp ro c h e n vom w ild en J ä g e r, D ra c h e n u n d F e u e rm a n n , d ie alle
bei Schöm berg, u n d von R ü b e z a h l, d e r b ei d e r S c h n eek o p p e sein sollte.
K in d er
w u rd e n d am it ä n g stlich g em ac h t, d ass m an ih n e n sa g te : ‘R ü b e z a h l h o lt d ich in s
K n ieh o lz’ o d er ‘R ü b e rz a h l h o lt d ich in s P fefferlan d ’. A lte L e u te e rzäh lten , d ass
R ü b e z a h l sie irre g e fü h rt h ä tte ; d as w äre a u c h um S ch ö m b erg g esc h e h e n .“
VIII. Das Eulengebirge.
D u rch V e rm ittlu n g d es H errn K an to r P re s c h e r in A rn sd o rf e rfu h r ic h von d e r
je tz t in F e llh a m m e r w o h n en d en , 1841 in S ilb e rb e rg g eb o ren e n u n d d o rt a u f­
g ew ach sen en F ra u E m m a M enzel (vgl. S. 3(>) folgende k lein e G esch ich te:
Zachariae: Etwas vom Messen der Kranken.
151
„E ine F am ilie g e rie t in N ot u n d g in g zu ih re n V e rw an d te n n ach U ain. D ort
a b e r w urd en die L eu te h in au sg ew o rfen . Im G eb irg e riefen sie d a ra u f R ü b e z a h l
a n . D ieser ersch ien a u ch als L an d m a n n und h a lf ih n e n .“
IX. Das Zobtengebirge.
Aus den A n schau u n g en ü b e r R ü b e z a h l im Z o b ten g eb irg e e rfu h r ich nach
B eendigung m e in e r R e is e ein ig es d u rc h den je tz t in L an k w itz bei B erlin
w ohnenden, 1888 in R o g a u -R o s e n a u g eb o ren e n W ilh e lm K uczow itz.
D e rse lb e
sagte m ir, d ass in sein em H eim atsd o rfe k ein e B ü ch er ü b e r R ü b e z a h l g e lese n
"wurden, u n d teilte m ir a u s dem G eiste rg la u b e n d ase lb st ü b e rh a u p t fo lg en d es m it:
s Im Z obten h a u se n Z w erge, d ie d o rt g ro sse S chätze an g e sa m m e lt h ab en .
W enn sich d e r R e ite r o h n e K o p f zeigt, so g e sc h ie h t ein U nglück. W o feu rig e
H u n d e ersch ein en , b re n n t d as H au s ab. W en n ein h e ftig er S tu rm b ei N ac h t heult,
so ko m m t d e r w ilde J ä g e r m it se in e n H unden. D ie H exen re ite n in d e r L u ft a u f
B esen.
R ü b e z a h ls R e ic h e rstre c k t sich vom R ie se n g e b irg e bis zum Z obten. E r k om m t
au ch se lb st bis in d ie N äh e d es Z obten. E r is t ein g rö sse r M ann m it g ro ssem
B art, k an n a b e r auch a n d e re G estalten an n e h m e n . M anchen L e u te n hat e r ein en
S ch ab ern ack g esp ielt, an d eren a b e r w ie d e r g u tes getan. E r h a t au ch B lä tte r in
G old v erw an d elt u n d zw ar (w ovon G esch ich ten erzäh lt w u rd en ) ein m al b ei einem
a rm e n B auern, das a n d e re M al a u f e in e r H o c h z e it.“
Etwas Tom Messen der Kranken.
(Der rohe Faden.)
V on
Theodor Zachariae.
Vom M e s s e n in seiner abergläubischen Verwendung, nam entlich zum
/w e c k der H eilung einer Krankheit, ist in dieser Zeitschrift öfters die
Keile gew esen. So in dem Aufsatz von Max Bartels über Volksanthropometrie oben 13, 353— 368 (dazu die Nachträge von Bernhard Kahle 15,
3 4 9 f.)1). Ich w ill hier zw ei w eniger bekannte, bei älteren Autoren vor­
kom m ende Stellen anführen und besprechen, worin von der abergläubischen
H eilart des M essens gehandelt wird.
1)
Vgl. sonst oben 2, 170. 6, 81). 17, 1(59. Luther, Werke (krit. Gesamtausgabe)
*■» 402. Ducange u. d. W. mensurare. Grimm DM.* 1116f. 1121. 123:5; D M .4 o, :542.
eutsches W örterbuch G, 2119. W uttke, D er deutsche Volksaberglaube der Gegenwart*
1869 §506. 507. P. Sartori, Am Urquell 6, 59f. 8 7 f. lllf. H. B. Schindler, Der Aberanbe des M ittelalters 1858 S. 179f. L. Strackerjan, Aberglaube und Sagen aus dem
lerzogtum Oldenburg 1, 71. P. Drechsler, Sitte, Brauch und Volksglaube in Schlesien
1, —12f. 2, öl2ff. Gr. Lammert, Volksmedizin und medizinischer Aberglaube in Bayern
152
Zachariae:
1.
D ie erste Stelle entnehm e ich der E x p l i c a t i o D e c a l o g i des
Thom as T a m b u r in i S. J. (geb. in Caltanissetta auf Sizilien 1591, f in
Palerm o 1675). Tam burini handelt, w ie andere, ältere oder g leich zeitig e
Erklärer des D ekalogs, bei der Erklärung des e r s t e n G ebotes1) aus­
führlich über abergläubische V orstellungen und Gebräuche.
Unter der
Überschrift V a n a e a l i q u o t s u p e r s t i t i o n e s n o s t r a a e t a t e u s u r p a r i
s o l i t a e 2) teilt er folgende zw ei H eilm ittel gegen die G e lb s u c h t jnit:
l c t e r i t i a m , qu am S icu li z a f a r a m 3) vo cam u s, a liq u i sa n a n t quo d am f i l o
conq uisito a te la ru m te x tric ib u s, quem iid em S iculi L i z z u m 4) a p p e lla n t, quo
q uidem filo a e g ri statu ram , eju sd em q u e e x te n sa b ra ch ia te r m e t i u n t u r , m o x
filum c o m p l i c a n t , v u lg a riq u e forfice su p e r cap u t, h u m ero s, p ec tu s infirm i co m plica tu m id em filum s e c a n t , a d d e n te s in te re a q u a e d a m v e rb a d e p re c a to ria ; n am
sec a re sic, et proflig are m o rb u m p ro fiten tu r, sa n ita te m q u e in d u cere, si id sem el,
bis, tertio , co n tiu u is trib u s d ie b u s, faciant, certo p u ta n t; n o n n u lli c aerem o n iam
illa m d im en sio n is o m i t t u n t , c a e te ra q u ae d ic ta su n t ex p ed ie n te s.
Im m o n o n
nem o solum su p ra cap u t, non vero su p ra h u m e ro s p ec tu sq u e filum secan t. S unt
e t alii, (qui ean d em c u ra n t ju b e n te s, vel lc te ritia m p a tie n s m i n g a t in h e rb a m
M a r r o c h i u m 5), qu ae in ipso fundo v asis u rin a rii, in quo m in g u n t, sit im posita.
Man beachte hier das Zusam m enlegen oder V e r k n o t e n (com plicare)
sowie das Z e r s c h n e id e n des Fadens m it dem gem essen wird. Ersteres
findet sich auch sonst; so m isst man gegen Kopfweh ‘drei T age nach­
einander den K opf vom Scheitel bis unter das Kinn mit drei Halm en
Roggenstroh, bindet diese in drei K n o t e n und hängt sie an einen Baum’
1869 S. 89. 98. 224. Fossel, Volksmedizin und medizinischer Aberglaube fn Steiermark*
S. 87. Liebrecht zu Gervasius von Tilbury, Otia Im perialia S. 250, 376 a. Schönbach in
den A nalecta Graeciensia S. 47 und in seinen Stadien zur Geschichte der altdeutschen
P redigt 2, 29. P. Pietsch, Zs. f. deutsche Philologie 16, 194. K. Euling, Studien über
Heinrich K aufringer 1900 S. 79. B. Kahle, Neue Jahrbücher für das klass. A ltertum 15,
716 f. (1905). K. Knortz, Nachklänge germanischen Glaubens und B rauchs in Amerika 1903
S. 113. Riess in Pauly-W issowas Realenzyklopädie 1, 50. A. Franz, Die kirchlichen
Benediktionen im M ittelalter 2, 457 ff. Das Sämavidhänabrähm ana deutsch von Sten
Konow 1893 S. 71 f. K ausikasütra 50, öff. (W. Caland, Altindisches Zauberritual 1900
S. 174). . W. Crooke, Populär Religion 1, 104. 2, 311. M itteilungen der Gesellschaft für
jüdische Volkskunde 5, 60f. 6, 137. 7, 93.
1) Siehe Joh. Geffcken, Der Bilderkatechism us des 15. Jahrhunderts 1855 S. 53 ff.
2) Explicationis Decalogi Lib. 2 cap. 6 § 1 n. 33 (Tamburini Opera, Venetiis
1710, p. 68).
3) Z a f a r a , m alattia, che procede da spargimento di fiele, itterizia. icteros, regius
morbus. Cosi detta forse dcl render essa cosi giallo il volto, che tinto sembrasse di
zafarana, da cui poi toltane il na per distinzione, questo
male vien chiamato zafara.
(M. P a s q u a l i n o , Vocabolario Siciliano etimologico.)
4) L iz z u , filo torto ad uso di spago, intrecciato, o sostenuto da aste, q pezzi di
canna, del quäle si servono i tessitori per alzare, e abbassare le fila dell’ ordito nel tesser
le tele, liccio. licium. Dal lat. licium. lizzu. (Vocabolario Siciliano.)
5) Druckfehler für Marrobium (sizilisch: M arrobiu, erba quasi simile alla melissa;
lat. m arrubium ‘A n d o r n ’)? Auf jeden F all ist der Andom gem eint; auch bedient sieb
Tamburini der Form M arrobium an einer anderen Stelle, wo er von der ‘vis naturalis
herbae Marrobii Icteritiae contrariae’ spricht.
Etwas vom Messen der Kranken.
(s. W uttke § 507; vgl. Zs. f. vergl. Sprachforsch. 13, 153. Drechsler, S itter
Brauch und V olksglauben in Schlesien 2, 314). A uf das Verknoten des
Messfadens kom m e ich unten noch einmal zurück.
D as zw eite von Tamburini überlieferte M ittel gegen die Gelbsucht
ist mir anderwärts nicht begegnet. Doch wird der Harn bei den G elb­
suchtskuren oft erwähnt; so z. B. wird em pfohlen das Harnen in eine
ausgehöhlte g e l b e R übe, das Harnen auf ein leinenes Tuch u. dgl., s.
W uttke § 505. D rechsler 2, 305. Lammert, A'olksmedizin S. 248. Fossel,
V olksm edizin S. 120f. Auch wird der A n d o r n , z. B. der daraus gew onnene
Saft, als M ittel gegen die Gelbsucht em pfohlen; so schon Plinius: sucus
auriculis et naribus et m o r b o r e g i o minuendaeque bili cum m elle prodest
(n. h. 20, 243). S iehe sonst H ovorka und Kronfeld, Vergleichende V olks­
m edizin 1, 30.
Aus den Bem erkungen, die Tamburini an einer anderen Stelle seines
W erkes (2, 6, 1, 73) über das M essen und das Harnen aut den Andorn
macht, w ill ich noch folgende Stelle herausheben:
A liqui hoc m orbo [Icte ritia ] in fecti ean d em h erb am [M arrobium ] p o n u n t in tra
calceos, a lii s u b n u d a p l a n t a p e d u m 1) , alii fru ctu o siu s allig an t ad n u d a crura.
reficique se hoc rem ed io te sta n tu r. F o rte q u ia eju sm o d i h e rb a occulta vi Ictericiam
b ilem av ertit, d issip a t; vel c e rte m itig at. N am non om nino ab eju sm o d i m i c t u ,
vel allig atio n e se fu isse v ale tu d in i red d itu m q u id am ad o lescen s m ih i n arrav it, sed
solum aliq u a ra tio n e re fe c tu m ; qui tarnen a d d id it tan d em om nino se sanitati
restitu tu m in tra paucos d ies a p ra e d ic ta f i l i s e c a t i o n e fuisse.
2.
D ie zw eite Stelle begegnete mir zuerst in der Abhandlung von
H einrich R inn: K ulturgeschichtliches aus deutschen Predigten des Mittel­
alters (Program m des Johanneum s in Hamburg, 1883). H ier zitiert Rinn
auf S. 35 eine Stelle aus W ackernagels Sammlung altdeutscher Predigten
(du solt niht g e lo b e n ..............an m e s s e n S. 77, 5) und führt dazu in
einer Anm erkung, ohne Q uellenangabe, das folgende Zitat an:
A lte W e ib e r m assen d en sc h m erzen d en K o p f m it einem G ü rtel o d er m it einem
r o t e n l a d e n , in d em sie d em K ran k en in s O h r flü sterten : das F e u e r b e d a rf
kein e E rw ärm u n g , das B ie r b e d a rf k e in e n T ru n k .
D as Zitat stammt ohne Z w eifel aus R. Cruels Geschichte der deutschen
Predigt im M ittelalter S. 618, wo wir genau dieselben W orte finden; nur
heisst es bei Cruel ‘m essen’ und ‘flüstern’ statten ‘massen’ und ‘flüsterten ,
und ausserdem erscheint — eine bem erkensw erte Variante — statt des
r o te n Fadens bei R inn ein r o h e r Faden bei Cruel. Rinns r o te r Faden
muss auf einem V ersehen oder auf einem Druckfehler beruhen.
Dass
der r o h e Messfaden zu R echt besteht, ergibt sich, wenn wir das Original
vergleichen, wovon die W orte bei R inn und Cruel nur eine Übersetzung
1)
Auch rühm t man dagegen (gegen die Gelbsucht), S c h ö l l k r a u t a u f d ie F u s s s o h le n zu b in d e n . Lamm ert, Volksmedizin S. 249.
154
Zachariae:
sind.
In Gottschalk H ollens Sonntagspredigten (1, 47; das Zitat gibt
Cruel S. 618) entsprechen die W o r te 1):
S icu t q uedam vetule m e n su ra n t c a p u t d o le n tis cu m cingulo a u t cu m f i l o n o n
b u l l i t o : dicendo in au rem infirm i ‘Ig n is n o n in d ig e t c ale fa c tio n e ; c e re u isia non
in d ig e t p o tatio n e’: a u t a lia fatu a e t su p e rstitio sa faciunt.
Es kom m t hinzu, dass sich der ‘nicht gekochte’ — oder, w ie sich
Cruel ausdrückt, der ‘r o h e ’ — F aden auch anderwärts nachweisen lässt.
Indessen ehe ich hierauf eingehe, muss ich noch eine zw eite Ü bersetzung,
die H ollens W orten zuteil geworden ist, kritisch beleuchten und mit Cruels
Ü bersetzung vergleichen.
Franz Jostes hat, augenscheinlich ohne die
letztere zu kennen, H ollens W orte w ie folgt w iedergegeben (Zeitschrift
für vaterländische G eschichte und Altertum skunde 47, 1, 94; Münster 1889):
So m essen m a n c h e a lte W e ib e r d e n K o p f d e s K r a n k e n m it ein em G ü rtel
o d er m it einem u n g e k n o t e t e n F a d e n , w obei sie dem K ra n k e n ins O h r sa g e n :
‘D ie H itze b e d a rf n ic h t d es H eizen s, d as B ier n ic h t d es T rin k e n s ’, o d e r an d e re n
U nsinn u n d A b erg lau b en treib e n .
W ie Jostes dazu gekom m en ist, H ollens ‘filum non bullitum ’ mit
Mmgeknoteter F aden’ zu übersetzen, ist mir unerfindlich. V iel eher könnte
man einen g e k n o t e t e n Faden statt eines ungeknoteten erwarten; wird
doch, w ie ich oben gezeigt habe, die K n o tu n g des M essfadens2) häufig
gen ug erwähnt und gefordert. D agegen wird man Jostes unbedingt R echt
geben m üssen, wenn er H ollens W orte ‘m ensurant c a p u t d o l e n t i s ’ mit
'sie m essen d e n K o p f d e s K r a n k e n ’ übersetzt3). Cruels Übersetzung
‘sie m essen d e n s c h m e r z e n d e n K o p f ’ ist zum m indesten ungenau4),
sie wäre nur richtig, wenn im lateinischen Original c a p u t d o le n s stünde,
sie ist überdies geeign et, den A nschein zu erw ecken, als handle es sich
in der S telle bei H ollen um die H eilung von K o p f s c h m e r z . Nun wird
das Messen allerdings nicht selten als M ittel gegen Kopfschmerz angeführt
oder em pfohlen6); bei H ollen aber ist entschieden nur vom M e s s e n der
Kranken im a l l g e m e i n e n die R ede; ein Mittel gegen Kopfschmerz gibt
er gleich darauf mit den W orten an: Quidam c o n tr a d o lo r e m c a p it is
non comedunt aut tangunt caput anim alis aut p iscis6).
1) Die Stelle steht auch in Hollens Praeceptorium (Kölner Ausgabe von 1484,
B latt 32B). Über Hollens Sonntagspredigten vgl. oben 18, 442ff.; über sein Praeceptorium :
Geffcken, Bilderkatechism us S. 31 f.
2) Über die Zauberkraft des Knotens vgl. z. B. W uttke § 180 und das R egister unter
K n o te n . Adam Abt, Die Apologie des Apuleius von M adaura 1908 S. 76. Campbell,
Indian Antiquary 24, 131.
3)
Siehe auch A. Franz, Theologische Q uartalschrift 88, 420, Anm. 4.
4) Über andere Ungenauigkeiten oder U nrichtigkeiten bei Cruel vgl. oben 18, 442 f.
5) L uther, W erke 1, 402 Nescio quot modis murm urandi cingulo metientes capitis
vlolorem m itigent. Grimm, D M .2 1121. W uttke § 507. Lam m ert, Volksmedizin S. 224.
Mooney, Proceedings of the American Philosophical Society 24, 156. M. Güdemann,
Geschichte des Erziehungswesens und der K ultur der abendländischen Juden 1, 215.
6) Siehe oben 18, 443. D er Genuss von Tierköpfen hatte nach einem im M ittelalter
Etwas vom Messen der Kranken.
155
Ich wende mich zu dem r o h e n Faden zurück. Dass gerade ein
solcher bei der abergläubischen Handlung des Messens verwendet wird,
mag auf den ersten B lick auffällig erscheinen. Spielt doch sonst vielm ehr
iler r o te Faden im Volksaberglauben eine grosse R olle.
Er kom m t so
häufig vor, dass es überflüssig sein dürfte,
B eisp iele anzuführen1).
Ja
selbst beim M e s s e n tritt der r o t e Faden aut. Nach den Märkischen
Forschungen 1, 247 bekannte im Jahre 1583 in B eskow eine H exe, sie
habe ein W eib nackt ausgezogen, sie mit einem Sonntags gewobenen
r o te n Uarnfaden gem essen, dann B ier in eine Grube in der Erde gegossen
und das W eib dies m ittels einer Röhre austrinken lassen, damit sie Kinder
bekom m e (s. Grimm DM. 2 1117).
ln einem B eichtspiegel bei H a s a k ,
D er christliche Glaube des deutschen V olkes beim Schlüsse des M ittel­
alters 1868 S. 192 heisst es: ‘Hastu dich icht lassen m essen m it einem
T o te n faden’2).
A llein es fragt sich, ob in den angeführten oder in
anderen von mir vielleich t übersehenen F ällen die Überlieferung immer
richtig ist. In der zw eiten, aus Hasak zitierten Stelle liegt unzweifelhaft
ein F ehler — ein D ruckfehler oder ein Versehen H asaks — vor (vgl.
w eiter unten). Doch dem sei, w ie ihm wolle.
Gewiss legt man im
Zauberwesen grosses G ew icht auf die F a r b e der Fäden, und der r o t e
Faden nimmt unstreitig unter
den bunten, farbigen Fäden den ersten
R ang ein. Ferner ist die Z a h l der zu verwendenden Fäden von B e­
deutung, sow ie der S t o f f , woraus die Fäden gefertigt sind (Fäden aus
Haut, W ollfäden, Seidenfäden).
In Betracht kommen die P e r s o n , die
einen Faden spinnt, und die Z e i t , zu der ein Faden gesponnen wird.
Daneben aber beansprucht auch der r o h e F aden seinen Platz im Zauber­
w esen. D as f il u m n o n b u l l i t u m , wom it nach H ollen alte W eiber
den Kopl eines Leidenden m essen, lässt sich auch sonst nachweisen. Auf
<lei gleichen Stufe steht rohes G a rn , rohe L e i n e w a n d u. dgl.
In zw ei n ah e m ite in a n d e r v erw an d ten B eich tsp ieg eln , d ie von Geffcken, B ilderk atech ism u s, B eilage Sp. 99 u n d von P ietsch , Zs. f. d eu tsc h e P h ilo lo g ie IG, 1 8 5 f.
h erau sg eg eb en w orden sin d , findet sich die F ra g e : ‘H o stu d ich lo ssin m essin m it
«ynem r o e n (ron, ro h en ) fa d e m ? ’ D ie V erm u tu n g G effckens, es sei doch w ohl
ein r o t e r P a d e n g em ein t, ist b ereits von P ie tsch zu rü ck g ew iesen w orden. In
»errschenden Volksglauben K o p f le i d e n im Gefolge (A. Franz, Die kirchlichen Benediktionen 2, 5(54). Vgl. ferner Usener, Religionsgeschichtliche Untersuchungen 2, 84, 10.
ranz, D er M agister Nikolaus Magni de Jaw or 1898 S. 182. Les Evangiles des
quenouillcs (Paris 1855) 1, 8. 9. 22. 3, 2. Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins
° > 97f. 101 ff. (der E p i l e p t i k e r soll nicht essen von H ä u p te r n , sie seien von Fischen
oder Fleisch).
1) Vgl. meine Ausführungen in der W iener Zeitschrift für die Kunde des Morgenan es 17, 218ff. und namentlich die dort angeführten Schriften von R o c h h o lz .
^ -) Vgl. auch das r o t e B a n d , womit bei Kopfleiden der Kopf gemessen wird, bei
W uttke § 507; Lammert, Volksmedizin S. 224.
156
Zachariae:
‘D e r S elen T r o s t’ h e is st es b ei d e r E rk lä ru n g d es e rste n G eb o te s: ‘D u solt d ich
n it la s se n m e ssen m it ein em r o h e n fad en ’ (H asak , d e r c h ristl. G lau b e S. 105;
G effcken S. 55). M it dem r o h e n F a d e n v e rg le ic h t P ie tsc h d en u n g e s p u l t e n
F a d e n , d e r in B öhm en b eim M essen g e b ra u c h t w ird ( ‘D ie se r F ad en is t u n g e sp u lt,
u n d am C h a rsa m sta g e v o r S o n n en au fg an g e, u n d zw a r von rü c k w ä rts, g e sp o n n e n ;’
G rohm ann, A b erg lau b en u. G e b rä u c h e a u s B ö h m en u. M äh ren § 125<s. W u ttk e
§ 506). A uch in S c h lesien g e sc h ie h t d as M essen m it einem r o h e n F a d e n ; s.
D re c h sle r, Sitte u sw . in S c h lesien 2, 312. Y g l. au ch e b e n d a S. 274. 2S5 (K n o ten
w erd en in einen r o h e n F a d e n g em ac h t).
F i l u m c r u d u m : ‘V as in quo b a ln e a n tu r c irc u m lig a n t1) cru d o filo ;’ a u s d es
F ra te r R u d o lfu s B uch D e o f f i c i o C h e r u b y n m itg e te ilt von A. F ran z, T h e o lo g isch e
Q u a rta lsc h rift 88, 420. In d e r A n m erk u n g z. d. St. h a t F ra n z a u f H ollens filum
n on b u llitu m h in g ew iesen .
R a w t h r e a d : ‘G reen le av e s o f a tre e a re tie d on to th e h a n d o f th e su sp e cte d
p erso n w ith ra w th re a d , a n d a n iro n sp ad e, h e a te d to re d n ess, b ein g then p laced
on h is palm , h e m u st c a rry it for se v e ra l p a ces q u ick ly ’ ; a u s d e r B esch reib u n g
ein es in d isch en G o tte s g e ric h te s2) bei H. M. E llio t, T h e h isto ry o f In d ia as told b y
its ow n h is to ria n s 1, 329.
L i n u m r u d e 3): ‘O culos cum d o lere q u is co ep erit, ilico ei su b v en ies, si q uot
litte ra s nom en eius h a b u e rit, n o m in an s e asd em , t o t i d e m n o d o s in r u d i l i n o
s t r i n g a s 4) e t circa co llu m d o len tis in n e c ta s’; M arcellu s E m p iricu s 8, 62 ed. H elm ­
re ic h . V gl. 10, 70: S crib es in c h a rta v irg in e et collo su sp e n d es l i n o r u d i l i g a t u m t r i b u s n o d i s ei, qui profluvio san g u in is l a b o r a t ..............
U n a u s g e k o c h t e s G a r n u. d g l.: ‘W e n n ein sech sw o ch en k in d v ie l sch reit,
z ieh e m an es d re im a l stillsc h w eig e n d s d u rc h ein u n au sg e k o c h te s stü ck g a rn ;’
D e u tsc h e r A b erg lau b e b e i G rim m , D M .1 S. C V II, N r. 926. ‘K lein e K in d er, a b e r
a u c h E rw a c h se n e u n d T ie re , w elche k ra n k sin d o d e r d och n ic h t so, w ie sie sein
sollten, o d e r d ie m an g eg en k ü n ftig e K ra n k h e it sch ü tzen w ill, w erd en d u rch ein
Stück r o h e s , u n g e w a s c h e n e s G arn, w ie e s ein em T o n n e n re if ä h n lic h v o n
d e r H a s p e l k o m m t , h in d u rc h g e z o g e n ;’ S tra ck e rjan , A b erg lau b e u n d Sagen 1,
364; vgl. eb d . S. 301. 365. 367 (d u rc h ein S tü ck r o h e s G arn zieh n ). In S k a n d i­
1) Zum Umwinden des Gefässes m it einem Faden vgl. W iener Zs. für die Kunde des
M orgenlandes 17, 217. A. Abt, Die Apologie des Apuleius S. 74 ff. und die auf S. 209 aus
Horsts Zauberbibliothek zitierte Stelle. Campbell, Indian A ntiquary 26,129. K ausikasütra
26, 32 (Caland, Altindisches Zauberritual S. 78). W assergefässe, deren Hälse m it w e is s e n
F äden umwunden sind, erw ähnt V aräham ihira (Brhatsamhitib 48, 37; Journal of the Royal
Asiatic Society 6, 75).
2) Siehe Asiatic Researches 1, 394. 397. E. Schlagintweit, Die Gottesurteile der
Indier, München 1866, S. 22.
3) Wenn ich das lin u m r u d e m it dem rohen Faden auf eine Linie stelle, so über­
sehe ich doch die Tatsache nicht, dass lat. r u d i s auch bedeuten kann: ‘neu, frisch, un­
gebraucht’; siehe H. Rönsch, Ita la und V ulgata S. 336f.; Semasiologische Beiträge zum
lateinischen W örterbuch 2, 46; dazu das Deutsche W örterbuch 8, 1115 (unter ro h Nr. 5).
So ist olla rudis bei M arcellus 15, 109. 16, 58. 31, 26. 35, 23 und sonst, das man ver­
sucht sein könnte dem ‘rohen’, d. h. ungebrannten Gefäss der In d er (vgl. unten) gleich­
zusetzen, offenbar synonym m it olla nova 26, 25. 27, 106. 29, 41 u. ö.
4) Soviel Knoten in einen (ro h e n ) F a d e n machen, als man W arzen, H ühneraugen
u. dgl. hat: W uttke § 484. 492. 504. 508 (vgl. 488. 499). Strackerjan 1, 70f. 74. 76—79.
2, 19. Lam m ert S. 186. D rechsler 2, 285.
Etwas vom Messen der Kranken.
157
navien h eilt m an die R a c h i t i s (S k erfv an ) d ad u rc h , d ass m an den K ran k en m it
den F ü ssen voran d u rch ein e u n g e b l e i c h t e G a r n s t r ä h n e z ie h t1); H o v o rk a u n d
K ronfeld, V erg leich en d e V o lk sm ed izin 2, 695.
R o h e L e i n w a n d : G egen sch lim m e A ugen su ch t m an sch w eig en d n e u n e rlei
K räu ter, n äh t sie in ein S tü ck ch en u n g e k r i m p t e s (u n g en etztes) g ra u e s T u c h m it
einem F ad en G arn ein, d e n e in K in d v o n s i e b e n J a h r e n g e s p o n n e n 2), d a rf
a b e r d ab ei k ein en K noten m ach e n u n d d en F a d en n ich t v e rn ä h e n ; d ie s w ird nun
w ied er in r o h e L e i n w a n d g ew ick elt u n d neun T a g e a u f dem L e ib e g etrag en ,
u n d d ann an einen O rt v erg rab en , w o w ed er Sonne n och M ond hin sch ein t.
W u ttk e § 495.
D ie vorstehenden B eisp iele werden genügen: genügen insonderheit
auch für die Beantwortung der Frage: was ist unter einem r o h e n Faden
zu verstehen? P . D rechsler, Sitte, Brauch und V olksglaube in Schlesien
2, 312 glaubt, es sei ein v o n S p e i c h e l u n b e n e t z t o d e r u n g e n ä s s t
g e s p o n n e n e r F a d e n gem eint (vgl. 2, 285. 326, wo roh = ungenetzt).
D ieser Auffassung, die ich nicht für richtig halten kann, widerspricht
schon H ollens Ausdruck f ilu m n o n b u llit u m . R ichtig erklärt Pietsch,
Zs. f. deutsche P h ilologie 16, 187 ‘roh’ m it ‘u n g e b l e i c h t ’. D ieser A us­
druck ist uns oben bereits begegnet. Ein roher Faden ist ein Faden, der
‘noch irgendeiner Verarbeitung oder V ervollkom m nung fähig ist,’ ein
Faden, der d e r ‘Appretur’ erm angelt. Man sehe nur das D eutsche W örter­
buch unter dem W orte ‘roh’ (Sp. 1115, 5) und die dort gegebenen B ei­
spiele: R ohe Seide, fila bom bycina non e x c o c t a , sua naturali ruditate
dura; roh Tuch, das nicht gew alkt; rohe Leinwand, linum crudum; rohe
oder u n g e b l e i c h t e Leinwand; rohes Garn, linum crudum; rohe W olle,
lana nondum praeparata.
Vgl. auch das D eutsche Wörterbuch unter
Orarn’ Sp. 1361 f. und die griechischen W örterbücher unter (hjuökvov.
1) Zu dem Brauche vgl. Feilberg oben 7, 44. 46. Kuhn u. Schwartz, Norddeutsche
Sagen S. 410, 157. Liebrecht, Zs. f. roman. Philologie 5, 420. Strackerjan, Aberglaube
und Sagen 1, 368. Grohmann, Aberglauben und Gebräuche § 832. H. Gaidoz, Un vieux
rite medical p. 63. 64.
21 Ein Faden, den ein siebenjähriges Kind oder ein Kind unter 5 oder 7 Jahren, oder
eine reine, keusche Jungfrau gesponnen hat, ist besonders zauberkräftig und glückbringend.
So erzählt T a m b u r i n i: ‘F ilu m C a n n a b is quidam assumebat, quod p u e l l a v ir g o ne­
verat, eoque subm urmuratis quibusdam precibus utebatur ad sanandos infirmos’ (Explicatio
Decalogi 2, 6, 1, n. 38; cf. n. 67). Die heilige Schnur der Brahmanen wird in folgender
Weise hergestellt: Ein Mädchen, das n o c h n i c h t m a n n b a r ist, muss das Garn m it den
Fingern spinnen, ohne Spinnrad, und aus rötlicher und gelblicher Baumwolle, und der
B rahm aner drehet hernach den Faden w i d e r s in n is c h (Zs. der deutschen morgenl. Ges.
<, 246. Zu dem Ausdruck ‘widersinnisch’ vgl. Gaidoz, Vieux rite medical p. 64: on tresse
a c o n t r e - s e n s une corde de paille). H ierher gehört das f ilu m v i r g i n i s oben 18,444
(nicht: ‘H a a r v o n e i n e r J u n g f r a u ’, wie Jostes, Zs. für vaterl. Geschichte und A lter­
tumskunde 47, 1, ‘)5 übersetzt; als wenn cum p ilo virginis im lat. Text stünde). Siehe
sonst W uttke §542 und Register unter ‘siebenjährig’; das Deutsche W örterbuch unter N o t­
hemd; Deutscher Aberglaube bei Grimm, DM.1 Nr. 115. 656. 708.931; Panzer, B eitrag zur
deutschen Mythologie 1, 256. 2, 278. 295 usw.
158
Zachariae:
Fragen wir endlich, w ie es zugeht, dass ein r o h e r Faden (rohe L ein ­
wand u. dgl.) bei abergläubischen H andlungen, nam entlich in der Y olk sheilkunde gebraucht wird, so b ietet sieh, sow eit ich sehe, nur eine Mög­
lich k eit der Erklärung dar: der rohe Faden stammt aus einer Zeit, wo
man eine Verarbeitung, eine Appretur noch nicht kannte. D er rohe Faden
ist ein Überrest älterer K ulturverhältnisse. Es ist eine bekannte T at­
sache, dass man im K ultus und im Zauberwesen ältere Stoffe und Geräte
b eibehielt, obwohl deren Verwendung eigentlich nebensächlich ist, und
obwohl im gew öhnlichen L eben längst andere, bessere oder vollkom m enere
Stoffe und Geräte eingeführt w aren 1). D ie Erklärungsart, die ich für den
rohen F aden in Anspruch nehm en möchte, ist in H insicht auf andere
G egenstände, andere Verhältnisse oft genug angenomm en worden. D em
F lam en D ialis war es verboten, gesäuerten Brotteig zu berühren (farinam
fermento inbutam adtingere). Man sieht darin eine Erinnerung an die
Z eit, w o die Säuerung des Brotes noch unbekannt war. W enn sich der­
selbe F lam en nur m it ehernen Messern scheren lassen durfte, so hält man
das für ein Ü berbleibsel aus der Bronzezeit. D ie im Ritual so häufig auftretende, bisher in verschiedenem Sinne gedeutete N a c k t h e i t 2) ist nach
G. L. Gomme ein ‘survival of a rude prehistoric cult.’ W enn sich die
P riester des dodonäischen Zeus, die Seiler, niem als die F üsse wruschen
und stets auf dem Erdboden schliefen (2elXol äviTirojioöeg yn/naiedvai Ilias1 6,235), so lässt dies nach der M einung einiger auf eine Epoche schliessen,
wo das W aschen der F üsse und der Gebrauch der Bettstellen in Griechen­
land unbekannte D inge w aren3).
In diesem Zusammenhang verdient wohl das im indischen Zauber­
w esen zuw eilen vorkom m ende ä m a p ä tr a m , das rohe d .h . u n g e b r a n n t e
G efäss, erwähnt zu werden. Ich verw eise auf die Zauberhandlungen, die
das Kausikasütra 2G, 32. 41, 7. 48, 43 beschreibt (s. Caland, Altindisches
1) Ygl. im allgemeinen z. B. W. Kroll, Antiker Aberglaube S. Off. A. Abt, Die Apo­
logie des Apuleius S. 85 und die daselbst angeführte L iteratur. Von Überlebseln in der
K ultur handelt E. B. Tylor im 3. und 4. Kapitel seines Werkes Prim itive culture.
2^ Weinhold, Zur Geschichte des heidnischen Ritus 189G S. 4. Kroll, A ntiker Aber­
glaube S. 21. Abt, Die Apologie des A puleius S. 172 *. Einen Überblick über die ver­
schiedenen Erklärungen gibt je tz t E. Samter, Geburt, Hochzeit und Tod S. 112ff.
3)
So z. B. Wolfgang Helbig, Die Italik er in der Poebene 1879 S. 4; neuerdings
wieder Eugene Monseur, Revue de l’histoire des religions 53 (190(1), 297—299 (il y a lä
un simple cas de misoneisme sacerdotal). Anders, und ohne Zweifel richtiger, P. Kretschmer,
Einleitung in die Geschichte der griechischen Sprache 1896 S. 87f.; P. Dümmlcr, Kleine
Schriften 2, 213. Ygl. auch A. Abt, Die Apologie des Apuleius S. 40, wo auf die in den
Zauberpapyri vorkommende Vorschrift u jte ^ e ß a l a v e i o v ( a a o o y j o f l c o ß a l a v e t o v ) hingewiesen
wird. Im deutschen Aberglauben findet sich bisweilen die Forderung, dass man eine
magische H andlung ‘ungewaschen und ungekämm t’ vollziehen soll (Wuttke § 529; vgl. 381.
386). H ierher gehört wohl auch ‘i n l o t i s m a n ib u s remedium facies’ Marcellus Empiricus15, 9; J. Griinm, Kleinere Schriften 2, 131.
Etwas vom Messen der Kranken.
2^()i
Zauberritual 1900 S. 78. 141. 171); ferner auf die Zauberhandlung, die
ein Brahmane vornehmen soll, der den Liebhaber seiner Gattin verfluchen
w ill: ‘W enn ein W eib einen Buhlen hat, und wenn er den hasst, so soll
er in einem u n g e b r a n n t e n Gefäss ein Feuer anlegen, eine Streu von
Rohrhalmen in v e r k e h r t e r Richtung ausbreiten und im selbigen Feuer
die betreffenden Spitzen der Rohrhalme, nachdem er sie v e r k e h r t mit
Butter gesalbt hat, opfern und vier Sprüche dabei rezitieren’ (P . Deussen
Sechzig Upanisads des Veda 1897 S. 5 1 5 f.; vgl. Oldenberg, D ie R eligion
des Veda S. 519). Im Atharvaveda 5, 31, 1. 4, 17, 4 erscheint das un­
gebrannte Gefäss unter den ‘Stellen’ und Gegenständen, die zur V er­
zauberung geeign et oder dem Zauber ausgesetzt sind; von der gleichen
Bedeutung sind z. B. der überaus zauberkräftige b la u r o t e F a d e n , rohes
Fleisch, M enschenknochen, der W ürfel, der P feil, der Brunnen, der B e­
gräbnisplatz usw. (Caland S. 136; Bloomfield, Sacred Books of the East
■1*2, 395. 4 5 6 f.). Nach Bloomfield ‘The unburned vessel seems to s y m b o lis e the fragility, destructibility of the person upon whom enchantmentsare practised.’ Aber sollte sich nicht der Gebrauch der ungebrannten
G e fä s s e im indischen Zauberwesen daraus erklären lassen, dass sie einer
längstvergangenen Zeit angehören, einer Zeit, wo man das Brennen der
Gefässe noch nicht kannte? Es sei noch auf die n/JvOoi <h(u<u, die u n ­
g e b r a n n t e n Z iegel, verw iesen, die uns in den Zauberpapyri begegnen;
'§!• z. B. im grossen Pariser Zauberbuch y.dthaor avrov
rr/urßovg (hnd;
(D enkschriften der W iener A kadem ie, phil.-hist. Klasse 36, 2, S. 67, 900)
oder .Pap. Lond. 122, 105 l!yon> jigdg xecpa/J/v tiMvBov m/ii'jv (Denkschriften
4’2, 2, S. 58).
H a l l e a. S.
Bolte:
Kleine Mitteilungen.
Gereimte Märchen und Schwänke aus dem 16. Jahrhundert.
D er W e rt d e r z ah lre ic h e n M e iste rlie d e rh a n d sc h rifte n d es 16. b is 17. J a h r ­
h u n d erts fü r die G esch ic h te d e r E rzäh lu n g ssto ffe ist sch o n m eh rfa c h b etont
w o rd e n 1) u n d w ird d eu tlich e rw ie se n d u rch d ie von E . G oetze u n d K. D re sc h e r
un tern o m m en e trefflich e A usgabe sä m tlic h e r F a b e ln u n d S ch w än k e d es H an s
Sachs, w elche im 3. b is 5. B an d e (1 9 0 0 — 1904) 8 3 0 b is h e r z u m e ist u n g ed ru c k te
M eisterlied er des N ü rn b e rg e r P o e te n d arb ie te t, d ie oft freilic h n u r V e rifik a tio n e n
b ek a n n te r P ro s a -V o rla g e n sind, a b e r au ch m eh rfac h d ie m ü n d lic h e V o lk sü b e r­
lie fe ru n g zu r G ru n d la g e h ab en .
A us d ie s e r noch n ic h t au sg esch ö p ften Q u elle
en tn eh m e ich die n ach fo lg en d en D ich tu n g en d es 16. Ja h rh u n d e rts .
I. Hans Sachs, Der ritter mit der verzauberten nadel.
Im l a n g e n th o n R e g e n b o g e n .
1.
Zuhandt ein schöne jungfrau vor ihm stundt.
In Hoch B urgundt ein ritte r saße,
Ob der erschrackh der ritte r sehr,
Florentz genant, g ar adelich vndt wol- Die jungfrau aber red t ihm freundtlich zue
gestalt,
V ndt sprach: „Florentz, förcht dir n it
mehr!
Dem war gar wol m it iägerey,
R itterspihel thäten ihm auch lieben.
Kein vnrat hast von m ir zu gwarten du.
Ich bin eben der vorig hirsfch,
•
5
Eines tags er anßreihten wase
Mit seinem windtspihel in eim dückhen Verflucht w ardt ich auß meiner m uter
mundt.
finstern waldt,
Reiset vmb in der wüsteneye,
Doch kanstu edler ritte r kün
Ein schönen hirschen seine hundt aufMich wol erlösen von deß fluches pundt,
triben,
2.
Der vor ihnen durch den waldt
sprung,
Das ich bleib ein menschliches bilde.
io Durch berg vndt thal, hin vndt her,
W ann du das thust, so soltu mein gemahel
sein.
manche krümme,
F ührt den ritte r vast sechß stundt lang Ich bin eins königs tochter schon,
ln dem vnwegsamen gehültz weit ümbe Von mir solst haben freüdt, gew alt vndt
ehre.“
Biß endtlich auf ein wisen grün.
Florentz antw ortt der jungfrau milde:
D er hirsch darauf verschwundt,
15
20
25
1) Ich erlaube mir, ein paar eigene Aufsätze anzuführen: Märchen- und Schwank­
stoffe im deutschen Meisterliede (Zs. f. vgl. Literaturgeschichte 7, 449 —472. 11, 65—76).
Der Schwank von den drei lispelnden Schwestern (oben 3, 58 —Gl). Das Märchen vom
G evatter Tod (oben 4, 34—41). Stoffgeschichtliches zu Hans Sachs (Euphorion 3, 351 bis
f>62). Sechs M eisterlieder Georg Hägers (Alemannia 22, 159 —184). Zehn M eisterlieder
Michael Beheims (Festschrift für Kelle 1, 401—421. 1908). Der N ürnberger M eistersinger
Hans Vogel (Archiv f. neuere Spr. 1911). Einige M eisterlieder stehen in meinen Aus­
gaben der Schwankbücher von Val. Schumann (1S93), Frey (1896), Montanus (1899),
W ickram (Werke 3 und 8).
Kleine Mitteilungen.
„W onnit kan ich eüch helfen? Das sagt
mir allein,
Mein leib vndt leben wag ich dran.“
Die junckhfrau antw ort ihm hinwider
n u h re :
»So kombt von heüt über ein iahr
Gleich widerumb auf dise grüne wiseu!
So will ich dir anzeigen klar,
Wie du mich nun solt erlösen von disen
Meinen plagen. Doch schau, schlaf
nicht
Auf dem platz zu der zeit!
Du bringst vns sonst beide in hertzenleidt.“
Florentz bot ihr darauf sein handt
Yndt vmbfing die schöne jungfrauen
jung.
Ih r menschliche gstalt baldt verschwandt,
Widerumb alß ein hirsch gehn w aldt
einsprung.
Der ritter sach ihr senlich nach,
Stundt da in großem wunder allbereit.
Alß der hirsch kam auß seim gesicht,
E r baldt widerumb heim gehn Burgundt rieht.
3.
Alß sich herzu nehet das iahre,
R iht Florentz hin, lag über nacht auf
einem schloß
Zu nachts vor disem finstern waldt,
Auf das er früe kam auf die wisen
grüne.
Auf disem schloß ein w ittfrau wäre,
H ätt auch ein tochter schön vndt zart
mannes genoß,
Die sie lengst h at solcher gestalt
Gern verheyrathet disem ritte r küne.
Zu nachts forscht sie an seinem
kn echt,
W as er so früe hat in dem waldt zu
schaffen.
D er knecht. ihr all ding saget schlecht,
Auch wie er auf der wisen n it dörfft
schlafen.
Alß die w ittfrau die mehr verstundt,
Schenckht sie dem knecht für das
Ein lot silbers vndt ihm darnach fürbaß
Eine verzauberte nadel gab,
Die er dem ritttr in den m antel solt
Steckhen, so er vom roß stig ab.
D er bößwicht [ver] hieß zu thun, wie sie
wolt
Alß der ritter früe rih t hinauß
Auf die wisen, vom gaul absteigen was,
]
Steckht ihm der knecht die nadel rundt
In sein m antel, alß er saß in das graß.
4.
Zuhandt der ritte r starckh entschliefe
Auß crafft der zauberey. Die junckhfrau
darnach kam,
F an d t ihn schlafent; groß war ihr klag
Ob ihm, dieweil sie ihn nicht kunt erweckhen.
Den knecht b a t sie g ar hoch vndt tiefe,
Wann er erwacht, das er ihm ansaget m it
nam
Zu kommen auf den ändern tag ,
So wolt sie ihm ihr erlösung entdeckhen.
Alß nun der ritte r auferwacht,
Sagt ihm der knecht den befelch der ju n g ­
frauen.
Der ritte r sich g ar traurig macht
W ider aufs schloß zu nachts ohn allen
grauen.
Die frau all ding erfuhr vom knecht,
Noch größer schänckh ihm thät.
F rü , alß der ritte r hin kam an die statt,
D er knecht m acht wider schlafent ihn.
Die jungfrau kam, ihn wider schlafent
fandt
Yud schidt wider tra u rig dahin
Vndt doch den knecht mit großer bitt ver­
m ahnt,
Das er doch morgens widerkäm
V ndt den ritte r zu wachen überredt;
Wo sie ihn nicht fendt wachent schlecht,
Ih r beider hoffnung gar ein ende hat.
5.
D er ritte r an dem dritten tage
Riht wider in den w aldt, da ihn der
falsche knecht
M acht schlafent m it der nadel sein.
N achdem die jungfrau auf den platz kam
dare,
Fand ihn schlafent, sehr große klage
F ühret sie vndt sanck nider auf die erden
schlecht,
Sprach: „Nun werde ich nimmer dein “
Sie wandt ihr händt vndt raufft ihr gelbes
hare
Vnd küßet ihn an seinen mundt
V ndt sprach: „Nun h at all mein hoffnung
ein ende.“
Sie hieng ihrer lieb zu urkunt
Drei gülden keten an sein halß behende,
N ach dem sprang sie wider gehn holtz
In eines hirschen gstalt.
Zeitschr. d. Vereins f. Volkskunde. 1911. Heft 2.
11
Bolte:
162
D er vnthreü knecht zog rauß die
nadel bald,
Zuhandt der ritte r auferwacht.
D er knecht sagt ihm der jungfrauen
klagwort,
no D a fiel der ritter in vnmacht
Vndt schafft seinen knecht m it den
pferdten fort.
E r wolt nim m erm ehr kommen heim,
Sein leben forthin verzehren im waldt,
Weil er verschlafen h ä tt die stoltz;
ii5 W urtzel vndt kreüter w ar sein aufenthalt.
6.
120
125
130
Eins tags der ritte r auf eim berge
Zerfiel ein schenckhel, krafftloß in einer
höl lag,
D a ihn ein arm er koler fandt;
D er heylet ihn, der ritter w urdt sein
knechte,
H ä tt bey ihm ein iahr sein herberge.
N ach dem fuhr der koler gehn Paris
auf ein tag,
Nam m it den ritte r vnerkant;
Da ihn ein w ittfrau von fürstlichem
gschlechte
Zu einem hofdiener aufnum,
D er dienet er ein m onat oder mehre.
N ach dem im gantzen königthum
Franckhreich mann außrufft ein turnier
g ar sehre.
D er ritte r einen burger hat
Zu P aris in der statt,
D er seine keten behielt, den er bat
Zu helfen vmb pferdt vndt harnisch.
Vndt alß nun der ta g zu thurniren kam,
R üst sich heim lich der ritter, frisch
In d schranckhen rillt zu ändern adelsstam,
Vnerkant m it ihnen turniert,
Da er vil sättel gelärt hat.
B aldt sich der tu rn ier enden thät,
Riht er herauß vnerkant zu hauß spat.
135
7.
Deß ändern tags wider tu rn iert
Der ritter, besaß aber darzue wol vndt
no
vest
Vndt th ät das best, doch vnerkant
Sich darvon stal: vndt an dem dritten
morgen
E r sich m it sein drey ketten zieret,
R iht in tu rn ier vndt th ä t aber darinn das
best.
Alß nun der tu rnier h a t ein endt,
145
Schlueg mann die schranckhen zu gar
vnverborgen.
Zuhandt w urdt der ritte r Florentz
H inauf geführet in das frauenzim mer;
Mit großer ehr vndt reverentz
Emplieng ihn der könig vndt königin
150
immer,
Vergaßen ihres vngemachs:
Der ihren [1. Denn ihre] tochter klar,
W elches der verflucht hirsch gewesen war,
Kam wider zum m enschlichen bildt,
Dieweil Florentz im tu rn ier das best thät. 155
Das ihm die jun g frau in der w ildt
Sagen wolt, wenn er n it geschlafen hät.
Der könig gab ihms zu der ehe,
Sie hielten ein fürstliche hochzeit zwar.
Drumb was g o tt ordnet, spricht H anß
ico
Sacbß,
Das kan kein mensch auf erden wenden
gar.
In H. S a c h s e n s 13. M eiste rg esa n g b u c h (in Z w ick au ) B l. 3 0 a ste h t d iese
D ich tu n g u. d. T . „ D e r ritte r von P u rg u n d m it dem h irs e n “, g e d ic h te t am 12. Sept.
1552, v erzeich n et (H. S ach s hsg. von K eller-G o etze 25, 400 N r. 3873 a ); ic h g e b e
sie h ie r n ach d e m W e im a re r M scr. F 4 1 9 , Bl. 4 4 5 a N r. 528 w ie d e r, d a m ir d ieses
b eq u e m e r zu g än g lich w ar. — D as M eisterlied is t m e rk w ü rd ig als d ie älteste A uf­
zeic h n u n g ein es v e rb re ite te n M ärch en s von ein er in ein T ie r v e rz a u b erte n K ö n ig s­
to ch ter, die d e r H e ld d u rch stan d h afte s, sc h w eig en d es E rtra g e n von S ch läg en u n d
M artern erlö st, d an n a b e r d u rc h d re im alig e s E in sc h la fe n v o r d em S telld ich ein v e r­
lie rt u n d e rs t n ach g e ra u m e r Z eit w ied erfin d et. Ic h k e n n e folgende F a ssu n g e n :
D e u ts c h : Feen-M ährchen, Braunschweig 1801 S. 206 ‘Das Schloss im W alde und
R itter Gundiberts A bentheuer’. Grimm, KHM. 9.‘) ‘Die Rabe’. Schambach-Müller, N ieder­
sächsische Sagen 1855 S. 253 ‘Die Prinzessin h inter dem roten, weissen und schwarzen
Meere’. Zingerle, Tirols Volksdichtungen 2, 239 ‘Die verwünschte Prinzessin’; 2, 356
‘Die drei Soldaten’. Busch, U t oler W elt 1910 S. 57 ‘Das verwünschte Schloss’ (das Ein-
Kleine Mitteilungen.
163
schlafen fehlt). W isser, W at Grotmoder verteilt 1, 49 ‘Op’n Gollnraarker Sloß’ (1904.
N ur teilweise hergehörig). — V lä m is c h : zwei entstellte Fassungen aus Denderleeuw
teilte mir A. de Cock freundlich mit. — D ä n is c h : Madsen, Folkem inder fra Hanved Sogn
1870 S. 30 ‘Prinsessen i H undeham1. — G ä lis c h : Campbell, Populär tales of the West
H ighlands2 2, 307 N r. 44 ‘The widow’s son’; vgl. R. Köhler, Kl. Schriften 1, 259. Mac
Innes, Folk and liero tales 1890 p. 127 Nr. 5 ‘The kingdom of the green mountains’; dazu
S. 458. — F r a n z ö s i s c h : Sebillot, Contes populaires de la H aute-B retagne 2,102 Nr. 28
‘Le pillotous’. Deulin, Contes d’un buveur de biere 1873 p. 85 ‘Le p etit soldat’. —
R ä to r o m a n is c h : Decurtins, Rätorom an. Chrestomathie 2, 35 (1901) ‘La siarp’ = Jecklin,
Volkstümliches aus Graubünden 1,120 ‘Die Schlangenjungfrau’. — I t a l i e n i s c h : Schneller,
klärchen aus W älschtirol 1807 Nr. 37 ‘Der Schuster’ und 38 ‘Die Königin von den drei
goldenen Bergen’. Comparetti, Novelline pop. italianc 18 <5 Nr. 24 La regina delle tre
montagne’ (Monferrato) und 27 lIl palazzo incantato’ (ebd.). Nerucci, Sessanta novelle
pop. montalesi 1891 N r. 59 ‘Fiordinando’. De Nino, Usi e costumi abruzzesi 3, 284 N r. oO
‘La regina di S pagna. Finam ore, Archivio delle tradiz. pop. 3, 540 ‘I tre anelli’ (Abruzzen.
E ntstellt). R. Förster, Archivio 10, 310 ‘E caporal P ipeta’ (Dalmatien). Gonzenbach,
Sicilianische Märchen 1870 N r. 00 ‘Vom verschwenderischen Giovanninu ; vgl. oben 6, 104.
Pitre, Fiabe pop. siciliane (1875) 2, 238 N r. 84 ‘La bedda di li setti muntagni d’oru’ und
4, 430. — P o r t u g i e s i s c h : Coelho, Contos populäres portuguezes 1879 Nr. 18 ‘Os dos
irm äos’. — B a s k is c h : W ebster, Basque legends 1877 p. 100: ‘Dragon’.
S e rb is c h :
Wuk, Volksmärchen der Serben 1854 Nr. 4 ‘Der goldene Apfelbaum und die neun Pfauinnen’.
Krauss, Sagen der Südslawen 1, 352 N r. 81 ‘Der goldene Apfelbaum und die neun
Pfauenhennen’; Nr. 88 ‘Bendes-V ila M andalena’. — U n g a r is c h : G aal-Stier, Ungar.
Volksmärchen 1S57 S. 39 ‘Die verwünschte K önigstochter auf dem Glasberge’. Sklarek,
Ungar. Volksmärchen 1, 193 Nr. 20 ‘Vom pfauenhaarigen Mädchen’. — R u m ä n is c h :
Schott, Walachische Märchen 1845 S. 213 Nr. 21 ‘Mandschil'eru’. — T a t a r i s c h : Radloft,
V olksliteratur der türk. Stämme Südsibiriens 4, 502 (1872) ‘Chosha Sultan’.
U n ter d iesen P assu n g e n , d e ren U n te rsc h ie d e u n d B eeinflussungen d u rch a n d re
M ärch en k reise ich n ic h t sä m tlich a u fzäh len k an n , e n tsp ric h t die s c h o t t i s c h e b e i
C am p b ell w ohl am b esten d em M eisterlied e.
D er F isc h e rso h n Ja in ja g t eine
H in d in u n d w ill d reim al d a ra u f sch iesse n , a b e r je d e s m a l e rsc h ein t sie ihm als ein
schönes W eib und h eisst ih n in ein R ä u b e rh a u s g eh e n u n d sich d o rt sa tt essen. Als
•die R ä u b e r h eim k eh ren , töten sie ih n , a b e r die H in d in b e le b t ihn w ieder.
D ies
g e sc h ie h t zu d re i M alen.
D ann leito t d ie H in d in ihn zu e in e r H ütte, wo eine
H ex e m it ih re m S ohne w ohnt, u n d b estellt ih n fü r den ä n d ern M orgen z u r K irche.
D ie H exe je d o c h ste ck t ein en S ch lafd o rn in die K irch tü r (o d e r in sein en R o ck ),
und Jain , den ih r S ohn h in fü h rt, sch läft ein. D ie Ju n g fra u ersch ein t, sch reib t
ih re n N am en ‘T o c h te r d es K ö nigs vom u n te rse e isc h e n R e ic h ’ u n te r sein en A rm
u n d en tfern t sich. Am n ä ch sten T a g e ste c k t sie d em S chlafenden eine T a b a k s ­
dose in die T asch e, am d ritte n v e rk ü n d e t sie, d a ss sie nie w ied erk o m m en w erde.
D u rch die in d e r D ose steck en d en G e iste r w ird en d lic h Ja in in je n e s K önigreich
g etrag en , sieg t in d re i W e ttre n n e n m it P fe rd , H und u n d F a lk e n u n d erh ä lt die
H a n d d e r P rin zessin . D ie H exe w ird sa m t ih rem S o h n e v e rb ra n n t. — In än d e rn
V ersio n en ja g t d e r H eld n ic h t ein en H irsch , so n d ern findet in einem v erzau b erten
Schlosse eine Z iege, Schaf, H u n d , K atze, E n te, R a b e n , S chlange, R o se o d e r eine
b is zum K opfe ein g em au erte (D e N ino) o d e r im W a ss e r steh en d e (C o m p aretti 24.
F in a m o re ) D am e, d ie ih n u m E rlö su n g bittet. D ie E n tz a u b eru n g w ird en tw e d e r
d a d u rch bew irkt, dass d e r Jü n g lin g (w ie bei G rim m N r. 4 u n d 121 ‘F ü rc h te n ­
le rn e n ’) in d rei N äch ten von G eistern m issh a n d e lt w ird o d e r d ass e r gem äss einem
eb en falls v e rb re ite te n G la u b e n 1) d ie P rin z e ss d re im a l neb en sich sch lafen lässt,
1)
Vgl. oben 14, 245. Toldo, Zs. f. roman. Philologie 27, 293f.; auch Maynadier,
The wife of B ath’s tale 1901 p. 201 f.
11*
1(14
Bolte:
o hne sie a n z u rü h re n o d er zu b e le u c h te n (M adsen, N erucci, C o m p a re tti 27). D a s
S chlafm ittel, d u rc h d as d ie H exe, d ie M utter, d e r G efäh rte o d e r d e r W irt d re im a l
das S telld ich ein v e reitelt (vgl. oben 15, 325. 18, 109. 19, 156), ist eine S c h la f­
n ad el, ein A pfel o d er ein P u lv e r 1). B eim A u fsu ch en d e r fern en G elieb ten leisten
d em H eld en bisw eilen E in sie d le r, G e iste r o d e r T ie re B eistan d .
A uch u n se r M eiste rlie d w eist ein ig e b e so n d ere Z üge auf.
D ie V e rz a u b e ru n g
d e r K ö n ig sto ch ter rü h r t au s e in e r V erflu ch u n g d u rc h ih re M u tter (V . 21) h e r, u n d
zw ar v e rm u tlich au s e in e r u n b e d a c h te n u n d n a c h h e r b e re u te n w ie im M ärch en
von den sieb en H a b e n 2); ih re E rlö su n g w ird n ich t d u rch d es R itte rs E in sie d le r­
leben u n d S iech tu m in d e r K ö h lerh ü tte , so n d ern d u rc h sein en S ieg im T u rn ie r
b e w irk t (V . 155); d e r H eld is t k ein N ie d rig g e b o re n e r, w ie so h äufig im M ärchen,
so n d ern g e h ö rt h ö h eren G e se llsc h a ftsk re ise n a n ; n ic h t ein e H ex e, so n d ern e in e
E d elfrau , die in dem R itte r e in e n T o c h te rm a n n zu g ew in n en hofft, v e re ite lt d u rch
B estech u n g sein es K n ap p en d as Z u sam m en treffen m it d e r P rin z e ss; e n d lich w erd en
als S ch au p lätze d e r H an d lu n g B u rg u n d 3) u n d P a ris g en a n n t, u n d d e r R itte r h e isst
F lo re n tz g leich ein e m H eld en im V o lk sb u c h von K a ise r O k ta v ia n 4). Ic h m ö ch te
d a h e r g lau b en , d a ss H an s S a c h se n s Q u elle n ic h t ein m ü n d lic h ü b e rlie fe rte s V o lk s­
m ärch en , so n d ern ein a u s d ie se m e n tsp ru n g en er, n o ch zu e rm itte ln d e r R i t t e r ­
r o m a n w ar. D azu w ü rd e a u c h d ie in d en M in n ealleg o rien ein e g ro sse R o lle
sp ielen d e J a g d a u f d ie H in d in 5) g u t passen .
2. Die Feindschaft zwischen Hunden, Katzen und Mäusen6).
D en W id erw illen d e r H u n d e w id er d ie K atzen b e g rü n d e t sch o n ein e d e u tsc h e
R e i m f a b e l des 14. bis 15. J a h rh . (A lem an n ia 34, 11b: V on d e r k atzen vnd von
dem h u n d e, au s C gm . 1020) d u rch e in e n Z ank, d en ein H u n d u n d ein e K atze,
die g em ein sam zu e in e r H o ch zeit zogen, d o rt u m d ie g u te n B isse n a n h u b e n . W e it
1) Grimm, M ythologie8 S. 1155. Uhland, Schriften 8, 464. Knoop, Hessische BI.
f. Volkskunde 6, 73. — Zum verschlafenen Stelldichein vgl. auch B arth, Liebe und Ehe
im äfz. Fablel 1910 S. 123.
2) Sonst verwandelt meist die Stiefm utter die Jungfrau oder B raut in ein T ier:
Grundtvig, Dänische Volksmärchen 2, 95 N r. 6 und Danmarks gamle Folkeviser 2, lö s
N r. 56. 4, 895. R ittershaus, Neuisländ. Volksmärchen S. 72.
Histoire litt, de la
France 30, 99.
3) D er E ingangsvers‘In H och-B urgundt ein ritte r säße’ stim mt überein m it H. Sachsens
M eisterliede vom strengen U rteil des Herzogs von Burgund (1547. H. Sachs ed. Goedeke
1, 241; vgl. Bolte u. Breslauer, Acht L ieder aus der Reform ationszeit, Festschrift für
R. v. Liliencron 1910 N r. 5).
4) Histoire litt, de la France 26, 303 (Florent et Octavien). Auch in ändern fran­
zösischen Epen kommt der Name F lorent vor (Langlois, Noms propres compris dans les
chansons de geste 1904 p. 221).
5) H. v. Laber, Jag d ed. Stejskal 1880. Lassberg, Liedersaal 2, 293. Zs. f. d. Alt.
24, 254. K eller, Fastnachtspiele 3, 1392. Ad. B lätter 1, 128. Busse, Augustin v. Hamersteten (Diss. M arburg 1902). Erk-Böhme. L iederhort 3, 295 N r. 1434. 1445. Zs. f. d.
Phil. 40, 417 Nr. 42. J. v. d. Heyden, Speculum Cornelianum 1618 Nr. 32: ein Jä g e r
m it den Hunden Lieb, T reu und Stettigkeit folgt einer Hindin, deren Oberkörper der einer
Jungfrau ist. — Doch erscheint auch, m it Anlehnung an Ovids Aktäonfabel, der Liebhaber
als der von der Jungfrau gehetzte Hirsch: Kopp, Brem berger-Lieder 1908 S. 27. D itfurth,
Volks- und G esellschaftslieder 1872 S. 3.
6) Ich gebe hier nur den Auszug eines längeren Aufsatzes, da derselbe Stoff, wie
ich eben höre, im 4. Bande von l ’ähnhardts N atursagen eingehender behandelt und dort
auch die M eisterlieder B und E m itgeteilt werden sollen.
Kleine Mitteilungen.
165
g rö sse re V e rb re itu n g je d o c h erla n g te die E rzä h lu n g von d em d u rch die F a h r­
lä s sig k e it d e r K atzen v erlo ren en P riv ile g d e r H un d e, die u n s b is 1G14 in D e u tsc h ­
lan d n ich t w en ig er als elfm al b e g e g n e t:
A. B ildergedicht des N ürnberger Briefmalers Albrecht G lo c k e n d o n (tätig 1531 bis
1543) = Montanus, Schwankbücher 1899 S. 487. — B. Meisterlied des N ürnberger Rechen­
meisters P eter P r o b s t in der Rorweis Pfaltzen, 1544 14. März (Dresden Hs. M 191,
Bl. 175a). — c . M eisterlied von Hans S a c h s , 1547 1. Mai = H. Sachs, Fabeln und
Schwänke cd. Goetze u. Drescher 4, 210 N r. 374 (Zu den im H. Sachs ed. Keller-Goetze
23, 243 Nr. 2296 verzeichneten Handschriften kommt noch Dresden M 9, S. 1214). —
D» Spruchgedicht von Hans S a c h s , 1558 20. April = H. Sachs, Fabeln 1, 591 N r. 200. —
E . Meisterlied in der Lebenweis P eter Fleischers, 15G0 8. Jan u ar (Dresden M 207, Bl. o lb .
Unterzeichnet H. S., aber nicht von Hans Sachs verfasst). — F. Anonymes Meisterlied
in der Briefweis Regenbogens v. J. 1592 = Montanus 1899 S. 492.
G. Meisterlied des
N adlers P eter H e i b e r g e r zu Steier 1614 30. Jan u ar = unten S. 168.
H. M o n ta n u s ,
W egkürzer 1557 N r. 14 = 1899 S. 35. — I . H u ls b u s c h , Sylva sermonum iucundissimorum 1568 p. 1(58 = Montanus 1899 S. 486. — K. W egekörter 1592 Nr. 2; s. Jahrbuch f.
nd. Sprachforschung 20, 133. — L. E y r i n g , Copia proverbiorum •’>, 547 N r. 2u7 (1(>04)
= unten S. 169.
U n te r d iesen e lf P a ssu n g e n g e h ö re n en g e r z u sam m en : 1. d ie fast säm tlich in
N ü rn b e rg en tstan d en e n G ed ich te A— G, 2. d ie P ro safab el des M ontanus n e b st ih re r
latein isch en und n ie d e rd e u tsc h e n Ü b e rse tz u n g H — K , 3. E y rin g s G edicht.
D ie
P assu n g en d e r erste n G ru p p e sin d d ire k t (B E P ) o d er in d ire k t (C D G) a u s dem
um 1535 ersch ien en en B ild erb o g en G lo ck en d o n s (A) geflossen, den F isc h a rt noch 1573
im E p ilo g zu r F lö h h a z a n fü h rt:
W er sicht nicht, was für seltzam streit
Vnser brieffmaler malen heut,
Da sie führen z« feld die katzen
W ider die hund, mäuß vnd die ratzen?
D a n ach h atten die H u n d e vom V a te r N o ah d as A n rech t a u f d ie E in g ew eid e
d e r g esch lach teten O ch sen u n d S ch w ein e em p fan g en . E in st b aten sie die K atzen,
d ie zu r F a stn a c h t bei ih n e n zu G aste w aren , d ie w ertv o lle U rk u n d e fü r sie au f­
zu b ew ah ren . D ie K atzen b a rg e n sie in ein em M äu selo c h ; doch als d ie H u n d e ein
J a h r d a ra u f das B latt b e g eh rte n , d a w ar es von d en M äusen zern ag t.
D aru m
w urden die H u n d e den K atzen feind, u n d d ie K atzen den M äusen. Z w ar v e r­
su ch ten die H unde ih r P riv ile g e rn e u e rn zu lassen , a b e r ih r A b g esan d ter k eh rte
n ich t au s d e r F re m d e w ie d e r; se itd e m b e rie c h e n d ie H u n d e je d e n frem den G enossen
u n d fragen ihn, ob e r n ic h t d ie U rk u n d e b rin g e.
D ie F a ssu n g en B — G b e h alten d en K ern d ie s e r E rzä h lu n g bei, n ach w elchem
die U rk u n d e den K atzen an v ertrau t, a b e r von d en M äusen z e rfressen w ird u n d so
e in K rieg zw ischen den H u n d en u n d K atzen ein e rse its u n d zw ischen d en K atzen
u n d M äusen an d e rse its an h eb t, a b e r d ie E in le itu n g w ird g e än d ert. N oahs N am e
e rs c h e in t n u r noch in F ; E re d e t n u r von e in e r a lte n V erpflichtung d e r M etzger,
z u r F a stn a c h t d en H u n d en ein M ahl zu g e b e n ; P ro b s t (B ) le ite t dies R e c h t aus
ein em se lb sth e rrlic h e n B e sc h lu ss d e r H u n d e a b ; H . S achs ( C D G ) a b e r m o tiv ie rt
b esser, b ei ih m v e rle ih t d e r P a p st d en H u n d en d ie F re ih e it, F re ita g s F le isc h zu
essen , w eil sie fü r d ie P faffen W ild p re t fangen. E b e n so zeigt d e r S ch lu ss A b­
w eich u n g en . In F g e h t d ie G esan d tsch aft, w elch e ein n e u e s P riv ile g e rb itte n soll,
zu m g ro ssen C han in s C ath a ie rla n d , d. h . n a c h C h in a (vgl. T a b a rin ), in E feh lt
d e r gan ze S ch lu ssteil, P ro b s t (B) v erg isst d ie A b sen d u n g d e r B oten zu erw äh n en ,
w äh ren d er von ih re r e rw a rtete n R ü c k k e h r re d e t; n u r H . Sachs lä sst d ie Ab-
Bolte:
g e sa n d te n folgerichtig“ zum P a p ste w a llfa h rte n u n d in Ita lie n , w o sie sich an»
sü s se n "Wein b era u sc h en , u m k o m m en .
D ü rfen w ir n u n in d e r F a b e l ein e eig en e E rfin d u n g G lo ck en d o n s seh en , o d e r
fan d e r sie b ereits in d e r V o lk sü b e rlie fe ru n g v o r? G ew iss ist, d ass e r s i e h b em ü h t
h at, ih r d u rc h E in flech tu n g v o n N ü rn b e rg e r Ö rtlic h k e ite n u n d P e rso n e n n a m e n ein
L o k alk o lo rit zu v erle ih e n , w o rin ih n P ro b s t n ach a h m t, w enn e r d ie K atze, w elc h e
d as P e rg a m e n t z u r A u fb e w a h ru n g ü b e rn im m t, d en H e rrn von K atzw an g (n a c h
ein em O rte bei S ch w ab ach an d e r R e g n itz ) n en n t.
O b d ie 1557 u n d 1604 g e ­
d ru ck ten V e rsio n e n d es M o n tan u s u n d E y rin g a u f ein en von G lo ck en d o n u n ­
ab h än g ig e n V o lk ssc h w a n k z u rü ck g e h en , is t n ic h t o h n e w e iteres zu e n tsc h e id e n .
E s k ö n n te a u f u n g e n a u e r E rin n e ru n g b e ru h e n , w enn b ei M o n t a n u s d e r H a u p tteil,
d ie Z e rstö ru n g d es D o k u m e n ts d u rc h d ie M äuse, fe h lt; d ie H u n d e v erlieren d as
von einem fernen K önige e rte ilte P riv ile g , als b e im D u rc h sc h w im m e n e in es
S tro m es d e r ein e A b g esan d te es u n te r sein en S chw anz n im m t. E y r i n g d ag eg en
b e ric h te t n ic h t von ein em P riv ile g , so n d e rn von ein em R e ic h sta g sb e sc h lu ss sä m t­
lic h e r T ie re . A ls d e r d a rin v e rk ü n d e te L a n d frie d e d u rc h ein en m u tw illig en H u n d
g eb ro ch en w ird, su c h t m an nach d e r d en K atzen ü b e rg eb e n e n U rk u n d e u n d findet
sie von M äusen z e rn a g t; d a b re ch e n d ie a lten F e h d e n zw isch en H u n d e n u n d Katzc*n
u n d zw isch en K atzen u n d M äusen w ie d e r aus, u n d e n d lich w ollen d ie M äuse den
K atzen ein e S ch elle a n h ä n g e n 1).
A uch d e r von H ans W e i d i t z um 1530 g e ­
zeic h n ete S tra ssb u rg e r B ild erb o g en von d e r B e la g eru n g d e r K atzen d u rch d ie
M äuse, d essen T e x t le id e r v e rlo ren i s t 2), k ö n n te e b e n so g u t d u rch G lo ck en d o n
an g e re g t a ls von ih m b e n u tz t w o rd en sein.
A b er stu tzig w erd en w ir doch, w enn auch a u ss e rh a lb D e u tsc h la n d s d ie se lb e
G esch ich te e rz ä h lt w ird . 1547 b e ric h te t d e r S c h u lm e iste r G u illa u m e H a u d e n t zu
R o u e n in e in e r g e re im ten F a b e l ‘D e la g u e rre d es chien s, d es ch atz et d es so u ris’3),
w ie e in st die H unde, um n ic h t von ih re n H e rre n fo rtg e ja g t zu w erd en , m it d ie se n
einen V e rtra g sch lo ssen , in w elchem ih re P flich ten fe stg e setz t w u rd e n .
D ie se
U rk u n d e g ab en sie den K atzen z u r A u fb ew ah ru n g , e n td e c k te n a b e r b ald , d ass d ie
M äuse d as D o k u m e n t zerfre sse n h atte n , u n d w u rd e n nun den K atzen feind, d ie
ih re rse its die M äuse v e rfo lg te n . S o llte H a u d en t zu d ie se r F a b e l, fü r die w e d e r
R o b e r t4) n och L o rm ie r u n d R e g n ie r e in ä lte re s V o rb ild au sfin d ig zu m a c h e n v e r­
m ochten, e rs t d u rc h d en N ü rn b e rg e r B ild erb o g en o d er ein e fran zö sisch e N ach ­
b ild u n g d esselb en a n g e re g t w o rd en sein ? D ie b ei H a u d e n t feh len d e S c h lu ssp a rtie
ta u c h t 1622 bei T a b a r i n (O eu v res ed. A ventin 1858 1, 35) auf, d e r w ie M o n tan u s
n u r erk lä re n w ill, „p o u rq u o y le s ch ien s, s ’e n tre salu a n t, se flairen t au d e rrie re
1) Vgl. über diesen letzten Zug Oesterley zu Pauli, Schimpf und E rnst c. 364 und
zu Kirchhof, W endunmut 7, 105; H. Sachs, Fabeln 4, 30 N r. 259 und S. V I: Chauvin,
Bibliographie arabe 2, 109; Wesselski, Arlottos Schwänke 2, 22(5 (1910).
2) Heitz (Eine Abbildung der Hohkönigsburg aus dem IG. Jahrhundert. 1907) hat
den alten Holzstock abgedruckt. F erner Diederichs, Deutsches Leben der V ergangenheit
1908 1, N r. 839. Van Heurck et Boekenoogen, Im agerie populaire tlamande 1910 p. 545.
L a grande et merveilleuse Bataille d’entre les Chats et les R ats, Lyon 1G10 (Bilderbogen
auf der P ariser Nationalbibliothek). Ayrer, Dramen ed. K eller 4, 2367, 35: ‘Zu mahlen
die meuß m it den ratzen, Die ein krieg führen m it den katzen’. Oben 17, 425—427.
3) H audent, 3G6 apologues d’Esope traduicts en rithm e francoise, Rouen 1547 liv. 2,
nr. Gl = Neudruck von Ch. Lorm ier, Rouen 1877; unten S. 169 wiederholt. — Von J. de
L a F o n t a i n e (Fables 12, 8 ‘La quereile des chiens et des chats et celle des chats et
des souris’ = Oeuvres ed. H. Regnier 3, 225. 1885) 1694 ohne sonderliches Geschick erneuert.
4) Robert, Fables inedites des 12., 13. et 14. siecles 1825 1, CLXXXIX. Haudent
ed. Lorm ier p. XXIV.
Kleine Mitteilungen.
167
l’un de l ’a u tre “ : um sich u n a b h än g ig zu m ach e n , w o llen d ie H u n d e einen H an d el
m it in d isch en G ew ürzen an fa n g e n ; allein ih r A b g e sa n d te r w ird b e i einem S tu rm
ü b e r B o rd gew orfen.
D ie E n tsch eid u n g ü b e r d as A lter u n s re r F a b e l g e w ä h rt u n s en d lich ein
cech isch es W e rk des lö . Ja h rh u n d e rts , d e r 1467 von d em m ä h risc h e n L a n d e s­
h au p tm an n C tibor T o v a c o v s k y von C im b u rk a b g efasste u n d d em K önige G eorg
P o d ie b ra d g ew id m ete ‘S tre it d e r W a h rh e it u n d d e r L ü g e ’ (g ed ru c k t 1539, Bl. 3 4 a),
wo dem G eize fo lgen d e F a b e l in d en M und g eleg t w ird ) .
Die Bauern, die m it den Wölfen einen gütlichen Vergleich schliessen wollten, be­
sprachen m it ihnen die beiderseitigen Bedingungen. Zuletzt bestimmten sie, dass ihre
Helfer, die Hunde, alles verzehren dürften, was vom Festm ahle der Wölfe übrig bliebe.
Und als sie alle Punkte verabredet hatten, setzten sie einen schriftlichen V ertrag auf und
gelobten ihn zu halten. Und sie bedachten, wem sie diesen V ertrag anvertrauen könnten
und sollten: nachdem sie viele treue Freunde gesucht hatten, konnten sie keinen so
trefflichen finden als die Katze; denn diese sieht bei Tag und bei Nacht. Ih r vertrauten
sie nun den Schatz an, damit sie ihn treu bewahre und jeder P artei übergebe, falls es
nottäte. Als die Katze die U rkunde übernahm, versprach sie, diese vor Schaden zu
bewahren und zu behüten, und legte sie in einen geheimen Winkel, wohin die Leute nicht
kamen, und hoffte, dass sie nun sicher sei. Aber die naseweise Maus, die alles durch­
stöberte und in allen Winkeln herum schnupperte, kam dahin, erblickte das Schriftstück
in einer Ritze, und wie sie es lesen wollte, da waren die B lätter m it dem Siegel zu­
sam mengeklebt; weil sie nun die Schrift nicht sehen konnte, begann sie zu nagen, um
hinein zu gelangen und den V ertrag durchzulesen.
Lange Zeit danach wurden die
Bauern [von den Wölfen] geschädigt. Die Hunde stellten sich krank und wollten ihnen
nicht gegen die Wölfe helfen. Als die Bauern das merkten, jag ten sie die Hunde fort
und gaben ihnen nicht zu fressen. Da schlugen die hungrigen Hunde auf die Wölfe los
und vertrieben sie. Als die Wölfe sich wieder sammelten, sprachen sie: „Seht, ihrer sind
viele, aber von verschiedener Farbe, die einen rot, die ändern weiss, die dritten schwarz
und die vierten bunt, und wir sind alle grau. Darum wollen wir sie im Vertrauen auf
unser Recht und auf Gottes Beistand angreifeu.“ Und sie erwürgten viele Hunde. Als
die Hunde geschlagen wurden und viele Verluste hatten, bereuten sie ihre Tat, schickten
zu den Wölfen und m ahnten sie an ihren V ertrag. Die Wölfe verlangten, dass der
V ertrag vorgelegt und verlesen werde. Da baten die Hunde die Katze, ihn herbeizubringen.
W eil aber die Katze nicht wusste, was die Maus getan, brachte sie die verdorbenen und geradezu
ausgerissenen B lätter. Als die W’ölfe dies sahen, rotteten sie sich zusammen und zerrissen
die Hunde, so dass nur wenige übrig blieben, die nach Hause flohen. Aus diesem Grunde
ist der Hund der Katze feind, und die Katze der M aus; und die arme Maus kriecht aus
Furcht vor der Katze in die Winkel und kritzelt, kritzelt, als ob sie die B lätter wieder
aufschreiben wollte.
W ir sehen som it, d a ss d as von G lo ck en d o n um 15 ü5 b e arb eitete M ärchen in
k ü rz e re r F assu n g , d. h. o hne d en d as B erie c h en d e r H u n d e m otiv ieren d en S chluss,
b ereits im 15. J a h rh u n d e rt in M ähren b e k a n n t w ar. D ie E in leitu n g e n th ä lt in d e r
S ch lach t zw ischen H u n d e n u n d W ölfen ein en eig en tü m lich en Zug u n d in d e r
D ro h u n g d e r B auern, d ie H u nd e w eg zu jag en , eine au ffällig e G em ein sam k eit m it
H au d en t. D ass auch G lo ck en d o n d ie v e rsc h ie d en e n F a rb e n d e r H unde (schw arz,
grau , rot, g e sc h e c k e lt, w eiss) e rw ä h n t, d e n en T ovaoovskv eine tiefere B ed eu tu n g
1)
Tobolka, Casopis vlasteneckcho muzejniho spolku v Olomouci [Zeitschrift der
vaterländischen Museumsgesellschaft, in Olmütz] 11, 149 (1894). Von H errn Professor
Ct. Pollvka, der schon in der Zs. für österreichische Volkskunde 1, 35S auf diesen Artikel
hingewiesen hatte, fü r mich freundlich übersetzt.
Bolte:
168
beileg t, m ag ein Z u fall sein. D a ein e ä lte re sc h riftlic h e Q u e lle d es M ärch en s sich
n ich t erm itte ln liess, w ird m an a n n e h m e n m ü ssen , d a ss so w o h l T o v aco v sk v als
G lo ck en d o n u n d H au d e n t au s m ü n d lic h e r V o lk sü b e rlie fe ru n g schöpften.
W eitere Nachweise stehen in Montanus Schwaukbüchern S. 568f. Ic h füge hinzu:
Zs. f. ritsch. Mythologie 4, 484. B lätter f. pommcrsche Volkskunde 8, 169. Xiedersachsen
14, 57. Wossidlo, Aus dem Lande F. Reuters 1910 S. 159. Zs. f. rheinische Volkskunde
6, 23. W ette, Spökenkieker 1907 S. 88 (das verlorene Urteil). Revue des trad. pop.
14, 379. W allonia 3, 115. 4, 77. 5, 11. Söbillot, Folklore de France 3, 74f. Sebillot,
Joyeuses histoires de B retagne 1910 p. 211. 213. Athaide Oliveira, Contos trad. do
Algarve 1, 66 Nr. 25 (1900). Flachs, Rumänische Schnurren (Vossischp Zeitung 1902,
17. Juni). B. M. Kulda, M ährische Märchen 1854 S. 597. St. Ciszewski, Lud volniczogorniczy S. 187. Polxvka, Archiv f. slav. Philologie 21, 264. Ju rk sch at, Litauische
Märchen 1,52 Nr. 17 (1898). Auch Lademann, Archiv deutscher Kolonialsprachen 12,117 Nr. 11.
2 a.
Peter Heiberger, Die hund mit dem brieff.
In d e m r o s e n t h o n H. S a c h s e n .
N ach disem brieff so g ar vermesen,
Da hatten in die meüs gefresen.
Einmal th ett ich ein altten fragen,
Alsbald hueb sich jam er vnd nott,
Von wan die feündtscliafft vor den dagen
Die hund bisen die katzen dott.
Herkem zwüschen katzen vnd hund,
Die feündschafft h a tt sich angefangen
Zwischen katzen vnd meisen rund,
Zwischen den hund da m itt verlangen
Im haß vnd neüd so stark thun leben.
Vnd auch zwischen den katzen schlecht,
E r th e tt m ir bald die antw ortt geben:
Ein theil den ändern h a rtt durch echt.
‘Es geschach nun vor langen jaren,
W eil die katzen haben verloren
Das die hund al beisamen waren
Vnd schickten ein botschafft gen Rom, Den brieff, das th u tt den hunden zoren.
Das in der papst freyheütt m it nam
3.
Geb, am freydag des fleüsch zu essen,
Desgleich sind worden [feind] die
Weil sie des w ülprett so vermesen
katzen
Aida den pfaffen aller düng
Den meisen vnd darzu den ratzen,
M itt groser mihe in dem holtz füng.
Das sie den brieff haben zernagt,
15 Der papst gab in sigel vnd brieffe,
Frölich die pottschafft heim wertt lieffe. In als dottfeinden abgesagt
Vnd würgen sie beid dag vnd nachte.
Zusamen kamen die hund hie,
N achdem die hund sich bald bedachte
Den brieff thetten verlesen sie,
Vnd schicken gehn Rom in die statt
Thett[en] bald rattschlagen vnd sorgen.
Wider ein bottschafft, zwen hund dratte
20 Wie der brieff blib gwis vnd verborgen.
Schrüfftlich zu briingen ein vrkund,
2.
Das sie möchten fleisch essen, vnd
Sie hetten khein druhen noch kaltter. D a die zwen hund n it kamen wider,
Sünd auff der stras gefallen nider,
In verging [!] herfür ein vraltter
Wo ein hund geht für ändern noch,
Hund, der sp rach : ‘Ich ra tt entlieh, das
Schmeckt er im hünden lir das loch,
Man vnser freündt die katzen las
Ob er die rechten brieff nit brüngen,
Den brieff zu dreüer hand bewaren;
W ie man dergleich siht aler düngen.
Sünd darzu stül vnd wol erfaren.
Gib[t] er nüt dan gutten bescheid,
Sie gaben den brieff ahn verdrisen,
So beisen sie einander beid.’
Die katzen namen in vnd stiesen
Die antw ortt w ar m ir von dem altten,
Vnder das dach m itt gantzem fleis.
Das hab ich n itt wolen verhaltten.
30 Die katzen schautten gleicher weis
50
55
Anno salutis verkhert in den tlion den 215 dag november vnd geschriben den 30 dag
im 1614 ja r P. H. (d. i. P ete r H e i b e r g e r zu Steier).
Aus dem M ünchner Cod. germ. 5453, Bl. 162a Nr. 145 (eine N achahm ung von Hans
S a c h s e n s M eisterlied in der Hundsweis Hans Vogels v. J. 1547). Vgl. Keinz, Sitzungs­
berichte der M ünchner Akademie 1893, 160.
Kleine Mitteiluugen.
2 b. Eucharius Eyring, Wer wil der Katzen die Schelin anhencken?
(E. Eyring, Copia proverbiorum 3^ 5 4 i —550 Nr. 2o7.
. . . Dann als etwan vor langer zeit
Zwischen den Thiern gewest ein streit,
D er bey jhn nemen wolt kein end,
Sind sic zusammn kommen behend,
Vom Handel rahtschlagten gemein,
Wie jlim hierinn zu thun möcht sein.
Schrieben ein R eichßtag aus so bald
Aus Köuiglichem Löwen gwalt,
Auff welchcm T ag sie schlossen das,
Hinznlegen allu Neid vnd Hass,
Kein T hier dem ändern Leids zu thon,
W elchs sie allsam pt genommen an,
Das m it Brieffen so bald firmirt,
Mit des Affen P itschir pitschirt.
Als solchs der Esel th et verlesen,
Is t es. jh r aller Meinung gwesen,
Den Hunden die Brieff vbergeben,
Dieselbigen fort auffzuheben,
Denen man sie nicht leicht kunt stelen
Vor jhrem steten billn vnd bellen.
Die Hund die Brieff genommen han,
W olten doch m it Gehülffen han,
W ehlten zu jhn die bösen Katzen,
Die vorn vnd hinten vbel kratzen.
Dieselben dauclit nun für gut das,
Man köndt sie nicht verwahren baß,
Man thets denn in ein Meußloch stecken
Etwa in einer finstern Ecken,
Doselbsten blieben sic verborgen,
Dürfften für sie so sehr nit sorgen.
Als aber etliche Ja h r vergieng,
Ein ju n g er Hund ein Hasen fieng,
Der nichts vmb diese Freyheit wist,
Auff jhrm R eichßtag nicht gwesen ist.
Eisleben 1604.)
Der Haß bcrufft sich auff die Brieff
Vnd bald zun alten H unden lieff,
Die fordern th e t zu seinem Heil.
Die Hund lieffn zun Katzen in eil.
Die Katzen zum Meußloch dorthin
Vnd funden jh re Brieff dorinn
Auffs kleinst zerbissen vnd zerschrotten,
Stunden in engsten vnd groß Nhöten.
D adurch die alt Fcindschafft vorzeit
W iderumb gentzlich wurd vernewt,
All T hier wurden den Hunden feind.
Die Hund den Katzen nicht hold seind,
Weil sie die Brieff nicht wol verwart,
Darumb sie die verfolgen hart.
Den Meusen die Katzen entgegen,
Von den sich keine darff geregen,
Dieweil sie jh n die Brieff zerbissen;
Dasselb th u t sie so sehr verdriessen,
Das sie alls würgen ohn genad.
D erhalben wurdens auch zu Rath,
W ie sies fort wolten fangen an,
Das sic jhrm Feind möchten entgahn,
Vnd theten einen List erdencken,
W olten alln Katzen Schelin anhencken,
Das sie die allzeit hörten klingen
Ynd jhnen allwegen entgiengen.
D arunt eine kluge Mauß do war,
Die sprach zum ändern offenbar:
‘W er wil sichs aber vnterstahn,
Die Schelin den Katzen hencken an?
Darzu sind w ir Meußlein zu schlecht.
Das wer ein Spiel den Katzen recht;
Eh man einer ein Schelin anhieng,
W eren wir all vm bbracht gering.
Verbesserte D ruckfehler: V. 2G allen — 57 klcinest —
83
Ehe — 84 Wern.
2 c. Guillaume Haudent, De la guerre des chiens, des chatz et des souris.
(G. H audent, 366 apologues d’Esope 1. 2, nr. 61.
5
io
Rouen 1547.)
Les chiens voyant que leurs m aistres vouloient
Les chasser hors, vindrent a leur prom ettre
De les seruir trop mieulx qu’ilz ne souloient
E t de ce faire, ilz en passerent lettre
Laquelle aux chatz fut baillee, affin destre
P a r eulx gardee en lieu seur et escars,
Mais sur des ayz la sont venue a m ettre
Ou les souris en feirent mille partz.
Or peu aprez il aduint que les chiens
P eurent aux chatz leurs lettres demander
Ne voulant plus estre obligey en riens,
Sur quoy les chatz vindrent a leur m ander
Que le souris en lieu de viander
65
Bolte:
170
15
20
25
En aultre chose, elz estoient empeschees
A les ronger, m enger et friander
T ant que du to u t les auoient despechees.
Incontinent que les chiens entendirent
Iceulx propos deslors guerre m orteile
Contre les chatz m ouuer ilz pretendirent
Mesmes les chatz, pour cause et raison teile
Contre souris m eurent guerre, laquelle
On voit encor iusqn’a ce iour durer
Voyre si aspre im portune et cruelle
Qu’a chascun coup leur font m ort endurer.
P a r la fable on doibt retenir
Que quand plusieurs hayne ou rancune
Tiennent sus aulcun ou aulcune
Sont veuz a iam ais la tenir.
3.
Ein lied von einem eelichen volck.
I n d e s S c h i l l e r s th o n .
[Ein gut gezeichneter H olzschnitt, 8 x 6 cm: ein Jün glin g und eine Jungfrau, einander
die H and reichend.]
1.
Ein eelich volck eins mals ich kant,
Kain grössere trew ich nie entpfandt
Dann von den zwayen leüten.
Sie waren jr sach gantz vber ein,
5 I r kains dem ändern th c t kain pein,
Das wil ich euch bedeuten.
Es wer zu tisch oder zu beth,
Oder was sie sunst pflagen,
I r kains dem ändern übel redt,
io Man dorfft nit weyter fragen.
Es wer m it trinckenn, schlaffenn oder
essen,
I r kains da kundt vergessenn
Des ändern spat oder frü.
Eins mals kam es darzü:
2.
15
Der gut man in der kranckhayt
sta rb ;
Do nicht das weyb vor layd verdarb,
Das w ar ein grosses wunder.
Sy wunt j r hendt vH raufift j r har,
D rung sich auch stettigs vmb die par,
20 Zerriß auch all j r plunder.
Sy het ein viertayl halbe meyl
Zu jre r rechten pfarre.
Das volck bestellet w ardt m it eyl,
H etten nit lang zu harre.
25 Man wolt den leyb hyn zu dem grab
beleyten,
Es war kain lenger beyten,
Man tru g die p ar hindan,
Vil volcks darm it wurdt. gan.
3.
Sy kamen zu eim baum g ar d iat,
Da klag t das weyb auch all j r not
Vnnd th e t auch g ar seer schreyc:
‘Ach lieben leüt, tra g t ju furbaß!
Do es mein erster m an todt was,
Do trugens jn h erbeje.
Do sie kamen vnter den baum,
Setzten da die p ar nider, .
E r erw acht sam auß einem träum
Vnnd kam zum leben wider.
Darumb so wollet rwen hie mit
nichte!
H eynt het ich ein gesichte,
Wie er zu hymel wer.
B eraubt jn nit seiner eer!
:;o
35
40
4.
‘L ast sein seel darinn! I r ist wol,
Ob ich auff erdt bleyb kuiüers vol
Vnd mich m uß lenger leyden.
Vnd wen er wider lebendig wür,
W er west, wer jm des todes pur
Zum ändern m al th e t schneyden!
T rübsal vfi sclimertz wil icli allein
On jn lieber gedulden.
Ich schenck euch doch ein faß m it
wein,
Wenn j r meim wort werdt hulden,
W olt jn on rw biß auff den kirchoff
trag en .’
Sie wurden eyln vnd jagen,
Biß sie jn brachten ins grab.
Den wein s yn gercn gab.
45
50
55
Kleine Mitteilungen.
5.
Ke sy haym hyn kam wider gar,
Sy schlug j r bald ein ändern dar,
H et hochzeyt in acht tagen
Darauff, das sy j r layds vergeß,
Das sy sich auch doch n it verseß
Ynd noch lenger must klagen. —
Das beyspill inerckt, ir lieben geseln,
171
W ol von der weyber liste!
Sie waynen vnd klagen, wenn sie wöln,
Wen jn n schon nit vil priste.
Sie haben kurtzen m ut vn lange klayder,
Das klagt vil m ancher layder,
Das noch teglich geschieht,
Darmit bschleyß icli das dicht.
D as L ie d ste h t a u f einem u m 1520 g ed ru c k te n B olioblatte, von w elch em die
B e rlin e r K gl. B ib lio th e k zw ei E x e m p la re (Y d 7801, '2 und \ d 7803, 28) b esitzt.
E s ist eine leich te U m fo rm u ng ein es F o lz s c h e n M eisterg esan g es in d e r F lam w ey s,
d en A. L. M ayer (D ie M e iste rlie d e r d es H ans F olz 1908 S. bG) au s dem M ü n ch n er
A utographon m itg e te ilt hat. D ie b eid en letzten Z eilen lau ten d o rt. „E s sin t n it
new e m er, | S p rich t H anß F olcs b a rw ire r.“ — Ü b e r d as 1 Gl 1 von B e n e d ik t von \V a t t
v erfasste M eisterlied g leich en In h a lts u n d sp äte re Schw änke, in d en en n ic h t d e r
M ann b estattet w ird , so n d e rn die F ra u , vgl. oben 20, ;>54G und E. T . K iiste n se n ,
D an sk e Skjaem tesagn 1, 127 (1900).
Lorenz Wessel, Der wandrer mit dem hasen.
4.
ln
d e r m e y e n w e iß
1.
5
io
i.>
20
E in a r m e r w a u d r e r a u f e in z e it
A m R e in s tra m g in g se in s tr a s e n ,
B e y e in e r d o re n h e c k e n f a n t
E r e in s c h la fe n te n h a s e n ,
D e r se in l a n g o re n s tr e c k e n w ar.
D e r w a n d r e r s ic h zum s tr e ic h b e r e it,
D e t b e y im s e lb e rt s a g e n :
‘D ise n h a s e n m it m e in e r h a n t
W il ic h je z u n d e r s c h la g e n ;
D a s b o I m ir fe ile n vm b k e in h a r.
D a r n a c h w il ic h m it la u fe n
G en S p e y e r in d ie s t a t
V n d w il in d a v e rk a u fe n
V m b se c h s p a c z e n g e r a t.
V n d w en n m a n m ir d a s g e lt e r le g e t h a t.
So n im ic h ein d ic s e lb ig su m ,
T h u a u f d em g e y vm b re is e n
V n d k a u f m ir l a u t t e r a ü r d a r u m ;
G a r r in g w il ich m ic h sp e ise n
M it k e ß v n d b r o d ein g a n c z e s j a r .
2.
A c h t a ü r ic h v m b ein k re ic z c r k a u f:
Z u S p e y e r, d a r f ic h s a g e n ,
D a g e lte n v ie r e in k re ic z e r m ir,
T h u t d o p e lt g w in m ir d ra g e n .
2a W ie b a lt h a b ic h z w e lf p a c z e n p a r !
M it d e n se ih e n ic h w id e r la u f
V n d k a u f m ir a n d r e a y e r,
D ie g ib ic h w id e r h in g a r s c h ir
D o r t in d e r s t a t zu S p e y e r.
30 D e n h a n d e l d re ib ic h d u rc h d a s j a r ,
L o r e n c z W e sl.
Bis ich zusamen bringe
Wol sechzig gulten gut.
D arm it ich mich den schwinge
Aus al meiner arm ut,
Die mich ein lange zeit h art druckcn thut.
D arnach so kauf ich m ir ein kram,
D am it im laud vmbwander,
Bis ich bring hundert gulten zsam,
Stück ein war vmb die ander
Vnd bring zusam vil kaufmans war.
35
40
3.
Darnach kauf ich mir in der stat
Ein haus m it lust erbauen,
N ach dem wil ich bewerben mich
Vmb ein reiche witfrawen;
Denn bin ich ein gem achter herr.’
Als er den rath beschlosen hat
Sehr freidenreich er wase,
Schrir ich, w arf ein haüt vber sich.
Darvon erwacht der hase,
F uhr auf vnd floh von dannen ferr.
Wie b alt war im verschwunden
Sein angenumne freudt! —
Ach gott, es werden funden
Noch vil derselben leiidt,
Den durch lautbracht ir anschlag wird
zerstreüdt
Vnd wendet sich alsbalt herum.
Es sol niem ant nit schreyen,
Bis er vber den berge kum.
Das glück dregt kürcze reyen,
Es le it nit, das man es einsper.
15
50
55
üo
Bolte, Sattler:
17-2
Dicht Lorencz W e s l, kürschner von Eisen ieczt jm 1567 ja r, vnd ist m ir von S in g e
von Steyer geschickt worden.
A us d e r von G eo rg H a g e r g e sc h rie b e n e n D re sd e n e r H s. M 6, Bl. 273 b. D as
L ie d ste h t m it L o re n tz W e sels N am en a u ch im M ü n ch n er C od. g erm . 5453,
B l. 1 63a nr. 146, „ g e sc h rib e n im 1614 j a r d en 2. so n d ag d es a d tu en ts, d as ist d e r
7. d ag d e c e m [b e r].“
L e s a r t e n : V . 2 R e in stro m zog — 6 o h ren la n g strec k e t
d a r - - ]4 b atze n in ra d — ic ein] d an — 1 7 d en g e u — is Y n d ] fe h lt — a ü e r —
20 k as —
-.'l a ü r ich —
33 d an ich m ich —
3 5 so h a rt
—
36 A lsd an — 4 s ich] ju
—
5 1 G ar —
ü.- S ein an g en u m n e —
53 g fu n d en
—
V . 66 ste h t h in te r 59 — 5 7 nit]
ju — 58 y b e rn b e rg —
5 9 d reg t] d an z t
—
e o le id e t —
m ans.
Ü b e r den 1529 g eb o ren e n K ü rsc h n e r L o ren z W e s s e l von E sse n vgl. G oed ek e,
G ru n d riss 2 2, 307. 313. K einz, H a n s S a c h s-F o rsc h u n g e n 1894 S. 348. — Zum
Stoffe sein es L ied e s vgl. W ald is, E so p u s 4, 80 ‘D es B e tle rs K au ffm an sch aft1.
A rchiv f. sieb en b ü rg . L a n d e sk u n d e n. F. 33, 619 ‘D e r Z ig e u n e r u n d d e r H a se :.
P o liv k a, Zs. f. ö ste rr. V o lk sk u n d e 3, 377 u n d A rch iv f. slav. P h ilo lo g ie 22, 307
n r. 408. 31, 285 n r. 271. R adloff, T ü rk is c h e S täm m e S ü d sib irie n s 4, 260 N r. 11
‘D e r H a se ’. Ü b e r d ie v e rw a n d te F a b e l v om E in sie d le r m it d em H o n ig to p f o d er
von d e r M ilchfrau s. M ontanus, S c h w a n k b ü c h e r S. 603 f. 658.
5.
Adam Meyer, Der lanczknecht mit den hünern.
I n d e r g r ü n e n h a g w e iß G e o r g H a g e r s .
1.
Ein lanczknecht reiset vber feit,
E r war draw rig, er het kein gelt.
Ein bauren sah er vngefer
Auf dem feit, zu dem eilet er,
5 Sprach: ‘Bauer, ich dich freundlich
bit,
Du woist m ir etwas deillen m it.’
Der bawer antw ort im behent,
Sprach: ‘Ich bin selber g a r elent,
Auch sol ich stewer geben schir
10 Vnd weiß noch wenig hinder mir.
Auch der zinstherr g elt haben wil,
Vnd es get schon daher das zil.
Wenn du m ir hüner fingest balt,
Ich wolt dirs zalen der gestalt
15 Vnd ein trinckgelt geben darzu.'
Der kriegsm an sprach: ‘Sey du zu ru!
Weist du hüener, zeig m ir das an!
Ich kan sie fangen wie ein m an.’
‘Ich weiß ir wol’, der bauer sagt.
Der kriegsm an sprach: ‘Sey vnverzagt!
Zeig m ir dein haus, das ich es weiß,
So kan ich dir bringen m it fleiß,
Was ich gefangen hab g ar rundt.’
Der bauer zeigt jm s haus zu stundt,
Sprach: ‘Mein nachbauer neben mir
Der hat hüner, die sint frey dir.
Darumb so m agstu schauen schon,
Ob du etliche brechtst darvon.
E r h at ir vil, es schat im nicht.’
Nun höret weiter, was geschieht!
D er lanczknecht kam bald vngefer
In des bauren hoff m it beger,
Der in die hüner fangen hieß.
E r fings im auf vnd in sack stieß
Vnd bracht es dem bauren für w ar,
D er jm s m it freüden auszalt par.
Vnd waren doch die hüner sein,
Vnd gab für eins sechs kreiczerlein.
Der hüner waren elf an spot,
Darzu des göckers kamp w ar rot.
Seinem weib det ers zeigen an,
Wie er h et wolfeil kaufen than.
Als die beürin ir hüner sach,
Schent sie den man vnd zu im sprach :
‘Kenst du denn vnser hüner nicht?
Ey du bist ein loser böswicht,
Das du kaufst, was vor vnser ist.’
Sie nam die gabel zu der frist
Vnd jn zimlich abberen was.
Der kriegsman w ar schon auf der stras,
H et vmb das gelt ein guten mut. —
W er sein nachbaren neiden thut,
Dem kan noch begegnen an schew,
Vnd das er im selbst w irt vntrew.
Anno 1599 den 23. december dicht A d a m M e y e r , ein schreiners gescl von Breslavv.
Kleine Mitteilungen.
173
Aus G. H äg ers H a n d sc h rift (D re sd e n M 6 ) Bl. 257b.
E b e n d a Bl. 2 5 6 b ste h t
ein von d em selb en (sc h re in e rs g esel vnd d ra b a n t zu A n sp ach ) am 1. J a n u a r 1600
verfasstes M eisterlied ‘D re y e r m ü n ch en h e y lik e it’ in d e r k a lte n P fingstw eiß
G . H ag ers (E in m inich w ar). — V e rw a n d t is t eine E rz ä h lu n g b ei M o n tan u s,
S ch w an k b ü ch er S. 327 N r. 67, in d e r ein re ic h e r B au er ein en A rm en ste h le n h e isst
u n d d ie se r den G e treid e sp e ic h e r des R a tg e b e rs p lü n d e rt.
B e rlin .
Johannes
B o lt e .
Albanesische Volkslieder.
D ie O rig in altex te zu den fo lg en d en Ü b ersetz u n g e n
fü r d e re n G en au ig k e it
und R ic h tig k e it ich im a llg em ein en b ü rg en kann — w urden von m ir a u f e in e r
R e ise d u rch S ü d alb an ien (F rü h lin g 1910), u n d zw ar in d e r G egend von A vlona,
D elvino u n d Ja n in a g esam m elt.
N r. 1, 2, 5 u n d 6 sin d nach d em m ü n d lich en
V o rtrag aufgezeichnet, N r. 3, 4 u n d 7 e rh ie lt ich h an d sch riftlich .
V o rlieg en d e sieb en N u m m ern sin d n u r e in e A usw ahl; sie geh ö ren säm tlich
d em to sk isch en D ialek t an. D ie V erö ffen tlich u n g d e r g an zen S am m lung, T e x t
u n d Ü b ersetzu n g , soll e rs t sp ä te r in einem a u sfü h rlich e n W e rk e ü b er m ein e
A lb an ien reise erfolgen. D ie se lb e fiel g e ra d e in je n e P e rio d e d es G h eg en au fstan d es,
als d ie se r auch n ach S ü d alb a n ie n ü b e rz u g re ife n d ro h te. D a h e r zeigen m a n ch e von
d en L ied ern , z. B. Nr. 2 u n d 5, ein en g a n z ak tu e lle n In h a lt. Ih re n p o etisch en
G eh alt d a rf m an freilich n ic h t zu h o ch an sch lag en . B eso n d ers d ie le tzterw äh n ten
Z eitg ed ich te sind, w as R e im u n d V e rsb a u betrifft, ziem lich n ac h lä ssig b e h a n d e lt;
es w urde offenbar m e h r S o rg falt a u f d ie E in z e lh e ite n d es E re ig n isse s als a u f die
D arstellu n g sfo rm verw endet.
D ie lied erfro h en A lbanesen b esin g e n alle e rd en k lic h en V orfälle.
H at d och
e in er m ein er B ekannten , ein e h e m a lig e r K aw asse d es g rie ch isc h e n K on su lates in
A vlona, d en ich p h o to g ra p h ie rt h atte, so g a r d ie se T a tsa c h e in V e rse g eb rach t.
D as betreffende G ed ich t w u rd e, als zu u n b ed eu te n d , a llerd in g s n ic h t u n te r die
v o rlieg en d en P ro b e n aufgenom m en.
Z u letzt g e statte ich m ir n och d ie B em erk u n g , d ass ic h k ein esw eg s ‘A lb an o lo g e’
(d e r A u sd ru ck stam m t von D r. P ek m ezi) bin .
D as M aterial, d as ich h ie r u n d
a n d erw ärts veröffentliche, is t n u r e in e g e le g e n tlich e B eute, sow ie m an etw a ein
g litzern d es D ing einsteck t, d as m an am W eg e findet, o h n e e rs t sein en W e rt g en au
zu p rü fen . D ie B ew ertu n g d ie se r L ie d e r fü r d ie V o lk sk u n d e , sp eziell als B ei­
trä g e z u r K en n tn is d es S c h k jip e ta re n -V o lk e s, ist S ach e d e r F ach m än n e r, und falls
sich je m a n d d a fü r in te re ssie re n sollte, so bin ich g e rn b ereit, a u f ein e einfache
A nfrage hin gen au e K opien d e r O rig in altex te z u r V e rfü g u n g zu stellen .
I.
Lied von der Geliebten.
1. G enosse, w o w eilt m ein L ie b ? — B ei ein em A p ril-V eilc h e n , — dort, wo
ich sie in G edanken n ic h t v erm u tete.
2. ‘D ein e L ip p en sin d R o sen , — d e r H als w ie L am p en sc h im m er, — u n b e z a h lb a r
dein e B rü ste — w eder m it d e r B ank von E g y p te n 1) — noch m it E d e lste in e n ; —■
d a s A uge is t 300 N apoleon w ert.
1)
W örtlich: ‘me banko n’ Misiri’. Gemeint ist die Bank in Alexandria, von deren
Schätzen im Volke die übertriebensten Vorstellungen herrschen.
174
Sattler:
3. O du L am m , w eiss w ie ein S tern , — w e isses L a m m d e r H erd e !
g e b ü rt ein g o ld e n e r S itz; — m ö g e d e r M ann ste rb e n , d en du h a s t 1) ! ’
— D ir
4. „L ass ih n ste rb e n , ic h m ag ih n n ich t. — E r is t fü r m ich ein K rü p p e l. —
Ic h w ill m ir ein en w ac k e rn M ann n eh m e n , — um m ich m it ih m zu v e rg n ü g e n !“
2. Das Lied von Chimara.
1. Am 25. A p ril2) — b e sc h lo ss d ie R a tsv e rsa m m lu n g — zu K o n sta n tin o p e l
u n d o rd n ete a n : — zw ei A b teilu n g en S o ld aten sc h ick te sie — m it G e sch ü tzen
u n d M u n itio n ; — d ie san d te sie n a c h C h im ara.
2. H in san d te sie a u c h zw ei K rieg ssch iffe — m it zw ei A b te ilu n g e n S oldaten. —
S ie k am en , u n s zu b e sc h ie sse n . — E s k am ein M u te ssa rif — als B e fe h lsh ab e r
m it ein ig en O ffizieren. — Sie k am en , u n s zu v e rn ich ten .
3. Sie ersch ie n en in C h im ara, — w ollten A n tw o rt so g leich , — d e n se lb e n T ag ,
d ie se lb e S tunde.
4. A lle A lte n 3) k am en zu sam m en , — h ielten in C h im a ra ein e V e rsa m m lu n g ;
— e in e r sc h au te d en ä n d e rn a n 4). — D ie a rm e n A lten h atten G ru n d : — es gab
k eine lan g e F rist, — n u r 30 S tu n d e n 5).
5. D ie A lten fassten e in en E n tsc h lu ss. — Sie g in g en zum P a sc h a u n d sp rac h en :
‘P asch a, w ir h ab e n e in en E n tsc h lu ss g efasst. — M agst d u u n s a u g en b lic k lich v e r­
n ich ten , — u n se re V o rre c h te 6) g eb en w ir n ic h t a u f ! ’
G. E s g in g e n E tlic h e n ach K o n stan tin o p el, — um d ie B e sa tz u n g w e g z u b rin g e n ;
— sie g in g en h in ein in d en R a t. — D e r V e z ir m it dem g an zen R a te — u n te r­
re d e te sich m it d e m S u ltan , — d a ss s i e 7) b le ib e n , so w ie sie sin d : — ‘H eil,
C h im a ra !’ sagten s i e 7).
3. Liebeslied des Mädchens.
1.
Ib ra h im , g rö s se r P a s c h a 8), m ein H e rr, — w e r h a t d ir B öses von m ir
h in te rb ra c h t? — N im m d och n ic h t so lch e V e rle u m d u n g e n ü b e r m ich a n ; — d ich
h a b e ich g e lie b t u n d d ich lieb e ich!
1) ‘te vdekt buri, kje k e !’ Dieser fromme Wunsch kommt in albanesischen Liebes­
liedern, die an verheiratete Frauen gerichtet sind, öfter vor. Vgl. Hahn, Alban. Studien,
2, 131, Nr. 21: ‘Buri, moj’, kje ke, te dekte!’ Vgl. auch das letzte Lied dieser Sammlung,
Str. 2 und 3.
2) Nach dem griechischen Kalender. — D er Vorfall ist aus den Zeitungsnachrichten
bekannt. Chim ara liegt an der Küste, etwa in der M itte zwischen Avlona und Santi
Q uaranta. Die Einwohnerschaft ignorierte die türkischen Behörden vollständig. Auf eine
unter M ilitärbegleitung dahin entsandte Regierungskommission wurde ein Ü berfall ausgefülirt, weshalb dann aus Jan in a zwei Bataillone m it einer G eschützbatterie und aus
K onstantinopel zwei Kriegsschiffe abkom m andiert wurden.
3) ‘P ljek jt’ — die Alten, deren Versammlung, ‘pljekjesia’ genannt, den Gemeinderat
bildet.
4) ‘njeri tjaterin veschtojn’ ist Zeichen der V erlegenheit.
5) ‘veteme trid jet saät’ bildet einen W iderspruch zu dem Schlussvers der vorigen
Strophe: ‘ate dit, ate saat’.
6) U nter diesen V orrechten, im Texte m it dem griechischen Kollektivausdruck
‘pronomion’ bezeichnet, ist w ahrscheinlich Steuerbefreiung u. ä. zu verstehen.
7) Die Personen sind hier ungenau bezeichnet, doch sind m it den ‘sie’ wohl beidemale die Chimarioten, beziehungsweise ihre Abgesandten gemeint.
8) N atürlich ist er kein wirklicher Pascha; das ist nur verliebte Übertreibung.
Kleine Mitteilungen.
175
2. W e h e K n ab e, ich g eh e zu g ru n d e d u rch dich, — d a d u m ir d e in en M und
en tzieh st, d u s e h r S chlim m er! — N ach B elieben, K nab e, b e tra c h te m it d en A ugen —
die zarte G estalt, g leich d e r Z y p resse!
3. D ein e L ip p en s i n d M y rte n b lü ten ; — m öge G ott d ir v erzeih en ! — E n tw e d e r
töte m ich o d er g ib m ir ein H eilm ittel!
4. Janina.
1. D iese B urg m it d e r M a u erb rü stu n g , - ein L ö w en g esch lech t m öge sie in n en
h a b e n : - Ali P a s c h a ') m it sieb en G etreu en , - d ass e r d ie K an o n en m it F e in d e n
fü lle 2)!
2. ‘Ach Ja n in a , Ja n in a ! v erg eb en s treffe d ich F e u e r, u m d ich zu z e r ­
stören! — Ü b el b ek o m m t’s m ir, d a ss ich se lb st d ich a u fg e ric h te t3),
da w eder
ich noch m ein e K in d e r d ich b ew o h n en sollen.
0. M eine S öhne, d as Ju d e n g e s c h le c h t4), und m ein H u n d
v erlasse n
den G reis, tr e u lo s 5). — Es köpfe sie S u ltan M ahm ud,
d ass d e r
un
le
g an ze F a m ilie 0) a u s r o tte !’
5. Nik Dhim, der Türkentöter.
1.
B ravo, N ik D h im , b rav o ! — D a m a ls, als m an d ich au ssa n d te — m it d e r
P o st von D elvino,
2. D a m a ch test d u d ich a u f in B eg le itu n g d ein es Neffen
m it einigen
B riefen, — d ie n ach Y l’o r 7) b e stim m t w aren . — Jen e , die d ich schickten, h atten
F u rch t, — d a h e r gin g en sie n ic h t selb er.
N ik
y. U nd sieh e, a u f offener S tra sse — la u e rte n R ä u b e r eu ch auf. — W e h e ,
D him , d ass sie eu ch a u fla u e rte n — b e i e in er Q u elle in d e r N ähe von
R a d h im 8).
4. Sie griffen n ach d ein en W affen : — ‘G ia u r’! riefen sie, ‘ergib dich!
E n d e ist d e in T a g 9), zu E n d e d ein L e b e n !’
zu
1) Die Erinnerung an den grossen N ationalhelden ist heute noch im Volke lebendig.
Strophe 1 bildet die E inleitung; sie leiht etwa dem Gedanken eines freiheitliebenden
Schkjipetaren Ausdruck, beim Anblick von Stadt und Festung, die er nun hoffnungslos in
den Händen der verwünschten Türken sieht. Die Strophen 2 und 3 sind Ali Pascha in
den Mund gelegt.
2) W örtlich so: ‘qi musch topat me dykmena!’
3) Ali Pascha ist n i c h t der Gründer der Stadt, doch verdankt sie ihm ihre starken
Befestigungen.
4) Is t bloss als Schimpfwort m it verächtlichster B edeutung zu verstehen.
5) Am 10. Jan u ar 1822 musste sich Ali Pascha, der vom Sultan Mahmud bekriegt
■wurde, nach zweijähriger Belagerung in Janina ergeben, nachdem bereits früher viele
seiner Anhänger von ihm abgefallen waren. Sein trauriges Schicksal ist bekannt.
<>) Im Texte steht das W ort ‘o<;äk’, das n ach G. Meyer, Etym. W örterb. d. alb. Spr.
vom türkischen ‘odschak’ d. i. H erd, Haus, Familie stam m t und im Toskischen ein altes,
ehrw ürdiges Geschlecht bezeichnet.
7) VPor ist die toskische Form des Namens Avlona.
8) Radhim ist ein Dorf, 10 k m südlich von Avlona.
9) Die Stelle lautet: ‘te sos dita, te sos je ta ’ d. h. ‘m it dir ist’s aus, du bist ver­
loren!’ Das Zeitwort ‘sos’ kommt vom griechischen ow f« und h at auch, wie dieses, die
Bedeutung ‘retten ’. Merkwürdig ist, dass mein Gewährsmann es auch in der griechischen
Übersetzung der Stelle gebrauchte, als ich ihn um eine solche ersuchte: ‘o o v s a c o a s i)
f u o a x a l f)
obwohl es sonst im Griechischen nicht ‘enden’ bedeutet. Vgl. auch das
folgende Lied, Str. 6.
Sattler, Gebhardt:
176
5. D u ab er, N ik D hini, w e h rte s t d ich w a c k e r: — ‘Ich w ill m ich, b ei G ott,
n ic h t e rg e b e n !’ — U nd d u rc h b o h rte st den ein en m it dem M esser, — e in e n ä n d ern
tr a f d ein e P is to le in s Auge.
6. D ich fand d e r n eu e T a g sch o n je n s e it d es G eb irg es, — d as T a g e slic h t
in m itte n d e r E in ö d e ; — doch sc h re c k te d ich n ic h t etw a d as G ew issen .
7. U nd wo d u v o rü b e rk a m st, — san g en d ir d ie Y ö g lein — u n d g ru n z te n die
S chw eine des W a ld e s 1):
8. ‘N ik D him , d u P a llik a r, — h a st zw ei v erru ch te T ü rk e n
d ich selb st g e re tte t — u n d d em D o rfe E h re g e m a c h t!’
u m g e b ra ch t,
—
6. Lied von einem reichen Chimarioten, den seine Hirten umbrachten.
1. E ine W o ch e im O k to b e r2) —
sich a u f n ach D e k a ti3).
sa tte lte e r sein en R o tg a u l —
2. S ch lu g den W e g ü b e r d as g o ld en e B nenej ein
L o g h ara, — w o s ie 4) ih n sa h e n u n d er sie sah.
—
und
u n d m ach te
den W e g ü b e r
3. A ls er m it ih n en z u sam m en traf, — fingen sie ih n m it L ist — b eim D u rc h ­
sc h re ite n des W a ld g e b irg e s.
4. E s k am ein R e g e n u n d S tu rm ,
‘Auf, in die H öhle, K a p e ta n !’ sag te er,
—
d a m ach te M itro d en V o rsc h la g : —
5. ‘L a ss u n s d o rt ein e Z ig a re tte ra u c h e n ’. —
H ö h le ; — d o rt rie f d an n M itro :
6. ‘Z u en d e ist d ein T ag , K a p e ta n !’ —
d re iz e h n M esserstich en .
U nd
U nd
sie
sie
stieg en
h in a u f z u r
d u rc h b o h rte n ih n
—
m it
7. D as P fe rd entw ich zu T a le ; — u n te n im D orfe Y an g ilaj, — d o rte n m a c h te
es H alt.
7. Liebeslied des Jünglings.
1. AYarum k o m m st d u n ic h t h e ra u s zu d en G en o ssin n en — S um b u lo , du ro te
P fla u m e 5) ?
2. T ö te doch d e in en k ran k e n M ann, — S um b u lo , usw .
3.
D ass er ste rb e u n d ich dich h e ira te n k a n n 6), — S um b u lo , u sw .
4. D ich w ill ich m it la u te r S ilb e r sc h m ü c k e n 7), — S u m b u lo , usw .
5. 0 du, d ich m it la u te r S ilb er! — S um b u lo , usw .
6. H e ra u s,
lic h e n M ann.
P ra g .
du!
n ic h t h a st d u M ühe,
—
d en n
d u h a st k e in e n le id e n sc h a ft­
F ra n z S a ttle r .
1) W örtlich so: ‘pilischne derat te püllit’.
2) ‘Me nje jav te Sche-Mitre . . .’ Die Tosken benennen den Oktober nach dem hlg.
Demetrius.
3) D ekati ist ein kleines Dorf, etwa in der Hälfte des W eges von Chimara nach
Avlona. An der Strasse dahin liegen auch die Ortschaften Bnenej (m it dem Epitheton
‘t’arte’ — golden), L oghara und Y angilaj.
4) Die verräterischen H irten, deren R ädelsführer Mitro heisst.
5) D er Kehrreim lau tet im Original: ‘Sumbulo, kumbul’ e kukje!’
6) ‘Ti dekt e ti m artsja un!’ Vgl. Hahn a. a. O. Nr. 21: ‘Te dikt e te m artscha une’.
7) ‘Ti te benj ergjinte schum’. Hierzu findet sich ebenfalls eine Parallele bei Hahn,
a. a. 0 . N r. 24: ‘Te te benj ergjcnde schume’.
Kleine Mitteilungen.
177
Ein altisländisches Rechenrätsel.
In sein en islän d isc h en L e g en d en , N o v ellen u n d M ärch en (H alle 1882__1883)
g ib t H ugo G erin g u n te r N r. 80 (1, 216) den T e x t u n d (2, 157 f.) die d eu tsch e
Ü b e rse tz u n g ein es M ärchens ‘In d isc h e E d e lste in e ’, das in d e r islä n d isc h e n H a n d ­
sc h rift 657, 4 t0- d e r A rn a-m ag n äan isch en Sam m lung aus d e r W e n d e d es 14. u n d
15. Ja h rh u n d e rts e rh a lte n ist, u n d dessen In h a lt in k u rzen Z ügen fo lg en d er ist.
E in D äne kom m t a u f e in e r R e is e nach dem S üden auch in ein e an seh n lich e
in d isch e S tadt, wo er bei einem R a ts h e rrn ein k eh rt. D ie se r ü b e rg ib t ih m d rei
k le in e S teine, d ie er b ei sein er R ü c k k e h r sein em K önig ü b e rb rin g e n soll. D ies
gesch ieh t, a b e r d e r K önig m ach t n ich t viel aus den u n sch ein b aren S teinen. N ach
lä n g e re r Z eit e rsc h e in t ein F re m d e r beim K önig, fragt nach den S teinen u n d lä sst
sie sich vorlegen. E r „n a h m sie in die H an d und sp rach : 'D a euch die S teine
w enig w ertvoll ersch ein en , so w ill ich eu ch m it e u re r E rlau b n is die E ig en sch a ften
d e rse lb e n sag en .’ E r hob den e rste n Stein em p o r u n d sa g te : ‘D ieser S tein h a t
d ie folgende E ig en sch a ft: w enn ih r so v iel G old abw iegt, als d e r Stein sc h w e r ist,
u n d ihn zu dem G olde legt, so w ä c h st d a s G old so, d ass es sich b ald v erd o p p elt
•hat, u n d solange es d ab ei liegt, v erd o p p e lt es sich stets.’ “ D er zw eite Stein m ach t
u n v erw u n d b ar, u n d als d e r F re m d e den d ritten Stein em porhob, sagte e r: ‘D as
is t die E ig en sch a ft d ieses S teines, d ass ich je tz t h ie r bin, im näch sten A ugenblicke
a b e r in In d ie n .’ D am it w ar e r v ersch w u n d en , obw ohl die T ü re n verschlossen w aren.
D ie E rk lä ru n g d es ersten S tein es h ab e ich oben bis zu u n d m it den W o rten
^so w äch st d as G old’ g en au n ach G erin g s W o rten g egeben, d e r den folgenden
Satz von ‘so’ bis ‘ste ts ’ d u rch die W o rte ‘um die H älfte’ ü b ersetzt, m eines E r­
ach te n s gegen d en islän d isch en S p ra c h g e b ra u c h 1). D er islän d isch e T ex t, a u f dessen
W o rtla u t es h ie ra n k o m m t, la u te t so : p a t e r n a ttu ra p ersa ste in s: e f p e r veg it gull
jafnvaegi h an s ok leggit h ann v iö 'g u llit, p a vex p at sv a at p at e r sk jö tt hälfu m eira,
ok sva lengi sem p a t er m eö r, v e rö r p a t se h alfu m eira. In G erings Ü b ersetzu n g
g eh e n die p at ( ‘d a s’ o d er ‘e s’)
d es islän d isch en T e x te s verloren. Sie können sich
g ra m m a tisc h sow ohl a u f g u ll ‘G o ld ’ b ezieh en w ie a u f jafnvaegi ‘w as das gleiche
G ew ich t h at’. Ic h g lau b e, sie g eh ö ren ab w ech seln d zum ersten
und zum zw eiten,
v o rau sg esetzt, d ass d e r Is lä n d e r sich d a rü b e r k la re r gew orden w ar als u n sere
h eu tig en naiv en E rzäh ler, die es au ch ih rem H ö rer ü b erlassen , au s zahllosen ‘e s’,
‘d a s’ k lu g zu w erden. Soviel ist a b er sicher, es g e h t n ich t a u f s t e i n n , denn
■dieses W o rt ist m än n lich en G esch lech ts.
A lso: w enn d e r Stein zu d em ihm g leich sch w eren G olde geleg t w ird, so
v erd o p p elt ‘e s ’ sic h ; ‘e s’: e n tw ed er das G old, d as ja v o rh e r dem Steine gleich
sch w er w og u n d nun d u rc h das H in zu leg en d es S tein es sich am G ew icht v e r­
doppelt, o d er das G eg en g ew ich t: d ieses m uss nun d o p p elt so g ro ss w erden, da ja
d a s alte G egengew icht des S teines zu diesem h in zu g eleg t w urde, also das neue
G eg en g ew ich t den Stein u n d n o chm als d essen G ew ich t in G old aufw iegen m uss.
U nd so fort: legt m an a b e rm a ls das G eg en g ew ich t a u f die W ag sch ale h in ­
über, a u f d e r d e r Stein n eb st dem von F all zu F a ll w achsenden G ew icht in G olde
liegt, so b ra u c h t m an zum A ufw iegen w ied eru m d as D oppelte. U nd so fort cum
g ra tia in infinitum v e rö r p a t se halfu m eira, ‘so v erd o p p elt es sich je d e s m a l’.
R e in h o ld K ö h ler (b ei G erin g 2, lö 8 ) v erg leich t dazu R o m an ia 5, 7 6 —81 eine
an g eb lich u rsp rü n g lic h e re F a ss u n g in e in er italien isch en Novelle, wo a b e r n u r die
K ra ft des d ritten S tein es g en au angegeben ist.
1)
hälfu meira
Vgl. Oldnordisk Ordbog ved Erik Jonsson, Kjöbenhavn 1863, S. 202, a unter
een
G ang
saa
s to r ,
d o b b e lt s c ia
s to r .
Zeitschr. d. Vereins f. Volkskunde. 1911. Heft 2.
1-
h d lfr :
Gebhardt, Hahn, Weitland, Schnippei:
178
Ic h k a n n m ich nun n ac h m e in e r o ben g eg eb en en E rk lä ru n g d es islä n d isc h en
T e x te s d es E in d ru c k s n ic h t erw e h ren , w ie w enn d ie sc h e in b a r w u n d e rb are E ig e n ­
sch aft d e s e rste n S tein es in d e r islä n d isc h en F a ss u n g — z w a r in e in e r e ig e n tü m ­
lich en V e rb in d u n g m it w irk lich z a u b erisc h e n E ig en sc h a fte n d e r b eid e n an d e ren
S tein e — n ich ts a n d e re s w äre, als e in e a n d e re F a ss u n g e in e r sc h e rzh afte n R e c h e n ­
aufgabe, die ich v o r ein ig en J a h re n in fo lg en d e r F o rm g e h ö rt h a b e : „ E in S tein
w iegt d re i P fu n d u n d ein en h a lb e n Stein, w ieviel w ieg en d re i so lch e S te in e ? “ D ie
L ö su n g sch ein t so sch w ie rig u n d is t d o ch so e in fa c h : 18 P fu n d .
A lg eb raisch :
1.
x=
D avon su b tra h ie rt:
X
—
* + 3 .
X
=
- e)- ,
b le ib t
=- 3, also x = 2 x o = G.
2.
3 x G = 18.
W ie es a b e r kam , d a ss d iese K n ack m an d el in V e rb in d u n g m it d en magischen*
E ig en sch a ften d e r a n d e re n S tein e g e se tzt w u rd e, d a s ste h t freilich d ah in . V ie l­
le ic h t w ar schon d e r Islä n d e r, d e r d ie se V e rb in d u n g h e rg e ste llt h at, m a th e m a tisc h
n ich t g esc h u lt genu g , u m d ie e in fach e R e c h e n a u fg a b e zu lösen.
A ls ich d as islä n d isc h e M ärch en u n se re m O rien taliste n H e rrn P ro fe sso r Ja c o b
erzäh lte, an tw o rtete e r m ir, e r k ö n n e sich z w ar n ic h t en tsin n e n , e in e o rien ta lisch e
F a ss u n g davon g elesen zu h ab e n , doch se h e d ie G esc h ic h te se h r o rien talisc h aus.
A uch sei es d u rc h a u s n ic h t u n m ö g lich , d ass ein e sch e rz h a fte R e c h e n a u fg a b e in.
V erb in d u n g m it den m ag isc h en E ig e n sch a ften d e r b e id en a n d e re n S teine e r ­
z ä h lt w ird.
E rla n g e n .
A u g u s t G e b h a rd t.
Klabautermann.
M it dem D u rch ste ck e n d e r K in d e r d u rc h den B aum (vgl. o b en S. 109) h än g t
au ch eine se h r eig en tü m lic h e G e sta lt d es d e u tsc h e n G e sp e n ste rg la u b e n s zu sa m m e n ,
die freilich je tz t w ohl g an z d e r V e rg an g e n h e it an g eh ö rt, d e r K l a b a u t e r m a n n .
B äum e, d u rc h d ie m an K in d e r in d e r S. 109 b e sc h rieb e n e n Z erem o n ie g e ste c k t
h at, sollen j a fo rtleb e n u n d d ie K ra n k h e it bei sich b eh alten . Sie w e rd en a b e r
n ich t im m er so so rg fä ltig b e h a n d e lt w ie in dem e rw ä h n te n Fall. W ah rsch ein lich ,
k an n m an auch den B aum , w enn e r fo rtle b t u n d die H ö h lu n g b eh ält, ö fter b rau c h e n ,
n u r v e rlie rt die gan ze Z erem o n ie n a tü rlic h d a d u rch a n W irk sa m k e it. Ic h e rin n e re
m ich, d ass bei u n s in L ü b e c k (F o rsto rt Is ra e ls d o rf — eig en tlich Ise r-H elsd o rf)
die K inder d u rch ein e schöne B uche, die ein Z w iesel w ar, d. h. au s zw ei B äum en
z u sam m en g ew ach sen , n u r als B e lu stig u n g d u rch k ro c h en , a llerd in g s im m e r noch
m it etw as S ch au d er, o b g leich m an d ie V o rste llu n g h atte, d ass es g u t sein w ürde.
D em v erd ien stv o lle n F o rs c h e r d e r S tein zeit a u f R ü g e n R u d o lf B aier, dem B e­
g rü n d e r des sch ö n en S tra lsu n d e r M useum s, v erd an k en w ir n u n einen B erich t, d e r
w ohl d e sh a lb w enig b e a c h te t ist, w eil e r in ein em d e r letzten B än d e von W o lfs
Z e itsch rift fü r M ythologie (2, 141. 1855) v erg ra b en w u rd e. N ach B a ie r ist bei
d ie s e r H eilung d u rch ein en B aum die G efah r, dass, w enn d as K ind — es ist n ic h t
g esag t, a b er w ohl se lb stv e rstän d lich — tro tzd em stirb t, d i e S e e l e d e s K i n d e s
in d e n B a u m g e h e n m u s s .
Kleine Mitteilangen.
179
N un benutzte d e r ä lte re S chiffsbau g e rn e g ew ac h se n e K ru m m h ö lzer, b eso n d ers
von E ichen , zum Schiffskiel. S olche B äu m e w u rd en oft ja h re la n g a u fg esp art u n d
förm lich fü r d ie s o d e r je n e s Schiff v o rau sb estim m t. B äu m e aber, die zum D u rch ­
steck en g e b ra u c h t w orden w aren, zeigten oft einen g e e ig n e ten k ru m m en W u ch s.
So lag die G efah r n ah e , d ass d ie S eele des K in d es m it dem B auholz in d as Schiff
g eriet. D i e s a b e r w a r e b e n d e r K l a b a u t e r m a n n . D e sh a lb h a tte n ich t je d e s
Schiff einen, u n d d e sh a lb e rk lä rt sich a u c h die e ig e n tü m lic h e D o p p e ln a tu r des
G espenstes. D e r K la b a u te rm a n n ist, w ie oft d erg leich en H a u sg e sp en ster, g u t g e ­
artet, w enn e r n ic h t g e ä rg e rt w ird. Z u g leich a b e r m u ss d och sein S treb en dah in
gehen, die F e ss e l ab zu streifen , d ie ih n an d as Schiff bindet, d e sw eg en sein e F reu d e ,
w enn es u n terg eh t, a u c h w en n e r v o rh e r d ie M enschen n ach K räften g e w a rn t hat.
E s is t w o h l eine W ie d e rh o lu n g d ie s e r N otiz, w’enn sich in B a stian s ‘M ensch
in d e r G esch ich te’ (3, 89) u n te r d em A u to rn am en F rie d re ic h ein e ganz äh n lich e
A ng ab e findet.
____________
B e r ] j n>
E d u a rd H ahn.
Das ‘Borenleihen’ (Bärenf&hren).
Im D o rfe P iro w in d e r W e stp rie g n itz v e ran stalten ju n g e B urschen in den
W o ch en v o r W eih n a ch ten das so g en an n te ‘B o ren leih en ’. Sie u m w ickeln einen au s
ih r e r M itte m it E rb ss tro h , w odurch d ie G e sta lt p lum p w ird, geben ihm einen
Stab in d ie H an d u n d befestigen um seinen L eib eine K ette.
So is t d e r B är
fertig. E in a n d e re r B u rsch e zieh t sich nach A rt d e r B ä re n fü h re r ein en R eg en ro ck
an, n im m t eine P e itsc h e zu r H and u n d lä s st bei d en K längen e in er Z ieh h arm o n ik a
den B ären tan zen .
U nter dem G eläch ter d e r Z u sch au er, b eso n d ers d e r Schul­
ju g e n d , g eh en die B urschen, w ohl 10 bis 15 an d e r Z ahl, von einem H of zum
än d ern u n d b itten um G aben.
Sie e rh a lte n vorzugsw eise E ie r u n d Speck, zu­
w eilen au ch G eld. H at m an g en ü g en d L e b e n sm itte l zusam m en, so b e re ite t sich
die h e itere G esellsch aft ein le ck e res M ahl.
P i n n o w (U c k erm ark ).
E r ic h W e itla n d .
Segen wider die Kose aus Masuren.
Die Weide und die Rose, hatten einen Streit
Die Weide gewan, die Rose verschwand,
Im Nahmen Gottes + Vaters, Gottes Sohns +
und Gottes Heiligen Geistes f Amen
Dieses wird 3 Mahl still hinter einäder
gesprochen, und den ein V ater unser.
D iese F o rm el ste h t g en au so, von e in e r H and aus dem E nde des 18. Ja h rh .
g esch rieb en , a u f einem sch m alen P a p ie rstre ife n (17 x •f',8 c m ) , d e r je tz t d e r g e ­
sch ichtlichen Sam m lung d es K aiser W ilh e lm -G y m n a siu m s zu O stero d e, O stpr.
ang eh ö rt. E r w ar b is h e r stets im G esan g b u ch e e in e r u n d d erselb en (evangelischen)
F am ilie a u fb e w ä h rt w o rd en ; die B esp rech u n g w u rd e u n m ittelb ar vor S o n n en u n ter­
g an g u n d n ach S onnen au fg an g vorgenom m en. D as f bed eu tet zw eifellos je d esm al
die G eb ärd e des K reuzschlagens.
[V gl. oben 7, 4 10: aus d e r G rafsch aft R u p p in .]
O s t e r o d e , O stpr.
E m il S c h n ip p e i.
12*
180
Bolte:
Berichte und Bücheranzeigen.
Neuere Märclienliteratur.
D en v ielseitig en W e rt d es M ärc h en stu d iu m s en tw ick e lt ein in B o sto n g e ­
h a lte n e r V o rtra g S w a n t o n s 1) , d e r n am en tlic h d en P la n e in e r K o n k o rd an z säm t­
lic h e r in d ia n isc h e n M ythen em pfiehlt, a u f d ie S ch eid u n g d e r m y th isc h en , h isto risc h e n
u n d p h a n ta stisc h e n B estan d teile d rin g t u n d v o r d en Ü b e rtre ib u n g e n g e w isse r
n e u e re r M ythologen w arnt.
W e ita u s p o sitiv ere B e le h ru n g g e w ä h rt ein k n a p p ­
g efasstes, a b e r g e d a n k e n re ic h e s B uch d es g e le h rte n H e ra u sg e b e rs d e r R e v u e des
e tu d es e th n o g rap h iq u es e t so cio lo g iq u es A. v an G e n n e p 2) ü b e r d ie E n tste h u n g
d e r M ärchen.
In stre n g lo g isc h e r G lie d e ru n g b e sp ric h t e r d ie P u n k te , d ie v o r
d e r B ean tw o rtu n g d e r H a u p tfrag e zu e rle d ig e n sin d : d en U n tersc h ie d von M ärchen,
F ab el, S age u n d M y th u s; d ie V e rb reitu n g , Z u sa m m e n se tz u n g u n d R e ih e n fo lg e d e r
M ärch en m o tiv e; ih re B e z ie h u n g e n z u r sic h tb a re n u n d z u r ü b e rird isc h e n W e lt, z u r
G esch ich te u n d zu r L ite ra tu r. V e rtra u t m it d en n e u e re n F o rsch u n g e n , sch lie sst
e r sich d och k e in e r T h e o rie u n b e d in g t an u n d ste h t d en allzu ein fach en E r­
k lä ru n g e n m isstra u isc h g e g e n ü b e r (S. G7).
Im A n sch lu ss an en g lisch e u n d
a m erik an isch e E thno lo g en b e to n t er, d a ss d ie E rz ä h lu n g en u rsp rü n g lic h k ein esw eg s
n u r d e r E rh e ite ru n g d ie n te n , so n d ern a u ch m o ra lisc h e u n d p ra k tisc h e , se lb st
m ag isch e Z w ecke v e rfo lg te n , z. B. die In d ia n e r in d em L ach sfa n g e o d e r d e r
H irs c h ja g d u n terw eise n so llten . D ie h erk ö m m lic h e n D efin itio n en d e r E rz ä h lu n g s­
g attu n g en , d en en au ch F. v. d. L e y e n 8) eine h ü b sc h e B e tra c h tu n g w idm ete,
g e n ü g en ihm nicht, w eil d ie G ren zen lliessen . V erfo lg t m an d ie g eo g ra p h isch e
V e rb re itu n g d e r M ärch en m o tiv e, so e rg e b e n sich M otivgebiete, d ie von S p rach e,
R a s s e u n d B ild u n g sstu fe u n a b h ä n g ig sin d (S. 45). D ie se M ärchenm otive, fü r die
ein e B ezeich n u n g d u rch k u rze N am en h ö c h st w ü n sc h e n sw e rt ist, e rsc h e in e n selten
allein, m e ist m it m e h re re n ä n d e rn k o m b in ie rt u n d in v ersc h ie d e n e r R e ih e n fo lg e .
In die älteste Z eit re ic h e n die n a tu rd e u te n d e n E rzäh lu n g e n zu rü ck , d ie in den
sic h tb are n G eg en stä n d en v e rw an d elte T ie re o d e r M enschen erb lick en . W e n n d ie
A stralm y th o lo g en Je n se n , S iecke, F ro b e n iu s u. a. w om öglich alle M ythen u n d
M ärchen a u f die B e tra c h tu n g d es S tern e n h im m e ls z u rü c k fü h re n w ollen, so lieg t
d arin eine falsch e S ch ätzu n g d es E influsses, d en d ie G e stirn e a u f d as täg lich e
L eb en , die relig iö se n V o rste llu n g e n u n d S ag en d e r p rim itiv en M en sch en h atten .
D ie T ie rm ä rc h e n la sse n sich au s dem T o te m ism u s (ü b e r d en g leich zeitig ein
A ufsatz von G o l d e n w e i s e r o rie n tie rt4) h e rle ite n ; d o ch ist d e r U rsp ru n g d ie se r
1) John R. S w a n to n , Some practical aspects of the study of myths (Journal of
am erican folk-lore 23, 1 —7).
2) A. van G e n n e p , La formation des legendes. P aris, E. Flam marion 1910.
326 S. 3,50 F r.
3) F r. v. d. L e y e n , Märchen, Sage und Mythus (NVestermanns Monatshefte 105,
399 —40(5. 1908).
4) A. A. Go Id e n w e i s e r . Toteinism (Journal of american folk-lore 23, 179—29:5).
Berichte und Bücheranzeigen.
181
A n schauung noch n ich t h in re ic h e n d e rk lä rt. D en A b sc h n itt ü b e r D äm onen-, G ö tter­
und H eld en sag en b e sc h lie sst eine B e trac h tu n g ü b e r die E n tw ick lu n g d e r H e ra k le s­
sage in G riech en lan d u n d Ita lie n .
D en h isto risc h e n W e rt d e r H eld e n sa g e n u n d
E pen sch läg t d e r Y f. se h r g e rin g an, da bei n ic h t sc h re ib k u n d ig e n V ö lk ern eine
g ew ö h n lich e T a tsa c h e sich k au m 150— 200 J a h re la n g fortpflanze.
D ag eg en
em pfiehlt e r die g e o g ra p h isc h e M ethode, die B e ra rd b ei d e r O d y sse e u n d B ed ier
b eim W ilh e lm von O range an g e w a n d t hat, u n d die a u ch fü r d ie ru ssisc h e n u n d
sü d slaw isch en H e ld e n lied e r erfo lg reich w ar. D as A ufsteigen d e r V o lk ssag e n in
die L ite ra tu r e rlä u te rt e r am E pos, an P e rra u lts M ärch en sam m lu n g u n d a n den
B earb eitu n g en d e r S agen von D on Ju a n , F a u st u n d vom Z w eik am p fe d es V a te rs
m it dem Sohne.
Im letzten A b sch n itte endlich k ritisie rt er die von R o sie re s,
O lrik, F ro b e n iu s u n d B enigni a u fg estellten G esetze d e r S ag en b ild u n g u n d ste llt
se lb e r folgende P rin z ip ien auf, d ie je d e s V olk nach se in e r G em ü tsstim m u n g u n d
D e n k k ra ft v a riie rt: L o k a lisa tio n u n d D elo k alisatio n , In d iv id u a lisa tio n u n d D e sin d iv id u alisatio n , T em p o ra tio n u n d D etem p o ratio n , K onvergenz und D isso ciatio n d e r
M otive.
D as gan ze B uch, au s dem h ie r n u r einige G ed an k en herau sg eg riffen
w urd en,
e n th ä lt ein e F ü lle von g e su n d e r K ritik u n d von n eu en A n reg u n g en ; u n d
obschon ich zu m e h r als e in e r S telle ein F rag e z eic h e n am R a n d e beifü g en m öchte,
so b eg rü sse ich doch d as W e rk m it D a n k b a rk e it u n d b e d a u re nur, d ass d e r dem
V f. v o rg esch rieb en e U m fan g ih n a n b re ite re r A u sfü h ru n g d es E in zeln en u n d an
d e r B eigabe d e r g e ra d e h ie r so n ö tig en L ite ra tu rn ac h w e ise g e h in d e rt h a t. —
D as n e u e rd in g s öfter erö rte rte V e rh ä ltn is zw ischen H eld en sag e u n d M ärchen
u n te rz ie h t S i j m o n s 1) e in e r k lare n u n d a n sch au lich en B etrachtung. E r tr itt im
w esen tlich en a u f H eu sle rs (oben 20, 331) Seite, w enn e r g eg en W u n d ts u n d
P an zers
B ehauptu n g , d ass die g e rm a n isc h e H eld en sag e
au s d em M ärchen e r ­
w ach sen sei u n d allm äh lich g e sch ic h tlic h e Z üge an g en o m m en h ab e, E in sp ru ch
erh eb t. Ih m ist die H e ld en sa g e z u r P o esie g ew o rd en e G e sc h ic h te ; d e r S änger,
d e r die W irk lic h k e it m it d en M itteln d e r K u n st festh alten w ill, sch m ü ck t sein en
H eld en m it M ärchen zü g en a u s; freilich setzt er ih n m eist in a n d e re Z u sam m en ­
hän g e, d a ihm d e r S inn fü r d ie w eltb e w e g e n d e n Id e e n u n d die T a tsa c h e n d e r
V ö lk e rw an d eru n g ab g eh t. — E in e a n d ere F ö rd e ru n g d e r M ärch en fo rsch u n g k om m t
au s F in n lan d . D o rt h a t A a r n e 2) ein se h r n ü tz lic h e s V erze ich n is sä m tlic h er ihm
b ek an n te r M ärchenty p en in sy ste m a tisc h e r A n o rd n u n g z u sam m en g estellt, d as eine
w eit u m fassen d ere Ü b e rsic h t a ls d as 1864 in H a h n s g rie c h isc h e n M ärch en v e r­
öffentlichte R e g is te r b ie tet. D e r V f. v erfo lg t d a b e i d en p ra k tisc h e n Z w eck, ein
Schem a für die K ata lo g isieru n g d e r g ro sse n h sl. v o rh a n d e n e n finnischen M ärch en ­
schätze zu g ew innen , u n d h e b t m it R e c h t h erv o r, w ie se h r es die A rb eit d e r v e r­
gleich en d en F o rsc h e r e rle ic h te rn w ü rd e, w enn k ü n ftig alle M ärch en sam m lu n g en nach
d em selb en S ystem u n d d e n se lb e n B e z eich n u n g en g e o rd n e t w ü rd en .
A u sser den
finnischen M ärchen h a t e r b eso n d e rs die sk a n d in a v isc h e n u n d d eu tsch en S am m ­
lu n g en ausgezogen, a b e r fü r N ach träg e a u f ein g e sc h alteten B lättern h in re ich e n d
R au m g elassen . D ie e in ze ln en N u m m ern , d ie zu m eist v o llstän d ig en E rzäh lu n g en
en tsp rech en , a b e r auch v ersc h ied e n e S ch w an k m o tiv e g e so n d e rt au ffü h ren , tra g e n
ein e B en en n u n g (z. B. die k lu g e B au e rn to c h te r) u n d zu m eist au ch eine k u rz e
In h a ltsa n g a b e . D ie d rei H au p tg ru p p en w erd en g e b ild e t von d en T ie rm ä rc h en , d en
eig en tlich en M ärchen (Z au b erm ä rc h e n , L eg en d en , N ovellen, vom d u m m en T e u fe l)
1) B. S i j m o n s , Heldensage en sprookje (Verslagen en mededeelingen der k.
Vlaamsche academie 1910, 579—598. Gent).
2) A. A a r n e , Verzeichnis der M ärchentypen, m i t H i l f e v o n Fachgenossen ausgearbeitet.
Helsingfors, Finnische Akademie der Wissenschaften 1910. X, 6G S. (FF Communications 3).
18*2
Bolte:
u n d d en S ch w än k en , u n d je d e G ru p p e z e rfä llt n a tü rlic h in w e ite re U n terab teilu n g e n .
N a ch träg e fe h le n d e r M ä rch en ty p en w ird d ie fin n isch e A k ad em ie in H elsin g fo rs m it
D a n k an n eh m e n . F ü r ein e zw eite A u flag e m ö ch te ich n o ch d ie H in zu fü g u n g von
k u rzen H inw eisen a u f v o rh an d e n e M o n o g rap h ien u n d so n stig e L ite ra tu r em p feh len . —
D ä h n h a r d t 1) g e se llt den trefflich en b eid e n B änden se in e r N atu rsag en , w elche
d ie an die b ib lisch e n E rz ä h lu n g e n a n sc h lie sse n d e n ex p lik a tiv en M ärchen b eh an d eln ,
ein en d ritte n zu, d e r w ie d eru m ein e rsta u n lic h re ic h h a ltig e s, g ro sse n te ils n eu es
o d e r sch w er zu g än g lic h e s S tu d ie n m a te ria l fü r T ie rs a g e n d a rb ie tet. J e n ach d er
Stufe s e in e r E in sic h t u n d P h a n ta sie h a t d e r d ie E rsc h e in u n g sw e lt b eo b ach ten d e
M ensch A ntw orten a u f d ie sich ih m a u fd rä n g e n d en F ra g e n g e fu n d e n : W aru m h a t
d ie S chw albe einen g e sp a lte n e n S chw anz, w a ru m s c h a rrt d as H u h n , w ü h lt d as
S chw ein in d e r E rd e, stö sst d e r H a b ic h t a u f d ie K ü ch lein , fliegen d ie In se k te n
in s L ich t, h a t d e r K reb s d ie A ugen h in ten , s te llt sich d as v erfo lg te O possum tot,
w o h e r stam m t d as F e u e r u sw .? U nd w enn d ie A n tw o rten b e i w eit en tfern ten
V ö lk e rn oft g le ic h a u sfalle n , so lie g t d as se h r h äu fig an d e r e in h eitlic h e n A rt des
m y th isc h e n D e n k e n s. A llg em ein le g t m an den T ie re n m en sc h lic h e s F ü h le n u n d
W o lle n bei, j a m an sie h t in ih n e n frü h e re M enschen, d ie d u rch b e so n d ere S ch ick ­
sale in d iese G e sta lt v e rw a n d e lt w o rd e n sin d ; au ch d en S eelen d e r V e rsto rb en e n
le g t m an häufig T ie rg e sta lt bei.
U n d n eb en se ltsa m e n , n o v ellistisch a u sg e ­
sp o n n en en o d e r sch e rz h a fte n ä tio lo g isch en S agen b eg e g n en u n s m an ch e m it e rn s te r
S ch eu e rz ä h lte relig iö se M ythen, w ie z. B. einige B eric h te v o n d e r G ew inn un g
d e r S onne u n d des F e u e rs .
In d em W irrw a rr d ie s e r z a h llo se n M ärchen h at D.,
d e r sein e m ü h ev o lle T ä tig k e it allzu b e sc h e id e n n u r als d ie e in e s S am m lers b e ­
zeich n et, O rd n u n g geschaffen, in d em e r zu m E in te ilu n g sp rin z ip n ic h t d ie T ie r- '
g attu n g en , sondern d ie v erw e n d e te n M otive w äh lte.
E r ste llt fo lg en d e G ru p p en
a u f: G estalt, K ö rp erfarb e, G ew in n u n g d es F e u e rs, W ec h sel d e s E ig en tu m s, w etten d e
T ie re , E n tste h u n g d es U n g e zie fe rs, N a m e n , W o h n s tä tte , A u fe n th a lt, L e b e n s­
g ew o h n h eite n , lich tsch e u e u n d su c h e n d e T ie re , N a h ru n g , F e in d sc h a fte n u n d F re u n d ­
sch aften , T ie rstim m e n , V e rw a n d lu n g e n (m it A u ssch lu ss d e r an tik e n L ite ra tu r),
S eelenvögel.
D a b e i n im m t e r auch d ie P a rtie n a n d re r M ärch en , w ie von d e r
u n terg e sc h o b e n e n B rau t, auf, d ie N a tu rd e u tu n g e n en th a lte n . A nziehend w irk en u. a.
d ie S y m b o lisie ru n g d e r b u n ten F a rb e n d e r V ög el, d ie j a d u rc h ih re H altu n g , N ah ru n g
u n d G ew o h n h eiten ste ts b e so n d res In te re ss e e rre g te n , die V o lk sety m o lo g ie d e r
N am en u n d R u fe d e r T ie re , d ie M ilde, m it d e r d ie R u sse n d ie G e frässig k e it des
W o lfes re c h tfe rtig e n , d as h ü b sc h e M ärch en vom flieh en d en P fa n n k u c h e n , das
u n sern L esern b e re its au s d es V f. D a rle g u n g (oben 17, 133) b e k a n n t ist, a u c h die
z ah lreich en finnisch en u n d in d ia n isc h e n T ie rm ä rc h e n .
D u rc h d ie so rg fältig e
D isposition und d u rc h k u rze Z w isc h e n b e m e rk u n g e n w e rd e n ü b e ra ll d em L e s e r die
W e g e zum V e rstä n d n is g e b a h n t; a u c h ein a u sfü h rlic h e s R e g is te r fe h lt n ic h t. A uf
a llg em ein e G esich tsp u n k te , w ie d ie V erw a n d tsch a ft a m e rik a n isc h e r u n d a sia tisc h er
Ü b erlieferu n g en , W an d ersto ffe, c h a ra k te ristisc h e A n sch au u n g en e in ze ln e r S täm m e,
m ach t d ie k la r g e sc h rie b e n e E in le itu n g a u fm e rk sa m .
D ie k o m p lizierten V e r­
w an d lu n g ssag en u n d W an d e rleg e n d e n so llen im 4. B an d e folgen, dem w ir m it
S pan n u n g e n tg eg e n se h en . — S lav isch e M ärch en ü b e r d ie E n tste h u n g d e r T a b a k s ­
1)
O. D ä h n h a r d t , N atursagen, eine Samm lung uaturdeutender Sagen, Märchcn,
Fabeln und Legenden. B d .;!: Tiersagen, erster Teil. Leipzig, Teubner 1910. X VI, 558 S.
15 Mk. — Zu S. 11 (Viel Geschrei und wenig W olle) verweise ich noch auf Neubauer,
oben 13, 342; zu S. 216 (Floh und Fliege) auf Polivka, oben 15, 105; zu S. 382 (Ent­
deckung durch Spiegelbild im Wasser) auf R. Köhler, oben G, G4.
Berichte und Bücheranzeigen.
183
pflanze ste llt D u b s k y 1) nach P oh'vka zu sam m en . — Ü b e r d ie B ed eu tu n g In d ie n s
fü r die H e rk u n ft d e r eu ro p ä isc h e n M ärch en ä u ss e rt sich F o r k e 2) ziem lich g e rin g ­
sch ätzig .
U n ter den ru n d 1400 M ärchen, d ie in d en J ä ta k a s, A vadänas, im
P a n c a ta n tra , K ath asarit-sä g ara u n d ä n d ern a lte n in d isc h e n S am m lu n g en en th alten
sin d , w ill e r h ö ch sten s 15 E p iso d en o d e r g an ze E rz ä h lu n g e n an e rk e n n e n , die in
etw a 400 d eu tsch en M ärchen w ie d e rk eh re n . G egen R . K ö h ler, C osquin u n d A arne
tr itt e r in d en m eisten F ä lle n m it B e d ie r u n d A. L a n g fü r d ie P o ly g e n e sie d e r
M ärchen e in ; die A rb eiten v. d. L ey en s u n d H erte ls T a n trä k h y ä y ik a w erd en von
ihm eb en so w enig e rw ä h n t w ie C h au v in s B iblio g rap h ie arab e.
In d isc h e P a ra lle le n zu den E rz ä h lu n g e n vom U rsp rü n g e des W e in e s (G e sta
R o m a n o ru m 159) u n d d e r U n fru c h tb a rk e it des M au ltieres (D ä h n h a rd t 1, 292) u n d
vom H eilw u n sch e beim N iesen (o b en 8, 395) lie fe rt O e r t e l 3), d e r fü r d ie e rs t­
g e n a n n te Sage auch in d isc h e n U rsp ru n g v erm u tet. — ln dem M ärch en vom d a n k ­
b a re n T o ten , d e ssen L eic h e d e r H eld v o r d e r M issh an d lu n g d e r G lä u b ig e r re tte t,
h a tte schon S im rock ein e re c h tsh isto risc h e Sage e rb lic k t; ih m stim m t H u e t 4) bei,
in d em e r a u f einen n och 1870 a u f d e n M olukken g eü b ten B rauch h in w eist, n ach
w elchem d a s B eg räb n is e rs t stattfin d en d arf, n ac h d em die A n g eh ö rig en d ie S ch u ld en
d e s V ersto rb en en b e z a h lt hab en . D as A lter d ieses M ärchens e rh e llt a u s d e r T a t­
sach e, d ass es b ereits d em a p o k ry p h isc h en B u ch e T o b it zu g ru n d e liegt, wo freilich
n ich t d e r T o te n b e sta tte r, so n d e rn sein S o h n d ie reich e, von einem arg en D äm on
g e h ü te te E rb in h e im fü h rt. W ie d ie so rg fältig en U n tersu ch u n g en von M ü l l e r u n d
S m e n d 5) zeigen, h a t d ie jü d is c h e V e rk le id u n g in d em um 200 v. C hr. aram äisch (?)
n ied e rg e sc h rie b e n e n R o m a n e n ic h t a lle h eid n isc h e n Z ü g e (die Z au b erm ittel, den
H und d es H elden, d ie N am en T o b it u n d A sm odaios) b e se itig t; u n d a u c h d e r
R o m a n vom w eisen A chikar, a u f den im B u ch e T o b it an g e sp ie lt w ird, w eist eine
ä h n lic h e M ischung au s h e id n isc h en u n d jü d isc h e n E lem en ten auf. D a uns, a b ­
g e se h e n von ein em k ü rz lic h in Ä gy p ten e n td e c k te n P ap y ru s, n u r sp ä te re F assu n g e n
d ie s e r zw ei v ersch ied e n e M otive, den V e rra t d es A d o p tiv so h n es u n d d ie R e c h t­
fe rtig u n g d es in U n g n ad e g e fa lle n e n W e ise n , v e rein ig en d en E rz ä h lu n g erh a lte n
sin d , so ist die E n tsc h e id u n g d e r se it 1894 d isk u tie rte n F ra g e n ic h t leich t. W a h r­
s c h e in lic h a b e r w ard d ie ä lteste G e sta lt d es A c h ik a r-R o m a n s w äh re n d d e r K äm pfe
zw isch en d en S eleucid en u n d P to le m ä e rn in a ra m ä is c h e r S p rach e ab g efasst, u n d
d e u tlic h e E in w irk u n g e n g in g en von ih r e r sp ä te re n g rie c h isc h e n Ü b e rtra g u n g in
d ie g rie c h isc h e V ita A esopi u n d in d ie ä so p isc h en F a b e ln ü b e r. — D as M ärchen
vom ü b e rliste te n M en sc h e n fre sse r b ild e t d as T h e m a e in e r vortrefflichen A rbeit
von C o s q u i n 6). W ä h re n d in e in e r u m 1600 a u fg ezeich n eten in d isch en V ersion
1) 0 . D u b s k y . Les contes populaires sur l’origine du tabac (Revue des trad. pop.
24, 161-168).
2) F o r k e , Die indischen M ärchen und ihre B edeutung für die vergleichende M ärchen­
forschung. Berlin, K. Curtius 1911. 77 S. 1,80 Mk.
3) H. O e r t e l , Contributions from the Jiiiminiya brahniana (Transactions of the
Connecticut Academy of arts and scicnces 15, 155—216. 1909).
4) G. H u e t, Le conte du m ort reconnaissant et une coutüme de l’ile de Timor
(Revue des trad. pop. 24, 305—310).
5) Joh. M ü l le r , B eiträge zur Erklärung und K ritik des Buches Tobit. — Rud,
S m e n d , Alter und H erkanft des Achikar-Romans und sein Verhältnis zu Aesop. Giessen,
Töpelm ann 1908. 125 S. 4,40 Mk. (Beiheft 13 zur Zs. f. d. alttestam entl. Wissenschaft.)
6) E. C o s q u in , Le conte de la chaudiere bouillante et la feinte maladresse dans
l’Inde et hors de rin d e . Rennes 1910. 58 S. (= Revue des trad. pop. 25, 1—18. 6 5 -8 6 .
126—141). — N achtrag von A. de C o c k , ebd. 25, 207f.
184
Bolte:
d e r d u rc h ein en la c h e n d e n S ch ä d e l g e w a rn te V ik ra m ä d ity a d e r A u ffo rd eru n g d e s
tü c k isc h e n D iv, den a u f dem F e u e r ste h e n d e n K e sse l zu u m w a n d e ln , d ie B itte
en tg eg e n setzt, ihm dies v o rzu m ach en , u n d d a b e i d en D äm o n in d ie sie d e n d e F lu t
h in e in stö sst, is t in än d ern F a ss u n g e n ein H in ein sch ie b e n in d en B ackofen (H än sel
un d G retel) o d er eine E n th a u p tu n g an d ie S telle d es K esse ls g e tre te n ; o d er d e r
H eld tö tet n ich t d ie H ex e se lb e r, so n d e rn ü b e rliste t d e re n T o c h te r, d ie ih n
sch lach ten sollte, u n d setz t ih r F le isc h d e r M u tter vor. D iese M otive, ih re U m ­
g e sta ltu n g u n d K om b in atio n m it ä n d e rn E le m en te n w erd en g rü n d lic h u n d sc h a rf­
sinnig d u rch die w e itsch ich tig e L ite ra tu r v erfo lg t u n d d e r U rsp ru n g d es T y p u s in
In d ie n g esu ch t. — U m g e k eh rt sc h re ib t A a r n e 1), d essen m u ste rh a fte U n te rsu c h u n g
ü b e r die M ärchen vom Z a u b e rrin g e , vom Z a u b erv o g el u n d von F o rtu n a t o b en 18,
452 erw ä h n t w u rd e, in ein em w ü rd ig en S e ite n stü c k e dazu d em M ärch en von d em
S p eisen sp en d e n d e n T isc h tu c h , dem G o ld esel u n d dem von se lb st sc h lag en d en
K n ü p p el e u ro p äisch e n , g e n a u e r sü d e u ro p ä isc h e n U rsp ru n g zu. D ie b eso n n e n e B e­
tra c h tu n g von m e h r als 220 A u fzeich n u n g en au s dem V o lk sm u n d e u n d von d re i
‘B u c h v aria n ten ’ in B asiles P e n ta m e ro n e (1G37), in d e r g eo rg isc h e n S am m lu n g
O rb elian is (u m 1700) u n d im m o n g o lisch en S id d h i-K ü r fü h rt ih n z u r S c h e id u n g
von d rei T y p en d es M ärch en s, in d e n en e n tw ed e r d re i o d e r zw ei o d e r eine Z a u b e r­
g ab e a u ftritt, u n d d ie sich m eh rfac h g e g e n seitig b eein flu sst h a b en .
D ie ä lte ste
F o rm m it den d re i G ab en d ra n g au s Ita lie n n ach N o rd en u n d sc h e in t in D ä n e ­
m ark zu d em T y p u s m it d e r vom T e u fel e rh a lte n e n Z a u b e rm ü h le u m g e sta lte t
w o rd en zu sein .
In F in n la n d e x istie re n alle d re i F o rm e n n e b e n e in a n d e r; d e r
G e b e r d e r W u n d e rd in g e ist h ie r häufig d e r F ro s t o d e r d e r W in d . — A u f a lte
k eltisc h e Ü b e rlie fe ru n g e n fü h rt v. S y d o w 2) d ie eig en tü m lich e, in S n o rris E d d a
b erich tete F a h rt T h o rs n ach U tg a rd z u rü c k ; b eso n d ers a u sfü h rlic h legt e r d a r,
d ass w ir in die W ie d e rb e le b u n g d e r im B a u e rn h a u se g e sc h la c h te te n B ö ck e T h o rs,
an d en en a b e r ein B ein k n o ch en b e sc h ä d ig t is t, eine b ereits im g rie c h isc h e n
A ltertu m b eg eg n en d e S age v o r u n s h ab e n , d ie sich zu v ie r v e rs c h ie d e n e n T y p e n
en tw ick e lt: 1. d ie S c h u lte r d es P e lo p s, 2. d ie von H ex en v e rz e h rte u n d b e le b te
K u h d es B au ern , 3. d ie sch o n 796 b ei N e n n iu s a n g e fü h rte L eg e n d e vom h.
G erm an u s, 4. d ie T h o r-S a g e u n d äh n lich e irisc h e H e ilig e n le g e n d e n . — U m e in e
W ie d e rb e le b u n g h a n d e lt sich s au ch in d e r v o n Z w i e r z i n a 3) erlä u te rte n k o p tisc h e n
L eg en d e vom A postel B arth o lo m äu s a u s d em 5. b is 6. J a h rh . D ie se r w ird sa m t
sein en G en o ssen von d en H e id e n d re im a l v e rb ra n n t, g ek re u z ig t, zersäg t, w ie d e r
v e rb ra n n t u n d die A sche in s M eer gew orfen, d o ch im m e r w ie d e r e rste h e n sie zum
L eb en . D ies M otiv, d as d ie d em C h risten zu teil g ew o rd en e E rlö su n g vom T o d e
sin n fällig d a rste llt, ist d an n in d ie L eg e n d e n von C h risto p h o ru s, G eorg, Q u iric u s
ü b erg eg an g en . Z. v erg leich t d a m it d as M ärchen vom L e b e n sw a sse r; g e h ö ren a b e r
n ich t au ch die M ärch en von d e r W ie d e rk e h r d e r in ein en V o g el o d e r eine P flanze
v erw an d elten S eele E rm o rd e te r (G rim m 47. 130. 135) h ie rh e r?
An d en von
A. v. L ö w i s (oben 20, 4 5 — 56) b e leu c h te te n Ü b e rg an g d e r G re g o riu sle g e n d e zu
ein em a rm en isc h en M ärchen b ra u c h e ic h u n sre L e s e r n u r zu erin n ern . — G egen
F arin elli, d e r dem 1630 g e d ru c k te n D ra m a ‘E l b u rla d o r de S ev illa’ d ie O rig in a lität
1) A. A a r n e , Die Zaubergaben, eine vergleichende M ärchenuntersuchung. Helsingfors 1909. (Journal de la societe finno-ougrienne 27, 1—96).
2) C. W. v. S y d o w , Tors färd tili U tgärd (Danske studier 1910, 05—105. 145 —182).
3) K. Z w i e r z i n a , Die Legenden der M ärtyrer vom unzerstörbaren Leben (Inns­
brucker Festgruss dargebraclit der 50. Versammlung deutscher Philologen in Graz 1909
S. 130-158).
Berichte und Büchcranzeigen.
185
ab sp rach , ist A r m e t o 1) als V e rte id ig e r d es sp an isc h e n U rsp ru n g e s d e r D on Ju a n Sage a u fg etreten .
W ir sin d ihm fü r d ie M itteilu n g d re ie r g a liz isc h e r R o m a n z e n
von dem zum N ach tm a h le g e la d e n e n T o te n sch ä d e l (S. 34), v ie r g a lizisc h e r V o lk s­
sag en von d e r g elad e n e n S tatu e (S. 45) u n d e in e r R o m a n z e au s B urgos g ew iss
d a n k b a r; n u r k ö n n en w ir d iese n e u e rd in g s au fg ezeich n eten S tü ck e n ic h t als v o ll­
g ü ltig en B ew eis fü r sein e T h e se an seh en , zum al d ie z a h lreic h e n a u slän d isc h e n
Z eu g n isse fü r d ie S age, d ie 1900 von m ir, 1903 von d ’A ncona, 1906 von G en d a rm e
de B evotte an g e fü h rt w u rd en , von ihm u n b e rü c k sic h tig t b lieb en . S eitd em hab en
a u ch A. de C ock (oben 20, 331) u n d K lap p e r (o b en 20, 92 3) w ich tig e n eu e F u n d e
g em acht. — J o n e s 2) v ersu ch t, d ie m ärch en h a fte n E lem en te in ,e in e m fran zö sisch e n
E p o s d es 13. Ja h rh ., d em C lco m ad es d es A d en et le R o i, fe s tz u ste lle n ; allein s ta tt
von d essen lä n g st n ach g e w ie sen e m V o rb ild e, e in e r E rz ä h lu n g d e r 1001 N ach t
(C hauvin, B ib lio g rap h ie a ra b e 5, 221) u n d von den c h a ra k te ristisc h e n Z ügen, dem
hö lzern en Z au b erp ferd e u n d d em v erste llte n W a h n sin n d e r b e d rä n g te n J u n g fra u
(o b en 15, 365) auszu g eh en , z ie h t e r a lle rle i fe rn steh e n d e M otive, d as G o ld e n e r­
m ärch en , die L u ftreise , d ie k u n stre ic h e n G efäh rten u. a., h e ran .
D ag eg en d ü rfen
w ir die u m fän g lich e A rb eit W a l l e n s k ö l d s 3) ü b e r d ie Sage von d e r d u rc h ih re n
S chw ager b ed rän g ten k eu sch e n F ra u a ls ein e g e le h rte u n d g ed ieg e n e Ü b e rsic h t
ü b e r ein g ro sses G eb iet b ezeich n en .
D ie au s dem O rien t (T u ti-n a m e h ) n ac h
E u ro p a g e d ru n g en e N ovelle h a t d o rt fü n f S p ro ssen g e trie b e n : 1. d ie F assu n g d e r
G esta R o m an o ru m , 2. F lo re n c e de R o m e , 3. M arien m irak el, 4. C rescen tia, 5. H ild eg ard is.
D en a u sfü h rlic h en N ach w eisu n g en sin d v ersc h ied e n e b ish e r u n e d ie rte
T e x te beig eg eb en .
D a in den d rei e rs te n V e rsio n e n U n g arn eine R o lle sp ielt,
w agt K a r l die V erm u tu n g , schon b ald n a ch ih re m T o d e sei d ie h. E lisab eth von
U n g a rn ( y 1231) von den F ra n z isk a n e rn als ein E x em p el d e r v erfolgten k e u sch en
F ra u a u fg estellt u n d so in die S age e in g e fü h rt w orden. — Z u dem M ärchen vom
M ädchen ohne H ände te ilt S u c h i e r 4) eine la te in isc h e N ovelle ‘Y sto ria re g is
F ra n c h o ru m et filie’, d ie e r schon in se in e r g rü n d lic h e n E in leitu n g zu B eau m an o ir
b esp ro ch en hatte, au s e in e r P a ris e r H s. v. J . 1370 m it. — D em M ärchen von
S n eew ittch en , a u f d essen V e rw a n d tsc h aft m it d e r fran zö sisch en B e rth a -S a g e
J o h n s t o n 5) au fm erk sam m ach t, w id m et B ö k l e n 6) eine a u sfü h rlic h e U n tersu ch u n g ,
d e re n e rs te r T e il eine d a n k e n sw erte Z u sa m m e n ste llu n g von 75 A u fzeichnungen
au s E u ro p a, A frika u n d B rasilien im A uszuge sow ie ein e Ü b ersich t d e r 30 M otive
d ie s e r V ersio n en bietet.
H ie rb e i tritt d ie re ic h e E rfin d u n g sg ab e d e r E rz ä h le r
h erv o r, w elche die v e rsc h ied e n e n T e ile d es M ärchens, in sb eso n d ere d ie d u rc h v e r­
g iftete o d er v e rz au b erte S peisen, K leid u n g sstü ck e, S e h m u ck sach en usw . h e rb e i­
g efü h rte T ö tu n g d er H eldin, d ie A u fb ew ah ru n g , A uffindung u n d E rw eck u n g d e r
1) V. S. A r m e s to , La leyenda de Don Juan, orlgcnes poeticos de El burlador de
Sevilla y convidado de piedra. Madrid, Hernando 1908. 303 S.
2) H. S. V. J o n e s , The Clcomades and re la te d folktales (Publications of the Modern
la n g u a ge so ciety of America 23, 557—598).
3) A. W a ll e n s k ö l d , Le conte de la feinme chaste convoitee par son beau-frere
(Acta societatis scientiarum fennicae 34, 1. 1907. 174 S. 4°). — L. K a r l, Florence de
Rome et la vie de deux saints de Hongrie (Revue des langue6 rom. 52, 163 180).
4) H. S u c h i e r , La lille sans mains (Romania 39, 61—76).
5) 0 . M. J o h n s t o n , The legend of Berte aus grans pies and the märchen of Little
Snow-white (Revue des langues romanes 51, 545—547).
6) E. B ö k le n , Sneewittchenstudien, 1. Teil: 75 V arianten im engem Sinn gesam melt
und unter sich selbst verglichen. Leipzig, Hinrichs 1910. 172 S. 6 Mk. (Mythologische
Bibliothek I I I , 2).
186
Bolte:
L e ic h e o d er V e rw a n d lu n g in e in en V o g el u n d d ie E n tz a u b e ru n g , vielfach variieren .
Z a h lre ic h sin d n am en tlich d ie italie n isc h e n F a ssu n g e n .
D ie fe rn e r ste h e n d e n
in d isch en M ärchen u n d d ie n u r teilw e ise v e rw a n d te n sieb en R a b e n o d e r D o rn rö sch en
w erd en ab sich tlich ü b erg a n g e n , d a e rs t d e r 2. T e il d ie V e rg le ic h u n g m it ä n d e rn Stoffen
u n d d ie m yth ologisch e D e u tu n g b rin g en soll. — B l e i c h 1) e rg ä n zt d ie b e k a n n te
A sch en b rö d el-M o n o g rap h ie d e r M iss C ox (d ie b e i B öklen C oax u n d b e i van
G ennep C oxe h e isst) d u rc h ein e B e tra c h tu n g d e r lite ra risc h e n F a ssu n g e n d ieses
M ärch en s; n a c h d e m e r d ie E rz ä h lu n g e n v o n B a sile , G rim m u n d P e rra u lt
c h a ra k te ris ie rt hat, w en d e t e r sich zu d en D ram en von E tie n n e , P late n , G rab b e,
B enedix, H opfen, K otzebue, so d a n n zu d en O pern, B a lle ts u n d Ju g e n d sc h rifte n , in
d en e n zu m e ist P e rra u lts E influss zu sp ü re n ist. — A n g ereg t d u rc h sein en L e h re r
V o retzsch , u n te rsu c h t C l a s s 2) in e in e r tü c h tig e n D o k to ra rb e it, w ie w eit die
S c h ild e ru n g d e r T ie rc h a ra k te re im altfra n zö sisch e n E p o s ‘R e n a rt’ m it d e r N atu r
ü b erein stim m t, u n d k o m m t zu dem E rg e b n is, d ass, o b w o h l d e r D ic h te r w ie schon
se in e Q uelle, die m ü n d lic h ü b e rlie fe rte n T ie rm ä rc h e n , m an ch e s ins U n w a h rsc h e in ­
lich e, j a ins P h a n ta s tisc h e ste ig ert, doch d e r G ru n d c h a ra k te r d es F u ch ses, d es
B ären, d e r H au stie re , d e r V ög el, in sb e so n d e re d e r M eise, von ih m m it e in e r oft
verb lü ffen d en N a tu rtre u e w ie d e rg eg e b e n w ird. W en n d ag eg en d e r W olf, sein em
w irk lich en W esen z u w id er, z u ein em d u m m en , tö lp e lh a ften T ie re g e ste m p e lt w ird,
so lieg t d as an d e r A bsich t d e s D ic h ters, ein en G e g e n sp ie le r zu d em listig en u n d
g e w a n d te n F u ch se zu g ew in n en . V ie lle ic h t ist d e r W o lf e rs t n ac h trä g lic h u n te r
d em E influss d e r a n tik e n F a b el an S telle d es zum G e g e n sp ie ler d es F u c h se s
b e ss e r g eeig n e ten B ären g e tre te n , w ie sch o n K ro h n v e rm u tet hat. Z um S ch lü sse
su c h t C. d u rch V e rg le ic h u n g d es Y se n g rim u s, d e r F a b e ln d e r M arie de F ra n c e
u n d p a ra lle le r M ärchen d ie U rfo rm von 12 A b en teu ern im R e n a rt (d e r F isch fa n g
m it d em S chw änze, F is c h d ie b sta h l d es F u ch ses, F u c h s u n d W olf, P ilg e rfa h rt d e r
T ie re , F u c h s u n d H ah n u sw .) zu e rm itteln , in d em e r g le ic h K ro h n e in en s e lb ­
stän d ig en e u ro p äisc h e n F u c h sm ä rc h e n z y k lu s v o rau sse tz t. — K einen G ew in n fü r
u n s b e d e u te t ein e S c h rift ü b e r P e rra u lts M ärch en von T e s d o r p f 3) , d a d ie se r
b u n te n R e ih e von a lle rle i b ib lio g ra p h isch e n , lite ra rh is to risc h e n u n d b io g rap h isch en
N otizen das re c h te A u g en m ass u n d d ie K e n n tn is d e r n e u e re n M ärch en fo rsch u n g
a b g eh t. — W e ita u s e in g e h e n d e r u n d g e h a ltv o lle r ist d ie W ü rd ig u n g au sg efallen ,
d ie F rä u le in S p e r b e r 4) , v erm u tlic h ein e S c h ü le rin S. S in g ers, d e r vortrefflich en
lo th rin g isc h e n M ärc h en sa m m lu n g von C o sq u in a n g e d e ih e n lässt. U m sich tig , w enn
au ch etw as u n g leich m ässig p rü ft sie d ie G ü te d e r Ü b e rlieferu n g , den eth isch en
u n d d en ästh e tisc h e n G e h a lt d ie s e r sä m tlich au s d em M unde ein e s einzigen ju n g e n
M ädchens h ersta m m e n d e n E rz ä h lu n g en , in d e m sie die vom H e ra u sg e b e r so b eq u em
b ereitg eleg ten V a ria n te n z u r V e rg le ic h u n g h e ra n z ie h t.
25 von den 75 N u m m ern
zeig e n L ück en u n d S tö ru n g en , sin d also u n v o llk o m m en ü b e rlie fe rt. D ie L eg en d en
u n d S chw än ke, die fü r den e th isch en C h a ra k te r v o r a lle m in B e tra c h t kom m en,
w erd en n am en tlich a u f ih r V e rh ä ltn is zum C h riste n tu m u n d zum A b erg lau b en , a u f
d ie F re u d e an d e r S ch erzlü g e, an B e tru g u n d L ist, a u f d ie A bneig u n g g eg en
1) 0 . B l e i c h , Das Märchen vom Aschenbrödel, vornehmlich in der deutschen Volks­
und K unstdichtung (Zs. f. vergl. L iteraturgeschichte 18, 5 5 —102).
2) H. C la s s , Auffassung und D arstellung der Tierw elt im französischen Roman de
R enart. Diss. Tübingen, Schnürlen 1910. X IV , 133 S.
3) P. T e s d o r p f , Beiträge zur W ürdigung Charles P errau lts und seiner Märchen.
S tu ttg art, Kohlhammer 1910. 86 S. 2 Mk.
4) Alice S p e r b e r , C harakteristik der L othringer M ärchensammlung von E. Cosquin.
B erner Diss. Wien 1908. X , 98 S.
Berichte und Bücheranzeigen.
187
G e istlic h e u n d G u tsh errn , a u f d ie B estra fu n g d es H o ch m u ts h in a u sfü h rlic h d u rc h ­
g en o m m en u n d b isw eilen a u ch d ie E n tw ick lu n g e in e s Stoffes n a c h d iesen G e sic h ts­
p u n k ten skizziert. K ü rze r fällt d ie ä sth e tisc h e C h a ra k te ris tik axis, d a d ie g erad e
h ie rfü r in B etrac h t k o m m en d en W u n d e rm ä rc h e n n ic h t g u t e rz ä h lt sind, d ie D a r­
stellu n g ü b e rh a u p t knap p g e h a lte n u n d d ie fo rm elh a ften W e n d u n g e n n ic h t b eso n d e rs
z a h lre ic h sind. F ü r d ie E rfo rsc h u n g d e r M ärchen d e r v e rsc h ie d e n e n V o lk sstäm m e
S ieb en b ü rg en s en tw irft S c h u l l e r u s 1) ein P ro g ra m m : w as h ab e n d ie ein zeln en
S täm m e fü r n atio n ales S o n d e rg u t m itg e b rac h t, w as h ab en sie g e m e in sa m von a u sse n
em pfangen, w as h ab en sie in S ieb en b ü rg en se lb st h e rv o rg e b ra c h t? — D as T h e m a
d e r den M örder ih re s G atten tö ten d en F ra u v erfo lg t A n d e r s o n 2) in e in e r E r­
zäh lu n g des A puleius (C h a rite ), P lu ta rc h (K am m a), sow ie in v ie r k a u k a sisch en
M ärch en , o hne sich fü r die g em ein sam e A b stam m u n g zu en tsc h e id e n ; vom
N ib elu n g en lied e u n te rsc h e id e n sich je n e E rzä h lu n g e n d ad u rch , d ass d e r M ord au s
le id en sch aftlich er L ieb e zu d e r G a ttin d es E rsch lag en en g esch ieh t.
F ü r die G esch ich te d e r S c h w a n k s t o f f e w ird sich L e e s 3) W e rk ü b e r
B occaccios D ecam ero n n ü tz lic h erw eisen . F leissig h a t d e r Vf. die von ä n d e rn
G e le h rte n nachgew iesen en B ea rb e itu n g e n d e r d a rin e n th a lte n e n N ovellen z u sa m m e n ­
g e trag en , ohne je d o c h d ab ei B occaccios V e rh ä ltn is zu sein en Q u ellen o d e r d as
V e rfa h re n d e r v e rsch ie d en e n N a ch a h m e r n ä h e r zu u n te rsu c h e n .
E in ig es, w ie
G oetzes V eröffentlichu n g von H an s S ach sen s S chw änken, ist ih m entg an g en .
F ü r den S chw ank von d e r n eu en Sündflut u n d d e r R a c h e d es S ch m ied es an seinem
N eb en b u h ler, zeig t B a r n o u w 4) d rei E n tw ic k lu n g sstu fe n a u f: 1. ein e noch u n e d ie rte
nid. B o erd e d es 14. J a h rh . von H eile van B ersele, 2. V . S ch u m an n s N ach tb ü ch ­
lein 1559 N r. 2, 3. C h a u c e rs M illeres ta le und ein e la te in isc h e D ich tu n g von
C ro p aciu s (1581).
D ie V o rlag e n a lle r d re i V ersio n en su ch t B. in v erlo ren en
fran zö sisch en F a b lian x . — Z u d en 1901 von P ille t v erfolgten B earb eitu n g en d es
F a b le ls von den d re i B u ck lig en trä g t G ä l o s 6) v ie r u n g a risc h e F a ssu n g e n n a c h :
eine 1573 g ed ru c k te Ü b e rsetz u n g d e r H isto ria sep tem sap ien tu m , eine u m 1820
von A. M adass v erfasste B e a rb e itu n g G u e u le tte s u n d zw ei V o lk sm ärch en .
O l i v e r " ) m u s te rt so rg fältig alle b ek a n n te n V e rsio n e n d e r b eid en in d e r fran ­
zö sischen F a rc e vom M aitre P a th e lin v e re in ig ten S ch w än k e u n d fügt a u ch w eitere
d än isch e, jü d isc h e u n d in d isc h e E rz äh lu n g e n von d em B ek lag ten h inzu, d e r vor
G erich t n u r ein B löken, ein en Pfiff o d e r ein e A b leu g n u n g h ö ren lä sst u n d nach
se in e r F re isp re c h u n g a u ch d en B e zah lu n g h eisc h e n d e n A d vokaten ebenso äfft.
V gl. d azu noch oben 10, 34
— E in e ö fter e rz ä h lte A nekdote von K önig F rie d ric h
W ilh e lm I., d e r eine lan g e D ien stm ag d m it ein em langen G re n a d ie r k o p u lieren
1) A. S c h u l l e r u s , Siebenbürger M ärchen; zur Methodik der Märchenforschung
(Mitt. des Verb. dtsch. V. f. Volkskunde N r. 10, <S—11).
2) W. A n d e r s o n , Zu Apuleius’ Novelle vom Tode der Charite (Philologus 68, oo7
bis .">49.)
3) A. C. L e e , The Decameron, its sources and analogues. London, D. N u tt 1909.
XVI, 363 S. 8". — Völlig uuzulänglich ist das Büchlein von Miss F. N. J o n e s , Boccaccio
and his im itators in german, english, french, spanish and italian literature. Chicago,
University press 1910. IV, 46 S.
4) A. J. B a rn o uw , The milleres tale van Chaucer. 15 S. (aus Handelingen van het 6.
nederlandsche Philologencongres 1910).
•'») R. G iilo s , U n g a r i s c h e Varianten der Geschichte von den drei Buckligen und ver­
w andter Erzählungen (Zs. f. vergl. L iteraturgeschichte 18, 103—114).
6) Th. E. O liv e r , Some analogues of M aistre P ierre Pathelin (Journal of am erican
folk-lore 22, 395—430). _ L. J o r d a n , Zwei B eiträge z u r Geschichte und VViirdigung des
Schwankes vom Advokaten P athelin (Archiv f. n. Sprachen 123, 342—352).
188
Bolte:
lassen w ill u n d sie m it ein em B rie f zum K o m m an d an ten von P o tsd a m sch ick t,
d an n a b e r h ö ren m uss, d ass an ih r e r S telle ein e k lein e a lte F ra u m it je n e m
g e tra u t w o rd en ist, w ird von D a m k ö h l e r 1) als u n h isto risc h e rw ie s e n ; d en n d ie ­
selb e G esch ich te b e g e g n e t sch o n 1713— 1714 in d e r R ö m isc h e n O ctav ia des
H erzo g s A nton U lric h v o n B ra u n sc h w e ig 5, 63.
U n ter den T e x t s a m m l u n g e n , d en en w ir u n s n u n m e h r zu w en d en , h a b e n
w ir a u f d eu tsch em G e b ie te z u n ä c h st d e r n eu en , n a h e z u u n v e rä n d e rte n A uflage von
D ä h n h a r d t s 2) M ä rc h e n b u c h zu g e d en k e n , d as d u rc h e in e A u slese a u s H altrich ,
K uhn, MüllenhofT, P rö h le , S im rock, Z in g e rle u. a. die G rim m sc h e S am m lu n g v o r­
trefflich erg än zt. E in e w illk o m m en e Ü b e rra sc h u n g fü r viele L e se r w erd en d ie
aus d em N ac h la sse d e s D ic h te rs u n d M alers W ilh e lm B u s c h 3) h e ra u sg e g e b en e n
M ärchen, Sagen u n d L ie d e r a u s sein em H e im a tsd o rfe W ie d e n sa h l im H a n n o v ersch en
b ilden.
H ie r e rh a lte n w ir w ertv o lle, ech te V o lk sü b e rlie fe ru n g e n , teils in d e r
M undart, te ils in h o c h d e u ts c h e r F a ssu n g , d ie v o r e tw a 60 J a h re n a u fg ezeich n et
w u rd en , a b e r e rs t 1900 in ein ze ln e n P ro b e n im N ied erd e u tsc h e n K o rre sp o n d e n z ­
b la tt z u r V erö ffen tlich u n g g elan g ten .
A uf d ie L ie d e r so ll sp ä te r ein g eg an g en
w e rd e n ; h ie r n o tie re ich von d en 41 M ärc h e n : N r. 1 D e H ä iste r u n de w illen
D u b en (W o ssid lo , M eck len b u rg . V o lk sü b e rlie fe ru n g e n 2, 4 7 ); 2 D ie sch w a rz e
P rin zessin (R . K ö h ler, K l. S ch riften 1, 320); 6 D a s h a rte G elü b d e (W o ssid lo
1, 2 2 2 ); 7 D ie b ö se S tie fm u tte r (G rim m , K HM . nr. 2 4 ); 9 K önig in Is a b e lle (G rim m 9 4):
10 D ie b e stra fte H ex e (G rim m 11. 135); 12 K ü k e w e ih (G rim m 2 7 ); 14 B a u e r
P ih w itt (G rim m 6 1); 15 M u sch etier, G re n a d ie r u n d P u m p e d ie r (K ö h le r 1, 543);
16 D e r d u m m e H an s (G rim m 143. F re y , G a rte n g e se llsc h a ft N r. 1); 17 D e r k lu g e
B au er (G rim m 7); 18 D es T o te n g rä b e rs S o h n (o b en 20, 273— 27 8 ); 19 R e ttu n g s ­
rä ts e l (AVossidlo 1, 216); 20 D ie la u n isc h e Z ieg e (G rim m 3 6 ); 22 D e r K önigssohn
m it d e r g o ld en en K ette (K ö h le r 1, 5 — 3 9); 23 D e r K ö n ig sso h n Jo h a n n e s (K ö h ler
1, 161. 2 7 9 ); 24 D a s v e rw ü n sc h te S ch lo ss (G rim m 9 3 ); 25 D re i K ö n ig sk in d e r
(G rim m 9 6 ); 26 D e r k lu g e K n ech t (H . S ach s, F a b e ln u n d S ch w än k e 5, 181 nr. 717);
27 D ie a lte S lü k sc h e (B occaccio, D e ca m e ro n 7, 8. v. d. H ag en , G e sa m ta b e n te u e r
n r. 4 3 ); 28 D ie zw ei B rü d e r (G rim m 6 0); 29 D e r S c h m ie d u n d d e r P faffe (G rim m
64. U . Ja h n , V m . a u s P o m m e rn 1, 2 3 9 ); 30 D e R a b e un de P o g g e (W o ssid lo
2, 5 7 ); 31 D e r h a rte W in te r (E u p h o rio n 4, 2 9 ); 32 D e r S o ld at u n d d as F e u e r­
z eu g (G rim m 116); 33 D e r B e ttler au s d em P a ra d ie s (F re y nr. 6 1 ); 34 D e r v e r­
w u n sch en e P rin z (G rim m 1); 35 D a s H em d d es Z u frie d e n en (R . K ö h ler, A ufsätze
1894 S. 118); 36 D e r H e rrg o tt als P a te (K ö h ler 1, 537); 37 A sc h en p ü e lin g (G rim m 21);
38 F rie d ric h G o ld h a a r (K ö h ler 1, 330. 38 8 ); 39 D er S ch w ein eju n g e u n d die
P rin z e ssin (K ö h le r 1, 428. 4 6 4 ); 40 D e r M o rd g ra f (G rim m 4 0 ); 41 H an s H in rich
H ild e b ra n d u n d d e r Pfaffe (G rim m 95).
A uch e in ig e Z eich n u n g en B u sch s, die
M ärchenstoffe zum G e g en stä n d e h ab en , w e rd en re p ro d u z ie rt. — In e in e r G e d en k ­
sc h rift z u r 100. W ie d e rk e h r von R e u te rs G e b u rtsta g g e h t W o s s i d l o 4) d em sich in
R e d e n s a rte n u n d S ch w än k en ä u ss e rn d e n m e ck le n b u rg isc h e n V o lk sh u m o r n a c h ; er
steig t zu d en Q u e lle n h in ab , au s den en d e r g ro sse n ie d e rd e u tsc h e H u m o rist
1) E. D a m k ö h l e r , A nekdotenübertragung (Zs. f. d. dtsch. U nterricht 22, 595—599).
2) O. D ä h n h a r d t , Deutsches Märchenbuch, 1. Bändchen. 2. Auflage. Leipzig,
T eubner 1910. V, 153 S. — Zuerst 1903 erschienen.
3) W. B u s c h , U t 61er W elt. Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime, ge­
sammelt. München, L. Joachim 1910. 170 S. 3,50 Mk.
4) R. W o s s id lo , Aus dem Lande F ritz R euters. Humor in Sprache und Volkstum
M ecklenburgs. Mit einer E inleitung über das Sammeln volkstüm licher Überlieferungen.
Leipzig, O. Wrigand 1910. IV, 211 S. 2,40 Mk.
Berichte und Bücheranzeigen.
189
schöpfte, u n d die k ein a n d e re r so g u t k en n t als g e ra d e W o ssid lo . Z u r E in le itu n g
d ie n t die S ch ild eru n g , d ie e r u n se rn L e se rn o b en 16, 1 v o n se in e r eigenen S am m el­
tä tig k e it entw orfen h a t u n d h ie r m it K ü rzu n g en u n d Z u sätze n w ie d e r a b d ru c k t;
d an n folgen 12 K ap itel vom T an z e n , vom Ju n g e n le b e n , von S ch läg e re ien , E rn te ­
arb eit, län d lich em H ofhalt, S ch äfern u n d ä n d e rn G ew erk en , T ie rm ä rc h e n , R e d e n s ­
arte n b eim K arten sp iel, S c h ild b ü rg e rstre ic h e n u n d ä n d ern S ch w än k en , a lle un g em ein
re ic h h a ltig und voll e ch te n V o lk sg u te s.
N icht um d em k u n d ig e n A u to r etw as
N eues zu bringen, so n d ern um d ie S c h w an k th e m a ta z u c h a ra k te risie re n , g eb e ich
einige N ach w eise: S. 90 D ie d rei M uhm en (G rim m , KHM 14), 91 D as F ie b e r in
d e r Ja g d ta sc h e (oben 15, 105), 92 D ie fau le B a u e rn to c h te r (oben 18, 53), 93 D e r
sch lau e B au er (S im rock , M ärch en S. 248), 94 V e rk a u f d e r K uh (R . K ö h ler 1, 99),
9G D e r T o d als H uhn (M o ntan u s S. 579), 97 P e te r O tt (F re y S. 284), 98 D ie
lisp e ln d e n S ch w estern (o b en 3, 58. 7, 320. B öhm , L ett. S ch w än k e nr. 12), 99 D ie
S ch arfsich tig e (B usch S. 12), 101 W a h rh e it findet k ein e H e rb e rg e (P au li, S ch im p f
u n d E rn s t 3), 104 D e r A d v o k at (M o n tan u s S. 609), 134 D e r S ch äfer (oben 7, 97),
136 D as A ufgebot (o b en 16, 292), 139 D e r S c h n eid er in Ä ngsten (H . S achs,
F a b e ln 2, 472. 5, 74), 141 W ie d ie S ch m ied e d as S ch w eissen le rn ten (o b en 16,
288), 144 D e r B au er in d e r A p o th ek e (B l. f. pom m . V o lk sk . 7, 40), 145 D as G elü b d e
d e s Schiffers (W ick ram , W e rk e 3, 361), 154 W a ru m d ie S ch w ein e in d e r E rd e
w ühlen (o b en 17, 133), 156 F u c h s u n d E ic h h ö rn c h e n (G rim m 75), 157 F u c h s und
H olztaube (K irchhof, W e n d u n m u t 3, 1*28), F u c h s u n d W o lf (G rim m 2), 161 M äuschen
u n d M ettw ü rstch en (ob en 15, 344), 191 D e r Z o rn b ra te n (R . K ö h ler 3, 43. Bl. f.
pom m . V k. 6, 6. 8, 101), 198 V om B au ern ju n g e n , d e r stu d ieren soll (M ontanus
S. 594), 200 A dam u n d E v a (K ö h le r 3, 13), 203 D e r G eld fu n d (z u r S chule g e h e n :
o b en 18, 457. 19, 94.
S p ec k re g en : K ö h ler 1, 342), 206 L ü g en m ärch en (K ö h ler
1, 322), 207 D öshans (M o n tan u s S. 602), 208 P e terle e w in g (M ontanus S. 591). —
ln H o lstein ist W i s s e r 1) se it 1894 eifrig b esch äftig t, d en im L an d v o lk e leb en d en
M ärch en sch atz, d e r in M üllenhoffs b e rü h m te r S ag en sam m lu n g (1845) u n d seinen
h in te rla sse n e n hsl. M ateria lien b ei w eitem n ic h t ausgeschö-pft w urde, zu b e rg en
u n d h a t a u ss e r d en drei B än d ch en ‘W a t G ro tm o d e r v e rte ilt’ v iele ein ze ln e N um m ern
in Z eitsch riften veröffentlicht. J e tz t e rs ta tte t e r B eric h t ü b e r seine E rz ä h le r u n d
E rz ä h le rin n e n , u n te r d en en sich ein ze ln e a u ch freie E rfin d u n g en erlau b ten , und
ü b e r d eren V o rtra g sw e ise (E x p o sitio n im P erfek t, E rzä h lu n g im P rä sen s), sow ie
ü b e r die R e to u c h e n , d ie er s e lb e r an e in ze ln en S tü ck en vor d e r P u b lik atio n v o r­
g enom m en h at. In d e r von ih m g ep lan ten w issen sch aftlic h en A usg ab e sollen je
1 bis 2 u n te r d en 10 b is 20 F assu n g en ein es M ärchens w örtlich tre u w ied erg eg eb en
w erden u n d von den ü b rig e n ein A uszug. — W enig is t d iesm al au s dem m ittelu nd o b erd eu tsch en S p rach g e b ie te zu b e ric h ten . A u sser einigen sc h lesisch en Sagen
und M ärchen von D r e c h s l e r 2) u n d sä c h sisc h e n L ü g e n e rz äh lu n g e n u n d L ie d ern
von C u rt M ü l l e r 3) e rsch ien ein e p o p u lä re Z u sam m en stellu n g d e u tsch b ö h m isch er
1) W. W ia s e r , Die Entstehung meiner MärcheDsammlung (Eckart 5, 1 68-182). —
De twee Bröder (Niedersachsen 15, 28—32). — Hansel und Gretel (Die Heimat, Kiel 20,
112—115). — Meine M ärchemvanderungen auf der Insel Fehm arn (Fehmarnsches W ochen­
blatt 1909, Nr. 131-133 ). — D er weisse W olf (ebd. 1910, N r. 6 6 ). — De w itt Wulf. De
ol Fritz un de Bessenbinner. Vuu Gnideln un Fideln (Gemeinnütziger Kalender, Eutin
1911). _ Wje
erzählt (Quickborn 4, 34—44. H am burg 1911). — G. F o c k ,
Märchen von der Elbinsel Fiukenwärder (Quickborn 4, 44—47).
2) P. D r e c h s l e r , Märchen und Sagen aus Oberschlesien (Mitt. der Schles. Ges. f.
Volkskunde 1 1 , 9 4 _9 g).
3) C urt M ü l l e r , Lügenmärchen aus sächsischem Volksmunde (Mitt. d. V. f. sächs.
Volkskunde 5, 1 2 1 -1 2 7 . 1 4 5 -1 5 1 . 189—193).
190
Boltc:
Ü b e rlie fe ru n g e n von P a r s c h e 1) a u s g e d ru c k te n Q u e llen w ie M usäus, G rim m ,
G ro h m an n , in die a b e r fa st n u r R ü b e z a h lg e sc h ic h te n u n d a n d e re ö rtlich e und
h is to risch e S agen au fg en o m m en sin d u n d eig e n tlich e M ärch en fehlen. Aus d e r
S chw eiz is t F. H e i n e m a n n s v o rtre fflic h e B ib lio g rap h ie d e r S agen u n d M ärchen
(o b en 20, 331) u n d N i d e r b e r g e r s 2) u n s n ich t zu G e sich t g ek o m m en e U n te rw a ld e n e r
S am m lung an zu fü h ren .
In H o llan d te ilte B o e k e n o o g e n 3) zu m D o k to r A llw issend u n d z u r k lu g en
E lse A ufzeichnun g en au s S c h w an k b ü c h ern d es 17. J a h rh u n d e rts u n d au s n e u e re r
Z eit sa g e n h afte E rz ä h lu n g e n m it. A us S ch w ed en e rw ä h n e ich ein e k lein e S am m lu n g
von L a n g e r 4) , a u s W a le s zw ei B ü ch er von T r e v e l y a n u n d von B r u s o t 5) ,
aus dem fran zö sisc h en T e ile B elg ien s m e h re re A rtik el d e r W a llo n ia 6), d a ru n te r
eine von L e f o r g e u r m itg e te ilte V e rb in d u n g d e r d a n k b a re n T ie re u n d d e r w u n d e r­
b a re n G efäh rten m it d em M ärchen v o n d em als D ie n e r v e rk le id e te n u n d von d e r
v e rlie b te n K önigin v erleu m d e ten M ädchen.
In F r a n k r e i c h h a t S e b i l l o t 7) sein en g ro ssen V e rd ie n ste n u m d ie V o lk s­
ü b erlie fe ru n g e n se in e r b re to n isc h e n H eim at ein n e u e s h in zu g efü g t, in d e m e r u n s
ein e a lle rlie b ste L ese ‘lu s tig e r G e sc h ic h te n ’, d ie d o rt u m la u fe n , v o rleg t. E r su c h t
d am it au ch d ie se it C h a te a u b ria n d v e rb re ite te V o rste llu n g von d e r ste ts d ü stre n
u nd finsteren G em ü tsstim m u n g d e r B reto n en zu w id erleg en .
D ie 97 N u m m ern
e n th a lte n v e rb re ite te S c h ild b ü rg e rstre ic h e , d ie d en Ja g u e n s, d. h. d en E in w o h n e rn
von S a in t-Jacu t, n a c h g e sag t w erd en , S ch w än k e, T ie rm ä rc h e n , F a b lia u x u n d k o m isch e
P re d ig te n . Ic h fü h re ein ig e B e isp ie le dav o n a n : S. 26 L ’ä n e q u i d e v ie n t m o in e
(R . K ö h ler 1, 507), 50 L ’e p re u v e (o b en 19, 92: Sich to t stellen ), 67 L e m a rc h a n d
de c u ille re s en bois (B a u e r als P rie s te r: W olf, H a u sm ä rc h e n S. 430. P rö h le, F e ld ­
g a rb e n 1859 S. 369. Ja h n , S ch w än k e u n d S c h n u rre n S. 67. Bl. f. pom m . V o lk s­
k u n d e 4, 104.
S ch n eller, M. au s W älsc h tiro l Nr. 60, 3.
R ev u e d es tra d . pop.
23, 240. A rchiv f. sieb en b g . L a n d esk u n d e 33, 543.
K risten sen , F ra B in d e stu e
1, 85. B erntsen, F o lk e-A ev en ty r 1, 48), 73 L e p e re B e rn a rd (K ö h ler 1, 65. 3, 164),
77 L es tro is b ossu s (F re y , G a rte n g e se llsc h a ft 1897 S. 281 zu S ch u m an n N r. 19),
91 L ’epi de ble (C o sq u in N r. 62), 105 G ran d v en t (G rim m Nr. 36), 112 C elu i qui
v ien t d u p a ra d is, 117 L e so ld at de P a ris (W ic k ra m , W e rk e 3, 391. 8, 315),
114 D o k to r A llw issen d (G rim m Nr. 98), 135 P o il fin, 138 L e m e u n ie r et son
1^) J. P a r s c h e , Märchen und Sagen aus Deutschböhmen, für Volk und Jugend aus­
gew ählt. P rag , A. Haase [1909]. 131 S. 3 Kr.
2) F. N i d e r b e r g e r , Sagen, Märchen und Gebräuche aus U nterwalden 1—2. Sarnen,
Selbstverlag 1909—1910. 172, VI. 173, V II S. (vgl. Schweizer. Archiv 14, 90. 312).
3) G. J. B o e k e n o o g e n , N ederlandsche Sprookjes uit de 17. en het begin der
18. eeuw 10—11 (Volkskunde 21, 7—21). — N ederlandsche Sprookjes en Vertelsels 129
bis 134 (Volkskunde 21, 76—78. 221—225).
4) Th. L. L a n g e r , Dalsländska folksägner sam lade och utgifna.
Uddevalla,
T. Malmgrcn 1908. 40 S. 1 Kr.
5) Marie T r e v e l y a n , Folklore and folk-stories of W ales, with an introduction by
E. S. H a r t l a n d . London, E lliot Stock 1909. XIV, 350 S . (vgl. Folk-lorc 21, 117). —
M. B r u s o t , Keltische Volkserzählungcn. H alle, O. Hendel [1909]. VI, 57 S. 0,25 Mk.
(ohne Quellenangaben).
6) O. O o ls o n , Pourquoi Fevricr n’a que 29 jours. Pourquoi les hommes ont de la
barbe. Mariyc et Jan q u et (W allonia 18, 16—21). — H. L e f o r g e u r , La fille du roi de
France (ebd. 18, 47—51). — A. M o r t i e r , Pourquoi les charretiers vont tous en paradis etc.
(ebd. 18, 52 54). — J. L e m o in e , Contes du H ainaut (ebd. 18, 7 6 -7 8 ).
7) P. S e b i l l o t , Les joyeuses histoires de Bretagne. Paris, E. Fasquelle 1910. V III,
318 S. 3,50 Fr.
Berichte und Bücheranzeigen.
se ig n eu r (K ö h ler 1, 2 3 3 ), 142 C e lu i q u i m o u ru t au tro isie m e p et de l’än e
(K ö h ler 1, 486), 145 Je a n et J e a n n e (K ö h le r 1, 341), 148. 152. 158 L ’in n o cen t
(F re y N r. 1), 154 L e so t se ig n e u r et se s fils sots (M ontanus, S c h w an k b ü ch er
S. 628. G rim m N r. 120), 174 L e se ig n e u r S an s-so u ci (G rim m N r. 152), 176 L e
b e rg e r qui d ev in t roi (K ö h le r 1, 322), 195 L a fem m e o b stin ee (M o n tan u s S. 622),
199 L es q u atre so u h a its (G rim m N r. 87), 205 M oitie de coq (oben 20, 100. R o c h e
p. 117. B öhm , L e ttisc h e S ch w än k e N r. 52), 214 L ’o rig in e d e s p u ces (D ä h n h a rd t,
N atu rsag en 2, 111), 216 L a c h e v re e t les se p t g a rs (G rim m Nr. 36), 224 L e s p e tits
b iq u ets (G rim m N r. 5), 227 L e coq et le re n a rd (M ontanus S. 596), 242 L es m o in es
e t le bonhom m e (o ben 6, 171 zu G o n zen b ach 82. T ru b e rt ed. U lrich 1904), 248 L e
te s ta m e n t d e la ch ien n e (P a u li N r. 72), 259 L e re c te u r vole (W ic k ra m 3, 369),
260 L a ch ev re qui fait so n n e r les cloches (K ö h ler 1, 255), 263 L a creatio n de la
fem m e (D ä h n h a rd t 1, 115), 265 L e m e u n ie r en p a ra d is (G rim m N r. 82), 276 L e
g ro s cierg e (W ic k ra m 3, 361), 277 L e v ieu x sain t (H . Sachs, F a b e ln 1, 224. 2, 413.
3, 289), 291 L a bonn e fem m e qui p le u re a u serm o n (W ick ra m 3, 380). — D ie
15 E rz äh lu n g en au s d em L im o u sin , d ie R o c h e 1) in d e r M u n d art u n d in Ü b e r­
setzu n g m itteilt, sind k n a p p , a b e r le b en d ig d a rg e ste llt und versch m elzen b isw eilen
m e h re re v ersch ied en e T h e m e n . S. 31 Q u a to rz e (G rim m Nr. 90), 42 Je a n d e l’o u rs
(K ö h ler 1, 543), 58 L e so rc ie r (G rim m N r. 68), 66 L e m e ta y e r l’E sp ieg le (kein
E u len sp ieg el, so n d ern d as B ü rle m it e in g e sc h altete n S treichen des M eisterd ieb s.
G rim m Nr. 61 u n d 192), 83 L e p e tit jo u e u r (G rim m 110 und 81 n e b st dem P e rv o n to M ärchen, K ö h ler 1, 558), 99 L e jo u e u r (G rim m 82), 106 L e carn av al d es q u a tre
p etites betes (G rim m 27), 117 L e co n te du coq (oben 20, 100), 135 G ro sse-B o tte
et L a R am ee (G rim m 16. G. P a ris oben 13, 1), 150 L e g am in et les v o leu rs (oben
zu S eb illo t p. 242), 157 L es en fan ts qui se re n d a ie n t ä S ain t-Jac q u e s (H ackm an,
P o ly p h em 1904), 169 L a fain ean te (G rim m 14).
B e a c h te n sw e rt sin d m e h re re
S ch lu ssfo rm eln , die sich den von P e ts c h 1900 g esa m m e lte n B eisp ielen g u t e in ­
re ih e n lassen . — A us v ersch ie d en e n G eg en d en von F ra n k re ic h stam m en die in d e r
R e v u e des trad itio n s p o p u la ire s 2) g ed ru ck ten M ärc h e n ; z. B. 24, 137 L e m outon
noir (W ick ram 3, 378), 141 Mon J e a n (F re y S. 215), 143 L ’ag n eau M artin (M on­
tan u s S. 591), 345 L e p etit so rc ier g ris (G rim m 192), 442 C om m ent Je a n tro u v a
la p e u r (G rim m 4 ); 25, 466 L a re co n n a issa n ce d u d ia b le (vgl. H ein-M üller, M ehriT e x te S. 136. B occaccio, D ecam ero n 3, 9: G iletta von N arb o n n e). — Ita lie n isc h e
Stücke aus d e r R o m a g n a g ab F a b b r i 3): L ’in n am o ra to che g e tta gli occhi d elle
peco re alla am an te (F re y N r. 1), L e tre m o n tag n e d ’oro e l’alb ero del so le
(R . K ö h ler 1, 166), L a fon tan a di B a b ilo n ia (eb d . 1, 5(52), I d u ’ b arocciai (eb d .
1, 281), II capo a ssassin o (G rim m N r. 46). — G riech isch e R ä tse l au s K y th e ra und
sechs von P o l i t e s trefflich k o m m en tie rte R ä tse lm ä rc h e n v erd an k en w ir S t a t h e s 4) ;
in Ä tolien und E p iru s sam m elten L u k o p u l o s u n d E v a n g e l i d e s .
1) D. R o c h e , Contes limousins, recueillis dans Parrondissem ent de Rochechouart,
texte patois et texte franQais. Paris, Nouvelle librairie nationale [1909]. 179 S. 2 Fr.
2) E. Q u in ti n u. a., Contes et legendes de la Basse-Bretagne (Revue des trad. pop.
24, 70. 136. 290. 4 3 9 -4 4 5 . 4 8 7 -4 8 9 . 25, 185f. 2 7 1 -2 7 4 . 372 375. 41 0 -4 1 5 ). - Contes
ct legendes de la H aute-Bretagne (24, 146. 202. 249. 372. 25, 422). — L. D e s a iv r e , Le
mouton noir (24, 137). — F. P e t i g n y , Contes de la Beauce et du'Pcrche (24, 275—280).
«J. F i l i p p i , Contes de l’ile de Corse (25, 4 6 6 -4 6 8 )
3 ; P. F a b b r i , Novelle popolari raceolte sui monti della Romagna Toscana (Archivio
delle trad. pop. 24, 153-161). - Favole (ebd. 24, 162-170).
4) S. E. S t a t h e s , K v& rjßaixa aiviy/.iarixa jiagafivdia (Laographia 2, 360 —370).
TlaQaxrjgrioEig eig xa alviy^iazixa ^aQa/xvdia (ebd. 2, 371 o84).
N. G. P o l i t e s ,
192
Bolte:
Ü b e r die L eistu n g e n a u f dem G eb iete d e r s l a w i s c h e n M ä rc h en fo rsc h u n g
m u ss ich a u f die B e rich te d e r H e rre n B rü c k n e r und P o lfv k a v erw e isen u n d fü h re
n e b e n zw ei e in g eh e n d e n In h a ltsa n g a b e n P o l i v k a s 1) ü b e r e in e n eu e g ro ssru ssisc h e
und eine ru th e n isc h e S am m lu n g n u r d ie w illk o m m en e F o rtse tz u n g d e r V e r­
d e u ts c h u n g an, d ie F rä u le in A nna M e y e r 2) 1906 (o b en 16, 454) von d e r b e ­
rü h m te n g ro ssen ru s sis c h e n M ärch e n sam m lu n g A fanassjew Ts beg o n n en h a t. E n th ie lt
d e r e rste B an d h a u p tsä c h lic h T ie rm ä rc h e n , so setzt d e r zw eite u n s 2 0 W u n d e r­
m ä rch en vor, in d e n e n d ie V o lk sp h a n ta sie a u s frem dem G u t u n d eig en en E r­
findungen reizv o lle G eb ild e g e sta lte t hat. So b eg in n t d as e rste S. 1 ‘d e r T ra u m ’
m it d em o ben 2 0 , 74 e rw äh n ten M otiv d es v e rsc h w ie g en e n T ra u m e s, k n ü p ft d a ra n
d ie d en stre ite n d e n E rb e n ab g en o rn m en en Z au b e rg a b e n u n d sc h lie sst m it e in e r an
G rim m s N r. 133 g em a h n e n d e n B e la u sc h u n g d e r n a c h ts a u sflieg e n d en M ädchen
u n d d e r G ew in n u n g d e r R ä tse lp rin z e ss. S. 56 ‘d e r Z a u b e rsp ie g e l’ is t ein e von
B ö k len (o b en S. 185) ü b e rse h e n e V a ria n te d es S n e e w ittc h e n -K re ise s.
Z u S. 72
(D a s F e d e rc h e n v o m h ellen F a lk e n F in ist) vgl. G rim m 8 8 ‘L ö w e n e c k erc h en ’; zu
104 (D ie Z arew n a lö st R ä tse l) R . K ö h ler, K l. S ch riften 1, 218. 321; zu 108
(S ch w esterch en u n d B rü d e rc h e n ) G rim m 1 1 ; zu 114 (D ie w eisse E n te ) G rim m 13;
zu 128 (E len d ) R . K ö h ler, A ufsätze 1894 S. 110; zu 136 (W a ssili Z are w itsc h u n d
E le n a die W u n d e rsc h ö n e ) d ie W e tte um F ra u e n tre u e : R . K ö h ler, K l. S ehr. 1 , 581
u n d R o m a n ia 32, 4 8 1 ; zu 145 (S ch em ja k s R ic h tsp rü c h e ) B en fey , P a n ts c h a ta n tra
1, 398 u n d C h am isso s G ed ic h t v. J. 1832 ‘D a s U rteil d e s S c h e m jä k a ’; zu 149
(D e r T ö p fe r) d en v o n W is s e r im E u tin e r K ale n d er 1911 m itg e te ilte n h o lstein isc h e n
S ch w an k ‘D e ol F ritz u n de B e sse n b in n e r’; zu 158 (D ie v e rsp ro c h e n e n K in d er)
R . K ö h le r 1, 197. 2, 6 02; zu 163 (B len d w e rk ) K ö h le r 2, 210 u n d C hauvin,
B ibliogr. a ra b e 7, 100; zu 171 (D e r G eizh als) oben 20, 325. L e id e r fe h lt je d e r
H in w eis a u f die N u m m e rn d es ru ssisch e n O rig in als. — E in e s e h r e rfre u lic h e G abe
sin d d ie von B ö h m 8) a u s dem g ro sse n S am m elw erk e von L e rc h is-P u sc h k a itis v e r­
d e u ts c h te n lettisch e n S ch w än k e, 54 an d e r Z ahl, d eren A lter u n d V e rb re itu n g u n s
a u sfü h rlic h e v erg le ic h e n d e A n m erk u n g en d arleg en .
G erad e von le ttisc h e r V o lk s­
lite ra tu r ist, a b g e seh e n von d en in D ä h n h a rd ts N atu rsag e n v e rw e rte te n S tücken,
in W e ste u ro p a s e h r w en ig b ek an n t.
H ie r e rs c h e in t z. B. d as m itte la lte rlic h e
M ärchen vom TJnibos (N r. 19), d as F a b le l von P rin z e ss und D ü m m lin g im R e d e ­
kam p fe (N r. 20), d e r o ben zu W o ssid lo S. 98 e rw ä h n te S ch w ank von den d re i
lisp eln d en S ch w este rn (N r. 12) o d e r d as zu S eb illo t p. 205 z itierte M ärch en vom
H a lb h äh n ch en . H offentlich g e lin g t es dem V f. bald, d ie im V o rw o rte v erh e isse n e
g rö s se re S am m lu n g le ttisc h e r M ärch en h e ra u sz u g e b e n . — A us U n g arn h ab e n w ir
« in e aus d em V o lk sm u n d e g esch ö p fte M ä rch en sam m lu n g von H o r g e r (o b en 20, 338)
u n d eine n eu e F o lg e d e r von F ra u R o n a - S k l a r e k a u sg e w äh lte n und v er­
d e u ts c h te n M ärch en (o b en 20, 432) zu v erzeich n en , w elch e im T e x t u n d den a u s ­
fü h rlich e n A nm erk u n g en w issen sc h a ftlic h en S in n u n d fein en G esch m ack offenbart.
D. L u k o p u lo s , T g i a s i a g a ^ i v & i a a h c o h x ä (ebd. 2, 385—398). — D. E v a n g e l i d e s ,
5H t i e i q c d t i x o v z t a o a f i v d i o v (ebd. 2, 475—477).
1) G. P o l l v k a , Onöukovs nordgrossrussische Märchen (Archiv f. slav. Phil. 31, 259
bis 286). — H natjuks ruthenisches ethnographisches M aterial aus Ungarn (ebd. 31,
5 9 4 -603).
2) A. N. A f a n a s s j e w , Russische Volksmärchen, neue Folge, deutsch von Anna
M e y e r. Wien, R. Ludwig 19L0. I I I , 174 S.
3) M. B ö h m , Lettische Schwänke und verwandte Volksüberlieferungen, aus dem
Lettischen übersetzt und m it Anmerkungen versehen. Reval, F. Kluge 1911. X I, 125 S. —■
A. D id o , Contes estoniens 7 (Revue des trad. pop. 24, 236—241). — H. B o u r g e o i s ,
La legende de Suur-Töll, le geant d’Oesel (ebd. 25, 154—172).
Berichte und Bücheranzeigen.
193
A s ie n . In te re ss a n te arm e n isc h e M ärch en teilten F rä u lein C. D a n i e l (o b en
74— 78. 323— 326) u n d W i n g a t e 1) , ein c h a ld ä isch e s M ärch en von dem F e e n ­
lande, wo m an n ich t s tirb t (R . K ö h ler, Kl. S ch riften 2 , 406), und ein a n d res von
dem jü n g ste n S ohne, d e r d re i N äch te an sein es V a ters G rab w a c h t u n d en d lich
G atte e in er K ö n ig sto ch ter w ird (R . K ö h le r 1 ,5 5 1 ), M a c l e r 2) m it. U n ter m eh re re n
in d isch en , c h in esisch e n u n d n o rd a sia tisc h e n S am m lu n g en h e b e ich a u s s e r d en E r­
h eb u n g en von S h a k e s p e a r 3) in d em zw isch en B en g alen u n d B irm a g e leg en en
L u sh a i-L a n d e b eso n d ers R a m s t e d t s k alm ü c k isc h e M ärch en h erv o r. D ie se 18 S tücke,
d en en eine d eu tsch e Ü b e rse tz u n g b eig eg e b en ist, trag en z w a r d as G ep räg e des
N o m ad en leb en s a u f d e r w eiten S tep p e u n d m isch en Z üge d e r lam aistisc h en R e lig io n
ein, en th alten je d o c h fast la u te r in te rn a tio n a le M ärch en th em en . Zu N r. 1 (N a rre n ­
streich e d es D ü m m lin g s) vgl. F re y , G arte n g e sellsch a ft N r. 1; zu 3 (D ieb stie h lt
O chsen d u rc h H inlegen von S ch u h en ) R . K ö h ler 1 , 2 1 0 ; (stie h lt d ie E ie r a u s d em
V o g eln este u n d die H osen d es D ieb s) Je a n B edels F a b le l B arat et H aim et (B ed ier,
L es fab liau x 1895 p. 448) u n d L id z b a rsk i, G esch ich ten au s n eu a ra m ä isc h en H ss.
1H96 S. 241, auch R h o d o k a n a k is, D ia le k t im D o fä r S. 21; zu 4 (G efäh rten m it
w u n d erb aren E ig en sch a fte n ) G rim m 71; zu 6 (V e rtra g zw ischen H e rr u n d D ie n e r
w egen d es Ä rgers) R . K ö h ler 1, 262. 826; zu 9 (G ew inn b rin g e n d er T a u sc h ) C osquin, C ontes pop. d e L o rra in e 2, 205; zu 10 (G lü ck sv o g el von zw ei B rü d e rn v er­
zehrt, die d re i W u n sc h d in g e g e w in n en ) R . K ö h le r 1, 4 0 9 ; zu 11 (d e r jü n g s te
B ru d e r verfolgt d as U n g eh eu er, b e freit d rei M äd ch en ; tre u lo se B rü d e r) R . K ö h ler
1 , 292. 543; zu 13 (D o k to r A llw issend) eb d . 1 , 39 u n d (R itt g eg en d as feindliche
H eer) ebd. 1 , 5 10; zu 14 (D äu m lin g ) G rim m 37 u n d 4 5 ; zu 15 (d e r d an k b are T o te
m it Z ügen aus dem B uche T o b it: H u n d u n d G alle d e r K atze) R . K ö h ler 1 ,5 ; d e r
S ch lu ss ähnlich d em tre u e n Jo h a n n e s (G rim m 6 ), d och folgt d e r H eld seinem E r­
re tte r in die U n terw elt u n d h o lt ihn in s L eb en zu rü ck . Z u 16 (zw ei B rü d e r u n d
tre u lo se S ch w ester) vgl. R . K öhler 1 , 3 01; zu 17 (Z üge au s d e r v erb ran n ten H au t
des T ie rb rä u tig a m s u n d au s d en b ela u e rte n S ch w an en ju n g frau en ) ebd. 1, 315 u n d
444. — A r a b i s c h e E rzäh lu n g e n au s d e r ä lte re n L ite ra tu r fü h rt u n s B a s s e t 4) zu,
d a ru n te r (R e v u e 24, 192) A bulfedas V ersion d e r R ü g en g lo c k e (O esterley zu G esta
20,
1) J. S. W i n g a t e , Armenian folk-tales 1—3 (Folk-lore 21, 217—222. 365—377).
2) F. M a c le r , Contes chaldeens 3—4 (Revue des trad. pop. 24, 24 —32. 25,20—31).
3) D. B o d d in g & C. H. B o m p a s , Folk-tales and legends of the Santal Parganas.
London, D. N utt 1909. 483 S. 12/6. (vgl. Folk-lore 21, 124). — J. S h a k e s p e a r , Folktales of the Lushais and their neighbours (Folk-lore 20, 3 8 8 - 420). — Y. T. W o o , Chinese
inerry tales, translated into english. Shangai, P resbyterian mission press 1909. IV, 58 S. —
Mary Hayes D a v is & C h o w - L e u n g , Chinese fables and folk stories. New York,
American book co. 1909. 214 S. (vgl. Folk-lore 20, 517). — G. J. R a m s t e d t , Kalmückische
Sprachproben gesam melt und hsg. 1. Teil: Kalmückische M ärchen 1 (Memoires de la soc.
tinno-ougrienne 27, 1—154). — J. N ip p g e n , Contes mogols (Revue des trad. pop.24,93.
181. 341. 458). — Contes kalmouks (nach Ram stedt. ebd. 25, 324f.). — Contes des Ten’a
(nach Jesse. Ebd. 25, 8 8 -1 0 0 . 1 7 4 -1 8 4 . 219—227. 280f.).
4) R. B a s s e t , Contes et legendes arabes 749—783 (Revue des trad. pop. 24, 1 —20.
107-115. 1 8 9 -200. 257 - 261. 353 - 359. 25, 2 0 9 -2 1 5 . 458j. — R. G r a g g e r , Eine ara­
bische G estalt der Bürgschaftssage (Zs. f. vgl. Literaturgesch. 18, 123—126;. — N. R h o ­
d o k a n a k is , Der vulgärarabische D ialekt im Dofär (Zfär) 1: Prosaische und poetische
Texte, Übersetzung und Indices. Wien, A. H older 1908. X , 144 S. fol. (Südarabische
Expedition Bd. 8). — W. H e in , Mehri- und Hadrami-Texte gesammelt im Jah re 1902 in
Gischin, bearbeitet und hsg. von D. H. M ü lle r . Wien, Holder 1909. X X V III, 200 S. fol.
(Südarabische Expedition Bd. 9).
Zeitschr. cl. Vereins f. Volkskunde. 1911. Heft 2.
13
194
Bolte:
R o m a n o ru m 1 0 .'). L id z b a rsk i 189(5 S. 153); ein e au s e in e m n e u eren tü rk isch e n
B u ch e stam m en d e A b w an d lu n g d e r ‘B ü rg sch a ft’ (G e sta R o m . 108. L id z b a rsk i
S. 163) in m o h am m e d a n isc h e W e lta n sc h a u u n g g ib t G r a g g e r ; sie fin d et sich a b e r
b e re its in d e r 1 0 0 1 N ach t (C hauvin, B ibliogr. a ra b e 5, 216 N r. 12.3). V o n dem
g ro ss an g eleg ten B eric h t ü b e r d ie von d e r W ie n e r A k ad em ie d e r W isse n sc h a fte n
u n tern o m m en e sü d a ra b isc h e E x p ed itio n , d essen w ir sch o n m e h rfac h (oben 16, 458.
17, 339) rü h m e n d zu g e d e n k e n h atte n , sin d zw ei w eitere B än d e ersc h ien e n , die
a u ss e r den sp ra c h lic h e n E rg e b n isse n au ch d e r M ärch e n fo rsc h u n g G ew inn b rin g en .
R h o d o k a n a k i s h a t 1904 au s d em M unde ein es in W ie n w eilen d e n B eduinen
M ham m ed eine g ro sse Z ah l von L ie d e rn u n d 17 P ro sa e rz ä h lu n g e n in d e r M u n d art
von D o fä r am p e rsisc h e n M eerb u sen au fg ezeich n et, d ie e r n e b st e in e r V erd eu tsch u n g
u n d e rlä u te rn d e n A n m erk u n g en veröffentlicht. E in ig e d e r E rzä h lu n g e n sc h ild e rn
K äm pfe u n d A b en teu er, a n d e re tra g e n m ä rc h en h a fte n C h arak te r. So e n th ä lt S. 1
(D ie S tiefm u tter) d ie o b en 16, 340 z u S. 52 n ach g ew ie se n e n E le m e n te d es B rü d e r­
m ärch en s, des F o rtu n a t-R o m a n s u n d d en b e i B en jam in v e rsteck ten B e c h e r; ebenso
H ein-M üller, M e h ri-T e x te S. 91. S. 5 (b ü Z ed) d ie B efreiung e in e r d e r S ch lan g e
g eo p ferten Ju n g fra u . S. 21 (D ie d re i d ieb isc h en B rü d e r) d ie S treich e d es E ie r­
d ieb es (oben zu R a m s te d t N r. 3), d es E se ld ie b e s (R . K ö h ler 1 , 507) u n d des
R ä u b e rs von R h a m p sin its S ch atz (K ö h le r 1, 208 f.). S. 26 (D e r fliegende K asten)
d ie E n tfü h ru n g e in e r P rin z e ssin m it H ilfe ein es tre u e n G efä h rte n u n d ein es
fliegenden K offers (C h au v in , B ibliogr. a ra b e 5, 232); z u r E rp ro b u n g d es G efäh rten
vgl. H ein-M üller, M e h ri-T e x te S. 50. S. 34 (E l m im rit) ein G o ttesu rteil m it h eissem
E isen (G rim m , R e c h ts a lte r tü m e r 3 S. 913). S. 36 (D ie T o c h te r d es S o n n en au fg an g s)
die T re n n u n g eines flieh en d en L ie b e sp a a re s u n d ih re s K in d es d u rch ein en W u n d ervogel, doch an d e rs als im M ag eio n en ro m an u n d in d e r P la c id u sle g e n d e (W a rb e ck ,
M agelone ed. B olte 1894 S. X V I 1. B asset, C ontes h e rb e re s 2, 244). S. 42 (B enuw äs) e rsc h e in t d e r listig e A bu N uw äs b ald als F u c h s, d e r d ie H y ä n e u m ih r
M ahl b e trü g t u n d sich von ih r trag en lä s s t (w ie in den T ie rm ä rc h e n b e i K rohn,
B ä r u n d F u ch s 1889 S. 75 u n d 55), d en L eu te n ein en S ilb ersc h m u c k trag e n d e n
B au m u n d eine T o te erw ec k e n d e K atze v erk au ft (vgl. U nibos b ei R . K ö h le r 1, 233),
d ie A ufgabe, n ic h t g eritten , n ich t g e g an g en zu k om m en, lö st (K ö h ler 1 , 447), und
an d re, au ch d em N asred d in C h o d ja z u g e sch rie b e n e S tre ic h e . S. 48 (£ ib e y r) die
zw eideutige F ra g e d e r vom K n ech t g e tä u sc h te n M ädchen (K ö h ler 1, 150 f. 291.
C h au v in 6 , 180. F . H ahn, K ols 1906 S. 21). S. 56 (D es K n ab en L ist) d e r h a b ­
g ierig e K äu fer w ird d u rc h d ie F o rd e ru n g e in e r D o se S c h n ak en fett ü b erw u n d e n
w ie in 1001 N ach t d u rc h d ie F o rd e ru n g e in es S cheffels F lö h e . — D e r a n d e re
B and e n th ä lt d ie 1902 von d em se ith e r v e rsto rb e n e n W ie n e r O rien ta liste n u n d
E th n o lo g en H e i n , einem g esc h ätz te n M ita rb e ite r u n s e re r Z eitsch rift, in G isch in an
d e r sü d a ra b isc h e n K ü ste au fg ezeich n eten M aterialien zu r v u lg ä ra ra b isc h e n D ia le k t­
k u n d e u n d V o lk slite ra tu r, E rz ä h lu n g e n , L ie d e r, R ä tse l, S p rü ch e u n d Spiele, die
sein L e h re r Prof. D. H . M ü l l e r m it a lle r S o rg falt b e a rb e ite t hat. A uch h ie r k ann
n u r a u f ein ig e d e r 58 E rz äh lu n g e n h in g ew iesen w erd en , d ie n ic h t im m er g u te u n d
v o llstän d ig e F assu n g e n en th a lte n . S. 3 (A bu N uw äs H irse k o rn ) ist d as oben 16,
339 u n d 2 1 , 193 zu R a m ste d t N r. 9 e rw ä h n te g e w in n b rin g e n d e T a u sc h g e sch ä ft.
S. 10 D e r F u ch s b e trü g t d ie H y ä n e u n d e n trin n t ih r e r G efan g en sch aft. S. 15 (D ie
sieben B rü d er) u n d 139 (D ie M ilch d e r W ild zie g e ) B ran d m a rk u n g d e r h o c h ­
m ü tig en S ch w äg er w ie o ben 6 , 164 u n d W etz e l, S ö h n e G iaffers 1895 S. 2 15; vgl.
F ro b en iu s, D ek am ero n S. 76. S. 19 (H irtin und W erw o lf). S. 20 (D e r T ö c h te r­
feind) oben 16, 459 u n d 17, 340 zu M ü ller 2, 57 u n d 3, 102. S. 31 (D e r K ern
im S chlunde) u n d 138 (D e r K nochen im S ch lu n d ) ein H äu fu n g sm ärch en , s. R . K ö h ler
Berichte und Bücheranzeigen.
195
3, 355. S. 32 (Z w ei D ieb e) u n d 58 (D ie b e id en D ieb e ) is t R h a m p sin its S ch atzh a u s
(oben zu R h o d o k a n a k is S. 2 1 ). S. 37 (D ie d re i T ö c h te r) d ie v erle u m d e te u n d
vom V a te r zu r T ö tu n g b estim m te J u n g fra u u n d d e r von d en n eid isc h e n S chw estern
v erw u n d ete G atte. S. 43 (D ie T o c h te r d e r A b essy n ierin ) g e h ö rt eb en falls zum
K reise d e r verfo lg ten F ra u ; d a s von d e r S tie fm u tte r v e rsto sse n e M äd ch en w ird im
W a ld e von einem P rin z e n g efu n d e n u n d g e h e ira te t; sp ä te r v e rle u m d e t ein a b ­
g e w ie se n e r B u h ler sie u n d tö te t ih re d rei K in d er. S. 54 und 1 1 1 (D ie d rei
S chw äger) ist d as M ärch en von d e n T ie rsc h w äg e rn , s. R . K ö h le r 1 , 418. 551.
5. 60 (D ie T ö c h terfein d in ) zw ei M äd ch en en trin n en e in e r M en sch en fresserin . S. 62
(D ie drei W u n d e rd in g e ) e n tsp ric h t G rim m s N r. 36 ‘T isch c h e n d ec k d ic h ’; vgl. A am es
oben S. 1<S4 an g e fü h rte M on o g rap h ie. S. 80 (D ie W ild zieg e) g e h ö rt zu d en o b en
6 , 170 erw äh n ten E rzä h lu n g en von d e n d re i L e h re n , d eren v o rn eh m ste la u te t:
V e rtra u e k e in e r F ra u ein G eh e im n is an ! u n d n ä h e rt sich d en P ro b e n d e r F ra u e n ­
v e rsch w ieg en h eit in d en G esta R o m a n o ru m 124, C osquin N r. 77 u. a. S. 84 (D e r
sch lau e K adi) vgl. W ic k ra m , W e rk e 3, 386 N r. 79 ‘V on einem Pfaffen, d e r K ö p f
k ö n n t m ach e n ’. S. 91 (D ie zw ei W a ise n ) s. oben zu R h o d o k an a k is S. 1. S. 99
(D ie zw ei K inder) stim m t zu G rim m N r. 11 ‘B rü d e rc h e n u n d S ch w esterch en ’.
S. 116 (D ie P o rtia vo n G isch in ) ist d ie oben 17, 339 zu M üller 3, 23. 73 be*sp ro ch en e G esch ich te vom F le isc h p fa n d e S. 126 (M ah ay m ü u n d L ey len ö t) sc h lie sst
m it den aus den G rä b e rn d e r L ie b e n d e n a u fw ach sen d en B äum en. S. 131 (D er
n ä rrisc h e M ann) e n th ä lt d ie rä tse lh a fte n A ntw orten b ei R . K ö h ler 1, 197. 2, 601
u n d B asset, C ontes b e rb e re s 2, 147. 350. S. 133 (D er S piegel und d e r S pinn­
ro ck en ) vgl. W etzel, S öhne G iaffers S. 203 ü b e r Z au b ersp ieg el. S. 136 (D as Siegel
u n d d e r M än n erg ü rtel) e rin n e rt au ffällig an d as oben S. 191 an g e fü h rte k o rsisc h e
M ärchen in d e r R e v u e des tra d . pop. 25, 466.
A f r i k a 1). In A lgier sam m elte D e s p a r m e t 26 re c h t a u sfü h rlich erzäh lte
K in d erm ärch en , die säm tlich von d en G h u ls h an d eln . D ies sind m en sc h e n fre sse n d e
D äm onen, die ein g ro sse s R e ic h m it eig e n e r V e rfa ssu n g b ild en , sich in T ie re ,
Pflanzen, W in d e v erw an d eln , d och au ch m en sc h lich e G e stalt an n eh m en k ö nnen
u n d dann n u r n ach ts g leich den W erw ö lfen u n d V a m p y ren ih re r sch au erlich en
1)
J. D e s p a r m e t , Contes populaires sur les ogres, recueillis ä Blida, tome 1. Paris,
Leroux 1909. 449 S. (Collection de contes et chansons populaires 35). — R. B a s s e t , Le
reve du tresor sur le pont, version kabyle (Revue des trad. pop. 25, 86—88). — Y. A r ti n
Pacha, Contes populaires du Soudan egyptien, recueillies en 1908 sur le Nil blanc et le
Nil bleu. Paris, Leroux 1901). 57 S. (Collection de contes 34). — L. F r o b e n i u s , Der
schwarze Dekameron, Belege und Aktenstücke über Liebe, Witz und Heldentum in Inner­
afrika gesammelt. Mit Zeichnungen von F. Nansen und photographischen Aufnahmen.
Berlin-Ch., V ita [1910]. 389-S. 8 Mk. — E. D a y r e l l , Folk s t o r i e s from Southern Nigeria,
West Africa, with an introduction by A. L a n g . London, Longmans, Green & co. 1910.
XVI, 155) S. 4/6. — A. J. N. T r e m e a r n e , F ifty Hausa folk-tales 1—18 (Folklore 21,
199—215. 351—365). — H. G. H a r r i s , H ausa stories and riddles, Weston-super-Mare,
Mendip 1908. XV, 111, 33 S. (vgl. Folk-lore 20, 374f.). — A. J o s e p h , Contes de la
Cote-d’ivoire (Revue des trad. pop. 25, 314t. 439f.). — K. W e u le , Negerleben in Ostafrika. Leipzig, ßrockhaus 1908. X II, 524 S. geb. 10 Mk. — G . L a d e m a n n , Tierfabeln
und andere Erzählungen in Suaheli, übersetzt von L. K a u s c h und A. R e u ss. Berlin,
G. Reimer 1910. 120 S. 2,25 Mk. (Archiv f. d. Studium deutscher Kolonialsprachen 12). —
A. W e r n e r , The B antu element in Swahili folk-lore (Folk-lore 20, 432—456). —
E. J a c o t t e t , The treasury of Ba-suto lore, being original Se-suto texts, with a literal
english translation and notes, vol. 1. London, Kegan, Paul, Trench, Trubner & co. 1908.
X X V III, 287 S.
13*
196
Bolte:
N eigung n ach g eh e n .
Sie zu v e rtilg e n , g ib t es n u r ein R a d ik a lm itte l, d as V e r­
b re n n e n ; w er von ih re m B lu te b e sp ritz t w ird, v e rw a n d e lt sich se lb e r in ein en
G h u l.
W e n n die G h u ls ö fter als N eg er g e sc h ild e rt w erd en , so h a t w o h l d ie
K unde von M en sch en fressern in In n e ra frik a m itg e w irk t. H ilfe g eg en je n e F e in d e
g e w äh ren den M en sch en d ie g u te n G enien (D ja n ), die ö fte r ih re T ö c h te r m it
d iesen v erm äh len . In d en M ärch en sin d v ie le b e k a n n te Z üge ein g ew eb t, so da&
a u sse rh a lb d es L e ib e s a u fb e w a h rte L e b e n , d ie L ie b e d u rc h T ra u m , die B rü d e r
m it w u n d erb aren E ig en sch a ften , d e r an S telle d e r E n tflo h en en an tw o rte n d e S peichel,
d ie S ich eru n g des H elden d u rch S au g en an d e r B ru st d e r D äm o n in u. a .; a b er
au ch die H a u p tth e m e n e n tsp rec h en häufig v e rb reite te n E rz ä h lu n g e n : S. 127 (L ’e n fan t
allaite p a r u n e G h o u le) e n ts p ric h t u n s e re r F ra u H o lle (G rim m 24. C osq u in 2, 1 2 0 ).
S. 140 (B ent E ssa q e t son frere) d ie tre u lo se S c h w e ste r d es D ra c h e n tö te rs m it den.
d re i H u n d eu (R . K ö h ler, Kl. S ch riften 1 , 303). S. 183 (L a c av ern e d es G ho u ls)
Ali B aba u n d d ie v ierzig R ä u b e r (C h au v in 5, 79. G rim m 142). S. 343 (L a fem m e
qui se sau v a de ch ez un G h o u l) stim m t im E in g än g e zu G rim m 12 ‘R a p u n z e l’
und in d e r F o rtse tz u n g zu G rim m 3 ‘M arie n k in d ’; d e r R a u b d e r n e u g e b o re n en
K in d er u n d die V e rd ä c h tig u n g d e r F ra u a ls M e n sch en fresserin b eg eg n e t auch p. 233.
S. 397 (L e G houl d u p u its) d ie n ä c h tlic h e W a c h e am B aum , d e r verfo lg te U n h o ld
u n d die au s d em B ru n n e n b efre ite n Ju n g fra u e n (R . K ö h le r 1 , 21)2. 543). S. 407
(L e G houl b lesse en m a ra u d e ) d ie A ufgabe, d as F lo h fe ll zu e rra te n (R . K ö h ler
1 , 389) u n d die R ä u b e rb ra u t (G rim m 40. 46). — E in e k a b y lisc h e E rz ä h lu n g vom
T ra u m vom S chatz a u f d e r B rü ck e verö ffen tlich t B a s s e t m it H in w eis a u f u n se re
Z e itsc h rift 19, 289. — N eu n zeh n k u rze M ärch en v e rsc h ie d e n e r V ö lk e rsch a fte n a m
oberen Nil g ib t A r t i n P a sc h a h e ra u s, dem w ir schon eine 1895 e rsch ie n en e
äg y p tisch e L ese v e rd an k e n . E rw ä h n u n g v e rd ie n t N r. 4 (L e re n a rd et le co rb e a u )
d e r F rie d e u n te r d en T ie re n (K irch h o f, W e n d u n m u t 3, 128), N r. 7 (L e m arc h a n d
et les sin g es) d e r S ch w an k , w ie ein von d en Affen b e sto h le n e r K au fm an n d ie se
die M ützen au fsetzen u n d d an n w eg w erfen le h rt, N r. 14 (L e feu) u n d 15 (N e bats
p as ton ch ien ) d ie E n td e c k u n g d es F e u e rs , N r. 18 (In eg a lite d an s la vie) d ie E n t­
steh u n g d e r sch w arzen u n d d e r w eissen R a s s e . — W e ite re K reise su c h t d e r
A frik afo rsch er F r o b e n i u s fü r d ie V o lk slite ra tu r d e r N eg er zu in te re ssie re n , d e ren
W e rt e r d u rc h den T ite l ‘D e k am ero n ’ u n d d ie se lb stb e w u sste W id m u n g an M eister
B occaccio (D reh en Sie sich, b itte, im G ra b e ein w en ig u m u n d b lä tte rn Sie in
diesem B ü ch lein !
Ic h hoffe, Sie w e rd en n ic h t zu e n ttä u sc h t sein ) an zu d eu ten
streb t. Am eig e n a rtig ste n w irk e n d ie im e rsten T e ile ‘V on R itte rtu m u n d M in n e’
v ere in ig te n H e ld e n lie d e r, d ie zu e in e r p rim itiv en G ita rre g esu n g e n , ein vom m itte l­
a lte rlic h e n E u ro p a o d e r sp ä te re n S erb ien n ic h t a llz u se h r ab w e ic h en d e s B ild e n t­
ro llen : k lein e A delssitze, d e ren u n a b h ä n g ig e H erren g ern a u f A b e n te u e r au szieh en ,
oft n u r von e in e m K n ap p en u n d ein em S ä n g e r g ele ite t, m ä n n lic h e r T a te n d u rst
u n d ra sc h e s M in n ew erb en , d ie ro h e K raft d u rch E h rg e fü h l b e h e rrsc h t.
N äh e r
sc h ild e rt d iese e n tsc h w u n d e n e H ero en z eit F ro b e n iu s in P e te rm a n n s G eogr. M it­
teilu n g en , 166. E rg än zu n g sh eft.
D ie b e id en än d ern T e ile sin d b e tite lt ‘R e in e k e
und C ie im B u sch ’ u n d ‘C h a ra k te rty p e n ’, d. h., n ü c h te rn e r a u sg e d rü c k t, T ie rm ä rc h e n
u n d a ra b isc h e N ovellen. O ffenbar g ib t F. k e in e w ö rtlich e Ü bersetzu n g , so n d ern
ein e N ac h e rz ä h lu n g d e r von ih m s e lb e r in In n e ra frik a g esam m elten S tücke, w ie
e r au ch sein B uch als eine E rh o lu n g von g e le h rte r A rb eit b ezeich n et. T ro tz d e m
w ird au ch die v e rg leic h e n d e M ärch e n fo rsc h u n g d a n k b a r d as re ic h e h ie r d arg e b o te n e
M aterial in E m p fan g n eh m e n , zum al d e r V f. m it sein en b ek a n n te n m ytho lo g isch en
A nsichten z u rü ck h ä lt.
A n E in z elh eiten n o tie re ich S. 76 (D e r R a sse n re in e ) B e­
sch äm u n g d e r hoffärtigen S chw äger, o ben zu H ein-M ü ller, M eh ri S. 15. — S. 154
Berichte und Bücheranzeigen.
197
(D ie ld u g e H atum ata) Z eich en b o tsch aft, vgl. oben 18, 6 !»
d e r M örder b estellt
d ie ihn v erraten d e rä tse lh a fte B o tsch aft, oben 6 , 59 zu G o n zen b ach 1 . — S. 181
u n d 198 (K uh an g eb lich bis a u f d en S chw anz in d en S u m p f v ersu n k e n ) R . K öhler,
K l. S chriften 1, 150. 327 f. — S. 188. 208. 2S7 (D e r H u n d v ersp o ttet d en S chakal,
e r h abe eine W u rzel sta tt sein es F u ss e s g ep ack t) K ro h n , B är u n d P u ch s 1895
S. 62. — S. 193 (d re i W a h rh e ite n sagen) R . K öhler 1, 554. — S. 262 (T isc h le in
deck dich) G rim m Nr. 36 und H ein -M ü ller, M ehri S. 62. — S. 310 (D e r L ü g e n ­
k ü n stler) R . K öhler 1, 230. —
S. 331 (E in B asta rd ) W etz ei, S öhne G iaffers 1896
S. 198. — S. 342 (D e r L istig e ) R . K ö h ler 1, 65. 190. 3, 164. S. 364 (d re i
H a a re erra te n ) M onteil, C ontes so u d a n a is 1905 p. 148.
S. 368 (L ie b e sp ro b e )
U hland, D er W irtin T ö c h te rle in . — S. 380 (H u re n ra c h e ) F rey, G a rte n g e se llsc h a ft
S. 286 zu V. S chum ann N r. 47. — A uch d ie 40 E rzäh lu n g en , die D a y r e l l im
b ritisch en N ig eria bei C a la b a r aufgenom m en hat, sind frei w ied erg eg eb en u n d
sch liessen ö fter m it e in e r h u m o ristisc h en N utzan w en d u n g , d ie e h e r e u ro p äisch als
a frik a n isc h klingt, en th alten a b e r m an ch e w ertvolle A u fsch lü sse ü b e r A nsch au u n g en
u n d G eb räu ch e. F a st d ie H älfte dav o n sin d n a tu rd e u te n d e T ie rm ä rc h e n . A u f B e­
rü h ru n g en m it eu ro p ä isc h e n M ärchen h a b e n A ndrew L ang in seinem V o rw o rte
u n d A. R . W rig h t (F o lk -lo re 21, 260) b e re its h in g ew iesen ; doch m ö ch te ich
g leich falls einige P a ra lle le n a n fü h re n : N r. 3 (T h e w om an w ith tw o sk in s) vgl.
R . K ö h ler 1, 31!» und M aynadier, T h e w ife o f B ath’s tale 1901. N r. 4 (T h e
k in g ’s m agic d ru m ) sch ein t au s dem T isc h le in d e c k d ic h en tstellt; s. F ro b e n iu s
S. 262. Nr. 6 (T h e p re tty stra n g e r) Ju d ith u n d H o lo fern es. N r. 8 (T h e d iso b ed ie n t
d a u g h te r who m a rrie d a sk u ll) u n d 28 (T h e k in g a n d th e ju ju tree) v erg leich t sich
d e r zu D e sp arm et 1, 407 z itie rte n R ä u b e rb ra u t; n u r ist d e r B räutigam ein Schädel,
d e r sich von sein en F re u n d e n
im G e iste rla n d e d ie ü b rig en G lied m assen g eb o rg t
h at; dem M ädchen g elin g t es,
a u s d em L a n d e d e r T o te n zu en trin n en . Nr. 22
(T h e h ip popotam us an d th e to rto ise) d as E rra te n d es N am ens, d och u n te r än d ern
U m stän d en als o ben 6 , 172 (zu G o n zen b ach 84). N r. 24 (T h e fa t w om an who
m elted aw ay) die W ie d e rb e le b u n g d e r allein ü b rig g e b lie b e n e n Z eh e e rin n ert an
R . K öhler 1 , 275 u n d M ontanus, S ch w a n k b ü ch e r S. 591 f. N r. 28 (T h e slave girl
w ho trie d to k ill h e r m istre ss) e n tsp ric h t G rim m 1 1 , n u r d a ss a n sta tt d es in ein
R e h v erw an d elten B rü d e rc h e n s eine m issh a n d e lte k lein e S c h w e ste r d e r H eldin
tritt. — In O stafrik a h at L a d e m a n n h u n d ert k u rze E rzä h lu n g e n in S u ah eli ge­
sa m m e lt u n d ediert, d e n en zu g leich ein e d eu tsc h e Ü b e rtra g u n g beig eg eb en ist.
N eben einigen T ie rm ä rc h e n , in den en d e r sc h lau e H ase ein e b eso n d ere R o lle
spielt, finden w ir m an ch e b ek an n te n , im O rien t w ie in E u ro p a um lau fen d en
S chw änke, bisw eilen a lle rd in g s in e n ts te llte r F o rm : N r. 5 (S elim an b in D au d ) ist
d as M ärchen von d e r T ie rs p ra c h e ; R . K ö h ler, Kl. S ch riften 2, 610. — Nr. 12 (D ie
F lieg e holt d as F e u e r) D ä h n h a rd t, N a tu rsa g e n 3, 106. — Nr. 19 (K ib w an a und
d ie sieben D iebe). D e r D u m m e w irft sein S c h a f w eg, w eil an d re e s R a t t e n e n n e n ;
vgl. B enfey, P a n ts c h a ta n tra 1, 355 u n d O e ste rle y zu P au li, S chim pf u n d E rn st
c. 632. — N r. 23 (D e r D um m e u n d d e r S ch lau e) ist S er G iovannis N ovelle vom
U nterricht in d er L ie b e sk u n st; s. H. Sachs, F a b e ln ed. G o etze -D resch er 3, 291
nr. 142. — x r . 3 0 (D je B ettlerin u n d ih r S ohn) d re i W u n sch d in g e den stre ite n d en
E rb en abgen o m m en ; R . K ö h ler 1, 312. — N r. 31 (D e r L öw e u n d d ie Schlange)
u n d 50 (D e r F a lle n ste lle r) S ch lan g e lö se n ; o ben 6 , 166 und R . K öhler 1, 581.
N r. 34 (S u ltan M nganya) d ie A ufgabe, L e o p a rd , Z iege und B lätter ü b er ein en
F lu ss zu b rin g en ; oben 13, 95. 311. - N r. 35 (D e r Sohn d e r E h e b re c h e rin stellt
sic h b lind) oben 10, 7 4 . M ontanus, S c h w an k b ü c h e r S. 611. — N r. 6 6 (F rag en
au fg etrag en ) R . K ö h ler 1, 466. — N r 69 (D a n k d e r au s d er G ru b e g ezogenen
Bolte, Brückner:
198
T ie re u n d d es M en sch en ) B en fey 1 , 192. O esterley zu G esta R o m a n o ru m c. 119. —
N r. 71 (D e r d a n k b a re T o te ) R . K ö h le r 1 ,5 . — M iss W e r n e r m u s te rt d ie A b en teu e r
des H asen, die in den S u a h e li-E rzä h lu n g e n h a u p tsä c h lic h d a s a frik a n isc h e E le m e n t
re p rä s e n tie re n , doch au ch d u rc h d ie a ra b isc h e n S ch w än k e von A bu N uw asi
b eein flu sst w ord en sin d .
A uf die n e u e rd in g s in A m e r i k a 1) u n d A u s t r a l i e n 2) au fg eze ich n e ten M ärch en
d e r E in g eb o re n e n e in zu g eh en , w ü rd e u n s h ie r, wo w ir n u r d ie in E u ro p a v e r­
b reiteten Stoffe v erfo lg en w ollen, zu w eit fü h ren .
B e rlin .
Jo h an n es
B o lte .
Neuere Arbeiten zur slawischen Volkskunde.
I. Böhmisch und Polnisch.
W ir stellen d iesm al d as B ö h m i s c h e voran, d en n g e g e n ü b e r d e r R e ic h h a ltig k e it
u n d F ü lle s e in e r v o lk sk u n d lich en L ite ra tu r tr itt d ie p o ln isch e e rh e b lic h zu rü ck .
U n te r d en B öhm en se lb st g eh t, w ie b is h e r im m er, d e r u n e rm ü d lic h e C en ek Z i b r t
v oran, stets N eu es sin n en d , u m sein em g e lie b te n G eb iete Y e rstä n d n is u n d In te re ss e
in den w eiteste n K reisen zu sich e rn .
D iesm al sc h lu g e r einen o rig in ellen W eg
e in ; u n tp r dem G esam ttite) ‘V esele chvi'Ie v zivote lid u c e sk eh o ’ (K u rzw eil im
b ö h m isch en V o lk sle b e n ), g ab e r in sie b e n re ic h illu strie rte n H eften ein e A rt
b öhm ischen F e stk a le n d e rs h e ra u s ; d es e rste n H e fte s w ar sch o n im v origen B eric h t
(oben 20, 219) g e d ac h t, d as B ild e r von d en e in stig e n S p in n ab e n d e n b ra c h te ; d as
zw eite ‘M aso p u st d rzim e’ (W ir h a lte n F a stn a c h t), 146 S., b e h a n d e lt d ie Z eit von
N e u jah r b is zum D o n n ersta g n a c h F a stn a c h t, wo d ie le tz te n F a stn a c h tsre ste ‘au sg e b e u te lt’ w e rd e n ; g a r a u sfü h rlic h w e rd e n d ie D re ik ö n ig su m zü g e m it d e r P e rc h ta
(P e ru c h ta , S p ere c h ta u sw ., in S ü d b ö h m en eine P fe rd e m a sk e d a rste lle n d ; in N o rd ­
b ö h m en u n d M äh ren v e rm u m m te F ra u e n m it sch re c k lich e n L a rv e n ) g esch ild ert.
In ein em b eso n d e re n W e rk c h e n ‘M aso p u st z K o b lih o v ic a B ach u s souzen a p ochov a n ’ (U rteil u n d B eg räb n is d e r K ra p fen fa stn a ch t u n d d es B acch u s) w erd e n d ie
stä d tisch en F a stn a c h tb rä u c h e d arg e ste llt, n a m e n tlic h d e r S tre it z w isch en F a stn a c h t
u n d F a ste n u n d ih r zu G rab e tra g e n , S. 60 (im e rste n T e ile A b d ru ck m e h re re r
1) H arriet Maxwell C o n v e r s e , Myths and legends of the New York state Iroquois,
ed. by A. C. P a r k e r . Albany, N. Y. 1908. 195 S. (New York state Museum bulletin 125.
Vgl. Folklore 21, 126). — C. H. M e r r ia m , The dawn of tiie world, myths and weird tales
told by the Mewan Indians of California. Cleveland, A. H. Clark 1910. 270 S. —
F . A. G o ld e r , Eskimo and Aleut stories from Alaska (Journal of american folk-lore 22,
10—24). — H. H ull St. C l a i r , Traditions of the Coos Indians of Oregon (ebd. 22, 25 —41).
Shoshone and Comanche tales (ebd. 22, 265 —282). — J. C u r t i n , Achomawi mvths (ebd.
22, 288—287). — P. B a d in , W innebago tales (ebd. 22, 288—313). — R. B. D ix o n ,
Shasta myths (ebd. 23, 8—37). — F. S t ä h e l i n , Tierm ärchen der Buschneger in Surinam
(Hess. Bl. f. Volkskunde 8, 173—184).
2) A. A. G r a c e , Folktales of the Maori. W ellington, N. Z., Gordon & Gotsch 1909.
257 S. (vgl. Folk-lore 21, 128). — M. A r c h a m b a u l t , Contes et legendes de la Nouvelle
Caledonie (Revue des trad. pop. 24, 117—127). — R. H. M a th e w s , Australian folk-tales
(Folk-lore 20, 485f.). — The W allarco and the willy-wagtail (ebd. 20, 214—21(5). —
Jos. M e ie r , Mythen und Erzählungen der Küstenbewohner der Gazelle-Halbinsel (NeuPommern), im U rtext aufgezeichnet und ins D eutsche übertragen. M ünster, Aschendorff
1909. X II, 291 S. 8 Mk. (vgl. DLz. 1910, 1525 f.).
Berichte und Bücheranzeigen.
199
F a stn a c h tsp ie le ; im zw eiten A uszug au s d em B uch d es R v aeo v sk y ‘M asopust’,
F a stn ach t, vom J a h r 1580). D as 3. H eft, 142 S. ‘S m rt n esem ze v si’ (W ir trag en
den T o d aus dem D o rfe), b e h a n d e lt B räu ch e u n d F e ste vom B lasien tag e an, das
D o ro th een sp iel, d en G re g o rsta g in d e r S chule, d en T o te n so n n ta g (Ju d ic a , n ich t
L ätare, w ie a n d e rsw o ; seit d em 16. J a h rh . w ird fälsch lich d as T o d a u stra g e n als
a u s P olen e in g efü h rt b e tra ch te t, b ei d e sse n C h ristia n isie ru n g m an an ein em be­
stim m ten T a g e im g a n zen L an d e die G ötzen in s W a sse r g e w o rfen h ä tte ): P a lm ­
sonntag, O sterru te, d ie S piele m it d en O stereiern . H eft 4 (64 S.) ‘K ralo v e a k ra lovnicky’ (K önige u n d K önig in n en ), b rin g t die P fingstspiele, P fin g stritt (bei d en
S low aken in M ähren, S ch le sie n u sw .) u n d das V o g e lsch iessen . H eft 5 ‘O bzin k v ’
(E rn te fe stlic h k e ite n ); H eft 6 ‘D en se k räti, noc se d louzi’ (D ie T a g e w erd en
kürzer, die N ächte län g e r), 76 S., b rin g t d ie B räu ch e vom M artins-, A n d reas- u n d
N ikolaustag, sow ie von d e r h. L ucie, d ie d ie fau len S p in n erin n en straft, a u sse rd e m
ein B a rb a ra sp ie l.
D as le tz te (7 .) H eit, 59 S. ‘H oj, ty sted rs v ecere (O d u
W eihnacht), b e h a n d e lt d ie T a g e vom 24. D ezem b er b is N eu jah r, b rin g t eine A us­
lese von W e ih n a ch tslie d e rn , d ru c k t d es K o zm änek W e ih n a c h tssp ie l (2. H älfte d es
17. Ja h rh .), ab. Ic h k en n e k ein en V e rsu c h , d ie V o lk sü b e rliefe ru n g d u rc h W o rt
u n d B ild b e ss e r auszu n u tzen , als es Z ib rt tu t: e r verfo lg t zw ar in d ie se r P u b lik a tio n
w en ig er w issen sch aftlic h e Z w ecke, n och h a t e r es a u f V o llstän d ig k eit a b g eseh en
(e rw ä h n t n ich t ein m al d es H o leso v sk y W e ih n a c h tstra k ta t au s dem E n d e des
14. Ja h rh .), a b e r d ie F ü lle von M ateria l au s a lte r u n d n e u e r Zeit, d ie M enge
B ild er von a lten H olzsch n itten a n b is z u r P h o to g ra p h ie , d e r w arm e T o n , in d em
d e r T e x t g e h a lte n ist, d ie A nreg u n g en , d ie nach allen S eiten au sg eh en (es w ird
z. B. D ilettan ten g era d e z u Stoff fü r A u ffü h ru n g en g eliefert), die g rü n d lic h ste S ach ­
k en n tn is, g e sta lte n d as G an ze zu ein em w ah ren V o lk sb u ch e, so p o p u lär u n d so
in stru k tiv zugleich, so sy stem a tisc h u n d d o ch so u n te rh a lte n d , d ass ich es g e rad ezu
als M u ster h instellen m öchte, w ie m an d as G old d e r T ra d itio n auszu m ü n zen hat.
G leich zeitig n a h m e n d ie z a h lre ic h en a n d e re n P u b lik a tio n e n des V erf. ihren
u n g estö rten F o rtg an g . V on k le in e re n se i g e n a n n t ‘S taro cesk y ru k o h led a novocesky
ru k o z p v t’ (A ltböhm isch e C h iro m a n tie u n d n eu b ö h m isch e H an d fo rsch u n g ), N r. 819
bis 821 d e r P ra g e r >Svetovä k n ih o v n a (W e ltb ib lio th e k ), 222 S. kl. 8 °, wo m it
re ich h altig en E in leitu n g e n ein e altb ö h m isc h e C h iro m a n tia P h ilo n is (15. Ja h rh .) u n d
ein m o d e rn e r h a n d sc h riftlic h e r T ra k ta t (d es : F r. H ek el von 1895), ab g ed ru ck t,
sow ie n ach g ew iesen w ird , d ass d e r b ö h m isch e P h y sio lo g e P u rk y n e d er E rfin d er
d e r D ak ty lo sk o p ie ist.
In d e r ‘P e s tra k n ih o v n a zab av y a k u ltu ry ’ (B unte
B ibliothek für U n terh a ltu n g u n d K u ltu r), nr. 13— 14, g ab Z ib rt S kizzen u n te r dem
T ite l h e ra u s ‘P an n a, 2 e n itb a , 2 e n a : (Ju n g fra u , H eirat, F ra u ), eine S am m lu n g a lt­
b ö h m isch er A phorism en und g e re im te r w ie p ro s a isc h e r T ra k ta te ü b e r d as W e ib ,
im 2. T e il die b ö h m isch e Ü b e ra rb e itu n g ein es p o ln isch e n D ialo g es d es Nik. R e j
(um 1540) ü b e r M ädchen u n d F ra u e n : d as b ö h m isc h e U n ik u m ersetzt d as v erlo ren
g egangene po ln isch e O rig in al (102 S.). U n ter se in e r R e d a k tio n ersch ien au ch eine
in teressan te, h ü b sch a u sg e sta tte te G e le g en h e itssch rift au s A nlass d er V erein ig u n g
von P o d sk a li (d em a lten F lö sse ro rt) m it P ra g ‘P ra h a se lou ci s P odskali'm ’ (1910,
64 S.), m it h isto risc h e n (arch iv a lisc h e n ) u n d e th n o g ra p h isc h e n Skizzen au s V e r­
g an g en h eit u n d G eg e n w a rt d e r eig en a rtig en B e v ö lk eru n g . B eso n d ers u m fan g reich
ist die S am m lung ‘P iv o v p ism eh lido v y ch a zn aro d n e ly c h ’, d as B ier im V o lk s­
u n d v o lk stü m lich en L ied e (P ra g 1910, 402 S.), d as sich a n sc h lie sst dem im vor­
jä h rig e n B erich t an g ezeig ten B uch von d en T rin k e rz ü n fte n u n d -S itte n ; 678 L ie d e r
sin d es, d ie alles, w as m it S ch en k e, T rin k e n , F e ste n zu sa m m e n h ä n g t, zum G eg en ­
stän d e h ab en , auch au s ä lte re r Zeit.
•200
Brückner:
A us d em re ich e n In h a lt d es ‘C esk y L id ’ (B d . 19, H e ft 5— 10 u n d Bd. 2o.
H eft 1— 3), seien z u e rst g e n a n n t d ie F o rtse tz u n g e n d e r D e n k w ü rd ig k e ite n ein es
k le in e n P ra g e r S än g ers u n d H a n d w e rk e rs, F r. H aiss, d ie a n h e im e ln d d as L eb en
a u s d e r M itte des v o rig en Ja h rh u n d e rts , sein e L a s t u n d M ühen sch ild e rn . B een d ig t
is t die S tudie von D r. Jo s. V o l f ü b e r die R o se n k re u z e r in B öhm en u n d ih re
W e issa g u n g für d as J a h r 1622 (je tz t au ch im S ep a ra ta b d ru c k e rsc h ie n e n , 72 S .);
d e r V erf. z ie h t in im m e r w eite ren K reisen d ie G esch ic h te d e r b ö h m isch en
P ro te sta n te n u n d E x u la n te n h e re in , h ie rh e r g e h ö rt a u c h sein e in den S itzu n g sb er.
d e r böhm . G es. d. W iss. 1910 (h isto r. K l., A bh. 8 , 55 S.) e rsc h ie n e n e S tu d ie
‘B eitrag zum S treite ü b e r d ie b ö h m isch e K o n fessio n in S ach sen in d en Ja h re n
1631— 16.1)7’, wo d ie M em o riale ein e s S tran sk y u n d R e g iu s in ih re m G la u b e n s­
p ro zess vor d em lu th e ra n isc h e n K o n sisto riu m a b g e d ru c k t u n d e rlä u te rt w erd en.
W e ite r b rin g t d e r L id d ie S tu d ie von D r. J. B r a n b e r g e r ü b e r d a s w eltlich e
b ö h m isch e V o lk slie d d es 16. Ja h rh ., sp eziell sein e M elodien, u n d ü b er d en E influss
d e r slo w ak isch en M u sik e r; H o m o l k a g ib t le h rre ic h e n A u fsch lu ss ü b e r V e rb re itu n g
v on K u n stlied ern u n te r d em V o lk e. A b d ru c k a lte r T e x te (z B. d es S p ieles von
T o b . M o urem n vom F rev e lh a fte n S ohn von 1604, Z u trin k e n den B rau tju n g fern von
1775, d es S ch äfers J ir. V o ln y B e a rb e itu n g d es S ch w a n k e s v o n d en d re i F ra u e n ,
w elch e am besten ih re n M ann zum N a rren h ä lt, a u s d en F ra n to v e P rä v a , u m
1730 u sw .); d ann e in e M enge M ateria l je g lic h e r A rt, d es G e w o h n h e itsrec h te s (w ie
m an d en neuen N ac h b ar au fn im m t u. dgl.), d es V o lk sg la u b e n s (B esch w ö run gen
u. dgl.), L ied er, T ä n z e , M ärch en , S ag en , a u s alten , u rk u n d lic h e n , u n d n eu en
A ufzeichnungen, P ro b e n d e r V o lk sk u n st (z. B. d ie L e iste n u n d In itia le n d e r g e ­
sc h rie b e n e n G esa n g sb ü c h e r), T ra c h te n , B rä u c h e (b eim D re sc h e n , T a u fe usw .),
a lle s re ic h illu s trie rt (b e so n d e rs d ie A ufsätze Z ib rts selb st, z. B . ü b e r ein en A usflug
u n te r d ie m ä h risc h e n S lo w ak en u. a.), sow ie ein e re ic h h a ltig e B ib lio g ra p h ie m ach e n
den b u n ten In h a lt d e r e in ze ln en H efte au s, d ie S inn u n d L ieb e fü r a lle s V olks­
tü m lich e w ecken u n d w ah ren so llen .
V on C asopis M u sea K rälo v stv i Ö eskeho u n te r Z ib rts R e d a k tio n , ist d e r 84. B d.
ab g esch lo ssen (480 S.) u n d d e r 85. b eg o n n en . D ie H efte (v ie r jä h rlic h ), b rin g e n B ei­
trä g e zu C om eniu s (z. B. ü b e r d ie ä lte ste d e u ts c h e Ü b ersetz u n g d e r P e rle d e r
älte re n b ö h m isch en L ite ra tu r, d es W e ltla b y rin th e s u n d H erz e n sp a ra d ie se s, L eip zig
1788; ü b er sein en N a m en ; d en A b sc h ie d se in es S ch w ie g e rv ate rs v o n d e r W e lt,
ein L iss a e r L ie d ); z u r G esc h ic h te d e r G lau b en sb e w eg u n g e n in B ö h m en im
18. J a h rh . (von D r. J . V o lf); z u r G esc h ich te d es H u sitism u s (ein trefflich er A rtik e l
von J . V o l f , d e r d es C o n vertiten H ila riu s von L e itm eritz a n g e b lic h v e rlo re n g e ­
gan g en en T ra k ta t A rcus g e h e n n a lis, g eg en R o k y c a n a u n d d ie U tra q u iste n , n a c h ­
w eist) u. a .; d e r au sfü h rlic h ste A rtik el, von Zi'brt selb st, Bd. 85, 91— 159, b e ­
h a n d e lt a u f G ru n d d es lite ra ris c h e n N a c h la sse s von D r. E n g el d ie G esch ich te d e r
lite ra ris c h e n G esellsch aften d e r 6 0 e r J a h re , d ie , h eu te v erg essen , den G run d
g eleg t h ab en zum E rsta rk e n u n d A u fb lü h en d e r n e u e re n L ite ra tu r. D ie A u szü g e
au s d e r K o rresp o n d e n z d es g ro ssen S law isten ^ a f a n k (vgl. v o rig en B ericht), sin d
b e e n d ig t; die T ä tig k e it u n d d ie Id e e n d es p a trio tisch g e sin n ten G rafen Jo h .
H arrach, w erd en erö rtert.
U n te r b ib lio g ra p h isc h en A n g ab en v e rd ie n t E rw ä h n u n g
d e r B erich t E z e r s ü b e r R e s te b ö h m isc h e r V o lk slie d e r u n d a lte r re lig iö se r L ied er,
in den P isn e m o d liteb m (G eb etlied er), d es M. M oravek M eln ick y von 1610, au s
d e r D ru c k e re i d es H. von W a ld ste jn a u f d e sse n S chlo ss in D o brovice, ein U nikum
d e r Z itta u e r S tad tb ib lio th ek .
V on d e r B ib lio g rafie C eske h isto rie ist Bd. 5, H eft 1 ersch ien en , S. 1— 320,
N r. 1 1 821 — 17 254, die J a h re 1 628— 1669 u m fassen d .
Von w elch er B e d eu tu n g
Berichte und Bücheranzeigen.
201
d iese B ib lio g rap h ie ist, n ich t n u r fü r ein en b ö h m isch en G esch ich tsfo rsch er, m ag
m an z. B. aus dem A rtik el ü b e r ‘W a lle n ste in ’ e rs e h e n ; er u m fa sst bein ah e
2 0 0 0 N um m ern, h a u p tsä c h lich
in d e u tsc h e r u n d la te in isc h e r S p rach e, n ic h t n u r
D rucke, so n d ern auch H an d sch riften , A rtik el ir, h isto risc h e n Z eitsch riften u n d
P u b lik atio n en je g lic h e r A rt; d a b e i ist d ie B elletristik , zu m al d as D ram a, au s­
g esch lo ssen g eb lieb en , d en n P ro f. A rn. K rau s w ird in d e r F o rtse tz u n g sein es be­
k an n ten B uches ü b e r B e a rb e itu n g b ö h m isch er Stoffe in d e r d e u tsc h e n L iteratu r,
b eso n d ers d a rü b e r h a n d e ln u n d Z ib rt se lb st d ie a u sse rd e u tsc h e d ra m a tisc h e L ite ra tu r
an dersw o v erzeich n en ; so b lieb n u r d e r A rtikel ‘L ied er, E p ita p h ie n u n d S atiren
vom W a ld s te in e r’, nr. 13 5 2 3 — 13 G04; die ein zelnen N um m ern b rin g en m itu n te r
ersch ö p fen d e b ib lio g rap h isc h e A b h an d lu n g en , z. B. nr. lo5->8 d ie G esc h ich te d es
L ied es ‘H istorie etc.’ von 1G38. N r. 13 605— 13 7GG b ezie h en sich a u f d en W a ld ­
ste in e r in d e r K unst (M ünzen, G em äld e usw \), Nr. 13 767
814 W a ld ste in als
H err u n d im K reise se in e r F a m ilie, d ie N atio n alitäten frag e, w obei F e u ille to n e in
T a g eszeitu n g en g e n a n n t w erd en usw . A ber m it eb en so lc h e r A u sfü h rlic h k e it w ird
z. B. d e r B öhm e W . Ho Har, d e r b e rü h m te K u p ferstech er, b eh an d elt, N r. 14 626
bis 14 736, wo so g a r d ie L a n d ta g sre d e D r. R ie g rs ü b e r d en A n k a u f von S tich en
d es H o lla r a u sfü h rlic h g e n a n n t w ird. D iese S tich p ro b en m ögen die ü b e rw ä ltig e n d e
F ü lle d es R ie se n w e rk e s v e rb ild lich en , a u f s e i n e n N utzen und B edeutung h in w eise n ;
es b leib t ein einziges in se in e r Art.
N eben dem L id b e ste h t in E h re n d e r N arodopisny V estn fk cesk o slo v an sk y ,
h erau sg eg eb en von P rof. J . P o l f v k a , 240 S. u n d 72 S. B eilage. E r b rin g t wie
im m er w enige, a b e r ersch ö p fe n d e A b h an d lu n g e n v o lk sk u n d lic h e r Art, e in e g e n au e
Ü b e rsic h t a lle r e th n o g ra p h isc h e n U n te rn e h m u n g e n (A u sstellu n g en , M useen usw .)
in allen slaw isch en L ä n d ern , sow ie ein e a u sg e w ä h lte B ib lio g rap h ie, w issen sc h a ft­
liche R e z e n sio n e n ; es se i z. B. n u r e rw ä h n t d ie ein g e h e n d e u n d in E in zelh eiten
stark ab w eich en d e A nzeige P oh’vkas von G o rdon H all G ero u ld , T h e g ratefu l d e a d ;
o d er d ie A nzeige ü b e r P a n z e rs B e o w u lf-D e u tu n g u n d d as V ersag en von P an zers
M ethode bei d e r F ra g e nach d em eig en tlich en U rsp ru n g d es E p o s se lb st u. dgl. m .
In d e r B eilag e w ird von P o lfv k a d ie G latze r M ä rch en sam m lu n g d es Jo s. K ubin
w eiter h e ra u sg eg eb en und e rlä u te rt, vgl. vorigen B e ric h t; P o liv k a s oft seiten lan g e
A usfü h ru n g en sin d d ire k t v e rg leich en d e M ärchen- o d e r S ag en - (au ch S ch w an k -) kün d e,
so n am en tlich die A u sfü h ru n g en zum S ch w an k vom M e s s i a s -S c h u s te r u n d dem
Ju d en m äd ch en , S. 15— 20, wo d ie d eu tsc h en u n d m itte la lte rlich e n V a rian ten d es
B occaccio, d er P re d ig e r usw . bis zum P a n c a ta n tra , zu O lym pias u n d N ectanebus,
C im on in T ro ja u sw ., z u rü ck v erfo lg t w erden.
Ic h v erm isse n u r polnische
V a ria n te n , die den G la tze r S ch w an k u n m itte lb a r b e rü h re n , z. B. C iszew ski,
K rakow iacv nr. 224; KolUitaj in sein em S tan o sw iecen ia w P o lsce erzäh lt von einem
Je su ite n u nd e in er p o ln isch en E d e lfra u ä h n lich es. V on den A b h an d lu n g en sei eine
W ü rd ig u n g des 19. J a n u a r 1910 v e rsto rb e n e n P rof. 0 . H o s t i n s k y und se in e r V e r­
d ien ste um die Pflege d e r b ö h m isch en V o lk sm e lo d ie n u n d L ie d e r sow ie d es
b öhm ischen eth n o g ra p h isc h e n M useum s g e n a n n t; d an n eine S tudie ü b er die M arionetten
u n d das P u p p e n th e a te r in B ö h m en (m it z a h lreic h e n A bbild u n g en , au ch d e r T h e a te r­
zettel d er w an d ern d en S ch au steller, in d e re n F am ilien , K opecky u. a., d iese K u n st
sich tra d itio n ell v e re rb t); d an n d e r k ritisc h e B e rich t ü b e r d ie w ichtige S am m lu n g
m ä h risc h e r V o lk stra c h te n in dem B u ch e v o n H o rn , M äh ren s au sg ezeich n ete V o lk s­
tra c h te n 1837: a u sserd e m B u s e k s S tu d ien ü b e r L eb e n u n d T re ib e n in d e r G em ein d e
Bilov, wo b eso n d ers au sfü h rlic h d ie V erm u m m u n g e n am F a sc h in g sd ien stag g e ­
sc h ild e rt sind u n d zu g leich h erv o rg eh o b en w ird , w ie alle d iese alten B räu ch e
en tsch ied en im A u ssterb en begriffen sind.
202
Brückner:
D ie S p rich w ö rte rsa m m lu n g (C eska P n s lo v i) von P rof. D r. V . F l a j s h a n s (vgl.
vo rig en B erich t) sc h re ite t rü s tig v o rw ä rts; sie is t b e re its b is H eft 7 (M eie,
S p alte 896) g ed ie h e n ; freilich b e rü h rt sie sich ö fte rs m it e in e r P h ra se n sa m m lu n g ,
en th ä lt sie d och n ic h t a u ss c h lie s slic h S p rich w ö rter, so n d e rn alle ü b e rtra g e n e n
W en d u n g en , S chim p fw ö rter, B ein am en u. dgl. D ie A u sleg u n g d es ein zeln en , die
P a ra lle le n u n d N ach w eise sin d von e rsta u n lic h e r F ü lle und G en au ig k eit: d e r a n ­
g ek ü n d ig te U m fan g w ird alle rd in g s n ic h t in n e g e h a lte n , das W e rk w ird den u r­
sp rü n g lich en R a h m e n w eit ü b e rsc h re ite n , d o ch w ird m it d ie s e r L e istu n g d ie
b ö h m isch e L ite ra tu r w ied er um ein w a h rh a ft m o n u m en ta le s W e rk (in w ü rd ig ste r
A u stattu n g zu g leich ) b e re ic h e rt; fü r ä lte re V o lk sk u n d e , B räu c h e , A nsch au u n g en ,
fü r d as W a n d e rn von M otiven u n d W o rte n , b le ib t d a s W e rk ein e u n e rsc h ö p flic h e
F u n d g ru b e, u n d d ie h in g eb en d e M ühe, m it d e r je d e E in z e lh e it, vom S inn b is zum
W o rtla u te g e sic h te t w ird , k a n n n ic h t g e n u g g e rü h m t w erden.
D as W erk vo n P ro f. C. H o l a s ü b e r b ö h m isch e V o lk slie d e r lind T ä n z e (vgl.
vorigen B erich t) is t m it T e il 4 —6 (P ra g 1909— 1910) a b g e sc h lo sse n ; es en th ä lt
e tw a 2000 L ie d e r (n u r a u s B öhm en, n ic h t au s M ähren u sw .), von d e n en e tw a Ya
n eu sein d ü rften , d en R e s t b ild en V a ria n te n zu b e re its b ek an n te n , vgl. d en ein ­
g eh e n d e n B erich t im N aro d o p isn y V estni'k 1910, S. 114— 119. H ie r h e b t d e r R e z .
(H o rak ) b e so n d e rs d ie ‘B a lla d e n ’ h e rv o r u n d h ä lt sich ü b e r den W id e rh a ll a lte r
re lig iö se r B ew eg u n g en in d em se k te n re ic h e n ö stlich en B ö h m en a u f; in d e r T a t
w ird ein m al Zizka au fg eru fen , d ass e r e n d lich m it d en M önchen au frä u m en m ö c h te;
in einem än d ern L ie d e (im B ä n k e lsä n g e rto n ) h a t B o cek v o n K u n stat, als d ie
G e istlic h k e it seinen R ic h te r n ic h t b e e rd ig en w ollte, m it dem F le isc h e d es V e r­
sto rb e n e n die E in g e la d e n e n b e w irte t: so w ird d och m ein R ic h te r m it euch a u f
e in e r S tä tte liegen , u n te r e h rb a re n L eu te n .
D ie K lagen ü b e r d as v o llstän d ig e
S chw inden d e s V o lk slie d e s e rsc h e in e n n ach A u sw eis d e r S am m lu n g ü b e rtrie b e n .
E in en p räch tig en B e itra g z u r b ö h m isc h en K u ltu rg e sc h ic h te lieferte P ro fe sso r
Jo s. P e k a r in se in e r ‘K n ih a o K osti, k u s cesk e h is to rie ’ (B u ch v o m -S ch lo sse K ost,
im o b eren E g e rla n d e ; ein S tü ck b ö h m isc h e r G e sc h ic h te ; e rs te r T eil, P ra g 1910,
202 S.), m it e in e r F ü lle von K u n stb eilag e n (A n sich ten d es im p o sa n te n S ch lo sses,
F a k sim ile von U rk u n d e n u n d B riefen u. dgl.).
E in S tü ck böhm ischen G ut- u n d
B a u e rn le b e n s au s d e r a lte n Z eit, zu m al a u s dem D re issig jäh rig e n K rieg e, so flott
erzäh lt, d a ss es sich w ie e in fe sse ln d e r R o m a n liest, d ie M en sch en und Z eiten
w ie le b e n d vor u n s ersteh e n , d ie lan g w ierig e n a rc h iv a lisc h e n V o rstu d ie n d es V erf;
w ie v erg essen sc h e in e n : d ie L ieb e zu d ie s e r V e rg an g e n h e it, zu d ie se n H e im a ts­
g eg en d en , h a t d em B u ch d en w arm en T o n g e lie h e n ; b e so n d e rs le b h a ft g e sc h ild e rt
is t d a s A u fe in an d e rsto sse n zw eier e n tg e g e n g e se tz te r K u ltu re n , d e r h e im isch en ,
p ro te sta n tisc h e n , u n d d e r frem d en , ita lie n isc h -k a th o lisc h e n , m it ih re n en erg isch en ,
z ie lb ew u sste n , se lb stsü c h tig e n V e rtre te rn . K ü rz e r e rw ä h n t seien an d e re O rts- u n d
P ro v in zialg esch ich te n a u f b reitem k u ltu rh isto risc h e n H in te rg ru n d : F . A. S l a v i k ,
M oravske S lovensko od X V II stoletx ( 1 . T e il 1903; 2 , 1909; G e sch ich te d e r
m äh risc h e n S low akei, m it b e so n d ers z a h lre ic h en sta tistisc h e n N ach w e isen ); J in d i\
B a a r u n d F r. T e p l y gab en die M o nographie d e s S täd tc h en s K ien ei (1909, 221 S.) u. a.
D ie im m e r z a h lre ic h e re n u n d re ic h e re n stä d tisc h e n h isto risc h e n M useen statten
ih re J a h re s b e ric h te m it A b h an d lu n g e n z u r lo k a le n K u ltu rg esc h ic h te aus, z. B. d er
V estn ik des K la ta u e r M useum s (1909) b rin g t A ufsätze ü b e r d ie K la ta u e r G lo ck en u n d K a n n en g iesser u n d z u r alten T o p o g ra p h ie d e r S ta d t; d e r S b o rn ik d es P ilse n e r
M u seum s b rin g t n e b e n e in e r trefflich en T o p o g ra p h ie d e r S tad t v o r d en H u ssite n k äm pfen, B erich te ü b e r A u sg rab u n g en u. dgl., auch B eiträg e z u r L eb e n sg esc h ic h te
des P ils e n e r A rztes F ra n ta , d e r an d en F ra n to v e p räv a, je n e m d u rch Z ib rt u n d
Berichte und Bücheranzeigen.
S pina b ek an n te n N ü rn b e rg e r S ch eln ien b u ch b e te ilig t ist. A lle äh n lic h e P u b lik atio n en
ü b ertrifft w eit an U m fang u n d F ü lle Jo s. T e i g e s ‘Z a k la d y stareh o m i'stopisu
P ra z sk e h o 1437— 1620’ (G ru n d la g en d e r alten P ra g e r T o p o g rap h ie , ß d . ], 830 S. 4 °),
ein e F o rtfü h ru n g des W erk es, d as P ra g s G esc h ic h tssch re ib e r, T ornek, b is 1437
ab g esch lo ssen h atte, n u r a u f b re ite re r G ru n d la g e ; es ist d ies d ie G esch ich te je d e r
P ra g e r ‘R e a litä t’ a u f G ru n d d e r A kten, T esta m e n te, C h ro n ik en usw .. m it a u s­
fü h rlich e n E in z e lh e ite n , In s tru k tio n e n , B esch reib u n g en d e r festlich en A ufzüge
(z. B. bei d e r E in h o lu n g K önig F e rd in a n d s 1558, in zw ei S p rach en ), K irchen u sw .,
fü r den K u ltu rh isto rik e r ein e F u n d g ru b e von h ö c h ste r B ed eu tu n g .
V on den P u b lik a tio n e n d e r P ra g e r A kad em ie d e r W isse n sc h a fte n sei z u e rst
g e n a n n t d as V erzeich n is d er H a n d sch riften d e r ü b e rre ic h e n P ra g e r B ib lio th ek d e s
D o m k ap itels (S oupis ru k o p isü etc.) von A. P a t e r a u n d Ant. P o d l a h a ; d e r e rs te
T e il u m fa sst 846 H a n d sc h rifte n ; n am en tlich reich w ird d e r G ew inn fü r d ie L ite ra tu r
des 15. Ja h rh ., fü r d ie v e rsc h ie d e n e n h u ssitisc h e n T ra k ta te ein es P h ’bram u. a. d e r
erste T e il ein es b ö h m isch en b ib lio g rap h isc h e n L ex ik o n s, h erau sg eg eb en von Zd.
T o b o l k a , u m fasst d ie b ö h m isch en In k u n a b e ln (von 1468, die T ro ja n e rc h ro n ik ,
P ilse n e r D ru ck , bis 1500, 25 e rh a lte n e u n d fü n f v ersch o llen e D ru c k w e rk e au s
P ilsen , P ra g u n d K u tte n b e rg ). V o n m itte la lte rlic h e n T e x te n sei die H e rau sg a b e
des P e tru s C om estor, sein es K o m m en ta rs z u r B ibel, g e n an n t (1. T eil, ä u ss e rst
sorgfältig, d e r H isto ria scho lastica, d u rc h D r. J. N o v a k ; 320 S., bis zum B u ch d e r
R ic h te r); a u sse rd e m d as V e rz eich n is d e r bö h m isch en H an d sch riften d er P ra g e r
U n iv ersitätsb ib lio th e k d u rc h Jo s. T r u h l a r (K atalo g cesk y ch ru k o p isü etc., T e il 1 ).
D e r u n erm ü d lich e L e x ik o g ra p h F r. K o t t h a t ‘B eiträg e zum m äh risc h e n D ia le k t­
w ö rterb u ch d es B arto s’ (D o d atk y k B a rto so v u Slovm 'ku etc.), au s n eueren P u b li­
k atio n en g e sam m elt (166 S. gr. 8 °, d o p p elsp altig ).
Z u d e r n atio n alen W ie d e r­
g e b u rt im 18. J a h rh . sind zw ei B e iträg e zu v erze ic h n e n ; d e r P ra g e r G erm an ist
A m . K r a u s h a n d e lt ü b e r ‘d ie P ra g e r Z e itsch riften 1770— 1774 u n d d as böh m isch e
E rw a c h e n ’ (P razsk e C aso pisy etc., 89 S., h au p tsä c h lic h ü b e r L ö p ers ‘N eue L ite ra tu r
u n d die P ra g e r G ele h rten N ac h ric h te n ’; w ie d ie d re i le b en d e n S prachen, d eu tsch ,
b öhm isch, französisch , g e m ein sam d en A ngriff gegen d as L atein fü h re n ): Jos.
H a n u s z e ic h n et das L e b e n sb ild u n d die lite ra ris c h e W irk sa m k e it des D e u tsch ­
bö h m en N ik. A dauct. V o ig t, w ie er an d e r n atio n a le n W ie d e re rw ec k u n g als
H isto rik e r b eteilig t ist (100 S.), sein e B ez ieh u n g en zu D o b n er, P elzl u. a. E ine
b eso n d ere R u b rik in d en P u b lik a tio n e n d e r A k ad em ie b ild eten die S chriften des
K om ensky, von d en en im L au fe d e r J a h r e se ch s B än d e e rsch ien en w aren, d a ru n te r
seine K o rresp o n d en z von d em D o rp a te r T h e o lo g iep ro fe sso r J a n K v a c a l a in d rei
T eilen , das T h e a tru m u n iv ersita tis re ru m u sw .; n u n h a t d e r Z en tralv erein d e r
b ö h m isch en L e h re r M äh ren s d ie G esam tau sg a b e u n te r d e r R e d a k tio n von K vacala
in d ie H ände g enom m en u n d w ill sie b is 1923 in 30 T eilen v o lle n d e n ; ersch ien en
ist eben d e r 15. T e il, in d em ein trefflich er C o m en iu sk en n er, P rof. J. N o v a k ,
sieben b ö h m isch e S ch riften h e ra u sg e g e b e n h a t; als E rg än zu n g d e r g an zen A u s­
g ab e d ie n t d as ‘A rchiv pro b a d äm o zivote a sp isech J. A. K o m en sk eh o ’, d essen
erstes H eft d e r H era u sg e b e r, P ro f. J. K vacala, fast a u ssch liesslich m it eig en en
B eiträg en a u sg efü llt h a t (B ib lio g ra p h ie ; B ezieh u n g en d es C om enius zu K arl G u stav
von S ch w ed en ; P o le m ik m it V a le r. M agni u .a . ) . V on P u b lik atio n en zum 19. J a h rh .
sei erw äh n t die H e ra u sg ab e d e r b is h e r u n g ed ru c k te n satirisch e n A lleg o rie des
V ojt. N ejedly ‘B o h y n e’ (G öttin, in ach t G esän g en , eine P a ro d ie a u f d ie Angriffe
von Ju n g m a n n und .Safarfk g eg en die a k z e n tu ie re n d e b ö h m isch e M etrik, vom
Ja h re 1819), d u rc h F e rd . S t r e j c e k (187 S .); sow ie d ie F o rtsetz u n g d er K o rresp o n d en z
des F r. C elakovsky ( 2 , 1 , 320 S., 1829— 1833).
204
Brückner
D e r von den P ro fesso re n Ja r. G o l l u n d Jo s. P e k a i- h e ra u sg e g e b en e Cesky
C'asopis h isto rick y (Ja h rg a n g IG, 480 S. u n d B ib lio g rap h ie b ö h m isch e r G esch ich te
für 1909, ( 8 S.) b rin g t in sein en V ie rte lja h rsh e fte n ein e a u sse ro rd e n tlic h reich e
C h ro n ik , die sich n ich t a u f b ö h m isch e o d e r slaw isch e G esc h ic h te b e sch rän k t,
obw ohl sie ja d iese vor allem b erü ck sich tig t, In h a ltsa n g a b e n von Z eitsc h rifte n u. dgl.
Von den A bhandlu n g en ist d ie N e u b a u r s ü b e r d en H u ssite n fü h re r P ro k o p Holy
v o llen d et; die ü b rig e n fallen aus d em R a h m e n u n se re r B e ric h te h e ra u s ; ich e r­
w ähne n u r noch d ie K ritik Zd. W i r t h s ü b e r d ie H e rau sg a b e d e r P ra g e r K u n st­
d en km äler, die in d em g esam ten S oupis p a m ate k h isto rick y ch a u m e lec k y c h (die
v erg leich b ar den g e p la n te n M o n u m en ta a rtis G erm an iae, se it 1897 e rsch ein en ,
davon ein zeln es a u c h d eu tsc h h e ra u sg e g e b en w ird, z. B. H eft 2 1 ü b e r Schloss
R a u d n itz d e r R o s e n b e rg u n d L o b k o w itz, b ö h m isch 1907, d e u tsc h 1910) ein e b e ­
so n d ere S tellu n g ein n eh m en w ird. D e r M u sik h isto rik e r Z d. N e j e d l y b rin g t eine
knappe, a b e r e n e rg isc h e W ü rd ig u n g d e s L e b e n sw e rk e s v o n O tt. H o stin sk y , d e r
n ich t n u r als M u sik h isto rik e r, so n d e rn g e ra d e als F ö rd e re r d e r V o lk sk u n d e, M it­
b e g rü n d e r des P ra g e r e th n o g ra p h isc h e n M useum , sich b le ib e n d e V e rd ie n ste e r­
w orben hat. A u f d ie e in g eh e n d e B ü ch er- und Z e itsc h rifte n sc h a u d es C asopis sei
n a m en tlich w egen d e r re ic h e n lo k a lg e sc h ic h tlic h e n F o rsc h u n g e n v erw iesen , w ie sie
in d en P a m a tk y arc h a e o lo g ick e a m isto p isn e (a rch äo lo g isc h e u n d to p o g ra p h isch e
D e n k w ü rd ig k eiten , b is h e r *23 B ä n d e ); in d en m äh risc h e n Z eitsch riften (Ö asopis
m atice M oravske, b is h e r 33 J a h rg ä n g e ; C aso p is m o rav sk eh o m u se a zem sk eh o ,
b ish e r n eu n Ja h rg ä n g e ), im C aso p is sp o lecn o sti p rate l staro z itn o sti cesk y eh v
P ra z e (böhm . A ltertu m sv erein , 17 Ja h rg ä n g e ), im S b o rm k h isto ric k e h o K ro u zk u
(S am m elsch rift d e r h isto r. V erein ig u n g , zehn Ja h rg ä n g e ), in d e r H lid k a (R u n d s c h a u ;
im letzten , 2(5. Ja h rg a n g , s e h r in te re ssa n te B eiträg e zu H u s, T ra k ta te und B riefe
an ih n ), u. dgl. m. v eröffentlicht w erd en .
V on polnischen T e x te n sei z u e rs t d e r L e m b e rg e r L ud, K w a rtaln ik e tn o g raficzny, g e n an n t (Bd. 15, H eft 4 ; 16, 1 — 3). Ih n eröffnet e in e b eso n d ers in te re ssa n te
A rb eit: B ron. P i l s u d s k i h at 15 J a h r e a u f S ach alin z u g e b ra c h t u n d ist zu d en d o r­
tigen A inos in n ah e B ezieh u n g en g e tre te n ; e r le rn te ih re S p rach e, ric h te te S chulen
fü r ih re K leinen ein, u n d a u f G rund so e rw o rb e n e r K en n tn isse sp ric h t e r ü b e r ih r
S ch am an e n tu m . E s sch ein t, d ass d ie se s b ei ih n en n u r im p o rtie rt is t (vom A m u r
h er), d a h e r k ein e ü b e rra g e n d e R o lle sp ielt u n d geg en d en a lten A h n en k u lt n ich t
aufzukom m en verm ag . E s w erd en ein ze ln e S ch am an en (n a c h A lter, G esch lech t,
V erm ö g en ; nach ih re n p h y sisc h e n u n d p sy c h isc h e n A n lag en sow ie n ach ih ren
P ra k tik e n ) vorgefü h rt, e in ze ln e ‘S ean cen ’ e in g e h e n d b e sch rieb en , u n d m an g e w in n t
einen fesselnden E in b lic k in d ie se M ischung von G lau b en u n d G a u k e le i; d e r A r­
tik e l v erd ien te w ohl w eitere V e rb re itu n g ; in e in em fo lg end en so ll d as S ch am an en tum d e r a n d e re n E in g eb o re n en , d e r G h ilak en u n d O ro k en , g e sc h ild e rt w erd en .
D es Z u sam m en h an g es w egen n e n n e ic h g leich ein e a n d e re A rb eit ü b e r d ie V ö lk er
d es fern sten O sten s: d e r A rzt J. T a l k o - H r y n c e w i c z , d e r u n te r ih n en viele Ja h re
v e rb ra c h t u n d g esa m m e lt h at, w ird sein e M aterialien d u rc h d ie P e te rsb u rg e r A kad.
d. W iss. h e rau sg eb e n u n d h a t vorläufig ein e ersch ö p fe n d e In h a ltsa n g a b e bei d e r
K ra k a u e r A kad. d. W iss. ersc h e in e n la sse n u. d. T . M ateria ly do etn o lo g ii i a n tro pologii ludow Azii .srodkowej, M ongolow ie, B u riaci i T u n g u si (K rak au 1910, 96 S .);
in d ieser Skizze w ird ü b e r T ra d itio n e n , G esch ich te, d en L a m aism u s usw . u n d a u f
G ru n d eig en e r F o rsch u n g e n u n d M essu n g en ü b e r d ie p h y sisc h en M erk m ale d er
C h alch as- u n d B u riaten -M o n g o len w ie d e r T u n g u se n , g eh an d e lt. D och k e h ren w ir
zum L u d zu rück. E in e a n d e re Z ierd e se in e r letzten H efte sin d die A ufzeichnungen
des B au ern -K ü n stle rs (B ild h au e rs) W . B r z e g a au s dem M unde d es g re ise n T o m asz
Berichte und Bücheranzeigen.
*205
G ad eja in Z akopane (dem b ek an n te n H ö h e n k u ro rt in d e r p o ln isch en T a tra ); d er
alte B auer, e in st se lb st an R a u b fa h rte n b eteilig t, e rz ä h lt in dem in teressan ten
B erg d ialek t M ärchen, Sagen, G esch ich ten , L ied er, in d e r k ern ig en u n d k n o rrig en ,
leich t h u m o ristisch u n d sa tirisc h an g eh a u c h te n W e is e se in e r en g sten H eim at, ohne
d ie R e se rv e , d ie e r sich so n st F re m d e n g e g e n ü b e r au ferleg en w ü rd e : d iese A uf­
zeich n u n g en te ilt m it u n d e rlä u te rt (sach lich u n d sp rac h lic h ) P ro f. F r. K r c z e k . In
an d eren B eiträg en h a n d e lt B r. G u s t a w i c z ü b e r d ie S. M artin sb rä u ch e (n am en tlich
au ch die d eu tsch en ) u n d sc h ild e rt ein g eh e n d L an d u n d V olk d e r S z ek le r (m it
Illu stratio n en ), ih re L e b e n sa rt, S agen u. dgl.
D r. St. S c h n e i d e r e rö rte rt den
Schlan g en k u lt, sp eziell d en S chlangenkönig, n am en tlich au ch in d e r k lassisc h e n
W elt, sow ie H ausgötter, S ch w alb e u n d H ah n (als G ö ttertiere), m it ein zeln en in te r­
essan ten , a b e r allzu g ew ag ten K om b in atio n en . A. F i s c h e r b rin g t sch ö n e N ac h ­
träg e au s slaw isch en Q u ellen zu 0 . D ä h n h a rd ts N atu rsag en , a u sse rd em zu sein em
eigenen, im vorigen B eric h t g en an n te n , A ufsatz ü b e r das M otiv vom b lü h en d e n
S tecken.
Bol. S l a s k i , u n te r ä n d e rn B eiträgen, e rw ä h n t d as P etru sw a sse r d e r
deu tsch en , die P io tro w in a d er p o ln isch e n F lö s se r (wo das W a ss e r zurückfliesst,
w arum es so heisst). V ieles (M aterialien a u s alten H ex en p ro zessen u. dgl.) m uss
ich ü b e rg eh en , doch se i b e so n d e rs h erv o rg eh o b e n d e r B erich t d es M u sik h isto rik ers
A. C h y b i r i s k i ü b e r d ie E th n o g ra p h ie a u f d em 3 . in te rn atio n ale n M u sik erk o n g ress
in W ien 1909, wo n am en tlich d ie V o rträ g e von F rau L in ev (ü b e r n eu e M ethoden
des F o lk lo re in R u ssla n d , sp eziell d as V o lk slie d u n d d e sse n m u sik w issen sch aft­
liche W e rtu n g ), u n d d es P ro f. H o s t i n s k y (s. o. S. 2 0 1 ) R e fe ra te ü b e r das böhm ische
V olkslied sow ie ü b e r d ie V o ra rb e ite n d es K om itees fü r d as V o lk lied in Ö sterreich
(ein b eru fen vom M in isteriu m d. L n te rr.). ein g e h e n d g ew ü rd ig t w erden. D ie A rtikel
im L u d g ew innen von J a h r zu J a h r an U m fang u n d B edeutuag, sie b eschränken
sich län g st n ich t m e h r a u f p o ln isc h e E th n o g ra p h ie allein u n d können je tz t a u f
ro h e Stoffsam m lungen d esto e h e r v erzich ten , als in d e r W a rsc h a u e r Z iem ia ‘L a n d \
e in er illu strie rte n W o ch en sch rift, d ie u n te r d e r R e d a k tio n von K az. K u l w i e r in den
zw eiten J a h rg a n g ein g e tre te n ist, ein O rgan geschaffen ist, d a s in e rste r R e ih e , an
den P ra g e r L id e rin n e rn d , das h e im isc h e M ateria l au fzu n eh m en b estim m t ist.
E in e A ufzählung d e r m e ist k le in e re n Skizzen, F e u ille to n s u. dgl. d e r Z iem ia w äre
u nm öglich ; das g eo g ra p h isc h b e sch re ib e n d e E lem en t, A ufnahm en von B auten,
S eh en sw ü rd ig k eiten je g lic h e r A rt, n im m t b reiten P la tz e in ; doch feh lt es auch nicht
an w issen sch aftlich en B eiträg en , z. B. von d em je tz ig e n P rof. d e r E thn o lo g ie an
d e r U niv. L em b erg, St. C i s z e w s k i , ü b e r d ie Q u ellen d es D rach en k arap fes in d er
G rü n d u n g ssag e von K rak a u beim M gr. V in cen ciu s, wo an eine äh n lich e E pisode
vom Is k e n d e r im S ch ach n am eh e rin n e rt w ird, vgl. d azu A. F i s c h e r im L ud 16,
2 8 1 — 285 u n d S. F r a n k e l , d ie S age von d e r G rü n d u n g K rak au s, in den S iebschen
M itteilungen d e r sch lesisch en G es. u sw . 13, 1 - 4 . V in cen ciu s h at au ch an d ere
Z üge von A lexander, d ie bei P se u d o k a llisth e n e s fehlen, au s m ü n d lic h e r o rie n ta ­
lisch er T ra d itio n ? O d er von Z. G l o g e r , ü b e r d as B ro t u n d die B räu ch e beim B rot­
backen u. a.
D e r T o d h a t u n s Z. G lo g er en trissen u n d ein e n ic h t au szu fü lle n d e L ü ck e in
d e r P flege p o ln isc h e r V o lk sk u n d e geschaffen. S ein e S am m lertätig k eit, die so vieles
vom U nterg an g e g e re tte t h at, b eg an n v o r ein em h alb en J a h rh u n d e rt; die Z ahl
d e r A rtikel u n d B üch er, d ie e r g e sc h rie b e n , is t L egion (vgl. die k u rze A ufzählung
im L u d 16, 2 4 3 — 245) u n d v ieles ist u n v erö ffe n tlic h t o d e r u n v o llen d et gelassen , so
nam entlich sein B udow nictw o d rzew n e i w y ro b y z d rzew a w daw nej P o lsce C ohce
(poln. alt. H olzbauten), w ovon n u r d ie b eid en ersten B ände, A— L, ersch ien en sind
(190( und 1909); die A rtik el sin d a lp h a b e tisc h g e o rd n e t und a u ssero rd en tlich reich
Brückner:
illu strie rt, die Art. c h a ta (H ü tte) und d w o r (H of) allein u m fassen je 60 S eiten gr. 8 °
u n d b ieten eine gan ze G alerie a lle r m ö g lich en T y p e n a u s dem G eb iete d es alten
P o le n ; n am en tlich sin d fü r d as W e rk v e rw e rte t w o rd en alte In v e n ta re vom 16.
bis IS. J a h rh ., die in ch ro n o lo g isc h e r F olge fü r je d e n ein zeln en A rtik el a u s ­
g e n u tz t w erden. E s w äre se h r zu b ed au ern , w enn d ieses W ö rte rb u c h u n v o lle n d e t
b leib en sollte.
W ir gehen zu a n d eren p e rio d isc h e n P u b lik a tio n e n ü b e r. In L ita u e n e n t­
w ick elt die G e sellsc h aft d e r F re u n d e d e r W iss. reg e T ä tig k e it. A us ih re n J a h r ­
b ü ch ern (R o czn ik T o w a rz y stw a P rz y ja c io l N au k w W iln ie II, W iln o 1908, 145 S.;
I I I 1909, 152 S.) seien g e n a n n t: J . K u r c z e w s k i , N a c h ric h t von den P fa rrsc h u le n
in d e r D iözese W iln o ein e Ü b e rsic h t d es g e sa m te n Y o lk su n te rric h te s se it 1397;
d es v erd ien ten A rch äo lo g en W an d . S zukiew icz A ufw erfen d e r F rag e , w em e ig en tlich
d ie lita u isch en G ra b h ü g e l (au s d e r E isen z e it) m it ih re m reich en , von K u ltu r
z eu g en d en In v e n ta r an g eh ö ren , d a d ie h isto risc h e n L ita u e r von d en C h ro n iste n als
ein u n säg lich arm e s u n d z u rü c k g e b lie b e n e s V olk g e sc h ild e rt w e rd en ; D r. B a r a n o w s k i sc h ild e rt ein en E p igonen d es F e u d a lism u s in L ita u e n (F ü rs t S a p ieh a a u f
B ychow au s d e r M itte d es 18. J a h rh .) u n d sein u n u m s c h rä n k te s W a lte n im L a n d e ;
a n d e re h isto risch e und b ib lio g ra p h isc h e A b h a n d lu n g e n m ü ssen w ir ü b e rg eh e n .
E in e E rg än zu n g finden d ie R o c z n ik i d e r G ese llsc h a ft in dem K w arta ln ik litew sk i,
den J. O b s t „d en D e n k m ä le rn d e r V erg a n g en h e it, d e r G esch ich te, d e r T o p o g ra p h ie
u n d E th n o g ra p h ie L itau en s, W e is sru s sla n d s und L ifla n d s “ b e stim m t (P e te rsb u rg ,
je d e s V ie rte lja h rsh e ft zu 160 S. m it sch ö n em B ild e rsc h m u c k ); au s d em V ielerlei,
w as die b ish e rig e n H efte b rac h te n , sei g e n a n n t: W . S z u k i e w i c z , D ie S p u ren d es
S te in a lte rs im G ouvern. W iln o ; d es b e k a n n te n p o ln isch en F o rs c h e rs u n d K en n ers
liv lä n d isc b e r V erg a n g en h e it, B aro n G. M a n t e u f f e l , B e sch reib u n g d es m äch tig en
F elsv o rsp ru n g e s S tab u ra g s an d e r D ü n a, u n d d e r d a ra n g e k n ü p ften Ü b e rlie fe ru n g e n ;
ein ze ln e V o lk slie d e r (w e issru ssisc h e ); ü b e r V o lk sa rz n ei u n d ein A lbum w e iss­
ru s sis c h e r V o lk sty p e n (B ettler, H o lzfäller u. a.).
A us d em 34. u n d 35. B an d e d e r R o c z n ik i d e r P o s e n e r G esellsch a ft d e r F re u n d e
d e r W isse n sc h a fte n sei ein m itte la lte rlic h e s la t.-d e u tsc h -p o ln isc h e s G lo ssar (E n d e
des 15. J a h rh .) g en a n n t, w eg en d e r E rk lä ru n g e n (ü b e r F o rm d e s B a c k w e rk e s;
H ü tten u. ä.), die d e r H e ra u sg e b er, D r. B. E r z e p k i , h in z u g efü g t h a t; d e r K atalo g
d e r H d sch rr. d e r G n e se n e r K a p ite lsb ib lio th e k e n th ä lt ein ig e se h r a lte u n d reich
illu s trie rte C odices; d ie B io g rap h ie u n d d as T e s ta m e n t d es L e ib a rz te s K önig
S ig ism u n d I., P e te r W e d e lic iu s (z u b e n a n n t so w egen d e r A n n ah m e des W a p p en s
d e r H erren von W e d e ll), gest. 1544, e n th ä lt fü r d en K u ltu rh isto rik e r m an c h e s B e­
m e rk e n sw e rte ; eb en so d ie B e sc h re ib u n g d es B a ro k b au es d e r W a llfa h rtsk irc h e
in Z dziez bei B o rek u . a. D en ‘R o c z n ik ’ d e r T h o rn e r G ese llsc h aft füllt au s die
k ritisc h e G esch ich te d es T a g e s von T a n n e n b e rg -G ru n w a ld
d u rc h
d en au s­
g e z eich n eten K enn er w e stp re u ssisc h e r G esch ich te, P fa r re r St. K u j o t (B d. 17, 378 S.,
T h o rn 1 !>1 0 ) ; d ag eg en e n th a lte n d ie v ie rte ljä h rlic h e rsc h ein e n d e n ‘Z a p isk i’ (M e­
m o iren ) d e rse lb e n G esellsch aft, von d en en d e r e rste B and, 286 S., je tz t a b ­
g esch lo ssen ist, a llerle i arch ä o lo g isch e s, v o lk sk u n d lic h e s, h isto risc h e s u n d g e n e a ­
lo gisches M aterial sow ie B ü ch erb e sp re c h u n g en . D ie in B e h re n d (W e stp r.) e r­
sc h e in en d e M o n atssch rift ‘G ryf, pism o d la sp raw k a sz u b sk ic h ’, h e rau sg eg eb en von
D r. M a j k o w s k i , b rin g t in je d e m H efte k asch u b isc h e M ärch en , L ie d e r u n d Sagen.
D ie von d e r K ra k a u e r A k ad em ie h e ra u sg e g e b e n e ‘B ib lio tek a p isarzo w polskich ’ b ra c h te g e ra d e im J a h r e 1910 re ic h e n E rtra g fü r u n se re Z w ecke. Z u e rst g ab
Ign. C h r z a n o w s k i in m u ste rg ü ltig e r W e ise d as in te re ssa n te ste B uch d e r a lt­
po ln isch en L ite ra tu r h e ra u s, d en A esop d es B ie rn a t von L u b lin , d es B eg rü n d ers
Berichte und Bücheranzeigen.
207
d e r n eu eren L ite ra tu r (23 u n d 514 S. n e b st d en H o lzsch n itten d e s O riginals,
K rak au 1910). D as W e rk e n th ä lt in a ch tsilb ig en R e im p a a re n d as L eb e n A esops
u n d die F ab eln , v e rm e h rt zu E n d e u m eine A usw ahl au s des Jo h . von C apua
D irecto riu m h u m an e v ite 1480 (A esops L eb en nach S tein h ö v el, d ie F ab eln , 210 an
d e r Z ahl, n ach einem R im ic iu s u n d R o m u lu s, w obei je d e F a b e l im T ite l ein p o l­
n isch es S p rich w o rt träg t, so d ass d a s B uch zu gleich d ie ä lte ste S p ric h w ö rte rsam m ­
lung is t); im A nh an g w ird die g e sam te ä lte re p o ln isch e F a b e llite ra tu r, bis a u f
M ickiew icz, d u rch zah lre ic h e P ro b e n c h a ra k te risie rt; das W e rk des B iern at se lb st
zeic h n et sich d u rch g ro sse S e lb stän d ig k e it aus, d u rch d as E in flech ten sta rk d e ­
m o k ra tisc h e r u n d an tig e istlic h e r Z üge. V o n den folgenden N u m m ern (d e r älte ste
poln., h alb lu th e risc h e K atech ism u s von 1543 u. a.) seien b eso n d e rs N r. 58 u n d 59
genannt, beid e von K. B a d e c k i h e ra u sg e g e b e n : P ism a J a n a D zw onow skiego (118 S.)
sind ein M u ster poln. E u le n sp ie g e llite ra tu r, d. i. ein e r L ite ra tu r au s k le in b ü rg e r­
lichen K reisen, die S itten u n d T re ib e n d e r Z eitgenossen, in d e r S tad t u n d a u f
d em L an d e, d u rc h h e c h e lt; sie en th a lte n ‘H äu slich e C o n stitu tio n en ’ (sa tirisch e A n­
w eisungen fü r F a m ilie u n d D ien er), ‘S ta tu t’ (n ach A rt d e r b ö h m isch en F ra n to v e
p räva, w onach alle T a g e d ie b e u sw . a b g e u rte ilt w ü rden), ‘G än sek rieg ’ (d es u n b o tm ässigen A delsaufgeb o tes, d as d em L a n d e sc h ä d lich e r ist als dem F ein d e), ‘K ozak
P la c h ta ’ (eine k o m isch e S c h ild e ru n g ein es K osaken, w ie sie in S chlesien 1620
g rassierten , m it einem L ied e, d as als P e rle k le in ru ssisc h e r B a llad en d ich tu n g von
K lein ru ssen , D r. F r a n k o u. a. h era u sg e g e b en u n d b e a rb e ite t w u rd e, zugleich ä lteste
P ro b e ein es k lein ru ss. V o lk slie d e s, g e d ru c k t 1625, in W irk lic h k e it von dem P o len
D zw onow ski — ein fin g ierter N am e, w ie b e i allen d iesen E u len sp ieg eleien , nach
k lein ru ss. M ustern verfasst).
D ie zw eite N u m m er (49 S.) ‘W alna w y p raw a do
W oloch m inistrow r n a w ojng’ von 1617 (K rieg szu g d e r P rä d ik a n te n in die M oldau)
ist eine an d ere E u len sp ie g e lei a u f k o n fessio n ellem H in terg rü n d e ; 1590 w aren zw ei
In te rm e d ie n ersch ien en , d ie in v o lk stü m lic h e r W e ise die A u srü stu n g und die H eim ­
k e h r des D o rfk ü ste rs vom K riege sc h ild e rte n ; 1617 w u rd e d a sselb e a u f einen
P rä d ik a n te n so h n ü b e rtra g e n u n d m e rk w ü rd ig e rw e ise le b t h eu te noch diese G e­
sch ich te im M unde d es o b ersch le sisc h en V olkes.
V on d e r von K. B a d e c k i h e ra u sg e g e b e n e n S am m lu n g ‘B iale K ru k i’ (W eisse
R a b e n , d. i. b ib lio g ra p h isc h e S e lten h eiten ) is t n a c h d em e rste n H efte, d as eine
B earb eitu n g d e r ‘un g leich en K in d er E v as’ en th ielt, N r. 2 ersch ien en ‘P rzy g an a
w ym yslnym strojom b ialo g lo w sk im ’ (T a d e l w e ib lic h e r P u tz su c h t, des P. Z b y lito w sk i
von 1600), das d as F ak sim ile d e r sa tirisc h e n B ro sc h ü re u n d den A b d ru ck enthält,
m it ein g eh en d en b ib lio g ra p h isc h e n , le x ik a lisc h e n u. a. N otizen.
Z u r G esch ich te d es H an d w erk es in P o len , d e r Z ü n fte und B räu ch e, ist die
u m fassen d ste und w ich tig ste Q u ellen p u b lik a tio n v o llen d et; es ersch ien n äm lich in
den K ra k a u e r A cta h isto rica d e r A k ad em ie nr. X I I d as S ch lu ssh eft, S. X X III,
1107— 150!), w o rau f d ie so rgfältigen In d ic e s (S. 1511— 1625, lex. 8 ° do p pelsp altig )
zum g anzen B an d e folgen. E s sind d ies d ie P riv ileg ien , R e c h te und Statuten
K rak au s von 1587— 1696 in poln. u n d lat. S p ra c h e : da das H an d w erk von D eu tsch en
h au p tsäch lich , nach K ra k a u e in g e fü h rt w ar, j a es h ie r noch im 17. J a h rh . d eu tsc h e
H an d w erk er gab, so ist vor allem die T e rm in o lo g ie d eu tsch u n d sin d d ie poln.
A usdrücke e rs t au s d e u tsch en zu erk lären . So sin d z. B. die K u p fersch m ied e v er­
pflichtet, ih re n G esellen zu S. M ichael ein en l i g e s z (!) zu g eben, w o ra u f d iese
von S. M ichael bis zu d en F a ste n o d e r b is zum G rü n d o n n erstag b ei L ich te a r­
beiten m üssen (im J a h r e 1672); d as e rk lä rt sich au s d em lat. S tatu t d e r d eu tsc h e n
K u p fersch m ied e in K ra k a u vom J a h re 1669, wo es h e isst an d e rse lb e n S telle:
m ag ister socio o b lig a tu r ad u n a m co enam vulgo l i c h t k a n z (es ist so m it die
Brückner, Feist:
208
L ich tg an s g em ein t, poln. li( c h ) g ( } s ) ; a b e r in e in er sp ä te re n poln. R e d a k tio n vom
J a h re 1689 w ird d iese co en a b u r k a t g en an n t, ein d e u tsc h e s W o rt, das ich je d o c h
n ich t zu d eu ten w eiss. So is t d as v erd ie n stv o lle W e rk nach dem T o d e d es H e r­
a u sg e b e rs (Prof. P ie k o s in sk i) zu E n d e g efü h rt.
A u f den In h a lt d e r z ah lre ic h e n h is to risc h e n P u b lik atio n en u n d z w eier h isto risc h e r
Z eitsch riften (K w arta ln ik h isto ry c z n y in L em b erg , 24. Ja h rg ., 754 S.: P rzeg lad
histo ry czn y in W a rsc h a u , 1 1 . Bd., noch u n v o lle n d e t), k an n n ic h t n ä h e r ein g eg a n g en
w e rd en ; g e n a n n t sei je d o c h d ie A b h an d lu n g von P rof. O. B a l z e r in K w artaln ik ,
S. 359— 406, d ie C h ro n o lo g ie d e r älteste n T y p en d es slaw isch en un d p o ln isch en
D orfes; d e r au s D e u tsc h la n d (in d e r A ltm ark usw .) w ohl b e k an n te ‘R u n d lin g ’ w ird
als ein e n ach w eislich sp ä te re , n ic h t u rsla w isc h e S p ezialität u n d die E n tste h u n g d e s
S tra sse n d o rfe s au s ä lte sten E in zelh ö fen (n ach d e r A ngabe d es P ro co p im 6 . J a h rh .)
erw iesen . Z u r G e sc h ich te d e r d eu tsch e n Ju d e n , n am en tlich seit w ann sie A sch k en az
h eissen , b rach te ein en B eitrag D r. T h . M o d e l s k i (‘D er K önig G ebalim im B riefe
d es C h a sd a j’, ein es sp a n isch en Ju d e n , an den C h a z aren ch an Jo s e p h von 955, 122 S.,
L e m b e rg 1910), d e r n ach w ies, d ass d e r in d ie se m B riefe g e n a n n te K önig d e r S law en
O tto d e r G ro sse ist, d e r a u c h K önig d e r B erg e, d. i. d e r A lpen g e n a n n t w ird.
A uf den In h a lt d e r lite ra rh isto risc h e n u n d d e r R e v u e n g e m isc h te n In h a lte s (B ibliote k a W a rz a w sk a u sw .) k ann eb en so w e n ig ein g eg an g en w erd en , wTie a u f P u b lik a tio n e n
a lte r D ic h te r, obw ohl in b e id e n m an c h e rle i v o lk sk u n d lic h e B eiträ g e zu finden sind.
D e r 4. B and d e r ‘M ateria ly i p ra c e ’ d e r lin g u istisc h e n K o m m issio n d e r K ra k a u e r
A kadem ie e n th ä lt eine ein g eh e n d e C h a ra k te ristik d e r sch le sisc h e n D ia le k te von
K ar. N i t s c h (S. 85— 356, m it e in e r D ia le k tm a p p e ); d e rse lb e V e rfa sse r h a t in den
K ra k a u e r p h ilo lo g isch en A b h an d lu n g en (B d. 46, 1910) d en V e rsu ch e in e r G ru p p ie ru n g
sä m tlic h e r poln. D ia le k te u n te rn o m m e n ; fü r d as M aterial, d. i. fü r d ie E in trag u n g
m e h r o d e r m in d e r z u v e rlä ssig e r Iso g lo sse n a u f d e r K arte, sin d w ir ihm se h r zu
D an k e v e rp flic h te t; d ie e th n isc h e n u. a. K o m b in atio n en je d o c h , d ie e r a u f d iesen
Iso g lo ssen au fb au t, sin d e n tw e d e r v erfeh lt (w ie z. B. d ie ü b e r den Z etacism u s d e r
P o le n ) o d e r zum m in d e ste n v e rfrü h t; zu d em h e b t ein e E in te ilu n g die a n d e re auf.
V on z a h lreich en P u b lik atio n en , d ie n u r g ram m a tik a lisc h e s und le x ik a lisc h e s
In te re s s e b ieten (z. B. d ie n eu e Z eitsch rift, R o c z n ik S law istyczny, Bd. 1— 3 u. dgl.
m .), seh en w ir g ä n zlich a b ; d ie W a rs c h a u e r ‘P ra c e filologiczne’ ( 6 B ände) b rin g en
w en ig sten s re ic h h a ltig e s d ia le k to lo g isc h e s M aterial.
B e rlin .
A le x a n d e r B rü c k n e r.
Hans Hahne, D as vorgeschichtliche Europa.
Kulturen und Völker.
(M onographien zur W eltgeschichte, 30. Band). B ielefeld und L eipzig,
V elhagen und K lasing 1910. 130 S. Mit 151 Abbildungen; gr. 8°. 4 Mk.
R ic h tu n g u n d T e n d e n z des v o rlieg en d en W e rk e s w erd en d u rc h d as T ite lb ild
c h a ra k te risie rt. E s ste llt ein e an g e b lic h e G erm a n en b ü ste e tw a a u s d em zw eiten
n ac h c h ristlic h e n Ja h rh u n d e rt d ar, d ieselb e, d ie a u ch als T ite lv ig n e tte d e r Z eitsc h rift
‘M annus’ d ien t. D e r V e rfa sse r seg elt also im F a h rw a sse r K o ssin n a sc h e r V o r­
g esc h ic h tsk litte ru n g . E r is t P riv a td o ze n t fü r P rä h isto rie an d e r tech n isc h e n H o c h ­
sch u le zu H an n o v e r u n d h a t sich d u rc h G rab u n g e n in M ittel- und N o rd w est­
d e u tsc h la n d u n d d ie lite ra ris c h e D a rste llu n g ih r e r E rg e b n isse v e rd ien t gem ach t.
S eine D arleg u n g e n in dem h ie r zu b e sp re c h e n d e n B u ch e b eg in n en m it d e r
p aläo lith isch en Z eit, d e ren W erk zeu g e, S k ele ttre ste, H ö h le n m ale re ien u n d g lv p tisc h e
Berichte und Bücheranzeigen.
209
L eistu n g en u n s z u n äch st in W o rt u n d B ild v o rg e fü h rt w erd en .
Es folgen die
K u ltu rstu fen d e r so gen an n ten A ncyluszeit u n d d e r M u sch elh au fen (K jö k k en m ö d ­
d in g er) in d e r L ito rin a z e it (b eid e B en en n u n g en stam m en von c h a ra k te ristisc h e n
M uscheln d e r O stsee).
N ach einem A u sb lick a u f d ie v o rg e sc h ic h tlic h e K u ltu r
d es O rients w en d et sich d e r V erfasser d e r m itteleu ro p äisch en B an d k e ra m ik u n d
no rd isch en M egalith- u n d S c h n u rk eram ik zu und w irft au ch ein en B lick a u f die
m äch tig en G ra b b au ten d es N ordens.
E s folgt eine D a rste llu n g d e r R a s s e n ­
v e rte ilu n g im stein zeitlich en E u ro p a, g eg en die sich n ich ts ein w en d en lä s st; n u r
w eiss ich nicht, w esh alb V erf. m it ap o d ik tisch er G ew issh eit die n o rd - u n d m itte l­
e u ro p äisch en R a sse n au s F ra n k re ic h kom m en lässt.
D as k an n m an b ei dem bis
je tz t v o rlieg en d en d ü rftig e n M ateria l d och kaum als T a tsa c h e h in stellen . Ü b e rh a u p t
d ie A u sw an d eru n g en ! Sie sp ielen ein e g ro sse R o lle in H a h n es W e rk sow ohl in
d e r S ch ild eru n g des E n d e s d e r S tein zeit w ie d e r a u f sie folgenden B ronzezeit. D ie
A u n jetitzer A u sw an d eru n g z. B. (n ach ein em F u n d o rt in B öhm en b en an n t) in d e r
e rs te n P e rio d e d e r B ro n zezeit soll a u s M ittel- u n d S ü d d eu tsch lan d n ach S ü d ­
o ste n erfolgt sein, w eil in d e r zw eiten bro n zezeitlich en P e rio d e je n e G ebiete
fu n d arm w erden u n d die S k elette d e r A u n jetitzer lieg en d en lan g sch äd lig en H o c k e r
sich dem n o rd isch en T y p u s n äh ern .
A ber n eu e F u n d e, d ie sich tag täg lich ein ­
stellen , können d iese g an ze S ied elu n g sth e o rie n doch ü b e r den H aufen w erfen.
A uf S. 54 ta u ch e n endlich (h u rra !) als K ro n e a lle r b ish erig en E rö rte ru n g e n die
In d o g erm an en auf, u n d n u n kann m an v ersu ch en „m it den M itteln d e r V o r­
g e sc h ich tsfo rsch u n g d as in d o g e rm a n isc h e R ä ts e l zu lösen u n d die Spuren zu finden,
die uns sic h e re r als rein sp rac h lic h e U n tersu ch u n g en in die H eim at d e r In d o ­
g erm an en fu h re n .“
N ach K o ssin n as n e u e ste r T h e o rie w erd en die O stseev ö lk er
als die W estin d o g erm a n e n , d ie m ittele u ro p äisc h e n B a n d k e ra m ik e r als die O st­
in d o g erm an en h in g este llt, o hne d ass irg en d ein zw in g en d er G ru n d fü r diese
G leich stellu n g angegeben w ird, a u ss e r K o ssin n as D o g m a von d e r n o rd isch en R a sse
u nd d e r eu ro p äisch en U rh e im a t d e r In d o g erm an en . E h e a b e r ih re w eiteren S ch ick ­
sale verfolgt w erden, w en d et sich H ah n e d e r B etrac h tu n g d e r K u ltu r des M ittelm e e rk re ise s zu, w ohin e r je n e um 1000 v. C hr. gelan g en lässt. A uch nach dem
O rie n t v erfo lg t e r sie, w ir hören von d en M edern, B a k tre rn , P e rse rn u n d In d e rn ,
die aus E u ro p a nach A sien g e w a n d e rt seien. N eu sin d d a b ei d ie B ehauptungen,
Z o ro asters R e lig io n g e h e a u f den in d o g e rm a n isc h e n G ö tterg lau b en zurück, das
S a n sk rit sei die h eilig e B u c h s ta b e n s c h r i f t d e r In d e r, u n d ih re D ich tu n g en m uteten
u n s an, „als seien sie g rie c h isc h e n o d e r a ltd e u tsc h e n U rsp ru n g s“. D ie L ie d e r
d e r \ eden also, d ie doch etw a bis 1000 v. C hr. zu rü c k reic h e n , w erden m it den
m in d esten s 1800 J a h re jü n g e re n a lth o c h d e u tsc h e n D ich tu n g en a u f eine Stufe gestellt!
A uch d u rch den ganzen ü b rig e n R e s t d es B uches z ie h t sich w ie ein ro te r F ad en
die fo rtw äh ren d e V erq u ic k u n g p rä h isto risc h e r F u n d e m it sp rach lic h en B egriffen.
So heisst es a u f S. 79: „S eit etw a 1200 v. C hr. b eg in n t das G erm an en fu n d g eb iet
sich nach allen Seiten a u sz u d e h n e n .“
M it w elchem R e c h t b en en n t H ahn je n e
b ro n zezeitlich e K u ltu rstu fe als g e rm a n isc h ? A b er noch m e h r: auch ost- u n d w est­
g erm an isc h e F u n d e w erd en u n te rsc h ie d e n ! M an b ed en k e: m e h r als 1 0 0 0 Ja h re
v o r C hristus, w äh ren d w ir sp rac h lic h d ie beiden G ru p p en e rs t viele Ja h rh u n d e rte
n a c h C h ristu s kennen! E b en so u n sin n ig ist es, die so genannten G esich tsu rn en als
ostgerm anisch, d ie H au su rn en als w estg erm an isch zu bezeichen. E in e d erartig e
w illk ü rlich e V e rw en d u n g sp ra c h g esc h ic h tlic h er T erm in i m uss doch ganz falsch e
V o rstellu n g en erw ecken . W o sich d e r V e rfa ss e r a u f sein e D om än e, d as a rc h äo ­
lo g isch e Gebiet, b eschränk t, sin d seine D arle g u n g e n z u v e rlässig ; sow ie er a u f d as
g esch ich tlich e und sp ra ch lic h e G eb iet ü b erg reift, m u ss V orsicht g e g e n ü b e r seinen
Zeitschr. il. Vereins f. Volkskunde. 1911. Heft 2.
14
Feist, Samter:
210
B eh au p tu n g en em pfohlen w erd en . E s k an n u n s n a c h dem oben G esag ten n ic h t
ü b e rra sc h e n , d ass d as B uch in ein en P a n e g y rik u s d e s g e rm an isc h en W e se n s u n d
d e r g e rm an isc h en R a s s e au sk lin g t. D iese ist n a tü rlic h au ch d ie in d o g e rm a n isc h e
R a s s e , b lond u nd b la u ä u g ig sin d d ie E d le n a lle r V ölker in d o g e rm a n isc h e r Z unge,
lan g sch äd lig m ü ssen sie d e r T h e o rie z u L ie b e auch sein usw ., g an z nach C h am b erlain ,
W o ltm an n , P e n k a , W ilse r. D as B este a n d em in etw as sch w ü lstig er, p rä te n tiö se r
S p rach e g esc h rie b e n e n B uche sin d e n tsc h ie d e n d ie A b b ild u n g en , d e re n A u sw ah l
als g e sch ick t b ezeic h n e t w erd en m u ss. A uch d ie A u ssta ttu n g is t zu lo b en ; freilich
erm ü d e t d as L esen a u f d em sp ieg eln d en K u n std ru c k p a p ie r d ie A ugen. D o ch d as
ist ein F e h le r fast a lle r m o d e rn e n Illu stra tio n sw e rk e .
B e rlin .
S ig m u n d
F e is t.
Die Anthropologie und die Klassiker.
Sechs V orlesungen, gehalten vor
der U niversität Oxford von Arthur J. E v a n s , Andrew L a n g , G ilbert
M u r r a y , F . B. J e v o n s , J. L. M y r e s , W. Warde F o w le r , hrsg. von
R. R . M a r e tt. Übersetzt von Johann H o o p s . H eidelberg, Carl W inter,
1910. 226 S. 8°. 5 Mk.
D a s K om itee fü r A n th ro p o lo g ie in O xford, „d as vom B eginn se in e r L a u fb a h n
an stetig das B e d ü rfn is im A uge b e h a lte n h at, k la ssisc h e G ele h rte zu bew eg en ,
d ie n ie d rig e re K u ltu r zu stu d ieren , d a sie fü r d ie h ö h e re von B ed e u tu n g ist,^
fo rd erte im J a h r e 1908 sec h s h e rv o rra g e n d e G e leh rte , d e re n In te re ss e n u n d A r­
b eiten sich in g le ic h e r W eise a u f d ie k la ssisc h e P h ilo lo g ie w ie a u f d ie A n th ro p o ­
logie e rstre c k e n , d azu auf, a n d e r U n iv e rsitä t O xford e in e R e ih e von V o rträ g e n
ü b e r ‘A nth ro p o lo g ie und d ie K la ss ik e r’ zu h alte n . D e r en g lisc h en A u sg ab e d ie s e r
V o rlesu n g en ist je tz t ein e d eu tsch e Ü b e rse tz u n g gefolgt.
E v a n s eröffnet den Z y k lu s m it einem V o rtrag e ‘D ie e u ro p ä isch e V e rb re itu n g
d e r S c h riftm alerei u n d ih re B e d e u tu n g fü r den U rsp ru n g d e r S c h re ib sc h rift.’ V o n
d en Z eich n u n g en d e r H ö h le n b e w o h n er d e r sp ä t-p a lä o lith isc h en P e rio d en fü h rt er,
u n te rstü tz t d u rc h 21 A b b ild u n g en , zu d e r S ch riftm a lere i d e r k re tisc h e n F u n d e . „ D ie
k o n v e n tio n a lisie rte S c h riftm a le rei K re ta s, w enn sie u n s a u ch n ic h t d en w irk lich e n
U rsp ru n g d e r sp ä te re n p h ö n iz isc h e n B u c h sta b e n gib t, b ie te t uns w en ig sten s d ie b e s te
E rk lä ru n g d e r E le m e n te d ar, w o rau s sie sich en tw ic k e lt hat. U nd m an w ird a u s
dem b e re its G esag ten erk en n e n , d a ss d as u rsp rü n g lic h e F e ld d e r S c h riftm alerei, au s
dem d ieses k o n v en tio n a lisie rte k re te n sis c h e S ystem h erv o rg in g , se lb st n u r ein
Z w eig e in e r w eit v e rb re ite ten e u ro p ä isc h en F a m ilie d e r B ild e rsc h rift ist, d eren
U rk u n d en von L a p p la n d b is zu d e r S tra sse von G ib ra lta r u n d vom A tlan tisch e n
O zean b is zu dem Ä g äisch en M eer v erfo lg t w e rd en k ö n n en , u n d die w ie d e r ih r e
F o rtse tz u n g a u f d e r a frik a n isc h e n u n d d e r a sia tisc h e n S eite fin d e t.“ — A ndrew
L a n g g ib t in d er zw eiten V o rle su n g ‘H o m e r u n d d ie A n th ro p o lo g ie’ ein e
S ch ild eru n g d e r h o m erisch e n Z u stän d e. E r b etont, H o m e r sei k ein e re ic h e Q u elle
fü r den A nthropologen, w eil e r d ie Ü b e rre ste d es B arb a risch e n u n d R o h e n , d ie
sic h e r auch zu s e in e r Z eit e x istie rte n , ig n o rie rt a u s R ü c k s ic h t a u f das a risto k ratisch e
P u b lik u m , fü r d as die h o m erisch e n G ed ich te b e stim m t sin d . — M u r r a y in d e r
d ritten V o rle su n g ü b er ‘D ie A n th ro p o lo g ie in d e r g rie c h isc h e n ep isch en T ra d itio n
a u sse r H o m er’ h e b t h erv o r, d ass b e i sein em T h e m a die en tg eg e n g esetzte S ch w ierig ­
k e it b e steh e w ie bei d em v o rh erg e h en d e n , d a h ie r ein ü b e rre ic h e s M aterial z u r
V erfü g u n g stehe. H a u p tsä c h lic h h a n d e lt e r von d e r g ö ttlich en K raft d e r K önige,
Berichte und Bücheranzeigen.
211
die R eg en m ach en u n d dgl., w obei e r V o rste llu n g e n d e r N a tu rv ö lk er m it a lt­
g riech isc h en Ü b e rliefe ru n g en in P a ra lle le stellt.
D ie se ‘M ed izin -K ö n ig e’, w ie
M u rra y sie n ennt, w e rd e n häu fig v o n ih re n N achfolgern v e rd rä n g t u n d getö tet.
E in en N ach k lan g d ie s e r T a tsa c h e fin d et M. in d e r E rz äh lu n g H esio d s von dem
V e rd rän g en des U rano s d u rc h K ro n o s u n d des K ronos d u rc h Z eus. W e n n K ronos
sta tt des Z eus einen S tein v e rsc h lu c k t u n d sp ä te r w ie d e r au ssp eit, so sie h t M u rray
d ie V o rste llu n g d u rch sc h im m e rn , d a ss Z eus d e r Stein i s t , — als A n alogie ste llt
e r a n d e re als G o tth e ite n g e lte n d e S tein e zusam m en. D iese ‘M e d iz in h ä u p tlin g e ’
o d e r G ott-K önige id en tifiziert M. m it d en v o rh ellen isch en G öttern. W en n H ero d o t
von d en n am en lo sen G ö ttern d e r P e la s g e r im G eg en satz zu d en O ly m p iern sp ric h t,
so fasst M urray d iesen G eg en satz als d en zw isch en M ed izin h äu p tlin g en u n d den
h o m erisch e n G ö ttern a u f u n d v erm u tet, d ass d ie se r G egensatz e in e r d e r H a u p t­
u n te rsc h ie d e d e r h e lle n isc h e n u n d v o rh ellen isch en R elig io n sei. V o rsic h tig e rw eise
sc h lie sst e r je d o c h m it d e r B e m e rk u n g : „E in k la re re s B ew eism aterial w ird o hne
Z w eifel von ein em b e ss e r a u sg e rü ste te n A nth ro p o lo g en b eig e b ra ch t w e rd en ,“ w o ran
m an bis a u f w eiteres w ohl n och zw eifeln d arf. — J e v o n s g e h t in seinem V o r­
tra g e ‘D ie g räco -italisc h e M agie’ von a u stra lisc h e n u n d an d e r T o rre s-S tra sse g e ­
ü b te n Z au b erriten aus, in d en en je m a n d e m d u rc h ‘S ingen’ ein U n h eil zu g efü g t w ird,
u n d zeigt, d ass so lc h e r Z au b e r d u rc h S ingen a u ch G riech en und R ö m ern v e rtra u t
w ar, ebenso auch das in A u stralien u n d an d e r T o rre s -S tra sse im Z a u b er ü b lich e
Z eigen m it einem Stocke, — Je v o n s fü h rt h ie ra u f d en S tab zurück, m it dem
K irke, H erm es, A then e zau b ern . W e ite r w eist e r a u f d ie V e rw en d u n g von B ild e rn
u n d N am en im Z au b e r hin, d ie m an sta tt d es b etreffenden M enschen se lb st v e r­
w u n d et, fe stn a g e lt usw ., — ein B rau ch , d e r sich eb en so in A m erika, A ustralien,
A frika, w ie bei den In d e rn , G riech en u n d R ö m e rn findet. G anz d ieselb en m ag isch en
R ite n , d u rc h die m an S ch ad en ü b e r ein e P e rs o n bringt, d ien en auch zum L ie b e s­
u n d H eilza u b er, — auch h ie r h e rrsc h t v ö llig e Ü b erein stim m u n g zw ischen den
E in g eb o re n en an d e r T o rre s -S tra sse u n d d en G riech en und R ö m e rn . E b en so w ie
e rs te re o d e r In d ia n e r o d er A u stra ln e g e r ih re M agie au sfü h ren , o hne einen G ott zu
H ilfe zu ru fen , so ko n n te d ies a u ch d e r G riech e u n d R ö m e r. Z w ei D ritte l d e r
attisch en V erw ü n sch u n g sta fe ln und eb en so auch zah lre ic h e d e r rö m isch en B leitafeln
d ie s e r A rt en th a lte n k ein e B ezu g n ah m e a u f ein e G o tth e it; entgegen d e r A uffassung,
d ass m an au ch da, wo k ein e G ö tter g e n a n n t w erd en , v o rau ssetzen m ü sse, irg en d ­
w elch e G ö tter w ü rd en g eb ete n , d ie b ö sen W ü n sc h e d es S c h reib ers zu erfüllen,
n im m t Jev o n s an, d ass d ie V e rw ü n sc h u n g u rs p rü n g lic h re in m ag isch w ar und dass
e rs t sp ä te r dem Z au b e r eine A n ru fu n g d e r G ö tter h in zu g efü g t w urde, bis sc h liess­
lich in d en a ttisch en T ä fe lc h e n d e r Z a u b er fast v e rsc h w in d e t u n d die A nrufung
d e r G o tth eit das W e se n tlic h e w ird, w ä h re n d im rö m isch en R e ic h e in den sp äteren
In sch riften d as m agisch e E lem en t sich steig ert, b is es d as relig iö se g än zlich v erd rän g t:
alle A rten von G o ttheiten w erd en an g eru fen , a b e r n u r, um von dem die M agie Ü b en d en
A u iträg e zu erh alten , zu d e ren A u sfü h ru n g sie g ezw u n g en w erden sollen. —
M y r e s b e h a n d e lt in dem fünften V o rtra g n ac h e in e r E in leitu n g ü b e r die g riech isc h en
an thro pologischen T h e o rie n d e r v o ra n g eh en d en Z eit d ie an th ro p o lo g isch en A n­
sch au u n g en H erodots. D en S ch lu ss des B u ch s b ild e t F o w l e r s V o rlesung ü b e r
die ‘L u stra tio n ’. F. b em erk t, es g eb e im L a te in isc h en A u sd rü ck e fü r R ein ig u n g ,
die ä lter sin d als lu stra re u n d lu stra tio u n d e in e r ‘p raean im istisch en P e rio d e ’ a n ­
gehören, n äm lich februum , feb ru are, feb ru atio . F e b ru u m ist ein k ö rp e rlic h er
G egenstand m it e in e r m ag isch rein ig en d e n K raft, ein e A rt Z au b erm ittel d erse lb en
K ategorie w ie die b u lla d e r K inder, d e r a p e x d es F lam en , — ein Ü b e rb le ib se l au s
e in er ä lteren P e rio d e relig iö sen D e n k e n s, wo m ag isch e V o rgänge die R e g e l u n d
14*
Samter, Heusler:
212
relig iö se V o rg än g e d ie A u sn ah m e b ild eten , a u s ein em Z eitalter, wo m an von e in e r
k ö rp e rlic h e n V eru n rein ig u n g , z. B. d u rc h L e ich e n o d er d u rc h B lut, m it m ag isch en
M itteln g e re in ig t w erden k onnte. L u stra tio d a g eg en g e h ö rt e in e m Z e ita lte r an, wo
d ie zu v e rtreib en d e S ache in dem E in flu ss fe in d se lig e r G e iste r b e steh t. D as W o rt
b e z e ic h n e t eine feie rlich e P ro zessio n , w ie sie u rsp rü n g lic h d e r ita lisc h e B au er v oll­
fü h rte, um die b ö sen G eister, d ie in d e r W a ld u n g rin g s u m ih n w o h n ten , zu h in d e rn ,
d ie G renzen se in e r L ic h tu n g zu ü b e rsc h re ite n .
W ie d iese In h a ltsü b e rsic h t zeigt, e n th ä lt d as B u ch m an ch e rlei In te re ss a n te s.
N ach dem T ite l freilich , d e r ein e allg e m e in e re E in fü h ru n g in d ie B e d eu tu n g
d e r A n throp ologie fü r d ie E rfo rsc h u n g d es g rie c h isc h -rö m isc h e n A ltertu m s zu v e r­
sp rech en schien, u n d n ach d en N am en d e r V e rfa ss e r h a tte ich g rö sse re E rw a rtu n g e n
a u f d as B u ch g e se tz t; es ste h t an B e d e u tu n g se h r w eit h in te r m an ch an d e re m
en g lisch en B u ch e a u s d iesem G e b iete zu rü ck , d as e in e r Ü b e rse tzu n g in s D eu tsch e
n ic h t teilh aftig g ew o rd e n ist (z. B. A ndrew L ä n g s ‘C ustom a n d m y th ’ u n d ‘M yth,
ritu a l a n d re lig io n ’ u n d b eso n d ers F ra z e rs S ch riften ). R e c h t stö ren d ist vielfach
das m an g elh afte D e u tsc h d e r Ü b ersetz u n g .
B e rlin .
E r n s t S a m te r.
Sophus Bugge, D er R unenstein von R ök in Östergötland, Schweden.
Nach dem Tode des V erfassers hsg. von der k. Akadem ie der schönen
W issenschaften, G eschichte und A ltertum skunde durch Magnus Olsen,
unter M itwirkung und m it Beiträgen von A xel Olrilc und Erik Brate.
Stockholm , Ivar Hreggströms Boktryckeri A. B., 1910.
V III u. 314 S.
8° nebst 4 Tafeln.
D rei A nläufe h a t S o p h u s B ugge g en o m m en , um d e r g rö ssten d e r n o rd isch e n
R u n e n in sc h rifte n H e rr zu w erd en . D e r e rste V e rsu c h w ar e in e r d e r g län z e n d ste n
E n td eck erzü g e, die d ie g e rm a n isc h e A ltertu m sw isse n sc h aft e rle b t hat. D en d ritten
le g t u n s h ie r d e r v e rstä n d n isv o lle S ch ü le r u n d M ita rb e ite r vor. D as B ild B ugges,
d es v ielseitig en M eisters, ste llt sic h d em V e re h re r in d ie se m W e rk e e in seitig b e ­
le u c h te t d a r: B ugge is t h ier, so en tsch ie d e n w ie in k e in e m ä n d ern se in e r u m fä n g ­
lic h eren W erk e, d e r R ä tse lra te r. W o die R u n e n n u r n o ch sin n lo se L a u tre ih e n
d a rb ie te n o d er w o G eh eim sc h rifte n v e rs c h ie d e n e r G attu n g h u n d e rt M ö g lichkeiten
eröffnen, d a w en d e t u n d d re h t er d as G eg eb en e u n d ra s te t n ich t, d ie L ö su n g m u s s
sich finden, koste es, w as es w olle. U nd a u f d e r sc h m alen B asis d ie s e r p a a r
D u tzen d Z eilen fü h rt e r d an n ein e P ag o d e auf, im m e r h ö h e r; m ag es m e rk b a r
w ack eln, im m er n o ch ein m al w ird ein S to ck w erk aufgesetzt. D ie se r B a u m e iste r
S o ln ess h a t b is zu le tzt d en S ch w in d e l n ic h t g ele rn t. E in e a n d e re F ra g e ist die
n a c h d e r H a ltb a rk e it d es T u rm e s.
U n ser B uch b rin g t e in e rse its n eu e L e su n g e n d e r verzw eifelt sch w ierig en
S tellen. Ic h h eb e fo lg en d es h erv o r. W o m an b ish e r zu lesen p flegte: y n d g ö än a r
hy sli (‘u n te r d em H ase lg e b ü sc h d e r E rd e ’ o d e r äh n lich ), da v erficht je tz t B. die
W o rte : ynd k v a n a r h ü ss lini, u n d die so llen h e is se n : ‘u n te r dem L e in e n d e r
G attin des H a u se s’, n äm lich w u rd e ein Sohn g eb o ren . D em w id erse tz t sic h :
1. d ie W o rtste llu n g : d e r a b h än g ig e G en. h ü ss als K eil g e trie b e n zw isch en d ie en g
zu sam m en g eh ö rig en k v a n a r u n d lin i (d as, w o ra u f sich S. l o l beruft, ist k ein G eg en ­
stü c k ); 2 . k v an = u x o r, k o n a = fem ina, d a h e r is t ein e V e rb in d u n g h ü sk o n a m ög­
lich, eine V erb in d u n g h ü ss k v an n ic h t; k v an h a t n eb en sich d en g e n itiv u s m a riti;
Berichte und Bücheranzeigen.
213
3. das L ein en d e r B rau t, w oran B. den k t, w ar ein K o p fp u tz; ‘u n te r’ dem b rä u t­
lich en L ein en kann au s d o p p eltem G ru n d e k ein Sohn z u r W e lt kom m en! An das
L ein tu ch d es E h eb ette s zu den k en , h in d e rn sach lich e u n d sp ra c h lic h e G ründe. —
E ine se h r en tfern te M öglichkeit o d er n ich t einm al das (B rate S. 2 9 6 f.) ist d e r G ott
T h o r, den B. als V o rfa h re n k o n stru ie rt, u n d es ist in n ig st zu w ünschen, d ass
n ich t etw a die künftig en M ythologen, u n te r B erufung a u f den R ö k stein , m it einem
T h o r als S tam m v ater sc h w e d isc h e r G em ein freien au fw arten . A uch von d e r W ie d e r­
g e b u rt T h e o d e ric h s d. G r. in dem G au ten W am oö' g ilt im g ü n stig ste n P alle , d ass
sie eb en so w en ig w id erleg t w ie b ew iesen w erd en kann.
Z w eiten s g ib t es d ie sp rac h lic h k la re n S tellen, d eren I n h a l t e in e r A ufhellung
b ed ü rfte. H ie r e rw äh n e ich den lan g en A u slau f zu d en seltsam en zw an zig K önigen
a u f S eeland. B. w agt d ie k ü h n e F o lg e ru n g : d as nom. pr. R ä O '-u lf m e in t d en
K rieger, d e r die n e b en ihm G en an n ten b e h errsch t, den O berkönig. D iese lose
V e rm u tu n g w ird das S ch w u n g b re tt zu ein em F lu g in die W o lk en h in au f. B. ist
a lsb a ld bei J o rd a n e s u n d sein em K önig R o d u lf, bei den S ch lach ten d e r L an g o ­
b ard en m it den H eru le rn , d e r H a d e b a rd e n m it d en D änen. U nd h ie r v e rlie rt n u n
d e r k ü h n e F lie g e r die alte tra g b a re E rd e vollk o m m en au s dem A uge. E in- ü b e r
d as a n d erem al h eisst es, d ie R ö k e r In s c h rift erzäh le davon, w ie d e r no rw eg isch e
O b erk ö n ig R a ö u lf au szo g u n d a u f S eelan d fiel. A b er n ic h t nur, d ass die In sc h rift
den R aO u lf als b lo ssen N am en k e n n t: ih re R e c h n e re i sch lie sst es kateg o risch aus,
d ass R aö 'u lf an d iesem Z uge te iln a h m ; d en n d ann w ären es n ic h t 20 K önige,
so n d ern 2 1 ! U nd w e ite r w ird d an n je d e r e in rä u m en : zw isch en einem K riege,
w orin ein H r ö p u l f f i e l , u n d ein em K riege, den ein R a t f u l f n i c h t m i t m a c h t e ,
ist kein e se h r sch lag en d e Ä hnlichkeit.
D a ss B ugge m it d ie se m ‘R ö k I I I ’ d ie frü h eren E rk e n n tn isse um sich ere v e r­
m e h rt h ab e, k ann m an n ic h t b eh a u p te n . S chon d e r von B rate b e ig e steu e rte A n­
h an g b rin g t eine lan g e R e ih e von Z w eifeln vor. E in e ig en tü m lich es V erfah ren ,
d ass so im R a h m en e i n e s B u ch es z u e rs t d e r to te A utor, d ann d e r leb en d e G egner
d as W o rt erg reift! D e r N egation B rates k an n ich m eisten s zustim m en. Seine
eignen A ufstellungen sch ein en m ir eb en so g ew ag t u n d oft k ü n stlich , ausgenom m en
ie B efü rw o rtu n g von B irn ar statt d es so u n g la u b h a fte n A irn ar S. 271 f. M an lese
d en zu sam m en h än g en d e n T e x t d e r In s c h rift S. 301 f.: lä sst er nich t alle die logischen
n v erd au h ch k eiten b esteh en , d ie d ie s e r g au tisc h e R u n e n so n d e rlin g B jari d e r N ach ­
w elt v erm ach t h a t?
Z w ischen den beid en sp an n e b re ite n F e lsg rä te n , d ie w ir an B ugges und B rates
H and än g stlich ü b e rk le tte rn , lie g t ein k le in e r g rü n e r W ie se n g ru n d : das sind die
fü n f Seiten O lriks ü b e r d ie K önige a u f S eeland. M it w o h ltu en d em G efühl fü r
das, w as ein solches D enkm al ü b e rh a u p t h erg e b e n k an n , v erzich tet O lrik d arauf,
u n sich ere x m it d en k b a re n y u n d m ö g lich en z zu p o ten zieren , u n d beg n ü g t sich,
m it le ise r H and den allg em ein en H o rizo n t zu u m re isse n , d e r zu d ieser N am en ­
g eb u n g h in zu zu d en k en ist. E s is t n ic h t H eld e n sa g e , so n d ern W ik in g stil, 8./9. J a h r ­
h u n d e rt, n ich t V ö lk e rw a n d e ru n g sze it; es is t h a lb e G esch ich te, a b e r zu fiktiven
F o rm eln a u sg e sta lte t; viel G e n au e re s lä s s t sich n ich t sagen. M öchte von dem
h ie r betätigten W irk lic h k e itssin n e u n d d e r Z u rü ck h a ltu n g s c h o n
in d e r
t e l l u n g d e r F r a g e n re c h t viel a u f d ie Spezialisten d e r R u n e n fo rsc h u n g ü b e r ­
g ehen !
N och ein p a a r W o rte zu d e r D ie trich stro p h e !
Raip piau rik r,
hinn purmupi,
Ih re erste H älfte la u te t:
stillir flutna,
strantu Hraipm arar.
Heusler, Beucke:
214
B ugg e w ill je tz t d a s B e iw o rt in V . 2 n ic h t m e h r als ‘d e r W ag e m u tig e ’ fassen,
so n d e rn als ‘d e r w ie T h o r Z o rn ig e’. A b er d as n a c h g este llte sch w ach e A djektiv m it
d em A rtik el w eist doch a u f ein ru h e n d e s ep ith e to n o rn an s, u n d h ie rz u eignet sich
d e r g eleg e n tlich e Jäh z o rn n i c h t — g le ic h v ie l ob m an in V . 1 . 4 d ie A nsp ielu n g a u f
ein e b estim m te Sagen Situation erb lick t. B. a lle rd in g s neig t dazu, d as rai]> ‘ritt’ in
ein rej) ‘h e rrsc h te ’ zu em e n d ie re n . A b er k a n n m an in e in e r altg erm an isch en M u n d ­
a rt sagen, ein K önig h a b e ü b e r ein en ‘S tra n d ’ g e h e rrsc h t? D e r ‘S tra n d ’ ist ein
(san d ig er) K ü ste n g ü rte l; u n te r U m stän d en , w ie in ein ig en islä n d isc h e n O rtsn am en ,
w ird das W o rt a u f K ü ste n strich e von m ä ssig er T iefe au sg e d e h n t. A b er d ass m an
die am M eere geleg e n en L an d e e in e s g ro sse n K önigs ‘strp n d ’ n e n n en k o n n te, b e ­
zw eifle ich. (D ie m e tap h o risc h e V e rw e n d u n g b e i ju n g e n S k ald en , strp n d = regio,
te rra , k o m m t h ie r n ic h t in B etrac h t, d a j a stra n tu m it dem G enitiv des M eeres
v e rb u n d en , also in se in e r e ch te n B e d eu tu n g v ersta n d e n ist.) E s b le ib t d a h e r b ei
d em ü b e rlie fe rte n ‘e r ritt . . . a u f d em S tra n d e ’. D an n a b e r d a rf m an fragen, ob
n ic h t eine b estim m te e p isch e S ach lag e v o rsch w eb t. D e r u n s au s den sp ätm a.
Q u ellen b ek an n te D ie tric h sk re is b öte e i n e so lch e L age d a r: d ie V erfo lg u n g W iteg es an den M eeressau m (R a b e n sc h la c h t 921— 908, vgl. T h id r. s. c. 33 6 ): es ist
e in e r d e r h ero isch e n A u g en b lick e d e s sag e n h afte n D ie tric h , ein H ö h e p u n k t d e r
einen d e r D ietrich sfab eln , d e r S age von den E tze lsö h n e n . D a m an den K ern
d ie se r Sage a ls u ra lt n eh m en darf, b ra u c h t es n ic h t zu b efrem d en , w enn d as e in ­
z eln e M otiv fü r d as 9. J a h r h u n d e rt b ezeu g t w ird . E s e rg ib t sich d an n au ch eine
lo g isch e B ezieh u n g zw isch en den b eid en H a lb stro p h e n : d e r A u sg an g sp u n k t fü r den
D ic h te r w ar d ie zw eite H älfte, d as A a ch en er R e ite rsta n d b ild . D ie se r g eg o ssen e
D ie tric h zu P fe rd e rin n e rte d en S ag en k u n d ig en an den A u g en b lick , d a d e r leb e n d e
D ietrich ein en d ic h tu n g g e fe ie rte n R itt vo llfü h rte. M ag sein, d ass im B ew u sstsein
d es D ich ters ein G eg en satz m itk la n g zw isch en d em E in st u n d d em J e tz t: d e r w ild e
V erfo lg u n g sritt u n d d as ru h ig e S itzen a u f d em G o ten ro sse, ‘den S ch ild im G eh än g rie m e n ’. Z ugleich b ra u c h t m an d an n fü r d ie A ngabe in V. 1— 4 k ein e g e s c h i c h t ­
l i c h e n K en n tn isse von T h e o d e ric h u n d sein em R e ic h e am M ittelm eer an zu stren g en ,
K en n tn isse, die n u r a u s g e le h rte r V e rm ittlu n g fliessen k ö n n ten . E s w ü rd e sich
alles au s d e r sc h riftlo sen S age e rk lä re n . B ugge b e to n t freilich zu d en N am en
H ra ip m a rr u n d M arin g ar (S. 45. 55), u n se re In s c h rift b e w a h re h i s t o r i s c h e E r ­
in n e ru n g e n an T h e o d e ric h , im G eg en satz zu d en S a g e n z e u g n is s e n d es 12./13. J a h r ­
h u n d e rts. A llein d ie b eid e n N am en sin d ja d en G esch ic h tsw erk e n d es M itte lalters
u n b ek an n t, sie w u rd en g ew iss n u r in d e r S ag e n d ic h tu n g v e re rb t. D e r U n te rsc h ie d
zw ischen dem R ö k ste in e u n d den ju n g e n D ie tric h sq u e lle n b e ru h t also n ich t d arau f,
d a ss d o rt g esch ic h tlic h e, h ie r h e ld e n sa g lic h e T ra d itio n fo rtleb t, so n d e rn d arau f,
d ass d o rt noch ä lte re S ag en n am e n zu tag e tre te n — d ie se lb e n w ie in d e r u n g e fä h r
g leich zeitig en alte n g lisch en S ag en p o esie. S ch ü ck s B em erk u n g , fü r den R itz e r u n s e re r
In s c h rift sei p ia u r ik r d e r sa g en h afte D ie tric h g e w esen (S. 55), b e ste h t zu R ec h t.
B e rlin .
A n d re a s H e u s le r.
Landeskunde der Provinz Brandenburg, unter M itwirkung hervorragender
F achleute herausgegeben von Ernst F r i e d e i und Robert M ie lk e .
Band 2: D ie G e s c h i c h t e von Gustav A lbreclit, Theodor Meinerich,
J. G. Gebauer, Friedrich H oltze, Spatz, Carl Brinkm ann, Max F ieb e lkorn, Conrad Matschoss und August Foerster. Berlin, D ietrich R eim er
(E rnst V ohsen) 1910. X II, 496 S., m it 71 A bbildungen im Text, zw ei
T abellen und fünf Karten. 4 Mk., geb. 5 Mk.
Berichte und Bücheranzeigen.
215
D em ersten B an d e d e r „ L an d e sk u n d e d e r P ro v in z B ra n d e n b u rg “ ist b in n en
J a h r e s fris t d e r zw eite gefolgt. E r u m fasst d ie G esch ich te u n d b e h a n d e lt in seinen
U n terab teilu n g en die L an d esen tw ick lu n g , die B ev ö lk eru n g , die R elig io n s-, R e c h ts-,
V e rw altu n g s- u n d W irtsc h a ftsg e sc h ic h te . E in e re ic h lic h e B eigabe von A b b ild u n g en
sch m ü ck t auch d iese n zw eiten B and. S ein em k u rze n A b riss d e r L an d esen tw ick lu n g
d e r M ark g ib t D r. G u stav A l b r e c h t zw ei farbige K arten m it, von den en die erste
d ie allm äh lich e G e b ie tse rw e ite ru n g u n te r den A skaniern, d ie an d e re die E r­
w erb u n g en d e r H o h en zo llern sch en H e rrsc h e r v eran sch au lich t.
G leich falls zw ei
farb ig e K arten (ü b e r ‘W a c h stu m ’ und ‘D ich tig k e it’) e rlä u tern n e b en zah lre ich e n
T a b e lle n den T e x t des zw eiten A b sch n ittes, in w elch em D r. T h e o d o r M e i n e r i c h
d ie V a ria tio n d e r B ev ö lk eru n g n a c h D ich tig k e it u n d Z unahm e, n ach Geschlecht,
A lter u n d F a m ilien sta n d , n ach H erk u n ft, B ek en n tn is, S p rach e u n d B e ru f b esp ric h t.
H ier sehen w ir überall d en ü b e rw ie g e n d e n E influss h erv o rtre ten , den d ie E n t­
w ick lu n g B erlin s in den letzten 100 Ja h re n a u f alle B e v ö lk eru n g sv erh ältn isse d e r
M ark au sg e ü b t hat. D ie R elig io n sg e sc h ic h te von D r. J. G e b a u e r w eist z u n ä c h st
die S puren v o rw en d isc h e r u n d w e n d isc h e r G o ttesv ereh ru n g in d e r M ark nach,
fü h rt den L e se r w e ite r zu den Z eiten g e rm a n isc h e r K olonisation u n d M ission,
in sb e so n d e re zu d en K u ltu rta te n d e r Z isterzien ser, sc h ild e rt die A u sb ild u n g d e r
k irch lich en S e elso rg e u n d v erw eilt b ei d em H eilig en d ien ste u n d den g eistlich en
B rü d ersch aften .
A u sfü h rlic h e r w ird d ie E in fü h ru n g d e r R efo rm atio n u n d die
O rg an isatio n d e r lu th e risc h e n K irch e b esp ro ch en . E in k u rz e r Ü b erb lic k des k irc h ­
lich en L eb en s d e r letzten J a h rh u n d e rte b e sc h lie sst den A bschnitt.
D as m an n ig ­
faltige G ebiet d e r R e c h tsg e sc h ic h te b e h a n d e lt K a m m erg e ric h tsra t Dr. F ried rich
H o l t z e . Von den U rsp rü n g e n d es m ä rk isch e n R e c h ts au sg eh en d g re n zt e r den
U m fang la n d e sh e rrlic h e r, städ tisc h e r, stä n d isc h e r und p a trim o n ia ler G eric h tsb ark e it
g eg en ein an d er ab, v e rz e ic h n e t d ie V e rsu c h e e in e r K odifizierung des gesam ten
R e c h ts und sc h ild e rt die B estre b u n g e n n ac h V ere in fac h u n g u n d V erallg em ein eru n g
d e r G e ric h tsv e rfa ssu n g u n d im w eiteren V e rfo lg das a llm ä h lic h e Z u rü c k tre te n des
m ä rk isch e n R e c h te s h in te r dem a llg em ein en L a n d re ch te. M it d e r R ech tsg e sc h ic h te
w ird uns zugleich ein g u tes S tü ck K ultu rg eschic hte geg eb en .
D as gilt nich t
m indei von dem n äch ste n T eile , d e r ‘V erw altu n g sg e sch ic h te ’ von D r. S p a tz . D e r
egensatz zw ischen d e r E n tw ic k lu n g d e r S täd te u n d d e r d ö rflich e n G em einden
1 f.”
lim V o rd er&ru n d e s te h t; d o rt A ufsteigen zu h o h e r B lüte u n d S elbs an ig -eit, g le ich zeitig h ie r H e ra b sin k e n d es B a u e rn zu n ied rig e r w irtsch aftlich er
un ree
ic e r S tellung.
E s folgt d ie P e rio d e d e r ersta rk e n d e n F ü rsten m ach t,
i - j •** * ZU ^ nrnach t ur,d A b h än g ig k eit v eru rte ilt, bis das 19. J a h rh u n d e rt
en s ii tisc en und sc h lie sslic h auch d en lä n d lic h e n G em einw esen die S elb st­
v erw altu n g b ringt.
D ie e rste n d re i A b sch n itte d e r nun folgenden W irtsc h a fts­
g esc h ic h te von D i. C arl B r i n k m a n n besch äftig en sich m it d e r lan d w irtsch aftlich en
B evölkerung, m it d e r G esch ich te d es A ck er-, G arte n - u n d W ein b a u s, d e r V ie h ­
zucht, des to r s t- , Ja g d - und F isc h ereiw e se n s, fe rn e r m it d e r E n tw ick lu n g des
an d els, des P ost-, Schiffs- u n d E ise n b a h n v e rk e h rs und des G ew erbes in d e r
M ark, in sb eso n d ere m it dem A ufsch w ü n g e des G ew erbfleisses in B erlin.
D en
S chluss des B andes bild en ein ig e k le in e re A ufsätze ü b e r die H au p tin d u strien d e r
Provinz.^ R ü d e rs d o rfe r K alk, Z e h d en ic k e r Z iegeln, V e lte n e r Öfen, C o ttb u sser u n d
o rste r T u c h e u n d m an ch e a n d e re S p ezialität d e r M ark finden h ie r ih re W ü rd ig u n g ,
ine K arte zeig t das V orkom m en d e r B ra u n k o h le u n d die H au p tzen tren d e r Z ieg el/ 0
Z e h le n d o rf.
K a rl
B eucke.
Andree-Eysn, Hirsch:
216
Ernst von Frisch,
zur
K u ltu r g e s c h ic h tli c h e B i l d e r v o m A b e r s e e .
S a lz b u r g is c h eil
K a rte .
L an d esk u n d e.
M it
neun
W i e n u n d L e ip z i g , A lf r e d H o ld e r , 1 9 1 0 .
E in B e itra g
A b b ild u n g e n
V I I I , 113 S .
und
8
e in e r
°. 3 ,4 0 M k .
D e r A ber- o d e r St. W o lfg an g see lieg t in h e rrlic h e r A lp en la n d sc h a ft an d e r
o b erö ste rre ic h isc h -sa lz b u rg isc h e n G ren ze.
E s is t ein h isto risc h stille r W in k el,
d essen lo k ale G e sch ich te in den letzten J a h rh u n d e rte n zum g ro sse n T e il d u rch
G ren zstreitig k eiten a u sg e fü llt w ird .
Sie ersc h e in e n u n s a b e r k u ltu rg e sc h ic h tlic h
von B elang, d a d e r V e rfa ss e r es v e rs te h t, u n s d u rc h sie ein treffliches B ild v e r­
g a n g e n e r Z eiten v o r A ugen zu fü h ren .
In ein g e h e n d e r W e ise b e ric h te t e r in
diesem k leinen B u ch e ü b e r d ie d am alig en W irtsc h a fts v e rh ä ltn iss e , Z ölle, G e ric h ts­
u n d F o rstw esen , Ja g d u n d S c h iffa h rt u n d n am e n tlich w erd en d ie k irc h lic h e n V e r­
h ältn isse u n d w as d a m it z u sam m en h än g t, e rö rte rt.
R e ic h is t d ie L ite ra tu r an g ezo g en , n u r flüchtig die v o rg esch ich tlich en B e­
ziehungen. V ie lle ic h t h ätten d ie U rk u n d en , d ie so m an n ig fach en Stoff g eb o te n ,
au ch fü r die V o lk sk u n d e A u sb eu te g e lie fe rt.
W e r a b e r sein e S o m m erfrisch e an d en U fern d es W o lfg a n g se es v erb rin g en
o d e r w ie O tt H ein ric h , P fa ltz g ra f b y R h e in , zu d em A b e rse e r G o tte sh a u s p ilg e rn
w ill, u n d w er m it d e r h och ü b e r dem See g ele g e n e n B ahn von N o rd en h e r d en
See e rre ic h t u n d tie f u n ten d as lieb lic h e B ru n n w in k l e rb lic k t, w ird In te re ss e fü r
d ie V e rg a n g e n h e it d ie se r S tätte em pfinden, u n d dem sei d ies k lein e B uch w ärm sten »
em pfohlen.
M ünchen.
M a r ie A n d r e e - E y s n .
Theodor Birt, Aus der P rovence. R eisesk izzen. (D eutsche B ücherei 11*2/113.)
Berlin, Otto Koobs. o. J.
166 S. Kl. 8°.
1 Mk.
M an k ö n n te d as B ü ch lein , d ie F ru c h t ein es fü n fw ö ch en tlich en A u fen th altes
in d e r Provence, als h a rm lo se R e ise b e s c h re ib u n g p a ssie re n lassen , sch lü g e es n ic h t
zu w eilen ein en w issen sc h a ftlic h e n T o n an, d e r d en L e se r W ertv o lles erw a rte n
lässt. B a ld w erd e n d ie ‘Ja h re sh e fte d es ö ste rre ic h isch e n In s titu ts ’, b ald M om m sens
‘R ö m isc h e G e sch ich te’, bald ein W e rk ü b e r d ie V e rw e n d u n g d es F e u e rs in an tik en
S eesch lach ten zitiert.
H isto risch e R e m in isz e n z e n m ac h e n sich ü b e ra ll in au f­
d rin g lic h e r W eise b re it (S. 38 fT., 47 f., 58 ff., 117 ff. u sw .).
Sie w ü rd en w e n ig e r
stö ren , stü n d en n ic h t d azw isch en B em erk u n g e n , w ie sie d e r D u rc h sc h n ittsre ise n d e
z w ar m ach t, b e i e in ig er B e sc h e id e n h e it auch in sein T a g e b u c h n o tiert, a b e r d och
n iem als veröffentlicht.
T riv ia le A u sru fe („ W ie sch ö n ist es doch, in frem d en
G a sse n m ü ssig zu s c h le n d e rn !“ S. 18, „ R ö m ertu m , R ö m e rtu m , ich h a tte es ganz
v e rg e s s e n !“ S. 24) w e ch seln ab m it h u m o ristisch en G ed ich ten etw a fo lg en d er A rt:
„ W e r a n h e b t die P ro v en c e zu p re ise n , d e r d a rf n ic h t sch w eig en von den S p e ise n “
(S. 134) o d er „A uf B erg en h o ch w o h n t d ie B ellevue, Sie au fz u su c h en k o ste t M ü h “
(S. 18).
F ü r d ie V o lk sk u n d e fällt b ei d ie se r A rt d e r R e ise b e s c h re ib u n g n atü rlic h n ic h t
viel ab. In L yon h a t B irt d as In te re ss a n te ste le id e r n ich t g e se h e n : d as M useum
fü r E rze u g n isse d e r S e id en in d u strie, d as fü r d en E rfo rsc h e r d es V o lk sg esch m ack s
u n d d e r V o lk strach te n eine u n e rsc h ö p flic h e F u n d g ru b e ist.
U b e r den S. 54 e r­
w äh n ten F a ra n d o le -T a n z a u f d e r B rü c k e in A vignon h ä tte m an g e rn n ä h e re s
g eh ö rt. A uch von B rä u ch e n b ei d e r W e in e rn te h a t B. w en ig g eseh e n . D a b e i
Berichte und Bücheranzeigen. — Notizen.
217
kann se lb st d e r sch n ell R e is e n d e h ie r le ic h t B eo b ach tu n g en m ach e n ; denn d e r
p ro v en zalisch e B a u e r ist n ic h t v ersch lo ssen u n d k e n n t v o r allem n ich t die S ch eu
v o r d em D eu tsch en , die dem n o rd fran zö sisch en eig en ist. G anz an sch au lich g e ­
sc h ild e rt ist ein S tierg e fe c h t in N im es (S. 72 f.).
D as B uch sc h lie sst mit den —
n a tü rlic h sc h e rz h a ft g em ein te n — , a b e r doch etw as u n v o rsich tig en W o rte n :
„D em N ebenm enschen ist U n heil w id erfah ren , d e r nun g a r d iese E rin n eru n g en
lesen so ll.“
B e rlin .
J u lia n
H irs c h .
Notizen.
D ie E v a n g e l i e n v a n d e n S p i n r o c k e , m etter glosen bescreven te r eeren vanden
vrouwen. Antwerpen, M. Hillen van Hoochstraten c. 1520. (Neudruck von G. J. B o e k e n o o g e n ). ’s-Gravenhage, M. Nijhoff. [1910.] 20 Bl. + 14 S. 4°. 2,75 fl. — Die in N ord­
frankreich oder Flandern entstandenen ‘Evangiles des quenouilles’, die zuerst um 1480 zu
Brügge und zuletzt 1855 in Paris im Druck erschienen, liefern uns ein trotz der satirischen
Absicht des Yf. recht wertvolles Verzeichnis abergläubischer Meinungen des 15. Jahrh. und
sind, wie eine bei YVynkyn de W orde erschienene englische* eine 1537 u. ö. gedruckte
deutsche (vgl. oben 13, 457 f.) und die hier vortrefflich reproduzierte niederländische Über­
setzung erweisen, auch ausserhalb des frauzösischen Sprachgebietes fleissig gelesen worden.
In seinem Nachworte zeigt Boekenoogen, dass die um 1520 gedruckte Antwerpener Aus­
gabe des niederländischen Textes auf einem verlorenen älteren Drucke beruht, dass aber
die drei späteren Drucke (zuletzt Amsterdam 16G2) aus ihr geflossen sind und nur ein
paar Satiren auf die Frauen hinzufügen. Abgesehen von einigen Kürzungen und Miss­
verständnissen schliesst der nid. Ü bersetzer Bich genau an das französische Original an.
Ob auch das jedem der sechs Abschnitte voraufgehende charakteristische Bild der sechs
Frauen, von denen vier spinnen und die fünfte der sechsten ihr Evangelium diktiert, schon
auf ein französisches Vorbild zurückgeht, wird leider nicht, gesagt.
V. J u n k , Tannhäuser in Sage und Dichtung. München, C. H. Beck 1911. 51 S. Kl. 8°.
1 Mk. — Der Vf. w eist im Anfang der kleinen Schrift auf die vielverbreiteten Sagen von
der ‘Bergentrückung’ hin und bringt, wie andere vor ihm, die Tannhäusersage damit in
Verbindung. E r scheint sich aber selbst in einer Art ‘Bergentrückung’ befunden zu haben,
als er dies Büchlein schrieb und herausgab, denn die gesam te T annhäuserliteratur der
etzten Jahrzehnte ist ihm unbekannt geblieben. Obendrein kann dieser Quidam (übrigens
ein österreichischer Universitätsdozent) nicht einmal sagen, er sei weit davon entfernt, dass
er von lo te n was gelernt: beruft er sich doch m it Vorliebe auf den alten Grässe und
ähnliche längst verstorbene oder niemals lebendig gewesene Leute!
G.
L. K i t t r e d g e , Notes on witchcraft (Proceedings of the American Antiquarian
Society vol. 18.) Worcester, Mass. 1907. G7 S. — Auch Amerika hat H exenverfolgungen
gehabt; 1692—1()9.> wurden zu Salem in M assachusetts 22 Personen unter diesem Ver­
dachte getötet. K. zeigt, dass diese Bewegung keineswegs aus der puritanischen W elt­
anschauung floss, sondern aus den von E ngland m itgebrachten Ansichten über Magie zu
erklären ist, wo viele angesehene Gelehrte des 17. Jahrhunderts den Hexenwahn verteidigten
und noch 1712 eine Hexe zum Tode verurteilt wurde.
C.
A. K o r tu m s Lebensgeschichte, von ihm selbst erzählt, hrsg. von K. Deicke.
Dortmund, F. W. Ruhfus 1910. V III, 82 S. Kl. 8°. 1,50 Mk. — Seiner 1893 erschienenen
D arstellung des Lebens und der Schriften des Jobsiadendicliters Carl Arnold Kortum
hat Deicke kürzlich als Ergänzung diese Selbstbiographie folgen lassen, die er durch einen
fall entdeckt hat. Das der H auptsache nach vollständig abgedruckte Schriftchen berührt
uns angenehm durch den schlichten Ton der E rzählung: es beginnt mit einigen N ach­
richten von dem alten Geschlechte der Kortume und führt bis zur Geburt von Kortum s
ersten Enkelkindern. Aus dem In h alt interessieren vor allem die M itteilungen aus der
chulzeit und Studentenzeit, die einen Einblick in den Betrieb an den höheren L ehr­
218
Notizen.
anstalten und in der medizinischen F ak u ltät sowie in die Zeremonien der Doktorpromotion
in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gestatten. F ü r die Volkskunde ist der E rtrag
des Büchleins, trotz Kortums vielseitigen Interessen, gering. H ierher gehört etwa, dass er
aus eigenem Trieb das Jüdisch-deutsche sehr g u t lesen lernte. W esentlicher ist seine
Stellung zur Alchemie, die er in einem besonderen, 360 Seiten starken Buch verteidigt
h at (Duisburg 1789), und eine ganz eigentlich volkskundliche Schrift ist seine 1804 ver­
fasste ‘Beschreibung einer neuentdeckten alten germ anischen G rabstätte nebst E rklärung
der darin gefundenen A ltertüm er; zugleich etwas zur Charakteristik alter röm ischer und
germ anischer Leichengebräuche und G räber.’ (R. B ö h m e .)
R. K ü h n a u , Schlesische Sagen 2: Elben-, Dämonen- und Teufelssagen. Leipzig,
Teubner 1911. X X X II, 745 S. 10 Mlc. (Schlesiens volkstümliche Ü berlieferungen hsg. von
Th. Siebs 4). — Kühnaus sehr dankenswerte Samm lung und Sichtung des schlesischen
Sagenm aterials aus gedruckter und m ündlicher Überlieferung lässt den Seelensagen des
ersten Bandes (oben 20, 330) rasch die Traditionen über die N aturgeister folgen. Aus­
führlich werden uns in sachlicher, z. T. auch örtlicher Anordnung alle erreichbaren
V arianten vorgeführt, die über die Elben d. h. Haus-, Erd-, W ald- und W assergeister, die
Dämonen d. h. Schlangen, B erggeister, Winde, Riesen, Tod und andere halbgöttliche
Wesen, endlich über den Teufel (den Feind der Menschen, den vom C hristentum über­
wundenen, den betrogenen, den Helfer der U nterdrückten) handeln, im ganzen 691
Nummern. Die allerm eisten Stoffe sind durch ganz D eutschland verbreitet; polnischen
Charakter tragen viele Sagen vom W assermann und von dämonischen Wesen wie Zywie,
Dziewanna, Zmora; auf Böhmen w eist wohl das Motiv des Speisens vom eisernen Tisch
zurück; in katholischen Kreisen ist die E rzählung von Luthers Abstammung entstanden;
ziemlich modern klingt es, wenn die Erfindung des schlesischen Streuselkuchens den
Zwergen zugeschrieben wird oder ein W assergeist einen W andrer um Feuer für seine
Zigarre bittet. Neu ist die Bezeichnung des heulenden W indes als Melusine, w ährend in
einer wirklichen Melusinensage (S. 228) der N am e der Heldin vergessen ist. Bei der Ge­
schichte vom H errn von R echenberg (S. 669) h ätte der H erausgeber aus den von ihm
zitierten, aber nicht nachgeschlagenen Sprichwörtern Agricolas das D atum 1520 gewinnen
können. Ein Übelstand, der hoffentlich später durch ein ausführliches Sachregister aus­
geglichen wird, besteht darin, dass derselbe Stoff, z. B. Kind und Schlange (Grimm,
KHM. 105) oder Nix und B är (R. Köhler, Kl. Schriften 1, 72), an fünf und m ehr Stellen
im Bande verstreut au ftritt.
Sollte die Samm lung auch auf Märchen (G evatter Tod,
Schm ied von Jüterbog, die vergessene Braut) und Balladen (W assermanns B raut, die vom
Schmied beschlagene Pfaffenköchin) ausgedehnt werden, was ich nicht ganz konsequent
finde, so hätte auch die L iteratu r darüber herangezogen werden sollen; im Liederhort
von Erk-Böhme Nr. 1 und 219 stehen noch andere schlesische Fassungen dieser B alladen
verzeichnet. Doch gegenüber der Reichhaltigkeit und Zuverlässigkeit des Ganzen fallen
solche kleine Ausstellungen nicht ins Gewicht.
Fr. R a n k e , D er Erlöser in der Wiege, ein B eitrag zur deutschen Volkssagen­
forschung. München, C. H. Beck 1911. 3 Bl., 78 S. 2,80 Mk. — Viele Geistersagen
schliessen m it der K lage der nicht erlösten Jungfrau, nun müsse sie warten, bis aus einem
künftigen Baume eine W iege gezim m ert und der darin ruhende Knabe zum P riester
gew eiht sei. Dies Motiv wollte schon W einhold (oben 1, 2. 4, 453) im Gegensätze zu
mythologischen Erklärungen aus der in der Kreuzholzlegende gegebenen W eissagung von
Adams Erlösung aus der Hölle ableiten. Je tz t erbringt R. den Beweis für die R ichtigkeit
dieser Ansicht, indem er ausführlich die Legende m it der Sage vergleicht und als Zwischen­
stufe eine bereits im 13. Jah rh . vorhandene E rzählung von einer iin F eg feu erü b er die gleiche
Aussicht jauchzenden Seele anführt. Zugleich m ahnt die um sichtig und klar geführte
U ntersuchung zur Vorsicht gegenüber dem oft gerühm ten hohen A lter unserer Volkssagen:
sie zeigt, dass sich bisweilen der ursprüngliche Sinn eines Motivs völlig umkehren kann,
und leh rt von neuem, dass der ‘D eutung’ einer Sage die Erforschung ihrer Entwicklung
voraufgehen muss.
Bernhard Kahle f . — Brunner: Protokolle.
219
Bernhard K ahle
Am 9. Dezember 11)10 starb in H eidelberg nach kurzer K rankheit unser Mitglied, der
ao. Professor an der dortigen U niversität Dr. B ernhard Kahle. E r war in Berlin am
25. August 18G1 geboren und hatte auch dort seine Studien abgeschlossen. Sie bewegten
sich von Anfang an vornehmlich auf dem Gebiete der nordischen Sprachen und L iteraturen,
weshalb er denn auch einen Sommer auf Island zubrachte. E r h at diesen Aufenthalt in
einer besonderen Schrift geschildert, h at in unserer Zeitschrift auch über Reisen nach den
nördlichen Ländern im 17. und angehenden 18. Jahrhundert und über verschiedene Sitten
des N ordens gehandelt (vgl. oben 20, 407). Denn nach und nach hatte er auch das Gebiet
der Volkskunde betreten, wovon neben unserer Zeitschrift auch die Hessischen B lätter für
Volkskunde und die Arbeiten Zeugnis ablegen, die er dem badischen Volkstum widmete
und die dazu führten, dass ihm als einzigem Universitätsprofessor in D eutschland ein
Lehrauftrag für Volkskunde erteilt wurde. D er V erband volkskundlicher Vereine hatte
ihn betraut, an der Sammlung der Zaubersprüche und Segen mitzuwirken. Allzufrüh ist
seinem Wirken ein Ende gesetzt worden.
B e rlin .
M ax R o e d ig e r .
Aus den
Sitzungs-Protokollen des Vereins für Volkskunde.
F reitag, den 20. Januar 1911. D e r V o rsitzen d e, H r. G eh e im ra t R o e d i g e r ,
b eg riisste die z u r F eie r d es 2 0 jä h rig e n B e ste h e n s d es V erein s V e rsam m elten und
h ielt folgende A nsprache, d ie w ir im W o rtla u t w ied erg eb en :
„ W ir tre te n h e u t an u n g ew o h n tem O rte zu sam m en . Ä u ssere G rü n d e sin d
d a ra n sc h u ld ; a b e r ich b ed a u re , d a ss n ich t w ie so n st d as B ild d es M annes a u f
uns h erab b lick t, d e r d e r B eg rü n d er u n se re s V erein s u n d sein P a tro n ist, zu dem
w ir in E h rfu rc h t u n d D a n k b a rk e it a u fsch au en , K arl W ein h o ld . F reilic h , als am
'. J a n u a r 1901 d as z e h n jä h rig e B e ste h e n d es V erein s g e fe iert w urde, w ar ihm
auch n ich t vergönnt, d ieses F e st zu leiten , u n d m u sste ich den E rk ra n k te n v e r­
treten . E r h a t u n s d an n n ic h t m e h r lan g e a n g e h ö rt: am 15. A ugust d esselb en
J a h r e s v e rsch ied e r in N au h eim , ln ih m w a r d e r S tifte r des e rsten v o lk sk u n d ­
lich en ‘V ereins in D e u tsc h la n d d ah in g eg an g en , u n d m an d a rf sag e n : zu gleich d e r
B eg rü n d er d e r w issen sch aftlic h en V o lk sk u n d e, d e r ih re n B egriff u n d U m fang zu e rst
fest ab g eg ren zt und d ie ih r nö tig e M ethode d e r F o rsc h u n g k la r b estim m t hat.
A uch die M änner, d ie m it ihm den e rste n V o rsta n d d e s V e re in s b ild eten , sind
bis a u f einen uns en trissen . Z u e rst sch ied W ilh e lm S chw artz, d ann d e r jü n g s te
u n te r ih n en , von dem d e r G ed an k e d e r V e re in s g rü n d u n g au sg eg an g en w ar, U lrich
J a h n , d a ra u f V irchow , A le x an d e r M ey e r C ohn, M eitzen. E rh a lte n g eb lieb en is t
d em V o rsta n d einzig D r. G eo rg M inden, vom A u ssch u ss die H erren F rie d e i u n d
E rich Schm idt, e rs te re r d e r a lljä h rlic h ein stim m ig w ied erg ew äh lte O bm ann d es
A usschusses. G rö sser ist e rfreu lic h e rw e ise d ie Z ah l d e r u n s g e b lieb en en U rm itg lied er, u n d ein p a a r u n s w erte N am en zeig t u n se re L iste in d e r zw eiten G e n e ra tio n :
B artels, T reic h el.
D e r "Verein k o n stitu ie rte sich am 23. J a n u a r 1891 in d e r A ula des K öniglichen
W ilh elm sg y m n asiu m s m it 143 M itg lied ern , d ie n ach u n d n ach a u f u n g e fä h r 2 0 0
p ersö n lich e und k o rp o rativ e a n stie g e n ; eine Z ahl, um die d e r M itg lied erb estan d
220
Brunner:
m it g e rin g en S chw an k u n g en sich se ith e r b ew eg t, d ie e r je tz t um e tw a ein D u tz e n d
ü b e rs c h ritte n hat. D en erste n V o rtra g h ie lt A u gust M eitzen, die erste n V o rlag en
erlä u te rte n die H e rre n J a h n u n d F rie d e i. W ir sin d d ie se r D isp o sitio n d e r Sitzungen
tr e u g e b lie b e n : V o rträg e, g rö sse re u n d k le in e re M itteilu n g en , E rk lä ru n g von V o r­
lag en h ab en w ir in allen S itzu n g en zu bieten g e su ch t, ein p a a rm a l w u rd en auch
M useen — das m ärk isc h e u n d d ie K önigl. S am m lu n g fü r V o lk sk u n d e — b esich tig t.
D ie L e ite r d ie s e r In s titu te h a b en u n s sp ä te r b e re itw illig G e g en stän d e d a ra u s fü r
d ie so nötige B e le h ru n g d u rch d en A u g en sch ein z u r V e rfü g u n g g e ste llt und so dem
öfter ein tre te n d e n M angel an V o rla g e n ab g eh o lfen . N ach d ie se r S eite fö rd erten
u n s au ch die a llm ä h lic h au fk o m m e n d en V o rträ g e m it L ic h tb ild e rn . W ir hab en in
den b eid en ersten J a h re n je 9, d an n je 8 S itzu n g en a b g e h a lte n , im g an zen also 162.
D a rin sin d etw a 100 v ersc h ie d e n e R e d n e r zu W o rte g ek o m m en , ab g eseh en von
d en n u r an den D e b a tte n B e te ilig te n ; die m e iste n R e d n e r M itg lie d e r d es V e re in s,
a b e r au ch G äste, w ie u. a. P ro f. G allee, G u n k el, F inck, L eh m an n -X itsc h e , M ü llen hoff, T ik tin , D r. A n d ersso n , M aler H o lle c k -W e ith m a n n . V o n d en frü h e re n M it­
g lie d e rn h a b e n am h äu fig sten v o rg e tra g e n — ich o rd n e nach a b steig e n d e n Z ah len —
W ein h o ld , M ax B artels, B rü c k n e r, Ja h n , von den je tz ig e n die H erren S ökeland,
B olte, F rl. L em k e, d ie H erren M ielke, B ru n n er, F rie d e l, R o e d ig e r (zu m e in er
eig en en V e rw u n d e ru n g !), H ahn.
F ü r die B eteilig u n g an d e r Z eitsc h rift b ra u c h e ic h n u r a u f d as so rg fältig e
R e g is te r zu v erw eisen , d as B o ltes F leiss dem 20. B an d e b eig eg e b en h at. E s le h rt,
d a ss d ie Z ahl d e r M itarb e ite r in d en letz te n zeh n J a h re n von 10!* a u f 365 g e ­
stieg en ist und d a ss d ie b eid en H e ra u sg e b e r d e r Z eitsch rift, W e in h o ld u n d B olte,
die eifrig sten B e iste u re r g ew ese n sin d . D u rch A u sta u sc h h a t u n s d ie Z eitsc h rift
zu e in e r reich en S am m lu n g a n d e re r in - u n d a u slä n d isc h e r Z eitsc h rifte n u n se re s u n d
v e rw a n d te r G ebiete v erh o lfen , u n d d ie se B ib lio th ek is t d u rc h ein zeln e G ab en u n d
ein e w ertv o lle, e tw a 200 N u m m ern u m fa sse n d e S c h en k u n g d e r W itw e u n d T o c h te r
u n se re s 1903 v ersto rb e n e n M itg lied es M arelle in h o c h h e rz ig e r W e ise v e rm e h rt
w orden.
A ls u n se r V erein b e g rü n d e t w urde, sta n d e r allein . J e tz t g ib t es in den
L ä n d e rn d e u tsc h e r Z u n g e g egen 20 V e re in e fü r V o lk sk u n d e, u n d m e h r als 2i*
so lc h e r V erein e, M useen u n d ä h n lic h e r A n stalten sch lo ssen sich seit 1904, zu erst
d u rc h die B em ü h u n g e n d es le id e r sch o n 1906 v ersto rb e n e n A d o lf S track, zu einem
V e rb a n d zusam m en , d e sse n V e rtre te r w ir 1908 h ie r in B erlin au fn eh m en k o n n ten .
E s is t w a h r: g em e in sa m e L e istu n g e n h a t d e r V e rb a n d n och n ic h t aufzu w eisen . E r
le id e t u n te r d e r finanziellen L ag e d e r ein ze ln en V e re in e u n d d es D eu tsc h e n R e ic h e s
u n d se in e r S taaten , u n d n u r m it B an g en e rw a rte n w ir den B esch eid w eg en e in e r
erb e te n e n U n terstü tzu n g , die es dem V erb än d e erm ö g lich en sollte, die T e x te u n d
M elodien d e r d eu tsc h en V o lk slie d e r vom 18. J a h rh u n d e rt an d u rc h ganz D e u tsc h ­
la n d h in zu sam m eln , eine n o tw en d ig e A rbeit, m it d e r m an in Ö sterreich und d e r
Sch w eiz schon b eg o n n en hat.
In d e s a n d e re s, nach d e r id e ale n u n d re a le n Seite, a u f dem g eistig en u n d sa c h ­
lic h e n G eb iete zu leiste n , is t d en d e r V o lk sk u n d e d ie n e n d e n d och schon gelu n g en .
Ic h w ill h ie r n ic h t ein zeln e A rb eiten a u fzäh len , n u r d ie G ew in n e im g ro sse n a n ­
deuten.
E s is t g elu n g en , dem p lan lo sen S am m eln v e rs tre u te r, v e rb in d u n g slo se r
K u rio sitäten ein E n d e zu m ach e n u n d d en a n sich se h r sch ä tzb a re n u n d u n en t­
b e h rlic h e n S am m eleifer in g e reg e lte B ahnen zu leiten . E s ist g elu n g en , w en ig sten s
ein em T e ile d e r h ö h e r G este llten In te re ss e einzuflössen fü r die D en k w eise u n d d ie
L eistu n g en d e r tieferen so zialen S c h ich ten u n d im m e r m e h r d ie E rk e n n tn is zu v e r­
b reiten , d a ss m an h ie r n ich t n u r R o h h e it, A lb ern h eit, A b erg la u b e n u n d U n fu g e r-
Protokolle.
221
blicken dürfe, dass m an v ielm eh r d ieses L eb en zu v ersteh e n u n d m it je n e m R e sp e k t
zu b e ach ten habe, den d ie h ö h eren S ch ich ten fü r d as ih rig e v erlan g en . E s b eg in n t
den so g en an n ten G eb ild eten die E rk e n n tn is a u fzu leu ch ten o d e r w enigstens zu
d äm m ern , dass auch h ie r g eistig e W e rte u n d au s ih n en h e rv o rg e h e n d e w ertvolle
Schöpfungen v o rh an d en sind, d ie sie m it d em a b sch ätzig so g e n a n n te n V o lk e v e r­
b in d en , die in ih r eig en e s D en k e n u n d W irk en h in e in re ich e n , ja d e sse n W u rz eln
sind. D ie V o lk sk u n d e ist n ic h t bloss d ie K u n d e vom n ie d ere n V o lk e, vom vulgus,
so n d ern von d e r natio, von e in e r d u rch G eb u rt
u n d A b stam m u n g v e rb u n d en en
G em einschaft. D essen soll n ic h t n u r d e r L ie b h a b e r u n d G eleh rte, n ein a u c h d e r
in d e r P ra x is steh e n d e V erw altu n g sb eam te, R ic h te r, G eistliche, au ch d e r D ic h te r
u n d K ü n stler geden k en . E r soll d as V o rh an d e n e aus d em V erg an g en en begreifen
u n d bew erten .
A ber die V o lk sk u n d e soll n ich t in d en G renzen e i n e s V o lk es ein g esch lo sse n
b leib en : sie soll vom eig en en V o lk e au sg eh en ,
a b e r seine L e istu n g en v e r ­
g l e i c h e n m it den en a n d e re r V ö lk er. H isto risch u n d v ergleich en d m uss sie v e r­
fahren.
W ie w ir lä n g st d a ran g ew ö h n t sind, die
S prachen zu v erg leich en , w ie
m an d ann begonnen h at, M ythologie u n d R e c h t u n d lite ra risc h e E rzeu g n isse zu
v erg leich en , so m ü sse n ü b e rh a u p t die g esa m ten Ä usserungen d er g eistig en A nlagen
v ersch ied en er, m ö g lich st a lle r V ö lk er m ite in a n d e r verg lich en w erden. Und d ie
g eistig e A nlage ein es V o lk es ä u ss e rt sich n ic h t n u r a u f literarisch em u n d k ü n st­
lerisch em . so n d ern a u ch a u f sac h lic h e m G ebiete, in B auten u n d G eräten u n d
T rach ten , k u rz auch in se in e r ganzen ä u sse re n L eb en sw eise. D e r seinem Z w ecke
nach d eu tlich e B esitz e i n e s V o lk es soll d en u n d e u tlic h g ew o rd en en a n d e re r au f­
klären.
D iese v erg leich en d e v o lk sk u n d lich e M ethode h a t sch n ell in a llen W issen sch aften
P u ss g efasst. W e r sch eu t sich h e u te noch, w enn er die trü m m erh aften Ü b e r­
lieferu n g en o d e r k ü m m e rlic h en R e s te ä lte ste r Z u stän d e so g ar d e r v o rn eh m sten
N ationen in Z u sam m en h an g b rin g en u n d e rk lä re n w ill, bei den prim itiven V ölkern
U m schau zu h alten ? O d er w elch en w isse n sch a ftlic h D en k e n d en b eleid ig t es, w enn
m an zum V erstä n d n is jü d is c h e r u n d c h ristlic h e r K ulte, A nsch au u n g en u n d L e h re n
den B lick a u f die H eiden d es O rien ts u n d G rie c h e n la n d s rich te t? W ä re n U n ter­
su chun gen k la s sis c h e r P h ilo lo g e n a u f d em G eb iete d e r R elig io n , d e r S itten u n d
B räuche, w ie sie, um a n d e re r F o rs c h e r zu gesch w eig en , von u n seren h o ch g esch ätzten M itgliedern D iels u n d S am ter au sg eg an g en sind, ohne d en E influss d e r
V o lk sk u n d e d e n k b a r?
A ber statt d iese N achw eise a u f a n d e re G eb iete a u szu d eh n en , w ill ich lie b e r
die F ra g e zu b eantw orten su ch en : w as h a t d en n u n se r V erein im b eso n d ern getan ,
u m die W issen sch aft d e r V o lk sk u n d e au szu b au en , ih r V e rb re itu n g u n d A nerk en n u ng
zu verschaffen, ih re A ufgaben zu lö se n ? H ie r m u ss ich in erster L in ie a u f un sere
Z eitsch rift hinw eisen. Sie h a t ja h re la n g als einzige v o lk sk u n d lich e du rch d ie T a t
gezeigt, w ie m an m eth o d isch P ro b lem e d e r V o lk sk u n d e zu b eh an d eln h ab e, sie ist
auch bis a u f d en h eu tig en T a g d ie u m fassen d ste, in h a ltre ich ste und b e d e u te n d ste
ih re r Art, trotz w ertv o lle r G enossinnen, g eb lie b e n — das dü rfen w ir o hne Ü b e r­
h eb u n g sagen, w eil es allgem ein a n e rk a n n t w ird. D as ist freilich in e rs te r L in ie
das V e rd ie n st ih re r H e ra u sg e b e r W ein h o ld und B olte, u n d d erer, die ih re A r­
beiten d e r Z eitsch rift zum A bdruck ü b erlassen . A ber d ie m aterielle G ru n d la g e d e r
Z eitsch rift bilden die Z ah lu n g en d e r M itg lied er u n se re s V erein s, die ih re n n ic h t
g erin g en Ja h re sb e itra g v o rnehm lich zu dem ih n en b ew u ssten Z w ecke leisten , das
E rsch ein en d e r Z eitsch rift zu erm ö g lich en , u n d die sich um u n sere W isse n sc h a ft w o h l­
v e rd ien t m achen, w enng leic h ih re K raft allein o hne die u n s b ish e r a lljä h rlic h b ew illigte
und stets neues D an k g e fü h l erzeugend-e B eihilfe des zu stän d ig en M in isteriu m s n ic h t
'222
Brunner:
a u sg e re ic h t h ab en w ü rd e, die Z eitsch rift a u fre ch tzu e rh a lte n . A b er auch die B e­
d eu tu n g u n s e re r reg elm ässig en Z u sa m m e n k ü n fte so llen w ir n ich t g e rin g a n ­
sch lag en . Sie erw e ite rn u n d v ertie fe n u n se re K en n tn isse u n d w ecken im m er aufs
n e u e b ei u n s freu d ig e u n d b e fried ig e n d e T e iln a h m e fü r u n s e r A rb eitsg eb ie t. J e
m e h r w ir von In te re ss e d aran e rfü llt sin d , d esto e h e r w e rd en w ir es ä n d e rn einzuflössen suchen, und d as is t a u ch ein V e rd ie n st, d as g ew iss je d e r u n te r u n s sich
zu sp rech en d a rf: A p o stel d e r V o lk sk u n d e zu sein.
H aben n u n a n d e re V e re in e ih re n S c h w e rp u n k t n ic h t in ih re Z eitsch riften u n d
häufige Z u sam m en k ü n fte g eleg t, so n d e rn ih re K ra ft an d ie L ö su n g b estim m te r A uf­
g ab en g esetzt, w ie S am m lu n g von F lu rn a m e n , von V o lk slied e rn , A u fn ah m en zu r
H au sfo rsch u n g , E rw e rb von v o lk sk u n d lic h en G e g e n stä n d e n u sw ., so k ö nnen w ir
u n s so lch er U n tern eh m u n g en n ic h t rü h m e n . D as h a t se in e n G ru n d zum T eil
d arin , d ass v erw an d te B e rlin e r V e re in e u n s d e rg le ic h en A ufgaben ab n eh m e n , h a u p t­
säch lich a b e r in d em Sitz u n se re s V e re in s. A lle a n d e re n ru h e n a u f d em festen
U n terg ru n d p ro v in z ie lle r o d e r s ta a tlic h e r B ezirk e , die e n tw e d er ein im w e se n t­
lichen ein h eitlich es V o lk stu m zeig e n o d e r sich d och a u s n ic h t allzu v ielen E in ­
h eiten zu sam m en setzen . B e rlin h a t ein en alles H erk ö m m lic h e z e rstö re n d e n E in ­
fluss, den es w eit u m sich a u sd eh n t. E s b ie te t dem v o lk sk u n d lic h en F o rsch e r, d e r
zw eck m ässig v om G eg en w ärtig en a u s rü c k w ä rts sch re ite t, ein sc h illern d es, b ro d e ln ­
des G em isch d ar, d e sse n B e sta n d te ile sich fo rtw ä h re n d v e rän d e rn u n d d as kein
sich eres F u ss e n erm ö g lich t. D e r B ew o h n er B e rlin s m u ss sch o n w eit pilg ern ,
w enn e r e in ig erm asse n von d e r G ro sssta d t u n b e rü h rte s V o lk sle b e n finden w ill. So
k ön n en sich in u n se re m V e re in n u r d ie sam m e ln , w elch e d ie allg em ein e, la n d ­
sch aftlich u n d v ölkisch n ic h t b esc h rä n k te V o lk sk u n d e lockt. I h r e r sin d w en ig er
als die, deren H eim atlie b e sie z u r V ertie fu n g in ih re E ig e n a rt treib t, u n d so
w erd en w ir, fü rch te ich, a u f ein e w esen tlich g e ste ig e rte M itg lie d erza h l n ic h t re ch n e n
d ü rfen . T ro tz d e m b ra u c h e n w ir u n s n ic h t v o rzu w erfen , d a ss w ir in d iesen zw anzig
Ja h re n d as U nsrige n ic h t g e ta n h ätten . G ew iss w ird sich im B etrie b e dies u n d
je n e s b essern lassen , u n d d e r V o rsta n d w ird d ah in g e h e n d e V o rsc h lä g e so rg sam
p rü fen . A ber im g an zen w ill es m ir doch sch ein en , als sei d ie T e iln a h m e am
V e re in u n d das L eb e n in sein en S itzu n g en re g e r g e w o rd en , u n d g e le rn t h ab en w ir
o h ne Z w eifel v iel m ite in a n d e r u n d v o n ein an d e r. W ir sin d u n s alle g eg en se itig D an k
schuldig, u n d d en lassen Sie u n s b etä tig e n d u rc h T re u e geg en u n se re n V ere in und
d u rc h W irk e n zu sein em H eil u n d G e d e ih e n .“
D an n sp rach H r. R o b e rt M i e l k e ü b e r „D ie G iftm isch erin von S an sp areil, eine
N ach w irk u n g d e r Sage von d e r w eisse n F r a u .“ D ie Sage von d e r G iftm isch erin
von S a n sp areil fü h rt u n s in ein von den h o h e n zo lle rn sc h e n M ark g rafen im A nfang
d es 18. J a h rh u n d e rts g eg rü n d e te s o b e rfrä n k isch e s S chloss. U n ter d e r B urg liegt
d e r O rt W o n sees. H ier befindet sich ein G rab stein , w a h rsch ein lich dem G esch lech te
von A u fsess zugehörig, w e lch e r im V o lk sm u n d e d e r G ra b ste in d e r G iftm isch erin
Z w an zig er g e n a n n t w ird , w eil e r m it fü n f F e d e rn , die an Löffel erin n ern , g e­
sch m ü ck t ist. D iese D ien stm ag d Z w an zig er soll ih re n H e rrn v erg iftet hab en , u n d
ih r P ro z e ss fand an fan g s des v origen Ja h rh u n d e rts in T u rn a u statt. D ie S ag en ­
b ild u n g bem ächtigte sich d es Stoffes u n d v e rb a n d die E le m e n te d e r bek an n ten Sage
von d e r G räfin von O rlam ü n d e d am it. D as M otiv d es K in d erm o rd es w u rd e auch
in die S age von d e r G iftm isch erin von S a n sp are il ü b e rtra g e n u n d d am it eine An­
gleich u n g an die S age von d e r w eissen F ra u vollzogen, d e re n U rh eim at ja in d e r
d o rtig en G egend zu su ch en ist. V o r d em T o d e des A lb rech t A chilles tra t die
w eisse F ra u z u e rst in B a y re u th auf. D en e ig en tlich en G ru n d d ie se r S ag en b ild u n g en
d es V o lk es su c h t d e r R e d n e r in d em sch n e lle n u n d jä h e n A b sterb en b lü h e n d e r
F ü rste n g e sc h le c h te r. So g in g d as G esch lech t d e r B e atrice von O rlam ü n d e, die
Protokolle.
223'
1303 a u f d e r P la s se n b u rg sta rb , b a ld n ach d em T o d e d ie se r g ro ssen F ü rs tin u n ter,
und d ie le tz te n O rla m ü n d e r sch lo ssen ein en E rb v e rtra g m it d en H ohenzollern.
D ieses jä h e E rlö sch e n von F ü rs te n h ä u se rn m a c h t a u f d as V o lk sg e m ü t einen b e ­
frem d en d en E in d ru c k , u n d v o lk stü m lic h e E rk lä ru n g is t d an n die G ru n d lag e d e r
S agenbildung, w ie an m e h re re n h isto risch e n B e isp ielen n ach g ew iesen w urde. D ie
V o lk sem p fin d u n g b le ib t eben im m e r g leich u n d w ird verm u tlich n ie m a ls m it d er
S ag en b ild u n g au fh ö ren .
D ann h ie lt H r. P riv a td o z e n t D r. E d. H a h n ein en V o rtra g ü b e r „D ie E rk e n n tn is
des h eu tig en V o lk sle b e n s als A ufgabe u n s e re r W isse n sc h a ft“, d e r im n ä c h ste n H eft
zum A b d ru ck kom m en w ird.
N ach dem a n sc h lie sse n d e n g em ein sch aftlich en F estm ah l im K a ise rk e lle r gab
F ra u E m m a H e r t r i c h e in e R e ih e v o lk stü m lic h er L ie d e r des In - u n d A u slan d es
zum B esten , die sie m it e ig e n e r B eg leitu n g m e isterh a ft v o rzu trag en w usste. Auch.
F rl. G esa F r i e d e l e rfreu te d u rc h D a rb ietu n g ein ig er V o lk slied e r d ie festlich e
V ersam m lu n g .
Freitag, den 24. Februar 1911. D e r V o rsitzen d e, H r. G eh eim rat R o e d i g e r ,
ersta tte te den B e ric h t ü b e r d as V e re in s ja h r 1910 u n d d an k te n o ch m als dem
H e rrn U n terric h tsm in iste r fü r d ie w ie d e ru m d em V erein bew illig te B eih ilfe von
GOO Mk.
D e r S c h a tzm eister H r. D r. F i e b e l k o r n e rsta tte te den K a sse n ­
b erich t, w o fü r ihm m it D a n k E n tla stu n g e rte ilt w u rd e. D e r V o rsitzen d e legte dann
einige N eu ersch ein u n g e n vor, w ie d as B u ch von S eefried -G u lg o w sk i ü b e r die
K asch u b en (‘V on einem u n b e k an n te n V o lk e in D e u tsc h la n d ’. B erlin, D eu tsch e
L a n d b u ch h an d lu n g ). E r w ies d a ra u f hin, d ass in diesem J a h re ein h essisch es
V o lk stra c h te n fe st in K assel stattfinden soll. E in e T a g u n g d es V e rb a n d es d eu tsc h e r
V erein e fü r V o lk sk u n d e soll am 8. Ju n i stattfinden. D a d e r V o rsitzen d e des V e r­
bandes, P rof. D r. E. M ogk, sein A m t n ie d e rleg t, h ä lt H r. R o e d ig e r es fü r ratsam ,
die V e rb a n d sg esch ä fte d u rc h D ire k to r D r. L au ffer in H am b u rg w a h rn eh m en zu
lassen. D as V erb an d so rg an , d ie ‘M itteilu n g en ’, d ü rfte eing eh en , a b e r d e r V erb an d
se lb e r sollte b e ste h en b leib en . H r. S ta d tv e ro rd n e te r H. S ö k e l a n d e rk lä rt sich
m it diesen V o rsch lä g e n e in v ersta n d e n u n d fü g t noch h in zu , d e r b ereits einm al
v e rtag te A n trag a u f E rh ö h u n g d e r M itg lie d e rb e iträ g e fü r den V erb an d sei a b ­
zulehnen.
H r. D r. B r u n n e r leg te a lsd a n n einige n o rd isc h e R u n e n k a le n d e r aus H olz und
P h o to g rap h ien von so lch en a u s d e r K gl. S am m lu n g fü r d eu tsch e V o lk sk u n d e vor.
A llen diesen K alen d ern ist die V e rw e n d u n g von R u n e n z u r B ezeichnung d er
S o n n tag sb u ch stab en u n d d e r G ü ld en zah len g em ein sam . D ie R u n e n en tstam m en
dem jü n g e re n n o rd isc h en R u n e n a lp h a b e t, F u th o rk gen., sin d a b e r keinesw egs a u f
allen K alen d ern g leic h m ä ssig g e b ra u c h t, so n d ern v ielfach v ariiert. M an kann d a r­
aus sch liessen , dass die K en n tn is d e r R u n e n im 17. J a h rh u n d e rt k ein en festen
B oden m e h r im V o lk e h atte. D ie m e iste n H o lzk ale n d er g e h ö re n etw a d ie se r Z eit
o d er e in er n och sp ä teren an. D e r ein e v o rg eleg te H o lzk a le n d e r in B uchform vom
J a h re 1688 zeig t n eb en den R u n en v iele B u c h stab en in sch riften in dem F estk a len d e r,
d e r a u sserd em w ie b ei a llen ü b rig e n E x em p laren m it vielen sy m b o lisch en b ild ­
lich en D a rste llu n g e n v erseh en ist. D iese w aren u rsp rü n g lic h für A n alp h ab eten b e ­
re c h n e t und sin d b is in die jü n g s te Z eit so g ar in den V o lk sk a len d e rn vielfach
erh alten g eb lieb en . D e r erw äh n te b u ch fö rm ig e H o lzk a le n d e r zeig t sein en n o rd isc h e n
C h a ra k te r in d e r B ezeich n u n g d es 25. D e z e m b e r als ‘Ju le d a g h ’ und d e r des
13. Ja n u a r als des 20. T ag e s d e r Ju lfe ie r m it dem S innbilde ein es u m g e k e h rten
T rin k h o rn e s. A n d re rse its tritt das P ro testa n te n tu m an ihm in d e r B ezeich n u n g
des 10. N ovem ber m it dem N am en ‘M art lu te r’ h erv o r. E ig en tü m lich ist diesem
Stücke fern er die A ngabe von 34 U n g lü ck stag en , verw o rfen en T ag en , von denen
'*'
Brunner: Protokolle.
24 :
sieb en allein a u f den J a n u a r fallen . M an k e n n t in sch w e d isc h e n K alen d ern so n st
n u r 33 U n glückstag e. D en 9. O k to b er pflegt m an so n st n ic h t d a h in zu rech n e n .
V ielleich t h a tte d e r B e sitz er u n se re s K a le n d e rs e in e n p e rsö n lic h e n G ru n d fü r sein e
A ufnahm e u n te r die U n g lü ck stag e. D ie T a g e w ä h le re i, w ie L u th e r sie n en n t, is t
ein a lte r V o lk sab erg la u b e , d e r b e re its im 5. B u ch M oses 18, 10 e rw ä h n t ist. Bei
d en alten R ö m e rn w ären d ie d ies re lig io si o d e r vitiosi u n d im M ittela lte r d ie d ies
a e g y p tia c i zu v erg le ic h en . D e r zw eite v o rg eleg te R u n e n k a le n d e r is t e in e r d e r g e ­
w öhnlichen n o rd isc h e n S ta b k a le n d e r. E r e n th ä lt n u r ru n isc h e u n d b ild lic h e D a r­
stellu n g en , k ein e B u ch stab en . D e r d ritte e n d lich w ar ein so lch e r d e r sc h w ed isch en
K ü sten b ew o h n er in E sth la n d . E r ist a u f 7 H o lzp lättch en v e rzeich n et in 13 R e ih e n
von je '28 T ag en . E r u n te rsc h e id e t sich w esen tlich von d en n o rd sch w e d isc h e n
K alen d ern , in d em k ein e G ü ld e n za h le n re ih e v o rh an d en ist u n d also die M ondphasen
a u s ihm n ich t b e re c h n e t w erd e n kö n n en . E r e n th ä lt n u r 2 R e ih e n von D a r­
stellu n g en . O ben d ie 7 e rste n R u n e n d es F u th o rk in b e stä n d ig e r re g e lm ä ssig e r
W ie d e rh o lu n g als S o n n ta g sb u c h sta b e n u n d d a ru n te r d e r F e stk a le n d e r. B e m e rk e n s­
w ert ist an d iesem B a u e rn k a le n d e r d a s V o rk o m m en d e r V ig ilie n z e ich e n an den
sogen, h eilig en A benden v o r g ro sse n F e ste n .
A lle d iese K alen d er sin d sogen, ju lia n isc h e im m e rw ä h re n d e K alen d er, in e rs te r
L in ie sch o n in frü h e r Z eit fü r d en k irc h lic h e n G eb ra u c h h e rg e s te llt u n d sp äte r
d u rch H in zu fü g u n g la n d w irtsc h a ftlic h e r D a rste llu n g e n b eso n d e rs im N o rd en a u ch
fü r d en p rak tisc h -p ro fa n e n Z w eck erw e ite rt. E in e se h r a u sfü h rlic h e D a rste llu n g
ü b e r die R u n e n k a le n d e r h at E. S ch n ip p ei im 4. H eft d e r B e ric h te ü b e r die T ä tig ­
k e it d es O ld en b u rg er L a n d e sv erein s fü r A ltertu m sk u n d e, 1883, g egeben.
H r. A rch iv ar D r. F ritz B e h r e n d sp rach alsd an n a u f G ru n d n eu en h a n d sc h rift­
lichen M aterials ü b e r die M e istersin g e r von M em m ingen. In d e r lan g e n L e b e n sd a u e r
d e s M eisterg esan g s — e tw a 1300 b is 1800 — la s se n sich v ersch ied en e E p o ch en
sch eid en , die ih re W en d e p u n k te u n g e fä h r in d en J a h re n 1450, 1550 u n d 1650
haben. W ä h re n d v o rn eh m lic h d an k d en F o rsc h u n g e n J a k o b G rim m s u n d L u d w ig
U h lan d s die W u rz eln d ie s e r K u n stü b u n g u n d ih re F rü h z e it sc h ä rfe r b ele u c h tet
w orden sind, zeig te d e r V o rtra g e n d e , d ass a u c h d ie s p ä t e r e n E n tw ic k lu n g s­
stufen, d eren m e h re re sind, als m an b is h e r an n a h m , ein e F ü lle in te re ss a n te r
E rsch ein u n g en b ieten .
G erad e die M em m in g er S ch u le, d ie e rs t um 1600 sich
zu sam m en sc h lo ss, is t fü r die sp ä te ste E n tw ic k lu n g a u fsc h lu ssre ic h .
E s w u rd e
b eto n t, d ass die M em m in g er ä h n lic h d en U lm ern sich g leich n ach d em D reissig jä h rig e n K rieg e zu n e u e r T ä tig k e it aufrafften.
D ie M em m in g er T a b u la tu r von
1060 zeigt p atrio tisc h e n Sinn, S tre b en n ach re in e r d e u tsc h e r, d ia le k tfre ie r S p rach e
u n d n ach den n e u e n m e trisc h e n R e g e ln O p itzen s. D iese H a n d w e rk e r d e r s ü d ­
d eu tsch en R e ic h s s ta d t w erd en so B u n d e sg en o ssen d e r h o c h g eb o ren e n H e rre n , die
im n ö rd lich en u n d m ittle re n D e u tsc h la n d d ie ‘F ru c h tb rin g e n d e G e sellsch a ft’ b ild eten .
A uch in ihren T h e a te rü b u n g e n su ch en sich d ie M eister alle F o rtsc h ritte d e r
S ch au sp ie lk u n st zu eig en zu m ach e n . So finden w ir so g ar im a u sg e h en d e n 18. J a h r ­
h u n d e rt S ch illers ‘R ä u b e r’ in ih re m R e p e rto ire . E in om in ö ser, a b e r b e z e ic h n e n d e r
Z ufall fügte es, d ass e in e n e u e L e ic h e n sä n g e ro rd n u n g 1874 d as sch w ach e L ic h tle in
völlig au sb lies.
D ie w ä h re n d d e r S itzu n g v o rg en o m m en e A u ssch u ss w ähl erg ab fo lg en d es R e ­
su lta t: H r. G e h e im ra t F r i e d e l w u rd e w ied e ru m zum O b m an n d es A u ssch u sses
gew äh lt, d e r sich im ü b rig en au s d en M itg lied ern B a r t e l s , A. B e h r e n d ,
H a h n , H e u s le r , L e m k e , L u d w ig , M a u r e r , M ic h e l, S a m te r , E r ic h
S c h m i d t u n d S c h u l z e - V e l t r u p zu sam m en setzt.
B e rlin .
K a rl B ru n n e r.
Die nächsten Hefte werden u. a. bringen: P. B e c k , Historische Lieder; J. B o lte , W etter­
regeln österreichischer Bauern des 17. Jahrhunderts: Bilderbogen des IG. bis Y i . Jahrhunderts
(Forts.): H. C a r s t e n s , Volksglauben aus Schlesw ig-H olstein (Forts.): E n s h o f f ,
Koreanische Erzählungen: A. H a a s , Zwei pommersche Sagengestalten* A. H a u f f e n ,
Geschichte der deutschen Volkskunde (Schluss): E. H a h n , Die Erkenntnis des heutigen
Volkslebens als Aufgabe der Volkskunde: H. H e u f t, W estfälische H ausinschriften (Forts.):
M. H ö f le r , Aus dem CJeveschen: Volkskundliches aus dem lsartale; B. I l g , Maltesische
Legenden (Forts.): B. K a h le , Ein altnorwegisches B ärensohnm ärchen; Volkskundliche
N achträge (F o rts): K. F. K a in d l, Beiträge zur Volkskunde des O stkarpathengebietes
(Forts.): C. M ü l le r , N achbarreim e aus Obersachsen: 0 . S c h e ll , Die Eberesche im
Glauben und Brauch des Volkes; P. S c h u l l e r u s , Glaube und Brauch bei Tod und Be­
gräbnis der Romänen im H arbachtal: 0 . S c h ü t t e , Reime auf deutschen Spielkarten;
D. S t r a t i l , Lieder aus dem Böhmerwald: A. W e b in g e r, Volkslieder aus O berösterreich:
K. W e h r h a n , Das Hickelspiel; zusammenhängende Berichte über deutsche und slawische
Volkskunde.
Zeitschriftenschau.
Das deutsche Volkslied, Zeitschrift für seine Kenntnis und Pflege, unter der Leitung von
Dr. J. P o m m e r , H. F r a u n g r u b e r und K. K r o u f u s s , hsg. von dem Deutschen
Volksgesang-Vereine in Wien 10, 2. Wien, A. Holder 1911.
Korrespondenzblatt des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, red. von A. S c h u ll e r u s
04, 2 —4. Herm annstadt, W. Krafft 1911.
Mitteilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien 41, 1—2. Wien, Holder 1910.
Mitteilungen der Gesellschaft für Zittauer Geschichte 7. Zittau, Menzel Nachf. 1911.
Nachrichten von der königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, philol.-histor.
Klasse 1910, 4.
Schweizer Volkskunde, K orrespondenzblatt der Schweiz. Gesellschaft für Volkskunde, hsg.
von E. H o f f m a n n - K r a y e r 1, 1 —2. Basel 1911.
Schweizerisches Archiv für Volkskunde, Organ der Schweiz. Gesellschaft für Volkskunde,
hsg. von E. H o f f m a n n - K r a y e r und M. R e y m o n d 14, 4. Basel 1910.
Unser Egerland, Monatsschrift für Volks- und Heimatskunde, hsg. von A. J o h n 15, 1—4.
E ger 1911.
Volkskunst und Volkskunde, Monatsschrift des Vereins für Volkskunst und Volkskunde in
München, Schriftleitung H. B u c h e r t 8, 11—12. 9, 1—3. München, Seyfried & Co.
1910. 1911.
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Kwartalnik etnograficzny Lud, wydawany przez towarzystwo ludoznawcze we Lwowie
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Närodopisnv vestnlk ceskoslovansky, vydavcl spolecnost narodopisneho musea ceskoslovansküho, red. A. K r a u s , J. P o l i v k a , V. T i l l e 5, 9—10. 6, 1. P rag 1910-1911.
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znanosti i mnjetnosti, urednik D. B o r a n ic 15, 2 . U Zagrebu (Agram) 1910.
Verlag von Behrend & Co. in Berlin.
Die altgermanische Tierornamentik.
Typologische Studie Ober germanische Metallgegenstände aus dem
IV. bis IX. Jahrhundert
von
Dr. Bernhard Salin.
Aus dem schwedischen Manuskript übersetzt
von J. Mestorf.
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Preis 3 0 Mark.
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Verlag von Behrend & Co. in Berlin.
Die Mythen und Legenden
der südamerikanischen Urvölker
und ihre Beziehungen zu denen Nordamerikas und der alten Welt.
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Dr. P a u l E hrenreich.
VIII und 107 Seiten gr. 8°.
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Diesem Hefte ist Antiquariat»-Katalog Nr. 838 der B asler Buch* und Antiquariats­
handlung vormals A dolf G ecring in B asel beigefügt.
Druck von (lebr. Un^cr in Berlin, B en ib n rg er Strasse :i0.