Newsletter 07.2016 - Anwälte für Ärzte

Newsletter Juli 2016
Arzneimittel-, Medizinprodukte- und Apothekenrecht
Verordnungsausschluss wegen Unzweckmäßigkeit
Das LSG Berlin-Brandenburg hat mit einer aktuell getroffenen Entscheidung den
Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zum Verordnungsausschluss
von Dipyridamol in Kombination mit ASS bestätigt. Die Arzneimittelkombination ist
zugelassen zur Sekundärprävention von ischämischen Schlaganfällen und transitorischen
ischämischen Attacken (TIA).
Auf der Grundlage einer Nutzenbewertung durch das Institut für Qualität und
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) war der G-BA zu der Schlussfolgerung
gelangt, dass Dipyridamol plus ASS gegenüber der Monotherapie mit einem
Thrombozytenaggregationshemmer (ASS oder Clopidogrel) therapierelevant unterlegen
und damit unzweckmäßig ist. Dem fehlenden Beleg für einen Zusatznutzen wurde ein
Beleg für einen größeren Schaden insbesondere in Form von häufiger auftretenden
schwerwiegenden Blutungen und häufigeren Studienabbrüchen wegen unerwünschter
Ereignisse, sowie einem größerem Schaden bei der Gesamtrate unerwünschter Ereignisse
in der Langzeittherapie gegenüber gestellt.
Gegen die Entscheidung des G-BA hatte der pharmazeutische Unternehmer geklagt und
argumentiert, der G-BA-Beschluss widerspreche zum einen den bindenden Feststellungen
der Zulassungsbehörde insbesondere dazu, dass jeder Wirkstoff der Kombination einen
Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leiste. Zum anderen habe der G-BA
den Nachweis der Unzweckmäßigkeit nicht in der für einen Verordnungsausschluss
erforderlichen Weise erbracht.
Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
LSG Berlin-Brandenburg, Az. L 7 KA 16/14 KL
Arzthaftungsrecht
1.) Neuer Richter im VI. Zivilsenat
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Klein ist 42 Jahre alt. Nach Abschluss seiner
juristischen Ausbildung trat er 2002 in den höheren Justizdienst des Landes BadenWürttemberg ein. Nach Tätigkeiten bei der Staatsanwaltschaft Freiburg sowie dem Amts-
und Landgericht Baden-Baden war er von August 2005 bis Juli 2008 als
wissenschaftlicher Mitarbeiter an das Bundesverfassungsgericht abgeordnet. In dieser
Zeit - am 04. Oktober 2006 - wurde er zum Staatsanwalt (im Beamtenverhältnis auf
Lebenszeit) ernannt. Seit August 2008 war Herr Dr. Klein der Staatsanwaltschaft Freiburg
zugewiesen. Jeweils im Abordnungswege war er von Februar 2011 bis Juli 2013 im
Bundeskanzleramt, sodann bis April 2014 - am 1. August 2013 zum Richter am
Amtsgericht Freiburg ernannt - bei dem Oberlandesgericht Karlsruhe und schließlich bis
Februar 2015, dabei seit Ende 2014 nur noch mit einem Teil seiner Arbeitskraft, bei dem
Landgericht Freiburg tätig. Am 30. Dezember 2014 erfolgte seine Beförderung zum
Richter am Oberlandesgericht Karlsruhe.
Das Präsidium des Bundesgerichtshofs hat Herrn Dr. Klein dem vornehmlich für das
Recht der unerlaubten Handlungen sowie das Arzthaftungsrecht zuständigen VI.
Zivilsenat zugewiesen.
2.) Patientenwunsch rechtfertigt keine Fehlbehandlung
Verlangt ein Patient eine Behandlung, die gegen medizinischen Standard verstößt, muss
ein Arzt diese ablehnen. Auch eine eingehende ärztliche Aufklärung über die möglichen
Behandlungsfolgen legitimiert kein behandlungsfehlerhaftes Vorgehen. Unter Hinweis auf
diese Grundsätze hat das Oberlandesgericht Hamm am 26.04.2016 die erstinstanzliche
Verurteilung eines Zahnarztes bestätigt (Az.: 26 U 116/14).
OLG Hamm, Urteil vom 26.04.2016,Az. 26 U 116/14
Berufsrecht / Wettbewerbsrecht
Keine Werbung für Schönheitsoperationen mit Vorher-/Nachher-Bildern
Eine Klinik darf für von ihr angebotene Schönheitsoperationen im Internet nicht mit Fotos
werben, die Patientinnen im Rahmen einer vergleichenden Darstellung vor und nach
einem plastisch-chirurgischen Eingriff zeigen.
Der Beklagte ist Eigentümer einer Klinik, in der Schönheitsoperationen durchgeführt
werden. Auf einer Internetseite präsentierte er seine Leistungen unter anderem durch
eine Zusammenstellung von Bildern, die Patientinnen vor und nach einem vom Beklagten
durchgeführten plastisch-chirurgischen Eingriff zeigen.
Beide Instanzen sahen darin einen Verstoß gegen § 11 Abss.1 Satz 3 HWG. Nach dieser
Bestimmung darf für Schönheitsoperationen nicht mit einer vergleichenden Darstellung
des Körperzustandes oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff geworben werden.
An der Unzulässigkeit der Bilddarstellung ändert sich nach Auffassung der Richter auch
nichts dadurch, dass die Bilder auf der Internetseite erst nach einer Registrierung
aufgerufen werden können und im Übrigen darauf hingewiesen wird, dass das
Bildmaterial nur den Patienten zugänglich gemacht werden soll, die sich schon eingehend
informiert haben. Denn der Gesetzgeber habe die Werbung mit Vorher-/Nachher-Bildern
gänzlich verboten, so das OLG.
OLG Koblenz, Urteil vom 08.06.2016 - 9 U 1362/15
Krankenhausrecht
Höchstarbeitszeitberechnung bei Ärzten der Uniklinik Köln rechtswidrig
Das Universitätsklinikum Köln darf bei der Berechnung der durchschnittlichen
Höchstarbeitszeit der bei ihm beschäftigten Klinikärzte bezahlte Urlaubstage und
gesetzliche Feiertage, die auf Werktage fallen, nicht als Ausgleichstage berücksichtigen.
Dies führe dazu, dass die zu leistende Arbeitszeit von mehr Ärzten erbracht werden
muss, um für jeden einzelnen Arzt die zulässige Höchstarbeitszeit einhalten zu können
OVG Münster, Urteil vom 23.06.2016, Az. 4 A 2803/12
Vertragsarztrecht
Alter darf nicht alleiniges Kriterium für Zulassung eines Arztes sein
Einem 74-jährigen Augenarzt darf nicht allein deshalb die Zulassung als Vertragsarzt
verwehrt werden, weil ein zehn Jahre jüngerer Konkurrent mutmaßlich länger vertragsärztlich
tätig sein kann.
Die Richter monierten, dass bei der Zulassungsentscheidung erkennbar ausschließlich auf den
Altersunterschied abgestellt worden sei. Dies sei zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden,
allein ausschlaggebend dürfe dieser Aspekt schon aus Diskriminierungsgesichtspunkten aber
nicht sein. Ein bloßes Abstellen auf den Altersunterschied würde etwa bei einem 35-jährigen
und einem 45-jährigen Bewerber zu einer grundsätzlichen Benachteiligung des älteren
Bewerbers führen und dabei vernachlässigen, dass der jüngere Bewerber seine Praxis nach
einigen Jahren aus persönlichen Gründen einfach verlegen könne. Nur aufgrund eines
Altersunterschieds könne daher nicht ohne Weiteres auf eine bessere oder schlechtere
Versorgungskontinuität geschlossen werden. Das SG Mainz hat den Berufungsausschuss
verpflichtet, erneut über die Zulassung zu entscheiden.
SG Mainz, Urteil vom 11.05.2016, Az. S 16 KA 211/14
Sonstiges
1.) Zur Gebühr für den als Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwalt
StPO §68b; VV 4301 Nr. 4 RVG
Der Senat gibt seine abweichende Rechtsprechung auf und schließt sich der Auffassung
an, dass sich die Vergütung des als Zeugenbeistand beigeordneten Rechtsanwalts nach
VV 4301 Nr. 4 RVG richtet. Dies folgt aus der jüngeren Gesetzgebungsgeschichte. Zudem
bestehen gravierende Unterschiede zwischen der Stellung und den Aufgaben und
Befugnissen eines Zeugenbeistandes und denen eines Verteidigers.
OLG Köln, Beschluss vom 03.05.2016, Az. 2 Ws 138/16
2.) BRAK darf besonderes elektronisches Anwaltspostfach vorläufig nicht
ohne Zustimmung des Anwalts freischalten
Der Anwaltsgerichtshof Berlin hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) auf Antrag
mehrerer Rechtsanwälte per einstweiliger Anordnung verpflichtet, ein besonderes
elektronisches Anwaltspostfach (beA) nicht ohne ihre ausdrückliche Zustimmung zum
Empfang freizuschalten. Die BRAK sieht deshalb nach eigener Mitteilung vom 09.06.2016
aus technischen Gründen vorerst von der Einrichtung empfangsbereiter beAs für alle
Rechtsanwälte in Deutschland ab.
Die Antragsteller, Rechtsanwälte aus Berlin und Köln, hatten beim Anwaltsgerichtshof
Berlin im Weg des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, die BRAK zu verpflichten,
dass für sie kein beA ohne ihre ausdrückliche Zustimmung zum Empfang freigeschaltet
wird. Der AGH hat ihren Anträgen stattgegeben. Die BRAK erklärt dazu, dass es das von
ihr zum beA entwickelte technische System nicht erlaube, die Empfangsbereitschaft der
Postfächer einzeln zu steuern. Sie werde deshalb wegen der jetzt bestehenden Gesetzesund Rechtslage bis zum Abschluss des - in einem Fall bereits eingeleiteten Hauptsacheverfahrens von der Einrichtung empfangsbereiter beAs für alle Rechtsanwälte
in Deutschland absehen
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V.i.S.d.P.:
Rechtsanwältin
Rita
Schulz-Hillenbrand,
Mitglied im Vorstand der AFAE, Würzburg
Fachanwältin
für
Medizinrecht
AFAE, Anwälte für Ärzte, http://www.afae.de, Ritterstraße 9, 40213 Düsseldorf, Telefon
0211/864630, Telefax 0211/320840
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