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4R7775E
8. Jahrg., Heft 1O, Oktober 1967
Physikalische
Medizin und
Rehabilitation
Aus dem Inhalt
Arzneimittelnebenwirkungen bei
Leberschäden
Wildhirt
Der Einfluß der Herdlehre auf die Ausübung der Zahnheilkunde
Thielemann
hilft spontan bei
Inhaltsverzeichnis
Vorankündigungen
Blutungen, Schock,
traumatischen Schmerzen
Aus
. . . .
II
unseren
Arbeitsgemeinschaften
. . .
III
Bewährte Therapeutika . . .
Wildhirt:
V
Arzneimittelneben-
w i r k u n g e n b e i L e b e r s c h ä d e n . 225
H A E M O S T Y P T I C U M - R E V I C I bewirkt infolge seiner neuartigen
Eigenschaften eine sofortige Normalisierung im verletzten Gewebe
nach operativen Eingriffen, bei Lungen- und Magenblutungen, bei Nieren-, Blasen- oder Darmblutungen jeder Genese, Netzhautblutungen,
gynäkologischen Blutungen, Blutergüssen, Sportverletzungen, bei Unfällen im Betrieb, im Straßenverkehr und zur Prophylaxe.
Thielemann: Der
Einfluß
der
Zahnheilkunde
DM3,50
DM1,45
DM6,10
. . . .
227
Frühauf: Praktischer A r z t u n d
Rehabilitation
232
Asdonk: L y m p h d r a i n a g e - und
M o i e k u l a r m a s s a g e des
Krampfaderbeines
R E V I C I - K A P S E L , 6 Kapseln
R E V I C I - O R A L , Flasche zu 20 ccm
R E V I C I - I N J E K T I O N , 3 Ampullen zu 5 ccm
Klinikpackungen
der
Herdlehre auf die Ausübung
. . . .
238
Peter und Kloss: Phytotherapie
peripherer Durchblutungsstörungen
243
Die moderne Erste Hilfe bei allen
blutenden und schmerzenden Verletzungen
Bestellschein: Schrifttum und Muster von HAEMOSTYPTICUM REVICI erbeten
Aus dem Verbandsleben
. . 246
Das Rezept des Monats .
. . 248
Heilbäder und Kurorte
berichten
248
Referate
248
Buchbesprechungen
. . . .
249
Medizinisch-Literarischer Verlag
( p e r s ö n l i c h e U n t e r s c h r i f t des A r z t e s u n d S t e m p e l e r b e t e n )
SCHWVARZHAUPT • KÖLN
PMR
311 Uelzen
Postfach 120/140, Tel. 0581/2357
Uelzen
4R7775E
Phys.Med.u.Reh.
Alosenn-GRANULAT
Pflanzliches Laxans. Leberwirksam.
Entwässernd. Keine Gewöhnung.
Individuelle Dosierung.
30, 60, 500 •
U HEIDELBERG 1
Prof. Dr. Tödt, Berlin:
ober Fragen der Sauerstoff-Utilisation im malignen
Gewebe (einschl. Therapie)
Dr. med. Reusch, Trier:
Überdruckkammer-Behandlung
Dr. med. V a r r o , Düsseldorf:
Die Möglichkeiten der Malignombehandlung mit Os
Diskussion (nur nach schriftlicher Voranmeldung)
Vorankündigungen
Der 34. Kongreß des Zentralverbandes der ÄVzfe
für Naturheilverfahren e. V. wird vom
16. bis 23. März 1968 in Freudenstadt durchgeführt.
Themen:
Sonnabend, den 16. März:
Prophylaxe eines gesunden Alters
Sonntag, den 17. März:
Prophylaxe eines gesunden Alters
Praktischer Arzt
Montag, den 18. März:
und Werksarzt
Dienstag, den 19. März:
Das Bronchitische
Syndrom
Mittwoch, den 20. März:
Grundlagenvorträge der
Arbeitsgemeinschaften
Donnerstag, den 21. März: übungs- und Schonungsprinzip in der
Krankengymnastik
Freitag, den 22. März:
Krebs und
Praktischer Arzt
Sonnabend, den 23. März: Verkehrsmedizin
Die Arbeitsgemeinschaft für prä- und postoperative Tumortherapie lädt ein zu ihrem 2. Oppenheimer Gespräch
am 18. und 19. November 1967 im Saal der Berggaststätte
Landskrone, Oppenheim (großer Parkplatz vorhanden).
Tagungsprogramm
Sonnabend, den 18. November 1967
A. Aus der Forschung
Prof. Dr. G i 11 i s s e n, Aachen:
Das Krebsproblem im Blickpunkt der Immunologie
Prof. Dr. W i n d iseh, Berlin:
Das Leben der Mikroorganismen in ihrer Umwelt
(Oekologie)
Prof. Dr. Vil lequez, Paris-Dijon:
Ist das menschliche Blut steril?
Dr. med. N i e l s e n , Hamburg:
Virus und Krebs
B.Aus der Praxis - T h e r a p i e
Doz. Dr. med. von der W e t h , Bad Salzuflen:
Gesundheit durch richtige Atmung
Sonntag, den 19. November 1967
B. Aus der Praxis — Therapie (Fortsetzung)
Dr. med. Wa I b, Homburg:
Hay'sche Trennkost
Dr. med. Kalb, Wetzlar:
Symbiose und Symbionten
Dr. med. Bassemir, Heidelberg:
Ist die chronische Entzündung als Praecancerose
aufzufassen?
Dr. med. F r e i h o f e r , Stuttgart:
Das pH-Problem bei Krebs
Dr. med. Schmitz, Köln (Med. Univ.-Klinik):
Kritische Betrachtungen zur Erfolgsbeurteilung der
internistischen Krebstherapie
C. R o u n d - t a b l e - G e s p r ä c h
„Moderne Kombinationstherapie des Malignoms"
Vorsitz:
Prof. Dr. W i n d i s c h
Prof. Dr. Dr. G u u s s e n
Teilnehmer:
Dozenten: Dr. H a f e r k a m p , Mainz; Dr. A l brecht, Undenheim; Dr. K a h l e r t , Bad Salzuflen; Dr. H a m b r o o k , München; u.a. Mitglieder
des wissenschaftlichen Beirats der Arbeitsgemeinschaft für prä- und postoperative Tumortherapie.
Schlußwort:
Dr. med. W. K a h l e r t , Bad Salzuflen.
Teilnehmergebühren:
Für Mitglieder 15 DM, für Nichtmitglieder 25 DM.
Die Gebühren können steuerlich abgesetzt werden.
Zimmernachweis:
Bestellungen bitten wir an die Adresse Hotel Kurpfalz, 6504 Oppenheim, Telefon 06133/2291, Herrn
Pl a t e n , zu richten.
Die Tagungsteilnehmer werden gebeten, sich möglichst vor
Beginn der Tagung im Tagungsbüro (Eingang zum Saal der
Berggaststätte Landskrone) anzumelden. Kongreßpapiere und
Bescheinigungen können dort ausgestellt werden.
I hormonfrei I
I cortieoidf rei I
A n a b o l i c u m a u f V i ta m i n - E - Ba s i s
20, 60, 100 Kapseln
Physik. Med. u. Rehab. 18. Jahrg.
Dr. Loges & Co., Hamburg
hemmt Eiweißabbau,
fordert die Durchblutung,
bei allg. Gewebeschwache
insbes. Bandscheibenschaden
und Abnutzungserscheinungen.
4. Fortbildungskongreß für praktische Medizin der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg, 2. bis 4. November 1967 in
Stuttgart, Kongreßgebäude Killesberg.
Donnerstag, 2. November
Präsident Dr. S c h a d :
Eröffnung und Begrüßung
9.00 Uhr „Hämatologie"
Leiter: Prof. Dr. Dr. H e i f m e y e r , Ulm (Donau):
14.30 Uhr „Infektionsbekämpfung in der pädiatrischen Praxis"
Leiter: Prof. Dr. Seh m i d , Heidelberg
20.00 Uhr Klinische Demonstrationen
Anmeldung der teilnehmenden Kollegen unmittelbar bei dem entsprechenden Chefarzt.
Freitag, 3. November
9.00 Uhr „Therapie des Rheumatismus"
Leiter.- Prof. Dr. O t t , Bad Nauheim
14.30 Uhr „Anregungen für die Praxis'"
Leiter: Dr. K r a i s , Stuttgart-Bad Cannstatt
Sonnabend, 4. November
11.00 Uhr s.t.
Prof. Dr. T h e o p o I d , Frankfurt (Main):
Der Regimentsmedikus Schiller und die Medizin
seiner Zeit
Musikalische Umrahmung durch das Stuttgarter
Ärzteorchester. Dirigent: G. Saa [
Ab 10.00 Uhr
Besuch der Ausstellung in Halle 7 und 8
(Zugang vom Kongreßgebäude)
gegen das Altern
©ERIATRICUM-SCHWARZHAUPT
Aus unseren Arbeitsgemeinschaften
Arbeitsgemeinschaft für prä- und postoperative Tumortherapie
Im Rahmen der „Oppenheimer Gespräche", die Dr. ALBRECHT auf den 18. und 19. November 1967 festgelegt hat,
findet eine Mitgliederversammlung unserer Arbeitsgemeinschaft (mit Gästen) statt. Es ist beabsichtigt, einen wissenschaftlichen Beirat zu wählen und einzelne Spezialreferate
zu besetzen.
Unter Hinweis auf 5/67 „Phys. Med. u. Rehab." wird mitgeteilt, daß die Blutproben in Liquoid-Venülen (zu beziehen
über Fa. Eggers, 3003 Ronnenberg/Hann.) an Herrn Prof.
WINDISCH, Berlin, Seestraße 13, geschickt werden können.
Untersuchungspreis 90 DM. Die gefundenen Kulturen werden
zu weiteren Untersuchungen direkt an Herrn Prof. GILLISSEN
geschickt. Die Ergebnisse werden bei uns zentral gesammelt.
Die Arbeitsgemeinschaft wird sich zunächst damit beschäftigen, einheitliche Behandlungsrichtlfnien unter Berücksichtigung der Naturheilverfahren und intern-klinischer Behandlungsmethoden zu erarbeiten. Diesem Ziel dienen unsere
Veranstaltungen, auf denen nicht nur Ärzte der Praxis, sondern namhafte Forscher und Kliniker zu Worf kommen
werden.
Orale Procain-Therapie durch
sinnvolle
Katalysator-HaematoporphyrinKombination
Bei allgemeiner Erschöpfung, Ermattung, Depression,
Konzentrations- und Gedächtnisschwäche, Altersbeschwerden, Altersdemenz, Arteriosklerose, Arthritis
1 x täglich 1 Kapsel K. H. 3, mindestens 3-5 Monate
Bestverträglich ohne Nebenerscheinungen
30 Kapsein K. H. 3
10,05 DM
150 Kapseln K. H. 3
42,15 DM
Nicht allgemein kassanublich
Bestellschein
Schrifttum und kostenloses Versuchsmuster K. H. 3 erbeten
Dr KAHLERT, Bad Salzuflen, Reuterstr 1
Beilagenhinweis
Wir bitten um freundliche Beachtung der Beilage der Firma
Ekawerk.
Persönliche Unterschrift und Stempel des Arztes
SCHVtARZHAUPT
Physik Med u Rehab / 8 Jahrg
PMX
Die älteste Herzsalbe,
aber allen neuzeitlichen Forderungen entsprechend
30 g DM 3,00 m. U.
Bewährte Therapeutika
CHOLAKTOI®
Hersteller: Dr. Ivo Deiglmayr, Chem. Fabrik Nachf.,
München 25
Zusammensetzung: Ol. Menth. pip. auf L-Menthol eingestellt
0,0125 g, Calc. carb. 0,19 g, Sacch. Amyl. 0,01 g, Sacch.
Lactis 0,02 g, Amyl. Tritici 0,01 g pro Dragee.
Indikation: Cholelithiasis, Cholangitis, Cholecystitis (evtl. in
Kombination mit einem geeigneten Antibioticum). Dyskinesien der Gaüenwege. Ikterus, Störungen der Fettverdauung, Meteorismus, Beschwerden nach Diätfehlern. Hyperemesis gravidarum. Prophylaktisch gegen
Konkrementbildung.
Dosierung: 3mal tgl. 2—3 Dragees unzerkaut nach dem Essen.
Handelsformen: Originalpackung 60 Dragees, Großpackung
300 Dragees.
Solocuran-Bad
Hersteller: HEFA G. m. b. H., Chem.-pharm. Fabrik, Werne a.
d. Lippe; FRENON Arzneimittel GMBH, Werne a. d.
Lippe.
Zusammensetzung: 1 Solocuran-Bad enthält die Wirkstoffe
von 5 g Solocuran-Tropfen: Tinct.: Sabal serul., Aesc.
hippocast., Ammi visnag. ää 100 mg, Arnic. 50 mg,
Polyg. hydrop. 20 mg, Ranunc. ficar. 20 mg, Cucurbit.
20 mg, Calendul. 20 mg Ambrae gris. 10 mg, Meliloti
10 mg; Nux vomica D4 0,125 mg, Rutin trimethylolum
50 mg, Pyridin-ß-carbonsäureamid 7,5 mg, Calc. pantothenic. 3 mg, Vitamin Bt 20 mg, Vitamin B2 3,3 mg, Vitamin B6 3,3 mg, Vitamin B12 1,65 Y, Acid. orotic. 3,15 mg.
Indikation: Venöse Stauungen aller Art im Bereich der Beine
und des Mastdarms, besonders auch bei Graviden;
Varicosis, UIcus et Ekzema cruris; Thrombophlebitis.
Dosierung: Der Inhalt eines Kissens reicht aus für ein Vollbad.
Für Teilbäder ist ein Drittel des Inhalts ausreichend.
Empfohlen wird tgl. 1 Vollbad, später 2—4 Bäder wöchentlich.
Preis: O. P. 6 Kissen ä 15 g 6,50 DM o. U. Klinikpackungen.
Spuman®
Hersteller: Luitpold-Werk München.
Lokale Schaumkörper-Therapie von Vaginalerkrankungen
Indikation: Eitriger Fluor bei Endometritis, Cervicitis, Kolpitis
und Vulvo-Vaginitis, unspezifischer Vaginalkatarrh,
Kolpitis senilis, carcinomaröser Fluor (als Desodernas),
Urethritis.
Spuman-Styli zur vaginalen, cervikalen, intrauterinen
und urethralen Einlage, auch kombiniert; im allgemeinen genügt ein Stäbchen pro die.
Stilben-Spuman (0,2 mg Diaethyl-Stilboestrol)
Preis: Packung mit 10 Styli zu 0,5 g 2,35 DM, Anstaltspackung
mitiOOStyli.
Sulfonamid-Spuman (50%)
Preis: Packung mit 6 Styli zu 2 g 2,35 DM, Packung mit
18 Styli zu 0,5 g 2,35 DM, Anstaltspackung mit 60 Styli
zu 2 g, Anstaltspackung mit 180 Styli zu 0,5 g.
Spuman c. Acid. lact. (5%)
Preis: Packung mit 12 Styli zu 1 g 1,75 DM, Packung mit
18 Styli zu 0,5 g 1,75 DM, Anstaltspackung mit 125 Styli
zu 1 g, Anstaltspackung mit 180 Styli zu 0,5 g.
Kamillen-Spuman
Preis: Packung mit 12 Styli zu 1 g 1,75 DM, Anstaltspackung
mit 120 Styli.
TISSULA Nasen-Emulsion
Hersteller: HEFA GmbH., Chem.-pharm. Fabrik, Werne a. d.
Lippe
Zusammensetzung: In 1 g sind enthalten die Wirkstoffe von
1 g Total-Human-Placenta nach Füatow-Cordaro, Dextrose 160 mg, Phenylhydrarg. boric. 20 g, Ol. amygdal.
dulc. 420 mg, Vitamin-A-Palmital 1,7 mg, Lecithin.
5 mg, Ol. Anisi 10 mg, Aq. dest. ad 1 g.
Indikationen: Alle pathologischen Schleimhautveränderungen
im Nasen-Rachenraum wie Rhinitis, Rhinitis atrophicans
sicca, Rhinitis vasomotorica, Rhinitis mit katarrhlischer
Sinusitis, Rhinopharyngitis, Pharyngo-Laryngitis, Muschel- und Septumsschwellungen, Ozaena.
Dosierung: 2—4mal tgl., besonders morgens und abends, im
Liegen etwa V2 Pipette auf jeder Nasenseite einträufeln.
Handelsform und Preis: OP ä 15 g 4,30 DM o. U.
Ccr-Venalitan®
Hersteller: - l i t a n - Arzneimittel Dr. Franz Friedlein & Co.,
2844 Lemförde/Hann.
Zusammensetzung: Digitalis lan. (alcohol. Auszug 1:10) 1 ml,
Tr(hydroxymethyl)rutin, 0,3 g Collinson, canad. (alcohol.
Auszug 1:10) 1 ml, Aneurinhydrochlorid 0,05 g, Anti-
Ein bewährtes biologisches Mittel zur Steigerung
der geistigen Leistungsfähigkeit
Handelsform: 80 Tabl. und 160 Tabl.
B I O L O S I S C H E
H E I L M I T T E L
DR. F R I E D R I C H S
IV
& C O • 5630 R E M S C H E I D - L E N N E P
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahr 8 .
. POSTFACH
154
COGITO . . . ERGO SUM
pyrin-Coffeincitrat® Hoechst 1 g, Extr. Hippocast. fl.
e sem. ad 100 ml (in 20 Tropfen = 12 MSE Digitalis}.
Indikation: Kardiale Rechtsinsuffizienz, periphere Durchblutungsstörungen v e n ö s e r P r ä g u n g , klimakterische
Herzbeschwerden, auch A l t e r s h e r z , variköser Symptomenkomplex, cerebrale Zirkulationsstörungen, Brachialgia paraesthetica nocturna.
Asgoviscum forte® - Antihypertonikum
Hersteller: Rhein-Pharma, Arzneimittel GmbH, 6900 Heidelberg.
Zusammensetzung: 100 g enthalfen: Alkohol. Auszug 1:3 aus
Herba Visci alb. 45 g, Fruct. Crataegi 4,5 g, Bulb. Alii
sat. 0,18 g, Rutin solub. 1 g, Rad. Rauwolf. serp, ca.
30 g (eingestellt auf 1,2 mg Gesamtalkaloide pro ml).
1 Kapsel = 1 ml des flüssigen Präparates.
Indikation: Essentielle Hypertonie.
Handelsformen und Preis: Flasche mit 30 ml 3,30 DM lt. AT.
o. U., Flasche mit 100 ml 8,20 DM lt. AT. o. U., Packung
mit 30 Kapseln 3,40 DM It. AT. o. U., Packung mit 100
Kapseln 8,45 DM It. AT. o. U.
Sandoscill®
Hersteller: Sandoz AG, Chemisch-pharmazeutische Fabrik,
85 Nürnberg.
Das Herzglykosid für die tägliche Praxis. Zuverlässige Resorption. Strophanthusnaher Giykosideffekt. Geringe
Kumulationsneigung. Leicht zu dosieren.
Scillarin A minus Glucose = Sandoscill®, jetzt in oral und
intravenös gleich gut verträglicher und wirksamer
Form der Therapie zugänglich gemacht.
Indikationen: Akute Dekompensation, chronische Herzinsuffizienz, Cor pulmonale, trockene Insuffizienz, Altersinsuffizienz.
Präinsuffizienz, latente Herzschwäche, Herzstütze nach
Infektionskrankheiten oder Infarkt, prophylaktische
Herztherapie bei Fehlen faßbarer Insuffizienzzeichen,
Altersherz.
Bei Herzinsuffizienz mit Koronarbeteiligung:
Sandoscill® c. Th.
Hersteller: Sandoz AG, Chemisch-pharmazeutische Fabrik,
85 Nürnberg.
Dosierung: Bis zur Kompensation: 1-2 Ampullen ä 0,2 mg
oder 2-3 Dragees ä 0,5 mg täglich. — Zur Erhaltung:
1-2 Dragees ä 0,5 mg oder 2-4 Dragees ä 0,25 mg
täglich je nach Bedarf.
Packung: Sandoscill: Dragees ä 0,25 mg 20, 50, 250 Stück,
Dragees ä 0,5 mg 20, 50, 250 Stück, Ampullen ä 0,2 mg
5,50(5x10) Stück.
Sandoscill c. Th: Dragees ä 0,25 mg + 100 mg 7-{Hydroxypropyl)-theophyllin 20, 50, 250 Stück, Dragees
ä 0,5 mg + 200 mg 7-(Hydroxypropyl)-theophyllin 20,
50, 250 Stück.
Optipurgan®
CO2-Purgans Suppositorien
Hersteller: Arzneimittelfabrik HÜLS, Dr. Albin Hense,
4153 Hüls bei Krefeld.
Zusammensetzung: 1 Supp. für Erwachsene enthält: Natr.
biphosphoricutn sicc. 680 mg, Natr., bicarbonicum
500 mg; 1 Kinderzäpfchen enthält: Natr. biphosphoricum sicc. 340 mg, Natr. bicarbonicum 250 mg.
Indikation: Bei allen Obstipationen, z. B. bei Mangel an körperlicher Bewegung (Schwerkranke, Wöchnerinnen),
prae- und postoperativ; Unterdrückung des normalen
Defäkationsreizes (bei Berufstätigen, Schülern, Kindern);
Entleerung vor Röntgenaufnahmen; chron. Mastdarmobstipationen. Optipurgan-Kinderzäpfchen sind u. a.
Cefaspasmon
Tropfen/Amp.
ENTEROSPASMOLYTIKUM
Cefaspasmon ist indiziert bei allen Krämpfen der Hohlorgane des
Bauchraums, denn es beseitigt oder lindert kofikartige Schmerzen
des Magen-Darms mit Übelkeit und Erbrechen ebenso wie Spasmen
der ableitenden Harnwege, Uterus- und Eileiterkrämpfe.
Cefaspasmon betäubt die Schmerzen nicht gewaltsam und bringt
trotzdem merkliche Erleichterung.
CEFAK
VI
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
• KEMPTEN/ALLGÄU
geeignet zur Anerziehung eines zeitgerechten Stuhlganges.
Preis: 6 Stück f. Erwachsene 2,30 DM it. AT. o. U., 6 Stück f.
Kinder 1,95 DM It. AT. o. U.
NUCONVAL®
Hersteller: Hormon-Chemie, München
Zusammensetzung: Nucleosidhaltiger Organextrakt mit Convallaria-Gesamtextrakt. 1 ml enthält: 3 mg Adenosin
+ 2000 MSE Convallaria-GIykoside.
Indikation: Dauertherapie und Intervallbehandlung bei leichter Herzinsuffizienz und Nachbehandlung von Infarkten, Herzinsuffizienz bei Infektionen und rheumatischen
Erkrankungen.
Handelsformen und Preis: Tropffläschchen mit 20 ml 3,70 DM
lt. AT. o. U., Tropffläschchen mit 50 ml 7,20 DM It.
AT. o. U.
Predni-H-Tablinen®
Predni-H-Tablinen® retard
Hersteller: Sanorania, 1000 Berlin 28.
Zusammensetzung: 1 Tabl. bzw. 1 Stufendrag, enth. 5 mg
bzw. 10 mg Prednisolon; nur 1 tägliche Einnahme,
Halbierung der Magenbelastung.
Indikation: Zur hochdosierten, preisgünstigen Corticoidtherapie.
Preis: Predni-H-Tablinen: 10 Tablinen 3,40 DM, 30 Tablinen
9,25 DM, 100 Tablinen 26,95 DM.
Predni-H-Tablinen retard: 10 Stufendragees 6,65 DM,
30 Stufendragees 17,20 DM, 100 Stufendragees 53,95
DM.
Salviathymol
Hersteller: GALEN1KA, Dr. Hetterich GmbH, 8510 Fürth
(Bayern).
Zusammensetzung: 1 g (ca. 35 Tropfen) enthält: Of. Salviae
2 mg, Ol. Eucaiypt. 2 mg, Ol. Menth. pip. 23 mg, Ol.
Cinnamom. 2 mg, Ol. Carypophyll. 5 mg, Ol. Foenicul.
10 mg, Ol. Anisi 5 mg, Tct. Myrrhae 10 mg, Tct. Ratanhiae 4 mg, Tct. Alchemillae 20 mg, Menthol 20 mg, Thymol 1 mg, Phenyl. salicyl. 6 mg, Azulen 0,4 mg, Chlorophyllin 0,2 mg, in alkoholischer Lösung.
Indikation: Anginen, Pharyngitis, Stomatitis, Gingivitis,Grippeprophylaxe und Aerosoltherapie; zur tgl. Mundpflege.
Preis: Flasche mit 20 ml 2,35 DM lt. AT. o. U.; Flasche mit
50 ml 4,15 DM It. AT. o. U.
CR1NITON®
Hersteller: Dr. Atzinger & Co. KG., 839 Passau
Zusammensetzung: Stark schäumende, abwaschbare Lösung
von Thymol 0,15, Acid. salicyl. 0,75, ol. Rosmarin! 6,5,
Alcohol isoprophyl. 15,0, Chlorophyll, Sulfonaten, fetten ölen ad 100,0.
Indikation: Seborrhoische und juckende Kopfekzeme, Follikulitiden, Milchschorf, Alopecia circumscripta.
Handelsformen und Preis: Flasche zu 100 ml 2,85 DM, Flasche
zu 200 ml 4,65 DM.
Nephrubin®-Tee
Hersteller: Vogel & Weber GmbH, Inning/Ammersee.
Zusammensetzung: Cortex Salicis, Flores Aesculi hipp., Flores
Sambuci, Flores Tiliae, Folia Betulae, Fructus Petroselini, Herba Centaurii, Herba Herniariae, Lignum Guajaci, Radix Apii graeveolentis aa ad 75 g, Folia Orthosiphonis siaminei 25 g.
Indikation: Harnsäure-Diathese, bei chronischen und akuten
Nephro- und Cystopathien, Hydrops.
Dosierung: 1 Kaffeelöffel Teeblätter mit 'A I kochendem
Wasser abbrühen, 10 Min. ziehen lassen, dann absieben. Morgens und abends je 1 Tasse schluckweise
trinken.
Packung zu 100 g.
Variköser
Symptomenkomplex
vertebragene Leiden
Arfhropafhien
Distorsionen
Sudeck
Tendovaginitis
Periostitiden
Epicondylitiden
traumatische
Weichteilschwellungen
Gegen
Durchblutung^
Störungen
INTRflDGRMI
und,
Die neue Tropfenform enthält
das Antipermeabilitäts-Vitamin P
mit SOOOfach verbesserter Wasserlöslichkeit. Damit wird eine
so hohe Wirkstoffdosierung
erreicht, daß jeder Tropfen
Präparat 1 mg Vitamin P enthält. Nebenwirkungen gleich
welcher Art sind ausgeschlossen, gute MagenverträgVichkeit, angenehmer Geschmack
Handelsformen
Salbe:
Tube mit 25 g
Tropfen: Flasche mit 20 ml
Flasche mit 50 ml
Pharmazeutische Fabrik
8454 Schnaittenbach/Bayern
Physikalische
Medizin und
Rehabilitation
Schriftleitung: H. Haferkamp
Wissenschaftlicher Beirat:
H. AnemCHIer (Prien) - K. Franke (Bad Lauterberg) - P. Frick (Mainz) - S. Gräff t (Burgberg/Schw.) - H. G. Güttner (Dresden) - H. Harmsen (Hamburg)
A. Hoff (Bad Wörishofen) - R. G. Heyer (Nußdorf/tnn) - M. Hochrein (Ludwigshafen/Rh.) - F. Huneke + (Düsseldorf) - K. Kötschau (Schloßberg) - H. Krauss
(Berlin-Buch) — W. Küstner (Magdeburg) — H. Lampert (Bad Homburg) — E. Meyer (Seeshaupt) — H. Mommsen (Frankfurt/M.) —W. v. Nathusius (Hirzenhain/Oberhessen) - P. Neuhäusser (München) - G. W . Parade (Neustadt/Weinstraße) - H. P. Rusch (Frankfurt/M.) - H. Seyfarth (Rostock) - H. Storck (Endbach) - E. G.
Sehende (Aachen) - R. Schmeicher (Karlsruhe) - H. Schoeler (Karlsruhe) - H. Tiegel (Hallbergmoos) - R. Voll (Plochingen) - H. F. Voss (Heidenheim/Brenz)
H. Warning (Frankfurt/M.) - R. F. Weiss (Marstetten-Aitrach) - F. Wittenbeck (Mannheim) - Graf Wittgenstein (München) - W. Zabel (Berchtesgadenj
8. Jahrgang
Oktober 1967
Heft 10
Arzneimittelnebenwirkungen bei Leberschäden
Von Privat-Dozent Dr. E. W i l d h i r t
Die Arzneimittelnebenwirkungen, besser sagen wir Arzneimifle/schäden der Leber, haben in den \etzten 10 Jahren ein
besonderes Interesse gefunden, da sie zu Krankheitsbildern
führten, die wir früher noch nicht kannten und deren Aufdeckung erst durch die modernen klinischen Untersuchungsmethoden möglich wurde. Mein verehrter Lehrer und früherer Chef KALK hat vor jetzt genau 10 Jahren in seinem
Referat über die Klinik der Leberkrankheiten auf dem Internistenkongreß in Wiesbaden 1957 von den durch Arzneimitteln
hervorgerufenen Ikterusformen als von dem „Ikferus der Zukunft" gesprochen. Glücklicherweise hat sich seine Voraussage nicht ganz erfüllt, denn wir sehen in der Klinik in den
letzten Jahren keine Zunahme des durch Drogen hervorgerufenen Ikterus. Immerhin handelt es sich hier um eine iatrogene Erkrankung, und es ist daher notwendig, sich darüber
Rechenschaft abzulegen, durch welche Medikamente man
eine Leberschädigung hervorrufen kann bzw. welche Medikamente bei vorbestehenden Leberschäden vermieden werden
müssen. Wenn mein Thema heißt „Arzneimittelnebenwirkungen bei Leberschäden", so müssen wir es im Rahmen dieses
Referats auch ummünzen in die Fragestellung, durch welche
Arzneimitteleinwirkungen Leberschäden hervorgerufen werden können.
Eine medikamentöse Schädigung der Leber kann folgende
klinisch-morphologische Veränderungen hervorrufen:
1. Leberzellschädigung ohne jegliche entzündliche Reaktion
mit Lebernekrose oder -Verfettung, z. B. durch Tetrachlorkohlenstoff, Chloroform, Pilzvergiftungen. In diese Gruppe
gehören also kaum therapeutisch eingesetzte Medikamente.
2. Hepatitisähnliche Bilder mit Zeltinfiltrationen in der Leber
und Nekrosen, hervorgerufen z. B. durch Atophan, Iproniaeid, Methyltestosteron.
3. Intrahepafische Cholestase mit Gallenfarbstoffablagerung
in den Leberzelten durch Phenothiazfne, Tuberkuiosfafica,
anabole Steroide, Ajmalin, Ovulationshemmer und andere.
Darüber hinaus müssen wir Leberkrankheiten berücksichtigen,
die durch medikamentöse Einwirkungen hervorgerufen werden, aber klinisch keine oder nur geringe Erscheinungen
machen, dagegen histologisch eindeutige Veränderungen.
Hierzu rechnen wir vor allem die granulomatöse Hepatitis,
die im Rahmen einer Sulfonamidbehandlung auftreten kann,
ober sicher sehr sehen ist Es ist überhaupt fraglich, ob die
Sulfonamidgranulome in der Leber eine eigene Krankheitsbedeutung haben.
Wir müssen uns jedoch beschäftigen mit denjenigen Medikamenten, die mit einer erhöhten Frequenz zu Leberschäden
führen und die daher, wenn vorstehende Leberschäden bekannt sind, vermieden werden müssen. DÖLLE und MARTINI
haben sich seit 10 Jahren mit diesem Probiem beschäftigt und
eine große Liste von Medikamenten angefertigt, nach deren
Anwendung Leberschäden bekannt geworden sind. Es muß
jedoch darauf hingewiesen werden, daß im Rahmen dieser
sehr ausführlichen Studie Einzelmitteilungen erscheinen, die
keineswegs verallgemeinert werden dürfen, so daß man die
Leberschädigung durch einzelne Medikamente, sofern sie
nicht in größerer Häufigkeit beschrieben wird, nicht dramatisieren darf. Nicht geklärt ist auch die Frage, ob die toxische
Leberzellschädigung durch derartige Medikamente vorwiegend bei vorgeschädigter Leber oder auch bei völlig intakter
Leber erfolgen kann.
Der typische Fall der durch Drogen hervorgerufenen Leberschädigung ist ja die cholestatische Hepatose, also ein Krankheitsbild, das sich ausgezeichnet durch eine Gelbsucht, die
unter den Zeichen eines Verschlußikterus einhergeht. Die Patienten haben, neben ihrer Gelbsucht, Juckreiz, eine vergrößerte Leber, eine Bilirubinerhöhung im Serum bei normalen oder nur geringfügig erhöhten Transaminasen, sonst
normalen Leberfunktionsproben, aber eine erhöhte alkalische
Serumphosphatase. Das Krankheitsbild ähnelt also dem des
mechanischen Verschlußikterus. Bei der Laparoskopie finden
wir eine grüngefleckfe Leber, die Gaffenblase ist dabei' leer
und schlaff als Ausdruck dafür, daß nicht genügend Galle aus
der Leber abfließt. Histologisch sind massive Gallenstauungen
in Form von Gallezylindern in den Kanaliculi und Gallenfarbstoffablagerungen in den Leberzellen vorhanden, jedoch
in einer Form, wie man sie von dem rein mechanischen Verschlußikterus nur schwer oder gar nicht trennen kann. Die
Differentialdiagnose gegenüber dem mechanischen Verschlußfkferus ist daher oft nicht zu stellen, in unserem Krankenguf
von bioptischen Leberuntersuchungen ist es in 5,5% der operativ gesicherten Fälle nicht gelungen, hier eine UnterscheiPhysik. Med u. Rehab. ,'8.Jahrg.
225
düng zu treffen. Der Operateur findet bei intrahepatischem
Verschluß, also intrahepatischer Cholestase, kein Hindernis
in den abführenden Gallenwegen, sondern sogar auffallend
zarte und enge extrahepatische Gallenwege, sowie gelegentlich Lymphknotenschwellungen im Bereich des Leberhilus, die
immer wieder fälschlicherweise als Ursache einer mechanischen Gallenabflußbehinderung gedeutet werden.
Die Leberschädigung durch Medikamente kann, nach den Untersuchungen der letzten Jahre, auf bestimmte Medikamentengruppen konzentriert werden, wenn es auch, nach den Erhebungen von DÖLLE und MARTINI, eine große Zahl von Präparaten gibt, die möglicherweise zu einer Leberschädigung
führen können. Es muß hier allerdings nochmals vermerkt
werden, daß sich die Untersuchungen von DÖLLE und MARTINI auf alle bisher beschriebenen und als möglich erachteten medikamentösen Leberschäden erstreckten. Die einzelnen
Mitteilungen sind nicht immer stichhaltig, vor allem nicht immer morphologisch durch Leberbiopsie gesichert. Aus der
großen Liste der von DÖLLE und MARTINI mitgeteilten Medikamente ist daher nicht unbedingt eine allgemeine Gültigkeit
abzuleiten. Wir können uns daher im wesentlichen beschränken auf diejenigen Präparate, von denen wirklich die erhöhte
Frequenz von Leberschäden gesichert erscheint. Danach ist
nach unseren heutigen Erfahrungen folgende Einteilung nach
der Größe des Risikos gerechtfertigt:
1. Phenothiazine
2. Tuberkulostatica
3. Methyltestosteron und sich davon ableitende anabole Steroide, die in C-17-Stellung alkyliert sind
4. Thiouracile
5. Phenyfbutazon
6. Ajmalin
7. Ovulationshemmer.
Für die Phenothiazine, die besonders stark verbreitet sind,
wird die Frequenz der Leberschädigung mit cholestatischer
Hepatose mit etwa 3 % angegeben. Dabei ist ihr Risiko weder
dosis- noch zeitabhängig. Für einen Teil der Fälle kommt
sicher eine allergische Reaktion in Betracht, worauf auch Fieber und Eosinophilie hinweisen. Für andere Fälle lassen sich
allergische Phänomene nicht sichern. Es sind also sicher nicht
alle toxischen Leberschäden durch Drogen auf allergische
Mechanismen zurückzuführen. Vielleicht erklärt sich auch damit die ganz unterschiedliche Ansprechbarkeit auf eine Behandlung mit Nebennierenrindensteroiden. Ob ein Organismus auf eine toxische Schädigung durch Medikamente somit
mit einer intrahepatischen Cholestase reagiert oder nicht, ist
nicht nur eine Frage der direkten toxischen Wirkung des
Medikaments, sondern auch eine der individuellen Reaktionsbereirschaff.
Unter den Tuberkulostatica stehen an der Spitze hinsichtlich
ihrer leberschädigenden Potenz PAS und INH, auch in einer
Häufigkeit bis zu 5%, wobei PAS zur Hepatose, INH mehr zu
virushepatitisähnlichen Bildern führen soll. Bei diesen Präparaten ist von Bedeutung, daß eine Leberschädigung auch
schon durch die Grundkrankheit, das heißt die Tuberkulose
selbst, hervorgerufen werden kann, weshalb es sich hier gelegentlich um Summationseffekte mehrerer Schädigungsfaktoren handelt. Noch mehr giJt dies für die Präparate, die sich
vom Methyltestosteron ableiten und in C-17-Stellung alkyliert
sind, d. h. die anabolen Steroide. Diese werden in letzter Zeit
ja sehr häufig und teilweise mit gutem Erfolg für die Behandlung chronischer Leberschäden propagiert. Es sind bei den in
C-17-Stellung alkylierten Präparaten jedoch cholestatische Hepatosen, leider mit teilweise tödlichem Ausgang, beschrieben,
auch wir mußten derartige Beobachtungen machen. Es gilt
daher hier die Faustregel, alle oral zu gebenden anabolen
Steroide zu meiden, während die parenteral zu verabreichenden Anabolica eine andere, ungefährliche chemische Struktur
226
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
haben. Phenylbutazon, d. h. Irgapyrin und Butazolidin, werden
unzweckmäßigerweise bei Leberprozessen oft im rheumatischen Vorstadium der akuten Virushepatitis angewandt.
Allerdings glaubt man dann bei Auftreten des Ikterus oft,
man hätte eine durch die Medikamente bedingte toxische
Leberschädigung vor sich, während indessen die Virushepatitis jetzt nur im ikterischen Stadium manifest geworden ist.
Jedenfalls sollte man bei jeglichen akuten rheumatischen Beschwerden auch an das Prodromalstadium einer Virushepatitis
denken. Im allgemeinen nicht mehr im Gebrauch ist ja das
recht lebertoxische Atophan, nicht allgemein bekannt ist aber,
daß die Phenylchinolincarbonsäure, also ein wesentlicher Bestandteil des Atophans, auch im Finarthrin enthalten ist, so
daß auch diesem Präparat eine potentielle leberschädigende
Wirkung zugeschrieben werden muß.
Daß die Ovulationshemmer zur cholestatischen Hepatose führen, wurde erst in den letzten zwei Jahren mehrfach beschrieben, auch wir haben solche Fälle gesehen. Bei der großen Zahl von Frauen, die heutzutage Ovulationshemmer bekommen, scheint das Risiko aber nicht besonders groß zu
sein.
Von aktueller Bedeutung ist die Frage, ob orale Anffcfiabefica
(Carbutamid, Tolbutamid) zu einer toxischen Leberzellschädigung führen. Vereinzelte Mitteilungen in der Literatur liegen
hierüber vor. Diese sind unseres Erachtens aber nicht beweiskräftig. Wir haben uns seit Einführung dieser Substanzen,
also seit über 10 Jahren, intensiv mit der Leberwirkung von
oralen Antidiabetica befaßt und können nicht nur sagen, daß
sie für die gesunde und auch kranke Leber unschädlich sind,
sondern daß es geradezu einzelne Stadien von Leberkrankheifen gibt, die eine fndikafion für eine Behandlung mit oralen Antidiabetica darstellen, z. B. die Fettleber diabetischer
und auch nichtdiabetischer Genese.
Ebenso wichtig, aber noch vollkommen ungelöst ist das Problem der Leberschädigung durch das Narkoticum Halothane.
Von einzelnen Seiten her werden Lebernekrosen nach Halothane-Narkosen beschrieben, von anderer Seite werden sie
bestritten. Eine soeben erschienene Studie aus der MayoKlinik im Vergleich von nahezu 80000 Narkosefällen mit
Ha/ofhannarkose gegenüber derselben Zahl ohne Halothannarkose ergab sogar, daß die postoperativen Lebernekrosen
bei der Halothanegruppe seltener sind als bei derjenigen, die
andere Narkosearten bekommen hatten. Die toxische Leberwirkung des Halothanes scheint mir daher bis heute noch unbewiesen zu sein.
Schließlich ist noch ein Wort nötig zur Frage der Leberschädigung durch Antibiotica. Es sind einzelne Fälle von cholestatischer Hepatose durch die verschiedensten Antibiotica beschrieben, so besonders durch Penicillin und Erythromyc'm
Andererseits erschienen Mitteilungen über angebliche Lebernekrosen nach Breitbandantibiotica. Die cholestatische Hepatose nach Penicillin und anderen Antibiotica gehört sicher zu
den größten Seltenheiten. Die Lebernekrose nach Breitspekfrumantibiotica glauben wir jedoch nicht als Medikamentenwirkung deuten zu dürfen, sondern bei den beschriebenen
Lebernekrosen handelte es sich um Komplikationen des
Grundleidens und nicht um Therapieschäden.
Nicht jede choJestatische Hepatose ist aber identisch mit
einem Drogenikterus, wenngleich man beim Vorliegen intrahepatischer Cholestasen eine sorgfältige „Tablettenanamnese"
erheben muß. Ein großer Teil unserer Fälle von intrahepatischer Cholestase läßt keine auslösende Ursache ermitteln,
ganz abgesehen von den besonderen Verlaufsformen der
Virushepatitis mit cholestatischem Einschlag, die aber durch
andere typische morphologische Bilder im Leberpunktat von
der cholestatischen Hepatose abgegrenzt werden können. Es
gibt sicher auch familiär bedingte Fälle, cholestatische Hepatose bei Brüderpaaren wurde mehrfach beschrieben. Schließ-
lieh ist auch der idiopathische Schwangerschaftsikterus (GROS,
HAEMMERLfN) eine cholesfatische Hepafose.
Krankheitsverlauf und Prognose sind beim Drogenikterus
sehr variabel. In der Literatur liest man im allgemeinen, daß
die Prognose gut sei und daß das Absetzen des Medikaments
genüge, um den Ikterusschub zum Abklingen zu bringen, in
anderen Fällen hilft eine Prednisonbehandlung. Dies gilt leider nicht immer, und sowohl wir wie andere Autoren haben
Übergänge nach langjährigem chronisch rezidivierendem Verlauf in eine primäre biliäre Lebercirrhose gesehen. Dies gilt
sowohl für die Fälle von cholestatischer Hepatose mit bekannter Ursache (Drogenikterus, Schwangerschaftsikterus) wie
für solche mit unbekannter Ursache. Der Krankheitsverlauf
bei solchen Patienten ist leider besonders quälend durch den
starken Juckreiz. Es muß aber auch hervorgehoben werden,
daß umgekehrt nicht jede primäre biüäre Cirrhose auf eine
cholestat/sche Hepatose oder einen Drogenikterus zurückgeht,
primäre biliäre Cirrhosen entstehen auch als autochthone,
wahrscheinlich auf einem Autoaggressionsmechanismus beruhende Leberkrankheiten ohne irgendwelche toxische Leberschädigung,
Die Therapie der cholestatischen Hepatose ist sehr unbefriedigend. Leichte Fälle heilen von selbst aus, besonders wenn
man eine auslösende Ursache ermitteln kann. Allergisch bedingte Hepatosen sprechen auf eine Prednisonbehandlung
an. Die meisten lassen jedoch keinerlei medikamentöse Einwirkungsmöglichkeit erkennen und verlaufen langdauernd
hartnäckig und chronisch rezidivierend. Bei der Ohnmacht,
mit der wir diesen Verläufen gegenüberstehen, neigt man
natürlich immer wieder zu aktivem Vorgehen, das heißt zur
Laparotomie, um nicht doch ein operativ entfernbares Hindernis in den extrahepatischen Gallenwegen zu übersehen.
Dieses Vorgehen ist keineswegs ein Fehler, auch dann nicht,
wenn sich kein Hindernis findet und damit die intrahepatische
Cholestase endgültig bewiesen ist. Die Einlegung eines TDrains in den Choledochus/ das dann lange liegenbleiben
muß, in Kombination mit einer periarterieilen Neurektomie
der Arteria hepatica bringt in manchen Fällen eine Wendung
zum Guten. Im übrigen muß man sich auf symptomatische
Maßnahmen, d. h. die Bekämpfung des Juckreizes, beschrän-
ken. Manchmal helfen Antihistaminica, in schweren Fällen
muß man zu Präparaten greifen, die die Gailensäuren im
Darm binden und ihre Rückresorption auf dem Weg des
enterohepatischen Kreislaufs vermeiden. Dieses Präparat
Cholestyramin (Cuemid) ist aber leider meist nicht über lange
Zeff anwendbar, da es zu Magenunverfräglichlceifen führt.
Gelegentlich hilft auch die Gabe von Methyltestosteron, eine
paradoxe Maßnahme, da ja Methyltestosteron von sich aus
manchmal zur cholestatischen Hepatose führt.
Bei der nur bescheidenen therapeutischen Einflußnahme, die
uns möglich ist, gewinnen daher die prophylaktischen Maßnahmen besondere Bedeutung. Es sind die oben genannten
Präparate bei Patienten mit bekannter Leberschädigung möglichst zu meiden. Ist ihre Gabe nicht zu umgehen, so muß die
Leberfunktion regelmäßig kontrolliert und auf das Entstehen
einer Cholestase überprüft werden, um das Präparat rechtzeitig absetzen zu können. Bei allen denjenigen Fällen, bei
denen man Drogen mit bekannt leberschädigender Wirkung
gibt, sollten in größeren Abständen die Leberfunktionen geprüft werden, um auch hier die Entstehung von medikamentös
bedingten Leberschäden rechtzeitig zu erkennen. Andererseits
dürfen wir uns durch die Möglichkeit, daß durch das eine
oder andere wertvolle und wichtige Medikament einmal Leberschäden hervorgerufen werden können, nicht davon abhalten lassen, eine indizierte Behandlung mit diesem Medikament durchzuführen, es ist nur unsere Pflicht, als verantwortungsbewußte Ärzte Nutzen und Schaden für die Patienten
gegeneinander abzuwägen und Verlaufskontrollen durchzuführen. Von vornherein solche potentiellen Lebergifte mit
Leberschutzpräparaten zur Vermeidung von Leberschäden zu
kombinieren, führt nach unserer heutigen Kenntnis allerdings
nicht zum Erfolg.
Literatur
DOLLE, W., u. G. A MARTINI: In „Erkrankungen durch Arzneimittel",
herausgegeben von R. HEINTZ, Thieme Stuttgart, 1966, S. 255-293
WILDHIRT, E.: „Cholestatischer Ikterus". Ergebnisse der inneren Medizin
und Kinderheilkunde, neue Folge Band 24, 80—109, Spr'nqer Berlin-Heidelberg-New York, 1966
WILDHIRT, E.: „Ätiologie und Klinik des Drogenikterus". ?rztl. Praxis XVIII,
2277, 1966
Anschrift des Verfassers: Priv.-Dozent Dr. E. WILDHIRT, Chefarzt der Medizinischen KJinik J des Sfadfkrankenhauses Kassel.
Der Einfluß der Herdlehre auf die Ausübung der Zahnheilkunde
Von Prof. Dr. Dr. T h i e l e m a n n
Medizinische Anschauungen sind wie alle wissenschaftlichen
Erkenntnisse im Laufe der Zeit starken Wandlungen unterworfen und von Zeitströmungen beeinflußt. Außerdem dauert
es längere Zeit, bis neue Erkenntnisse sich allgemein durchgesetzt haben. Ein bekannter Wissenschaftler hat dafür einen
Zeitraum von zwei Menschengenerationen angesetzt; nämlich
nicht nur die Lebensdauer der Vertreter der alten Lehrmeinung, sondern auch die deren Schüler, Dieser allgemeine
Erfahrungssatz gilt auch für die H e r d l e h r e , welche besagt,
daß von den verschiedenen krankhaften Stellen des Körpers
krankmachende Fernwirkungen ausgehen können. Allgemeinmedizin und Zahnheilkunde standen v o r und um die Jahrhundertwende im Zeichen der B a k t e r i e n und ihrer Bekämpfung; es war das Zeitalter der Karbolaera und der folgenden Antisepsis. In bezug auf die lokalen Behandlungsergebnisse der Zahnheilkunde war das schon ein erheblicher
Fortschritt gegenüber der Mitte des 19. Jahrhunderts.
So bezeichnete mein Lehrer WALKHOFF in seinem Lehrbuch
der konservierenden Zahnheflkunde 1921 als das „ideale Endziel des zahnärztlichen Berufes, die Erhaltung der erkrankten
Zähne und wahre Heilung der Folgeerscheinungen, welche
bei vernachlässigten Zahnerkrankungen in den Nachbarorganen entstehen". Mit dem Schlußsatz dieses Lehrbuches gab er
seiner Überzeugung Ausdruck, „daß die moderne Zahnhei'kunde heute eigentlich fast jeden Zahn mit wirklichem Erfolg
konservierend behandeln kann". Er mochte einigermaßen
recht haben, soweit sich dieser Optimismus auf die „anorganische Restoration der h a r t e n Zahnsubstanzen", wie er sich
ausdrückte, bezog. Soweit er aber die Heilung der Erkrankungen der w e i c h e n Zahnsubstanzen, also der Pulpa und
deren Folgekrankheiten betraf, reichten die zur Verfügung
stehenden Kriterien zur einwandfreien Beurteilung nicht aus.
Diese beschränken sich nämlich auf den Zahn und seine
nähere Umgebung und urteilen in erster Linie nach der kliPhysik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
227
nischen Symptomlosigkeit im Kieferbereich. Dabei hatten
schon seit FAUCHARD im Anfang des 18. Jahrhunderts einzelne Männer wie RUSH, KOECKER, MILLER, von KACZOROWSK1, SENATOR, DELBANCO u. a. in den verschiedensten
Zeitabschnitten immer wieder darauf hingewiesen, daß Erkrankungen der Zähne und des Zahnfleisches Einfluß auf die
verschiedensten anderen Erkrankungen haben könnten.
Allerdings hatten sich diese Anschauungen allgemein nicht
durchsetzen können. Erst durch die Veröffentlichungen und
den Vortrag von PÄSSLER auf dem Kongreß für Innere Medizin 1909 in Wiesbaden wurden diese Zusammenhänge einem
größeren Kreis von Ärzten nahe gebracht. PÄSSLER prägte
damals den Begriff der He rd i nf e k t i o n und führte hierzu
aus: „Charakteristisch für alle Herde und wohl auch der
Grund dafür, daß sie früher in der Klinik nur vereinzelte Beachtung gefunden hatten, ist ihre Eigenschaft, daß sie selbst
nur geringe örtliche Symptome machen, die leicht übersehen
werden. Die bevorzugten Sitze solcher chronischen Infektionsherde finden sich . . . in den TonsiKen, namentlich in den Gaumentonsillen, an den Zähnen, weniger oft an anderen Orten
im Körper, wie den Nasennebenhöhlen, im Mittelohr, schließlich auch in den Adnexen des männlichen und weiblichen
Genitalapparates." Ein besonderes Kennzeichen für Herde
waren für PÄSSLER die t o t e n R ä u m e , worunter er Hohlräume wie Tonsillenkrypten und Zahnwurzelkanäle verstand,
also Räume, welche den Abwehrfunktionen des Körpers entzogen sind.
Auch als die anglo-amerikanischen Arbeiten von HUNTER,
B1LLINGS, ROSENOW, A. M. FISCHER als Oralsepsis und
Fokalinfektion etwa seit 1924 in Deutschland bekannt wurden,
lehnten sie die deutschen Internisten und Zahnärzte im allgemeinen ab. Dagegen erkannte VE!L (Jena) die Herdwirkung
als pathogenetisches Prinzip an, das als biopathologisches
Grundgesetz von absoluter Bedeutung für die gesamte Medizin sei.
Seit etwa 1928 hatte SLAUCK an der Rheumaklinik der Landesversicherungsanstalt in Aachen-Burtscheid sich die Vorstellung erarbeitet, daß neben den infektiösen Vorgängen noch
toxische Produkte aus der Tätigkeit oder dem Zerfall der
Bakterien und insbesondere ZerfaJJstoffe aus den körpereigenen Geweben bei der Herdwirkung eine Rolle spielen. Zum
Begriff der Fokalinfektion fügte er damals als zweite Möglichkeit der Fernwirkung die F o k a l t o x i k o s e hinzu. Er
stellte sich dabei einen neuralen Ausbreitungsweg vor. Hierauf beruht auch das von ihm beobachtete und für dieToxikose
als typisch angesehene Symptom des Muskelfibrillierens. Da
wir in der Zahnheilkunde beim Zerfall der Pulpa und in den
parodontitischen Taschen gangränöse Produkte mit Toxinwirkung haben, erschien die Lehre der Fokaltoxikose von besonderer Bedeutung für uns Zahnärzte. Sie erklärte auch, daß
wir bei odonfogenen Herderkrankungen nicht immer Infekfzeichen wie Fieber, erhöhte Blutsenkung und Veränderungen
des morphologischen Blutbildes finden.
Eine weitere Entwicklung bedeutet etwa seit 1933 die Auffassung der Herdwirkung als allergische Manifestation durch
BERGER, GERLACH, HANSEN, ROSSLE u. a. Damit stimmt
gut überein, daß minimale Mengen der Herdinhaltsstoffe genügen, um eine Fernerkrankung oder chronische Allgemeinstörung auszulösen. Diese Möglichkeit trifft für die odontogenen Herde ganz besonders zu. ALTMANN (Wien), als früherer
Hygieniker und Bakteriologe, hat immer darauf hingewiesen.
Desha/b hat er seine sfomafologisch-chirurgische Therapie
durch Autovakzine aus dem apikalen Dentin ganz besonders
auf die nachfolgende Desensibilisierung ausgerichtet.
Unter dem Einfluß der neuralpathologischen Lehre von RIKKER und SPERANSKY erhielt die Lehre der Herdwirkungen
um die Mitte der 30er Jahre eine weitere Ausdehnung und
228
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
Belebung. Für diese Anschauungen setzte sich von wissenschaftlicher Seite bes. der Pathologe SIEGMUND ein. Von
praktischer Seite für die Neuralpathologie und -therapie
waren die um etwa die gleiche Zeit bekannt werdenden Beobachtungen der Gebrüder HUNEKE über die Heilanästhesie
und das Sekundenphänomen. Für uns Zahnärzte ist medizinisch interessant, daß Ferdinand HUNEKE seinen ersten Vortrag auf einer Fortbildungstagung für Zahnärzte in Düsseldorf
halten konnte und seine erste Demonstration und Diskussion
auf einem zahnärztlichen Fortbildungskurs in Frankfurt unter
der Leitung von Prof. SCHEID. Es zeigt, daß die Zahnärzte
die Bedeutung dieser Entdeckung für ihr Fachgebiet frühzeitig
erkannten.
Soweit waren die Anschauungen über die verschiedenen möglichen Wege der Herdwirkungen gediehen, als im Anschluß
an die Huneke-Demonstration Dr. OELEMANN, der damalige
Präsident der Westdeutschen Ärztekammer, Professor ZABEL
veranlaßte, im März 1950 in Berchtesgaden in einem Fortbildungskurs für Ganzheitsmedizin das Herdproblem abzuhandeln. In seiner Einführungsschrift zu diesem Kurs zitierte
Prof. ZABEL den Satz von VE1L „Die Lehre von der Herdinfektion gehört an den Anfang alles Denkens des werdenden
und des seienden Arztes" und stellte selbst dann fest: „Wir
stehen hier vor einer Tatsache, wie wir sie in solchem Ausmaße noch nie in der Geschichte der Medizin erlebt haben,
nämlich der Tatsache, daß unvorstellbare Schäden durch den
Arzt selber geschaffen wurden. Die sich daraus ergebende
Sachlage ist so ernst, daß die Ärzte unmöglich weiter stillschweigend zusehen können". Für ZABEL ist kein Zweifel
mehr, „daß die Zahnher/kuncle an einem Wendepunkf sfehf,
und daß die Maßnahmen der konservierenden Zahnheilkunde
durch ihre unberechenbare Unsicherheit mit dem Entstehen
der Herderkrankungen am stärksten belastet sind". Er kommt
zu dem Schluß „daß es in Zukunft keinen Zahnarzt mehr
geben darf, der die Fragestellung der inneren Medizin sich
nicht zu eigen macht". Der Kursverlauf war so eindrucksvoll,
daß der Gedanke aufkam, eine ärztlich-zahnärztliche Arbeitsgemeinschaft zu gründen, um die Herdforschung in Theorie
und Praxis weiterzutreiben. Es ist als ein großes Glück für
die Entwicklung der Zahnheilkunde zu betrachten, daß die
damalige Standesftihrung der Zahnärzte unter dem Präsidium
von Dr. E. MÜLLER die Bedeutung der neuen medizinischen
Erkenntnisse für die Zahnheilkunde erkannte und sich sofort
zur Mitarbeit bereit erklärte.
Vor allem dringlich erschien eine Klärung der wissenschaftlichen Grundlagen der aus der Erfahrung aufgebauten Lehre
von den Herden und möglichen Fernwirkungen. Die Schwierigkeit für das Verständnis beruht auf verschiedenen Umständen: Einmal wegen der Verschiedenartigkeit der Herdlokalisation (Kopfherde — Körperherde) und wegen ihrer unterschiedlichen Wertigkeit, — latente, aktive, Weichteil- und
Knochenherde —. Andererseits wegen der Sympfomlosigkeif
des fokaien Primäraffektes (um einen Ausdruck aus der Venerologie abgewandelt zu gebrauchen und nicht beim Infekt zu
verharren). Am meisten wohl, weil nicht nur der zuerst erkannte und zunächst allein namensgebende Fokalinfekt in
Betracht zu ziehen war, sondern auch bakteriolytische und
autogene Toxine, die Allergisierung durch beide und schließlich die neurale Irritation, also vier verschiedene Wege vom
Fokalaffekt zum Fokaleffekt, anzusehen waren. Schließlich,
weii der Fokaleffekt sich in verschiedenen Formen der vegetativen Dysregulation, einmal als Allgemeinerscheinung, das
andere Mal als Systemerkrankung oder letztlich an den verschiedenen Organen sich zeigen konnte. Diese Zusammenhänge anzuerkennen, verlangten von einem schulmedizinisch
ausgerichteten Kliniker und Organspezialisten der Allgemeinmedizin ein erhebliches Umdenken. Für den Zahnarzt mit seiner andersartigen Ausbildung war dies erst recht der Fall.
Eine Zusammenschau der unterschiedlichen Herdwirkungsmöglichkeiten wurde durch die von PISCHINGER erarbeitete
Auffassung möglich, daß die Herdwirkung über das Mesenchym erfolgt, das ubiquitär im Körper vorhanden ist und über
das alle Reaktionen der Organzellen gehen. Die mesenchymalen Reaktionen werden gesteuert von einem hormonalen, humoralen und nervalen Pol. PISCHINGER hat hierüber
schon in Ihrem Kreise gesprochen und Ihnen seine schönen
bildlichen Darstellungen des dreipolig gesteuerten Mesenchyms gezeigt. Sein Schema erklärt, daß die Herdwirkung auf
allen nach und nach erkannten Wegen erfolgen und auch
nebeneinander stattfinden kann, so daß es ein Unsinn ist,
den einen oder den anderen Modus abzulehnen, weil sich im
einzelnen Fall z. B. keine Bakterien züchten ließen oder keine
Nerven histologisch nachweisen ließen.
Nach dieser geschichtlichen Darstellung der Entwicklung der
Herdlehre und ihres Wesensinhattes möchte ich nunmehr auf
die spezielle Einwirkung dieser alten und neuen Auffassungen
auf die einzelnen Sparten der Zahnheilkunde eingehen.
nicht beweisend gewesen. Bei Licht betrachtet, war das Ergebnis der 10 000 damals mit allergrößter Sorgfalt durchgeführten und röntgenologisch kontrollierten Wurzelbehandlungen doch bedrückend. Z. B. mußten von den Molaren
allein schon 50 Prozent ausgeschieden werden, die für eine
Wurzelbehandlung überhaupt nicht geeignet waren. Von den
50 Prozent durchgeführten Wurzelbehandlungen der Molaren
war überhaupt nur in der Hälfte der Fälle eine bedingt einwandfreie Behandlung möglich — d. h. eine Wurzelfüllung,
die bis in die Gegend des formanen apikale ging und den
Wurzelkanal vollständig ausfüllt. Das Ergebnis des Großversuches, so dankenswert er war, muß deshalb vom Herdstandpunkt als unbefriedigend bezeichnet werden.
Der italienische Kollege COLOMBO, ein Mitglied unserer
Arbeitsgemeinschaft für Herdforschung, stellte im Jahre an
etwa 50 Endodontisten die Frage, ob die derzeitigen Wurzelkanalbehandlungsmethoden den gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprächen und ob es bereits Mittel,
Materialien und Methoden gäbe, welche mit Wahrscheinlichkeit eine Herdfolge auszuschließen vermöchten. Von den Befragten bejahten 8 die Möglichkeiten, darunter auch Professor HARNDT, der in der kürzlichen Kontroverse in den Zahnärztlichen Mitteilungen diese Möglichkeit betonte. 15 der Befragten bejahten bedingt, 45 verneinten die Möglichkeit, daß
eine wissenschaftlich einwandfreie Wurzelbehandlung durchführbar sei. Meine Begründung für die Verneinung der damals an mich gestellten Frage war, daß eine wissenschaftlich
einwandfreie Wurzelbehandlung nicht unter dem Gesichtspunkt der Verhütung oder der Beseitigung von Herdwirkungen auf jahrelange Dauer geprüft worden sei. Professor
PISCHINGER hat theoretisch ausgeführt: „Sobald wir nur
geringe chronische Entzündungen im apikalen bzw. im perioctonfalen Bereich finden, können wir nie bestimmen, wie lange
die lokale Abwehr der Noxe durch das Gewebe ausreicht,
um allgemeine Störungen abzuhalten. „Meinen Standpunkt,
der mich zu immer stärkeren Zweifeln sogar an den GrundZagen der ganzen konservierenden Zahnhei/kunde geführt
hatte, habe ich in dem vergriffenen Buch „Herdsrkrankungen
und Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde" 1942 festgelegt.
Schon bei der Erwähnung der fokaltoxischen und allergischen
Momente der Herdwirkung sprach ich von deren außerordentlichen Bedeutung für die Wertung der Wurzelbehandlung.
Wie weit eine Wurzelbehandlung überhaupt noch zu verantworten ist, diese Frage wurde für den einzelnen Zahnarzt
und für die zahnärztliche Standesführung immer dringlicher.
Da eine allgemeine Verurteilung der Wurzelbehandlung von
weitreichender Bedeutung für die Zahnheilkunde im allgemeinen und für die soziale Zahnheilkunde im besonderen ist,
mußten hierfür einwandfreie Unterlagen geschaffen werden.
So wurden von der inzwischen 1950 entstandenen Deutschen
Arbeitsgemeinschaft für Herdforschung und Herdbekämpfung
(unterstützt vom Bundesverband der Deutschen Zahnärzte) in
München durch Professor HILLER, Professor SCHUG-KÖSTER
und deren Mitarbeiter zunächst Untersuchungen durchgeführt,
ob beim Zerfall des Eiweißes im devitalen Zahn auch ohne
Infektion also ohne Bakterienwirkung, toxische Stoffe entstehen, die herdwirksam sein können. Schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit stellte sich heraus, daß beim bakterienfreien Abbau des Eiweißes sich Stoffe bilden, die teils gasförmig, hochtoxisch sind und ebenfalls allergisierend wirken — In dem Beitrag von Band 11 der Schriftenreihe für Ganzdie also eine Antigen-Antikörperreaktion entfalten. Tritt gar
heitsmedizin mit den Berchtesgadener Vorträgen von 1951
ein bakterieller Eiweißabbau hinzu, so bilden sich Abbaupräzisierte ich meine Auffassung, wie im Studentenunterricht
produkfe, die als noch gefährlicher anzusehen sind. Ferner
schon vorher dahin: „Jede Wurzelbehandlung bedeutet eine
stellte sich heraus, daß der Eiweißabbau von der VorbehandGefahr für den Patienten und einen Vorwurf, daß dieser zu
lung mit Medikamenten insbesondere eiweißfällenden abspät zur Behandlung gekommen ist, oder daß der Zahnarzt
hängig ist. Leider konnten die Münchener Forschungen nicht
nicht aufgepaßt hat oder ungeschickt gewesen ist. Anstatt
wie gewünscht weitergeführt werden, weil die Forschungsden Patienten nach durchgeführter Wurzelbehandlung in Sigelder ausgingen. Es ist nur bedauerlich, daß sich keine ancherheit zu wiegen, sollte er auf die Unzulänglichkeit und
deren Möglichkeiten und keine anderen Stellen fanden, die
Gefahren derselben hinsichtlich der Herdentsfehung hingedie Forschungsarbeiten weitergeführt hätten.
wiesen werden."
Der Bundesverband der Deutschen Zahnärzte versuchte von
seiner Seite nun auch, diesen Fragekomplex einer Lösung
zuzuführen und organisierte mit dem Vertrauensarzt der
Barmer Ersatzkassen, Dr. ROHRER den sog. Großversuch zur
Feststellung, ob eine wissenschaftlich einwandfreie Wurzelkanalbehandlung durchzuführen sei. Dieser Großversuch
wurde zwar unserer Arbeitsgemeinschaft auch zur Kenntnis
gebracht, und wir wurden beratend hinzugezogen. Wir müssen aber sagen, daß er nicht den Bedingungen entsprach, um
die Frage entscheiden zu können: „Ist eine Wurzelbehandlung herdwirksam oder herdunwirksam", da nämlich die
Gelder nicht zur Verfügung standen, um eine allgemeinärztliche Untersuchung der Patienten vor und nach einer Wurzelbehandlung durchzuführen. So ist dieser Großversuch, der
mit außerordentlicher Bemühung von den betreffenden Kollegen, die die Behandlung durchgeführt haben, und den leitenden und auswertenden Organisationen für Herdfragen
Im Jahre 1963 hat ein Mitglied unserer Arbeitsgemeinschaft,
Frau Dr. GLASER-TÜRK auf unserer Regensburger Tagung
die Frage behandelt: „Ist das Wurzelbehandlungsproblem
reif zur Grundsatzentscheidung?" Sie hat in einem Vortrag
diese Frage unter dem Gesichtspunkt der pathologischen
Anatomie, der Physiologie sowohl nach der chemischen wie
nach der bakteriellen Seite und nach der serologischen Seite
hin geprüft. Sie kommt nach Abwägung all der inzwischen
erarbeiteten Erkenntnisse zu dem Schluß, daQ die Wurzelfüllung wissenschaftlich und ärztlich gesehen heute nicht mehr
vertretbar ist. Sie ist keine echte Therapie, sondern höchstens
eine vermeidbare Nothilfe für gewisse Zeit. Wenn alle Zahnärzte sich diesen Grundsatz zu eigen machen würden, glaube
ich, hätten wir 50 Prozent weniger Herdfolgekrankheiten als
wie wir sie zur Zeit haben.
Die Schlußfolgerungen von ALTMANN, dem ehemaligen Primarius der Herdstation am Krankenhaus Wien-Lainz, die
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
229
sich praktisch für die Beurteilung der Wurzelbehandlung im
Hinblick auf die Fokaipathologie ergeben, sind, folgende:
Wurzelbehandlung einschließlich Resektion und Replantation
sind keine Fokaltherapie, also beim Herdkranken darf man
keine Wurzelbehandlung durchführen, auch keine chirurgische. Komplett gefüllte und röntgennegative Zähne dürfen
beim Herdkranken nicht im Munde belassen werden. Der
Zahnarzt ist noch lange nicht berechtigt, wenn er einen
toten röntgen-negativen Zahn findet, ihn als unverdächtig zu
bezeichnen. Der exakt wurzelgefüllte Zahn auch mit negativem Röntgenbefund ist bei einem Menschen, der bei der
Untersuchung nicht herdkrank ist, als potentieller Herd anzusehen. Beim Herdkranken dürfen in aller Zukunft keine
Wurzelbehandlungen versucht werden. Die Wurzelbehandlung ist keine Herdprophylaxe. Alle Befunde am Zahn sind
nur in Korrelation zum Gesamtstatus sinnvoll. Also sollte
mehr die ärztliche Indikation als die zahnärztliche Indikation
für irgendwelche Maßnahmen auf unserem Fachgebiet gelten.
Der Ausweg aus dieser doch sehr bedrückenden Sachlage ist
einzig: Wir müssen überhaupt vermeiden, daß es zur Wurzelbehandlung kommt. Und wenn sie in Ausnahmefällen doch
durchgeführt werden muß, dann sind ganz besondere Voraussetzungen zu erfüllen. In Deutschland hat diese Schlußfolgerung als erste Mainzer Universitätsklinik unter Professor
M. HERRMANN und Professor KLUCZKA in der konservierenden Abteilung gezogen. Die Zahl der Wurzelfüllungen
wurde ganz erheblich eingeschränkt, und, wo eine Wurzeibehandlung nicht zu umgehen war, wurde diese unter aseptischen Kautelen durchgeführt.
Positiv ausgedrückt sollte in der konservierenden Behandlung
die oberste Forderung des gewissenhaften Zahnarztes sein,
das Leben der Zahnpulpa zu erhalten. Die anerkannt günstigste Methode ist dabei die ordnungsgemäße Versorgung
des kleinsten cariösen Defektes. Aber selbst bei schon weitergehender Zerstörung der harten Zahnsubstanzen mit Gefährdung des Zahnmarks stehen uns durch die Aufdeckung von
verkalkungsfördernden Mitteln neue Möglichkeiten zur Verfügung, die es uns erlauben, eine Devitalisation zu vermeiden. Hier ist in erster Linie das von Dr. B. W. HERMANN in
Frankfurt entwickelte Calciumhydroxyd-Präparat „Calxyl" zu
nennen, dem bald noch andere ebenfalls auf der alkalischen
Basis wirksame Mittel folgten. Nicht nur bei indirekten überkappungen sondern auch nach Eröffnung des Pulpenraumes
können diese Mittel unmittelbar auf das lebende Pulpengewebe aufgebracht, selbst nach einer Amputation oder
Exstirpation der Pulpa, dieses zum Aufbau einer Barriere von
Sekundärdentin anregen. Zur gleichen Zeit wurde die Beobachtung gemacht, daß Dentinsplitter auf die Pulpawunde aufgebracht, dieselbe Wirkung entfalten. Eine eröffnete Pulpa
ist deshalb nicht mehr, wie man vor 30 Jahren noch zugestehen mußte ein verlorenes Organ. Durch die Entdeckung
der Heilwirkung von örtlichen Betäubungen konnte man darangehen, selbst eine gereizte oder leicht entzündete Pulpa
konservaliv zu behandeln. Unter Vermeidung von gefäßkontrahierenden Zusätzen erzielte ROST mit der Heilanästhesie
bei der Pulpenbehandlung sehr schöne Erfolge.
Eine andere noch weitergehende Maßnahme ist die von
Professor SCHRÖDER (Bern) angegebene Methode bei bereits stärker entzündeten Pulpen die Reaktionen durch Cortison zu dämpfen und durch Antibiotica eine Infektion zu bekämpfen. Ich erwähne diese Methode, weil auf der einen
Seite von Erfolgen gesprochen wird, auf der anderen Seite
sich aber auch ganz erhebliche Gegenstimmen erhoben
haben, die von Mißerfolgen berichten. Wir werden wohl abwarten müssen, ob sich auf diese Weise Pulpen erhalten lassen ohne Fernwirkungen auszuüben.
Ich habe dieses Kapitel des Einflusses der Herdlehre auf die
konservierende Zahnheilkunde ziemlich breit ausgeführt, weil
230
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
es das Gebiet ist, auf dem die Meinungen noch am stärksten
auseinandergehen. Selbstverständlich hat die Herdlehre auch
auf die Einstellung zur Behandlung anderer Munderkrankungen z. B. der marginalen Parodontopathien ihren Einfluß gehabt.
Um sich diesen Wandel der Anschauungen auf dem Gebiet
der Parodontopathien klarzumachen, muß man sich an die
Frühzeit der Parodontosebehandlung erinnern. Damals sah
man das Hauptziel in der Erhaltung auch schon stärker gelockerter Zähne. Hierzu bediente man sich vorwiegend des
mechanischen Mittels der festsitzenden Schiene. Vielfach wurden dazu die Zähne devitalisiert, wie z. B. bei der Mamlockschen Stiftplättchen-Schiene. So stellte HRUSKA in seinem
Buch „30jährige Erfahrungen in der Paradentose-Therapie"
1941 fest, daß er mit den festsitzenden Schienen und Brücken
die besten Dauererfolge gehabt hatte. Betrachtet man aber
die dabei veröffentlichten Röntgenbilder, so stellt man dort
so schwerwiegende pathologische Knochenveränderungen
fest, daß man sich nicht vorstellen kann, daß diese ohne
krankhafte Auswirkungen auf den Körper geblieben sein
sollen.
Die früher empfohlene Paradentose-Therapie, die gelockerten
Zähne zu devitalisieren, dürfte heute wohl nicht mehr angewandt werden, wenn auch die Beobachtungen der früheren
Paradeniose-Therapeuten stimmten, daß solche Zähne fester
wurden.
Wenn genügend darauf geachtet wird, so häufen sich auch
die Beobachtungen, daß selbst geringe marginale Läsionen,
wie chronische ulcerierende Gingivitis, die von HILMING beschriebenen Auswirkungen, wie subfebrile Zustände mit erhöhter Senkungsreaktion samt Müdigkeit und anderen uncharakteristischen, subjektiven Symptomen haben können.
Als im Jahre 1958 bei einer Tagung der Arpa Internationale
in Paris die Indikation für festsitzende und abnehmbare Schienen behandelt wurde, kam ich in meinem Referat bei der
biologischen Bewertung der beiden Schienenarten zu dem
Schluß, daß die Zeit der goldenen Hufeisen, also der Schienen
über das ganze Gebiß, mit Einschluß der devitalen Zähne
vorbei sei, daß man vielleicht noch festsitzende Teilschienen
auf vitale Zähne verantworten könne, daß aber im allgemeinen die abnehmbare Schiene vorzuziehen sei. Selbst wenn
die abnehmbare Schiene das Restgebiß nicht so lange erhält
wie die festsitzende, so ermöglicht sie wenigstens rechtzeitig
diejenigen Zähne zu entfernen, die Herdwirkungen machen
können. Interessant war, bei dieser Tagung zu erfahren, daß
CROSS (London) aus technischen und wirtschaftlichen Gründen auch die abnehmbare Schiene vorzieht.
Auch andere Maßnahmen der Parodontose-Therapie sind von
der Herdlehre betroffen. Man darf heute nicht mehr solange
damit zögern, stark parodontotische Zähne zu entfernen, wie
es früher üblich war. Dies sollte nicht nur geschehen, um ausgesprochene Fernwirkungen auszuschalten, sondern auch, um
im Munde selbst günstigere Verhältnisse zu schaffen. So genügt es z. B. in vielen Fällen, nur die mehrwurzeligen Zähne
mit ihren interradikulären Taschen zu entfernen, um die
pathologischen Zustände an den einwurzeligen Zähnen zur
Ausheilung zu bringen.
Da bislang der wesentliche Teil der Herdtherapie die Entfernung der Herde ist, muß man sich eigentlich wundern, daß
die Kieferchirurgie in ihrer Gesamtheit sich mit diesem Gebiet
nicht stärker befaßt. Im Laufe der Jahre ist es doch immer
deutlicher geworden, daß die einfache Zahnextraktion kein
ausreichendes Mittel zur Herdsanierung ist. Auch ohne im
Röntgenbild sichtbar zu sein, liegt vielfach eine periapikale
Ostitis vor, die nach der Extraktion von allein nicht ausheilt.
Wie schon ROSE (Düsseldorf) vor rund 30 Jahren angegeben
hat, muß vielmehr an die Zahnextraktion eine sorgfältige
Excochleation des Alveolarfundus, unter Umständen eine Sep-
fenabtragung, angeschlossen werden. Neben den apikaten
Granulationen müssen auch die marginalen beseitigt werden.
Durch die verschiedenen in der Herddiagnostik angewandten
Testmethoden ist deutlich geworden, wie häufig nicht nur
Wurzelreste und verstreute Wurzelfüllmaterialien (besonders
nach Wurzelspitzenresektionen), sondern auch frühere periapikale rarefizierende oder sklerosierende Ostitiden als sog.
Restostitiden im Kiefer zurückgelassen werden und Herdwirkungen entfalten, im Seitenbereich des Oberkiefers sind
diese bisweilen schwer erkennbaren pathologischen Veränderungen die odontogene Ursache für eine chronische Sinusitis.
Da Resostitiden besonders häufig nach erschwerten Zahnentfernungen oder bei Komplikationen im Heilungsverlauf
auftreten, ist es von Bedeutung, bei Herdsanierungen für
einen glatten Heilungsverlauf zu sorgen. Dies ist besonders
wichtig, da gerade chronisch erkrankte Zähne in den meisten
Fällen Perizementosen (Verdickungenj um die Wurzelspitze
haben und durch die lange bestehende Devitalisation brüchig
geworden sind. Ich persönlich ziehe es deshalb vor, die Extraktion vorzubereiten und den Zahn 14 Tage vorher außer
Artikulation zu schleifen; dann geht erfahrungsgemäß die
Entfernung leichter und glatter. Die Erfahrungen, die man bei
der chirurgischen Heideleminierung gesammelt hat, erfordern
ein sorgfältigeres Vorgehen als es sonst bei der einfachen
Zahnextraktion üblich war. Der Einfluß der speziellen Herderkrankung, ob etwa eine Beteiligung des Herzens, des Kreislaufes oder der Niere vorliegt, muß bedacht werden und entsprechend der Patient meist in Zusammenarbeit mit dem Arzt
medikamentös für den chirurgischen Eingriff vorbereitet werden. Bei der Sanierung von Herdpatienten wird also die
zahnärztliche chirurgische Behandlung mehr eine ärztlichchirurgische Behandlung und wächst über die übliche routinemäßige Technik des Zahnziehens hinaus.
Als Beispiel über den Wandel der Anschauungen auf dem
Gebiet der prothetischen Zahnheilkunde durch die Herdlehre
möchte ich auf folgendes Erlebnis hinweisen. Im Zahnärzteverein in Kassel zeigte ich als junger Kollege etwa im Jahre
1926 ein Diapositiv, aus dem hervorging, daß ich einen lebenden Zahn mit einer Goldkrone versehen hatte. Darauf erhob
sich ein etwa 20 Jahre älterer Kollege und sagte: „So etwas
tut man doch nicht." Die damalige Auffassung war, daß jeder
zu überkronende Zahn vorher devitalisiert wurde. Heutzutage
ist- es gerade umgekehrt. So hat z. B. die Deutsche ArbeiJsgemeinschaft für Prothetik und Werkstoffkunde den Standpunkt offiziell vertreten, daß eine Wurzelbehandlung aus
prothetischen Gründen nur dann durchzuführen ist, wenn alle
anderen Möglichkeiten erschöpft sind. Der Doldersteg ist z. B.
genauso gut möglich, wenn man ihn an zwei mit verblendeten
Kronen versehenen Eckzähnen verlötet, und er setzt nicht unbedingt die Devitalisation voraus. Dies ist nur manchmal der
Fall, wenn z. B. ein ungestützter Ersatz bei noch allein vorhandenen Eckzähnen zu lange getragen wurde, so daß er
stark abgesunken ist. Das ist wieder der Vorwurf, von dem
ich vorher sprach, der den Patienten und den Zahnarzt trifft.
Auch die Notwendigkeit einer umfangreichen Gebißrehabilitation bedeutet eigentlich immer einen Vorwurf für den vorher behandelnden Zahnarzt, daß er die Gebißverhältnisse
sich so abwegig hat entwickeln lassen, daß sie anders als mit
umfangreichen prothef/'schen Maßnahmen nicht mehr in Ordnung zu bringen sind.
Noch ein kurzer Hinweis soll den Einfluß der Herdlehre auf
die Gestaltung des festsitzenden Brückenersatzes erläutern.
Bei den Brückenpfeilern des Frontzahnbereiches befand sich
der Zahnarzt durch die von der Herdlehre erhobene Forderung der unbedingten Vitalitätserhaltung in einem Dilemma,
wenn er gleichzeitig den kosmetischen Forderungen gerecht
werden wollte. Zunächst glaubte man in den Halb- und Dreiviertelkronen einen Ausweg gefunden zu haben. Es stellte
sich aber im Laufe der Zeit heraus, daß dies oft nur bedingt
der Fall ist. Einmal geben nur kräftige und lange Zähne eine
ausreichende Retention für die Brückenanker. Wenn dann
mal eine Sekundär-Caries auftrat, so gelangte sie durch die
Rillen-Schulter oder Stiftpräparation sehr bald in tiefere Partien des Dentins, und führte nicht sehen für den Patienten
unmerklich zum Pulpenzerfall. Erst die Blendkrone führte aus
den Schwierigkeiten heraus, besonders nachdem diese mit
Kunststoff auf der Labialseite verblendet werden konnte. Aus
Sicherheitsgründen fordere ich aber bei den Blendkronen zusammen mit Rank, daß der Kronenstumpf vollkommen mit
Metall bedeckt und vom Kunststoff getrennt wird.
Das Gebot, die Gesundheit des Zahnmarks zu erhalten, bestimmt auch die übrigen Arbeiten. So hat es sich wohl allgemein durchgesetzt, bei der Beschleifung der Pfeilerzähne besonders unter Anästhesie und bei der Benutzung der schnelllaufenden Maschinen größte Vorsicht walten zu lassen. Ebenso
dürfte wohl kaum noch der Fehler begangen werden, die
ihres Schmelzmantels beraubten Zähne in der Vorbereitungszeit der technischen Arbeiten ohne ausreichende Bedeckung
durch Füllungen oder provisorische Kronen zu lassen. Hierfür
sind sogar Ziffern in der neuen Bugo vorgesehen.
Hiermit komme ich schon zu der Auswirkung der Herdlehre in
der sozialen Zahnheilkunde, ich hatte schon darauf hingewiesen, daß Herr Kollege MÜLLER uns als Präsident des BDZ
s. Z. sehr wesentlich in der Entwicklung der Herdlehre unterstützt hatte. Bei der 10. Jahrestagung in Bad Nauheim der
DAH sagte er rückblickend, daß die Durchbringung des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde im Jahre 1952
mit der Beseitigung der Kurierfreiheit nicht zuletzt darauf
zurückzuführen war, daß durch die intensive Arbeit der DAH
die Voraussetzungen hierfür geschaffen wurden. In einer der
letzten Nummern der ZM (Nr. 14) hat der Verbandsdirektor
Dr. BRAUN darauf hingewiesen, wie die Entwicklung des Bewertungsmaßstabes und der neuen Bugo im Grunde genommen darauf beruhe, daß bis zum 23. Juli 1962 eine zielvolle
und moderne Zahnheilkunde im Rahmen der Kassenärztlichen
Gebührenordnung zweifellos nicht zu erbringen war. Diese
Erkenntnis ist aber auf dem Boden der Herdlehre erwachsen.
Die neuen Positionen des Bema und der Bugo sind darauf
ausgerichtet, daß der Zahnarzt in den Stand gesetzt wird,
den Zahn lebend zu erhalten. Dafür soll er auch wirtschaftlich
entschädigt werden, während die gefährlichen Maßnahmen
der Wurzelbehandlung zurückgedrängt werden sollen. Möglich geworden sind diese Entwicklungen erst durch die Vereinigung der Stände der Zahnärzte und der Dentisten auf
der Grundlage der Herdlehre, welche die Auswirkung der
Zahnbehandlung auf den Gesamtorganismus aufzeigte und
die eine handwerksmäßige Ausübung der Zahnheiikunde gefährlich erscheinen läßt.
Trotzdem hat die Herdlehre, wie schon angedeutet wurde,
noch sehr zu kämpfen. Schon VEIL hat 1939 darauf hingewiesen, daß die Herdlehre ein halbes Dasein friste, und FUDALLA
hat noch 1965 von einem „Schattendasein der dentogenen
Fokallehre" geschrieben. Mit MATH1S und WINKLER (1940)
bin ich der Meinung, daß dies anders sein sollte: „Die Überzeugung von der Existenz der Herdinfektion dentogener Natur muß uns erfüllen und unser Handeln als Arzt und Zahnarzt bestimmen. Dfe gegenwärtige Situation der Herdlehre
möchte ich mit einem Vergleich umreißen: Der Zug soll abfahren, die Weichen sind gestellt, das grüne Licht erscheint,
aber die Geleise sind feucht, infolgedessen gibt es nur ein
Rucken. Es muß erst Sand gestreut werden, um den Zug anfahren zu Jossen. Dieser Sand gehört aber nicht in das Getriebe, sondern unter die Räder."
Anschrift des Verfassers: Professor Zahnarzt Dr. Dr. THIELEMANN, 6 Frankfurt am Main, Rubensstraße 28, Telefon 614466
Physik. Med. u. Rehab. / 3. Jahrg.
231
Praktischer Arzt und Rehabilitation
Von H e r m a n n F r ü h a u f
Die moderne Medizin hat in Wissenschaft und Forschung, in
Diagnostik und Therapie viel geleistet. Sie hat aber auch
erkannt, daß damit allein dem kranken und leidenden Menschen nicht genügend geholfen werden kann, daß er mehr
benötigt ais eine gut funktionierende Prothese nach gelungener Amputation, als einen kompensierten Kreislauf nach vorausgegangener Insuffizienz, als normalisierte Serumlabilitätswerte nach durchgemachter Hepatitis. Man entdeckte neu den
Begriff der „Rehabilitation". Was er beinhalten soll, hat bereits im vorigen Jahrhundert ein Jurist klar zum Ausdruck gebracht: „Vielmehr soll der heilbare Kranke vollkommen rehabilitiert werden, er soll sich zu der Stellung wieder erheben,
von welcher er herabgestiegen war, er soll das Gefühl seiner
persönlichen Würde wieder gewinnen und mit ihm ein neues
Leben" (v. BUSS 1844 zit. nach DIERKS und BIALONSK1). In
dieser Formulierung wird schon der Akzent auf die Mithilfe
des Kranken gelegt. Er soll wieder ein aktives Wesen werden
und nicht passiv sein und bleiben. Daß die Struktur unserer
Sozialversicherung die Rentenneurose möglich macht zeigt
daß sie änderungsbedürftig ist. Alle, die sich um „Rehabilitation" bemühen, möchten, daß auch der Staat in seiner Gesetzgebung darauf bedacht ist, nicht nur den Kranken und Behinderten in seiner Existenz zu sichern, sondern ihm neue Möglichkeiten der Eingliederung in die Gesellschaft und deren
Tätigkeit und Arbeit zu zeigen und zu bereiten. Prämiert werden sollte nicht die Passivität, sondern die Aktivität, nicht das
Jammern, Klagen und sich Bedauern Jossen, sondern der Entschluß, selbst mit behindertem Körper sein Schicksal meistern
zu wollen und seinem Leben neuen Sinn und Inhalt zu geben.
BIALONSKI berichtet in „Rehabilitation als Beitrag zur sozialen Sicherung", daß in den USA bei Ablehnung von beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen die Rentenleistungen gekürzt werden, daß andererseits ein Behinderter, der seine
Arbeit freiwillig wieder aufnimmt, ein weiteres Jahr zusätzl/'ch die Rente eines VoUinvaViden erhält
Daß das Problem allenthalben gesehen wird, zeigen zahllose
Veröffentlichungen und Bemühungen einschließlich der Einrichtung von Rehabilitationszentren, überblickt man die Literatur, so fällt auf, daß vornehmlich die Spezialisten aller
Fachrichtungen aus ihrer Sicht sich mit dem Rehabilitationsproblem befassen. „Rehabilitation in der Gynäkologie", „Rehabilitation endokriner Krankheiten", „Rehabilitation in der
Nei/ro/ogie", „Di'a'fefffc und Rehabi/ftaffon", „Rehabiüfafron
bei chirurgischen Erkrankungen des Brust- und Bauchraumes",
„Rehabilitation und Prävention im orthopädischen Bereich",
das sind nur einige wahllos herausgegriffene Titelüberschriften aus Nr. 2/3 der Schriftenreihe der Medizinisch pharmazeutischen Studiengesellschaft 1965.
Sie alle zeigen die erweiterten Bemühungen der Kliniker, die
ihrer Behandlung anvertrauten Kranken möglichst so zu entlassen, daß sie wieder berufsfähig werden. Das isf notwendig
und gut, geschah aber eigentlich mehr oder weniger immer.
Sicher sind einige zusätzliche Anstrengungen in Richtung Rehabilitation zu verzeichnen. Doch das genügt nicht. Wenn das
Ganze nicht eine Modeströmung sein und als solche enden
soll, muß dahinter ein zündender Gedanke stehen, der Arzt
und Patienten ergreift, der wirklich neue Richtungen weist und
zu neuen Ufern führt. Um das erreichen zu können, muß derjenige, der den Kranken berät und ihn behandelt, nicht nur
über diagnostische und therapeutische Fähigkeiten verfügen,
sondern er muß sich Gedanken gemacht haben über das Wesen des Menschen und über den Sinn der Krankheit. Ohne
solche Überlegungen ist er nicht in der Lage, einem kranken
Menschen in dieser seiner besonderen Daseinssituation zu
232
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
verstehen und ihm wieder auf den Weg zu verhelfen, ja ihm
möglichst sogar neue Einsicht und Erkenntnisse zu vermitteln.
Deshalb sei gleich vorweggenommen, unser Ziel ging immer
noch über das hinaus, was man heute Rehabilitation nennt.
Wir meinen, eine Krankheit darf nicht so verlaufen, als ob
sie nicht gewesen wäre, zu der selbstverständlich anzustrebenden körperlichen Genesung müssen neue Impulse hinzukommen, die der Patient vorher nicht hatte. Sie müssen so
stark sein, daß sie auch Leistungen vollbringen helfen, z. B. in
der Lebensweise. Wer kann nun aber den Genesungswillen
und eventuell eine notwendige Umstellung nach vermittelter
Einsicht bei seinen Patienten besser erreichen als der Arzt, der
ihn am Beginn und am Ende seines Krankheitszustandes sieht,
der ihn eventuell zur Klinik einweist, der ihn danach wieder in
seine Obhut nimmt? Wir glauben, daß in der Regel der
p r a k t i s c h e A r z t der geeignetste Führer bei diesem wichtigen Bemühen sein müßte.
Warum ist er es in Wirklichkeit nicht? Weil anscheinend alles
zu aufwendig geworden ist; weil vielfach nur das Geltung besitzt, was von Autoritäten ausgeführt wird und an Techniken
und Apparate gebunden ist, kurz weil der praktische Arzt
seine eigene Bedeutung und Fähigkeit zu gering einschätzt
und deshalb oft mutlos geworden ist und resigniert. Das darf
so nicht bleiben, einmal deswegen nicht, weil es falsch ist;
zum anderen aber auch nicht, weil bei einer solchen Haltung
unserer praktischen Ärzte der kranke Mensch der Leidtragende ist. Darum muß, um das wirksam werden zu lassen,
was in der Titelüberschrift steht, zuerst und vor allem eine
Rehabilitation des praktischen Arztes eintreten. Diese soll und
kann nicht von außen kommen. Der Praktiker muß sie in
durchgreifendem und vielfältigem Bemühen selbst an sich
vollziehen. Dabei wird für ihn ein Aktivierungsprozeß auf beruflichem und gesamtmenschlichem Gebiet eintreten müssen.
Weiterbildung und Weiterformung befähigen ihn dann in erhöhtem Maß zum Berater seiner Patienten und tragen bei zur
Wiedergewinnung der Stellung, die dem praktischen Arzt im
Rahmen der Volksgesundheit und innerhalb der menschlichen
Gesellschaft zum Nutzen aller gebührt.
So gerüstet und befähigt ist er nicht nur ein wertvolles Glied
in der Gemeinschaft all derer, die sich um die Rehabilitation
als medizinisches Problem und beruflichen Auftrag bemühen,
sondern muß — man gestatte mir, hier einen Begriff der Technfk zu gebrauchen — gewissermaßen die Initialzündung geben und fortgesetzt Brennstoff für das sehr komplizierte
Triebwerk liefern.
In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig daraufhinzuweisen, daß ja nicht die Versehrten, wie manchmal angenommen
wird, das Hauptkontingent für die Rehabilitation liefern. So
konnten beispielsweise nach Angabe der Bundesanstalt für
Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung 1963 insgesamt 50839 behfncferfe Menschen wieder in das Berufs- und
Arbeitsleben eingegliedert werden. Davon litten vorher 6 0 %
an Krankheiten verschiedener Art, 1 9 % an Kriegsbeschädigungen, 14% an Unfallfolgen, 7 % an angeborenen Leiden.
Auch in dieser Verteilung der Rehabilitationsfälle tritt die Bedeutung des praktischen Arztes klar zutage. Seine Frühdiagnose, seine Einweisung in die Klinik und seine Nachbehandlung nehmen im Rahmen der gesamten Rehabilitations-Medizin sicher den breitesten Raum ein. Obwohl nicht zu den vielen spezialistisch ausgerichteten Programmen noch ein weiteres auf den Praktiker bezogenes hinzukommen soll, wird
doch seine in diesem Rahmen zu leistende Tätigkeit gesammelt, geordnet und konkretisiert werden müssen.
Dabei soll erwähnt werden, daß alles, worüber hier berichtet
wird und was vorzuschlagen ist, nicht nur aus der Theorie
kommt sondern in langjähriger Praxis erprobt wurde und
sich bewährt hat. Das Einteilungsprinzip ergibt sich aus der
Reihenfolge, wie die Probleme an den praktischen Arzt herantreten und seine Entscheidungen und Hilfe fordern.
K r a n k h e i t als Chance
Jede Krankheit, besonders die schwere, die Gesundheit und
Leben bedroht, ist nicht nur die Folge von Ursachen und steht
damit am äußersten, negativen Ende einer Entwicklungsreihe,
sie weckt gleichzeitig Kräfte, die den Beginn einer positiv
ausgerichteten Tendenz ankündigen. Das scheint mir äußerst
wichtig zu sein. Unsere ärztlichen Überlegungen kreisen zu
ausschließlich um die Kausalzusammenhänge. Ohne diese
Einstellung aufzugeben, müssen wir wissen und beachten, daß
auch finale Kräfte bei der Krankheit wirksam werden. Auf
diese für unser ärztliches Handeln äußerst wichtigen Zusammenhänge hat seinerzeit Professor Jores in seiner Rektoratsrede: „Finalität der Krankheit" mit Nachdruck hingewiesen.
Geht man von dieser Bipolarität der Krankheit aus, so ergibt
sich daraus für den praktischen Arzt, der ja zuerst mit ihr konfrontiert wird, eine doppelte Aufgabe.
Zunächst muß er dem Kausalitätsgeschehen seine ganze Aufmerksamkeit widmen. Je größer Wissen und Erfahrung sind,
um so sicherer wird die Diagnose gestellt werden. Man möge
mir verzeihen, wenn ich in guter Absicht hier feststellen muß,
daß die praktischen Ärzte sich noch mehr, als sie es vielleicht
schon tun, weiterbilden müssen. Die Verantwortung, die auf
ihnen ruht, ist ungeheuer groß und wä'chsf immer mehr. Sie
können die Last nur tragen, wenn sie genügend gerüstet sind.
Nehmen wir eine der großen Krankheitsgruppen, beispielsweise den Krebs. Warum sind nach der Ansicht aller maßgeblichen Leute die Erfolgsaussichten auch heute noch so katastrophal schlecht? Weil die meisten Kranken viel zu spät einer
erfolgversprechenden Behandlung zugeführt werden. Aile
Versuche dem abzuhelfen, einschließlich dem der Errichtung
von Krebsberatungsstellen, haben keinen nennenswerten Erfolg gezeitigt. Erst wenn jede ärztliche Praxis eine Krebsberatungsstelle würde, könnte die Situation wesentlich geändert werden. Noch ein zweites Beispiel möchte ich anführen,
um auf den Ernst der Situation hinzuweisen. Daß viele Tausende von Kranken alljährlich unerkannt und unbehandelt
eine Hepafifis cmicferica durchmachen, die später zur Lebercirrhose führen kann, kommt leider auf das Konto des praktischen Arztes. Er müßte sich eben genügend mit diesem Problem befaßt haben und wissen, daß nur die Untersuchung
der Transaminasewerte die Diagnose am Beginn der Krankheit klären kann. Die Beispiele könnten vermehrt werden.
Hier genügt der Hinweis auf die Zusammenhänge. Der Appell
muß lauten: Rasche Sicherung der Diagnose, eventuell zu diesem Zweck frühzeitige Überweisung an einen Spezialisten
oder Einweisung in eine geeignete Klinik! Wieder muß ein
Hinweis gemacht werden, der sich auf reichliche Erfahrung
stützt. Nicht jede Klinik ist für jede Krankheit gleich qualifiziert. Es gehört zur Aufgabe des Praktikers, mit wachen Sinnen und ohne sich täuschen zu lassen, Erfahrungen zu sammeln und danach zu handeln. Überlegungen, wie Loge des
Hauses, Konfessionszugehörigkeit und sonstige zweitrangige
Gründe dürfen bei der Wahl keine Rolle spielen. Zuweilen
werden bereits mit dieser Entscheidung die Weichen gestellt,
die später in die Rehabilitationsbestrebungen einmünden.
Nun wissen wir aber, daß die Diagnose allein noch nicht den
Erfolg verbürgt. Zu ihr muß sich notwendigerweise die sachgemäße Therapie gesellen. Wer sie gründlich zu beherrschen
glaubt, soll sie üben. Im Zweifelsfall muß man den Rat Erfahrener einholen. Wir wollen es unterlassen, detailliertere Angaben zu machen. Denn hierbei ist ja doch bei besonderen
schweren Erkrankungen in erster Linie die Krankenhausbehandlung geboten.
Was aber der praktische Arzt noch vorher zu leisten hat, ist
außerordentlich wichtig. Noch vor jeder Überweisung muß er
den oft verzagten, manchmal hoffnungslosen Kranken mit
Überzeugungskraft aufrichten. Er muß auf ihn eingehen, ihn
ernsfnehmen und ihm in einer verständlichen Weise klar machen, daß der Organismus gerade in der schweren Bedrohung
durch die Krankheit auch eine ungeahnte Fähigkeit zur Abwehr entwickelt und selbst Kräfte der Heilung mobilisiert. Um
dieses Wissen bereichert und mit dieser Hoffnung getröstet
tritt der Kranke seinen schweren Gang leichter an. Seine Einstellung, seine Gelöstheit und Zuversicht entscheiden aber mit
über den Verlauf der Krankheit und ihre anzustrebende endgültige Überwindung.
Sind wir bis jetzt mit diesen Gedankengängen einverstanden,
so bedeutet dies auch eine Zustimmung zu der Auffassung,
daß vom praktischen Arzt, seinem Wissen, seiner Einstellung
und seinem Rat entscheidende Impulse für den Verlauf der
Krankheit ausgehen, — auch der Krankheit, die dann unter
Umständen klinischer und stationärer Weiterbehandlung bedarf. Nur wenn nichts Entscheidendes am Anfang der Krankheit vom Praktiker versäumt wurde, werden die spezifischen
und detaillierten Bemühungen des Facharztes und des Klinikers den Erfolg haben, der nach Lage des Falles erwartet
werden darf. Je weniger die Fortführung der Behandlung im
Krankenhaus zu einer Zäsur im Krankenverlauf führt, desto
günstiger ist die Prognose.
Wer immer es kann, soll seinen Patienten auf dem Weg zur
Klinik begleiten oder ihn am ersten Tag besuchen. Bei längerem Krankenhausaufenthalt werden gelegentliche Besuche des
Hausarztes nicht nur vom Patienten dankbar aufgenommen;
sie halten auch den für später so wichtigen persönlichen Kontakt aufrecht und gewährleisten eher die Kontinuität des Interesses am Kranlcheifsver/auf'. Das alles ist notwendig, um den
Patienten seine Krankheit als Einheit erleben zu lassen. Er
darf weder bei der Einweisung in die Klinik noch bei der Entlassung daraus einen irgendwie gearteten Stress bekommen.
Dies vermeiden zu helfen und damit den Ausbruch drohender
Fehlreaktionen zu verhindern, ist nicht minder Aufgabe des
Praktikers als des Künikers. In der Tat wird weder bei der
Überweisung an den Facharzt, noch bei der Einweisung in
das Krankenhaus der praktische Arzt aus der Verantwortung
entlassen. Sein permanentes Interesse und Engagement für
den eingewiesenen Patienten wirken weiter und bestimmen
nicht selten auch den Intensitätsgrad des klinischen Einsatzes.
Wenn nun aber auf der meist langen Strecke, die den Weg
vom Beginn der Krankheit bis zur Heilung bezeichnet, der
praktische Arzt an allen entscheidenden Stellen mit seinem
vielfältigen Rat anwesend ist, so darf er für diese Präsenz
auch einen hohen Anteil des endgültigen Rehabilitationserfolges für sich buchen.
Doch wir wollen den Geschehnissen nicht vorauseilen und
wollen, bildlich gesprochen, mit dem Praktiker den Patienten
an den Pforten des Krankenhauses bei der Entlassung wieder
in Empfang nehmen. Ähnlich wie bei der Einweisung handelt
es sich auch bei der Entlassung um einen äußerst kritischen
Punkt auf dem Leidensweg des Patienten. Wieder müssen —
und zwar am ehesten und besten vom praktischen Arzt - gewisse typische, psychische Reaktionen des Kranken abgefangen werden. Erneut muß man ihm Zuversicht und Mut einflößen. Merkt er erst einmal, daß das Interesse an seinem Zustand nicht erloschen ist und sein erst behandelnder Arzt ihn
mit neuer Hilfsbereitschaft empfängt, so ist für die Weiterbehandlung eine gute Ausgangsposition geschaffen.
Beiläufig müssen wir erwähnen, daß korrekte Weiterbehandlung nach der Krankenhausentlassung durch gut funktionierende Benachrichtigung erleichtert wird. Wenn sie aber ausbleibt oder ungenügend ist, darf auf keinen Fall der Patient
darunter leiden. Entweder müssen wir versuchen, durch eigene
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
233
Aktivität rasch in den Besitz der uns interessierenden Daten
zu gelangen oder wir müssen ohne Bericht handeln. Wichtiger
als die Kontinuität der Therapie ist die Behandlung schlechthin. Sie muß neben den nun noch notwendigen medikamentösen oder anderen therapeutischen Maßnahmen jetzt vor
allem darauf bedacht sein, in ein echtes Partnerschaftsverhältnis zum Patienten zu kommen. Davon hängt in ganz entscheidendem Maß der endgültige Rehabilitationserfolg ab. Die Zeit
der Passivität und des Nur-Behandeltwerdens muß endgültig
vorüber sein; jetzt heißt es für den Patienten, sich unter der
Führung seines Beraters und Helfers mit zu bemühen, daß der
frühere Zustand möglichst rasch wieder erreicht oder gar
überboten wird. Auch das ist in vielen Fällen möglich. Dann
ist nicht die Rehabilitation, sondern eine echte Melioration
das Ziel. Bessere gesundheitliche Gesamtsituation zu schaffen,
als sie vor der Erkrankung bestanden hat, das ist durchaus
möglich, ja darin muß eine große Chance der Krankheit überhaupt gesehen werden.
Prinzipien der Führung
Noch einmal sei darauf hingewiesen, Rehabilitation nach
schwerer Erkrankung ist um so schneller und um so besser zu
erreichen, je gerüsteter und einsatzbereiter der praktische
Arzt ist, der den Patienten zuerst in Behandlung nimmt, der
ihn dann weiter auf dem Weg begleitet und ihn auch zuletzt
schließlich wieder der Arbeit, der Gemeinschaft und dem gesunden Leben zuführt. Für den Großteil der zu rehabilitierenden Kranken gibt es niemanden, der wichtiger ist als er. Diese
hohe Bedeutung und Stellung des praktischen Arztes muß
noch viel mehr in das Bewußtsein der Ärzte selbst, der Versicherungsträger, der Krankenkassen, der Gemeinschaft und
der staatlichen Organe dringen. Je mehr das geschieht, um
so größer wird die Autorität des Arztes, um so mehr gilt sein
Wort und sein Rat. Partnerschaft einerseits, ärztliche Autorität
andererseits sind besonders in der letzten und oft entscheidenden Phase des Krankheitsverlaufes notwendig und wichtig. Mit ihnen erreicht man sehr viel; nur so gewinnt man auch
Einfluß auf das Gesamtverhalten und die Lebensweise des
Patienten. Da es in dieser Abhandlung nicht um spezielle
Krankheiten gehen soll, sondern grundsätzlich um alle - denn
der praktische Arzt muß faktisch vor allen Erkrankungen bestehen — Wolfen wir hier das herausstellen, womff wir in der
Rehabilitationsphase beginnen, was wir neben der jeweils
notwendigen spezifischen Therapie zusätzlich mit allen üben
und was wir an Anordnungen geben. Hier sollen also keine
Arzneien erwähnt werden, sondern jene Maßnahmen, die bei
uns neben der medikamentösen und sonstigen gezielten Therapie, praktisch bei allen von uns der Gesundheit und der
Rehabilitation zugeführten Kranken Anwendung finden.
1) M e i d e n v o n G i f t e n . Wir wundern uns immer wieder,
wie wenig die Kranken in der Klinik hören über die zu meidenden Gifte. Den Hepatitis-Kranken z. B. wird zwar in der
Regel bei der Entlassung einiges über die Ernährung gesagt,
kaum einmal aber wird daraufhingewiesen, daß sie dringend
für lange Zeit den A l k o h o l meiden müssen. Wir holen das
nach und vereinbaren mit unseren Leberkranken nach entsprechender Belehrung auf der Basis der Freiwilligkeit vollkommene Abstinenz für ein volles Jahr. Wer nun meinen
sollte, dieser Rat würde doch nicht gehalten, täuscht sich. Die
große Mehrzahl befolgt ihn peinlich genau, wenn der Arzt
sich ständig in diesem Sinne engagiert. Wichtig ist allerdings,
daß ein absolutes Abstinenzgebot besser gehalten wird, als
der Rat zur Mäßigkeit. Diese Erkenntnis eines intelligenten
Alkoholikers habe ich mir immer zu Nutze gemacht.
Im Verhältnis zum Alkohol und Nikotin sind K a f f e e u nd Tee
in der Regel harmlosere Genußmittel. Das schließt aber nicht
aus, daß sie bei bestimmten Krankheiten, so z. ß. bei allen
Formen der Hyperthyreose und bei jeglicher Labilität im vege234
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
tativen Nervensystem verheerende Wirkung ausüben. Die betreffenden Patienten werden unter ihrer Einwirkung noch unruhiger, schlafen noch schlechter, ermatten noch früher, haben
mehr Herzklopfen und größere Unpäß/ichkeif. Wir scheuen
uns nicht, all diesen Kranken und Rekonvaleszenten — und
ihre Zahl ist heute sehr groß — die Wirkung des von ihnen
so begehrten Kaffees oder Tees auf ihren Gesundheitszustand
so darzustellen, wie sie ist und ihnen zu raten, sich dieser
Genußmittel zu enthalten. Dabei stellen wir immer wieder
fest, daß viel mehr Kranke einsichtiger sind als in der Regel
angenommen wird. Jedenfalls wirkt bei all diesen Leuten
eine gute Unterweisung mehr als ein bloßes Verbot, dessen
Sinn sie nicht durchschauen, und von dessen Notwendigkeit
sie deshalb auch nicht überzeugt sind.
Das schädlichste Zivilisationsgift ist wohl das N i k o t i n . Diesen traurigen Rang nimmt es ein vor allem infolge des ungeheuren Zigaretten-Konsums. Seine toxische Wirkung auf
die Schaltstellen des vegetativen Systems ist erheblich. Bei der
Entstehung und Rezidivierung des Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüres spielt es in vielen Fällen eine bedeutende
Rolle; bekannt ist seine ungünstige Wirkung auf die Kranzadern und die peripheren Gefäße. Die rasante Zunahme des
Bronchial- und Lungenkrebses geht, wie heute kein maßgeblicher Wissenschaftler mehr bezweifelt, in erster Linie auf das
Rauchen zurück. Was hindert eigentlich die Ärzte und besonders wiederum die praktischen Ärzte, laut, vernehmlich und
fortgesetzt auf diesen ungeheuren Krebsschaden der Volksgesundheit hinzuweisen? Nach unserer Beobachtung ist diese
unbegreifliche Passivität nur zu verstehen, wenn man bedenkt, wie groß die Zahl der Ärzte ist, die selbst rauchen,
und zwar sehr viel rauchen. Dieser betrübliche Zustand sollte
diejenigen nicht resignieren lassen, deren Einsichten nicht
durch Rauch getrübt sind. Im Gegenteil, ihre Verpflichtung
wächst in Anbetracht solcher Verhältnisse.
Während nun bei uns Alkohol und Kaffee in den obenbezeichneten Fällen für bestimmte Zeit aus der Liste des Gestatteten getrichen werden, legen wir hinsichtlich des Nikotins
einen viel strengeren Maßstab an. Jahrelanges Studium über
dieses Problem und die sowohl dadurch als auch durch sehr
große eigene Beobachtung und Erfahrung gewonnene Überzeugung von der immensen Schädlichkeit des Rauchens gaben
die Grundlage für diese Einstellung ab. Sie führte dazu, daß
zunächst während der Krankheit Rauchen nicht gestattet wird.
Weiter wird dann in der Rekonvaleszenz und Rehabilitationsphase jeder Patient ohne Rücksicht auf die Vorgeschichte ausgiebig mit der schädlichen Wirkung des Rauchens auf den
menschlichen Organismus vertraut gemacht. Es werden ihm
außerdem die Gefahren grell vor Augen geführt; er wird dabei — eingestandenermaßen - nicht geschont. Ziel ist, so vielen
Menschen wie möglich das Rauchen abzugewöhnen und dabei die Zeit der Rekonvaleszenz als besonders günstige
Chance zu nutzen. Jeder Rehabilitationsversuch wird, wie
leicht nachprüfbar ist, in seinem Erfolg wesentlich beeinflußt,
wenn es gelingt, den Patienten zum Nichtraucher zu bekehren.
2) P s y c h i s c h e F ü h r u n g . Wenn auch Gesundung und Rehabilitation ein Mindestmaß von asketischer Einstellung erfordern, so soll doch darauf geachtet werden, daß die Grundhaltung des Kranken zu sich selbst, zu seiner durchgemachten
Krankheit und zu seiner Umwelt optimistische Züge trägt. Ihm
muß der hohe Wert, den die Gesundheit darstellt, in immer
wieder neuem Licht gezeigt werden. Er muß voll der Freude
sein oder werden über das neu geschenkte Leben und die
Aussicht, wieder ganz rehabilitiert zu werden. Statt Recht auf
Mitleid zu fordern, werden durch entsprechende Führung Gefühle der Dankbarkeit geweckt,
Jeder Mensch, der eine schwere Krankheit durchmachf, kann
durch die dabei gemachten Erfahrungen reifer oder zynischer
werden. Der Einfluß auf die besonders empfindsame seelische
Struktur des Kranken in dieser Phase kann von entscheidender Bedeutung für das gesamte weitere Leben werden.
In welche Richtung die Entwicklung geht, hängt weitgehend
vom beratenden praktischen Arzf ab. Er stellt die Weichen.
Dessen soll er immer eingedenk sein. Er muß wissen, daß
seine Patienten oft noch nach Jahren Sätze von ihm zitieren,
an die er sich selbst gar nicht mehr erinnert. Sein Wort wirkt
also nicht nur in dem Augenblick:, in dem es gesprochen wird,
sondern es wirkt weiter in das Leben hinein. Seien wir uns
dessen immer wieder bewußt!
Natürlich kann es dem Praktiker nicht um detaillierte psychotherapeutische Maßnahmen gehen; es genügt, wenn er erreicht, daß der Kranke durch sein Leiden reifer wird in seiner
ganzen Persönlichkeit, daß er innerlicher und selbstsicherer
wird. Er muß wieder einen Mittelpunkt suchen und finden,
um den seine Lebensachse sicher schwingt. Wohl ihm, wenn
er dabei sich auf den guten Rat und die Führung seines Arztes
stützen kann.
3) T a g e s a b l a u f u n d R e h a b i l i t a t i o n s m a ß n a h m e n .
Bei allen uns in der Rehabilitationsphase begegnenden Kranken legen wir besonderen Wert auf die Verteilung der therapeutischen Anwendungen und Maßnahmen über den ganzen
Tag hin. Obwohl wir mit den einzelnen Verordnungen bestimmte Absichten verfolgen und mit ihnen jeweils auf besondere biologische Abläufe einwirken wollen, werden sie in der
Regel nicht für sich allein, sondern mit anderen zusammen
gegeben. Schließlich wirkt ja auch im normalen Lebenslauf
jeder Reiz auf ein bestimmtes biologisches System (Atmung,
Kreislauf, Verdauung) indirekt auch auf die Gesamtfunktionen
des Körpers. Diese komplexe Therapie findet ihr natürliches
Einteilungsprinzip im Tagesrythmus.
a) A n w e n d u n g e n am M o r g e n . Der Tagesanfang hat
seine besondere Bedeutung. Jeder Morgen kann erlebt, genutzt und vertan werden. Von vielen Menschen wird er leider
nur hetzend (am Werktag) oder schlafend (am Sonntag) erfahren. Seine Köstlichkeit kennen heute zu wenige. In der
Rekonvaleszenz dürfen wir aber auf derartige elementare
Impulse nicht verzichten. Wir lassen deshalb unsere Patienten zwar auch genügend schlafen, aber trotzdem früh - im
Sommer um 6.30 Uhr, im Winter um 7.30 Uhr - aufstehen.
Ein Blick durch das geöffnete Fenster soll über die Wetterlage orientieren und den ersten freundlichen Kontakt mit der
umgebenden Welt aufnehmen. Dies zu errreichen ist wichtig.
Natürlich muß sich der Arzt um den, dessen erster ßfick von
einer Mietskaserne in einen Hinterhof fällt, entsprechend anders bemühen, als um den, der in ein Stück Natur sehen kann.
Wir beginnen mit der D a r m p f l e g e . Aus vielerlei Erwägungen und Erfahrungen, die hier nicht dargelegt zu werden
brauchen, versuchen wir durch geduldiges Training eine m o r g e n d l i c h e S t u h l e n t l e e r u n g zu erreichen.
Die übliche K ö r p e r r e i n i g u n g soll intensiv sein, darauf
muß man in vielen Fällen besonders hinweisen. Duschen oder
gar Wechselduschen verordnen wir nicht. Sie sind für viele
Rekonvaleszenten zu anstrengend und erregen oft zu sehr
Nervensystem und Kreislauf. Dagegen wird immer und von
allen eine ausgiebige B ü r s t e n m a s s a g e wohltuend empfunden. Die Bürste muß harte Borsten haben und soll mit
einem Stiel versehen sein. Mit ihr wird systematisch der ganze
Körper vom Kopf bis zum Fuß, Stamm und- Extremitäten,
trocken gebürstet. Die dadurch erzeugte Oberflächenhyperämie macht ein angenehmes Wärmegefühl; sie macht frisch
und munter. Für Herz und Kreislauf bedeutet diese Ableitung
des Blufstromes in die Peripherie eine merkliche Entlastung.
Zur morgendlichen Toilette gehört für unsere Patienten aus
wohl bedachten Gründen das G u r g e l n m i t a u f g e schwemmter Heilerde.
Ein Teelöffel Heilerde wird in einem Glas Wasser angerührt.
Anschließend wird damit gegurgelt. Bevor eine solche Maßnahme voreilig abgelehnt wird, soll sie ausprobiert werden.
Sie verdient nämlich weitgehende Anwendung und Verbreitung. Zunächst erreicht man damit eine gründliche Reinigung
der gesamten Mundhöhle. Rachen und Tonsillenbuchten werden gefegt. Durch die fein verteilten Körnchen wird beim
Gurgeln eine Art Massagewirkung besonders auf Gaumen,
Mandeln und lymphatischen Rachenring ausgelöst. Dadurch
werden eine Reihe wertvoller biologischer Reaktionen in
Gang gesetzt: Die erzeugte Schleimhauthyperämie schützt
weitgehend vor Erkältungskrankheiten und grippösen Infekten. Besonders für den anfälligen Rekonvaleszenten ist das
wichtig. Aber auch der gesunde Mensch und nicht zuletzt der
durch seinen Beruf gefährdete Arzt sollte sich dieses harmlosen sicher wirkenden Mittels bedienen. Außerdem ist bekannt, daß die immunbiologischen Vorgänge in enger Beziehung zu den lymphatischen Geweben des Rachens und der
Tonsillen stehen. Indirekt werden also auch sie durch die mit
der beschriebenen Methode erzeugte Hyperämie beeinflußt.
Tatsache ist, daß viele Menschen, die seit Jahren diesen unseren Rat täglich gewissenhaft befolgen, sich einer früher nie
gekannten, störungsfreien Gesundheit erfreuen.
Nach dem Gurgeln wird immer noch unbekleidet vor geöffnetem Fenster 5 bis 10 Minuten M o r g e n g y m n a s t i k gemacht. Wir lassen gymnastische Übungen der Kopf-Nackenpartie, des Rumpfes, der Extremitäten im Stehen und Liegen
durchführen, Verwendung findet dabei das Bali-Gerät, und
zwar der „grüne" leichtere Typ mit 4 kg Federdruck. Gerade
für die in der Rehabilitationsphase sich befindenden Patienten sollte man auf keinen Fall das schwerere Gerät („rot")
mit 6 kg Federdruck verwenden. Das jeder Bestellung beiliegende Heft gibt in Text und Bild genaue Anweisung über
Handhabung und Übung. Die mit dem „Bali-Heimtrainer" zu
erreichenden Erfolge sind beachtlich. Keineswegs sollte man
etwa nur bei den orthopädischen Fällen daran denken. Gewiß wird die Haltung verbessert, die Muskulatur gestärkt und
Bewegungsfreude erzielt. Wichtiger aber noch ist für alle
Kranken der bemerkenswert günstige Einfluß dieser Übungen
auf Herz, Kreislauf und Atmung.
inzwischen sind seit dem Aufstehen ca. 20 Minuten vergangen. Diese kleine Zeitspanne am Morgen ist vielleicht die
wichtigste im Tagesablauf. Wo immer es erreicht werden
kann, ermuntern wir die betreuten und geführten Menschen
diese Maßnahmen, Anwendungen und Übungen nicht nur
während der Behandlung, sondern auch später in ihren gesunden Tagen beizubehalten.
Dem Rat wird in großem Umfang Folge geleistet. Meist ist es
dann so, daß die ganze Familie sich das aneignet, was Vater
oder Mutter nach ihrer Krankheit beim Doktor gelernt haben.
Selbst das A n k l e i d e n muß mit den Patienten besprochen
werden. Meist sind die Männer zu viel und die Frauen zu
leicht bekleidet. Beides ist ungesund. Es wird deshalb darauf
hingewiesen, daß die Haut ein wichtiges Organ ist, daß
gerade sie den Kontakt mit der Umweit aufzunehmen hat. Sie
muß deshalb geübt und in guter Verfassung gehalten werden
während des ganzen Tages. Unsere Kleidung kann das unterstützen oder hemmen. Deshalb sind oft Korrekturen nach der
einen oder anderen Seite notwendig.
Solange die Patienten noch nicht wieder arbeiten, schließt
sich nun der verordnete M o r g e n - S p a z i e r g a n g an. Wir
beginnen mit einer halben Stunde und steigern langsam auf
1 Stunde Dauer. Dabei sollen Anlagen, Stadtrand, Feld oder
Wald - also Natur und reine Luft — aufgesucht werden. Während der Bewegung im Freien sollen die Augen geöffnet und
Herz und Geist geweitet werden, um die immer wieder neuen
Eindrücke der Natur auf Leib und Seele einwirken zu lassen.
Physik. Med, u. Rehab. / 8. Jahrg.
235
Auch dazu braucht der Ungeübte Anleitung und Hilfe. Wohl
ihm, wenn er es dann dazu bringt, seine Gedanken über das
Nächstliegende und über den Alltag hinweg auf den Ursprung und das Ziel des menschlichen Lebens zu richten. Von
hierher kann dann der ganze weitere Lebenslauf eine neue
Richtung und Zielsetzung erhalten.
Während des Spazierganges wird zunächst eine volle Viertelstunde die zuvor eingehend geübte Z w e r c h f e l l a t m u n g
betätigt. Sie wird dann während des Tagesablaufes in Etappen immer wieder durchgeführt. Hierbei handelt es sich um
eine für die Rehabilitation und die Gesundheit höchst wichtige Sache.
Wir verwenden deshalb auf die Einübung besondere Sorgfalt
und überzeugen uns immer wieder von dem richtigen, krampffreien Ablauf. Man muß diese Atemtechnik so beherrschen,
daß sie vollkommen frei und locker abläuft Erst dann können
sich ihre wohltuenden Wirkungen entfalten. Diese erstrecken
sich vor allem auf den Brust- und Bauchraum. Durch die ausgiebigeren Kontraktionen des Zwerchfells werden abwechselnd Druck und Saugbewegungen auf die beiden Körperhöhlen ausgeübt. Dabei wird die Durchblutung allgemein,
besonders aber im Pfortader-Lebergebiet und in den unteren
Lungenpartien angeregt und gefördert. Die Darmperistaltik
erfährt einen zusätzlichen Impuls. Flatulenz im Querkolon
und der Flexura lienalis werden günstig beeinflußt. Die Residualluft der unteren Lungenpartien erfährt einen häufigeren
Wechsel; die Gesamtkapazitäf der Ein- und Ausatmung steigt.
Besonders wichtig ist die Zwerchfellatmung für den Aortenbogen. Hier treten wegen der besonderen anatomischen Verhältnisse bekanntlich die schwersten atherosklerotischen Veränderungen auf. Frei von Verkalkung auch bei sonst hochgradiger Sklerose ist die Arteria poplitea. Diese Ader der
Kniekehle wird von allen Körpergefäßen am meisten intensiv
bewegt und verdankt diesem Umstand ihre Intaktheit. Der
Gedanke liegt nahe, nach Mitteln und Wegen zu suchen, wie
man den gefährdeten Arcus Aortae aus seiner Starre in Bewegung bringen kann. Das gelingt und geschieht in hervorragender Weise durch die Zwerchfellatmung. Durch das dabei bewirkte Abwärtssinken des Herzens wird der Aortabogen
ebenfalls nach unten gezogen. Beim Hochheben des Diaphragmas während der Ausatmung tritt die Bewegung in umgekehrter Richtung ein. Jedenfalls ist dieses „Turnen der Aorta"
eine vortreffliche Methode, um der Verkalkungsneigung dieses
Bezirkes entgegenzuarbeiten und um eine bessere Durchblutung der hier abgehenden Kranzadern zu erreichen. Wir stellen immer wieder fest, wie selbst ältere Leute, die vorher
sonst immer Mühe beim Gehen und allmählichen Steigen hatten, glücklich sind, weil mit der Zwerchfellatmung alles viel
leichter abläuft. Deshalb muß sie zu den Standardmaßnahmen der Rehabilitation gehören. Dazu bedarf es dann allerdings häufiger Übung und Anwendung während des ganzen
Tages und bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Nach der Rückkehr vom Spaziergang, den wir möglichst bei
jedem Wetter durchführen lassen, soJ) das F r ü h s t ü c k eingenommen werden. Es sind inzwischen seit dem Aufstehen
etwa 1 bis Vh Stunde vergangen. Vorher soll keinesfalls gefrühstückt werden. Dies Warten bekommt dem Magen und
den Verdauungsorganen gut und wirkt nicht weniger günstig
auf den Kreislauf. Die Zusammensetzung des Frühstücks soll
Abwechslung bieten und immer wieder geändert werden.
Quark darf allerdings nie fehlen. Er ist bekanntlich das beste
Eiweiß; für Leberkranke ist er geradezu unerläßlich. Dagegen
sind wir vorsichtig mit der Verordnung von Fruchtsäften zum
Frühstück. Für viele Menschen ist der Fruchtsaft in den leeren
Magen nicht bekömmlich. Das gilt vor allem für jene, die eine
Magen-, Gallen- oder Leberkrankheit durchgemacht haben.
Selbst das Bircher-ßenner-Müsli kann nicht wahllos verordnet
werden. Für es gelten ähnliche Einschränkungen wie für die
236
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
Fruchtsäfte. Dagegen bekommt es als eine Art zweites Frühstück etwa gegen 10 Uhr den meisten Kranken gut.
Nach dem Frühstück ist ein Großteil der Rekonvaleszenten,
die das vorher beschriebene Programm absolviert haben,
müde. Wir raten deshalb zu einer ersten S i e s t a . Sie soll
ähnlich, wie die zweite nach dem Mittagessen verlaufen. Unser Rat unterscheidet sich dabei etwas von der üblichen Art:
Die Patienten sollen sich nicht ausziehen und in das Bett
legen. Das ist zu umständlich und macht viele wieder hell
wach. Es genügt, Kragen, Hosenbund und Kleider zu lockern,
sich auf einen bequemen Sessel oder Stuhl zu setzen, die von
den Schuhen befreiten Beine auf einen entgegengerichteten
Stuhl oder Sessel zu legen. Auf diese Weise können erstaunlich viel Menschen rasch einschlafen. Sie erwachen nach
relativ kurzer Zeit, etwa nach 20-30 Minuten und sind dann
erstaunlich frisch. Gerade diese kurze Erholungsphase ist
wesentlich erfrischender und immer angenehmer, als ein längerer Schlaf. Ein solcher Tiefschlaf am Tag bringt nämlich
keine Erquickung, sondern macht ein Gefühl der Zerschlagenheit und Benommenheit: deshalb in der Regel Siesta nach
der beschriebenen Weise. Der Rest des Vormittags steht zur
freien Verfügung.
Für das Essen müssen nun noch einige Hinweise gegeben
werden. Mit Ausnahme der Kranken, die an Hyperthyreose,
vegetativer Labilität oder Nervosität leiden, sollten in der
Regel die meisten Menschen bei uns - und zwar Gesunde und
Kranke — weniger essen, als sie es seither gewohnt waren.
Professor I. KÜHNAU machte bei seinem Vortrag: „Vollwerfige Ernährung m der modernen Irtdc/sfnegesellschafr",
den er im Mai 1965 auf dem ärztlichen Fortbildungskurs in
Regensburg hielt, auf wichtige Tatsachen aufmerksam. Er
wies u. a. darauf hin, daß sich der Arbeitstyp entscheidend
geändert hat. Früher lebte der Mensch auch in unseren Breiten als Bauer oder Handwerker, also als manuell Arbeitender. Er brauchte damals eine genügende Kalorienmenge, um
diese Arbeit leisten zu können. Kalorienspender waren vor
allem Kohlehydrate und Fette. Der heutige Mensch ist kein
Schwerarbeiter mehr. Der Arbeitsprozeß wird immer mehr
automatisiert. Zum Bedienen von Hebeln und Schaltern wird
wenig Muskelkraft gebraucht. Hinzu kommt, daß der Weg zur
Arbeit ohne Anstrengung, meist sogar motorisiert, zurückgelegt wird. Der verminderten Muskelarbeit entsprechend
müßte die Kalorienzufuhr gewandelt und im ganzen vermindert werden. Kohlehydrate und Fette müssen reduziert, Eiweißzufuhr vermehrt werden. Letzteres geschieht,
ersteres ungenügend. Zwar werden weniger Kartoffeln,
aber dafür mehr Zucker, Süßigkeiten und Gebäck konsumiert, Fett wird zuwenig eingeschränkt. Alle aber essen
mehr Fleisch als früher. Aus all dem resultiert die Überernährung. Folge ist die Fettleibigkeit mit all den Schäden, die sie
bringt. Diese Zusammenhänge müssen den Patienten klargemacht werden. Erst dann wird unserem Rat, weniger zu
essen, Folge geleistet werden. Es ist nicht leicht, die Patienten
in den Essensgewohnheiten umzustellen. Nach vielen Versuchen gehen wir heute folgendermaßen vor: Es gibt nur eine
Hauptmahlzeit und nicht zwei, wie das hierzulande üblich ist.
Im Hinblick auf die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozeß geben wir schon in der Rehabilitationsphase die Anweisung, mittags nur Saiate und Obst zu essen. Das kann
auch später auf der Arbeitsstelle geschehen. Die Hauptmahlzeit wird am Abend gemeinsam mit der Familie eingenommen. Mir sind die Einwände, die man gegen eine solche Anordnung machen kann, bekannt. Trotzdem hat sie sich uns
mehr bewährt und zu wesentlich besseren Erfolgen geführt,
als alle anderen Versuche.
Neben der mit dieser Einteilung angestrebten quantitativen
Verringerung der Nahrungsaufnahme, muß noch die qualitative Zusammensetzung der Speisen beachtet werden. Wenn
auch noch manche Unklarheiten über den Fettsfoffwechsel und
seinen Einfluß auf den Cholesferinspiege/ bestehen, kann
doch für die Praxis festgehalten werden: Erhöhter Cholesterinspiegel schadet den Gefäßen, wirkt sich störend auf die
Kranzaderdurchblutung aus, erhöht die Infarktgefahr. Neben
vielen anderen Untersuchungen haben das vor allem die
Framingham-Studien gezeigt, die in dieser amerikanischen
Stadt seit 1950 an allen Einwohnern systematisch und laufend
durchgeführt werden. Deshalb aber beinahe reflektorisch die
Butter zu verbieten, wie das oft heute geschieht, ist sicher
einseifig und falsch. Etwas Butter sollte man schon wegen des
sehr wichtigen Vitamin-A-Gehaltes gestatten. Die Hypercholesterinämie ist nicht nur eine Störung des Fetthaushaltes,
sondern des gesamten Stoffwechsels. In Anbetracht dessen
gestatten wir täglich 30 g Butter, reduzieren stark die Fette
und Kohlehydrate.
Die Hauptmahlzeit muß immer Salate und Gemüse der jeweiligen Jahreszeit enthalten. Eine ausgezeichnete Beigabe ist
im zeitigen Frühjahr Löwenzahnsalat. Er wächst überall,
kostet nichts, schmeckt köstlich, ist vitaminreich, hat also alle
Vorzüge außer dem einen, daß er zu wenig auf dem Speisezettel erscheint. Regelmäßig lassen wir rohes Sauerkraut auftragen. Es ist während des ganzen Jahres erhältlich und wirkt
durch seinen M'ilchsäuregehah außerordentlich günstig auf
die Darmbakterienflora. Da diese infolge der meist zu ausgiebig geübten antibiotischen Therapie bei vielen Menschen
stark strapaziert ist, kommt ihm eine besondere Bedeutung
zu. Außerdem dient es der kalorienarmen Sättigung und wird
— im Gegensatz zum gekochten Sauerkraut — von jedem vertragen. Noch etwas soll immer auf dem Familientisch stehen:
Bierhefe. Ein Eßlöffel täglich zur Nahrung — in Suppe verrührt oder eigens aufgeschwemmt — führt das so dringend
benötigte Vitamin ß zu. Bekanntlich sind die zu reichlich genossenen Süßigkeiten und der Zucker Vitamin-B-Räuber.
Außerdem haben Tierversuche gezeigt, daß der Körper unter
Vitamin-B-Schutz Cancerogenen, denen wir ja alle immer
mehr ausgesetzt sind, viel länger widersteht. All das ist Grund
genug, die Bierhefe zu empfehlen.
Diese wenigen Hinweise über das Essen mögen im Rahmen
der Gesamtbemühung um Rehabilitation, wie sie dem praktischen Arzt aufgetragen und möglich ist, genügen. Sie sind
ein Steinchen im Mosaik des Ganzen.
Inzwischen ist der Tag vorangeschritten und manches der Verordnung wurde schon vorweggenommen. Damit es nicht in
Vergessenheit gerät, soll noch einmal auf die z w e i t e Siesta
des Tages in der Mittagszeit hingewiesen werden. Am Nachmittag soll dann ein weiterer Aufenthalt im Freien möglich gemacht werden. Außer Spazierengehen — und oft
besser als das — ist eine angemessene Beschäftigung im
Freien zu empfehlen. Dabei kommt wiederum der Zwerchfellafmung große Bedeutung zu.
In Anbetracht der Wichtigkeit, soviel und sooft wie möglich
im Freien zu leben, haben wir viele unserer Patienten dazu
bewogen, sich einen Schrebergarten zuzulegen. Dabei ist eine
interessante Entwick)ung festzustellen. Mit zunehmender
Freude am Garten wachsen Interesse und Verständnis für eine
gesunde Ernährung und Lebensführung. Beinahe regelmäßig
kommt dann auch der Wunsch nach einem Häuschen im
Grünen. Bei den einen reicht es nur zu einem bewohnbaren
Gartenhaus; die anderen kommen über das Bausparen und
die Inanspruchnahme zinsgünstiger Darlehen zu einem Siedlungshaus oder einer Eigenwohnung. Damit gelangen diese
Menschen in ganz neue Lebensbereiche und in eine andere
soziale Stellung.
Wo das gelingt, ist mehr als Rehabilitation erreicht. Es wurde
die Chance, die eine Krankheit bietet, genutzt: Der aufgerüttelte und sensitive Kranke lernte den Wert der Gesundheit schätzen und strebte unter der Leitung seines Arztes mit
allen Kräften danach, das Verlorene wieder zu erringen. Im
Zuge dieses Strebens wachsen die Wünsche und viele von
ihnen können bei fortgesetztem Einsatz Erfüllung finden. Damit wird die Ausgangsposition verlassen und neue Ufer werden erreicht.
Noch eine kleine, aber recht wirksame Besonderheit unserer
Verordnung wollen wir hier erwähnen und begründen: Wir
lassen über den Tag verteilt W a c h o l d e r b e e r e n k a u e n .
Warum das? Zunächst wird dadurch ein gleichmäßiger, reichlicher Speichelfluß erzeugt. Dieser dient der Reinigung der
Mundhöhle und nutzt der Verdauung. Nach unserer Erfahrung ist es außerdem die sicherste und harmloseste Methode,
den gerade bei Rekonvaleszenten so störenden und lästig
empfundenen Mundgeruch zu beseitigen. Viele Menschen sind
für diese Hilfe außerordentlich dankbar. Hinzu kommt, daß
die Fructus Juniperi, wie die Pharmakologie lehrt, Flatulenz
beseitigt und wasserausschwemmend wirkt. Auch diese Wirkung kommt uns bei unserem Bemühen sehr entgegen.
Schließlich ist die Wirkung auf die weitverbreitete Paradentose unverkennbar. Das alfes läßt sich mit diesen unscheinbaren Beeren, die man in kleiner Schachtel mit sich führen
kann, mühelos erreichen.
Am A b e n d soll so früh, wie es die Verhältnisse gestatten,
die Hauptmahlzeit für die ganze Familie angesetzt werden.
Was über die Zusammensetzung der Nahrung in quantitativer
und qualitativer Hinsicht wichtig ist, wurde bereits erwähnt.
Hier genügt der nochmalige Hinweis darauf. Nach dem
Abendessen soll nochmals ein kleiner, der Sammlung und
Beschauung dienender Spaziergang durch den Garten oder
die zur Verfügung stehende Natur (Park, Anlage) gemacht
werden. Selbstverständlich wird dabei wieder die propagierte
und geübte Zwerchfellatmung betätigt. Eine gute Lektüre,
deren Wahl wir oft mit den Patienten besprechen, soll den
Abend beschließen.
Das F e r n s e h e n ist in dieser programmatischen Tageseinteilung bis jetzt nicht erwähnt. Nach sehr genauer Beobachtung in den letzten Jahren mußten wir feststellen, daß bei
vielen Rekonvaleszenten die Rehabilitation durch das Fernsehen wesentlich verzögert wird. Statt die zur Verfügung
stehende Freizeit fruchtbar zu gestalten und sie zur Unterstützung der Heilung zu verwenden, sitzen zahllose Krankgeschriebene stundenlang vor dem Fernsehapparat und fügen
sich dadurch zusätzlich nachweislichen Schaden zu. Alle Sinnesorgane werden bei diesen Sitzungen überbeansprucht; sie
lösen Verkrampfungen im Gefäßsystem, am Herzen und in
den Verdauungsorganen aus, die Sekretion der Drüsen wird
gestört. Hinzu kommen Stauungen, die sich durch das stundenlange Sitzen bilden. Dringend muß hier der praktische Arzt
eingreifen. Er muß, wie in vielen anderen Situationen, die
Patienten aufklären und mit ihnen auf freiwilliger Basis vereinbaren, daß außer den Nachrichten nur von ihm genehmigte, ausgewählte Sendungen angesehen werden dürfen. Ich
weiß, daß das für den Praktiker eine zusätzliche Belastung
bedeutet. Es geht aber nicht anders. Die Aufgaben des Arztes
müssen dem Wandel angepaßt werden; er muß seinen Finger
ebenso am Puls der Zeit, wie am Puls des Patienten haben.
Jedenfalls sprechen die gemachten Erfahrungen dafür, daß
dieses Bemühen sich lohnt und der Praktiker hier einen wichtigen Beitrag für die Rehabilitation leisten kann.
Der S c h l a f macht ein Drittel des Lebens aus. Schon daraus
kann man seine Bedeutung ermessen. Sie ist besonders groß
nach schwerer Krankheit. Entweder gehen vom Schlaf positiv
oder negativ gerichtete Impulse in der Rehabilitationsphase
aus. Ihre Richtung hängt von einigen entscheidenden Sachverhalten ab.
Zunächst ist das Bedürfnis nach Schlaf nicht einheitlich. So
waren beispielsweise Schopenhauer und Carl Ludwig Schleich
ausgesprochene Langschläfer, während Friedrich der Große
Physik. Med.u. Rehab./8. Jahrg.
237
und Napoleon nur wenig Schlaf brauchten. Allgemein darf
man jedoch sagen, daß für den Erwachsenen hier und heute
sieben Stunden Schlaf zu empfehlen sind. Jüngere Menschen
brauchen mehr, ältere weniger. Dabei ist es nicht gleichgültig,
zu welcher Zeit man schläft. Die Redewendung, daß jede
Stunde Schlaf vor Mitternacht besser sei, als zwei danach,
trifft durchaus das Richtige. Schon Hippokrates wußte das und
belehrte dementsprechend seine Landsleute und Schüler. Auch
in der Tagesordnung und in den Regeln der Mönche hat diese
Erfahrung ihren Niederschlag gefunden. Unsere Bauernfamilien leben noch heute unbewußt nach solcher Weisheit.
Den modernen Stadtmenschen ging jedoch mehr und mehr
der Instinkt für die erquickende Wirkung des Vormitternachtsschlafes verloren. Nicht so sehr die Arbeitszeit, vielmehr die
Programme der Vergnügungen haben sie um die erholsamen
Schlafstunden gebracht. Es erfordert für den einzelnen eine
mächtige Anstrengung gegen die Stromrichtung zu schwimmen. Auch hier kann und soll gerade nach durchstandener
Krankheit in der Phase der Rehabilitation eine Änderung zum
Guten eintreten. Der Rekonvaleszent soll unter der Leitung
des Arztes es wieder lernen, sich die Wohltat eines kosmisch
orientierten Schlafes zu gönnen.
Eine andere jahrtausendealte Erfahrung ist niedergelegt in
der Weisheit des Sprichwortes: „Ein gutes Gewissen ist ein
sanftes Ruhekissen". Schon Pythagoras empfahl seinen Anhängern, abends Gewissenserforschung zu halten. Seinen Rat
befolgten noch nach vielen Jahrhunderten berühmte Männer
des Altertums, unter ihnen Cicero, Seneca und Marc Aurel.
Auch Goethes weiser Vorschlag, nicht zur Ruhe zu gehen
„ohne sich und anderen ein Absolutorium zu erteilen" entspringt ähnlicher Haltung und Beobachtung. Von daher
kommt oft mehr Entspannung und Ruhe als von einer Schlaftablette.
Nun hat die Sonne ihren Tageslauf vollendet. Unter ihrem
weit gespannten Bogen fanden auch all die vielfältigen Bemühungen des Arztes, seinen Kranken und Genesenden Hilfe
zu bieten, Rat zu erteilen, zu mahnen, zu unterweisen, zu verordnen, ihren rechten Platz.
Alle Vorschläge, die gemacht wurden, entstammen einer langen eigenen Erfahrung. Sie sind erprobt und brachten Hunderten Heilung, neue Daseinsfreude, wiedergewonnene Eingliederung in die Familie, die Gesellschaft und den Arbeitsprozeß. Sie führten in vielen Fällen über den ursprünglichen
Ausgangspunkt hinaus, brachten neue Einsichten, weckten
neue Wünsche und führten zu neuen Ufern. Für all diese vielen wurde die Krankheit zu einer Chance besonderer Art. Der
Weg führte von der Erkrankung über die Genesung und Rehabilitation zur Melioration, zu einer wahren Lebensänderung
und Verbesserung. Diese wirkliche Großtat für den betroffenen einzelnen und die am Einzelschicksal interessierte Gemeinschaft vermag nur der praktische Arzt zu leisten. Seine
Stellung und Bedeutung für den Bereich der Rehabilitation ist
von hohem Rang.
Anschrift des Verfassers- Dr. med. Hermann FRUHAUF, Offenbach/Main,
Scheffelstraße 83
Lymphdrainage- und Molekularmassage des Krampfadernbeines
Von J o h a n n e s A s d o n k
Nach HARFF (1) werden Indikation und Wertung von Massagemaßnahmen mehr durch persönliche Erfahrungen der
praktizierenden Heilexperten als durch wissenschaftlich exakt
begründbare Erkenntnisse beurteilt. Da bislang Massageeffekte so gut wie ausschließlich als Folge neuraler Reaktionen verstanden worden sind, entspricht dies der Komplexität
solcher neuraler Vorgänge; denn man kann zwar empirischnachweisbare Massageeffekte durch Hinweise auf mögliche
neurale Geschehnisse zu deuten versuchen, bei der Komplexität des afferenten Informations-, des synoptischen übertragungs- und des fördernden und hemmenden neuronalen
Zentralgeschehens lassen sich dagegen die efferenten, neuralen Effekte unmöglich vorausberechnen oder -bestimmen.
Bei der Lymphdrainage- und Molekularmassage ad modum
VODDER (2), über die hier berichtet werden soll, erfolgt im
Gegensatz dazu eine völlig andere, nämlich eine direkte Einwirkung auf bestimmte, örtliche Gewebeelemente nicht neuraler Struktur. Es ist bei dieser Methode sogar die unerläßliche Vorbedingung für den Erfolg, daß neurale Elemente
nicht durch Reizungen erregt werden. Es darf z. B. keine
neural-reaktive Hyperämie entstehen. Der behandelte Mensch
muß unter der Massageeinwirkung eher mit dem Empfinden
der Abschaffung aller Reize einschlafen.
Auf Einzelheiten der Methodik kann aus Zeitgründen nicht
eingegangen werden. Es möge der Hinweis auf meine Veröffentlichungen (3, 4, 5, 6) und auf die ausführlichen Besprechungen am Lymphdrainagefage dieses Kongresses genügen. Folgendes sei jedoch des besseren Verständnisses wegen und gewissermaßen gleichzeitig als Programm der aus
Zeitgründen sehr abgekürzten und infolgedessen mehr hinweisenden, als beweisenden Ausführungen hervorgehoben:
Mit exceJlent erarbeiteten Handgriffen werden bei der Methode VODDER durch kreisende Hand- und Daumenbewe238
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
gungen mit stufenlos gleitenden Druckzunahmen und Druckabnahmen einerseits Pumpwirkungen auf die ableitenden
Lymphwege und andererseits Abführung von Flüssigkeit und
Stausioffen aus dem perivaskulären Bindegewebe, sowie
molekulare Umordnung der extrazellulären Bindegewebssubstanzen erzielt. Alles das erfolgt durch D i r e k t e i n w i r kung.
Bild 1
Schema der Transitstrecke (nach BUDDECKE [4])
Dazu zunächst das Bild 1 von BUDDECKE (7) zur Klärung der
funktionellen SituationS Sie sehen — symbolisch angedeutet am linken Bildrand differenziert-funktionierende Zellen, am
rechten Bildrand eine Kapillargefäßwand (Blut- oder Lymphgefäß) und in der Mitte eine breite Schicht Bindegewebe.
Die letztere besteht aus vereinzelten Zellen und aus großen
Mengen von Fibrillengeflechten. Die Fibrillen sind in einer
zwar unsichtbaren, chemisch aber relativ exakt definierbaren
Grundsubstanz eingelagert. Fibrillen und Grundsubstanz sind
extrazelluläre Gebilde. Sie werden im Gegensatz zum Protoplasma der Zelle auch wohl als Paraplasma bezeichnet. Sie
werden von den Zellen fabriziert und ausgestoßen (vgl.
Bild 2). Aufbau und Abbau werden zellulär gesteuert. Für
I
Is
Tropokollagen
•&*
OHM NaCl
045M
NaCl
0trutfpH-35
T
tjv/fes"
Kollagen
untös/id
Bild 2
Aufbau und Ausstoß extrazellulärer Bindegewebsstrukturen
durch einen Fibroblasten (nach BUDDECKE [4])
Massageeinwirkungen mittels Druck- und Bewegungsvoi-gängen ist entscheidend wichtig, daß die paraplasmatischen Substanzen im Gegensatz zum zelligen Protoplasma nicht mit
eigenen, steuernden und aktiv tätigen Membranen umgeben
sind. Sie werden daher von den Massageimpulsen direkt und
unverfälscht beeinflußt.
Die oben geforderte Direktwirkung der Massage auf das
Paraplasma läßt sich am leichtesten verständlich machen, indem man die langfädigen Mukopolysaccharide der Grundsubstanz — die Hyaluron- und Chondroitinschwefelsäuren
u. a. m. (vgl. Bild 3) - in einer ersten Annäherung mit lang-
Bild 3
Schema eines fadenförmigen Hyaluronsäuremoleküls
mit gebundenen Ionen
fädigen Mehlmolekülen vergleicht. Wenn man solche Mehlmoleküle mit anderen Ingredienzien etwa eines Kuchenteiges
durch Umrühren von der ursprünglichen Form und Lagerung
in dieSfoffgruppierungen und -bindungen des fertigen Kuchenteiges überführt, dann weiß jedermann, daß dabei Mehlmoleküle und Ingredienzienstoffe entsprechend ihrer Stofrform und chemischen Bindekraft zu neuen, ihrer Natur entsprechenden Molekülverbänden zusammenge/agerf werden.
Diese neuen Bindungen sind sehr stabil. Man kann bekanntlich den fertigen Kuchenteig mit keiner Methode und Kraft
dieser Welt in die frühere Mehlform zurückverwandeln.
Da das Paraplasma des Bindegewebes aus ähnlichen Molekülen oder Molekül- und Moleküljonengruppierungen besteht
und (wie beschrieben) nicht durch eigene Membranen gegen
mechanische Einwirkungen abgeschirmt ist, lassen sich in der
Tat diese Stoffe rühren wie Kuchenteig. Gröbere haJbfeste
Strukturanteile, wie Fibrillen und Fasern, sind dabei Überträgerhebel zwischen dem Druck der Hand und der Bewegung der Grundsubstanzmoleküie.
Bei solchen Bewegungsimpulsen ordnen sich die langfädigen
Moleküle und Moleküljonengruppierungen sowohl in sich
selbst als auch zueinander in Abhängigkeit von den jeweils
gegebenen chemischen und physikalischen EnergiepotentiaJen. Sie müssen dabei nach physikalischen Gesetzen dem
Zustand der geringsten Energie zustreben und damit den
Zustand der größten Stabilität anzunehmen trachten, in diesem Sinne darf man solcherart wirksame Massagen - die
Voddersche Massage gehört insbesondere zu diesen - als
Molekularmassage bezeichnen.
Nun die lymphdrainierende Direktwirkung der Massage!
Daß Massage mittels Direktwirkung durch Druck- und Bewegungsvorgänge Gefäße entleeren kann, ist von vornherein einsichtig. Für Blutgefäße haben solche Manipulationen allerdings keine wesentliche Bedeutung, wenigstens dann
nicht, wenn sie lediglich pumpend wirken und nicht neuralhyperämisierend, da der Blutstrom von der viel stärkeren
und anhaltenden Kraft des konstant aufrechterhaltenen
Strömungsdruckes des Herzens abhängt. Den Lymphgefäßen
fehlt aber ein solcher Motor. Es ist daher einsichtig, daß bei
allen lymphatischen Abflußstörungen zielgerechte manuelle
Einwirkungen den Abfluß wesentlich fördern können. Da es
Aufgabe der Lymphe ist, die Flüssigkeiten und Stoffe abzutransportieren, die das Blutgefäßsystem im gegebenen Falle
nicht abtransportieren kann, sind solche Manipulationen bei
entsprechenden Krankheiten naturnotwendig erfolgversprechend, wenn sie, wie bei der Vodderschen Massage durch
Art, Intensität und Ausdauer der Behandlung dazu geeignet
sind.
Jede Entleerung der Lymphräume wirkt sich automatisch auf
das zugehörige bindegewebige Paraplasma aus. Gestautes
Wasser und gestaute Stoffe diffundieren jeweilig nach physikalischen Gesetzen in die entleerten Lymphräume hinein, so
daß schließlich bei genügend häufig wiederholter Entleerung
Stauungen in der paraplasmatischen Transitstrecke vermindert oder völlig beseitigt werden. Diese und die oben beschriebenen Direktwirkungen auf die molekularen Strukturen kommen letztlich dem Leben der Zellen zugute.
Das wird verständlich, wenn wir nochmals einen Blick auf
unser Bild 1 werfen. Wir sehen: Das Leben der Zellen ist von
der Aufrechterhaltung einer ausreichenden Flüssigkeitsströmung in den Gefäßen und einer genügenden Durchgängigkeit der zwischen Gefäß und Zelle eingeschalteten bindegewebigen, paraplasmatischen Transitstrecke (HAUSS [8]) abhängig. Flüssigkeitsströmung im Lymphgefäßanteil des Gefäßsystems und die Durchgängigkeit durch die paraplasmatische
Transitstrecke sind mittels manueller Druck- und Bewegungsvorgänge direkt beeinflußbar. Infolgedessen vermögen solche
Vorgänge dann indirekt die Lebensvorgänge in den Zellen
zu verändern.
Auch im Bereich des von unserem Thema angesprochenen
varicösen Syndroms wirken manuelle Druck- und Bewegungsvorgänge in der gleichen Art. Da durch solche Manipulationen aber auch eine Emboliegefährdung grundsätzlich möglich ist, erhält die Frage der Indikation und der Zweckmäßigkeit von Massagen bei dieser Erkrankungsart eine besondere
Note. Besondere Überlegungen und Vorsichtsmaßnahmen sind
erforderlich.
Lymphdminage- und Molekularmassage
bei Krampfadern und Beingeschwüren
Nach der besonderen Sachlage sind folgende Überlegungen
erforderlich:
1. Ist die empirisch ermittelte Heilerfolgschance so groß, daß
die Behandlung trotz einer gewissen Emboliesorge lohnt?
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
239
2. Sind die pathophysiologischen Erkenntnisse hinsichtlich der
Leidensentstehung und des Heilablaufes bei Massage hinreichend günstig, um eine solche Behandlungsmethode zu
begründen?
3. Lassen diese theoretischen Erwägungen und die praktischen
Erfahrungen die Möglichkeit einer artefiziellen Embolie
sicher genug ausschließen?
Die Erfolgschancen
Zwei Beispiele für viele.
1. F a l l : E. C, 66 Jahre alte Patientin. Seit 18 Jahren „offenes
Bein". Nach 10 Lymphdrainagemassagen so verheilt, wie es
im Bild 4 sichtbar ist.
Bild 4
Nach zehnmaliger Lymphdrainage verheiltes ulcus cruris
(Die weiße Verfärbung
entspricht der Größe des abgeheilten Geschwürs)
2. F a l l : G. R., 67 Jahre alter Patient. Vor 25 Jahren Röntgenbestrahlung des Unterschenkels wegen Psoriasis. Atrophie der
ganzen Haut. Zur Zeit zwei scharf ausgestanzte Ulcera vor
dem Schienbein. Mittels 18 Lymphdrainagemassagen Abheilung. Bildung einer Haut, die lebensfrischer und widerstandsfähiger ist als die der Umgebung. (Vgl. Bild 5.)
t
Bild 5
Abgeheiltes ulcus cruris in röntgenstrahlengeschadigter Haut
Zusammenfassende Übersicht über die Erfolgschancen
Wenn die Behandlung intensiv, lange genug und richtig
durchgeführt wird, heilen alle Beingeschwüre gut, widerstandsfähig, schmerzlos und dauerhaft ab. Darüber hinaus
wird der gesamte Symptomenkomplex des varikösen Beines
stets günstig beeinflußt. Gewebs-, Venenwand- und Thrombenverhärtungen schwinden, Ekzeme und akute Thrombophlebitiden klingen ab. Frische oberflächliche Thromben —
bei der Behandlung wird der frische Thrombus selbst und
seine nähere Umgebung sorgfaltig ausgespart - werden
schon nach der ersten Massage dünner, kleiner und fester
Die Emboliegefährdung schwindet zusehends (ASDONK [6]).
Pathophysiologische Lymphstaufolgen im Krampfaderbereich
Der Anteil der Venenveränderungen und deren Folgen in der
Leidensentwicklung des Krampfaderbeines ist hier bereits
von anderer Seite erörtert worden (HAID [15]). Auch auf die
240
Physik. Med. u Rehab / 8 Jahrg
Monographie von KRIEG (16) und auf die Arbeiten von
TRONNER (17), AICH1NGER, GISS und VOGEL (23) u. a. sei
verwiesen.
Hier soll speziell über Lymphstau und Bindegewebsänderungen als Faktorengruppe in der Krampfaderpathogenese berichtet werden, weil die günstige Wirkung der Lymphdrainage- und Molekularmassage nach Dr. VODDER über die
Beeinflussung dieser Faktoren im Krankheitsgeschehen zu erklären ist. Zunächst in diesem Sinne ein Bericht über Lymphstau und Lymphstaufolgen am Krampfaderbein an Hand des
ersten Schemas (vgl. auch ASDONK [6])!
In den Rubriken von I. bis V. wird der Fortgang des Leidens
in der jeweiligen Verschlimmerungsphase übersichtlich aufgezeichnet.
Wir lesen aus der I. Rubrik folgendes ab:
Der erhöhte Filtrationsdruck im Krampfaderbereich führt zu
flüchtigen und durch Lymphabfluß mehr oder weniger gut
kompensierten Ödemen. Dabei werden die perivasculären
neuralen Apparate und bindegewebigen Reaktionszellen,
voran die Mastzellen, verändert. D i e R e i z s c h a d e n s sc hwe 11 e sinkt.
Die Folgen sehen wir in der II. Rubrik.
Alltagsschäden, wie Druck, Zerrung, Kälte, Stauung, bakterielle Einflüsse u. a. m., führen zur Erregung der vermehrt reizbaren neuralen Elemente und bewirken u. a. Hyperämie und
Permeabilitätsanstieg. Den gleichen Effekt hat im Prinzip die
Freisetzung von Histamin und Heparin aus den vorgestörten
Mastzellen. Dadurch wird das Odem größer und eiweißreicher, zumal gleichzeitig der Lymphabfluß neural schlechter
gesteuert wird. Die Bindegewebszellen des Raumes werden
gereizt; Aufbau und Abbau der extrazellulären Substanzen
werden beschleunigt (JUNGE-HÜLSING [9]).
Der Reiz des angeschoppten Proteins bewirkt eine vermehrte
Fibrillenbiidung. Es entsteht eine Fibröse und Sklerose
(RUSZNYAK, SZABO und FOLD1 [20]). Dadurch beginnt die
Entwicklung des Transitblockes; die Sauerstoffversorgung
leidet Not; Stoffwechselsäuren werden gestaut, es entwickelt
sich eine Acidose; allgemeiner Nährstoffmangel beeinträchtigt das Leben der Zellen (MERKER [21]).
In der III. Rubrik verfolgen wir den weiteren Ablauf. Die
Lysosomen (das sind kleine Granula im Protoplasma, z. B.
der Fibroblasten) stoßen ihre hydrolytischen Fermente aus,
unter anderen auch Hyaluronidasen (MERKER [21]). Diese
zerschlagen die langfädigen, hochpolymeren Mukopolysaccharide, wie Hyaluronsäuren u. a. m., in kleine zuckerähnliche Moleküle. Deren starker Konzentrafionsanstieg zieht
osmotisch Wasser aus den Gefäßen in das Bindegewebe.
Außerdem greift die Hyaluronidase die Grundmembran der
Kapillaren an und vergrößert deren Poren. Verstärkter Einstrom von Blutwasser und vor allem von Profeinen in das
Bindegewebe ist die Folge, zumal sich in den Lymphgefäßen
parallelgehend Verschlüsse durch Fibrinthromben und Dauerspasmen entwickeln (RUSZNYAK, SZABÖ und FÖLDI [20]).
Der Zellschaden nimmt dementsprechend zu. Der Fibrillenaufbau wird zunehmend fehlerhaft gesteuert (DETTMER [22]).
Verstärkte und insuffiziente Sklerose mit allgemeiner Verbreiterung der Transitstrecken folgen nach. Der völlige Transitblock bereitet sich vor.
Wie dann als Katastrophe schließlich Ulceration, Thrombose
und Thrombophlebitis neben Mikrothromben und Blutungen
und Hämatomen entstehen, wird in der IV. und V. Rubrik
beschrieben bzw. angedeutet. Alltagsschäden der beschriebenen Art können nunmehr nämlich mittels der durch Vorschädigung im veränderten Bindegewebe gebildeten Störkontaktflächen den Hagemannfaktor (den Faktor XII der
Blutgerinnung) aktivieren. Dadurch entstehen einerseits Blutgerinnungsvorgänge und initiale Mikrothromben in den
Schematische Darstellung der pathologischen und funktioneilen Veränderungen im Krampfaderbereich
(In den Rubriken von I-V wird die jeweilige Veränderung bei Verschlimmerung des Schadens dargestellt)
1
11
III
V
IV
Alltagsschäden wie II
Ätiologie
Krampfadern
Alltagsschäden:
Druck, Zerrung,
Stauung, Kälte,
Infekte
Hyaluronidase
(Lysosomen)
Chem. physik.
Paihogenese
Erhöhter
Filtrationsdruck
Hyperämie
Permeabiiitätsanstieg
Histamin
Heparin
Osmot. Störung
Störkontaktflächen,
Hagenaufnktoraktivierung
Kapillarmikrothromben
Störung des
Bindegewebes
Initialödem
ödem +
Protein +
ödem + +
Protein + +
Massiver Transitblock und Schmerz
Störung
des Lymphabflusses
Lymphabfluß kompensiert
Initiale
Lymphabflußstörung
Zunehmend gestörter Lymphabfluß
a) Lymphgefäß-Fibrinthromben
b) Lymphgefäß-Spasmen
Strukturänderung
Initiale, Neuraie u.
Mastzellstörung
Störung des Aufbaues u. Abbaues
Sklerose
Zunehmende Zellschädigungen
Zunehmender Fehlbau von Fibrillen und Grundsubstanz
Zunehmende Sklerose
Zunehmende Transitblockierung
Effekt
Senkung der
Reizschadensschwede
Initialer
Transitblock
(Acidose,
O2-, Nähr- und
Wirkstoffmangel
Transitblock mit
Veränderung der
moiefcu/aren
Struktur
Wie IV,
mit Kininbildung:
Hyperämie,
Permeabilitätsanstieg u. Schmerz
Katastrophe mit Nekrose, Ulcus,
Thrombose, Thrombophlebitis.
Blutungsneigung durch Störung der
Gerinnung und Fibrinolyse
(vgl. Sonderschema)
1. Schema
Kapillaren und Venolen des Störgebietes mit möglicherweise
riesiger Vergrößerung der Transitstrecken und andererseits
Kininaktivierungen. Die Kinine, hochaktive Oligopeptide des
Gewebes, lösen Hyperämie, Permeabilitäfsvergrößerung und
S c h m e r z aus. Zusammen mit weiterer Einschränkung des
Lymphabflusses und weiterer Beeinträchtigung des Fibrillenund Grundsubstanzaufbaus und weiterer Sklerosierung
kommt es schließlich zum totalen Transitblock, zur Katastrophe mit schmerzhafter Nekrose und Ulceration.
Weitere Störungen und Komplikationen entstehen dadurch,
daß parallel mit diesen Vorgängen alle Gefäß- und Blutelemente gestört werden und neben den erwähnten Mikrothromben die bekannten Thrombosen und Thrombophlebitiden als Katastrophen einer anderen Art entstehen können.
Viel weniger bekannt ist, daß durch ähnliche andere Störungen der Blutgerinnung und Fibrinolyse eine in den Störräumen schädliche Verbrauchskoagulopathie mit Blutungsneigung und Hämatomen und schlechter Resorption und
schlechter Vernarbung solcher Fehlzustände entstehen.
Das soll an Hand des zweiten Schemas erörtert werden,
während bezüglich Thrombose und Thrombophlebitis auf
HAID (15), KRIEG (16), TRONNIER (17) und andere verwiesen
wird.
Verbrauchskoaguiopathie, Blutungen und Narbenstörungen
im Krampfaderbereich
(Nach EGLI [10], LASCH, HUTH und HEENE [11], HABERMANN [12], MARKWARDT [13], WITTE [14] und ASDONK
[«])•
In den beiden großen Rechtecken am oberen und unteren
Bildrand des zweiten Schemas ist angedeutet, daß durch
Störoberflächen, Transitblock, Störstoffe und gestörte Gefäßelemente vielerlei Schädliches entsteht.
In der linken oberen Ecke wird in diesem Sinne zunächst die
Aktivierung des Blutgerinnungsfaktors XI! (des Hagemannfaktors) demonstriert. Dieser Faktor setzt die Initialimpulse der
Blutgerinnung. Wenn die dabei entstehenden Fibrinstoffe
nicht ausgefällt, sondern mit dem Blute ausgeschwemmt und
in der Leber abgeräumt werden, entwickelt sich gegebenenfalls eine gewisse Verbrauchskoagulopathie mit einer Ver-
minderung der strömenden Fibrinogenmenge und mit einer
Neigung zu Blutungen und Hämatombildungen.
Eine solche Verbrauchskoagulopathie wird dabei häufig
durch eine gleichzeitige Piasminaktivierung gefördert. Wie
im großen Rechteck am unteren Bildrand demonstriert wird,
erfolgt in gestörten Bindegewebs- und Gefäßbezirken oftmals eine solche Aktivierung, indem dort Aktivatoren freigesetzt werden. Wenn diese zu dem an Fibrin und Fibrinogen gebundenen Plasmin hindiffundieren können, erfolgt
durch aktiviertes Plasmin Fibrinolyse. Dadurch wird der
Fibrinmangei und die Verbrauchskoagulopathie gefördert.
Gleichzeitig binden sich Fibrinbruchstücke an noch erhaltenes
Fibrinogen und verhindern dessen Umwandlung in Fibrin.
Auch dadurch wird die Verbrauchskoagulopathie und die
Blutungsneigung gefördert. Schließlich fördert Fibrinolyse
auch direkt die Blutungsneigung, indem sich an blutungsbereiten Gefäßwänden keine abdichtenden Fibringerinnsel
niederschlagen können.
Storoberflädie
Aktivierung
Transitblock
neuraler Reiz
Storstoffe
gestörte Oefpßelemente
Mastzellreizuni
2. Schema
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
241
Weiter blutungsfördemd wirkt der Permeabilitätsanstieg, der
unter dem großen Rechteck an der oberen Bildkante angedeutet wird. Das kommt durch Kininaktivierung, durch Faktor XII, durch Histaminfreisetzung aus den Mastzellen und
durch neurale Reizung von Gefäßnerven zustande. Das letztere kann übrigens auch durch harte Massagen erfolgen.
Wenn dabei durch die mechanischen Krafteinwirkungen darüber hinaus sogar Gefäßelemente gequetscht, gezerrt oder
eingerissen werden, entsteht zusätzlich eine traumatische Blutung. Schließlich fördert der mit der Verbrauchskoagulopathie
parallelgehende Thrombogenmangel die Permeabilität der
Gefäßwand. Wenn dann dazu noch örtlich aus den Mastzellen Heparin freigesetzt wird und dies örtlich das Fibrinogen
blockiert, dann mag das oft der letzte Impuls zur örtlichen
Blutungsauslösung sein.
Solche Hämatome, die häufig in Form vieler kleiner und
kleinster Blutergüsse auftreten, verschlimmern nicht nur den
allgemeinen Transifblock, sie werden darüber hinaus in
solchen Störgebieten schlecht und verzögert resorbiert und
neigen zur Bildung schlechier und insuffizienter Defektnarben.
In der Mitte des Bildes ist die Blutungsneigung und das
Schicksal solcherart entstandener Blutungsübel angedeutet.
Wir sehen: Das Blut solcher Hämatome bleibt entweder
flüssig, oder es bildet sich ein vorläufiges Blutgerinnsel aus
sogenannten Fibrin-Monomeren. Es ist schon lange bekannt,
daß flüssig bleibendes Blut besonders schlecht resorbiert und
besonders schlecht narbig organisiert wird. Das gleiche gilt
für Gerinnsel aus Fibrin-Monomeren, wenn es nicht gelingt,
ein solches vorläufiges Gerinnsel durch den Faktor XIII der
Blutgerinnung, den sogenannten fibrinstabilisierenden Faktor
(abgekürzt auch FSF genannt) in ein normales Fibrinnetz zu
verwandeln. Am oberen Bildrand ist der Faktor XIII (FSF) und
das aktive Mesenchym aufgezeichnet. Es wird im Schema folgendes sichtbar: Wenn FSF durch den Transitblock an der Diffusion behindert wird, kann es sicherlich häufig nur unzureichend die Fibrinmonomeren erreichen. Diese werden nicht
in das regelrechte Fibrinnetz verwandelt. Es erfolgt statt dessen direkte Umwandlung in eine Defektnarbe, und das um so
leichter, weil infolge desselben Transitblockes die Ernährung
und die Proliferation des narbenbildenden Mesenchyms behindert ist.
Schließlich zeigt das Schema auf der rechten Seite wie
andererseits bei günstiger Diffusion des FSF und bei günstiger Proliferation des Mesenchyms und bei günstiger FibrinoIyse das sich bildende regelrechte Fibrinnetz verdaut und
resorbiert und in eine organgerechte Narbe verwandelt wird.
Die Thrombose
Die Thrombose ist als intravasale Gerinnung theoretisch und
praktisch der Gerinnung eines extravasalen Blutergusses
mehr oder weniger gleichzusetzen.
Das physiologische Abwehrziel in beiden Fällen ist gleich. Es
sollen durch Fibrinolyse möglichst große Anteile aufgelöst
und resorbiert werden. Der Rest soll mit Hilfe einer günstigen
Fibrinbildung und Mesenchymreaktion als gut angepaßte
Narbe stabilisiert werden. Insofern gilt das im zweiten
Schema demonstrierte Geschehen so gut für eine günstige
Narbenbildung wie für ein günstiges Thrombenschicksal.
Die Behandlung dieser Zustände mit manuellen Methoden,
die im folgenden beschrieben wird, unterscheidet daher
beides nur noch in Nebenbemerkungen.
Die Wirkung der Lymphdrainage- und Molekularmassage
bei varikösen Syndromen
Wie muß eine günstig wirksame Massage beim Krampfadersyndrom und bei ödematisiertem, sklerosiertem und in mannigfacher Weise verunordnetem Bindegewebe und gestörten
242
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
Blut- und Gefäßelementen mit Mikrothromben, Thromben,
Blutungen und Ulcerationen beschaffen sein?
Aus den beiden Schematis läßt sich ablesen, wie diese Frage
zu beantworten ist:
1. W e i c h e M a s s a g e o h n e a b r u p t e B e w e g u n g e n
Die manuelle Behandlung muß weich sein, und die Druckanwendungen dürfen nicht abrupt erfolgen. Sonst würden
durch die Massage hyperämisierende und ödemfördernde
neuraie Elemente gereizt; sonst würden aus den Mastzellen
Histamin und Heparin mit den beschriebenen schädlichen
Folgen freigesetzt; sonst würden neue Störkontaktflächen für
den Hagemannfaktor geschaffen und die schadensfördernde
Kinin- und Fibrinbildung angeregt, und schließlich würde
durch abrupte Gefäßwandquetschungen und -Zerrungen
einerseits Direktblutungen erzeugt und andererseits ein vergrößerter Einstrom von Aktivaforen zu den Piasminen des
Blutes ermöglicht und über eine gesteigerte Fibrinolyse und
Fibrinogenblockierung die Verbrauchskoagulopathie und die
Blutungsneigung und die Hämatombildung gefördert.
2. L y m p h a b f l u ß f ö r d e r u n g
Ferner soll die Massage die Flüssigkeitsanschoppung im
Bindegewebe durch Verbesserung des Lymphabflusses vermindern und gleichzeitig möglichst viele Staustoffe, insbesondere Proteine und Blutabbaustoffe, über die Lymphe ausschwemmen. Dadurch wird die Diffusionsfähigkeit aller Stoffe
in der bindegewebigen, paraplasmatischen Transitstrecke gefördert und die Bedingungen für das Leben der Zellen verbessert (vgl. Bild 1).
3. O r d n u n g d e r T r a n s i t s t r e c k e
Durch die Art der Massage müssen systematisch Druck- und
Bewegungsvorgänge auf die Moleküle und die Molekül- und
Moleküljonengruppierungen (vgl. Bild 3) des Bindegewebes
der Transitstrecke übertragen werden Dadurch wird, wie anfangs beschrieben ist, die Paraplasmastruktur stabil geordnet.
Wie durch die Lymphabflußförderung soll dadurch ebenfalls
die Diffusionsfähigkeit durch die Transitstrecke und der Stoffwechsel der Zelle verbessert werden. Beim Krampfaderbein
wirkt sich darüber hinaus die Ordnung der Transitstrecke auf
die Verminderung der Sförkontaktflächen für den Hagemannfaktor aus, die pathologischen Kinin- und Fibrinbildungen
hören auf. Auch die Aktivatoren der Fibrinolyse werden in
geordnetem Bindegewebe einerseits nicht mehr überschießend gebildet. Soweit andererseits Aktivatoren vorhanden
sind, gelingt diesen, wie auch dem FSF, in geordnetem Paraplasma besser und schneller die Diffusion in Blutgerinnsel
und dadurch die organgerechte Lyse und Resorption und die
regelrechte Vorbereitung der Granulation. Das gilt in gleicher Weise für extra- und intravasale Gerinnungen. Schließlich bedeutet die verbesserte Transitstrecke eine Verbesserung der Lebensfähigkeit der proliferierenden und granulierenden Mesenchymzellen. Die Narbenbildung wird allgemein
verbessert. Ulcerationen können regelrecht und organgerecht
abheilen, Blutgefäßthromben werden schnell und verhältnismäßig kompakt organisiert. Die Emboliegefährdung schwindet.
Emboliegefcihr bei Lymphdrainage- und Molekularmassage
Daß grobe Massagen beim Krampfaderbein nach wie vor
strikt abgelehnt werden müssen, ergibt sich aus den obigen
Erwägungen von selbst. Ist nun bei der Massagemethode
nach VODDER die Emboliegefährdung möglicherweise nicht
doch so groß, daß man eine solche Behandlung nicht verantworten kann? Beim varikösen Bein besteht immer eine
gewisse Emboliegefährdung. Die Frage muß daher dahingehend präzisiert werden, ob durch die Voddersche Massage
die bestehende Emboliegefährdung erhöht oder vermindert
wird.
Dazu folgendes: Bekanntlich wird nach Operationen Thrombosierung und Emboliegefährdung durch Bewegung bekämpft. Bekanntlich legt man Patienten mit thrombosierten
Krampfaderbeinen heute nicht mehr ins Bett; man macht
zweckmäßige Bandagierungen und läßt den Kranken umhergehen (KRIEG [16]).
Bei Anlegen und Abnahme der Bandagen, beim Waschen
und Abtrocknen solcher Beine und beim Umhergehen ist die
Emboliegefährdung viel größer als bei der weichen Massage
nach Dr. VODDER ohne alle abrupten Bewegungen und
unter Aussparung der Bezirke frischer Thrombosen.
Entsprechend befürworten auch unsere derzeitigen Altmeister
der Massage (KOHLRAUSCH [18], SCHLIEPHACKE und
SMETS [19]) u.a. vorsichtige Massagen beim Krampfaderbein.
Die Erfahrung, unsere wichtigste Lehrmeisterin, hat gezeigt,
daß sich besonders die oberflächlichen Beinthrombosen bei
der Lymphdrainage- und Molekularmassage der Umgebung
nach Dr. VODDER sehnet} verkleinern und vor aliem schnei!
kompakt werden. Die Molekularmassage des Thromboseraumes selbst ist selbstverständlich solange nicht erlaubt, als
der Thrombus noch nicht fest ist. Die oben beschriebenen
pathophysiologischen Erkenntnisse stimmen mit dieser Erfahrung völlig überein.
Trotzdem sollte es eine zwingende Regel sein, daß Krampfaderbeine nach der Methode VODDER nur von besonders
versierten Heilhilfskräften und nur unter der verantwortlichen
Aufsicht eines Arztes behandelt werden dürfen.
Für den übersichtlichen Entwurf und die exakte Zeichnung
des zweiten Schemas bin ich Herrn Dipl.-Ing. Johannes BÖHM
zu besonderem Dank verpflichtet.
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16.
17
Zusammenfassung
Die Wirkungen der Lymphdrainage- und Molekularmassage
nach Dr. VODDER wurden allgemein und speziell für das
Krampfaderbein erörtert und als Direktwirkungen auf
Lymphe und Bindegewebe erklärt. Es wird festgestellt, daß
nach praktischer Erfahrung in Übereinstimmung mit den hierhergehörigen pathophysiologischen Erwägungen die Heilwirkung durchaus günstig und eine Emboliegefährdung bei
sachgerechter Behandlung nicht gegeben ist. Die Notwendigkeit der verantwortlichen Aufsicht eines Arztes bei der Durchführung der Behandlung wird hervorgehoben.
18
19
20
21.
22.
23.
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Anschrift des Verfassers
scheider Straße 82
Dr
med
Johannes ASDONK, 43 Essen, Rütten-
Aus Praxis und Forschung
A u s
d e n F or sc hu n gs l a b o r at o r i en d e r F i r m a
D r .W i l l m a r
S c h w a b e
G . m . b . H . , K ar l sr u h e - D u r I a c h
Phytotherapie peripherer Durchblutungsstörungen
Von H. Peter und P. K l o s s
Unter peripheren Durchblutungsstörungen wollen wir lediglich solche verstehen, deren Ursachen im arteriellen Schenkel
liegen. Sie haben ein relativ einheitliches Symptomenbild,
das sich von dem der Erkrankungen des venösen Stromteiles
deutlich unterscheidet.
Schon der histologische Aufbau der Gefäße weist uns auf
eventuelle Ursachen von Durchblutungsstörungen und auf ihre
mögliche therapeutische Beeinflussung hin: Während in der
Regel die Arterie eine dicke Media aus ringförmiger glatter
Muskulatur aufweist, besitzt die Vene des gleichen Gebietes
nur eine dünne bindegewebige Wand mit vereinzelten eingesprengten glatten Muskelfasern und einigen elastischen Fasern. Es gibt auch anders gebaute Arterien und anders gebaute Venen. Unser Interesse gilt jetzt aber nur der Arterie
des museufären Typs: Die dicke Muscularis ist empfänglich für
körpereigene und körperfremde chemische Substanzen. Sie
können zu einer Reizung der Muskelfasern und damit zu einer
Vasokonstriktion führen. Dies könnte die Ursache für eine
dauernde krankhafte Gefäßenge darstellen.
Auf die gleiche Weise können wir dem glatten Gefäßmuskel
aber auch spasmolytische Stoffe zuführen, die das Gefäß zur
Erweiterung bringen. Diese direkte Beeinflussung des glatten
Gefäßmuskels ist die wichtigste pharmakologisch und therapeutisch mögliche Maßnahme bei Durchblutungsstörungen. Sie
muß konstriktorische Einflüsse ausschalten, bzw. spasmolytische setzen.
Der histologische Bau der Venenwand, die günstigstenfalls
wenige glatte Muskelfasern enthält, zeigt uns an, daß eine
therapeutische Maßnahme an diesem Teil des Gefäßsystems
wesentlich schwieriger anzubringen ist. RICE und Mitarb,
haben inzwischen nachgewiesen, daß es mit geeigneten Mitfein gelingf, auch Venen zur Konfrakfion zu bringen, Jedoch
nur in Bereichen, in denen sowohl glatte Muskelfasern als
auch Klappen vorhanden sind. Sonst muß am Venensystem
Physik Med u Rehab / 8. Jahrg.
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die quergestreifte Körpermuskulatur für den Bluttransport sorgen, indem sie bei Bewegungen das Blut gewissermaßen ausmassiert.
Auf der Suche nach Phytotherapeutika für periphere Durchblutungsstörungen müssen wir also unter Zugrundelegung der
bisherigen Überlegungen Substanzen suchen, die die glatte
Gefäßmuskulatur zur Erschlaffung bringen. Mit solchen Stoffen haben wir uns in letzter Zeit intensiv beschäftigt und sie
vor allem in dem botanisch sehr interessanten Baum Ginkgo
biloba gefunden. Dieser stellt heute den einzigen Vertreter
einer vor 150 Millionen Jahren im Unterperm und Jura weitverbreiteten Pflanzenfamilie mit 17 Genera dar, die viele
Unterarten hatte. Er wird in Ostasien als Tempelbaum verehrt,
wächst aber auch in einigen Parkanlagen und Botanischen
Gärten Europas.
Aus seinen Blättern hat FISEL Fiavonolglykoside isoliert (siehe
auch GEIGER u. BECKMANN), mit denen wir coronare und
periphere Durchströmungszunahmen und eine Inotropie am
Langendorff-Herzen erzeugen konnten (PETER u. Mitarb.). Die
drei Aglyka dieser Glykoside, nämlich Quercetin, Kämpferoi
und Isorhamnefin, haben noch sfärkere derartige Effekte und
zeigen einzeln und in der Mischung eine direkte spasmolytische Wirkung. Diese wiesen wir durch Aufhebung des Bariumchloridspasmus am isolierten Meerschweinchendarm nach.
Wir dürfen also annehmen, daß sie auch direkt die glatte Gefäßmuskulatur beeinflussen.
Trotz der guten gefäßerweiternden Wirkung konnten wir bei
der Katze, beim Kaninchen und bei der Ratte Blutdrucksenkungen damit nicht erzeugen. Am Meerschweinchen entstanden sie erst in Dosen, die die vasodilatatorisch wirksamen um
das über TOOfache übertrafen. Diese Tatsache ist wichtig für
das therapeutische Vorgehen, weil das Absinken des Blutdruckes eine Erschwerung der Strömungsdynamik bedeuten
würde. Die 3 obengenannten Aglyka erzeugen aber eine Verstärkung der Muskelarbeit des Herzens, und dies wirkt sich
für eine bessere Durchblutung günstig aus.
Die Fortsetzung unserer chemischen Arbeiten hat zur Aufdekkung weiterer für den therapeutischen Effekt wichtigen Wirksfoffgruppen aus Ginkgo biloba geführt. So konnten wir das
Vorkommen der Biflavone (BAKER u. Mitarb.) Ginkgetin, Isoginkgetin und Bilobetin bestätigen. Während die eingangs
erwähnten Flavonolaglyka auch in anderen Pflanzen vorkommen, allerdings nicht in der quantitativ günstigen Kombination
wie in Ginkgo biloba, sind die 3 genannten Biflavone spezifisch für diesen Baum.
Sie sind von uns einer eingehenden pharmakologischen Prüfung unterzogen worden. Dabei haben wir festgestellt, daß
auch sie alle direkt am glatten Muskel spasmolytische Eigenschaften besitzen, die eine Erweiterung der Kranz- und peripheren Gefäße bewirken. Die dadurch zu erzielende Erhöhung
der Coronardurchblufung ist therapeutisch ebenso wichtig wie
ihre positiv inotrope Wirkung am Langendorff-Herzen. Beides führt zu einer Verstärkung der Herzarbeit, die also einer
etwa eintretenden Blutdrucksenkung während der Gefäßerweiterung entgegenwirkt.
Als gefäß- und inotropwirksam im bisher geschilderten Sinne
hat sich auch eine von uns aus den grünen Ginkgoblättern
isolierte Säurefraktion herausgestellt. Hier ist bisher Ginkgosäure (KAWAMURA) und Shikimisäure (YAMASHITA u. Mitarb., TATEOKA) nachgewiesen worden; weitere Substanzen
dieser Stoffgruppe sind noch in Arbeit. Erst vor kurzer Zeit
sind von japanischen Forschern (NAKANISH1 u. Mitarb.), und
jetzt auch in unseren Laboratorien aus Ginkgoblättern Ginkgolide isoliert worden, die zu den Terpenen gehören. Andere
darin gefundene Terpene haben gefäßerweiternde und inotrope Eigenschaften.
Außerdem arbeiten wir an einer Stoffgruppe, die zu den Leukoanthocyanen gehört, aus denen bei Behandlung mit heißer
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Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
Salzsäure Delphinidinchlorid (PLONVIER) entsteht. Die Vorstufe, die diesen roten Farbstoff liefert, wird zur Zeit noch
untersucht. Wir wissen aus unserer Crafaegus-Forschung, daß
solchen Leukoanthocyanen, besonders in kondensierter Form,
starke gefäßerweiternde und inotrope Wirkungen zukommen.
Die in den Blättern noch vorkommenden zyklischen Alkohole,
sogenannte Zyklite, nämlich Pinit und Sequoit, könnten im
Stoffwechsel in Form von Phosphorsäureestern eine Rolle spielen. Eigene pharmako/ogische Erfahrungen hierüber fehlen
uns noch.
Insgesamt liegt also in den Ginkgoblättern eine Droge vor,
die durch mehrere Wirkstoffgruppen sowohl den Kreislaufmotor (inotrope Wirkung) stimuliert, als auch für eine Weitstellung der Gefäße sorgt und wahrscheinlich den Gefäßwarrdsfoffwechse/ beeinflußt. Vorteilhaft dabei ist die günstige Kombination der verschiedenen Wirksubstanzen. Einzelne davon kommen auch in anderen Drogen vor, mit Ausnahme der 3 Biflavone Ginkgetin, Isoginkgetin und Bilobetin,
der Ginkgolide und einiger Säuren, z. B. der Ginkgosäure,
die spezifisch für Ginkgo biloba sind. Auch sie haben gefäßerweiternde, und zum Teil auch inotrope Wirkungen. Für die
Glykoside gilt, daß ihre Agjyka stärker wirksam sind, und daß
ihr Effekt mit der Anzahl der OH-Gruppen und dem Methylierungs- oder dem Acetylierungsgrad zusammenhängt. Eigene
Erfahrungen liegen z. B. über Apigenin und Morin mit starken
gefäßdilatierenden Wirkungen vor. Davon ist das erstere besonders interessant, weil es einen Baustein der 3 besprochenen Biflavone darstellt.
Eine direkte Wirkung auf die glatte Muskulatur hat auch
Papaverin, das daher ebenfalls eine Gefäßdilatation erzeugt.
Die davon benötigten Mengen entsprechen etwa denen der
geprüften Flavonole.
Auch weitere in Pflanzen vorkommende Wirkstoffe, die in die
Gruppe der Purinkörper gehören, wie Coffein, Theophyliin
und Theobromin, erzeugen direkt über den glatten Muskel,
vor allem im Gehirn, der Haut und der Niere Gefäßerweiterungen. Beim Coffein gesellt sich hierzu aber eine zentrale
Wirkung, die zu einer Erregung des Vasomotorenzentrums
und daher zur Engstellung anderer als der genannten Arteriengebiete führt.
Auch Nikotinsäurederivate und hydrierte Mutterkornaikaloide
greifen zum Teil direkt am glatten Gefäßmuskel an und führen zur Erweiterung, vor allem verkrampfter Gefäße.
Mit den zuletzt genannten Verbindungen aber sind wir von
den im Effekt einfach zu verstehenden, direkt muskelwirksamen Stoffen schon auf weitere gestoßen, die auch über andere
Organellen der Gefäßwand wirken. Durch die Adventitia der
Arterien zieht in die Media bekanntlich ein dichtes Geflecht
sympathischer und parasympathischer Nerven; und einige
Forscher nehmen an, daß jede einzelne Muskelfibrille ihre
eigenen Nervenfasern erhält. Das ist die Grundlage für eine
weitere Beeinflussung des arteriellen Schenkels über das
vegetative Nervensystem. Diesem Mechanismus kommt mindestens eine ebenso große Bedeutung zu wie dem reinen
muskulären Wirkungsprinzip. Jedoch gestalten sich die Verhältnisse hier wesentlich unübersichtlicher, weil SympathicusReize zur Noradrenalin-Freisetzung und zur Kontraktion der
Gefäße führen können. Dies läßt sich durch Sympathicolytika
verhindern. Der gleiche Effekt wird aber auch durch Choünergika, also parasympathisch angreifende Erregungsstoffe erzielt, die ebenfalls zu einer Gefäßerweiterung führen. So ist
also besonders für die Nikotinsäureabkömmlinge und für die
hydrierten Mutterkornaikaloide neben einer direkten Beeinflussung der glatten Gefäßmuskulatur auch die Wirkung über
das vegetative Nervensystem zu diskutieren. Ebenso verständlich ist es, daß bei solchen Mitteln mit allgemeinen Effekten
auf andere Organe des Körpers gerechnet werden muß, da
sie alle vegetativ gesteuert und damit durch Sympathicolytika
und Cholinergika beeinflußt werden. Bei solchen Präparaten
muß also auch die Beeinträchtigung anderer Organsysteme
neben der gewünschten Gefäßwirkung pharmakologisch studiert werden.
In der geschilderten Weise läßt sich demnach eine Weitstellung der Gefäße durch direkte Beeinflussung des Gefäßmuskels oder über seine innervierenden vegetativen Nerven erreichen. Dadurch wird die Strömungsdynamik verbessert. Dieser Effekt läßt sich durch zentrales Angreifen am Herzen über
eine Verstärkung seiner Arbeit noch erhöhen. So führen z. B.
KRÜGER, REISNER und HARRER die Durchblutungssteigerung
an den Hirngefäßen durch manche Präparate auf ihre inotrope und Coronarwirkung, also auf ihren Herzeffekt zurück.
Der in diesem Sinne wirkende inotrope Effekt der GinkgoFlavonole, der Biflavone und der Säure- und Terpenfraktionen
ist bereits erwähnt worden. Selbstverständlich eignen sich
auch andere inotrop wirkende Pflanzenwirkstoffe zu dieser
Verbesserung der Herzarbeit und Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit des arteriellen Blutes. Hier sei z. B. auf Spartein hingewiesen, mit dem VOGEL in Verdünnungen von
1 X 1 0 3 am isolierten Aortenstreifen des Kaninchens deutliche
Tonussteigerungen nachweisen konnte. Das gleiche beobachtete er mit dem Roßkastaniensaponin Aescin, einem Triterpen,
in einer Verdünnung von 1X10-4. Diese Effekte entsprachen
etwa denen einer Noradrenalinverdünnung von 1 X10 5 .
Unsere bisherigen Überlegungen betrafen lediglich das Gefäßsystem, seine Wand und seine Weite. Es ist selbstverständlich, daß die Strömungsgeschwindigkeit aber auch von der
darin kreisenden Flüssigkeit, also der Viskosität des Blutes abhängig ist. Diese verschlechtert sich bei Durchblutungsstörungen insofern, als bei Anoxie eine Azidose entsteht. Unter dieser kommt es zu einer höheren Klebrigkeit der Thrombozyten,
zu ihrer und zur Agglomeration der Erythrozyten und letztlich
zum Sludge-Phänomen. Außergem erhöht sich die Gerinnungsiendenz des Blutes und seine Viskosität. Dadurch wird
wiederum die Strömungsdynamik verschlechtert, und im circulus vitiosus steigt die Anoxie. Dem trägt die moderne Therapie Rechnung, indem eine Blutverdünnung mit Hilfe von Kochsalz- oder Dextraninfusionen, meist unter Zusatz von Antikoagulantien, vorgenommen wird. Wir haben also alle für die
Gefäßerweiterung etwa eingesetzten Wirkstoffe darauf zu
prüfen, ob sie dem Sludge-Phänomen entgegenwirken oder
etwa eine negative Beeinflussung der Blutgerinnung und Blutviskosität zur Folge haben. \n dieser Richtung haben wir auch
verschiedene Ginkgo-Fraktionen geprüft, und zwar sowohl
am Tier als auch an Gerinnungssystemen in vitro. Ungünstige
Veränderungen haben wir dabei nicht festgestellt, eher bestand vielmehr die Tendenz zur Verlängerung der Gerinnungszeit und zur Erniedrigung der Blutviskosität.
Es ist selbstverständlich, daß alle konservativen Eingriffe am
Gefäßsystem nur noch einen Sinn haben, solange die Arterie
nicht durch Thromben verschlossen oder ihre Wand durch
atheromatöse oder gar Kalkeinlagerungen steif geworden
und erweiternden Einflössen nicht mehr zugänglich ist. Aber
auch dann haben wir noch die Möglichkeit, durch die genannten Medikamente Kollateralen zu eröffnen und dadurch obliterierte Gefäßbezirke zu umgehen. Im Zusammenhang mit
Wandveränderungen sind weitere therapeutische Maßnahmen zu besprechen, die unter die natürlichen Behandlungsverfahren fallen. Das ist z. B. die diätetische Behandlung solcher Erkrankungen, soweit eine fettreiche Ernährung als Ursache für eine Atherosklerose oder für Beschleunigungen der
Blutgerinnung angesehen wird. Diese Fragen sind noch nicht
völlig entschieden, denn kürzlich haben erst BERGHOF u.
GLATZEL eine Untersuchung veröffentlicht, bei der unterschiedliche Gerinnungszeiten des Blutes von Personen, die
einerseits fettreich und kohlenhydratarm und andererseits
fettarm und kohlenhydratreich ernährt wurden, nicht festgestellt worden sind. Dem entsprechen Rattenexperimente
von PFLEIDERER u. Mitarb, die eine Gerinnungszunahme bei
cholesterinreicher Ernährung ebenfalls nicht beobachtet haben. Immerhin ist wohl heute noch die geltende Meinung, daß
man bei Durchblutungs- und Gerinnungsstörungen eine bestimmte fettarme Diät einzuhalten hat. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, daß in Pflanzen vorkommende mehrfach ungesättigte Fettsäuren zu einer Erniederung des Blutcholesterinspiegels führen sollen.
Insgesamt verfügt so die Phytotherapie über eine Reihe von
Wirkstoffen, mit denen wir arterielfe Durchblutungsstörungen
an den verschiedensten Ansatzpunkten angehen können. Wir
haben gesehen, daß krankhaft eng gestellte Gefäße und KolJoferaJen durch pflanzliche Wirkstoffe erweitert werden können, erstens direkt über ihre Ringmuskulatur und zweitens
über die innervierenden sympathischen und parasympathischen Nerven. Ebenso haben wir die Möglichkeit, durch Substanzen, die am Gerinnungssysfem angreifen, eine Verzögerung der Blutgerinnung und eine Erniedrigung der Blutviskosität zu erzielen. So vermögen wir, periphere Durchblutungsstörungen des arteriellen Schenkels allein durch phyfotherapeutische Maßnahmen sinnvoll zu beeinflussen.
Literatur
BAKER W , W D OLLIS et al- Chem Soc. 1963, 1477
BERGHOFF, A „ u. H. GLATZEL: KMn. Wschr. 44, 1149 [1966}
FISEL, J Naturwiss 52, 592 (1965)
GEIGER, H , u S BECKMANN Zeihehr f Naturf 20b, 1139 (1955)
HARRER Van-Swieten-Tagung Wien 1959, zit nach KROGER
KAWAMURA, J : Japan Journ Chem 3, 89 (1928), ref : Chem Zbl 1928, I I ,
2255
KRUGER, W Arzt! Mitteilung (1960) 196
NAKANISHI, K , et a l - I-V Tetrahedron Letters 1967, 299-32«
PETER, H , u Mitarb • Arzneim -Forsch 16, 719 (1966)
PFLEIDERER, Th., B KOMMERELL, H. WAGENER u W. KRAULAND. Ztschr.
ges exp Med 139, 122 (1965)
PLONVIER, V Comp Rend 234, 362 (1952)
RICE, A J , C R LEESON v 3 P LONG J. Pharmacol exp Therap. 154,
539 (1966)
REISNER, H : Konqr, Gesamtverb dtsch Nervenärzte 1959, zit. nach KROGER
TATEOKA, T N Bot Mag Tokyo 76, 391 (1963)
VOGEL, G : Pers Mitteilung
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24'
Histologie und Embryologie in Graz. 1945 mußte er aus dem
Lehramt ausscheiden. Da kein geeigneter Lehrstuhl frei war,
wurde er 1949 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. 1958
erreichte ihn die Berufung an die Medizinische Fakultät der
Universität Wien und die Ernennung zum Vorstand des
dortigen Histologisch-Embryologischen Institutes.
PISCHINGER blieb auch während der Zeit seiner unfreiwilligen Abwesenheit von der Universität trotz materieller
Schwierigkeiten seiner wissenschaftlichen Berufung treu.
Gerade aus dieser Zeit stammt, in erster Linie durch den
Kontakt mit der praktischen Medizin und durch die Beobachtungen am Krankenbett induziert, eine neue Arbeitsrichtung, die auch heute noch das Leitmotiv seines Schaffens
darstellt. Der Grundgedanke dieses neuen Konzeptes ist folgender: Die Bindegewebszelle, als primitivste und vielseitigste Zelle des tierischen Organismus, wird in den Vordergrund der funktioneilen Befrachtungen gerückt. Sie ist für das
Aus dem Verbandsleben
Verleihung der Hufeland-Medaille 1967
\\
Eine der angenehmsten Aufgaben, die der Vorsitzende des
Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren im Herbst
jeden Jahres zu vollbringen hat, ist die Verleihung der Hufeland-Medaille an bewährte Ärzte und Forseber, die sich um
das große Gebiet der naturgemäßen Heilweisen besonders
verdient gemacht haben. Seit dem Jahre 1955 wird diese
Medaille regelmäßig verliehen, die bisher folgende Ärzte
und Wissenschaftler erhielten:
Dr. med. h. c. Ragnor BERG
Prof. Bernhard N1SSLE
Prof. ASCHNER
Dr. BUCHINGER sen
Dr. MALTEN
Prof. GRÄFF
Prof. KOLLATH
Prof. Walter SCHWARZ
Dr. med. Ferdinand HUNEKE
Dr. med. habil. Otto STEINER
Prof. BRAUCHLE
Prof. Werner ZABEL
Prof. Heinrich LAMPERT
Prof. Wolfgang KOHLRAUSCH
Das Kuratorium dieser Stiftung hat beschlossen, als Träger
dieser Auszeichnung für das Jahr 1967 Herrn Prof. Alfred
PISCHINGER und Herrn Prof. Hanns FLEISCHHACKER, beide
aus Wien, zu wählen.
Prof. Alfred PISCHINGER wurde am 15. Juli 1899 in Linz an
der Donau geboren, wo er im Jahre 1917 sein Abitur bestand. Im letzten Jahr des ersten Weltkrieges mußte er
seiner Militärpflicht genügen. Nach Beendigung des Krieges
begann er sein Studium an der Medizinischen Fakultät in
Graz, wo er 1923 sein Staatsexamen bestand. Schon während
seines Studiums war er Demonstrator am Institut für Histologie und Embryologie in Graz. Er wurde dann sofort Assistent am dortigen Institut, habilitierte sich 1927 und wurde
sehr früh, 1933, zum a. o. Professor ernannt. 1937 erfolgte die
Berufung und Ernennung zum Vorstand des Instituts für
Rhiuma-Bad
Subakuter Rheumatismus, Eht-' •
Zündungen im
kleinen Becken.
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Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente,
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Sie erfüllen lebenswichtige Funktionen beim Gesunden und tragen bei Krankheiten zu deren Heilung bei.
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Milieu verantwortlich, in dem die differenzierte Organzelle
ihre speziellen Leistungen vollbringen muß. Sie besitzt besondere Regulationsmechanismen, die zur Zeit noch erforscht
werden. Prof. PISCHINGER stellt dieses Regulationssystem
dem nervösen und humoralen Regulationssystem an die
Seife.
Von ganz besonderer Bedeutung und sicherlich auch wegweisend für die Zukunft sind seine Arbeiten über die Abwehreinrichtungen des Organismus beim Krebsgeschehen.
Schon lange war bekannt, daß das retikuloendotheliale
System bei Tumorkranken schwer geschädigt ist, ohne daß
diese Schädigung für das Malignom spezifisch ist. Die Forschungen von PISCHINGER weisen darauf hin, daß man mit
diesem System einen kleinen Teif, sozusagen ein Vorwerk
eines viel breiteren Grundsystems, im Organismus erfassen
kann, daß — summarisch und biologisch ausgedrückt — primär
die Basisfunktion zur Erhaltung des Lebens reguliert und damit der eigentliche Träger der Abwehrleistungen ist. Bei
diesem Grundsystem kommt es nicht nur auf die Zellen an;
es müssen ebenso die Gewebssäfte, die Humores, berücksichtigt werden, die wir bisher kaum fassen konnten und
viel zu wenig beachtet haben. Das Bindegewebe ist kein
leeres Füllgewebe. Wir unterscheiden zwei Hauptformen: ein
Sulfomoor-Bad
Sedativ-Bad
Chronische
Polyarthritls,
alle Gelenkaufbraucherkrankungen.
ö bererreg ba rke'it,
Schlafstörungen,
Spasmophilie.
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faserreiches oder straffes, wie Sehnen, Bänder, auch Knorpel
usw., mit überwiegender Siötzfvnktion und das sogenannte
weiche Bindegewebe, dem der Pathologe in letzter Zeit erhöhte Aufmerksamkeit entgegenbrachte. Es ist der eigentliche
Träger der Entzündung, einer bestimmten Form der Abwehr.
Wir finden dieses zellreiche, weiche Gewebe vor allem in
der Haut, in allen Schleimhäufen, in den serösen Häufen, in
den weichen Hirnhäuten. Es dringt mit den Blutgefäßen und
Nerven in alle Organe, sogar in das Zentralnervensystem
ein. Es findet sich im Knochen, im Knochenmark, in der Zahnpulpa und im Peridentium usw. Im weichen Bindegewebe
nehmen eine besondere Stellung das Milzgewebe und das
retikuloendotheliale System ein, auch das Lymphgewebe
und damit die Magen- und Darmschleimhaut. In diesem weichen Bindegewebe - das konnten die Arbeiten von PISCHINGER mit seinen Assistenten eindeutig beweisen - enden die
vegetativen Nerven. Das heißt mit anderen Worten: das
weiche Bindegewebe ist von autonomen Nerven versorgt, die
keine andere Aufgabe haben können, als nervale Wirkungen
in der Peripherie oder über Reflexbahnen auszulösen. Daraus
isf ersichtlich, daß dieses Gewebe ah ein System mit wesentlichen regulatorischen Leistungen für den Organismus gekennzeichnet ist. Im Körper kreisen ständig Säfte. Sie kommen aus dem Blut in das Bindegewebe und strömen entweder unmittelbar oder über die Lymphorgane und die Milz,
beides Komplexe des retikuloendofhelialen Systems und weichen Bindegewebes, wieder dem Blut zu. Es gibt neben dem
Blutkreislauf auch einen Säftekreislauf. EPPINGER spricht
vom „inneren" Kreislauf und errechnet beim Erwachsenen
eine Fiüssigkeitsmenge von mindestens 15 Liter, die ständig
aus dem Blut über das Bindegewebe wieder zum Blut kreist.
In der oben zitierten Arbeit weist PISCHINGER weiter darauf
hin, daß der Geschwulstkranke in seinen RegulationsAbwehrfunktionen weitgehendst gehemmt ist, daß diese
Blockierung jedoch nicht spezifisch für die Geschwulstkrankheit ist. Es ist nicht ohne weiteres zu entscheiden, ob die
Blockierung schon vor Auftreten des Tumors besteht und eine
der Ursachen der Krankheit ist, oder ob die Blockierung eine
Folge der Tumorwirkungen auf den Organismus ist. Die Ergebnisse der Tierversuche und andere Beobachtungen lassen
vermuten, daß die Abwehrlähmung bei der Geschwulstent-
(früher
Lindau-Bodensee)
stehung mitspielt. Andererseits kann der abwegige Stoffwechsel des Tumors im weiteren Verlauf der Krankheit nicht ohne
Rückwirkung bleiben. Für die Tumorbekämpfung, und ich
glaube, das ist hier von besonderer Bedeutung, ist es nach
den Untersuchungen von Herrn PISCHINGER von entscheidender Bedeutung, daß die Blockierung weder durch die
Tumorentfernung noch durch die heute üblichen Nachbehandlungen gelöst wird. Diese Blockierungen werden durch Überforderungen des Abwehrsystems verursacht, die es in den
Zustand der Erschöpfung bringen. Besonders sind es chronische Entzündungen, die im weichen Bindegewebe ablaufen,
wie auch Herde im Zahn-, Kiefer-, Ohrbereich wie in den
lymphatischen Komplexen, Ebenso wirken sich gestörte Darmfunktionen einschließlich der Dysbakterie aus. Daher ist eine
der wichtigsten Voraussetzungen für die Wiederherstellung
der Funktionstüchtigkeit im Abwehrsystem die Bereinigung
der bestehenden Noxen. Es ist vor allem nötig, die chronischen Entzündungsherde zu beseitigen und die Darmfunktion
zu sanieren. Daß die Geschwulst selbst mit ihrem belastenden Stoffwechsel, wie und wo nur möglich, ausgeschaltet
werden muß, ergibt sich von selbst. Man darf jedoch nicht
übersehen, daß die Operation eine wenngleich unvermeidliche, so doch nicht leichte Allgemeinbelastung für den Patienten ist, deren Folgen zu beheben sind. Die Nachbehandlung ist somit eine wichtige Aufgabe, um die Resistenz des
Körpers gegen Krebszellen zu steigern.
Durch diese Untersuchungen wurde die seit langer Zeit von
der Naturheilkunde immer wieder propagierte Allgemeinbehandlung des an Krebs Erkrankten wissenschaftlich unterbaut. Aber auch viele andere Methoden, die die Naturheilkunde seit Jahrzehnten anwendet und die auf das weiche
Bindegewebe besonders gerichtet sind, finden hierdurch ihre
Berechtigung. Es ist für uns eine besondere Ehre, daß Prof.
PISCHiNGER schon lange mit unserem Verband verbunden
ist. Schon im Jahre 1953 hielt er auf unserem zweiten Kongreß, der damals in Neuenahr durchgeführt wurde, ein
grundlegendes Referat über „Das System des Unspezifischen
und seine Bedeutung im Organismus". Ich verweise außerdem auf die Vorträge, die er und sein Mitarbeiter KELLER
gerade im Kreis der Neyralfherapeufen gehalten haben und
die für diese auch von ganz besonderer Wichtigkeif waren.
w ^
StoHwechsel-Bad
Stoffwechsel Störungen
mit Adipositas,
Allergosen, Stanger-
Eukalpln-Bad
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Erschöpfungszustände,
organische u. neurocirculatorische Durchbivfungsstörvngen.
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Fol. Menth. pip. conc.
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Rad. Valerianae conc.
Flor. Lupuli ää
Flor. Lavandul.
Herb, Veronicae conc.
Herb. Centaur. conc. ää
10,0
20,0
10,0
Referate
S. 1 Eßlöffel auf 1 Tasse Wasser zum Aufguß.
Indikationen: Nerventee (beruhigend, krampflindernd, verdauungsfördernd).
Heilbäder und Kurorte berichten
„Kurverkehr"
Der
heilklimatische
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Freudenstadt
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Jugendverkehrsgarten eingerichtet, in dem 14- bis 16jährige
Kinder v o n Kurgästen r e g e l m ä ß i g Übungsfahrten durchführen können, die v o n einem Polizeibeamten beaufsichtigt werden.
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. wenn's nicht mehr geht, dann
Prostamed
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Inkontinenz, Restharnbildung, Prostatitis
Dr. Gustav Klein, Zeli-Harmersbach
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Die Trinkkuren mit der Thermalquelle II in B a d e n w e i l e r
wurden bisher schon von einem Drittel der Gäste durchgeführt. Nach langjähriger Erprobung hat das Balneologische
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wissenschaftlich anerkannt. Danach hilft die Trinkkur mit der
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Frühstück ab 7 DM werden als „Inklusivpreise" angeboten
Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich-Carl Gräfe (Direktor am Institut für
Ernährung der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu
Berlin): „ E n t w i c k l u n g des F e t t v e r b r a u c h s i m l e t z ten J a h r z e h n t , unter b e s o n d e r e r B e r ü c k s i c h t i g u n g d e r V e r h ä l t n i s s e in d e r DDR." Die Nahrung,
Band 8 (1964), Heft 4, S. 269.
Nach einführenden Bemerkungen wird der effektive Fettkonsum im Volksmaßstab für 4 ausgewählte Länder (USA, Schweden, Schweiz und Dänemark) unter verschiedenen Blickpunkten diskutiert. Dabei war es notwendig, den tatsächlichen
jahresdurchschnittlichen Fettverbrauch ins Verhältnis zu normativ wünschenswerten Vorstellungen unter ernährungsphysiologischen und ernäfirungssozio/ogfschen Gesichfepunfcf zu
steilen. Volksgesundheitliche und ergänzend volkswirtschaftliche Erfordernisse bieten dabei Ausgangsposition bzw.
Zielsetzung. Denn nur ein sinnvolles Gefüge („Harmonie") bei
der Aufnahme von sämtlichen Hauptnährstoffen, das erst nach
Aufnahme entsprechend empfehlenswerter Anteile an Mineralstoffen und Vitaminen Vollwertigkeit der Ernährung gewährleisten kann, hat als erstrebenswert zu gelten.
Danach folgt — wiederum im Anschluß an ernährungsphysiologische und soziologische Beurteilungsstandpunkte — auf
Grund von in der DDR spezifischen Verhältnissen eine Bewertung des Fettüberkonsums sowohl in der DDR als auch in der
Bundesrepublik. Besonders interessant ist dabei die Untergliederung nach Fettarten (Butter, Schmalz, Margarine, ö l ) .
Die danach folgende spezifisch ernährungssoziologische Umfragen-Auswerfung (Zeifraum 1955—60) mit 123 Beruhtätigen
beiderlei Geschlechts aus 5 Großbetrieben in der DDR —
gruppiert nach Arbeitsschweregraden sowie getrennt für Männer und Frauen — weist insbesondere auch die „unsichtbaren"
Fettanteile in unserer Nahrung auf.
Insgesamt gesehen ist die Fettaufnahme in Gramm-PersonTag gegenüber normativ wünschenswerten Vorstellungen um
30 bis 4 0 % bei Männern und um 54 bis 71 % bei Frauen stark
überhöht. Das Verhältnis von „sichtbaren" zu „unsichtbaren"
Fetten liegt dabei zwischen rund 60:40 bis 50:50%.
Beim „sichtbaren" Fett schließlich beträgt auf Grund dieser
Umfragen-Ergebnisse, die sich im Anschluß an typische
Jahreswochen jeweils über ein ganzes Jahr erstrecken, der
Butteranteii in der DDR zwischen 40 und 6 3 % und der
Schmalzkonsum noch immer 17 bis 2 8 % ; auch auf Margarine
entfallen nicht weniger als 17 bis 28%, während die Verwendung von ö l lediglich 1 bis 3 % ausmacht und darum
denkbar geringfügig ist.
Diese Unterteilung läßt zugleich erkennen, daß die Fette animalischer Herkunft erheblich überwiegen, H. HAFERKAMP, Mainz
Das Reservoir für die Vitamin B1-Versorgung
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Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
K. H. Berquet: Sitzschaden und Autositz. Med. Welt 23 (1967)
1420.
Die Aufgabe eines Autositzes soll es sein, die Kraft, die durch
die Haltearbeit verlorengeht, möglichst klein zu halten. Er
muß eine ausreichende Tiefe haben, um die Oberschenkel
voll aufliegen zu lassen und damit eine Gewichtlentlastung
der Füße zu erreichen (ca. 44 cm). Die Sitzbreite sollte 45 cm
betragen. Da die Sitzhöhe entscheidend durch die Maße des
Fahrzeuges bestimmt wird, kann man, um ein volles Aufliegen der Oberschenke! zu gewährleisten, durch Verschiebung des Sitzes nach hinten, verstärkten Sitzneigungswinkel
oder Änderung der Pedalneigung ausgleichen. Der Sitzneigungswinkel sollte jedoch nicht mehr als 10° betragen, da
es sonst zu Überlastungserscheinungen der Wirbelsäule
kommt. Aus dem gleichen Grunde darf die Lehnenneigung
nicht stärker als 20° sein. Die Lehnenform eines Autos sollte
jede Extremstellung vermeiden und die Wirbelsäule nicht in
eine ideal gedachte Form pressen. Durch eine leichte Schalenform könnte ein seitliches Verrutschen verhindert werden.
Die Polsterung des Sitzes muß auf den Fahrzeugtyp abgestimmt und je nach Belastung unterschiedlich gefedert sein.
G. HAFERKAMP, Nürnberg
Buchbesprechungen
Georg Glogowski: „ L e h r b u c h f ü r M a s s e u r e u n d
m e d i z i n i s c h e B a d e m e i s t e r " . 570 Seiten mit 165 Abbildungen in 332 Einzeldarstellungen. J. F. Lehmanns Verlag,
München. I.Auflage, 1966.
Es ist ein dankbares Unterfangen, ein Lehrbuch für Masseure
und medizinische Bademeister herauszubringen, zumal ein
auf diese Berufsgruppe zugeschnittenes Unterrichtswerk, das
den gesamten Lehrstoff für diese Ausbildung zusammenfaßt,
bisher noch nicht auf dem Markt ist. Im Untertitel ist angeführt „Einjähriger Fachschullehrgang gemäß Ausbildungsund Prüfungsordnung vom 7.12.1960 zum Bundesgesetz vom
21.12.1958", und der Verfasser schreibt im Vorwort, daß er
„über ein Jahrzehnt als Unterrichtsleiter und Lehrer der
Münchner Schule reiche Erfahrungen sammeln" konnte.
Nach einer Abhandlung über die „Anatomie und Physiologie" folgt ein längeres Kapitel über die „Krankheitslehre",
ehe nach einer Einführung in die „Allgemeine Hygiene mit
besonderer Berücksichtigung der Berufshygiene" schließlich
in sehr breiter Ausführung die „Theorie" und die „Praxis der
Massage" besprochen werden, wobei neben der klassischen
Massage auch die speziellen Massageformen (Nervenpunktmassage, Bindegewebsmassage u. a.) eine eingehende Erwähnung finden.
Im weiteren werden (kurz) Grundzüge weiterer physikalischtherapeutischer Maßnahmen (Wärme- und Lichtbehandlung,
Elektrotherapie, Strahlenheilkunde) gebracht. Es folgt dann
wieder ein sehr ausführlich gehaltenes Kapitel über die
Badeheilkunde, in dem auch die Grundlagen und Ausführung
medizinischer Bäder und anderer Badeanwendungen einschließlich der Kneippschen Verfahren besprochen werden.
Nach einer Abhandlung der „Medizinischen Fußpflege"
schließt sich ein Abschnitt „Berufslehre" an, in dem wertvolle
Hinweise für die Praxisausübung einschließlich der (für die
Tropfen, Elixier
hormonfrei
erleichtert
den Schritt
in die Menopause
Bundesrepublik zuständigen) gesetzlichen Bestimmungen gegeben werden. Des weiteren finden sich in dem Buch noch
Abschnitte über „Verbandlehre und Erste Hilfe" und im Anhang noch „Ratschläge zur Nachbehandlung", ferner „Ratschläge zur Behandlung von Krankheitsgruppen mit vegetativer Überlagerung und muskulären Kettenreaktionen". In
einer Zusammenstellung von „Prüfungsfragen" wird noch
eine gedrängte und konzentrierte Zusammenfassung des gesamten Stoffgebietes gebracht. Allein aus dieser Aufstellung
ist ohne weiteres ersichtlich, daß in dem Buch eine Fundgrube von Wissen für den Masseur bzw. medizinischen Bademeister niedergelegt ist. Man kann sich über alle zur Debatte stehenden Fragen eingehend informieren.
Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß das Buch leider
doch auch einige Mängel aufweist.
Es ist zwar sehr verständlich, daß der Verfasser darauf hinweist, daß auch der Masseur einige lateinische Bezeichnungen beherrschen muß, die sich besonders auf anatomische
Namen von Muskeln und Nerven beziehen; es erscheint
jedoch in diesem Zusammenhang unverständlich, daß der
Autor dabei eine veraltete lateinische Nomenklatur verwendet (Jenenser Anatomische Namen), und daß in diesem jetzt
erscheinenden Werk völlig die Tatsache unberücksichtigt
bleibt, daß seit 1955 - also seit mehr als einem Jahrzehnt —
eine neue anatomische Nomenklatur eingeführt wurde (Pariser Anatomische Namen). Wenn es auch immer eine gewisse
Zeit dauert, bis sich im allgemeinen Sprachgebrauch die
neuen Namen eingebürgert haben, so muß man doch jetzt,
nachdem die Pariser anatomischen Namen vor mehr als 12
Jahren amtlich in den medizinischen Sprachschatz eingeführt
wurden, feststellen, daß diese in allen neueren Lehrbüchern
Berücksichtigung finden, zumal die jüngere Ärzteschaft ausschließlich diese Namen seit Jahren lernt und gebraucht. Da
dieses Buch in erster Linie für solche Masseure, die sich noch
in Ausbildung befinden, gedacht ist, wäre es unbedingt angebracht, bei einer Neuauflage des Buches ebenfalls diese
neuen anatomischen Namen zu bringen.
Darüber hinaus ist es sehr bedauerlich, daß gerade auch in
dem ersten anatomischen Kapitel zahlreiche Druckfehler
übersehen worden sind, so daß sich der mit der Materie noch
nicht vertraute Leser auch noch falsche Schreibweisen (dazu
noch nicht mehr gültiger) anatomischer Namen aneignen
könnte. So steht z. B. auf Seite 25 in Abb. 10 „M. semitendiosus" oder auf Seite 14 in Abb. 39 „M. gluteus". Das Wort
„brachialis" ist mehrfach falsch, nämlich „bracchialis" geschrieben (z. B. auf den Seiten 50, 51 und 98). In der Abb. 43
sollte das Wort „Galle" besser durch das Wort „Gallenblase" ersetzt werden, denn bei der „Galle" handelt es sich
bekannt/ich um eine F/üssigkeif, während in der Abbildung
das Organ „Gallenblase" gezeigt wird.
Weitere Druckfehler wirken sinnentstellend. So muß es auf
Seite 163 auf Zeile 33 statt „Hausarzt" richtig heißen „Hautarzt"; oder auf Seite 113, Zeile 7, wird von „Lungenbandscheiben" gesprochen, die es bekanntlich gar nicht gibt.
Leider lassen sich neben einigen rein drucktechnischen Fehlern (so fehlt z.B. auf Seite 167, Zeile 28, vor dem Überschriftswort „Heißluft-Trockensterüisator"
die Abschnitts-
eminon
Julius Rede! • Cesra-Arzneimittelfabrik • Haueneberstein b/ Baden-Baden
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.
249
bezeichnung „2") und sonstigen zahlreichen einfacheren
Druckfehlern (z.B. auf Seife 127, Zeile 8, muß es heißen
„Beugekontraktur", oder Seite 139, Zeile 9, „beträchtlichen",
Seife 128, Zeile 10, „Außenrotation" usw.) vom Verfasser bisweilen gewählte Einteilungsprinzipien feststellen, die zu Irrtümern Anlaß geben können. So stehen z. B. auf der Seite
166 unter der Hauptüberschrift „II. Desinfektion" mehrere
Absätze über Sterilisationsverfahren, wo diese bestimmt nicht
hingehören, denn „Sterilisation" ist etwas ganz anderes als
„Desinfektion" und ist somit diesem letztgenannten Begriff
keineswegs untergeordnet. Ferner gehören z. B. auch die
Haltungsfehler (Seite 120, Abschnitt g) nicht unter den Oberbegriff „Die entzündlichen Erkrankungen der Wirbelsäule"
(Hauptabschnitt „2", Seite 114 f).
Teilweise stimmen auch die Angaben des Inhaltsverzeichnisses nicht mit den Angaben im Text überein. So steht z. B. im
Inhaltsverzeichnis auf der Seite VII unten unter „Krankheitslehre l/A/l/h" nur das Wort „Wirbelsäule" mit dem Hinweis
auf Seite 114. Auf dieser Seite (114) heißt dieser Abschnitt h
aber „Frakturformen der Wirbelsäule".
Merkwürdig erscheint ferner auch die Tatsache, daß die für
den Masseur immerhin nicht unwichtigen Gegenanzeigen
(Kontraindikationen) der Massage auf Seite 183 ohne jeden
Zusammenhang mit den auf dieser Seite besprochenen Ausführungen über die Nervenpunkfmassage erscheinen, so daß
sie im Text mehr oder weniger untergehen. Sie sind so wichtig, daß sie in einer übersichtlicheren Form an einer geeigneten Stelle des Buches für sich besonders hervorgehoben
werden müßten.
Als ein weiterer Mangel muß angesehen werden, daß im
Kapitel über Elektrotherapie der Begriff der „Faradisation"
noch verwendet wird, der nach den heutigen Ansichten völlig
antiquiert ist, zumal nur in den seltensten FäJJen wirklich der
„faradische" Strom noch verwendet wird. Hier müßte besser
von „Reizstromtherapie" gesprochen werden, wie diese
Therapieform in allen einschlägigen Büchern auch bezeichnet
wird.
Weiter fällt auch auf, daß der Verfasser teilweise sicherlich
einseitig informiert ist (oder etwa bestimmte Absichten haben
sollte?), wenn er im Kapitel über „Medizinische Fußpflege"
allein 32mal verschiedene Artikel einer einzigen bestimmten
Firma empfiehlt, wobei es jedoch zahlreiche Hersteller solcher Hilfsmittel gibt. So wirkt z. B. die Seite 400 mehr als
eine Reklameseite für diese Firma als eine objektive Tatsachenschilderung, wie sie in ein solches Buch gehört.
Aus all diesen Gründen erscheint es bei einer Neuauflage
erforderlich, das Buch gründlich zu überarbeiten, wobei vor
allem auch eine bessere Gliederung des Stoffes erfolgen
müßte, da innerhalb zahlreicher Kapitel und Unterkapitel
nicht nur das gebracht wird, was man unter der jeweiligen
Überschrift erwartet.
Die Ausstattung durch den Verlag ist gut, die Abbildungen
sind drucktechnisch einwandfrei, wenn auch einige Abbildungen in den Beschriftungen eine Überarbeitung notwendig
haben (z. B. Abb. 10 links „M. semitendinosus", Abb. 19
rechts „M. brachialis", Abb. 56 links „Peristaltikhemmung").
Wenn es auch in der Erläuterung auf dem Buchumschlag
(ffnke Innenseffe) heißt: „Dieses grundfegende und umfassende Werk enthält die lang erwartete Unterlage für die
Ausbildung der Masseure und medizinischen Bademeister . . .
Es ist dem Verfasser als erfahrenem Lehrer gelungen . . .
Das Buch ist unentbehrlich . . .", so kann man das Buch in
der jetzt vorliegenden Form bei aller Fülle des dargebotenen
Stoffes nur mit einer gewissen Zurückhaltung empfehlen, solange die angegebenen Mängel nicht behoben sind.
SEYFARTH (Rostock)
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Baden-Baden.
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lages. Für innerbetriebliche fotomechanische Vervielfältigung gilt das RahArbeitsgemei nschaft Psychotherapie-Seminare.
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Zahnärzte e. V., Leiter: Dr. Paul Neuhäusser, Gräfelfing bei Mönchen,
Medizinisch-Liferarischer Verlag Dr. Blume & Co., Uelzen,
Akilindastraße 52a.
311 Uelzen, Ringstraße 4.
Arbeitsgemeinschaft für prä- und postoperative Tumortherapie.
Anzeigen: Fritz Täuber, 311 Uelzen, Ringstraße 4.
(Dr. Kahlert - Dr. Albrecht].
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Diese Ausgabe umfaßt 56 Seiten und Umschlag.
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250
Physik. Med. u. Rehab. / 8. Jahrg.