Esberiven - GRÜN Software AG

Physikalisch-diätetische
Therapie
IN KLINIK UND PRAXIS
4. Jahrg., Heft 11, November 1963
Inhaltsverzeichnis:
Esberiven
(ß-Oxypropyltheophyllin + Esberiven)
Buckup
Berufliche Gesundheitsschaden und ihre Verhütung
201
Nitsch Die Behandlung der
Konstitutionsschwachen
und
Diathesen beim Schulkind und
Jugendlichen
205
Muller-Dietz Präventive Medizin in der Sow|etunion
208
Peter:
Zur
Pharmakologie
wichtiger Arzneipflanzen
211
Sauerbrei
Diabetes
im Kindesalter
mellitus
215
Jungwirth
Eine kombinierte
klinische Therapie der A d i positas
219
Kaminski W i e gestaltet sich
das naturliche Verhalten des
Menschen zu seiner N a h r u n g 2 221
Apel Zur Ausweitung der
Milchdiät
Zerebralsklerose
Bericht über die MitgliederVersammlung des Zentralverbandes am 19 Septemberl963
in Freudenstadt
Apoplexie
Stenokardien
Angina pectoris
Neue Bucher
Koronarinsuffizienz
Myokardinfarkt
periphere
Durchblutungsstörungen
üquidum
Dragees Suppositorien
Referate
Erprobte Diatetika
Aus dem Verbandsleben
Stellen besetzungshste
224
226
226
228
233
234
234
Ampullen
Medizinisch-Literarischer Verlag
2000 Hamburg 13 - Isestraße 115
Postfach 8049, Tel. 474434
Uelzen/Han
3324
SALZGITTER-RINGELHEIM
Uelzen
4R7775E
Phys.-diät. Ther.
Bewährte Therapeutika
Cefalymphaf
Lymphatikum (Lymphenergetikum)
CEFAK Chem.-pharm. Fabrik, Dr. Brand & Co. K.G., Kempten/'
Allgäu.
Cefalymphat-Indikation:
Exsudativ-lymphatische Diathese,
Infektanfälligkeit mit Neigung zu Bronchitis, Otitis,
Halslymphknotenschwellung, Ekzem, Appetitlosigkeit.
Cefalyrnphat-Bestandteile: Auszüge aus Flores Calendulae,
Herba Geranii, Herba Rutae sowie Calcium-fluoratum-, Sulfur-, Aethusa-cynapium- und HelianthusDilutionen.
Cefalymphat-Handelsformen:
20 ml Tropfen 2,40 DM o. U. It. A.T.
5Amp. ä l m l 2,85 DM o. U. It. A.T.,
ferner Tropfflaschen mit 30 und 50 mi, Ampullenpackungen mit 10 Stück und Klinikpackungen für
beide Arzneiformen.
Cefalymphat-Normaldosierung: Mehrmals, mindestens dreimal täglich 20 Tropfen, Kinder unter 10 Jahren desgleichen 5 bis 10 Tropfen möglichst perlingual. Ampullen (ä 1 ml) zur im., sc. oder iv. Injektion 2- bis
4mal wöchentlich. Eine entsprechend ausgedehnte
Medikation (über 2 bis 3 Monate hin) ist die Voraussetzung des Erfolges.
Corasium
Corasium C. Khellin
Hefa G.m.b.H., Chem.-pharm. Fabrik, Werne a. d. Lippe
Zusammensetzung: Corasium: Dragees a 33 mg Extr. cordis
iyophil. Corasium C. Khellin.: Dragees ä 33 mg Extr.
cordis Iyophil. und 33 mg Khellin. puriss. „Moormann".
Indikation: Altersherz, arteriosklerotische Myocardschäden,
Myocardfibrose, Coronarsklerose, Coronarinsuffizienz,
stenocardische Beschwerden, Status nach Herzinfarkt,
Herzmuskelschädigungen nach toxischen und infektiösen Zuständen, Herzinsuffizienz bei endocrinen
Störungen (Hyper- und Hypothyreose), Rhythmusstörungen nervöser, postinfektiöser und toxischer Ursache, Überlastung des Herzmuskels sekundärer Natur (Cor pulmonale).
Prophylaktische Therapie mit Corasium kann ungünstige Wirkungen eines labilen Kreislaufes auf die
Herzleistung verhindern.
Pharmakologie: Extr. coris enthält hormonartige Stoffe, die
die Sauerstoffutilisation verbessern und dadurch die
cardiaie Leistung anheben. Die Anwendung von
Extr. cordis ermöglicht außerdem ein besseres Ansprechen des Herzmuskels auf Digitalis u. a. Glykoside. Mit der Erhöhung der coronaren Durchblutung
tritt gleichzeitig ein Rückgang stenokardischer Beschwerden ein.
Sowohl Arrhythmien medikamentöser Ursache als
auch Arrhythmia perpetua und Extrasystolen werden
durch Corasium günstig beeinflußt, myodegenerative
und coronarinsuffiziente Zustände werden durch
Steigerung der cardialen Leistung kompensiert. Bei
schweren chronischen Herzdekompensationen wird
durch die Kombinationsbehandlung mit Extr. cordis
und Digitaloiden eine additive Wirkung der einzelnen Komponenten erzielt.
Das im Corasium C. Khellin enthaltene Khellin.
punss. „Moormann" greift entspannend d'irekt an der
glatten Muskulatur an, ohne unerwünschte Blutdruckschwankungen zu verursachen. Im Tierversuch wurde
eine besonders starke spasmolytische Wirkung auf
HUMOPIN
BAD
die Coronargefäße, die Bronchien, die Gallenwege
und den Urogenitaltrakt festgestellt. Wahrscheinlich
ist die stoffwechselkataiysierende Wirkung des KhelIfns mit ausschlaggebend für die therapeutische
Wirksamkeit als Spasmolytikum.
Dosierung: 2 bis 4 Dragees über den Tag verteilt mit etwas
Flüssigkeit — nicht auf leeren Magen — einnehmen.
Corasium O. P. ä 25 Dragees 4,40 DM o. U.
Corasium O. P. ä 50 Dragees 8,35 DM o. U.
Corasium O. P. d 100 Dragees 14,80 DM o. U.
Corasium C. Khellin. O. P, ä 25 Dragees 6,25 DM
o. U.
Corasium C. Khelün. O. P. ä 50 Dragees 11,90 DM
o. U.
Corasium C. Khellin. O. P. ä 100 Dragees 21,10 DM
o. U.
Eupond
Südmedica GmbH, Chem.-pharmaz. Fabrik, München 25
Zusammensetzung: Radix Cichor. intyb., Ononidis, Petroselini,
FoYia Betulae, Aioe, Cortex Frangulae, Atropin
0,00006, Theobromin. Acid. dehydrocholic, Extr. Ves.
felleae.
Indikationen: Alimentäre Fettsucht, Diureseförderung bei Wasserretention infolge cardialer oder hormonaler Störungen, chronische Obstipation und ihre Folgeerscheinungen.
Wirkungsweise: Die anstrengende berufliche Tätigkeit des
Menschen nimmt in zunehmendem Maße jede Möglichkeit zu ausgleichender Bewegung oder sportlicher
Betätigung. Besonders gefährdet sind die Altersstufen zwischen 40 bis 50 Jahren. Es sind vor allem gesundheitliche Gründe, die eine entsprechende Therapie erfordern. In der bisherigen medikamentösen Behandlung der Adipositas wurden fast ausschließlich
Purgativa, Diuretika und appetithemmende oder
stoffwechselsteigernde Mittel eingesetzt.
Ein neues therapeutisches Prinzip, das in wesentlichen
Punkten vom bisherigen Schema abweicht, vertritt
Eupond. Es werden pathogenetische Faktoren miterfaßt, die nach neuesten Untersuchungen entscheidenden Einfluß auf die Ausbildung der Fettleibigkeit
haben. Die im Eupond vereinigten und sorgfältig
ausgewählten pflanzlichen Wirkstoffe erreichen:
1. Förderung des Stoffwechsels als Voraussetzung für
raschen Abtransport und Verhütung von neuem
Fettansatz: Ersatz der mangelnden Bewegung!
2. Förderung der Wasserausscheidung und Abbau des
überschüssigen Gewebswassers.
3. Beschleunigung der Darmpassage zur Herabsetzung
der Nährstoffaufnähme.
Mit der Erfassung dieser wesentlichen Ursachen der
Adipositas besitzt Eupond einen Wirkungsmechanismus, der unter Verwendung kleinstdosierter Einzelfcomponenfen den physiologischen Verhältnissen
nahekommt.
Eupond kann über lange Zeiträume — ohne Gefahr
einer Gewöhnung — eingenommen werden. Zur
Sicherung einer erfolgreichen Kur und zur — grundsätzlich zweckmäßigen - Kontrolle der Kalorien- und
Flüssigkeitszufuhr ist die Einhaltung einer entsprechenden Diät angezeigt; hierfür steht die ausführliche Eupont-Diätvorschrift zur Verfügung. (Abgabe
auf Anforderung kostenlos.)
Dosierung: Beginnend mit täglich dreimal 1 bis 3 Dragees
Eupond; je nach Gewichtsabnahme allmählich Reduktion der Dosis bis auf 2 Dragees jeden zweiten
Tag abends.
Der geringfügige Gehalt von 0,1 g Zuckerraffinade
SALIZYL-M00R-BAD
Rheuma und chron. Adnexitis
Bt. DM 0,85 o. U.
RICHARD SCHÖNING
erlin-Mariendorf
pro Dragee macht Eupond auch für die Behandlung
des adipösen Diabetikers geeignet.
50 Dragees o. U. lt. A. T. 4,95 DM
250 Dragees
21,00 DM
Anstaltspreis
18,65 DM.
SELECTA - FER B 12
Biologisches Blutregenerations- und Aufbaumittel
„Dreluso", Pharma-Erzeugnisse, Dr. Elten & Sohn, HessischOldendorf
Zusammensetzung: Kräuterauszüge aus Johanniskraut, Chinarinde, Pomeranzen und Galgant, Spurenelemente, die
für die Blutregeneration und -funktion von einschlägiger Bedeutung sind (Eisen, Mangan, Kupfer, Kobalt), Vitamin B 12 und B 9 (Folsäure) die sog. Vitamine der Leber, die im Bluthaushalt eine dominierende Rolle spielen.
Pharmakologie: Organotrope Wirkung auf das Blut und die
blutbildenden Organe, regt die Leberfunktion an,
sediert das Gehirn und reguliert auf diesem Wege
das biologische Zusammenspiel der endokrinen Drüsen. Angenehm im Geschmack, gute Verträglichkeit
und außerordentlich große Indikationsbreite.
Indikationen: Primäre und sekundäre Anämien jeder Genese.
Unterstützendes Mittel bei Erkrankungen des weißen
Blutbildes.
Verzögerte Rekonvaleszenz nach Erkrankungen,
Operationen. Steigerung der körpereigenen Abwehr
bei rezidivierenden Infekten.
Geistige und körperliche Erschöpfung, schnelle Ermüdbarkeit, Appetitlosigkeit, kachechtische Zustände,
verzögertes und zu schnelles Wachstum, nervöse
Reizbarkeit bei Kindern.
Bei physiologisch erhöhtem Bedarf an Vitaminen und
Spurenelementen (Schwangerschaft, Stillzeit, Geriatrie).
Dosierung: dreimal täglich 1 Eßlöffel eine halbe Stunde vor
dem Essen. Bei Kindern unter 10 Jahren dreimal täglich 1 Teelöffel vor dem Essen.
Handelsformen: Originalflasche zu 250 und 500 ccm.
S chleimhautSpezifikum
bei katarrhalischen
Affektionen der
SINFRONTAL
O.P. 150
Venfrinerval
Rhein-Pharma, Arzneimittel GmbH., Heidelberg, Postfach 452
Zusammensetzung: 2,5 mg a, a-Diphenyl-a-propargoxy-essigsäure(ß-dimethylaminoaetnyl)-ester-hydrochlorid, 300
mg Aluminiumglycinat.
Indikation: Reizmagen, Gastropathia neurogenica, Gastralgien. Akute und chronische Gastritis, Gastroduodenitis, Stumpfgastritis, Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni,
Ulcus jejuni pepticum.
O. P. mit 24 Tabletten 3,70 DM o. U., O. P. mit 48 Tabletten 6,55 DM o.U., Klinikpackung mit 500 und 1000
Tabletten.
Vitaloid (Herzhormon-Präp.)
LOMAPHARM, Rudolf Lohmann KG, Hameln
Zusammensetzung: 1 ml enthält: Natr. phenolat 0,470 g, Acid.
form 0,408 g, Neurincitrat 0,480 g, colloidale Kieselsäure 0,0067 g.
Wirkungsweise: Mit diesem Alkaloid ist eine nachhaltige
Tonisierung des Herzmuskels zu erzielen und eine
schmerzstillende Beruhigung bei Neuralgien und
Myalgien, insbesondere bei örtlicher Einspritzung m
schmerzhafte Nervendruckpunkte.
Anwendung: Herzmuskelschwäche, Reizleitungsstörungen, Angina pekt. periph., Aortitis, Aortenaneurysma, Trigeminusneuralgien, Neuritiden, Occipital- und Scheitelneuralgien, Lumbago, Blutwallungen mit Angstzuständen, Kreislaufstörungen.
Dosierung: 2 bis 4 ccm wöchentlich intramuskulär und intraneural, bei Neuritiden und Neuralgien 2 bis 4 ccm
bis zweimal wöchentlich intraneural.
Handelsform:
O. P. zu 1 ccm 5 u. 50 Amp., Pr. 3,65/28,30 DM o. U.
O. P. zu 2 ccm 5 u. 50 Amp., Pr. 5,50/47,55 DM o. U.
t ) Chem -Pharmazeut. Fabrik Göppingen
Carl Müller, Apotheker
Anfragen aus dem Leserkreis
Weitere Antworten zu diesen Anfragen bitten wir der Schriftleitung: Dr. med. Hans H a f e r k a m p , 65 Mainz, AdamKarri/Ion-Sfraße 73, zur Verfügung zu stellen.
Anfrage 11/63
Welche pharmakologisch gesicherten Grundlagen liegen bezüglich der Wirkung des Roßkastanienextraktes (Aesculin)
auf Erkrankungen des Venensystems (speziell der Unterschenkel) vor, wie sie in immer zahlreicher werdenden Präparaten (Venostasin etc.) behauptet werden.
Meine zahlreichen eigenen Fälle lassen erhebliche Zweifel
an der Richtigkeit der Prospektbehauptungen aufkommen.
Prof. Dr. med. G. A. R. in Berlin
Antwort
Roßkastanienextrakte werden in großem Ausmaß in der
Therapie von Venenerkrankungen verwendet. Da die Beschwerden bei den Erkrankungen auch ohne spezifische
Therapie häufig wechseln, ist es in diesen Fällen außerordentlich schwer, die Wirksamkeit eines Mittels zu beurteilen. Die einzige Möglichkeit, ein sicheres Urteil zu gewinnen, wäre die Versuchsanordnung des doppelten Blindversuches; obgleich jeder praktische Arzt eine derartige Prüfung durchführen könnte, ist dies meines Wissens noch nicht
geschehen. Jedenfalls ist bisher eine pharmakologische Wirksamkeit von Roßkastanienextrakten, die über eine Placebowirkung hinausgehen, nicht erwiesen.
Prof. Dr. med. G. KUSCH1NSKY, Mainz,
Leiter des pharmakologischen Institutes der Universität
Anfrage 12/63
65jähriger Mann wurde wegen eines benignen Adenoms vor
1 Jahr prostatektomiert. Operationsverlauf völlig glatt.
Seitdem scheidet er im Urin Unmengen von Schleim und
Uraten aus. Eiweiß, Sediment und Kultur o. B.
Was kann man — abgesehen von erhöhter Flüssigkeitszufuhr
— unternehmen, um Bildung von Uratsteinen zu verhüten?
Dr. med. F. P. in Sussex/England
Antwort
Wenn vor der Operation Uratsteine nicht vorhanden waren,
liegt der Verdacht nahe, daß die Produktion von harnsauren Steinen ursächlich mit der Prostatektomie zusammenhängt. Möglicherweise besteht in der Blase ein Kristallisationspunkt (Ligatur), welcher zu der dauernden Uratsteinbildung führt. Wichtig wäre außerdem zu wissen, ob die Uratsteine nach Koliken abgehen, das heißt von der Niere ausgehen, oder mehr oder weniger schmerzlos abgehen, das
heißt in der Blase ihren Ursprung haben.
Auch Blasenpapillome können zum Ausgangspunkt von immer
wiederkehrenden Uratsteinen werden. Die Voraussetzung
jeder Therapie wäre also eine genaue urologische Durchuntersuchung, vor allem eine Cystoskopie. Erst wenn eine
solche neg. verlaufen ist, kann man eine Allgemeinursache
der Uratsteinbildung annehmen. Bestimmung des Harnsäurespiegels im Blut. Therapeutisch kommt eine purinfreie, das
heißt möglichst vegetabilische, Ernährung in Frage mit Bevorzugung von Zitrusfrüchten, zwei Zitronen täglich als Limonade. Zusätzlich Piperazin, Natrium bicarbonat.
Prof. Dr. med. B. BIBUS, Wien VI
Anfrage 13/63
Welche Therapie schlagen Sie vor bei dem oft sehr quälenden Zungen- und Lippenbrennen, das häufig sowohl auf
lokale Therapie (Myrrhen-Tct., Dynexan-Salbe und VitaminPosten) wie auf innere Behandlung, (Leber-Präparate, Sedativa, Vitamin-Präparate) nicht reagiert?
Dr. med. H. WOELK in Düren/Rhld.
Antwort
Das oft sehr quälende Zungen- und Lippenbrennen, das häufig mit einer Atrophie der Zungenpapillen einhergeht, ist
therapeutisch schwer zu beeinflussen. In manchen Fällen
sahen wir eine wesentliche Linderung der Beschwerden nach
Einnahme von 2 Tabletten Nicobion (Nikotinsäureamid) täglich. In sehr hartnäckigen Fällen haben wir den sensiblen
Zungennerv beiderseits durch eine Injektion von 0,5 ml
Depot-Impietol unterbrochen. Der N. lingualis ist am hinteren
Ende der Sublingualspeicheldrüse an ihrer medialen Seite
unter der Schleimhaut leicht zu erreichen.
Prof. Dr. med. LEICHER, Mainz,
Leiter der HNO-Klinik der Universitär
Apparate und Geräte für die Praxis
Sedigraph
Trotz zahlreicher neuer Methoden zur Untersuchung des Blutes spielt in der täglichen Praxis die Bestimmung der Senkungsgeschwindigkeit der Erythrozyten eine große Rolle. Sie
ist einfach auszuführen und gibt im allgemeinen ein zutreffendes Bild über den Gesundheitszustand des Untersuchten.
Am meisten angewandt wird die Westergren-Methode, die
nur den Nachteil hat, daß hierzu eine ablesende Person ein
bis zwei Stunden benötigt wird und daß eine objektive Aufzeichnung der Werte nicht stattfindet.
Durch den Arzt Dr. Dr. TANNHEIM wurde ein Gerät entwickelt, das kurvenmäßig dsn Ablauf der Senkungsgeschwindigkeit festhält.
Dieses Gerät besteht, wie aus ^
_
der Abbildung ersichtlich ist,
aus einem Belichtungsgeräf
und dem Registriergerät, von
dem bis zu drei an ein Belichtungsgerät angeschlossen werden können. Das Belichtungsgerät ist mit einem Leuchtstoffrohr
ausgestattet,
welches
Strahlen im nahen UV-Bereich
aussendet und das Senkungsröhrchen des Registriergerätes
beleuchtet. Unmittelbar hinter
dem SenkungsrÖhrchen befindet sich eine lichtdichte Wand,
in die ein Schlitz zur Aufnahme
des Senkungsröhrchens eingelassen ist. Hinter dem SenkungsrÖhrchen zentriert ist eine Trommel angeordnet, die
in drei Stunden eine Umdrehung ausführt. Auf diese Trommel ist abnehmbar das lichtempfindliche Registrierpapier angelegt. In dem Maße nun, als sich das Plasma von den roten
Blutkörperchen trennt, wird das Licht durch das Röhrchen
auf das lichtempfindliche Registrierpapier treffen und dieses
chemisch verändern. Als Registrierpapier wird ein dem Ozalidpapier nahestehendes Spezialpapier verwendet, das den
Vorteil hat, keine Naßentwicklung wie beim Chlorsilberpapier zu benötigen. Ohne daß das Papier naß oder auch
nur feucht wird, genügt eine sekundenlange Einwirkung von
Salmiakdämpfen und das Papier ist fertig entwickelt und
fixiert. Ein geschlossenes Enfwicklungsgefäß wird auf Wunsch
mitgeliefert.
Der große Vorteil dieser selbstregistrierenden Methode besteht darin, daß sich niemand um die Ablesung der Senkung
zu kümmern braucht, weil das Gerät die Senkungskurve aufzeichnet und das elektrische Antriebsaggregat sich nach
drei Stunden allein ausschaltet. Der Arzt hat ein Dokument
in Händen, das er der Krankengeschichte beilegen kann.
Schon geringe Änderungen der Blutsenkung lassen sich aus
der Kurve feststellen, wie es durch Ablesung niemafs möglich
wäre. Die erhaltenen Kurvenwerte sind ohne weiteres direkt
mit den Werten der bisherigen Westergren-Senkung vergleichbar, wobei gelegentlich geringe Abweichungen auftreten können, die aber auch vorher schon, z. B. bei Temperaturunterschieden, vorkamen. Kosten einer Senkung ca. 8 Pf.
Endlich kann man aus der
0
fi
c
1 -T,i 2 2& 3
sehr unterschiedlichen Kur\
SO
ST
venform Rückschlüsse auf das
\
Krankheitsgeschehen als sol\
ches ziehen. So zeigen An\
So
Ä
ämien einen sehr gestreckten
Kurvenverlauf. Entzündliche
Prozesse ergeben gebauchte
s
Kurvenformen. Auffallend ist
•Joe
eine Plateaubildung bei beginnender Besserung des
Krankheitsgeschehens
trotz
Hohe Senkung, gestreckte
Niedrigere Senkung als links, Plateaubildung bei beginnennach hoher Senkung (Globuder Besserung (GlobulinrückKurvenform, kein entzündlijedoch gebauchte Kurvenlinrückbildung).
bildung).
cher Prozeß, sondern Anämie, form, Endocarditis, StauungsDie elektrische Schaltung ist
Hbg: 60%.
leber, entzündlicher Prozeß.
so ausgeführt, daß nach Ablauf der Senkung die Signallampe des betreffenden Re0
1
2
^
V
JI
2
J
c % A 1& 2 Sf
t
t
gistriergerätes
aufleuchtet
to \
to
I
1
und damit anzeigt, daß diese
TZ
\
!o
Einheit für die nächste Senll
\T
1
IT
kung frei ist. Sind alle drei
\
So \
So IT
Registriereinheiten abgelau\
\
So
\
\
fen, schaltet sich das Belich\
\
\
tungsgerät automatisch ab.
\
\
\\
\
Das belichtete Registrierpaix
los,
loo
\
\
pier kann nach beliebig lan\
\
s
ger Zeit aus der Trommel
\
>
herausgenommen werden und
s
\
ist dann durch Einhängen in
160
einem geschlossenen Behäl3.X•t%Z26. ttter, dessen Boden mit Salmiakiösung bedeckt ist, in
wenigen Sekunden fixiert.
ct
5
0
1
2
^ i
1
<0
1
2Der Sedigraph besteht aus
\
10 \
1o \
\
einem UV - Kaltlichtstrahler,
\
\
y
\
der das Senkungsröhrchen
>
\
beleuchtet. Unmittelbar hinter
So
So
Se
dem Senkungsröhrchen be\
findet sich ein Metalltubus
mit einem schmalen Belich\
•-—«
tungsschlitz. Im Tubus ist eine
•foa
Trommel angeordnet, die in
3 Stunden eine Umdrehung
ausführt. Auf diese Trommel
wird das Registrierpapier mit
160
•ffic
aufgedrucktem Raster aufge20.%
27.Kspannt. Als lichtempfindliches
Papier wird ein dem OzalidSechs zu verschiedenen Zeiten, während der Behandlungsdauer aufgenommene Sedipapier ähnliches Spezialpagramme, die die fortschreitenden Besserungen des Krankheitszustandes zum Ausdruck
pier verwendet, das den Vorbringen (Polyarthritis rheumatica).
teil hat, keine Naßentwicklung zu benötigen. Wird dieses Papier kurze Zeit belichtet,
bleibt es nach Ausentwicklung in Salmiakdämpfen hell, wäh- zu 3 Registriergeräte gleichzeitig angeschlossen werden. Sobald an einem der Registriergeräte die Senkung abgelaufen
rend die unbelichteten Stellen sich dunkelblau färben.
ist, leuchtet die Signallampe auf und zeigt damit an, daß
Auf dem Registrierpapier zeichnet sich das Fortschreiten der
diese Registriereinheit für die nächste Benutzung frei ist. Sind
Blutsenkung, die Trennung von Plasma und roten Blutkörperalle angeschlossenen Registriergeräte abgelaufen, schaltet
chen, als helle Fläche gegen den dunklen, unbelichteten Teil
sich der UV-Strahler im Belichtungsgerät automatisch aus.
ab. Der Vorschub der Trommel wird durch einen SyndhronIm Belichtungsgerät ist noch der Ausschalter und das VorMotor mit Getriebe bewirkt. Der Schaltkontakt F betätigt zuschaltgerät untergebracht; sowie der Anschluß des Netzsammen mit der Schaltnocke die automatische Abschaltung
kabels für die Schuko-Steckdose. Alle Metallteile sind über
des Strahlers sowie die Anzeigelampe für die beendete Senden Schutzleiter des Netzkabels geerdet.
kung.
Hersteller: Deutsche Nemectron Gesellschaft M.B.H., KarlsAn das Belichtungsgerät können mit den Spezialsteckern bis
ruhe.
ss
— i
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Physikalisch-diätetische Therapie
IN KLINIK UND PRAXIS
Mitteilungsblatt und Organ des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren e.V.
Schriffleitung: A. Cramer - H. Haferkamp — F. Oelze
Wissenschaftlicher Beirat:
rt A n e m u l i e r (Pnen) - K Franke (Bad Lauterberg) - P Fnck (Mainz) - S G r ä f f ( B u r g b e r g / S c h w ) - H - G G u t t n e r (Dresden) - H Harmsen (Harn
bürg) - A Hoff (Bad W ö r i s h o f e n ) - R G Heyer ( N u ß d o r f / I n n ) - M Hochrein (Ludwigshafen/Rh ) - F Huneke (Dusseldorf) - K Kötschau (Bad H a r z b u r g j - H Krauss (Berlin Buch) - W Küstner ( M a g d e b u r g ) - H Lampert (Hoxter) - E M e y e r (Camberg) - H M o m m s e n ( F r a n k f u r f / M ) - W v N a t h u s i u s
( H i r z e n h a m / O b e r h e s s e n ) - P Neuhäuser (München) - F O e l z e ( H a m b u r g ) - G W
Parade ( N e u s t a d t / W e i n s t r a ß e ) - H P
Rusch ( F r a n k f u r t / M ) H S e y f a r t h (Rostock) - H Storck (Endbach) - L Strassburg (Berlin) - E G
Schenck (Starnberg) - R Schmeicher (Karlsruhe) - H Schoeler (Karlsruhe) H T i e g e l ( H a l l b e r g m o o s ) - R V o l l (Plochingen) - H F
Voss (Heidenheim/Brenz) - H W a r n i n g ( F r a n k f u r t / M ) - R F W e i s s (Marstetten A i t r a c h ) F W i t t e n b e c k ( M a n n h e i m ) - G r a f W i t t g e n s t e i n (München) - W Z a b e l (Berchtesgaden)
4. Jahrgang
November 1963
Heft 11
Aus dem Arbeitsmedizinischen Institut des Staatl Gewerbearztes für Westfalen, Bochum, Leiter BGMD Dr med H Buckup
Berufliche Gesundheitsschäden und ihre Verhütung
(unter besonderer Berücksichtigung der Schwerindustrie)
Von Heinrich B u c k u p
Verhüten von Schaden erfordert in ersrer Linie ein Erkennen
der ursachlichen Zusammenhange und damit entsprechende
Kenntnisse Fordert der Arzt das Primat — oder zumindest ein
Mitspracherecht —, wenn es um die Gesundheit des Menschen
geht, so erwachst ihm unter Berücksichtigung der Tatsache,
daß der Arbeitseinfluß heute mehr denn |e, auch über die
reine Arbeitszeit hinaus, in die Lebens- und damit Gesund
heitssphare des Menschen eingreift, daraus die Verpflichtung,
sich weit mehr als bisher mit diesen Zusammenhangen - also
mit der Arbeitsmedizin - zu befassen, es sei denn, daß bei
dieser Prävention immer mehr arztliche Aufgaben Technikern, Psychologen, Soziologen und anderen Arbeitswissen
schaftlern überlassen werden sollen Deshalb ist die Berücksichtigung arbeitsmedizinischer Fragestellungen als Pro
grammpunkt einer Fortbildungsfagung besonders zu be
grüßen
Berufliche Gesundheitsschaden sind stets durch einen Ursachenkomplex bedingt, und zwar von.
spezifisch schädigenden Faktoren, so z B chemischer,
physikalischer oder mechanischer Natur,
personlichen Eigenarten des Beschäftigten und
Besonderheiten der Arbeitsumgebung als Reaktionsmilieu,
denen für die Entstehung einer Schädigung sowie auch
für Art und Umfang derselben eine eventuell ausschlaggebende Bedeutung zukommt
Vielfache und das Vertrauen zur Ärzteschaft nicht selten belastende Mißverstandnisse entstehen durch eine unterschiedliche Bewertung der Begriffe „Beruflicher Gesundheitsschaden
oder Berufsschaden" bzw. „Berufskrankheit" durch Arzt und
Patient Wahrend der Arzt oft nur gewisse Zusammenhange
zwischen einer Erkrankung und der beruflichen Beschäftigung
des Erkrankten zum Ausdruck bringen will, sieht der Patient
darin vielfach die Bestätigung einer sogenannten „entschadigungspflichtigen Berufskrankheit" und damit gewisse Ansprüche an die Unfallversicherung
Entschadigungspflichtige Berufskrankheiten sind aber nur
ganz bestimmte, vom Gesetzgeber in einer Liste der soge-
nannten , Berufskrankheiten-Verordnung' — gültig ist heute
die VI vom 28 4 1961 — aufgeführte Erkrankungen, die in
ihrer Entschädigung den Unfällen gleichgestellt sind U a
besteht für den Arzt die Verpflichtung zur Anzeige derartigei
Erkrankungen sowie entsprechender Verdachtsfalle, und zwar
an den Staatlichen Gewerbearzt oder den Versicherungstrager
Der Kreis dieser sogenannten „anerkannten, entschadigungs
oder anzeigepflichtigen" Berufskrankheiten ist durch die
naturgemäß gegebenen Forderungen hinreichender Kenntnisse über deien ursächliche Zusammenhange mit bestimmten
beruflichen Einflüssen und ausreichender diagnostischer Differenzierungsmoglichkeiten von Erkrankungen anderer Genese begrenzt Mit dei Entwicklung der Arbeitsmedizin, aber
auch der Einfuhrung neuer Arbeitsverfahren und Arbeits
stoffe wurde die Zahl dieser Listenerkrankungen in der Zeit
von 1925 bis heute von 11 auf 47 erweitert
Trotz wiederholter Erweiterungen hat eine solche Liste eine
gewisse Starre und vermag — besonders bei der schnellen
Entwicklung der Chemie - nicht allen, auch eventuell hinreichend sicher als beruflich erkannten Schädigungen gerecht
zu werden Mit dem § 551, Abs 2 des sog Unfallverhutungs
neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30 4 1963*) wurde des
halb eine Möglichkeit geschaffen, auch über die Berufskrankheitenliste hinaus solche Einzelfalle als entschadigungspflich
tig anzuerkennen In |edem Fall einer solchen Anerkennung —
sei es nach der Liste oder nach dem UVNG — muß selbstver
standlich ein wesentlicher, ursächlicher Einfluß beruflicher
Belastungen für die Entstehung oder die Verschlimmerung
eines Krankheitsprozesses ausreichend wahrscheinlich gemacht werden
Dieser Nachweis war bei den unter den früher vielfach
schwerwiegenden toxischen Belastungen mit Quarzsfaub,
Schwermetallen oder Lösemitteln beobachteten typischen und
schweren Krankheitsbildern relativ einfach zu fuhren, zumal
BGBI I 241 bzw Bundesarbertsblatt 14 (1963) 285
201
man damals weniger ausgeprägte Beschwerdezustände, die
heute schon als Erkrankung gelten, meist als selbstverständliche Begleitumstände bestimmter Beschäftigungen hinnahm.
Als ein Erfolg der Arbeitsmedizin und des fortschreitenden Arbeitsschutzes werden diese typischen und schweren Schädigungen heute kaum noch gefunden. Damit sind diese klassischen Berufskrankheiten uncharakteristischer geworden, wie
in der Verordnung immer mehr unspezifischere Krankheiten
Aufnahme fanden, so z. B. berufliche Hautkrankheiten, Gelenk- und Meniskusschäden, Sehnenscheidenentzündungen oder
letztlich das Bronchialasthma. Andererseits wird mit dieser
Entwicklung die ätiologische Abgrenzung derartiger Berufskrankheiten von nicht beruflich bedingten Erkrankungen immer problematischer.
Während die Anzahl der Berufskrankheitenarten laufend größer geworden ist, gebt die Zahl der erkennbar maßgeblich
durch berufliche Einflüsse bedingten oder mitbedingten Krankheitsfälle — gleichzusehen mit „anerkannten Berufskrankheiten" — ständig zurück. So betrug die Zahl der 1961 in der gesamten Bundesrepublik erstmalig entschädigten Berufskrankheiten 6727, wovon allein drei Viertel den Bergbau betrafen.
Allein die krasse Diskrepanz zwischen der Größenordnung
dieser Zahl und der Bedeutung, die man beruflichen Einflüssen - und zwar mit Recht - für vielerlei Krankheitszustände,
u. a. die relativ häufige Frühinvalidität, einräumt, zeigt, daß es
sich bei diesen entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten
nur um einen bestimmten, aber nur recht kleinen Ausschnitt
aus dem großen Bereich der beruflichen Gesundheitsbelasfungen handeln kann.
Mit Recht stellt man deshalb - außer den als anerkannte Berufskrankheiten objektivierbaren beruflichen Gesundheitsschäden - berufliche Einflüsse oder Belastungen aber nur als
e i n e der vielerlei Ursachen der besonderen Häufigkeit der
Kreislauferkrankungen, der Verschleißerkrankungen
der
Atrnungsorgane oder des Rheumatismus als Sammelbegriff
entzündlicher und Verbrauchskrankheiten der Bewegungsorgane heraus. Es wird jedoch nur in den seltensten Fällen
gelingen, aus dem vielfältigen Ursachenkomplex der Veranlagung klimatischer, ernährungsmäßiger, sportlicher und anderer außerberuflicher Einflüsse die berufliche Komponente
in ihrer ursächlichen Wertigkeit hinreichend sicher zu extrapolieren.
Man muß also bei der vergleichenden Betrachtung von Arbeitseinflüssen und Gesundheitsschäden unterscheiden zwischen solchen spezifischer Natur, die zu hinreichend typischen, anerkannten Berufskrankheiten führen können, und
solchen, die als indifferente Arbeitsbelastungen bzw. -belästigungen im Komplex mit anderen Einflüssen und persönlichen
Eigenarten eine überbelastung, einen vorzeitigen Verschleiß
und eventuell Krankheitszustände nach sich ziehen können.
Damit kann man wohl für einen Betrieb, einen Industriezweig
oder die Industrie bzw. die Arbeitsumwelt allgemein bestimmte, anerkannte Berufskrankheiten als besonders häufig
oder typisch herausstellen, darüber hinaus jedoch lediglich
besondere, dem betrachteten Kollektiv eigene, besonders ausgeprägte Arbeitsbelastungen, wenn man sich nicht in Spekulationen und gleichzeitig für das Arzt-Patient-Verhältnis
nicht unbedenkliche, eventuell auch versicherungsrechtlich
präjudizierende Behauptungen versteigen will.
Bei einer Betrachtung von Arbeitsbelastungen und beruflichen Gefährdungen für die „Schwerindustrie" ist letztere
gleichgesetzt mit der Grundstoffgewinnung von Eisen und
Stahl und der ihr angeschlossenen Weiterverarbeitung als
Kernstück industrieller Ballungsräume, wie z. B. das Ruhrgebiet — organisationsmäßig entsprechend der Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie —. Letztere umfaßte
1961 insgesamt 420568 — zu 95 Prozent männliche - Beschäftigte, davon etwa 90 Prozent in Betrieben mit einer Belegschaft von über 1000 und etwa 50 Prozent in solchen von
über 8000 Personen. Betrachtet man eine Aufteilung der etwa
345000 Arbeiter auf die 14 verschiedenen Betriebsarten, so
erscheint es bemerkenswert, daß nur etwa 5 Prozent von
diesen in der eigentlichen Eisenerzeugung, etwa 8 Prozent in
der Stahlherstellung, 18 Prozent in Walzwerken, aber 37 Pro-
202
zent in sogenannten „Hilfs- und Nebenbetrieben" wie Reparaturwerkstätten, Baubetrieben, Verkehrsbetrieben u. a. tätig
sind. Allein die Zahl der innerhalb der Hilfs- und Nebenbetriebe in Verkehrsbetrieben Beschäftigten entspricht mit
etwa 15000 der Zahl der in der Eisenerzeugung Tätigen.
Über das Auftreten der entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten gibt die Statistik der Hütten- und WalzwerksBerufsgenossenschaft als hauptsächlicher Unfallversicherungsträger dieser Schwerindustrie Auskunft, auf die sich auch
später angegebene Zahlen beziehen.
Gemeldet wurden 1961 bei etwa 350 000 Versicherten insgesamt 402 Berufskrankheiten, verglichen mit der Zahl der
Wegeunfälle = 6299 und der Arbeitsunfälle = 60 508 eine
relativ kleine Zahl. Entschädigt wurden davon wiederum nur
72 Berufskrankheiten. 2 von diesen Fällen verliefen tödlich.
An foxischen Gefährdungen spielt zahlenmäßig das Koh/enoxyd die Hauptrolle. So gelten z. B. in einem dieser Großbetriebe etwa 12 Prozent aller dort Beschäftigten als CObelastet bei einem Gasanfall und gleichzeitigem Verbrauch
von etwa 10 Mill. cbm in 24 Stunden, Gemeldet wurden 1961
163 CO-Vergiftungen, davon jedoch nur 11 mit rentenpflichtigen Folgen. Darüber hinaus kommt es jedoch gar nicht so
selten zu kurzfristigen und leichten CO-Vergiftungen, die
lediglich zu kurzdauernden Arbeitsunterbrechungen und einer
O2-Beatmung führen.
Forschungsarbeiten der Montan-Union befassen sich sehr
eingehend mit dieser CO-Belastung, in erster Linie mit der
noch weitgehend ungeklärten Frage der Bedeutung derartiger chronischer Einwirkungen subtoxischer Dosen bzw. der
Wirkungen häufiger Angiftungen ohne stärkere akute Vergiftungszeichen. PORTHEINE fand bei Hochofenarbeitern
etwas höhere CO-Hb-Werte als in Kokereien. NOPPIUS und
Mitarbeiter konnten bei ständig subtoxisch mit CO Belasteten
vermehrt Kopfschmerzen, eine geringe Einschränkung der
körperlichen Belastbarkeit und gewisse Veränderungen im
EKG feststellen, die Gefahr akuter CO-Vergiftungen in Hüttenwerken jedoch als gering bezeichnen, während sie chronische CO-Schäden glaubten praktisch verneinen zu können.
Eine gewisse Rolle spielen in der Schwerindustrie noch die
Silikoseerkrankungen. So liegt die Zahl der 36 im Jahre 1961
als entschädigungspflichtig anerkannten Silikosen über dem
Gesamtdurchschnitt der Unfallversicherung. Dabei dürften
aber diese Silikosen bei einer durchschnittlichen Entwicklungszeit von etwa 20 bis 30 Jahren zu einem wesentlichen Teil
ein Äquivalent heute technisch weitgehend zu beherrschender
Gefährdungssituationen darstellen. Die Zahl der Silikosegefährdeten wird mit etwa 6 Prozent angegeben. Relativ stark
gefährdet sind heute noch Ofenmaurer beim Arbeiten mit
feuerfestem, mehr oder weniger quarzhaltigem Sfeinmaterial.
Auch die Gießereiarbeiter sind zumindest zum Teil noch gefährdet. So gibt z. B. SCHMIDT für 1959 die Zahl der erstmalig entschädigten Silikosefälle pro 1000 Gießereiarbeiter
mit 1,54 an.
Anlaß zu einer eingehenden arbeitsmediziniscben Diskussion
gab in den letzten Jahren die zunehmende Verwendung von
staub- und feinkörnigen Eisenrohstoffen, die wiederum vor
der Verhüttung einen recht umfangreichen Mahl- und Sinterprozeß mit zum Teil beträchtlicher Staubentwicklung erfordern. Besonders die umfangreichen Untersuchungen von
DRÄSCHE wie auch die von KÜHNEN lassen jedoch die hierdurch gegebene Silikosegefährdung - insbesondere bei ausreichendem technischen Schutz gegen die beträchtlichen hier
entstehenden Staubmengen - als ausgesprochen gering bezeichnen.
Als weitere spezifische Staubgefahren, die zwar nur mehr
oder weniger kleine Kollektive beireffen und auch nur vereinzelf, dann aber zu eventuell schweren — als Berufskrankheiten anerkannten - Schädigungen führen, sind noch der
Thomasschlackenstaub, der Staub von Vorprodukten des sogenannten „Sinterhartmetalls" und des „Vanadiumpentoxyds" zu nennen. So kann der bei der Verarbeitung
der aus der Stahlgewinnung nach dem Thomas-Martin-Verfahren stammenden sogenannten „Thomasschlacken" entstehende Staub ebenso wie spätere Manipulationen mit dem
gewonnenen Düngemittel „Thomasmehl" zu hartnäckigen
Bronchitiden führen mit der Gefahr einer auch den modernen Therapeuticis vielfach nicht zugänglichen Pneumonie. Bei
der „Hartmetallunge" wiederum handelt es sich um eine
schwere, eventuell tödlich verlaufende chronische Lungenfibrose in Form einer chronischen interstitiellen Pneumonie.
Sie entsteht durch das Einatmen einer zur Hartmetallherstellung - z. B. des Vidiastahls - verwendeten Legierung von
Wolframkarbid, Titankarbid und Kobalt. Vanadiumverbindungen dienen zunehmend als LegierungsmiHel für hochwertige Stähle. Sie kommen vor im Eisenerz, in der Hochofenschlacke, insbesondere aber in stark wechselnder Menge in
Heizölen und damit in Heizkesseln und deren Abgasen.
Heizasche des Venezuelaöls kann z. B. bis 45 Prozent Vanadium enthalten. Vor allem das Vanadiumpentoxyd führt zu
eventuell schweren Schleimhautreizungen der Augen und
oberen Luftwege, aber auch zu Bronchifiden und gelegentlich
zu Pneumonien. Darüber hinaus kann das im Hochofen verhüttete Material unter bestimmten Umständen etwas Blei
enthalten, das bei den hohen Ofentemperaturen gelegentlich
einmal zu einer Bleierkrankung beim Ofenpersonal führen
kann, wie auch sonstige toxische Schädigungen im vielseitigen Betrieb der Schwerindustrie hin und wieder einmal zur
Beobachtung kommen können.
Damit spiegelt sich auch in der Schwerindustrie die allgemeine Tendenz wider, daß die spezifisch-toxischen Gesundheitsgefahren bzw. die klassischen Berufskrankheiten immer mehr an Bedeutung verlieren.
Von den anerkannten Berufskrankheiten im Sinne von Überlastungsschäden haben die Lärmschwerhörigkeit und die Gelenkschäden durch Erschütterungen beim Arbeiten mit Preßluftgeräten noch eine relativ große Bedeutung. Vielfach, so
insbesondere beim Gußputzen in Gießereien oder bei der
Nachbearbeitung von Walzwerkserzeugnissen, sind beide Arbeitsbelastungen gleichzeitig vorhanden. Eine Lärmbelastung
- eventuell verbunden mit Hitze, auch zum Teil Schwer- und
Staubarbeit — findet sich vor allem in Hammerwerken, Gesenkschmieden und ähnlichen Betrieben.
Darüber hinaus hat jedoch die Schwereisenindustrie heute
noch eine relativ breite Skala indifferenter Belastungen, die
zweifellos für vorzeitige, allgemeine Verbrauchserscheinungen
oder solche besonderer Orgarvsysteme eine mehr oder weniger bedeutende Rolle spielen. Es sind dies vor allem Hitze,
verbunden mit Zugerscheinungen bzw. Witterungseinflüssen,
Reizwirkungen von Stäuben, Rauchen und Gasen und die
heute relativ seltener gewordene Schwerarbeit.
Zwei repräsentative Großbetriebe mit insgesamt etwa 30OCX)
Beschäftigten geben z. B. — als durchaus typisch für die heutige Situation - den Anteil der Lärmbelasteten mit ca. 40%,
der Hitzebeiasteten mit ca. 20-26 %, jedoch der Schwerbzw. Schwerstarbeiter nur noch mit ca. 7 bzw. 6,8% der Belegschaft an. Dabei betrug in einem dieser Betriebe der Anteil der Schwerarbeiter 1949 noch 19,4%. Die Schlußfolgerung ist die zweifellos wesentliche Entlastung von körperlicher Arbeit durch Mechanisierungs- und AutomaVisierungsmaßnahmen. Dafür ergibt sich jedoch vielfach eine Zunahme
anderweitiger Belastungen z. B. durch Lärm oder in Form
nervöser Belastung; im Endeffekt also häufig keine echte
Entlastung, sondern lediglich eine Umlastung.
Als Versuch einer gesundheitlichen Bilanz führte die Wirtschaftsvereinigung in ihren Betrieben 1958 eine Erhebung
über die sogenannte Krankheitsinvalidität, gleichzusetzen mit
Frühinvalidität, gegenüber der normalen Altersinvalidität für
die Jahre 1952-1956 durch. Dabei ergab sich als das Bemerkenswerteste, daß in der Schwerindustrie Krankheiten der
Atmungsorgane mit 19,95%*) etwa 2h häufiger die Ursache
der Frühinvalidität darstellen als im Bundesdurchschnitt - ein
eindringlicher Hinweis für entsprechende Präventivmaßnahmen! Krankheiten der Verdauungsorgane sind ebenfalls mit
6,96% gegenüber 5,18% Bundesdurchschnitt ursächlich etwas
häufiger beteiligt, möglicherweise u. a. durch falsche Trinkgewohnheiten bei Hitzearbeit, die schlermhautreizende Wirkung von Metallstäuben, so auch Eisenstaub, und durch Nachtarbeit bedingt.
*) Diese und spätere Zahlen gelten nur für Männer.
Auch die Unfälle sind mit 10,09% gegenüber 6,90% Bundesdurchschnitt an der Krankheitsinvalidität nicht unbedeutend
beteiligt, während die Kreislauferkrankungen hierbei - hier
wie dort - mit 31,64% zu 32,84% praktisch die gleiche überragende Rolle spielen.
Auffällig erscheint dagegen, daß Erkrankungen der Knochen
und Bewegungsorgane etc. mit 10,70% fast ein Drittel
unter dem Bundesdurchschnitt von 14,13% liegen und damit
innerhalb der Invaliditätsursachen weniger hervortreten, während sie in bestimmten Kollektiven der Schwerindustrie als
Ursache der Arbeitsunfähigkeit eine nicht unbeträchtliche
Rolle spielen.
Wenn insgesamt die Krankheits-lnvaliditätsquote der Schwerindustrie in der Berichtszeit mit ca. 3 5 % der Gesamtinvalidität weit unter der Durchschnittszahl des Bundesgebiets mit
etwa 61 % liegt, dürfen hieraus keinesfalls Schlüsse auf derart überragend günstige Arbeits- und Belastungsbedingungen
gezogen werden. Es dürfte hierin vielmehr in erster Linie die
der Schwerindustrie bisher noch weitgehend mögliche Auslese auch körperlich und gesundheitlich qualifizierter Arbeitskräfte zum Ausdruck kommen. Darüber hinaus dürften jedoch
auch die bei den hier üblichen Betriebsgrößen gegebenen
innerbetrieblichen Austausch- und damit Einsatzmöglichkeiten
gewisser Frühinvaliden wie - nicht zuletzt - betriebseigene
oder betrieblich aktivierte Präventivmaßnahmen und sicherlich auch ein weitentwickeltes Werksarztwesen mit ins Gewicht fallen. So vermag z. B. ein Großbetrieb noch ca. 9,5%
nicht volleinsatzfähige Arbeiter zu beschäftigen.
Die Verhütung beruflicher Gesundheitsschäden - seien es
Berufskrankheiten, Überlastungsschäden oder auch Unfälle ist in erster Linie ein technisches oder organisatorisches Problem, wobei der Arzt lediglich eine — wenn auch maßgebliche und eventuell ausschlaggebende - Hilfestellung geben
kann. So muß man besonders dem gelegentlichen Versuch,
vor notwendigen, aber schwierigen oder kostspieligen technischen Arbeitsschutzmaßnahmen auf ärztliche Überwachungsuntersuchungen oder gar die Verabreichung von Medikamenten oder des angeblichen Schutzstoffes „Milch" auszuweichen,
immer wieder entgegentreten, zumal es heute nur noch wenige nicht oder zumindest nicht weitgehend lösbare Arbeitsschutzprobleme gibt.
So bestehen z. B. gegenüber der Silikosegefährdung heute in
der Schwerindustrie - wie auch der übrigen Industrie — weitgehende technische Schutzmöglichkeiten. Weder beim Sandstrahlen noch beim Schleifen braucht man heute noch den
Quarzsand bzw. Sandstein. Quarzhaitiger Formsand kann
heute relativ staubarm verwendet werden. So kann die sehr
staubige Arbeit des Gußputzers — also die trockene Entfernung von Formsandresfen - durch die Bearbeitung der Gußstücke in einer Hochdruckwaschanlage ersetzt werden, mit
der gleichzeitig die Lärm- und Erschütterungsbelasfung durch
die beim Handputzen verwendeten Preßluftgeräte entfällt. Es
hat z. B. jetzt ein Werk eine solche Waschanlage für 1,6 Mill.
DM gebaut, in erster Linie um für 35 bis 40 Gußputzer die
Arbeitsbedingungen zu verbessern. Bei anderen Schleif- oder
Putzvorgängen kann der entstehende Staub abgesaugt werden. Eventuell muß - z. B. bei Ofenmaurern — ein persönlicher Staubschutz in Form von Frischluftgeräten oder Atemschutzmasken verwendet werden, wobei jedoch die durch
das Tragen eines solchen Geräts nicht unbeträchtliche, zusätzliche Arbeitsbelastung berücksichtigt werden muß.
In gleicher Weise kann der Schutz vor anderen foxischen
Stäuben oder Gasen erfolgen. Auch indifferenter Staub sowie nicht spezifisch-toxische Reizgase müssen und können im
allgemeinen so weit entfernt werden, daß eine Belästigung
vermieden wird.
Größere Schwierigkeiten bereitet die Bekämpfung der Hitzebelastung sowie auch der Zugerscheinungen und eventueller
Witterungseinflüsse. Strahlender Hitze gegenüber haben sich
Schirme aus blankem, reflektierendem Material oder Strahlenschutzschürzen aus einem entsprechenden Plättchenringgeflecht mit einer Reflexion bis zu 9 8 % gut bewährt. Auch
z. B. goldbedampfte Glasscheiben stellen — eventuell verbunden mit einer Klimatisierung — einen guten Hitzeschutz
in Steuerkabinen oder Kranfahrerständen dar. Trotzdem ist
203
die Hitzebelastung vielfach noch recht beträchtlich und erfordert eventuell eine entsprechende Entlastung durch Verkürzung der Arbeitszeiten bzw. größere Arbeitspausen. Forschungsarbeiten der Montan-Union zeigten, daß auch bei
einer körperlichen Entlastung durch Mechanisierung höhere
Effektivtemperaturen zu einer deutlichen Leistungsverschlechterung führen.
Auch die Lärmbekämpfung stößt auf mancherlei technische
Schwierigkeilen. Gewisse Möglichkeiten sind in der räumlichen Isolierung lärmstarker Arbeitsabläufe, Abkapselung,
Dämmaßnahmen, Änderung der Maschinen oder Arbeitsvorgänge u. a. sowie auch in der Einrichtung lärmdichter Aufenthaltskabinen oder -stände gegeben. Nicht selten muß man
von persönlichen Lärmschutzmitteln Gebrauch machern, entweder solchen, die in den Gehörgang eingebracht werden,
oder Schutzmuscheln, die über den Ohren getragen werden.
Dabei beruht die Forderung von Lärmschutzmaßnahmen nicht
nur auf der Gefahr einer Schädigung des Hörorgans, sondern ebenso auf der vegetativen Belastung und der Belästigung durch Lärmeinflüsse.
Zur Verhütung von überlastungsschä'den der ßewegungsorgane müssen vor allem schwere, körperliche Belastungen,
besonders schweres Heben, Tragen oder häufiges Bücken
durch Mechanisierung vermieden oder erleichtert werden.
Besonders wichtig ist dabei eine menschengerechte Gestaltung der Arbeitsplätze oder Maschinen mit weitgehender
Vermeidung von Zwangshaltungen, einseitigen und besonders anstrengenden, statischen Belastungen. Zu letzteren gehört auch das dauernde Stehen, das möglichst weitgehend —
in der Schwerindustrie naturgemäß nur sehr begrenzt möglich — vermieden werden soll, aber auch das ständige Sitzen,,
das ebenfalls — besonders bei den oft unphysiologisch gestalteten Stühlen - als ungeeignete Zwangshaltung zu betrachten ist. Als ein moderner Wissenszweig der Arbeitsmedizin befaßt sich heute die Ergonomie mit der Bestgestalrung von Arbeitsbedingungen nach physiologischen, psychologischen und auch soziologischen Gesichtspunkten.
Zu den organisatorischen Maßnahmen des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit gehören in erster Linie die Gestaltung des Arbeitsablaufs, der Arbeitszeit einschließlich der
Arbeitspausen, der Freizeit und auch des Entlohnungssystems.
In der Schwerindustrie haben wir zumeist einen Zwei-Schichtenbetrieb, für etwa 15% der Belegschaft drei Schichten und
damit die stets unphysiologische Nachtarbeit. Gerade der
Mehrschichtenbetrieb — besonders die Nachtarbeit — läßt
mancherlei arbeitsmedizinische sowie allgemein-ärztliche Forderungen noch unerfüllt.
Für besonders belastende Arbeiten, so z. B. in Hitze, Lärm
oder unter Atemschutzgeräten, müssen unter Umständen Arbeitszeitverkürzungen oder Pausenverlängerungen aus enerqetischen Gründen oder zur Regeneration der belasteten
Organsysteme gefordert werden. Auch muß die Entlohnung
im Akkord oder Prämiensystem auf Arbeiten und Personenk'-eise begrenzt bleiben, bei denen nicht aus anderweitigen
Gründen bereits eine Gefahr der überbeanspruchung gegeben ist. So ist 2. B. die Akkordarbeit für Jugendliche absolut
und1 für Schwangere z. Z. bedingt verboten. Bedenken besiehen besonders bei stärkerer Arbeitsbelastung gegenüber
e'ner Durchführung der 5-Tage-Woche auf Kosten des AchtStunden-Tages, wie auch bei der heutigen durchschnittlichen
Beanspruchung ärztlicherseits im Jahr ein Mindesturlaub von
zweimal 14 Tagen zu fordern ist.
Bei den ärztlichen Verhütungsmaßnahmen sind inner- und
außerbetriebliche - wenn auch eng miteinander verknüpft zu unterscheiden.
Seit Jahrzehnten für speziell - z. B. durch Blei, Quarzstaub
oder Druckluft - gefährdete Personenkreise eingeführte Eignungsuntersuchungen durch sogenannte „öberwachungsärzte"
sollen Ungeeignete von bestimmten Belastungen fernhalten
bzw. krankhafte Reaktionen möglichst rechtzeitig erkennen
lassen, um die Betreffenden aus dem gefährdenden Milieu
^nifernen zu können. Leider ist es vielfach nur durch den Ex->osit'onsversuch möglich, die Reaktionen eines Menschen gegenüber bestimmten Arbeitsnoxen zu erfassen. Auch führen
diese Untersuchungen heute oft nur zu der relativ unbefrie-
204
digenden Konsequenz eines prophylaktischen Arbeits- bzw.
Berufswechsels, ohne primär die viel wichtigere technische
Beseitigung der Schädigungsmöglichkeit zu diskutieren. Derartige Untersuchungen bieten deshalb für den einzelnen nur
begrenzte Schutzmöglichkeiten, wogegen ihre Ergebnisse allgemein gesehen — eventuell wichtige Aussagen über Arbeitsgefahren, die Wirksamkeit bestimmter Arbeitsschutzmaßnahmen und anderes zu geben vermögen. An Uberwachungsärzten sind z. B. in der Industrie Westfalens insgesamt
129 tätig, davon 68 freipraktizierende bzw. Krankenhausärzte.
In der Schwereisenindustrie werden diese Untersuchungen
weifgehend von den hier relativ häufig tätigen Werkdrzten als
eine ihrer Hauptaufgaben wahrgenommen. Die Zahl der
Werksärzte in den Betrieben der Wirtschaftsvereinigung betrug 1960 96, davon 63 haupt- und 33 nebenberufliche. In
Westfalen werden 55% der Beschäftigten der Gewerbegruppe „Eisen- und Stahlindustrie" von 28 haupt- und 9 nebenberuflichen Werksärzten betreut, während im Durchschnitt für
alle Beschäftigten — außer im Bergbau - eine Werksarztversorgung nur zu 12,6°/o, m Großbetrieben zu 30 %, in Miffelund Kleinbetrieben überhaupt nicht besteht. In den Großbetrieben der Schwerindustrie - wie auch in solchen anderer
Wirtschaftszweige — verfügen die Werksärzte meist über Gesundheitshäuser mit entsprechenden diagnostischen Einrichtungen sowie mehr oder weniger ausgedehnten physikalischen Behandlungsabteilungen. An Hilfspersonal stehen diesen Werksärzten über 433 Personen zur Verfügung.
Eine der Aufgaben des Werksarztes ist es, in regelmäßigen
Untersuchungen die Eignung aller Betriebsangehörigen für
ihre Arbeit zu überprüfen und Frühschäden rechtzeitig zu ermitteln. Der zumindest gleich wichtige, wenn nicht wichtigere
Teil der werksärztlichen Tätigkeit dürfte jedoch in der Beobachtung der Arbeitsplätze und der Menschen bei ihrer Arbeit
zur Erkennung von Gesundheitsgefahren oder Fehlbelastungen mit dem Ziel der technischen oder organisatorischen
Verbesserung der Arbeitsbedingungen, in einer ärztlichen
Mitarbeit innerhalb der Betriebsleitung und — nicht zuletzt —
in der Gesundheitserziehung der Beschäftigten, aber auch
der Arbeitgeber zu sehen sein. Dazu muß aber der Platz des
Werksarztes nicht nur in seinem Gesundheitshaus, sondern in
der Betriebsleitung, in der Arbeitsplanung und den Sicherheitsorganisationen neben dem Ingenieur, dem Kaufmann,
dem Arbeitsvorbereiter, eventuell dem Soziologen und Psychologen sein.
Leider sind heute nicht wenige Werksärzte durch den Umfang ihrer Lfnfersuchungsfätigkeit so weit an ihre Untersuchungsräume gefesselt, daß eine Arbeitsplatzbegehung zu
den Seltenheiten ihrer Tätigkeit gehört. Die Schuld für diese
- arbeitsmedizinisch gesehen — völlig falsche Arbeitsrichtung
kann dabei zumeist nicht den Werksärzten gegeben werden,
sondern einmal den ßefrieben, die den Werksarzt mit einer
zu hohen Belegschaftszahl und eventuell zu großen Kollektiven von Überwachungspflichtigen Personenkreisen in seiner
Arbeitskraft überfordern. Zum anderen trifft die Schuld wenn man es als eine solche bezeichnen will — die Öffentlichkeit, die Ärzteschaft, die Universitäten oder den Staat, die
es bisher weder fertiggebracht haben, auch nur ein Minimum
an einer unserer heutigen Industrialisierung entsprechenden
arbeitsmedizinischen Ausbildung des Medizinstudenten zu
gewährleisten, noch eine abgerundete Fachausbildung für
den arbeitsmedizinischen Fachmann zu schaffen. Um so grotesker wirkt es, wenn man sich heute unter dem Aspekt der
EWG-Empfehlungen*) der Schaffung einer arbeitsmedizinischen Ausbildung und Fortbildung, der Einrichtung entsprechender Institute und eines obligaten werksärztlichen Dienstes im wesentlichen um Formalitäten des letzteren streitet,
ohne sich endlich einmal mit der Schaffung der auch in den
EWG-Empfehlungen an den Anfang gestellten Ausbildungsund Wissensgrundlagen zu befassen. Unterdessen gehen aber
bei uns innerhalb der Arbeitswissenschaften und auch der
Betriebe wichtige, dem Arzt zustehende Positionen in die
„Empfehlung der Kommission an die Mitgliedsstaaten betreffend die
betriebsärztlichen Dienste in den Arbeitsstätten". Amtsblatt der EWG. 5
(1962) 2181
Hände von Technikern, Soziologen, Psychologen und anderen
Interessenten über.
Präventivbehandlung von Infekten, einer verlegten Nasenatmung und dergleichen als besonders erfolgreich diskutiert,
wobei jedoch die Erfolgsaussichten der Behandlung oft nicht
Eine unter diesen Aspekten besonders maßgebliche Position
unmaßgeblich von der gleichzeitigen Diskussion und eventukommt bei der Verhütung von Arbeitsschäden dem behanellen Beseitigung der vielfach mitbeteiligten beruflichen Urdelnden Praktiker zu. Er dürfte bei dem Bemühen um eine
sachenfaktoren als eines häufigen Anlasses zum Chronischkausale Therapie als erster in der Lage sein, auch eventuell
werden
dieser und ähnlicher anderer Krankheitsprozesse abin der Arbeitssituation oder -belastung liegende Ursachen zu
erkennen und damit — echt präventiv — ihre Abstellung zu er- hängen.
möglichen. Dazu muß er aber über ein gewisses Fundament
Auch viele der modernen Industriesrtuation noch in keiner
arbeitsmediz'mischen Wissens und bestimmte Einblicke in die
Weise entsprechende Lebensgewohnheifen - insbesondere
arbeitsmedizinischen Betrachtungsweisen verfügen.
der Ernährung und Freizeitgestaltung - bieten dem Arzt vielfältige
Möglichkeiten, den Menschen allmählich seiner techAls erstes breites Aufgabengebiet aus dem Bereich des benisierten Umwelt durch Gesundheitserziehung anzupassen.
trieblichen Gesundheitsschutzes wurden der allgemeinen
Wer anders als der Arzt kann dem Menschen beibringen,
Ärzteschaft zudem die Untersuchungen im Rahmen des Judaß Gesundheit nicht etwas Naturgegebenes — erst recht
gendarbeitsschutzgesetzes übertragen. Bereits hierbei wurden
nicht in einem immer künstlicheren Lebensmilieu — ist, sonden ärztlichen Standesorganisationen die bedenklichen Ausdern nur durch aktive Mitarbeit des Betroffenen, zumindest
bildungsmängel besonders auf arbeitsmedizinischem Gebiet
auf die Dauer, erhalten bleiben kann? Damit aber dürfte es
bewußt und die damit auch standespolitisch verbundenen
der Arzt — unter bestimmten Voraussetzungen — in der Hand
Komplikationsmöglichkeiten. Wenn nun mit dem UVNG eine
haben, die maßgebliche Rolle bei der Prävention der Berufserweiterte Einschaltung der Ärzteschaft in die letztlich auch
in diesen Komplex gehörende Unfallbehandfung erreicht fsf, schäden im weitesten Sinne des Wortes zu übernehmen und
damit nicht zuletzt auch endlich ein echtes Reformstadium
werden diese Mängel erneut in entsprechend verstärktem
der Sozialversicherung einzuleiten.
Maße in Erscheinung treten.
Dabei dürfte gerade den naturheilkundüchen Behandlungsmethoden für den Ausgleich von beruflichen Fehlbelastungen
bzw. ihrer Folgeerscheinungen eine maßgebliche Rolle zukommen. Ich denke da an die gerade bei Jugendlichen —
auch z. B. in sonst bestgestalteten Lehrwerkstätten — zu beobachtenden so bedenklichen Fehl- und Zwangshaltungen
und ihren Ausgleich durch zielstrebige Gymnastik, Sport oder
sonstige aktive Bewegungsbehandlung. Nicht ohne Grund
widmet das BAADERsche Handbuch der Arbeitsmedizin ein
Kapitel von über 50 Seiten dem Thema „Leibesübungen als
Ausgleich und Mittel der Krankheitsvorbeugung im Berufsleben" (WESTPHAL). Abhärtungsbehandlungen bei dauernd
in zentralgeheizten Räumen — auch meist noch ständig sitzend - Beschäftigten wäre zur Diskussion zu stellen. Auch für
die Emphysembronchitis wird die Bedeutung der frühzeitigen
Literatur:
Wirtschaffsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie, Jahresbericht 1961, Düsseldorf, 1962
Hütten- und Walzwerks-Berufsgenossenschaft, Verwaltungsbericht 1961,
Essen, 1962
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Schriftenreihe „Arbeitshygiene und Arbeitsmedizin", Nr. 1, Luxemburg, 1961
PORTHEINE, F.: Lit. 3, 418
NOPPIUS, J., u. Mitarbeiter: Lit. 3, 420
SCHMIDT, K. G.: Moderne Unfallverhütung, Heft5, 19, Essen, 1961
DRÄSCHE, H.: Arch. Gew. path. 16 (1959), 666
KÜHNEN, G.: Moderne Unfallverhütung, Heft 5, 74, Essen, 1960
Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie, Umfang und Ursachen der
Krankheitsinvalidität etc., Düsseldorf, 1958
BAADER, E. W.: Handbuch der gesamten Arbeitsmedizin, München, 1961
WESTPHAL, H.: in Hdb. d. ges. Arb. med., Bd. V, 679
Anschrift des Verfassers: Reg.-Gewerbe-Med.-Direktor
BUCKUP, 463 Bochum, Marienplatz 2-6.
Dr. med. Heinrich
Die Behandlung der Konstitutionsschwächen und Diathesen
beim Schulkind und Jugendlichen*
Von K. N i t s c h
Man kann nicht über die Behandlung von Konstitutionsschwächen sprechen, ohne sich vorher kurz ins Gedächtnis zurückzurufen, was Konstitution heißt.
Obwohl in der Konstitutionsforschung seit langem, von einzelnen Außenseitern abgesehen, Einigkeit darüber herrscht,
daß man in der Konstitution nichts Unwandelbares und Feststehendes erblicken darf, sondern daß sie Produkt aus genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen ist, hat sich in die
Denkweise der meisten Ärzte eine andere Auffassung eingenistet. Immer wieder finden wir nämlich, daß Konstitution
gleichbedeutend mit schicksalhaft, unabänderlich, unwandelbar gebraucht wird. Wir finden in Gutachten Hinweise wie
„äußere Einflüsse dürften bei der Entstehung des Leidens
nicht mitgewirkt haben, es handelt sich um eine rein konstitutionelle Erkrankung".
Diese fehlerhafte Gebrauchsweise des Begriffes „Konstitution"
führt zu fehlerhaften Entschlüssen in unserem ärztlichen Handeln. Sie führt zur Unterbewertung von praemorbiden Zuständen, zur Mißachtung von Warnsymptomen und zum FaGekürzte Wiedergabe eines Vortrages
talismus gegenüber vielerlei Abläufen, bei denen Fatalismus
nicht berechtigt ist.
Wir wollen im Folgenden also unter Konstitution verstehen:
Mit genetisch determinierten und sicher unwandelbaren Fakten verbindet sich zu einem oft nicht mehr der Analyse zugänglichen ganzen Individuum der Einfluß der Umwelt, der
Krankheiten, der Ernährungsweise, der nervösen Belastung,
um nur einzelne solche Einflüsse zu nennen.
Es ist gar nicht schwer, sich von der Richtigkeit einer solchen
Vorstellung zu überzeugen. CURTIUS, der sich unvergängliche Verdienste um die Definition der Konstitutionsbegriffe
erworben hat, führt schöne Bildbeispiele in seinem Buch an,
etwa die Auswirkung einer früh erworbenen schweren Tuberkulose auf die Gesamtentwicklung. Jeder Kinderarzt hat erlebt, wie sich die Gesamtstruktur eines Kindes nach einer
Encephalitis gewandelt hat. Mit einmal sehen wir, daß dieses
Kind nicht nur in seinem Wachstum, in seiner geistigen Entwicklung stagniert, sondern auch, daß es anfällig wird, daß
sein Appetit zurückgeht usw.
Wir sehen wie sich die Reaktibilität gegenüber äußeren Ein205
Wirkungen wesentlich ändert. In solchen Fällen hat sich die
Konstitution unter exogenen Einflüssen gewandelt.
Wenn wir uns über die Behandlung der Konstitutionsschwächen beim Schulkind und Jugendlichen unterhalten wollen,
dann müssen wir uns vorab noch weiter darüber klarwerden, welche ungünstigen Faktoren am Zustandekommen solcher Konstitutionsschwächen mitwirken.
Ich habe früher versucht, den Einfluß der Verstädterung und
der Zivilisation mit dem Begriff der „inaktivitätsbedingten
Hyposthenie des Stadtkindes" zu umreißen. Damit verbinde
ich folgende Vorstellung:
Bereits im Kleinkindesalter fehlt dem Kinde, das im verstädterten Milieu groß wird (Verstädterung gibt es auch
längst in unseren Dorfgemeinden) der nötige Auslauf, die
nötige Aktivität. Ängstlichkeit der Eltern wegen des Straßenverkehrs., ungeeignete Wohnbedingungen mit der Furcht vor
der Kritik des Nachbarn, wenn Kinder Lärm machen, fehlende Spielplätze usw. bedingen schon in dieser frühen Kindheitsphase eine mangelhafte Muskelentwicklung.
Diese mangelhafte Muskelentwicklung führt zur frühen Haltungsschwäche. Es ist irrig, anzunehmen, daß die Schulbänke
an der Haltungsschwäche schuld sind. Es ist auch irrig, anzunehmen, daß man mit korrigierenden Apparaturen eine Haltungsschwäche günstig beeinflussen kann. Eine Haltungsschwäche entsteht immer nur dann, wenn bei geeigneter
genetischer Grundstruktur der Mangel, die Muskulatur zu
üben, zur Schwäche des Band- und Stützapparates führt.
Korrigieren kann man diese Schwäche nur durch Maßnahmen, die zur besseren Entwicklung des Stützapparates führen.
Die Folgen dieser Haltungsschwäche sind nicht kosmetischer
Art, sondern sie geben Anlaß zu tiefen Gefügestörungen in
den mittleren Erwachsenenjahren.
Hier liegt aber kein orthopädisches Problem vor, das mit
orthopädischen Methoden gelöst werden kann. Hier liegt in
erster Linie ein soziales Problem im Sinne der Vorbeugung
vor. Dieses soziale Problem, man kann auch sagen sozialpolitische Problem, denen nahezubringen, die die Möglichkeit
haben, Einfluß zu nehmen, ist eine ärztliche Aufgabe.
Man geht aber auch fehl, wenn man in dieser inaktivitätsbedingten Hyposthenie nur ein Problem der Muskulatur- und
des Stützapparates sieht. Hyposthenisch wird niemals ein
Kind werden, das, vom Erbgut bestimmt, von pyknischem
oder athletischem Körperbau ist.
Es wird aber der Leptosome, der Schlankwüchsige, schwer in
ein Typensystem Einzuordnende, in eine solche Entwicklung
hineintendieren, wenn er in seiner gesamten Lebensstruktur
ungünstigen Bedingungen unterworfen ist. Und dann beschränkt sich die Auswirkung nicht auf Skelett und Muskulatur.
Lassen Sie mich hier ein Wort zur Typenlehre einschalten:
Wir alle sind in unserer Ausbildung mehr oder weniger bemüht gewesen, den Körperbau eines Menschen in eines der
bestehenden Systeme einzuordnen und wir wissen alle, wie
unglücklich wir darüber waren, daß das in der Mehrzahl der
Fälle nicht gelingt. Die Pädiatrie ist eigentlich nie recht
glücklich gewesen, wenn sie den Versuch gemacht hat, Typenlehren in ihre kindlichen Patienten zu transponieren. Ich will
nicht im einzelnen Kritik an den bestehenden Systemen üben.
Sie haben alle, vom Erwachsenen abgeleitet, für das Erwachsenenalter eine gewisse Geltung. Für das Kindesalter versagen aber alle solche Ausgangsbasen vom Körperbau weitgehend. Die Wandelbarkeit der Konstitution zeigt sich hier
und ist durch Fotografien von Kindern in jedem Familienalbum zu entdecken, gerade in bezug auf den Körperbau.
Dabei bleibt unbestritten, daß der t y p i s c h e Pykniker und
Athletiker nicht asthenisch oder hyposthenisch werden kann.
Und die große Zahl von Kindern, die in ihrer körperlichen
Entwicklung Schwankungen unterliegen, ist durch die äußeren
Lebensumstände mehr oder weniger formbar in der Richtung
auf einen Typ hin.
Ich deutete schon an, daß sich die Auswirkungen der Inaktivität keineswegs im Körperbau erschöpfen. Die Rückwirkun-
206
gen auf Herz- und Kreislaufsystem und auf die vegetative
Ansprechbarkeit sind mindestens genauso bedeutend.
Als ich solche Gedankengänge früher einmal vortrug, wurde
mir entgegengehalten, daß am Oberarmumfang Hamburger
Oberschüler ein Nachlassen der Muskelkraft nicht ablesbar
sei. Wir wissen, wie stark die Fettleibigkeit bei Kindern und
Jugendlichen im Zunehmen ist. Mit statistischen Methoden
werden wir eher die Fetteinlagerung im Oberarm erfassen
als die Muskelstärke. Es ist bedauerlich, daß einschlägige
Untersuchungen zur Frage der Muskelentwicklung bei Kindern und Jugendlichen gegenüber früher nicht möglich sind,
weil alte Unterlagen darüber fehlen. Aber die Haltungsschwäche der Schulkinder ist ein Faktum, dessen ungünstige
Entwicklung jeder Leibeserzieher bestätigen kann, der mit
seinem Einfluß auf die körperliche Entwicklung leider viel zu
spät kommt, weil planmäßige Leibeserziehung erst mit dem
3.-4. Schuljahr einsetzt und obendrein als Stiefkind unseres
Schulwesens ein Schattendasein führt.
Diese Einleitung erscheint wichtig, weil die zivilisationsbedingten Verstädterungseinflüsse eine wesentliche Wurzel der
Konstitutionsschwächen sind. Beweise dafür, daß sich auch
Kreislaufregulationsstörungen und vegetative Labilität hierdurch verstärkt entwickeln, sind wiederholt erbracht.
Den ganzen Komplex, nämlich Haltungsschwäche, Kreislaufregulationsstörungen und vegetative Labilität können wir nur
auf eine Weise behandeln: Wir müssen versuchen, den Tages- und Lebensrhythmus dieser Kinder und Jugendlichen
möglichst günstig zu gestalten. Das gelingt nur unter Einbeziehung des Elternhauses und unter Einflußnahme auf die
Mutter.
Zwei weitere Dinge sind noch bedeutsam: Das ist einmal die
Gestaltung der rechten Erholung, Ausnutzung des Wochenendes, Feriengestaltung, Feierabendgestaltung. Verschickungsmaßnahmen haben selbstverständlich in diesem Bereich ihre
Bedeutung, in bezug auf das Jugendarbeitsschutzgesetz steht
ihnen aber zur Zeit ein Hindernis entgegen, das es zu beseitigen gilt: Gute Heime, in denen J u g e n d l i c h e einen
Urlaub im Sinne einer Klimakur verbringen können, gibt es
bisher kaum. Es ist nicht damit getan, einen Jugendlichen
in ein Sanatorium einzuliefern. Vielmehr ist es nötig, ihm
den Tageslauf sinnvoll zu gestalten, ihn anzuregen, das Bestmögliche aus seiner Zeit zu machen. Hier sind neben ärztlichen vor allem erzieherische Momente maßgebend. Hinwendung zu einem Freiluftleben in relativer Ungebundenheit
wird in der Lage sein, günstig auf den Jugendlichen einzuwirken.
Gesundheitserzieherische Förderung im Sinne, daß er das
hier Gelernte und ihm nutzvoll Gewesene zu Hause in irgendeiner zweckmäßigen Weise fortsetzt, gehört mit zur Gestaltung solcher Kuraufenthalte.
Neuropathische Manifestationen jedweder Art führen zu
funktioneilen Störungen und diese wiederum führen oft genug zu organischen Störungen. Das alles ist uns geläufig.
Die Neuropathie wurzelt wesentlich in der Erbmasse. Der
Pädiater SCHLACK hat sicher recht, wenn er einmal gesagt
hat, daß der Neuropath trotzdem die Gestaltung seines Lebensschicksals wesentlich in der Hand hat. Zunächst ist es
seine Umgebung, die darüber entscheidet, wie sich seine
Neuropathie entwickelt, später ist seine Selbsterziehung dafür verantwortlich. Ihm dabei zu helfen ist eine ärztliche Aufgabe.
Es ist schwierig, den 40jährigen Kreislauf-Dystoniker in seiner
nervalen und psychischen Grundsituation beeinflussen zu
wollen. Viel einfacher ist es dagegen, dem heranwachsenden
Jugendlichen bei der ersten ernsteren Manifestation funktioneller Störungen zu helfen. Wer sich dabei auf die Verordnung von Medikamenten beschränkt, wird eine solche Konstitutionsschwäche mit Sicherheit nicht dauerhaft beeinflussen
können.
Die Erwähnung des Jugendarbeitsschutzgesetzes hat in bezug
auf Konstitutionsschwächen das Bekenntnis zur Folge, daß
wir nicht in der Lage sind, aus diesem Gesetz irgendwelche
therapeutischen Konsequenzen abzuleiten. Wir können registrieren, wir können aber nicht helfen. Das Helfen bleibt eine
vom Gesetzgeber kaum ins Auge gefaßte aber um so wichtigere u n d rein ärztliche Aufgabe.
Relativ einfach sind die Fragen, die dieses Gesetz aufwirft,
wenn klar umrissene Krankheitsbilder da sind. Wenn also
etwa ein Herzfehler näher diagnostiziert werden muß. Wenn
eine chronische Bronchitis auf ihre Entstehungsursache und
Beseitigungsmöglichkeit erforscht werden muß. Wenn ein
Ekzem die Frage aufwirft, ob der Betreffende in seinem Beruf
bleiben kann und welche therapeutischen Möglichkeiten insgesamt und überhaupt bestehen.
Viel schwieriger wird es in allen Fragen der Konstitutionsschwächen. Lassen Sie mich ehrlich aussprechen, daß ich
dieses Gesetz in mancher Hinsicht für mißlungen halte, denn
es befaßt sich mit einer Altersgruppe, in der Schäden, die in
zeitlich früher liegenden Lebensabschnitten entstanden sind,
also im Kleinkindesalter und Schulalter schon manifest geworden sind. Wenn der Jugendliche das schulpflichtige Alter
verläßt^ wird er also mit einem Gesetz konfrontiert, das ihn
auf diese Schäden, die wir für vermeidbar halten, wenn sie
wesentlich früher aufgedeckt werden, aufmerksam macht,
das ihn in seiner Berufswahl beeinflussen will und das damit wie ein Kopf ohne Rumpf und Beine erscheint. Es wäre
besser gewesen, die vorbeugende Gesundheitspflege im
Kleinkindes- und Schulalter zu aktivieren und d a n a c h als
Schlußstein ein solches Jugendarbeitsschutzgesetz zu erlassen. Darüber hinaus hat das Gesetz aber noch einen anderen Fehler. Es soll zur Aufdeckung der Schäden führen,
weist aber keine Wege zur Beseitigung dieser Schäden.
Zweifellos ist die Folgerung, daß ein Haltungsschwächling,
ein Muskelschwächiing überhaupt, einen Beruf wählen soll,
der an ihn keine muskulären Anforderungen stellt, ein Ausweg, der sich recht zwanglos immer schon anbot und auch
in Zukunft anbieten wird.
Zweierlei bleibt noch zu besprechen. Einmal die psychopathischen Reaktionen, die wir mit der Neuropathie nicht ganz
zu Recht immer begrifflich eng verbinden. Es würde zu weit
führen, hier zu erörtern, inwieweit psychopathische Manifestationen neben der endogenen, also erbmäßig fixierten
Komponente, von äußeren Momenten bestimmt werden. Im
Rahmen des Jugendarbeitsschutzgesetzes werden wir relativ
selten Gelegenheit haben, psychopathische Bilder in uns aufzunehmen oder gar im Rahmen des Gesetzes entscheiden zu
müssen. Der Therapie sind auf diesem Gebiet enge Grenzen
gesetzt. Ganz davon abgesehen, daß geeignete Heime oder
Sanatorien weitgehend fehlen oder unerschwinglich sind, ist
auch die ambulante Therapie in dem Rahmen, den der Kas'
senpatient automatisch gesteckt bekommt, recht schwierig,
weil sie meistens auf ein Rezept beschränkt bleibt. Daß
Psychotherapie im Jugendlichenalter sinnvoll und aussichtsreich ist, wenn sie richtig in die Wege geleitet wird, brauche
ich wohl kaum zu betonen.
Lassen Sie mich abschließend noch auf die klassische Konstitutionsschwäche oder Diathesen schlechthin zu sprechen
kommen, die exsudative oder lymphatische Diathese.
Es ist die Konstitutionsschwäche, die wir alle in unserem
Studium schon kennengelernt haben und die die Pädiatrie
auch jetzt noch begrifflich als wesentlich ansieht. Wir sind
uns darüber im klaren, daß der Begriff der Diathese der
naturwissenschaftlichen Untermauerung noch weiterhin harrt.
Gerade aber bei der ins Pathologische gesteigerten katarrhalischen Anfälligkeit läßt sich leicht zeigen, daß wir am Anfange einer Entwicklung stehen, die damit enden wird, daß
die katarrhalische Anfälligkeit als eine naturwissenschaftlich
definierbare Schwäche der Abwehrfunktionen, entweder der
Schleimhäute oder des ganzen Organismus oder beider aufgedeckt wird. Diese Abwehrschwäche wird humoral faßbar
werden, so wie jetzt das Antikörpermangelsyndrom schon
humoral faßbar ist. Wir stehen hier erst am Anfang einer
Entwicklung, die auch dem streng naturwissenschaftlich denkenden Mediziner die Begriffe der Konstitutionsschwäche
näherbringen wird.
Ganz sicher scheint mir, daß nicht in den Mikro-Organismen,
sondern im Makro-Organismus das Geheimnis der gesteigerten Anfälligkeit gegenüber Infektionen der Luftwege liegt.
Weder mit antibiotischen Mitteln noch mit Symbiontentherapie werden wir solch ein endogenes Lebensproblem lösen
können. Gerade bei der Anfälligkeit gegenüber Infektien
sehen wir die Bedeutung des genetischen Faktors, wenn wir
die Familienanamnese erforschen. Die Erblichkeit, sogar des
Bildes, wie sich die chronische Tonsillitis ausbildet, etwa als
Neigung zu atrophischer chron. Tonsillitis oder als Neigung zu
Hyperplasie der Tonsiilen mit allmählich sich einstellender
chron. Entzündung, ist nicht zu übersehen. Der Bau der Kieferhöhlen, ihrer Zugänge, der Bau der Nase, der anatomische
Bau des Nasen-Rachenraums usw. beeinflussen das Erscheinungsbild der katarrhalischen Anfälligkeit. Die adenoiden
Vegetationen, die auch bei Jugendlichen noch recht häufig
persistieren, bilden ein vorwiegend mechanisches Problem,
weniger ein Problem der Infektionsabwehr oder der minderwertigen Schleimhaut. Die durch eine vergrößerte oder gar
e n t z ü n d l i c h e vergrößerte Rachenmandel behinderte Nasenatmung muß freigemacht werden, wenn Erfolg eintreten
soll. In bezug auf die Tonsiilen kann man histologisch belegen, daß bei einer schweren atrophischen Tonsillitis kaum
noch funktionsfähiges lymphatisches Gewebe erhalten ist.
Wer sich, solche Tonsiilenschnitte unter dem Mikroskop vor
Augen, grundsätzlich gegen die Tonsillekiomie einstellt, bezieht damit eine weltanschauliche, keinesfalls aber wissenschaftliche Einstellung.
Genauso muß dem kritisch Denkenden andererseits eine Einstellung falsch erscheinen, die das Problem der katarrhalischen Anfälligkeit nur mit dem Operationsmesser lösen will.
Beim Jugendlichen sind es neben den rezidivierenden Tonsillitiden vor allem die rezidivierenden Bronchitiden und die
Nebenhöhlenerkrankungen sowie die chronischen oder chronisch rezidivierenden Infektionen der Mittelohren, die uns
interessieren. Sie alle sind nicht Diathese oder Konstitutionsschwäche, sondern sie sind bereits Folgekrankheiten. Mit
ihrer Bewältigung haben wir ein Problem vor uns, das je nach
Standort des Arztes verschieden gelöst wird. Insgesamt aber
beschäftigen sich die allerwenigsten damit, wie man, nachdem man die Folgen beseitigt hat, auch die Ursache angehen kann. Eine solche e c h t e Konstitutionstherapie hat
vielfältige Möglichkeiten, von denen keine einzige allein für
sich beanspruchen kann, daß sie absolute und sichere Hilfe
bringt.
Ich möchte an die alten CZERNYschen Lehren von der Nützlichkeit einer Drosselung der Kalorienzufuhr wie der Flüssigkeitszufuhr erinnern, ich möchte daran erinnern, daß es möglich ist, mit sanft beginnenden aber um so konsequenter fortgeführten Abhärtungsmaßnahmen eine Änderung der allgemeinen Abwehrlage zu erzielen. Der Höhepunkt der Abhärtung ist eine Klimakur im Reizklima. Wir sehen das Wesen
einer Kur, etwa an der Nordsee oder im Hochgebirge, in der
Umstellung, die das Reizklima bewirkt, in der Abhärtung,
die das Freiluftleben mit sich bringt und in der damit ansteigenden Abwehrleistung. Freiluftleben hat aber nicht unbedingt ein Reizklima zur Vorbedingung, sondern es kann auch
beim Großstadtkind mit sinnvoller Nutzung der Wochenende und mit sinnvoller Feriengestaltung beginnen. Es kann
mit hydrotherapeutischen Maßnahmen gekoppelt sein und
mit physikalischer Therapie, etwa Bürstenbädern, Luftbädern
usw. einhergehen.
Wer von allen solchen Maßnahmen Wunder erwartet, wird
immer dann enttäuscht werden, wenn ernstliche Hindernisse
nicht vor oder parallel mit der Ergreifung solcher Maßnahmen beseitigt werden. Ich denke dabei, wie schon betont, an
die Rachensanierung, wenn sie unerläßlich ist, an die Entleerung eines chron. Kieferhöhlenempyems, an die Diagnose
von Bronchiektasien oder anderen Ursachen für eine chron.
Bronchitis.
Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. K. NITSCH, 3 Hannover, DRKCecilienstift, Leisewitzerstraße 51.
207
(Aus der Sektion Medizin des Osteuropa-Institutes an der Freien Universität Berlin)
Präventive Medizin in der Sowjetunion
Von H. M ü l l e r - D i e t z
Ein Bericht Ober die Präventivmedizin in der Sowjetunion
stellt den Referenten vor Probleme besonderer Art: Auf der
einen Seite steht ihm fast ausschließlich das offizielle, von
sowjetischen Instanzen zensierte Fachsdnrifttum zur Verfügung, in dem die Verhältnisse im eigenen Lande überwiegend in leuchtenden Farben geschildert sind und Kritik nur
zwischen den Zeilen angedeutet wird, auf der anderen Seite
setzt er sich dem berechtigten Vorwurf der Sowjetophilie aus,
wenn er diese Angaben kritiklos weitergibt. Um aber sachlich Mängel und Fehler im sowjetischen Gesundheitssystem
aufzeigen zu können, muß man schon tiefer in die Details
des Systems eingedrungen sein, als die sowjetischen Behörden dies dem ausländischen Besucher in der Regel gestatten.
Zufrieden mit sich darf der Referent sein, wenn ihn beide
Seiten, die pro- und die antisowjetische, wegen seiner tendenziösen Voreingenommenheit beschimpfen. Dann weiß er,
daß er etwa den Mittelweg gefunden hat. Um diesen schmalen Grat will ich mich hier jedoch nicht bemühen, sondern
nur die Theorie der sowjetischen Präventivmedizin umreißen
und ganz allgemein feststellen, daß zwischen der Theorie
und der Praxis zum Teil noch recht große Lücken klaffen.
Die Idee der Vorbeugung kann sich in Rußland auf gute
Traditionen berufen. Nicht nur die Ärzte der Landständischen
Selbstverwaltungen, der Zemstva, stellten ihre Tätigkeit unter
das Motto der Prophylaxe, sondern auch angesehene Kliniker sprachen sich in diesem Sinne aus. „Die Zukunft gehört",
sagte schon Nikolaj Ivanovic PIROGOV, „der vorbeugenden
Medizin." Die konsequente Einstellung auf die Maximen der
Präventivmedizin verlangt aber gewisse politische und soziologische Voraussetzungen, die im Russischen Reich nur mangelhaft gegeben waren. Daher forderte die Kommunistische
Partei Rußlands auf ihrem Kongreß im Jahre 1919 unter anderem: die entschiedene Durchführung umfassender Gesundheitsschutz-Maßnahmen im Interesse der Werktätigen, wie
zum Beispiel die Sanierung der Siedlungen durch den Schutz
von Boden, Wasser und Luft, weiterhin Maßnahmen gegen
die Entwicklung und Ausbreitung ansteckender Krankheiten
und eine sanitäre Gesetzgebung. Das Programm fordert sodann den Kampf gegen soziale Krankheiten, wie Tuberkulose, Geschlechtskrankheiten und Alkoholismus, und
schließlich die „Sicherung der allgemein zugänglichen,
kostenfreien und qualifizierten therapeutischen und medikamentösen Versorgung".
Diese Forderungen bestimmen auch heute die Prinzipien und
Grundlagen des sowjetischen Gesundheitswesens: Alle Maßnahmen im Gesundheitsschutz werden planmäßig ergriffen;
sie sind Bestandteile der Volkswirtschaftspläne. Die Voraussetzung dafür ist die zentrale Leitung des Gesundheitswesens
durch ein Gesundheitsministerium. Die Präventivmedizin erhält unter diesen Prinzipien vorrangige Bedeutung. Sie basiert auf der Anerkennung, daß die sozialen Bedingungen
für die Gesunderhaltung sowie für die Entstehung und Beseitigung von Krankheiten ein ausschlaggebender Faktor
sind.
Die Aufgabe der Sowjetmedizin besteht also, wie es SEMASKO, der erste Gesundheitskommissar der sowjetischen
Regierung, formulierte, nicht nur und nicht in erster Linie in
der Behandlung der Kranken, sondern darin, „die Möglichkeit der Erkrankung zu verhindern oder die Krankheit, wenn
sie schon ausgebrochen ist, bereits in einem Stadium zu erkennen, in dem sie noch vollständig heilbar ist". Dabei dürfe
die Prophylaxe „nicht eng, als Verwaltungsaufgabe der Gesundheitsorgane verstanden werden, sondern im weitesten
Sinne als Sorge des sowjetischen Staates um die Stärkung
der Gesundheit des sowjetischen Volkes".
SEMASKOs Stellvertreter SOLOV'EV forderte, die Vereinigung der sanitären und therapeutischen Aufgaben, die in
208
den zwanziger Jahren zunächst bei der Bekämpfung einiger
sozialer Krankheiten und bei der Fürsorge für Mutter und
Kind praktiziert wurde, der Tätigkeit aller Heilanstalten zugrunde zu legen. Den Krankenanstalten stellte er die zweifache Aufgabe, die Lebens- und Arbeitsbedingungen des Patienten zu untersuchen und systematisch im Sinne der Sanierung auf sie einzuwirken. An der Normalisierung der äußeren Existenzbedingungen sollten die Werktätigen selbst wie
auch die Staats- und Gewerkschaftsorgane mitwirken.
Die Präventivmedizin ist damit in der Sowjetunion nicht eine
spezielle Einrichtung, sondern eine Funktion aller theoretischen und klinischen Disziplinen. Von Seiten des Staates wird
die prophylaktische Richtung durch die sanitäre Gesetzgebung mit ihren engen Vorschriften für die Reinhaltung von
Boden, Wasser und Luft und für die Gewerbehygiene sowie
durch die Bestimmungen und Einrichtungen für den Seuchenschutz vorgezeichnet. Die nichtinfektiösen Krankheiten werden durch alle Gesundheitsanstalten im Rahmen der Dispensaire-Betreuung bekämpft. Ferner umfaßt die Präventivmedizin die Kinder- und Familienfürsorge, die Untersuchungen der Schüler und Jungarbeiter und den Massensport.
Durch Gesundheitserziehung und verschiedene Organisationsformen wird die Bevölkerung an allen diesen Maßnahmen
direkt beteiligt.
Wie von den russischen Autoren betont wird, ist der Marxismus-Leninismus das methodische und philosophische Fundament der sozialistischen Gesellschaft und damit, konsequenterweise, auch des staatlichen Gesundheitsdienstes und der
prophylaktischen Medizin. Die Probleme der Wechselbeziehungen zwischen dem Organismus und seiner Umwelt, der
Korrelationen zwischen dem Sozialen und dem Biologischen,
lassen sich angeblich nur mit Hilfe des historischen und
dialektischen Materialismus lösen. Der Mensch wird als Produkt der ihn umgebenden Natur angesehen, und erst der
Sozialismus erlaubt ihm, diese Natur zu beherrschen und
krankheitsbegünstigende Faktoren auszuschalten, denn die
Krankheit faßt der Marxist als eine Erscheinung auf, die
durch Noxen des Milieu exterieur bedingt ist. Ihre Krönung
fand diese Anschauung in der physiologischen Lehre von
Ivan Petrovic PAVLOV, der in seinen Experimenten die Bestätigung fand, daß normale und pathologische Erscheinungen beim Tier und beim Menschen nur Reaktionen auf entsprechende äußere Reize sind.
Wenn auch die sowjetische Präventivmedizin in der wissenschaftlichen Forschung und Lehre Bestandteil aller theoretischen und klinischen Fachrichtungen sein soll, so fand sie
doch zunächst ihren konzentrierten Ausdruck in einem eigenen Lehrfach, der S o z i a l h y g i e n e . Der erste Lehrstuhl
dieser Art wurde 1922 von SEMASKO eingerichtet und geleitet. SEMASKO wollte die Bearbeitung aller einschlägigen
Probleme auf „marxistische Grundlagen" stellen und zunächst einmal die Vertreter der klinischen Disziplinen mit
dem Gedanken der Sozialmedizin vertraut machen.
1941 wurde die Sozialhygiene als Lehrfach umbenannt in
„Organisation des Gesundheitswesens". Aus dieser Veränderung kann man schließen, daß die klinischen Lehrstühle sich
die Prinzipien der Präventivmedizin weitgehend angeeignet
hatten. Andererseits zeigt sie, wie stark das sowjetische Gesundheitswesen schon bürokratisiert war. Es genügte nicht
mehr, die organisatorischen Fragen als Teilgebiet der Sozialhygiene zu lehren, sondern der schwerfällige staatliche Verwaltungs- und Planungsapparat bedurfte eines eigenen Lehrstuhls, um die zukünftigen Ärzte in die Funktionsweise dieser
Maschinerie einzuweihen. Wie weit jedoch gerade dies Fach,
wie alles in der Sowjetunion, politisiert ist, zeigt ein Ausspruch von SEMASKO. Er hielt es für wichtig, daß „die Sozialhygiene in der UdSSR den Arzt lehrt, marxistisch zu den-
ken und an die Analyse medizinischer Phänomene vom
Standpunkt des dialektischen Materialismus aus heranzugehen". Die Lehrstühle, die an allen größeren medizinischen
Hochschulen bestehen, dienen gleichzeitig auch der Fortbildung und Spezialausbildung leitender Mitarbeiter des Medizinalwesens (es ist dort üblich, daß selbst Gesundheitsminister Fortbildungskurse absolvieren). An ihren Lehrplänen
wird von russischer Seite kritisiert, daß sie von den alten
Konzeptionen SEMASKOs nicht viel übriggelassen hätten,
sondern sich auf die Interpretation der sanitären Gesetzgebung beschränkten.
Wir können hier nicht im einzelnen alle Organisationsformen
und Maßnahmen der sowjetischen Präventivmedizin beschreiben, sondern müssen uns damit begnügen, die Grundlagen
zu skizzieren. Das wichtigste strukturelle und funktionelle Element dafür ist das D i s p e n s a i r e . Das Dispensaire-System
ist die organisatorische und institutionelle Manifestierung der
prophylaktischen Richtung. Unter diesem Begriff verstehen
die Russen eine therapeutisch-prophylaktische Anstalt zum
Auffinden Kranker, besonders in den Frühstadien der Erkrankung, zur rechtzeitigen Sicherung der Diagnose, zur Erfassung und Registrierung der Kranken und ihrer systematischen Beobachtung, zu ihrer ärztlichen und fachärztlichen
Versorgung, zum Studium der Morbidität, der Entstehungsund Verbreitungsursachen der Krankheiten und zur Durchführung der notwendigen Maßnahmen für die Sanierung der
Arbeits- und Lebensbedingungen. Das Objekt der DispensaireBetreuung ist also nicht nur der kranke, sondern auch der
gesunde Mensch.
Diese Definition des Dispensaires bedeutet eine wesentliche
Verschiebung seiner Schwerpunkte sowohl gegenüber seinem
historischen Ursprung als auch gegenüber den Einrichtungen
in anderen Ländern der Gegenwart, die den Terminus noch
gebrauchen. Die Ansätze, die in den USA, in Deutschland
und England bestanden hatten, sind von der UdSSR übernommen und erweitert worden, und wiederum das Verdienst
von SEMASKO ist es, das Dispensaire zu einem zentralen
Stützpunkt der prophylaktischen und therapeutischen Medizin
ausgebaut zu haben.
Seit 1949 gibt es Spezialdispensaires für Tuberkulose, Dermato-Venerologie, Onkologie, Trachom, Psycho-Neurologie,
Struma und Sportmedizin. In den letzten Jahren sind noch
neue Fachrichtungen hinzugekommen: so gibt es jetzt auch
Dispensaires für Rheumatismus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die meisten besitzen eine stationäre Abteilung.
Die Form, in der die Dispensaires ihre vielfachen Aufgaben
bewältigen, hängt von ihrer Fachrichtung ab. In der Regel
erfolgt das aktive Aufsuchen der Kranken durch regelmäßige
Vorsorge-Reihenuntersuchungen bestimmter Bevölkerungsgruppen bzw. durch die gezielte Kontakt- und Infektionsquellen-Forschung, z. B. bei Geschlechtskrankheiten. Wenn
die Untersuchung einen verdächtigen Befund ergibt, der eine
genauere Diagnostik oder Therapie erforderlich macht, wird
der Patient in die stationäre Abteilung aufgenommen. In
leichteren Fällen kann die Behandlung in der Ambulanz des
Dispensaires durchgeführt werden. Für die Therapie stehen
verschiedene Nebeneinrichtungen zur Verfügung: Diätküchen,
Werkstätten für Arbeitstherapie bei den psychiatrischen
Dispensaires, Tages- und Nachtsanatorien und die Kliniken
des allgemeinen therapeutischen Netzes.
Die im Frühstadium erkannten Kranken und die aus der
stationären Behandlung entlassenen Rekonvaleszenten werden regelmäßig kontrolliert, und zwar vorwiegend durch die
Patronats- und Bezirksschwestern. Sie haben zu erkunden,
unter welchen Bedingungen ihre Patienten leben und arbeiten, und ihnen zu helfen, diese Bedingungen möglichst mit
den Erfordernissen der Hygiene in Einklang zu bringen. Sie
sollen ferner helfen, für die Kranken eine angemessene Berufstätigkeit zu finden und sie zur richtigen Verteilung von
Arbeit und Ruhe veranlassen. Auch die Unterstützung bei der
Erlangung der sozialen Hilfen von den Behörden gehört zu
ihren Aufgaben, so daß sie in der Funktion etwa mit den
Fürsorgerinnen in Deutschland verglichen werden können
(aus denen sie ja auch hervorgegangen sind).
Was wir bisher sagten, gilt für das Dispensaire als Anstalt.
Die Dispensaire-Methode wird aber nicht nur in diesen Spezialeinrichtungen praktiziert. Sie ist die Grundfunktion aller
therapeutisch-prophylaktischen Anstalten in der Sowjetunion
geworden. Jede von ihnen — Poliklinik, Fachkrankenhaus,
Frauen-Beratungsstelle usw. — nimmt entsprechend ihrem
Profil bestimmte Patienten-Kontingente oder bestimmte Gruppen der gesunden Bevölkerung in Dispensaire-Betreuung.
Heute wird angestrebt, die Dispensaire-Methode auf das gesamte therapeutische Netz auszudehnen. 1938 erfolgte als
einschneidender Umbau die Ausrichtung der polikiinischen
Betreuung auf territoriale Prinzipien, das heißt jeder Anstalt
wurde ein bestimmter Versorgungsbezirk zugeteilt. Das Auswahlprinzip nach Berufsgruppen sowie nach der Arbeitsfähigkeit wurde durch die Dispensaire-Betreuung der gesamten Bevölkerung nach dem Wohnbezirk und nach einzelnen
Krankheitsformen ergänzt oder abgelöst. Für bestimmte Erkrankungen, z. B. Krebs, wurde ein spezielles Netz onkologischer Institutionen geschaffen, deren Arbeit von zentral
gelegenen onkologischen Dispensaires geleitet und koordiniert wird. Nachdem 1949 die meisten Polikliniken und Ambulatorien als selbständige Einheiten aufgelöst und mit den
korrespondierenden Krankenhäusern vereinigt worden sind,
ist jetzt in der Regel der Chef eines Krankenhauses - über
seinen Vertreter für die poliklinische Arbeit - auch für die
Durchführung der Dispensaire-Arbeit in seinem Bereich verantwortlich.
Die Auswahl der Patienten für die systematische und regelmäßige Kontrolle nach der Dispensaire-Methode erfolgt nach
zwei Gesichtspunkten:
1. die Betreuung bestimmter Gruppen Gesunder mit gemeinsamen physiologischen Merkmalen (Lebensalter, Schwangerschaft) oder gemeinsamen Arbeitsbedingungen (Schüler, Lehrlinge, einzelne Produktionszweige),
2. die Betreuung von Kranken mit bestimmten nosologischen
Formen (Tuberkulose, Herz-Gefäßkrankheiten, Krebs usw.).
Trotz der gemeinsamen Methodik weisen die beiden Gruppen einige organisatorische und prinzipielle Unterschiede
auf. Die Dispensaire-Beobachtung der Gesunden erfolgt im
wesentlichen unter dem Aspekt der Produktion, der Arbeit.
Diese Personen verbinden die gemeinsamen Umweltsbedingungen, die Gleichheit der Arbeits- und Lebensbedingungen.
Das Dispensaire hat hier die Aufgabe, die Gesundheit dieser
Personen zu erhalten, ihre ungestörte körperliche Entwicklung
zu gewährleisten, Erkrankungen und Invalidität zu verhüten
und entdeckte Krankheiten gründlich zu behandeln. Der
Dispensaire-Betreuung dieses Kreises liegt die dynamische
Beobachtung des Gesundheitszustandes und auch der Umwelt mit dem Ziel der Sanierung zugrunde. Dabei ermöglicht
die Gleichartigkeit der Umweltbedingungen die Ausarbeitung optimaler Normen für Arbeit, Erholung, Ernährung und
Erziehung.
Obligatorisch ist heute z. B. die Dispensaire-Beobachtung
aller Neugeborenen und Kleinkinder bis zum Alter von drei
Jahren, der Kinder im Vorschulalter in den Kindergärten und
der Schulkinder durch die Konsultationsstellen und Polikliniken der Kinderkrankenhäuser. Schwangere Frauen werden
von den Frauen-Konsultationen bei den Entbindungsheimen
oder, auf dem Lande, von den Bezirkskrankenhäusern und
den Feldscher-Hebammen-Punkten in Dispensaire-Beobachtung genommen. Neben diesen Kategorien unterliegen der
Pflichtbeobachtung nach der Dispensaire-Methode alle Patienten mit Hochdruck-Krankheit, mit Störungen des KoronarKreislaufs und ihren Folgezuständen (Stenokardie, Myokardinfarkt), mit rheumatischen Herzaffektionen, Ulcusleiden des
Magens und des Duodenums, achylischer Gastritis und mit
Diabetes mellitus.
Ein zweiter wichtiger Pfeiler der Präventivmedizin ist der
s e u c h e n h y g i e n i s c h e D i e n s t . Er hat seinen festen
Platz im staatlichen Gesundheitsdienst und ist, wie alle prophylaktischen und therapeutischen Maßnahmen, Gegenstand
der volkswirtschaftlichen Planung. Um ihn gegen mögliche
Pannen abzusichern, werden die Aufgaben des Seuchenschutzes von zwei parallel geschalteten Organen wahrgenommen, deren Kompetenzen sich teilweise überschneiden.
Der sanitäre und Seuchenschutzdienst untersteht direkt dem
Gesundheitsministerium und leitet die epidemiologische Arbeit aller Institutionen des Gesundheitswesens sowie der
Wirtschaftsorgane und kontrolliert die sanitäre Arbeit anderer Verwaltungen (z. B. des Verkehrsministeriums). Er übt
die hygienische Vorsorge- und Routine-Aufsicht aus, studiert
den Gesundheitszustand der Bevölkerung, ihre hygienischen
Arbeits- und Lebensbedingungen, arbeitet Maßnahmen für
die Sanierung des äußeren Milieus aus und überwacht ihre
Durchführung, sorgt für die Verhütung und Bekämpfung der
Infektions-, Berufs- und anderer Krankheiten. Die ausführenden Organe sind die Sanitätsinspektoren mit Exekutivrecht
und Strafbefugnis.
Die Bekämpfung epidemischer Erkrankungen liegt in den
Händen der Ämter für Seuchen-Bekämpfung bei den Gesundheitsministerien und den örtlichen Gesundheitsverwaltungen
bzw. der Epidemiologen der Kreise und Bezirke. Die Epidemiologen haben weniger Überwachungsfunktionen zu erfül/en und mehr aktive Maßnahmen in Form der allgemeinen
Sanierung von Ortschaften und Schutzimpfungen durchzuführen. Das Ziel der Sanitätsinspektionen wie auch der epidemiologischen Verwaltungen ist also gleichermaßen die Liquidierung epidemischer Erkrankungen. Der funktionelle Unterschied zwischen beiden Organen liegt nur darin, daß die
Sanitätsinspektionen dieses Ziel durch sanitär-prophylaktische
Maßnahmen und Kontrollen, die epidemiologischen Verwaltungen aber durch aktive, spezifische Prophylaxe und die Bekämpfung schon manifester Infektionen zu erreichen bestrebt
sind.
Formal endet das komplizierte und verzweigte Netz der
sanitären Organisationen im Kreise. Die sanitäre Tätigkeit
wird jedoch auch in kleineren Einheiten noch fortgesetzt, in
den ländlichen Arztbezirken und den Feldscher-Stellen, die
in der Regel drei bis fünf Dörfer betreuen. In den einzelnen
Dörfern selbst üben Laien-Bevollmächtigte, die von den örtlichen Räten oder den Kolchos-Verwaltungen dem medizinischen Personal als Helfer zugeteilt werden, eine gewisse
hygienische Kontrolle aus.
Im Zuge der systematischen Industrialisierung der Sowjetunion wurde der W e r kg es u n d he i tsf ü rs o r g e schon in
den zwanziger Jahren erhöhte Bedeutung beigemessen. Zunächst hatte es in den Betrieben nur Unfall- oder Erste-HilfeStellen gegeben, die in größeren Unternehmen auch unter
ärztlicher Leitung stehen konnten. 1929 wurden sie reorganisiert zu sogenannten Gesundheitsschutz-Stellen, die - je nach
der Zahl der betreuten Arbeiter — von einem Arzt, einem
Feldscher oder einer Schwester geleitet werden, und die seitdem die Grundeinheit der Werkgesundheitsfürsorge geblieben sind. Der Tätigkeitsbereich der Gesundheitsstellen wurde
bald erheblich erweitert. Sie dienen jetzt nicht mehr nur der
ersten Hilfe bei Unfällen, plötzlichen Erkrankungen und Vergiftungen, sondern haben auch sanitär-hygienische und prophylaktische Aufgaben. Zugleich wurden bei großen Betrieben geschlossene Krankenanstalten eingerichtet, also Krankenhäuser oder Polikliniken, die nur für die Werkangehörigen bestimmt sind.
Die vordrirtgfichen Aufgaben des gesamten Werkgesundheitsschutzes lassen zwei Ziele erkennen: Erstens hat er der
realen Forderung nach der Steigerung der Produktionskapazität, also nach vermindertem Arbeitsausfall durch Krankheit
und Unfälle, nachzukommen; zum anderen soll er den Prinzipien PAVLOVs folgen, die Dispensaire-Betreuung durchführen und gewerbehygienische und prophylaktische Aufgaben
erfüllen.
Eine interessante und bei uns unbekannte Hüfseinrichtung
der Betriebsgesundheitsfürsorge ist das Tages- oder Nachtsanatorium (Prophylaktorium). Hier werden in ihrer arbeitsfreien Zeit Patienten versorgt, vor allem mit Kreislaufkrankheiten, Hypertonie und Magenulcera, für die die Indikation
zur stationären oder Kurorfbehandlung nicht ausreicht, die
aber doch verschiedener therapeutischer Prozeduren bedürfen. Die Nachtsanatorien erfreuen sich bei den sowjetischen
Gesundheitsorganen steigender Beliebtheit und sollen gute
Erfolge haben. Wesentlich erscheint dabei, daß ein Kranker
210
behandelt werden kann, ohne der Produktion verlorenzugehen.
Die R e h a b i l i t a t i o n ist sicherlich kein Bestandteil der
Präventivmedizin im engeren Sinne. Da sie aber organisch
zu dem Komplex der Pro- und Metaphylaxe gehört, soll hier
auch über sie einiges gesagt werden. Man kann dabei nicht
behaupten, daß es in der Sowjetunion ungelöste, aktuelle
Probleme der Rehabilitation gäbe. Unsere RehabiÜtationsprobleme sind mit entsprechenden Schwierigkeiten in der
Sowjetunion gar nicht vergleichbar, da das „Paradies der
Arbeiter" ganz andere Voraussetzungen für wirksame Rehabilitationsmaßnahmen bietet. Man braucht sich, um das zu erkennen, nur klarzumachen, daß es seff etwa 1930 in der
UdSSR keine Arbeitslosen mehr gibt, daß seitdem durch den
forcierten Aufbau der Industrie und der Landwirtschaft, später durch den Krieg, fast immer ein Mangel an Arbeitskräften
herrschte, und daß die Steigerung der Produktionskräfte
durch die Ausnutzung jeder verfügbaren Arbeitskraft ein
nationales Anliegen war und ist. Daher funktionierte in der
Sowjetunion die automatische „Eingliederung Geschädigter
in den Arbeitsprozeß", wie der Begriff Rehabilitation bei den
Russen umschrieben wird, schon lange, bevor sie in westlichen Ländern in diesem Umfang wie jetzt zur Diskussion
gestellt wurde.
Die Rehabilitation berührt unmittelbar die Interessen der
Volkswirfschaft. Sie kann, wenn sie extrem gut oder schlecht
durchgeführt wird, die Erfüllung der Fünf- oder Siebenjahrespläne beeinflussen, besonders wenn Versehrte in so großer
Zahl anfallen, wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist daher
verständlich, daß der Staat die Aufgaben der Rehabilitation
an sich zog. Er übertrug die Durchführung den Organen des
Gesundheitswesens, der Sozialfürsorge und den Gewerkschaften. Das Verfahren der Wiedereingliederung der Erwerbsgeminderten ist seit Jahren eingespielt, von den Werktätigen offenbar akzeptiert und hat sich zweifellos bewährt.
Die konkreten Rehabilitationsmaßnahmen, die Behandlung,
Unterstützung, Umschulung und Wiedereingliederung der beschränkt Arbeitsfähigen gehören zu den Leistungen der staatlichen Sozialversicherung.
Zu einem wichtigen Bestandteil des sowjetischen Gesundheitswesens ist im Laufe der Jahre die G e s u n d h e i t s e r z i e h u n g geworden. Das unmittelbare Ziel der ersten Aufklärungskampagnen war für SEMASKO die Bekämpfung der
Epidemien als Folge der Bürgerkriege. Ihre Bedeutung zeigt
sich in dem drastischen Ausspruch LENlNs: „Entweder wir
besiegen die Läuse, oder die Läuse triumphieren über den
Bolschewismus." War diese Gefahr einmal gebannt, stand
die Erziehung des russischen Volkes zur hygienischen Disziplin im Vordergrund. Dabei muß man bedenken, daß das
vorrevolutionäre Rußland auch auf sanitär-hygienischem Gebiet gegenüber den westlichen Ländern sehr rückständig war.
Die ergriffenen Maßnahmen und ihr Niveau erscheinen uns
daher in vielen Fällen etwas primitiv; sie waren und sind
aber zweifellos den russischen Verhältnissen angepaßt.
Heutzutage ist der Aufgabenbereich der Gesundheitserziehung
um ein vielfaches erweitert. Er umfaßt in erster Linie die
Verbreitung medizinischer und hygienischer Kenntnisse, die
Belehrung der Werktätigen über die Errungenschaften und
die Priorüäten der russischen Medizin; ferner soll das Verständnis der Bevölkerung für die Aktionen der Gesundheitsbehörden geweckt werden, und die Werktätigen sollen in
sogenannten Laienakfiven bei der Gesundheitserziehung mitarbeiten. Außerdem wird die Aufklärung der Sowjetbürger
im Sinne der Erziehung zum Kommunismus gefordert; sie
soll die schädlichen Überbleibsel der Vergangenheit, wie
Aberglaube, Alkoholismus und Nikofinabsus, bekämpfen.
Die Gesundheitserziehung wird nicht nur von medizinischen
Institutionen, sondern auch von den Gewerkschaften, Schulen, dem Kommunistischen Jugendverband, den Organen der
Volksbildung, der Gesellschaft zur Verbreifung politischer
und wissenschaftlicher Kenntnisse und ganz besonders natürlich von den Organisationen des „Roten Kreuzes und des
Roten Halbmondes" betrieben.
Da die Gesundheitserziehung ein derartig wichtiger Faktor
in der Gesundheitspolitik der Sowjetunion ist, wurden alle
Angehongen der arztlichen und Pflegeberufe obligatorisch
mit der hygienischen Agitation beauftragt Außeidem wuiden
über 15 Millionen Angehörige des Roten Kreuzes und des
Roten Halbmondes fui die Eiziehungsarbeit geschult, um zu
Propaganda Aktionen eingesetzt zu werden
Um der Gesundheitserziehung eine möglichst breite Basis zu
geben, sind die Trager der Aufklärungsarbeit, in erster Linie
Arzte und Pflegepersonal, verpflichtet, monatlich 6 bis 8 Stun
den ihrer Arbeitszeit für die sanitär-hygienische Aufklarung
zu verwenden Schon wahrend des Studiums wird auf die
Beschäftigung mit der praktischen Erziehungsarbeit großer
Wert gelegt
In den letzten Jahren ist noch c n neues Organ der Gesundheitserziehung entwickelt worden, das sich als sehr wirksam
erwiesen hat Das sind die „Volkshochschulen für Gesundheit", von denen es jetzt schon etwa 600 in der Sowjetunion
geben durfte Sie werden bei den sogenannten , Hausern für
Gesundheitserziehung', bei den Kulturhausern und Klubs eingelichtet und stehen unter der Aufsicht der Gesundheitsbehorden An ihrer Leitung sind die Gewerkschaften und die
Gesellschaft zur Verbieitung politischer und wissenschaftlicher Kenntnisse' beteihgi
Diese positive vorbeugende Gesundheitsfuisorge erhalt für
uns allerdings ein negatives Vorzeichen in dem Augenblick,
in dem die Gesundheitserziehung für die kommunistische
Propaganda mißbraucht wird, wenn es auch ohne weiteres
glaubhaft erscheint, daß die Erziehungsarbeit wesentlich zum
Ruckgang der Epidemien, zur Senkung der Zahl der ansteckenden Krankheiten und nicht zuletzt zum Gesundheits
schütz wahrend des Krieges beigefragen hat
Wenn ich abschließend einige kritische Vorbehalte wenig-
stens andeuten will, so richten sich diese, ganz im Sinne dei
sowjetischen Definition von Gesundheit und Vorbeugung,
gegen die sozialen Lebensbedingungen Ich darf nur daran
ei mnern, daß der sowjetische Bauplan jedem Burger 9 m2
Wohnflache zuweist Das ist an sich schon wenig genug für
unsere Begriffe In der Praxis entfallen |edoch in Moskau
und Leningiad auf |eden erwachsenen Einwohner im Mittel
nur 6 m2 Es ist beinahe noch die Regel, daß Familien mit drei
bis vier Erwachsenen in nur einem Raum von 15 bis 25 m2
Große zusammenleben Und was in den Großstädten in weiten, uniformen Siedlungen an Neubau-Wohnungen errichtet
wird, wurde man nicht gegen ein Appartement unseres ge
schmähten sozialen Wohnungsbaus eintauschen mögen
Zur Sicherung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit gehört
ferner die ausreichende Erholung, für die wir drei Wochen
als Mindestzeit ansehen In der Sowjetunion gesteht das Gesetz |edem Arbeitnehmer einen Jahresurlaub von 12 Arbeitstagen zu Gewiß, für Beschäftigungen unter schweren und
gesundheitsschädlichen Bedingungen gibt es Zusatzurlaub
von 6 oder 12 Tagen, aber in diesen Genuß kommt doch
nur ein Teil der arbeitenden Bevölkerung
Mir diesen beiden Punkten will ich nur einen leisen Zweifel
andeuten, ob im , Paradies der Arbeiter" die Praventivmedizin
und vieles andere wirklich so wohl geordnet sind, wie Pro
gramme, Plane und staatliche Einrichtungen es erscheinen
lassen Andeierseits glaube ich wohl, daß einem autoritären
Staatswesen auch auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge
andere Möglichkeiten zur Verfugung stehen als uns oder
anderen demokratischen Landern
Anschrift des Verfassers Akadem scher Rat Dr
1000 Berlin Dahlem Garystiaße 55
med
H
MULLER DIETZ
Aus dem Laboratorium f mediz u klin Untersuchungen Bad Homburg v d H
Zur Pharmakologie wichtiger Arzneipflanzen
Von H Peter
In den letzten Jahren sind gefahrliche bisher nicht erwartete
Nebenwirkungen von Arzneimitteln bekannt geworden Der
unsinnigste Weg zu ihrer Vermeidung ist die breite journalistische Aufbauschung in der Tagespresse, da sie das Vertrauen der Patienten uberflussigerweise belastet und dieHeilaussichten somit verringert Der gewissenhafte Arzt hat sich
immer bemuht, Nebenwirkungen zu vermeiden, und ist daher
bei neuen Prapararen besonders vorsichtig Nicht umsonst
verlangt er für diese seit langer Zeit die Rezeptpflicht Ebenso selbstverständlich bemuht sich die pharmazeutische Industrie, auch ohne Warnungen der Tagespresse, in |eder
Hinsicht optimale Präparate zu entwickeln
Welche Möglichkeiten hat nun dei behandelnde Arzt, eine
Therapie ohne Schaden durchzufühlen2 Er muß vielleicht
starker als bisher, bei auffälligem Krankheitsverlauf auch an
Nebenwirkungen der verwendeten Arznei denken, sie registrieren und gegebenenfalls veröffentlichen Dieser Notwendigkeit wird z B dadurch Rechnung getragen, daß große
medizinische Zeitschriften wie die „Deutsche Medizinische
Wochenschrift" seit einiger Zeit in ihrem Referatenteil eine
besondere Abteilung , Arzneimittelnebenwirkungen" fuhren
Weiter wird der gewissenhafte Arzt die Indikation der verwendeten Präparate enengen und stark wirksame nur da
einsetzen, wo sie wirklich erforderlich sind d h z B nicht
schon zur Vorbeugung, sondern erst bei bereits eingetretenen Komplikationen In diesem Zusammenhang sei der Hin
weis gestattet, daß es zui Vorbeugung für den größten und
gefährlichsten Teil aller Gesundheitsstörungen, nämlich die
Infektionskrankheiten, als w rksamste Vorbeugung die aktive
Schutzimpfung gibt, deren hohe Bedeutung und Wirksamkeit
nur noch der Uneinsichtige übersehen kann Größte Zurückhaltung ist z B bei nicht indiziertem Einsatz von Antibiotika
geboten So ist es unsinnig, sie sofort bei |eder Erkaltungskrankheit zu verordnen In diesem Zusammenhang sei der
von R F WEISS in seiner Phytotherapie' zitierte klinische
Versuch der Amerikaner TRAISMAN und HARDY an drei
Kindergruppen mit grippösem Infekt erwähnt, die erste
Gruppe wurde mit Bettruhe, Lindenblütentee und allenfalls
ein bis zwei Aspirin Tabletten, die zweite zusätzlich mit
Sulfonamiden und die dritte nur mit Antibiotika behandelt
Überraschenderweise wurde die nur mit Bettruhe und Lindenblütentee versorgte am schnellsten gesund und bekam die
wenigsten Komplikationen' Man soll sich also an die fundamentale Tatsache erinnern daß der Organismus selbst gesunden muß und wir ihm nur die dazu unerläßlichen Hilfen
geben dürfen Es ist also vernunftig und daher zu fordern,
in viel stärkerem Maße erprobte natürliche Heilverfahren
anzuwenden und an Medikamenten wirksame Aizneipflanzen
einzusetzen R F WEISS sagt von ihnen, ihre Unschädlichkeit sei durch d e jahrhundertelange Anwendung in der Heilkunde bereits erwiesen
Mit Recht will nun dei Arzt, der Kranke erfolgreich behandeln muß, nur solche pflanzlichen Mittel anwenden, deren
Wirkung auch experimentell untermauert ist und deren Wirksubstanzen nach Möglichkeit isoliert und rein dargestellt
sind Umgekehrt kann der Phytotherapeut verlangen, daß
wirklich alle Möglichkeiten ausgenutzt werden, Heileffekte
von Drogen nachzuweisen Hierzu muß die Prüfung auf bretester Basis und nicht nur mit klassischen pharmakologischen
Methoden erfolgen Denn oft vermögen sie empirisch langst
bekannte Heilpflanzenwirkungen experimentell nicht zu bestätigen Gerade auch die unerwarteten Nebenwirkungen erfordern die umfassendste Prüfung aller Medikamente durch
einen Stab von Wissenschaftlern der verschiedensten medizinischen Fächer, in dem u a Pharmakofogen, Physiologen,
Biochemiker, Pathologen, Bakteriologen und Serologen sowie
neuerdings Genetiker vertreten sein müssen Die Untersuchung pflanzlicher Arzneimittel auf so breiter Basis wird
mit Sicherheit noch viele bekannte Heilwirkungen experimentell bestätigen und somit zur allgemeinen Anerkennung der
Phytotherapie beitragen. Hierfür wird auch die vorliegende
Darstellung Beispiele bringen.
Sie beabsichtigt nicht, die bekannte klassische Pharmakologie
der großen Drogen zu beschreiben. Sie soll vielmehr über
Wirkungsmechanismen von Heilpflanzen berichten, die gerade mit Methoden der pharmakologischen Grenzgebiete
gewonnen worden sind. So bedarf es keiner Diskussion, daß
von jeher die Herzglykoside 1. und 2. Ordnung ihre klar
umrissenen Indikationen haben und daß sie experimentell
nach allen Seiten durchforscht sind. Ebenso hat sich aber für
bestimmte Herzaffektionen, z. B. das Altersherz, das Hypertonikerherz, Rhythmusstörungen, der Weißdorn durchgesetzt.
Wußte man eine Reihe von Jahren von seiner günstigen
Wirkung lediglich aus der klinischen Erfahrung, so sind heute
gesicherte pharmakologische und chemische Daten darüber
bekannt. Es ist vor allem ein Verdienst der Forschungslaboratorien der Fa. Dr. Willmar Schwabe, zur Chemie der
Crataegus-inhaltsstorre den wesentlichsten Beitrag geliefert
zu haben: nach SCHWABE, NEU und FIEDLER sind die
Hauptwirkstoffe sechs Flavonoide, nämlich Hyperosid, Quercetin, Vitexin, Vitexinrhamnosid, 1-Epicatechin und Leukocyan. Außerdem sind u. a. Triterpencarbonsäuren, nämlich
O/eanol-, Ursol-, Crafaego/säure (ULLSPERGER, SCHINDLER
u. a.), Chlorogen- und Kaffeesäure (NEU), die Purinderivate
Adenosin, Adenin, Guanin (KRANEN-FIEDLER), Cholin und
Acetylcholin (NEU und FIEDLER) sowie biogene Amine
(NEU) nachgewiesen.
Pharmakologisch haben TRUNZLER und SCHULER am modifizierten Langendorff-Herzen folgende Wirkungen des Gesa mt-Exfraktes Crataegutt® nachweisen können: 0,15 ml erzeugen bei 4,5 Minuten longer Infusion eine 1 Stunde anhaltende Verbesserung des Koronardurchflusses, eine positive
chronotrope und eine deutliche positive-inotrope Wirkung
mit Vergrößerung der Kontraktionsamplitude. In analogen
Versuchen verhielten sich Digoxin und Digitoxin ebenfalls
positiv-inotrop, jedoch negativ-chronotrop bei geringer Abnahme des Koronardurchflusses.
Nach derselben Methodik haben die gleichen Autoren die
Crataegutt-Wirkung auf das durch Überangebot von Klonen geschädigten Meerschweinchenherz untersucht. Es führt
zu einer erheblichen Verringerung der Herzkontraktion und
zur Verlangsamung des Herzrhythmus. Crataegutt beseitigt
diese Schäden sofort, während sie weder Digoxin oder Digitoxin noch Strophanthin beeinflussen können. Wurde die
Herzschädigung durch Kalziumverringerung in der Durchströmungsflüssigkeit erzeugt, so gelang auch hierbei durch
Crataegutt® die Normalisierung der Herztätigkeit. Diese Ergebnisse zeigen, daß Crataegusgesamtextrakte einerseits
Effekte erzielen, die mit den durch Digitalis oder Strophanthin hervorgerufenen übereinstimmen, andererseits aber auch
nur ihnen selbst eigentümliche spezifische Effekte besitzen.
Sie beruhen wohl zum größten Teil auf den nachgewiesenen
Flavonoiden. Diese stellen Redoxsysteme dar, die am Zelleiweiß angreifen, als prosthetische Gruppe eines Atmungsfermentes wirken und aktiv den oxydativen Myokardstoffwecfise) beeinflussen. Nach BÖHM lassen sich z. ß. die den
oxydativen Zellstoffwechsel schädigenden Wirkungen des
Fermentgiftes Malachitgrün durch Crataegus-Hyperosid meßbar abschwächen und die überlebenszeit der Tiere gegenüber Kontrollen signifikant verlängern. HEYMANNS und
FRANK haben in klinisch-experimentellen Arbeiten an
Schwerstarbeitern unter O2-Mangelatmung ebenfalls eine
bessere Ausnutzung des angebotenen Sauerstoffes durch
Crataegusflavone nachweisen können.
Daß Crataegus-Flavone auch in die anoxydative Glykolyse
eingreifen, hat KÖHLER durch Senkung eines erhöhten Glykogengehaltes im Herzmuskel experimentell festgestellt. Weiter wird das Eingreifen der Crataeguswirkstoffe in den
anaeroben Myokardstoffwechsel durch Untersuchungen von
PIATY und KANTHER dadurch bewiesen, daß sie eine Senkung des Milchsäure- und Brenztraubensäurespiegels im Blut
durch Crataegus und andere Herzglykoside bei Insuffizienzen
feststellten.
212
Auch hier erwies sich Crataegus also als wirkungsidenfisch
mit anderen Herzmitteln oder koronarerweitemden Substanzen. DOHRMANN konnte allerdings klinisch experimentell
feststellen, daß die Senkung des Milchsäurespiegels durch
Herzglykoside erster Ordnung nicht etwa nur den anaeroben
Herzstoffwechsel betrifft, sondern durch diese Substanzen
auch bei Carcinomkranken ohne Myokardschäden eintritt.
Diese Versuche weisen wieder auf die Tatsache hin, daß
man bei der Herztherapie, wie natürlich bei jeder anderen
Behandlung, nicht nur das gewünschte Erfolgsorgan, sondern auch andere Systeme des Organismus beeinflußt. Auf
die Kreislaufwirksamkeit der im Crataegus enthaltenen Purinderivate sei ebenfalls hingewiesen. SCHWAB und NEU ist
übrigens der direkte Nachweis gelungen, daß ein wesentlicher Teil der Crataeguswirkung auf den Flavonoiden beruht: sie erzielten mit dem aus der Droge isolierten 1-Epicafechm am Langendorff-Herzen sfefs eine deutliche Verbesserung des Koronardurchflusses. Der Effekt war allerdings
schwächer als der des Gesamtextraktes. So erkennen wir
also auch bei Crataegus Grenzen der Isolierung und Reindarstellung von Fraktionen: sie drücken sich darin aus, daß
der Gesamtextrakt stärkere oder auch andere Effekte aufweist als die Summe der bekannten Komponenten. Diese
Tatsache ist auch von den über 20 Einzelwirkstoffen der RauwoJfia bekannt, Arbeiten, an denen ACHELIS und KRONEBERG wesentlich beteiligt waren. Das gleiche gilt für die
vor allem von STOLL dargestellten Baldrianfraktionen, bei
deren Summierung die Wirkung der Gesamtdroge nicht erreicht wird. Es handelt sich hierbei nicht um eine Erscheinung nur der Pharmakologie und Pharmazie; wir kennen
sie auch aus der Immunologie; nicht immer haben hochgereinigte Toxine oder Toxoide eine höhere antigene Wirkung als weniger reine Präparate. Außerdem läßt sich die
immunisierende Wirkung durch Zusatz von Adsorbentien wie
Kalialaun oder Aluminiumhydroxyd erheblich verstärken, wie
dies unsere modernen Adsorbatimpfstoffe beweisen. RAMON
hat höchste Antitoxinfiter bei Pferden dadurch erzielen können, daß er seinen Diphtherietoxinen und -toxoiden Tapiocapulver zusetzte. In der Immunologie beruht ein Teil der verstärkenden Wirkung von Begleitstoffen sicher auf der Verzögerung der Resorption, ein anderer auf einer unspezifischen Reizung des RES. In der Pharmazie dürfte die potenzierende Wirkung mehrerer Wirksfoffkomponenten und wahrscheinlich auch die Erhöhung der Verträglichkeit bei Gemischen dafür die Hauptrolle spielen. Können also einerseits
bei pharmakologischer Untersuchung von Drogen spezifische
Wirkungen durch ubiquitäre Komponenten vorgetäuscht werden, so sind diese oft aber auch gerade zur Verstärkung
spezifischer Effekte notwendig.
Abschließend kann zu den heute vorliegenden Crafaegusuntersuchungen gesagt werden, daß die Anwendung solcher
Präparate für bestimmte Herz- und Kreislaufaffektionen
experimentell begründet und daher durchaus sinnvoll ist. Leider verbietet die Zeit die gleiche ausführliche Darstellung
des Convallariaproblems, mit dem sich vor allem die Firma
Madaus beschäftigt. ORZECHOWSKI kommt in einer Zusammenfassung der eigenen und der Arbeiten des Schrifttums zu
dem Ergebnis, daß zwischen den Herzglykosiden 1. und
2. Ordnung - zu letzteren gehören bekanntlich die der Convallaria - grundlegende qualitative Wirkungsunterschiede nicht
bestehen, sondern lediglich quantitative. Sie beruhen auf den
verschiedenen Löslichkeitsverhältnissen, die in der Konstitution der Mittel bedingt sind: Digitalis-, also Glykoside
1. Ordnung sind lipoidlöslicher, besser resorbierbar, aber
schwerer steuerbar, haftfähiger und kumulierend. Die Glykoside 2. Odnung, darunter also die Convallaria, sind dagegen wasserlöslicher, schlechter resorbierbar, besser steuerbar, weniger haftend und nicht kumulierend. Damit erweisen
sie sich als Mittel der Wahl für empfindliche Herzen, die auf
wasserlösliche Glykoside besser ansprechen und ohne Risiko
behandelt werden müssen. Somit sind also auch diese Convallaria-Präparate mit nativen Glykosiden experimentell eingehend begründet und stellen eine Bereicherung der Herztherapie dar.
Ein weiteres wichtiges Gebiet der Kreislaufforschung betrifft
den Hochdruck. Hier besteht für den Therapeuten die Möglichkeit, mit den weitestgehend durchuntersuchten RauwolflaPräparaten, mit Ganglien- oder peripheren Sympathicusblockern wirksam einzugreifen.
Leider ist der Erfolg nicht in allen Fällen ideal und ein
orthosfatischer Kollaps besonders bei synthetischen Blockern
nicht immer vermeidbar. Es ist also berechtigt, weiter nach
phytotherapeutischen Möglichkeiten zur Blutdrucksenkung zu
suchen. Solche liegen nach Untersuchungen von HARDIKAR,
ARCHANGELSK^ HILDEBRAND, TRUNZLER u. a. in verschiedenen Rhododendronarten und dem daraus isolierten
Andromedotoxin vor. Bei einer DL 50 von 2 bis 5 mg/kg
konnten HILDEBRAND, TRUNZLER und Mitarbeiter mit
0,25 mg/kg eine Th Std. anhaltende Blutdrucksenkung durch
das rein dargestellte kristalline Andromedotoxin erzielen.
Höhere Dosen bewirken einen starken abrupten Abfall mit
ausgeprägter Bradycardie und Atmungsverlangsamung bis
-stillstand. Dabei konnten MORAN und Mitarbeiter sowie
HILDEBRAND, TRUNZLER und Mitarbeiter die Senkung durch
therapeutisch interessierende Dosen als eine Wirkung über
den Carotissinus erweisen. Die gleichen Autoren haben auch
eine zusätzliche positiv-inotrope, also leistungssteigernde Wirkung am geschädigten bzw. ermüdeten Herzen experimentell
festgestellt. Hier liegen also experimentelle Daten vor, die
zu einer klinischen Anwendung von Rhododendron-Auszügen
oder von Andromedotoxin in niedrigen, therapeutisch wirksamen, aber noch nebenwirkungsfreien Dosen zur langfristigen Blutdrucksenkung ermutigen, besonders wenn die Möglichkeit einer Potenzierung durch Kombination mit anderen
Präparaten ausgenutzt wird.
Ein Gebiet, auf dem ohne erschöpfende Sachkenntnis großes
Unheil angerichtet werden kann, ist das der Behandlung mit
Hormonen oder Stoffen, die die Hormonproduktion beeinflussen. Besonders KAUFFMANN hat hierauf immer wieder hingewiesen. Ein „solches Kapitel stellt m. E. auch die Verhütung
der Konzeption durch Beeinflussung des Ovulationsvorganges
dar. Ein wesentlich milderer Weg, hormonelle Dysfunktionen
ohne Schäden zu beeinflussen, ist dem Phytotherapeuten in
pflanzlichen Mitteln wie den Emmenagoga oder dem Vitex
agnus castus, der Actaea racemosa, dem Rheum raponticum,
dem Lifhospermum officinale u. a. bekannt. Während für letzteren die Blockierung des Hypophysenvorderlappenhormons
durch KEMPER, LOESER und RICHTER sowie durch NOBLE
und Mitarbeiter nachgewiesen worden ist, soll Agnus castus
über Hypophyse und Zwischenhirn die Gelbkörperproduktion
anregen. Agnus castus-Auszüge (Agnolyt®) werden daher bei
vielen Fällen von Amenorrhoe und als Lactagogum erfolgreich verwendet. Auch in der Actaea racemosa kommen
oestrogenartige Stoffe vor. Weniger bekannt sind der Nachweis oestrogener Substanzen in Ginsengextrakten durch INSU
SUN und neuerdings von insulinähnlichen Wirkungen durch
BRECHMAN und PETKOV.
Ebenfalls neueren Datums sind Untersuchungen von KEMPER,
LOESER und RICHTER über Lycopusarten. Gefriertrockenextrakte aus Lycopus virginicus schwächten in vitro die Wirkung gonadotroper sowie thyreotroper Hormone ab oder
hoben sie völlig auf. Die Autoren erhielten damit die gleichen
antithyreotropen und antigonadotropen Effekte wie durch
Lifhospermum. Somit bestätigen sie ältere Beobachtungen
von MADAUS, KOCH und ALBUS, von HILLER und Mitarbeitern sowie von ULLERICH. Die antithyreofrope Wirkung wurde
durch histologische Untersuchung von Schilddrüsen junger
Meerschweinchen festgestellt. Die Tiere erhielten thyreotropes
Hormon, das für zwei Stunden bei 37° C mit 1 bis 5 mg
Lycopus-Gefriertrockenextrakt inkubierf worden war. Bei diesen Tieren blieb gegenüber den allein mit thyreotropem Hormon behandelten Kontrollen die Proliferation der Acinusepithelien und die Verarmung an färbbarem Kolloid aus.
Die Autoren konnten weiter durch gonadotrope Wirkstoffe
eine deutliche Gewichtszunahme von Uterus und Ovarien
infantiler Ratten um das Dreifache gegenüber Kontrolltieren
erzielen. Sie blieb aus, wenn das gonadotrope Hormon vorher mit Lycopus-Trackenextrakt inkubiert worden war. Bereits 100 gamma davon riefen eine völlige Inaktivierung des
gonadotropen Hormons hervor. Hiermit finden also Präparate
wie das Thyreogutt®, das außerdem auch noch Leonurus Cardiaca enthält, und das Lycocyn® zur Behandlung vegetativer
Dystönien mit hyperthyreoten Zügen sowie Hyperthyreosen
leichteren Grades ihre experimentelle Begründung. Der Phytotherapeut hat mit ihnen wirksame Thyreosedativa in der
Hand, die sich wahrscheinlich immer als ungefährlich und
als harmloser als synthetische Mittel erweisen werden.
Ein letztes Kapitel soll die Behandlung von Infektionen erörtern. Auf die Verhütungsmöglichkeiten durch Schutzimpfungen kann nicht genug hingewiesen werden. Weiter ist es
keine Frage, daß sich das Bild vieler Infektionskrankheiten
durch die Entwicklung der Suifonamide und der Antibiotika
gewandelt hat, und daß ihr Einsatz in vielen Fällen lebensrettend wirkt. Andererseits wissen wir aber auch, daß dabei
mit zum Teil schweren Nebenwirkungen auf allergischer Basis
gerechnet werden muß. Ein weiterer sehr unangenehmer
Nachteil ist die Entstehung resistenter Erreger, die die Sulfonamid- und Antibiotikatherapie dann wertlos machen.
Außerdem kann es zu einer Veränderung des „normalen"
Krankheitsablaufes kommen, weil z. B. die Immunitätsvorgänge, also die Bildung körpereigener Abwehrstoffe empfindlich gestört werden. So nimmt es nicht wunder, daß immer neue Hemmstoffe gesucht und bessere Präparate entwickelt werden.
Auf diesem Wege haben die Arbeiten von WINTER und
WILLEKE zur Isolierung des Benzylsenföls als interessantem
antibiotischen Wirkstoff aus der Garten- und Brunnenkresse
geführt. Sein breites Wirkungsspektrum beeinflußt zahlreiche
grampositive und gramnegative Bakterien, Pilze und sogar
Viren. Bei Genuß der frischen Pflanze oder der daraus hergestellten Präparate Tromalyt® und Tromacaps® wird der
Wirkstoff durch die Harnwege und Lunge ausgeschieden. Er
entfaltet daher bei Infektionen dieser Organsysteme auch
seine größte Wirksamkeit. Dabei kommen höchstens unbedeutende Veränderungen der Darmflora vor; auch sind die
Entstehung resistenter Keime und eine Störung der Antikörperbildung (HALBEISEN) noch nicht beobachtet worden.
Ähnliche gute antibiotische Wirkungen entfalten das Allylsenföl und das Methylthiopentylsenföl, die SCHULZ aus
Meerrettich isoliert hat. Nach WINTER, WILLEKE und HALBEISEN umfaßt die Hemmwirkung hier sogar eine große Zahl
pathogener Hautpilze.
Diese Wirkstoffe höherer Pflanzen sind nicht nur als Beispiele für neue wirkungsvolle und nebenwirkungsärmere
Antibiotika erwähnt worden. WINTER selbst hat darauf hingewiesen, daß die genannten Pflanzen und viele andere mit
eventuell noch unbekannten antibiotischen Substanzen ebenso
wie Gewürze Bestandteile unserer Nahrung sind. In Selbstversuchen und im Tierexperiment hat er nachgewiesen, daß
man sich damit tatsächlich z. T. therapeutische, größtenteils
natürlich unterschwellige Dosen antibiotischer Wirkstoffe zuführt. Er diskutiert aber an Hand dieser Befunde die Bedeutung einer „antibakteriellen Diät". Diese zweifellos richtigen
Überlegungen beweisen den Wert einer vernünftigen abwechslungsreichen Ernährung oder gezielten Diät mit frischem Gemüse, Gewürzen und Kräutern sowie der Durchführung von Behandlungen im Sinne von Frühjahrskuren.
Selbstverständlich wußte auch WINTER, daß dabei noch
andere Stoffe wie Vitamine oder solche eine Rolle spielen,
die die körpereigene Abwehr unspezifisch steigern, also
keine Antibiose hervorrufen. Daß diese bei bestimmten Pflanzen aber doch zur Geltung kommt, konnten GERRIETS und
BROSELL dadurch beweisen, daß sie bei Zufütterung von
2 g Gartenkresse an Kücken, die mit Salmonella pullorum
infiziert worden waren, die Verlustrate um 33,4 bis 44,8%
herabdrücken konnten. Der Wert dieser Zahlen wird evident,
wenn man hört, daß man bei der Chemotherapie mit Sulfonamiden oder Antibiotika auch nur eine Senkung um 30 bis
60 % erreicht.
Der Meerrettich wurde auch vor allem deshalb erwähnt, weil
inzwischen ein weiterer wichtiger antibakterieller Wirkungsmechanismus an ihm aufgeklärt worden ist: KIENHOLZ, der
1. Preisträger des „Dr.-Willmar-Schwabe-Preises", hat kürzlich berichtet, daß sehr geringe Mengen der aus Meerrettich
und Kamille destillierten ö l e in der Lage sind, ein Mehrfaches der Staphylokokken- und Streptokokkengiftmenge zu
entgiften, das im Körper schwere Schäden verursacht. Dabei
beruht der Effekt des Kamillenöls und seiner Komponenten
auf einer Inaktivierung der schon gebildeten Bakterientoxine,
während die Meerrettichwirksfoffe die Toxinproduktion der
Bakterien hemmen. Ein Eingreifen in den Abwehrmechanismus des Körpers, eine erhöhte Antikörperbildung oder ein
unspezifischer Reiz auf das Vegetativum konnte bei beiden
Pflanzen nicht nachgewiesen werden. Weitere Arbeiten des
Verfassers laufen erfolgreich in dieser Richtung, noch wirksamere Derivate der Kamillenwirkstoffe zu finden. Mit
solchen hat er nämlich in orientierenden Versuchen noch
stärkere antitoxische Effekte erzielen können.
Diesen Ergebnissen kommt insofern eine große Bedeutung
zu, als dabei mit pharmakologischen „Außerseifer-Mefhoden"
die Aufklärung längst bekannter Heilwirkungen von Arzneipflanzen gelungen ist. Das gleiche gilt für Arbeiten von
MOSE, dem 2. Preisträger der „Schwabe-Stiftung", der frühere
Ergebnisse mit Extrakten aus Aristolochia clematitis (Osterluzei) jetzt mit der daraus isolierten Arisfolochiasä'ure bestätigt hat: er konnte mit ihnen eine Steigerung der Phagocytoseaktivität und der Serumbactericidie erzielen. Im direkten Infektionsversuch bei der weißen Maus wurden damit
günstige Behandlungserfolge bei Pneumokokken- und Breslauinfektionen beobachtet, und zwar sowohl bei Infektion a(s
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SO A
Abb. 2
Prozentuale Überlebenszeiten von 2 Kollektiven zu je 20 weißen Mäusen infiziert mit Breslaubakterien. Kontrollen nicht
vorbehandelt, 2. Kollektiv mit Resplant vorbehandelt.
Wir selbst haben experimentelle Untersuchungen an der
weißen Maus mit drei Kompositenpräparaten des Handels,
vor allem mit Resplant®, durchgeführt: So wurden z. B. drei
Kollektive von je 20 Tieren mit den Präparaten vier Wochen
lang vorbehandeft; ein weiteres blieb unbehandelt. Dann
wurden alle Tiere mit Breslaubakterien subkutan infiziert und
die öberlebenszeiten beobachtet. Alle drei mit den Präparaten vorbehandelten Kollektive zeigten gegenüber den Kontrollen eine deutlich verlängerte Lebensdauer (Abb. 1). In
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Abb. 1
Prozentuale Überlebenszeiten von 4 Kollektiven zu je 20 weißen Mäusen infiziert mit Breslaubakterien: Kontrollen =
nicht vorbehandelt, I—III = vorbehandelt mit 3 verschiedenen
Reiz-Körper-Präparaten des Handels.
auch bei oraler Gabe der Aristolochiazubereitungen. Dabei
stellte man das Fehlen der Beeinflussung der Antikörperproduktion, einer Leukozytenvermehrung und eines antibiotischen Effektes fest. So ist auch für ein Teilgebiet der Anwend u n g der Osterluzei durch den Phytotherapeuten eine experimentelle Begründung gefunden. Dabei ist interessant, daß es
sich bei Pflanzen ähnlicher Indikationen wie der Kamille und
der Osterluzei doch keineswegs um einen uniformen Wirkungsmechanismus und etwa immer nur um Antibiose
handelt.
Noch völlig andere Effekte kommen vielen Kompositen zu,
die heute für die unspezifische Infektabwehr eine immer
größere Rolie zu spielen beginnen: es sind Arzneien, die
bei parenteraler, aber auch bei oraler Gabe eine vegetative
Gesamfumschaltung im Sinne HOFFS hervorrufen. Die dabei
verstärkten unspezifischen Abwehrmechanismen vermögen
fedoch gegen alle möglichen Infekte s p e z i f i s c h zu schützen, müssen also polyvalent sein. Diese Eigenschaft beruht
wahrscheinlich z. T. darauf, daß solche Pflanzen ebenso wie
auch andere unspezifische Reize eine Vermehrung des Properdins, des Komplements und des v-Globulins herbeiführen.
BÜSING hat den Anstieg des Properdins im Tierversuch mit
Echinacin® und HENNEMANN mit Resplant® beim Menschen
nachgewiesen. Einen weiteren Schutzmechanismus allgemeiner Art stellt die ebenfalls von BÜSING festgestellte
Hyaluronidasehemmung durch Echinacin dar, die sich ebenfalls gegen die verschiedensten Erreger richtet.
214
Abb. 3
Absterberaten in Prozent bei 23 mit Kontroilösung und 27 mit
Resplant vorbehandelten Meerschweinchen nach Infektion mit
Breslaubakterien.
der gleichen Versuchsanordnung wurden verschiedene Spezialfragen mit dem Präparat Resplant® geklärt. Hierbei
wurde einige Male das überleben resplantvorbehandelter
Mäuse beobachtet, während alle Kontrollen der massiven
Infektion erlagen. Einen solchen Versuch zeigt Abb. 2.
Bei einem ähnlichen Versuch mit 23 unbehandelten und
27 Resplant-Meerschweinchen starben bei 30tägiger Beobachtung 3 9 % der Kontrollen und nur 14,8% der Resplant-Tiere
(Abb. 3). Die gleichen Meerschweinchen waren unter derVor-
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behandlung dreimal mit abgetöteten Coiibakterien immunisiert worden. Vor der Infektion wurde ihnen Blut abgenommen und daran der Coli-Antikörpertiter untersucht: er war
bei den resplantvorbehandelten Tieren im Durchschnitt doppelt so hoch wie bei den Kontrollen (Abb. 4). So führt also
die unspezifische Abwehrsfeigerung durch Resplanf zu einer
Verstärkung der s p e z i f i s c h en Antikörperbildung.
Nach Abschluß des Versuches haben wir bei den Tieren, die
die Breslauinfektion überlebt hatten, wiederum eine Blutentnahme und eine Messung des Breslau-Antikörpertiters
durchgeführt. Er war wieder bei den Resplant-Tieren über
doppelt so hoch wie bei den unbehandelten Kontrollen, obgleich die Vorbehandlung über einen Monat zurücklag
(Abb. 4). Damit bestätigten wir mit Resplant die Ergebnisse,
die BÜSING früher bei der Antikörpermessung unter
Echinacin-Vorbehandlung erhalten hatte. Somit kann für den
Mechanismus der Infektabwehr, die wir durch signifikante
Verlängerung der Überlebenszeit Breslau-infizierter Tiere mit
Resplant nachgewiesen haben, angenommen werden, daß sie
über eine Vermehrung des unspezifischen Properdins und
Komplements sowie eine Verstärkung der Bildung spezifischer Antikörper zustande kommt. Der Phytothperapeut aber
kann mit den unspezifischen Reizkörpern pflanzlicher Herkunft eine wirksame Vorbeugung gegen und Behandlung
von Infekten durchführen.
Die vorstehenden Ausführungen haben wirksame „Ersatz"Präparate für bewährte, hochwirksame, aber z. T. problematische Arzneimittel aufgezeigt. Damit soll diesen aber
keineswegs der hohe therapeutische Wert bei speziellen und
lebensbedrohlichen Indikationen abgesprochen werden, da
dann alle Nebenwirkungen gegebenenfalls in Kauf genommen werden müssen.
Literatur kann vom Verfasser angefordert werden.
Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. med. H. PETER, 6000 Frankfurt a. M. ?,
Eschenheimer Landstraße 154
Aus der Kinderabteilung des evgl. Krankenhauses Huyssens-Stiftung Essen (Leitender Arzt: D. H.-U. Sauerbrei)
Diabetes mellitus im Kindesalter
Von H.-U. S a u e r b r e i
In Deutschland rechnet man z. Z. auf 50 erwachsene Diabetiker ein zuckerkrankes Kind (KRAINICK). Die Zahl der
diabetischen Kinder nimmt zweifellos ständig zu. Immer
häufiger wird also in Zukunft der praktizierende Arzt dem
Problem gegenüberstehen, in seiner Sprechstunde bei einem
Kinde die Diagnose Diabetes meHifus stellen und eme entsprechende Therapie durchführen zu müssen. Dies geht auch
aus einer Arbeit von KRAINICK und STRUWE hervor, welche
das Ergebnis einer Umfrage darstellt, die 1958 im Auftrage
des Deutschen Diabetes-Komitees durchgeführt wurde. Die
Umfrage, zu der auch wir unsere Essener Zahlen beisteuerten, wurde damals von 92 Kliniken beantwortet.
Unter Vorbehalt darf der Schluß gezogen werden, daß die
jährliche Manifestationsrate des Diabetes mellitus im Kindesalter in den letzten fünf Jahren verglichen mit der der fünf
Vorjahre beträchtlich zugenommen hat.
Wenn nun feststeht, daß der Diabetes mellitus im Kindesalter
zunimmt (absolute Zahlen ca. 20000 im Alter von 0-15 Jahren in der Bundesrepublik), müssen wir fragen: Woher kommt
diese Zunahme? Damit ist verknüpft die Frage: Wie entsteht
der Diabetes? Zwangsläufig stoßen wir dabei auf das Problem der Vererbung der Zuckerkrankheit.
Die Zunahme des kindlichen Diabetes ist u. a. einmal dadurch bedingt, daß diabetische Mädchen praktisch erst nach
Einführung des Insulins im Jahre 1921 in ein gebährfähiges
Alter kamen und fertil werden konnten, zum anderen diabetische Frauen heute bedeutend häufiger empfangen und eine
Schwangerschaft austragen, auf diese Weise aber natürlich
di'abefisches Erbgut weifergeben. Auch zuckerkranke Knaben
erreichen erst seit 1921 ein fortpflanzungsfähiges Alter, denn
vor der Entdeckung des Insulins starb jedes zuckerkranke
Kind spätestens zwei Jahre nach Feststellung der Krankheit,
entweder am Hungertod oder im diabetischen Coma.
Zu den Kindern der erst in höherem Alter jenseits der Generationsphase zuckerkrank gewordenen Menschen kommen
also jetzt die Nachkommen der seit 1921 geborenen und
schon als Kind oder Jugendlicher an Diabetes erkrankten
Patienten. Das ist praktisch erst eine Generation, d. h. wir
stehen noch am Anfang dieser Zunahme.
Wenn also mehr Diabetiker fortpfianzungsfähig werden, muß
unter der Voraussetzung, daß es sich um eine Erbkrankheit
handelt, die Zahl der zuckerkranken Kinder ansteigen. An
der Tatsache der Vererbung kann nicht gezweifelt werden,
wenn auch die Art und Weise der Vererbung nach neueren
Untersuchungen nicht so einfach ist, wie man früher annahm.
Bisher hielt man den Diabetes für eine den Mendelschen
Regeln folgende r e c e s s i v v e r e r b b a r e
Krankheit.
Dem ist jedoch in den letzten Jahren von verschiedenen Seiten widersprochen worden. Nach FRÄSER gibt es z. Z. vier
Theorien über den Erbgang der Zuckerkrankheit, die alle
eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben.
1. Es handelt sich um ein dominantes Gen mit geringer Penetranz.
2. Eine recessive Anlage wird durch äußere Faktoren aktiviert.
3. Es handelt sich um recessive Gene mit 100%iger Manifestation, wenn die homozygote Person 90 Jahre alt wird.
4. Es handelt sich um ein Gen-Paar, welches bei Heterozytie
einen Erwachsenendiabetes, bei Homozygofie einen kindlichen Diabetes hervorruft.
GÜNTHER, ein Schüler von KATSCH, hat in Greifswald nach
Untersuchungen an 10000 behandelten Diabetikern gefolgert,
daß es sich beim Diabetes um eine u n r e g e l m ä ß i g e d o m i n a n t e V e r e r b u n g mit geringer Penetranz handelt. Es
besteht demnach ausreichender Grund zu der Annahme, daß
auch schon heterzygote Träger der Diabetesanlage erkranken können.
Diese mehr theoretischen Erwägungen möchte ich durch
einige praktische Fragen zur E r b p r o g n o s e abschließen.
Denn in der Sprechstunde wird der Arzt von den Eltern, die
ein zuckerkrankes Kind haben, gefragt, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, daß Geschwister dieses Kindes auch an
Diabetes erkranken werden. Folgendes kann gesagt werden:
1. Sind beide Eltern frei von Diabetes und ein Kind zuckerkrank, so beträgt die Wahrscheinlichkeit, daß weitere Geschwister des Kindes bis zu ihrem 20. Lebensjahr an Diabetes erkranken 5%, bis zum 60. Lebensjahr 10%.
2. Ist ein Elternteil zuckerkrank, der andere gesund, so beträgt die Wahrscheinlichkeit, daß die Nachkommen vor
dem Erreichen des 30. Lebensjahres an Diabetes erkranken 5-10%.
Die nächste Frage, der wir uns zuwenden müssen, lautet:
Was wird vererbt? Vererbt wird die Anlage zur Unterwertigkeit des Pankreas. Für diesen zunächst mehr theoretisch anmutenden Begriff hat sich inzwischen für den kindlichen Diabetes auch das anatomische Substrat finden lassen.
WRENSHALL hat festgestellt, daß der extrahierbare Insulingehalt des Pankreas bei n i ch tdiabetischen Personen nach
dem ersten Lebensjahr um das Fünf- bis Sechsfache ansteigt
und den Höhepunkt während der Wachstumsperiode im 12.
bis 16. Lebensjahr erreicht. Auf dieser Höhe hält sich die Insulinmenge viele Jahre lang. Nach dem 50. Lebensjahr fällt
sie langsam ab. Die extrahierbare Insulinmenge aus dem
Pankreas jugendlicher Diabetiker liegt dagegen bei Krankheitsbeginn vor dem 20. Lebensjahr immer unter 3 % des
Normalen! Gleichzeitig durchgeführte histologische Untersuchungen ergaben, daß auch die beta-Zellen entsprechend
selten waren. Damit ist also auch von pathologisch-anatomischer Seite bewiesen, daß es sich bei zuckerkranken Kindern tatsächlich um einen Insulinmangeldiabetes handelt.
Wenn wir nun die A l t e r s v e r t e i l u n g der früh entdeckten
jugendlichen Diabetiker betrachten, so ergibt sich folgendes:
Die Altersverteilung zeigt drei Gipfel der Erkrankungshäufigkeit, nämlich um das 3., 7. und 12. Lebensjahr.
Während bei einem erbunterwertigen Pankreas des Erwachsenen für das Manifestwerden des Diabetes ä u ß e r e F a k t o r e n , z. B. die Art der Ernährung und Lebensweise, eine
wichtige Rolle spielen, sind solche Faktoren nach Untersuchungen von BARTA für den Ausbruch der Zuckerkrankheit
bei Kindern unwesentlich.
Wir kommen nun zur D i a g n o s e des Diabetes mellitus im
Kindesalter. Während dem Beginn der Zuckerkrankheit im
Erwachsenenalter ein langsam schleichendes Crescendo an
Symptomen vorausgeht, beginnt die Zuckerkrankheit beim
Kinde wesentlich akuter. In den ersten drei Lebensjahren
tritt uns der Diabetes oft wie eine a k u t e I n f e k t i o n s k r a n k h e i t entgegen, d. h. es wird die Zuckerkrankheit
meistens anläßlich eines akuten fieberhaften Infektes diagnostiziert, da bei diesem Ereignis der bisher noch leidlich kompensierte Stoffwechsel des unerkannt zuckerkranken Kindes
plötzlich zusammenbricht und nicht selten in ein Coma diabeticum übergeht. Die Diagnosen, unter welchen diese Kinder in die Kinderklinik eingewiesen werden, laufen dann
meistens: akute Intoxikation, Meningitis, Encephalitis oder
azetonämisches Erbrechen. Die routinemäßig durchgeführte
Zuckerprobe im Urin, welche bei keinem schwerkranken
Kinde versäumt werden sollte, gibt dann durch ihren positiven Ausfall den ersten Hinweis. Wir haben aber auch mehrfach erlebt, daß uns bei unklaren komatösen Zuständen im
Säuglings- und Kleinkindesalter und der dadurch notwendigen Lumbaipunktion ein stark erhöhter Liquorzucker den
ersten Fingerzeig auf das Vorliegen einer Zuckerkrankheit
gab. Konstant erhöhte Blutzuckerwerte, Azetonfoeter und
Azetonnachweis im Urin bestätigen dann die Verdachtscfiagnose Diabetes meffi'fus.
Sind die Kinder älter, so gelingt doch häufiger bei genauer
Befragung der Eltern die Feststellung, daß dem Ausbruch der
Krankheit die klassischen Symptome P o l y d y p s i e , P o l y p h a g i e und P o l y u r i e vorausgegangen sind. Insbesondere
fällt den Eltern auf, daß das Kind in letzter Zeit sehr viel
ißt, z. T. mit Heißhunger, viel trinkt und trotzdem an Gewicht
verliert. Außerdem wird über rasche Ermüdbarkeit der Kinder berichtet. Hartnäckiges Einnässen, besonders bei solchen
Kindern, welche bereits' vorher längere Zeit trocken waren,
sollte auch immer zu einer Untersuchung des Urins auf Zukker Veranlassung geben. GALEN (129-199) nannte den Diabetes bezeichnenderweise Nachttopfwassersucht (SCHUMACHER).
Auch ein therapieresistenter Puritus kann ein erstes Hinweissymptom sein, wie wir es bei einem Mädchen mit Puritus
vulvae erlebten.
Bei positiver Zuckerprobe im Urin und gleichzeitig erhöhten
Zuckerwerten im Blut ist die Diagnose Diabetes mellitus praktisch schon gestellt. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle
einige differentialdiagnostische Bemerkungen einschalten.
1. Bei positiver Reduktionsprobe im Urin sollte man immer
bestrebt sein, die reduzierende Substanz als Glukose zu
identifizieren. Dieses gelingt in der Praxis am einfachsten
mit dem Glukoteststreifen (GEISLER, HAUCK) der Firma
Boehringer oder den Clinistix-Stäbchen (Hormon-Chemie).
Prinzip des G I u k o t e s t s t r e i f ens :
Indikatorpapier.
Gibt qualitiv eine spezifische Reaktion auf beta-D-Glu-
216
kose. Glukotest gibt also keine Reaktion mit Laevulose,
Laktose, Galaktose, Pentose etc. Arbeitet quantitativ von
0,5-2% (und darüber). Eine Rolle für 120 Untersuchungen.
In der Klinik wird man den Urin natürlich polarisieren.
Werte über 2 % kommen fast nur bei Diabetes mellitus
vor.
2. Niemals sollte die Diagnose Diabetes mellitus gestellt
werden ohne den Nachweis einer gleichzeitig bestehenden Blutzuckererhöhung. Wird dieses beherzigt, so sind
Irrtümer praktisch avsgeschlossen. Leider kommt es immer
wieder vor, daß harmlose Zuckerausscheidungen fälschlich
zum Schaden der Patienten mit Insulin behandelt werden.
Hier ist in erster Linie die familiäre, renale Glukosurie,
früher renaler Diabetes genannt, anzuführen.
Die f a m i l i ä r e , r e n a l e G l u k o s u r i e stellt eine angeborene Stoffwechselstörung, einen Inborn error of Metabolism
dar, deren Wesen in einer Harnzuckerausscheidung bei normalem oder erniedrigtem Blutzucker besteht. Als diagnostische Kriterien für die familiäre, renale Glukosurie gelten
folgende Kennzeichen (KRAINICK):
1. Dauernde oder zeitweilige Harnzuckerausscheidungen unterhalb cfes normalen ßlufzuckerschwellenwerfes.
2. Normales Verhalten des Blutzuckers auch unter Kohlenhydratbelastung.
3. Unabhängigkeit der Harnzuckerausscheidung von der Kohlenhydratzufuhr.
4. Fehlen diabetischer Symptome wie Durst, Harnflut, Abmagerung sowie Ausbleiben diabetischer Komplikationen.
5. Insulinrefraktäres Verhalten der Harnzuckerausscheidung.
Es ist beobachtet worden, daß der Manifestation des echten
Diabetes manchmal ein länger dauerndes Stadium reiner
renaler Glukosurie vorausgeht. Aus diesem Grunde darf die
Diagnose renale Glukosurie nicht vor Ablauf einer Beobachtungszeit von mindestens zwei Jahren gestellt werden.
ROBBERS bezweifelt den Übergang eines renalen Diabetes
in einen Diabetes mellitus. Er glaubt, daß in seltenen Fällen
neben dem renalen Diabetes eine Anlage zu einem Pankreasdiabetes besteht, die nach Jahren manifest werden kann.
GÜNTHER, der unter 10000 Patienten mit Glukosurie 114
Fälle von renalem Diabetes fand, kommt zu dem Schluß, daß
die Erbanlagen zum Diabetes meilitus und zum renalen Diabetes in differenten Genen lokalisiert sind. Wir selbst haben
zwei derartige Kinder beobachten können. Als Ursache der
familiären, renalen Glukosurie wird eine Hemmung der tubulären Clukoserückresorpfion angenommen (KRAINICK).
Von dem echten Diabetes mellitus muß weiterhin abgetrennt
werden die bei Säuglingen und Kleinkindern nicht selten
vorkommende alimentäre Glukosurie nach Aufnahme von
stark zuckerhaltiger Nahrung, z. B. Bonbons, Schokolade usw.
Durch Polarisieren des Urins kann die harmlose Lävulosurie
ausgeschlossen werden. Eine positive Reduktionsprobe im
Urin finden wir fernerhin bei der Alkaptonurie. Bei dieser
erblichen Stoffwechselanomalie wird die reduzierende Homogentisin-Säure ausgeschieden. Der Urin wird beim Stehen
dunkel und verursacht in der Wäsche dunkelbraune Flecken.
Erinnert werden soll auch an die Tatsache, daß verschiedene
Medikamente eine positive Redukfionsprobe im Urin verursachen können. Schließlich soll noch die seltene Zystinspeicherkrankheit erwähnt werden, bei der es ebenfalls zu einer
Zuckerausscheidung kommen kann.
Diese Aufzählung soll lediglich dazu beitragen, daß der Arzt,
der im Urin eines Kindes eine positive Reduktionsprobe findet, auf jeden Fall eine weitere differentialdiagnostische Klärung anstreben muß. Die Diagnose eines Diabetes ist ein so
schwerwiegendes Ereignis, daß Irrtümer hier unbedingt vermieden werden müssen. Die Giukosurie ist ein häufiger, aus
verschiedenen Ursachen heraus anzutreffender Befund, der
als isoliertes Symptom nichts aussagt und der diagnostisch
nur im Rahmen eines sich aus zahlreichen Symptomen zusammenfügenden klinischen Bildes verwertet werden darf
(WEISSE).
Da alle erwähnten Krankheiten mit Ausnahme des Diabetes
mellitus jedoch keine, zumindest keine konstanten Blutzucker-
erhöhungen verursachen, können sie leicht ausgeschlossen
werden. Blutzuckeruntersuchungen werden jedoch in der
Praxis selten durchgeführt. Aus diesem Grunde und auch um
eine sachgemäße E r s t e i n s t e l l u n g des als zuckerkrank
erkannten Kindes durchzuführen, sollte man den kleinen Patienten einer Kinderklinik oder Kinderabteilung zuweisen.
Sollte die Diagnose im Krankenhaus nicht sofort sicher zu
stellen sein, so -werden ZuckertogesprofH und Zuckerbelastungsproben nach STAUB-TRAUGOTT eine Klärung herbeiführen.
Die B e h a n d l u n g d e r Z u c k e r k r a n k h e i t beruht auf
den drei Säulen: Diät, Insulin und Bewegungstherapie. Zu
diesen drei Therapeurika sind seit einigen Jahren die peroralen Antidiabetika getreten, von denen zur Zeit zwei Stoffgruppen im Gebrauch sind, die Sulfonyl-Harnstoffe und die
Biguanide.
Bei der Besprechung des Therapieplanes wollen wir das Insulin als erstes Mittel anführen, da der kindliche Diabetes im
Gegensatz zu dem Erwachsenen-Diabetes immer ein Insulinmangel-Diabetes ist und deshalb der ständigen Insulinbehandlung bedarf. Der kindliche Diabetes ist deshalb immer
als mittelschwer oder schwer zu bezeichnen. Er ist labil und
progredient.
Die Ersteinstellung nach der Manifestation erfolgt am
besten mit Altinsulin. Wir geben im allgemeinen morgens,
mittags und abends so viel Einheiten Altinsulin wie das Kind
Jahre zählt. Also bei einem 12jährigen Kind 3x12 Einheiten
Altinsulin. In der Klinik kann man bei ständigen Blutzuckerund Harnzuckerkontrollen natürlich von diesem Schema erforderlichenfalls abweichen. Notfalls gibt man nachts noch
eine kleine Dosis. Durch eine solche initiale Altinsulinkur
kann man eine erstaunliche Besserung der Kohlenhydrattoleranz erzielen. Sehr bald gehen wir dann auf Depot-Insulin
über, und zwar immer dann, wenn der Urin azetonfrei geworden ist. Im allgemeinen kommt man bei Depot-Insulin mit
V3 der Menge des vorher benötigten Altinsulins aus.
Vom Depot-Insulin geben wir etwa 2h der Tagesdosis morgens und V3 abends, z. B. 16 und 8, jeweils 10 Minuten vor
dem Essen. Wir bevorzugen die mittellang wirkenden DepotInsuline wie z. B. Depot-Hoechst oder als Mischinsulin das
Komb-Isulin Hoechst, da eine Einstellung des labilen Kinderdiabetes mit dem sehr langsam wirkenden Verzögerungsinsulinen Lente, Ultra-Lente oder Longinsulin auf die Dauer
nur selten möglich ist, jedenfalls oft nur unter Inkaufnahme
einer Verschlechterung der Stoffwechsellage. Die Richtigkeif
der Insulineinstellung beurteilen wir in erster Linie an der
Höhe der pro Tag ausgeschiedenen Zuckermenge, in zweiter
Linie mit Hilfe des dreimal täglich bestimmten Blutzuckers.
Eine Restglykosurie von 10-30 g pro die ist als ideal anzusehen. Urinzuckerwerte unter 10 g pro Tag können im allgemeinen nur dann erreicht werden, wenn man hypoglykämische Zustände in Kauf nimmt. Aus diesem Grunde lehnen
wir auch eine aglykosurische Einstellung bei Kindern ab.
Blutzuckererniedrigungen fürchten wir wegen ihrer Folgen
mehr als Blutzuckererhöhungen. Gehäufte hypoglykämische
Zustände haben nämlich Encephalopathien zur Folge und
auf deren Boden manchmal sogar Krampfanfälle. Die sogenannten Insulinschäden sind fast immer Folgen hypoglykämischer Zustände. Eine Zuckerspitze im Urin von ca. 20 g
täglich ist uns also die beste Gewähr, daß hypoglykämische
Zustände vermieden werden. Bei Kindern mit labilem Stoffwechselgleichgewicht wird man sogar höhere Restglykosurien
von 20 bis 40 g täglich in Kauf nehmen müssen (KRAINICK).
Die Blutzuckerwerte sollen sich ohne größere Schwankungen
zwischen 100 und 250 m g % bewegen. Azetonausscheidungen
sind unter allen Umständen zu vermeiden, da sie als Zeichen
der Stoffwechseldekompensation gelten müssen.
Die S u If o ny I h a r ns t of f e, welche in der Behandlung des
Erwachsenen-Diabetes vor einigen Jahren eine neue Ära eingeleitet haben, sind bei zuckerkranken Kindern wirkungslos.
Wir haben kurz nach Einführung der Sulfonylharnstoffe im
Jahre 1956 unsere Erfahrungen an 20 mit Sulfonylhamstoff
behandelten kindlichen Diabetikern bekanntgegeben. Es han-
delte sich um Kinder im Alter von 3 bis 14 Jahren. Die Dauer
des Diabetes betrug 14 Tage bis 10 Jahre. Es wurden also
ganz frische und auch ältere Fälle behandelt. Um es kurz zu
machen, in keinem Falle konnte ein Erfolg beobachtet werden.
Dies ist verständlich, nachdem sich inzwischen herausgestellt
hat, daß die Wirkung der Sulfonylharnstoffe auf einer Stimmulierung der körpereigenen Insulinproduktion im Pankreas
beruht. Da aber nach den erwähnten Befunden von WRENSHALL im Pankreas kindlicher Diabetiker nur eine Insulinproduktion statthat, die weniger als 3 % des normalen beträgt, also praktisch = 0 ist, kann auch keine Stimmulierung
erfolgen. Und selbst wenn eine Stimmulierung erfolgen
könnte, so wäre eine lebenslängliche Behandlung mit Sulfonylhamstoffen kaum möglich. Einer kürzlich veröffentlichten
Arbeit aus der Frankfurter Medizinischen Klinik ist zu entnehmen, daß auch bei erwachsenen Diabetikern die portielle B-Zellen-Insuffizienz allmählich in eine komplette übergeht, trotz Behandlung mit Sulfonylharnstoffen. Die Wirksamkeit der Sulfonylharnstoffe soll sich auf maximal 12-15
Jahre erstrecken.
Auch die dem früheren Synthalin verwandten B i g u a n i d e
können für die Behandlung des kindlichen Diabetes nicht
oder nur mit Einschränkungen empfohlen werden. Sie wirken
zwar unabhängig vom Pankreas, d. h. im Tierversuch auch
am pankreaslosen Tier, ihre Wirkung ist aber unphysiologisch. Das Leberglykogen nimmt ab (OTTO). UnterBiguaniden
kann es plötzlich ohne Vorzeichen zur normoglykämischen
Ketonurie und Acidose kommen (STÖTTER, WALKER, ODELL).
Als häufigste Nebenwirkungen werden starkes Erbrechen und
Durchfälle angegeben, so daß man in bis zu 53°/o der Fälle
wieder zum Absetzen der Medikamente oder zu einer Verminderung der Dosis bis in den unwirksamen Bereich gezwungen ist (KRALL et al.). Biguanide sind also für die Routinebehandlung des kindlichen Diabetes nicht geeignet. Eine
relative Indikation ergibt sich höchstens bei mit Insulin allein
schwer einstellbaren labilen kindlichen Diabetikern oder bei
der sehr seltenen Insulinallergie (MEHNERT, ROSENKRÄNZER). Der jugendliche Organismus muß aber unter allen Umständen die für sein Wachstum und seinen Gesamtstoffwechsel notwendige Insulinmenge erhalten. Es ist dringend
vor dem Versuch zu warnen, bei zuckerkranken Kindern die
Insulinmenge zu reduzieren, um durch Biguanidgaben eine
notwendige zweite Insulininjektion einzusparen. Unter Biguaniden sind laufende Kontrollen des Blutbildes und Urins, der
Leberfunktionsproben, der Alkalireserve und evtl. der Ketokörper im Blut notwendig.
Diät:
Der Streit um die optimale Kostform bei zuckerkranken Kindern ist wegen des mißverständlichen Begriffes der freien
Kost noch in vollem Gange. STOLTE und HIRSCH-KAUFFMANN hatten 1931 die sogenannte „ f r e i e K o s t " bekanntgegeben. Stolte verstand darunter allerdings keine ungezügelte und vor allem keine unkontrollierte Kos^. Er verzichtete lediglich auf eine genau abgewogene strenge Diät
und verbot nur reinen Zucker, etwa in Form von Bonbons.
Die Fettmenge wurde auf 40 g pro Tag reduziert. Die notwendige Insulinmenge wurde nach der Urinzuckerausscheidung bemessen. STOLTE und seine Anhänger stützen sich bei
der Empfehlung dieser sogenannten freien Kost auf folgende
Argumente:
1. Das Prinzip „Mangez le moins possible" ist bei Kindern
nicht anwendbar. Eine chronische Unterernährung mit dauerndem Hunger stellt für den wachsenden Organismus eine
nicht zuträgliche Dauersituation dar, die sich sowohl in der
körperlichen Entwicklung wie auch in der Erziehung außerordentlich ungünstig auswirkt (WEISSE).
2. Kinder sind in der Einhaltung einer strengen Diät noch unzuverlässiger als Erwachsene. Eine nach Gramm berechnete
Diät ist bei ihnen deshalb kaum möglich und übrigens auch
problematisch. So enthalten z. B. 100 g Möhren eine ganz
verschiedene Menge Kohlenhydrate, je nachdem wieviel
Sonne sie bekommen haben. Das Abmessen mit der Briefwaage führt also oft nur scheinbar zu einer Exaktheit.
3. Die Einhaltung einer stark einschränkenden Diät zwingt
den Kindern eine Sonderstellung auf, die möglichst zu vermeiden ist. Sie bringt die Kinder in schwere seelische Konflikte. Diese versuchen wegen ihres Hungers zu naschen und
zu betrügen. Ihr Charakter wird „verbogen". Eine genau berechnete Diät wird auch die Schwankungen des kindlichen
Stoffwechsels zu wenig berücksichtigen und übersieht zudem
die häufigen Schwankungen des kindlichen Gefühlslebens,
welche sich ebenfalls auf den Stoffwechsel auswirken. Und
schließlich: Ist es nicht deprimierend, wenn wir einer Zusammenstellung von MEHNERT entnehmen, daß nur 12,4% der
Erwachsenen-Diabetiker die ihnen vorgeschriebene Diät einhalten? Bei Kindern dürfte der Prozentsatz noch niedriger
liegen. Die in einer Klinik mit strenger Diät und entsprechend geringen Insulinmengen eingestellten Kinder bekommen aber nach ihrer Entlassung zu Hause, wenn sie mehr
essen, viel zu wenig Insulin und sind dann demzufolge
schlecht eingestellt.
Da ist es besser, bei diesen Kindern von vornherein die Insulinmenge auf freiere Kost abzustellen.
4. Die wichtigste und entscheidende Begründung aber hat
die sogenannte freie Kost jetzt viele Jahre nach ihrer Einführung dadurch erfahren, als in verschiedenen Teilen der
Welt festgestellt werden konnte, daß die mir richtig verstandener freie Kost ernährten Kinder sich ebensogut entwickelt
haben wie streng diätetisch ernährte., wobei bei der freien
Kost sämtliche oben angeführte Nachteile fortfallen und
außerdem die Gefahr hypoglykanischer Zustände mit ihren
möglichen Folgeerscheinungen bedeutend geringer ist. Nachprüfbare Berichte über die Erfolge mit freier Kost liegen vor
aus Dänemark, England, Rußland und Amerika (LICHTENBERG, FORSYTH und PAYNE, HOSTOMSKA und STAKOVA,
TOLSTOI).
Nun ist der Ausdruck freie Kost in der Tat mißverständlich.
Wir haben uns davon überzeugen lassen, daß man an Stelle
von freier Kost besser von geregelter oder disziplinierter
Kost spricht und empfehlen heute eine sogenannte geregelte,
den Lebensgewohnheiten des Kindes angepaßte elastische
Diät.
Wie sollen wir uns also verhalten?
Mit KRAINICK möchten wir es folgendermaßen formulieren:
Die Kost des zuckerkranken Kindes muß zeitlich und mengenmäßig auf die Insulingaben abgestimmt sein. Das Kind soll
frühzeitig angehalten werden, diszipliniert und regelmäßig
zu essen, wobei größere Schwankungen möglichst vermieden
werden sollten. Eine unregelmäßige Kost führt erfahrungsgemäß zur Stoffwechselverwilderung und begünstigt die Entstehung von Spätschäden. Die Kost des diabetischen Kindes
soll verhältnismäßig kohlenhydrat- und eiweißreich, dagegen
fettarm sein. Als Richtzahlen mögen folgende Tagesmengen
an Nährstoffen pro kg Körpergewicht dienen: 6-8 g Kohlehydrate, 2-2,5 g Eiweiß, 1 g Fett. Ein 12jähriges, 40 kg schweres Mädchen würde demnach 240 g Kohlehydrate = 20 Broteinheiten, 80 g Eiweiß und 40 g Fett, insgesamt also 1650 g
Kalorien erhalten. Während der Wachstumsphasen, besonders in der Pubertät muß mit einem höheren Kohlehydratund Kalorienbedarf gerechnet werden. Die Fettmenge soffte
jedoch nach Möglichkeit nicht überschritten werden. Die Kost
ist so obst- und gemüsereich wie es Jahreszeit und Mittel
gestatten, zu gestalten. Mit Obst lassen sich vor allem die
Zwischenmahlzeiten bestreiten.
Auch von Magermilcherzeugnissen wie Magerquark und Magermilchjoghurt ist reichlich Gebrauch zu machen. Als Brot
ist nur Vollkornbrot wegen seines hohen Vitamm-Bi-Cehakes
zu verwenden. Die Verteilung der Kost, besonders der Kohlehydrate richtet sich in erster Linie nach dem Insulin und nach
der körperlichen Bewegung (Schulweg, Sport, Spiel, Wanderungen). Die Motorik spielt als insulinsparender Faktor bei
lebhaften Kindern eine viel größere Rolle als bei Erwachsenen. Die Stoffwechseleinstellung des diabetischen Kindes
soll deshalb möglichst unter natürlichen Bedingungen erfol-
gen. Ein bettlägeriges Kind kann man niemals ordentlich einstellen.
Die d r i t t e S ä u l e der Diabetes-Behandlung nannten wir
die M u s ke I tä t i g ke i t. Hierbei wird in den Muskeln Zucker
verbrannt. Auf diese Weise wird die Bauchspeicheldrüse entlastet und Insuiin eingespart. Am besten ist eine Tätigkeit,
die den Körper gleichmäßig belastet. Langweilige Spaziergänge sind für Kinder weniger zweckmäßig. Statt dessen
empfehlen wir regelmäßige Gymnastik, Schwimmen oder
Ballspiele. Das Regelmäßige ist auch hierbei wichtig, da eine
ungewohnte, übermäßige körperliche Anstrengung zu einer
zu starken Blutzuckersenkung und damit in den hypoglykämischen Schock führen kann. Eine unvorhergesehene Muskeltätigkeit soll deshalb durch eine zusätzliche Mahlzeit ausgeglichen werden. Rekordleistungen sind nur unter ärztlicher
Überwachung erlaubt. Um keine Fehleinsteilungen bei diabetischen Kindern zu begehen, schalten wir die Muskelarbeit
bereits in den Heilplan während der Einstellung im Krankenhaus ein und lassen zuckerkranke Kinder an regelmäßigen
Gymnastik- und Turnstunden teilnehmen. Daß sich dies auch
auf das psychische Wohlbefinden der Kinder auswirkt,
braucht nicht besonders hervorgehoben werden. Alle diese
Gesichtspunkte werden in besonderem Maße in den Ferienlagern für zuckerkranke Kinder berücksichtigt, welche jährlich
vom Deutschen Diabetiker-Sozialwerk, Würzburg, SimonBreu-Straße 19, veranstaltet werden und die ich an dieser
Stelle wärmstens empfehlen möchte.
Damit wären wir am Ende der Übersicht über die Therapie
des kindlichen Diabetes. Gestatten Sie noch einige kurze
Hinweise über die N a c h s o r g e . Denn die Behandlung des
zuckerkranken Kindes endet ja nicht mit der Entlassung
des Patienten aus dem Krankenhaus, sondern muß durch
eine ständige Betreuung sinnvoll ergänzt werden.
Dabei ist die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit
den Eltern ungeheuer wichtig. Das Schicksal des diabetischen
Kindes wird in erster Linie vom guten Willen und der Intelligenz seiner Mutter bestimmt. Die Eltern müssen über das
Wesen der Zuckerkrankheit gründlich aufgeklärt werden. Wir
empfehlen ihnen deshalb eine kurze für den Laien verfaßte
Schrift, die alles zum Verständnis Notwendige enthält. Das
wichtigste Maß bei der Betreuung zuckerkranker Kinder ist
die in 24 Stunden mit dem Urin ausgeschiedene Menge Zukker. Die Kinder müssen deshalb bei allen Nachuntersuchungen eine Probe des 2 4 - S t u n d e n - S a m m e ! u r i n s mitbringen, aus der die Zuckermenge in Gramm errechnet werden
kann. Dieser Wert ist wichtiger als die Bestimmung des Nüchternbfufzuckers. Sehr vorteilhaft ist es, wenn die Eftem diese
Berechnungen auch selbst vornehmen und auf diese Weise
die Stoffwechsellage häufiger überprüfen können.
Dies geht mit dem Glukoteststreifen (BOEHRINGER) oder
den Ginitest-Tabletten (Hormon-Chemie, München) sehr einfach. Auch auf Reisen läßt sich die Güte der Einstellung so
leicht kontrollieren. Der Acetonnachweis im Urin kann ebenfalls leicht mit einer Tablette Acetest (Hormon-Chemie, München) geführt werden. Die K o m a b e h a n d l u n g übergehe
ich, da sie der Klinik vorbehalten ist.
Auch auf die K o m p l i k a t i o n e n wie Retinopathie und Nephropathie soll hier nicht eingegangen werden. Sie beginnen
bei einem gewissen Prozentsatz der Patienten etwa 10 Jahre
nach Feststellung des Diabetes mehr oder weniger ausgeprägt und sind durch keine der bisher bekannten Therapieformen sicher zu verhindern. Es scheint aber so zu sein, daß
sie bei verwildertem Stoffwechsel früher und stärker auftreten. Eine gute Kontrolle des kindlichen Diabetes durch eine
verantwortungsbewußte Therapie ist also erforderlich. Wird
dies beherzigt, dann ist das zuckerkranke Kind nicht krank,
sondern bedingt gesund (KATSCH).
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HIRSCH KAUFFMANN, H , u E SCHÄDLICH Jahresber schles Ges
Vaterl-Kultur 104, 25 (1930)
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WRENSHALL G A Die Medizinische 1959 3
Anschrift des Verfassers
Stftung
Dr
med H U SAUERBREI 43 Essen Huyssens
Aus dem Krankenhaus Eben Ezer, Lemgo/Lippe (Chefarzt Dr M O Bruker)
Eine kombinierte klinische Therapie der Adipositas
Kasuistischer Beitrag
Von Peter Bernt J u n g w i r t h
Die 152 cm große Patientin wog am Aufnahmetag 119,2 kg
Sie war gerade 35 Jahre alt geworden und hatte bisher,
was in ihren Kräften stand, versucht, um von ihrer krank
haften Fettsucht wegzukommen
L4 und L5 Genitale Uterus etwas klein, sonst kein pathologischer Befund RR 120/80
Ohne zu übertreiben, kann gesagt werden, daß die Patientin
eher breiter als hoher wirkte
A n a m n e s e Aus sonst gesunder Familie stammend über
L a b o r b e f u n d e Blutkorperchensenkungsreaktion 28/56 n
stand sie als Kind eine Diphtherie, die keine Beschwerden
W , Blutbild 80% Hgb, 3,9 Mill Ery, Farbeindex 1,02 8500
hinterließ Menarche mit 14 Jahren, regelmäßige Menstruatio
Leucozyten, davon 1 % Eos, 3 % Stabk, 5 2 % Segmentk,
nen Früheres Normalgewicht 64 kg 1948 doppelseitige Lun3 5 % Lymphozyten und 9 % Monozyten
genentzündung, danach Gefühl, nicht mehr ganz gesund zu
Spontanurm Eiweiß und Zucker negariv, im Sediment Leuco
sein Die Periode wurde schwacher und seltener 1952 vollH + + , Plattenepithehen + + + , Bakterien + + + , Rundstandige Amenorrhoe, seitdem standiger Gewichtsanstieg
epithelien + Grundumsatz nicht erhöht oder erniedrigt
Selbstbehandlung durch Einschränkung der Nahrungsmenge
Behandlung
Sofortiger Behandlungsbeginn mit reiner
und der Mahlzeiten, spater mehrfache ärztliche BehandlunFrischkostnahrung,
wobei sich die Patientin sattessen und
gen, seit 1957 taglich 5 (funfl) Tabletten Thyreoidin zu 0,3,
auch an Wasser bzw Mineralwasser soviel, wie sie wollte,
außerdem verschiedene Fnschzellbehandlungen und Hormontrinken durfte Es gab |edoch am Tage nur drei Mahlzeiten
spritzen mit dem Ziel der Beseitigung der Amenorrhoe Fünf
und die Pausen dazwischen mußten streng eingehalten wermal trat eine Genitalblutung auf, dann wieder der vorherige
den, was besonders am spaten Nachmittag als sehr unZustand Wegen kardialer Dekompensation Anfang 1961 Aufangenehm empfunden wurde
nahme auf die durch einen bekannten Internisten geleitete
Die hier angewandte Nahrung besteht aus
Innere Abteilung eines großen Krankenhauses (Aufnahme
morgens
Frischkornbrei nach KOLLATH oder EVERS in
gewicht 107,7 kg), erst hier wurde das Thyreoidin wieder ab
beliebiger Menge, m i t t a g s
große Fnschkostplatfe be
gesetzt Dortige Diagnose Dystrophia adisposogenitahs nach
stehend aus |e 1 Teil Wurzeln, 1 Teil Blatter, 1 Teil Obst,
mutmaßlicher Encephalitis 1948 mit Schädigung hypothala1 Teil Nüsse (als Salate zugerichtet), a b e n d s große Frischmischer Zentren Die Behandlung erfolgte mit Diureticis,
kostplatte wie mittags,
Flussigkeitsbeschrankung, reichlicher Zufuhr von Vitamin
Präparaten und einer streng auf 800 cal pro Tag begrenzten
Schmackhaftigkeit
und Abwechslungsreichtum sind die
Nahrungsmenge über knapp 2 Monate Erfolg dieser Behand
Grundbedingungen dieser Kost
lung Cardiale Rekompensation, einmalige spontane MenEs wurden Massagen, trockenes Hautbursten und |eden Tag
struation, insgesamt (unter Diuretica-Wirkung) 3,5 kg Geeine hydrotherapeutische Anwendung in Form von Wechselwichtsverlust Die Patientin berichtet von dieser Zeit als von
badern, kalten Güssen, Vollbadern, spater auch Sauna,
der allermeist deprimierenden in ihrem Leben, sie habe alles
durchgeführt Nach 17 Tagen war das Gewicht um 3,5 kg
ganz genau gemacht, um Erfolg zu haben, |edoch habe begefallen, das Blutbild hatte sich, wahrscheinlich durch
sonders die Flussigkeitsbeschrankung sie sehr gequält In dei
Dehydratation, auf 9 3 % Hgb und4,7Mill Ery, entsprechend
Folgezeit begann eine noch stärkere Gewichtszunahme Es
einem Farbeindex von 0,99, verändert
kam wieder zu starker Kurzluftigkeit, Schlappheit und schweDie Patientin, der nach und nach im Gesprach bei den Visirer Bewegungsemschrankung durch rheumatische Schmerzen
ten auch die theoretischen Überlegungen unserer Behandin Knien, Schultern, Kreuzgegend und Sprunggelenken
lung mitgeteilt wuiden, nahm intensiv an ihrer Besserung
Au f n a h m e b e f u n d . Bei der stationären Aufnahme in Anteil Sie hielt sich offensichtlich strikt an unsere Vorschrifunserem Hause fanden sich Verschwellung des Gesichtes, ten Am elften Tag der hiesigen stationären Behandlung trat
spontan eine sehr schmerzhafte vier Tage dauernde Menleichte Lippencyanose, im Gesicht und auf beiden Mammae
struation ein, welche das nächste Mal erst am 92 Behandzahlreiche Aknepusteln bei ausgeprägter und gleichmäßig
verteilter Fettsucht, blasse Stnae auf den Bauchdecken und
lungstage, gerade als das Gewicht die Grenze von 100 kg
extrem dicke Beine, so daß eine erhebliche Bewegungseinunterschritt, wiederkehrte Nach 105 Tagen Behandlung war
schiankung auf Grund der dort vorhandenen Fettmassen bedas Gewicht auf 98 kg abgesunken
stand Gebiß einige tote Zahne Wirbelsaule ausgeprägtes
Da die Gewichtsabnahme |etzt nicht mehr so rasch vor sich
Hohlkreuz mit Druckschmerz über den Dornfortsatzen von
ging, wurde von nun an Thyreoidin, täglich 1 Dragee zu
0,3, gegeben. Bis zum 158. Behandlungstage, an dem die
Patientin entlassen wurde, reduzierte sich das Gewicht noch
auf 89,6 kg. Drei Tage vor der Entlassung trat nochmals eine
spontane Menstruation auf. Wegen verschiedener kleiner
Beschwerden waren außerdem noch Behandlungen mit Saugglocke, Umspritzung mit Novocain und mit verschiedenen
Medikamenten erfolgt. Die Patientin hatte ein vollständig
anderes Aussehen erhalten. Das Gesiebt wirkte straff, jugendlich, sie machte einen elastischen, aufgeschlossenen Eindruck.
Das Gesamtbefinden war recht gut, doch klagte die Patientin während der gesamten Zeit der Behandlung über das
Gefühl der Müdigkeit und Schlappheit, das jedoch nicht
schlimmer sei, als es vorher auch bestanden habe.
Als Erfolg kann somit berichtet werden, daß in diesem Falle
mittels einer kombinierten Therapie, bestehend aus Frischkostnahrung, täglichen hydrotherapeutischen Anwendungen,
Massage und Thyreoidin in einem bis dahin unbeeinflußt gebliebenen Fall von ständig sich verschlechternder Adipositas
ein erstaunliches Ergebnis mit einer Gewichtsreduktion von
119,2 auf 89,6 kg erzielt werden konnte.
Die Nachuntersuchung nach drei Monaten ergab, daß die
Patientin seit dem Tage der Entlassung eine warme Mahlzeit täglich zu sich genommen hatte bei Beibehaltung von
zwei Mahlzeiten, die aus Frischkost und insgesamt vier Scheiben Brot bestanden. Sie arbeitete wieder als Fabrikarbeiterin, und das Gewicht entsprach mit 89,2 kg praktisch dem
Entlassungsbefunde. 8 Monate nach Entlassung: Intakte Graviditas Meus VI.!
Eine Sammlung gleichartig behandelter Fälle wurde bereits
von DORSCHNER summarisch beschrieben.
Diskussion :
An dem hier angeführten Fall ist das besonders Interessante,
daß es sich um eine Patientin handelt, die bereits vorher
ohne Erfolg schon einmal in einem renommierten Hause
lange Zeit stationär behandelt worden war, und zwar mit
einer besonders strengen Restriktion der Nahrungs- und Getränkemenge. Wenn es hier zu einer so auffälligen Besserung
des Zustandes kam, die wir in erster Linie auf die Frischkostbehandlung zurückführen zu können glauben, so erhebt sich
als erstes die Frage, ob es de facto nicht nur der verringerte
Kaloriengehalt in der Frischkost ist, welcher dieses Ergebnis
zeigte. Jedoch kann der Behandlungserfolg bei der Adipositas nicht nur auf dem verminderten Kaloriengehalt der
Frischkost beruhen, da
1. bekannt ist, daß Menschen ohne nachweisbare Mangelerscheinungen lebenslänglich von Rohkost leben können
(Rohköstlerfamilien),
2. eine kalorienarme Diät allein, wie von den vorbehandelnden Kollegen praktiziert, eine Adipositas nicht zu heilen imstande ist, auch wenn sie, wie in diesem Falle, mit Gabe aller
synthetisch herstellbaren Vitamine verbunden war. Es muß
deshalb angenommen werden, daß spezifische, in der Frischkost vorhandene Stoffe, seien es die Vitamine allein, seien
sie es mit anderen, unter dem Begriff der „Vitalstoffe"
heute zusammengefaßten Verbindungen, die Stoffwechselsförung im heilenden Sinne zu verändern vermögen. Damit
aber erweist sich die Adipositas, soweit es sich um den somafischen Mechanismus handelt, nicht als eine überflußkrankheit, sondern als eine Mangelkrankheit, die gekennzeichnet ist durch einen relativen Überfluß an Kalorien bei
einem relativen Mangel an Vitalstoffen.
Da wir auf Grund unserer Erfahrungen glauben, das Verfahren der Frischkostbehandlung, gekoppelt mit Gaben von
Thyreoidin und physikalischen Maßnahmen, allgemein empfehlen zu können und zu müssen, kann ich nicht umhin, auf
einige wesentliche Begleiterscheinungen dieser Therapie hinzuweisen.
Es stellt sich nämlich oft, wie wir es auch im oben beschrienen Falle beobachten konnten, während der ganzen Zeit der
Gewichtsabnahme ein Gefühl der Schlappheit mit Neigung
zu Schweißausbrüchen und besonderer Verschlimmerung
gegen 17.00 Uhr ein. Der Gewichtsabfall tritt nicht gleichmäßig auf, sondern sehr oft stufenweise, besonders wenn
220
man, um die Patienten von „Sündenfällen" abzuhalten, alle
drei Tage bzw. zweimal wöchentlich das Gewicht kontrolliert.
Die Enttäuschung ist dann oft sehr groß, wenn keine Gewichtsabnahme eingetreten ist. Es zeigt sich jedoch regelmäßig, daß diese Gewichtsabnahme das nächste Mai prompt
auftritt. Von einer zusätzlichen Gabe von Thyreoidin haben
wir außer einer leichten Appetitminderung, die nach etwa
acht Tagen auftritt und erwünscht ist, nur selten Nebenwirkungen sehen können. Diese treten in Form von Tachykardie,
Schwindel, Schweißausbrüchen und innerer Erregung am ehesten bei sehr jungen Patienten auf; je älter der Patient ist
desto geringer sind die Nebenwirkungen.
Die Vorteile der Methode sind evident:
1. kein Hungern, der Patient darf sich dreimal täglich vollessen;
2. keine Ffüssigkeifsbeschränkung, sowei'f es sich um Wasser,
Kaffee, Tee oder Mineralwasser handelt;
3. keinerlei stoflfwechselblockierende (appetithemmende) Substanzen;
4. kein grober Eingriff in das endokrine System.
Nach einer stationären Behandlung ist eine ambulante Durchführbarkeit fast immer gewährleistet, wenn nicht gerade die
Patienten sich in Gemeinschaftsverpflegung befinden. Der
größte Vorfeif der Methode fedoch bleibt ihr a b s o l u t
s i c h e r e r E r f o l g , wie er uns bei noch keinem unserer Patienten verlassen hat. Vorbedingung für diesen Erfolg ist jedoch, daß
1. ein k r a n k h a f t e r Fettansatz besteht. Patientinnen, die
eine pyknische oder athletische Gestalt haben und dem
heutigen Modetyp entsprechend sehr schlank werden wollen, können mit dieser Methode zum Glück nicht das geringste erreichen, weil sich Konstitution nun einmal durch
Therapie nicht verändern läßt, es sei denn, man mache
die Patienten krankhaft dünn und damit krank;
2. die Bereitschaft des Patienten vorhanden ist. Darunter versteht sich sowohl die intellektuelle Bereitschaft wie die Einsicht in die eigene Krankheit und der Wunsch, diese Krankheit mit allen Mitteln und Opfern loszuwerden, als auch
die Voraussetzung, daß es sich nicht um schwachsinnige
oder psychopathische Persönlichkeiten handelt. Ich erinnere mich dabei des Falles einer 18jährigen, leicht debilen Hausangestellten, die mit einem Gewicht von 150 kg
in unsere stationäre Behandlung kam, hier innerhalb von
vier Monaten rund 50 kg an Gewicht verlor, diese jedoch
nach der Aussage des Hausarztes bereits im nächsten halben Jahr wieder zugenommen hatte;
3. die häuslichen Bedingungen ausreichend sind. Wie oben
schon erwähnt, ist es notwendig, daß der Patient nach der
Entlassung Bedingungen vorfindet, unter denen er sich
selbst seine Frischkost bereiten oder bereiten lassen kann.
Schwierig sind in diesem Falle alle Patienten daran, die
in Gemeinschaftsverpflegung aus beruflichen Gründen
leben müssen;
4. die ständige Überwachung des Patienten durch den Hausarzt möglich ist mit regelmäßigem Wiegen, sowie mit
Aussprache und eventueller Medikation von Thyreoidin
und Linderung der vielen kleinen Beschwerden, die sich
oft einstellen und vom Patienten dann auf die Frischkost
selbst zurückgeführt werden;
5. die Essenszeiten streng eingehalten werden. Es ist notwendig, den Adipösen zu einer geregelten Nahrungsaufnahme
zu erziehen und ihn von seiner alten Gewohnheit, hier und
da immer wieder eine Kleinigkeit dazwischenzuessen, abzubringen.
Bei Beachtung der vorliegenden Grundbedingungen ist es
möglich, jedem Patienten, der wirkliche Heilung erstrebt und
bereit ist, sich den Anweisungen seines Arztes genau zu fügen, wirksame und dauerhafte Hilfe zu bringen. Patienten, die
zwar abnehmen und schlank werden wollen, jedoch nicht bereit sind, selbst mitzuarbeiten und ihre Nahrungsgewohnheiten in dieser Hinsicht vollständig umzustellen, muß leider gesagt werden, daß ihnen mit dieser Methode genausowenig
geholfen werden kann, wie der Chirurg einem an akuter
Blinddarmentzündung Erkrankten helfen kann, der sich aus
Angst vor den Schmerzen in der postoperativen Phase nicht
operieren lassen will.
Z u s a m m e n f a s s u n g : An Hand eines extremen Falles von
Adipositas wurde zu zeigen versucht,daß eine kombinierte Behandlung, die vorwiegend in Frischkostnahrung, Gabe von
Thyreoidin ® und hydrotherapeutischen Maßnahmen besteht,
auch unter ungünstigen Voraussetzungen noch erstaunlich
viel leisten kann. Indikationen und Kontraindikationen der
Methode wurden diskutiert und die Wirkungsweise zu erklären versucht.
Frischkornbrei (Zubereitung nach Dr. Evers)
Drei Eßlöffel Roggen oder Weizen (keine Mischung) werden
überNacht (etwa 12 Stunden) mit ungekochtem Wasser eingeweicht. Am Morgen werden die Körner durch ein Sieb mit
klarem Wasser gespült. Tagsüber bleiben die Körner trocken
stehen. In der zweiten Nacht werden sie wieder mit Wasser
übergössen, am nächsten Morgen wieder gespült. Dieser Vor-
gang wird solange fortgesetzt (im Durchschnitt drei Tage), bis
die Körner keimen und die Keimlinge ca. V3 cm lang sind. In
der Keimzeit sollen die Körner möglichst bei Zimmertemperatur stehen (d. h. nicht zu kali und nicht zu warm). Diese gekeimten Körner können nun zubereitet werden durch Zusatz
von frischem Obst (je nach Jahreszeit), Zitronensaft, einem
Eßlöffel Honig, einem Eßlöffel Sahne und geriebenen Nüssen,
nach Art des Bircher-Benner-Müßlis. Statt dieser Zubereitung
kann der Körnerbrei auch mit Yoghurt, Milch oder Sauermilch zubereitet werden. In diesem Fall müssen die anderen
Zusätze wegbleiben. Dieser Brei kann zu jeder Tageszeit
genossen werden.
Literatur
DORSCHNER, Fr., Hippokrates 13, 1960
KOLLATH, W., „Die Ordnung unserer Nahrung", 4. Auflage, Stuttgart 1955,
Seite 225
EVERS, J. (Rezept s. o.), Anschrift: 5762 Hachen, Kr. Arnsberg/Wesif.
Anschrift des Verfassers: Peter Bernt JUNGWIRTH, 4920 Lemgo-Lippe,
Krankenhaus Eben-Ezer
Wie gestaltet sich das natürliche Verhalten des Menschen zu seiner Nahrung?
Von Joachim K a m i n s k i
Das Verlangen nach Nahrung, als Hunger und Durst elementare Vorgänge, scheint eine so selbstverständliche Angelegenheit, daß es nicht schwierig sein dürfte, das diesen
natürlichen Drang realisierende Verhalten zu charakterisieren; enthüllt sich doch in der Nahrungssuche der Selbsterhaltungstrieb. Aber mit dem Wort „Trieb" tritt auch schon
der Begriff Triebschicksal auf, und Schicksale imponieren uns
als etwas Mannigfaltiges und für den gemeinen Verstand
Unberechenbares. Hier ist offensichtlich Vorsicht geboten.
Wozu dient die Ernährung? Ganz allgemein wollen wir
sagen: „Sie dient der Herstellung eines Einvernehmens zwischen mir und der Welt." Das bedeutet, sie soll mir optimal
die Kraft und die Fähigkeit geben, die in mir angelegten
und zu Nutz und Frommen anzuwendenden Möglichkeiten zu
entfalten. Das setzt eine innere Freiheit und souveräne Haltung gegenüber der Nahrung voraus, deren Vorhandensein
und Befolgung man heute wohl nur bei einem östlichen
Meister voraussetzen kann, für den die Philosophie nicht nur
ein Durchdringen des Welthintergrundes, sondern auch praktische Bewährung im Alltag ist.
Wenn die Tageszeit auch dazu angetan ist, Gedanken an
kulinarische Genüsse und ein solennes Mittagessen zu wekken, schieben Sie die Erfüllung dieser Wünsche noch ein
wenig auf — das ist schon eine praktische Folgerung unserer
Erziehung und gehört, wie wir sehen werden, zum Thema
der Versagung — und lassen sich zunächst von Ihrer Neugier
leiten, wie so ein Psychotherapeut einen uns allen geläufigen
Vorgang so kompliziert machen kann.
Es sei! Bekanntlich ist der Mensch ein Säuger, aber von
besonderer Art. Seine sprachbegabte und kulturfähige Eigenart wird von der Natur schon in seinem Geburtstermin berücksichtigt. Die Tragezeit des Menschen müßte 21 Monate
dauern. Der Besonderheit seiner späteren Stellung in der
Welt verdankt er sein Erscheinen schon nach neun Monaten, um bereits im ersten Lebensjahr für seine soziale Aufgabe entscheidende Eindrücke entgegenzunehmen und
ebenso maßgebliche Fähigkeiten zu entwickeln. Vergleichend
anatomisch der Uterinzeit zuzurechnen, kennzeichnen wir
diesen Zeitraum mit PORTMANN als den sozialen Uterus.
In einem Schrei entfalten sich die Atemwege des Neugeborenen, und schon ist der erste Schritt zur Selbständigkeit getan nach neun Monaten steten mütterlichen Gewährens in
den Tiefen des Leibes. Und schon ist das Gesetz erfahren
worden, nach dem sein Leben verlaufen wird zwischen Gewähren und Versagen, aus dem die Urteile „gut und böse"
zunächst für den anderen, der gewährt oder versagt, später
auch für sein eigenes Tun folgen werden.
Ungeachtet der Eigenleistung der Atmung, die die mütterliche Nabelschnur durch Annabelung an den Kosmos ersetzt,
ist die Hilflosigkeit groß und verlangt Gewährung. Aber
nachdem sich der mütterliche Schoß hinter dem neuen Erdenbürger geschlossen hat, wird Erfüllung immer nur kurze Zeit
Zufriedenheit über ihn breiten, bis der Hunger nach Nahrung und der Lebenshunger neu erwachen.
Erlaubt der mütterliche Organismus auch keine Rückkehr
zur inneren Geborgenheit, so hält er fein abgestimmt die
allen Erfordernissen der Art angemessene Nahrung bereit.
Ein Teil der Mutter wird Nahrung. Aber nicht nur diesen
Vorgang erlebt das Kind, sondern auch das Umfaßt- und
Gehaltenwerden in mütterlicher Umarmung, angeschmiegt
an ihren Leib und von ihrer Wärme durchströmt, den Geruch
der Haut und der quellenden Milch verspürend. Das alles
bildet den Hintergrund dieser Szene, die sich zu einem unverlierbaren Erlebnis komplexer Art formt.
Wir sehen, welche Komponenten sich bereits auf dieser
Stufe dem Nahrungsvorgang beigesellen und ihn zum Zeremoniell machen. Entsprechend der noch durch die spätere
Erziehung unterstrichenen Prävalenz des Optischen wird die
regelmäßig in den Mittelpunkt des Gesichtsfeldes tretende
Brust Symbol des Ganzen.
Nach der Art der Nahrungsdarreichung ist es ein Kommunikationsvorgang. Für das ursprüngliche Empfinden wird die
Mutter nicht nur Spenderin der Nahrung; sie wird selbst zur
Nahrung. Von hier aus verbindet sich der Begriff „Essen"
mit dem der Gemeinsamkeif. Von nun an konstituiert Essen
Gemeinschaft und begleitet als diese Einrichtung unser Leben. Der Tisch, um den sich die Familie versammelt, wird zu
ihrem Mittelpunkt und in Wiederholung der innigen Verbundenheit von Mutter und Kind auch zum Sinnbild der Ehe.
Wo in einer die menschlichen Beziehungen unterstreichenden und persönlich gestaltenden Weise gefeiert wird, steht
das Mahl im Mittelpunkt. Das reicht vom Hochzeitsessen über
den Leichenschmaus, vom Liebesmahl bis zu der sakramentalen Institution des Abendmahls.
Nach dem Pars pro toto kann nach dem anfänglichen Modus Nahrung den Partner ersetzen, das Essen, besonders
das Vielessen, dem Verlust des Partners oder dem Verlangen
nach ihm Ausdruck verleihen. Denken wir an den Kummerspeck oder an Liedertexte wie „In jedem vollen Giase Wein,
seh unten auf dem Grunde ich deine hellen Äugelein" und
221
weiter: „So füll' und leer mein Glaschen ich and trinke
immerzu Nennt man mich nächstens liederlich, die Schuld,
mein Schatz, trägst du 1 ", oder drastischer „Puppchen, du bist
mein Augenstern, Puppchen, hab dich zum Fressen gern"
Hier sehen wir, wie fließend die Übergänge sind zwischen
der geprägten Form, die lebend sich entwickelt, die fruhelen Erfahrungen auf der neuen Stufe in anderem Gewände
sinnvoll wiederhofend oder abgleitend m pathologisches
Nahrungsverhalten
Aber zurück zum anderen Pol unseres anfanglichen Gegensatzpaares1 Nach der Gewahrung die Vetsagung Schon
der Vjerstundenrhythmus der Saughngsmahlzeiten bringt Ver
sagung mit sich, die andere Volker nicht kennen, bei denen
sich aber auch ein ganz anderes Sozialverhalten entwickelt
Hier erfolgt erste Grundlegung zum Maßhalten und zur
Disziplin, die wir beim Nahrungsverhalten unserer Patienten
oft vermissen Regel ist- Der Zeitpunkt einer Versagung ist
gekommen, wenn das Kind die Stufe der körperlichen Entwicklung erreicht hat, auf weicher es die zu stellende Förde
mng erfüllen kann Ist diese Stufe erreicht, soll die Forderung gestellt werden
Als ein solcher Entwicklungsvorgang ist auf dem Wege zur
Ernährungsweise des Erwachsenen die Entwöhnung erforderlich Der gunstigste Zeitpunkt dafür ist die Vollendung des
ersten Lebenshalb|ahres, äußerlich gekennzeichnet durch die
Zahnung Voi allem nimmt die Wahrnehmungsfähigkeit, besonders die Fähigkeit zu erinnern, von diesem Zeitpunkt an
gewaltig zu Wir sehen daher bei zu frühem oder zu spatem
Abstillen regelmäßig ungunstige Auswirkungen auf die soziale Verhaltensweise Erleichtert wird uns diese Aufgabe
wenn wir von Rene A SPITZ erfahren, daß die zu dieser
Zeit vorgenommene Entwöhnung einen außerordentlichen
Entwickiungsreiz ausübt, welche Beobachtung allgemein für
die zeitgerechte Veisagung gilt
Auch innerlich vollzieht sich mit dem Ende der Sauglmgszeit
eine wichtige Veränderung, indem die Laktase, ein für die
Spaltung der die Frauenmilch charakterisierenden Laktose
unerläßliches Ferment, an Aktivität verliert
Schon bei der Handhabung der Stillvorgange und erst recht
beim Übergang zur festen Nahrung wirkt sich der Familienkernkomplex aus, wie ihn MAUNOWSKI genannt hat Jenach
Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kulturkreis wird hier vorgegangen Dies formt neben den Eß Sitten auf weite Strekken soziales Verhalten Margaret MEAD beschreibt, wie die
Balmesen vorgekaute Nahrung auf die Mundpartie des Kindes aufhäufen und bei Öffnung des Mundes hineinstoßen
Der Erwachsene hat dort die Neigung, den Mund zu bedekken oder zu verstopfen Gegessen wird mit großer Scham
wahrend Trinken, Prototyp das Trinken an der Brust, etwas
recht Vergnügliches ist Ein fundamentaler Unterschied geht
durch das balinesische Leben Zwischen ernst und heiter
fester Nahrung und deren Ausscheidung einerseits, flussiger
Nahrung und Urinieren andererseits
So können zu der Erreichung einer einheitlichen Gesellschaftsform Wege eingeschlagen werden, die das Nahrungsverhalten stark modifizieren
Das bringt uns zu der Bedeutung eines Phänomens, das in
unserem Bereich ein Ausmaß angenommen hat, das einem
gesellschaftlichen Stilwandel zugeordnet sein muß, und des
sen biologische Bedeutung für die Selektion wir höchstens
ahnen können Gemeint ist die Stilluntuchtigkeit oder Still
Unfähigkeit unserer Frauen
Schon eine dieimonatige Stillzeit ist nahezu eine Seltenheit,
geschweige dann eine solche von sechs Monaten Es wäre
interessant zu prüfen, in welchem Umfang die Medizin, ihre
Ernährungswissenschaft und eine rührige Nahrungsmittelindustrie dazu beigetragen haben, den Sfi/Iwillen zum Ei
liegen zu bringen. Ein Semesterkolleg wäre hier vonnoten
Wir wollen zwei Momente herausgreifen, die für das nach
maiige Nahrungsverhalten von fundamentaler Bedeutung
werden
Geschmack und Geruch sind der Nahrungsaufnahme als
Sinneswahrnehmungen zugeordnet
Jede Wahrnehmung
222
schafft Erinnerungsvermögen, d h Speicherung von Informationen, die künftiges Verhalten steuern Dann liegt die
Bedeutung eines scheinbar fluchtigen Genusses einer bis
dahin unbekannten Speise Der Tiger, dessen Beute zunächst
die Tiere des Dschungels sind, wird durch sein erstes
menschliches Opfer zum gefurchteten Man eater werden
Somit ist |ede noch so raffiniert zusammengestellte Nahrmischung ein Ersatz, der adäquate, aber vom Natuiliehen
abernerende Informationen schafft An Steile des wesentlichen Bestandteils der Frauenmilch, der Laktose, tritt allgemein eine frühe, allzu frühe Bekanntschaft mit dem Zucker,
der nicht nur Nahrungsmittel, sondern auch Genußmittel ist
und damif süchtig machen kann, was aus dem ungeheuren
lahrhchen Zuckerverbrauch pro Kopf der Bevölkerung zu
ersehen ist SCHAUWECKER beziffert ihn mit 27,5 kg Laßt
sich das durch den Zucker verfälschte Nahrungsverhalten im
Einzelfall nur schwer erfassen, so daß wir diesen Faktor
besser an der eindrucksvollen Verbrauchsziffer ablesen können, so zeigt uns die zu 9 5 % bereits im kindlichen Alter
auftretende Zahnfäule für eben diese Zahl falsches Nahrungsverhalten an Wieweit für dieses Geschehen Zuckergenuß und Weißteigwaren verantwortlich gemacht werden
können, ist allgemein bekannt
Es kommt noch etwas hinzu Einen wesentlichen Bestandteil
der fruhkmd/ichen Ernährung bilden die Breimahizeiten Je
lunger das Kind bei ihrer Einfuhrung ist, um so weniger ist
die noch auf Saugen eingestellte orale Zone fui den Kauakt ausgebildet, so daß die eingebrachte Nahrung, wie man
es von der Flasche gewohnt ist, geschluckt wird Da wir
auch weiterhin weiche Nahrung anbieten, besteht kerne Nötigung zu fortgesetzter Kautatigkeit Die Volker des Ostens
genießen den Reis in so korniger, trockener Form, daß dabei schon eine Kauleistung erforderlich wird Bis man aus
einem Mund voll Reis einen chymusartigen Brei hergestellt
hat, kann man ohne weiteres dreißig Kaubewegungen
machen Der Kauvorgang stellt Forderungen an die Ausdauer und prägt damit die allgemeine Fähigkeit zu ausdauerndem Verhalten, was im Extrem zur Verbissenheit wer
den kann, mit der man ein Ziel verfolgt Genügend langes
und intensives Kauen verstärkt die Mundverdauung, entlastet
die Verdauungsorgane des weiteren Weges und macht
schneller satt Nebenbei tiagt es zur Entstauung im Bereich
der benachbarten Nasennebenhöhlen bei
Die Beißlusf isf beim Kinde durchaus vorhanden, weshalb
bekanntlich vielerorts Veilchenwurzeln oder früher in unseren
östlichen Provinzen und im Baltikum geeignete Knochen ge
teicht wurden Wer an der Nahrung lernt, sie klein zu kriegen, wird auch spater schwerer unterzukriegen sein, wird
sich die Dinge anpassen
Die moderne Küche tut noch ein Übriges und |agt alles durch
den Mixer, der damit nun einen Teil unserer Kaufunktion
übernimmt
Bei mangelnder Berücksichtigung all dieser Faktoren darf
man sich nicht wundern, wenn es heißt „Wir lebten zu gut,
zu suß und zu f e t t "
Der östliche Forscher bezeichnet den Industriezucker in |eder
Form als das Zivilisationsgift schlechthin, ein Standpunkt, der
praktisch auch von BROKER vertreten wird, und wovon map
sich durch genaues Studium klinischer Ablaufe etwa beim
Rheuma überzeugen kann
Der penetrante Zuckergeschmack fuhrt zur Abstumpfung des
Geschmacks Er gibt der primitiveren Geschmackswahrnehmung, die bekanntlich nur vier Qualitäten umfaßt, den Vor
rang vor dem differenzierteren Geruchsvermogen Damit ver
fiert der zivilisierte Mensch meist nicht nur die Nase fui
sein Nahrungsverhalten, sondern weitgehend auch in Fragen
des Geschmacks
Die Bekanntschaft mit der Süße als Geschmacksqualltat be
kommt weittragende Bedeutung Wir sprechen von der Süße
des Lebens, pervertiert vom süßen Leben Backfische finden
inren Schwärm suß Gib ihm einen Süßen, bedeutet einen
Kuß
Soviel zum Kapitel und zum Problem des Süßen
Die Stillschwierigkeiten wirken sich nun nicht nur auf das
Erlebnis des Kindes aus, sie bestimmen auch das Verhalten
der Mutter.
Entspricht etymologisch Schuld dem Soll oder Gesollten, so
bewirkt Nichterfüllung eines Solls Schuldgefühl, das eine
moralische Aufladung erfährt. Aus dieser unbewußt gewußten Schuld erwächst ängstliche Besorgtheit und eine zwingende Einstellung zur Nahrungsaufnahme des Kindes. Das
geheime Schuldgefühl der Mutter wird zur entscheidenden
Quelle der Eßschwierigkeiten der Kinder, einer Crux medicorum.
Gedeihende Kinder entwickeln guten Appetit, allgemein begrüßt. So wird die Nahrungsaufnahme zur freien Zone sinnenfrohen Genusses. Angesichts der vielfachen Triebbeschränkungen und aus sozialen Rücksichten erforderlichen
Triebversagungen findet eine Verlagerung von Triebbefriedigung statt und spiegelt sich in den Eßgewohnheiten wider.
Die studentische Redeweise von den kleinen Schweinereien
ist bezeichnend und meint raffiniert zusammengestellte, pikante Gerichte. Hierzu gehört auch die gesteigerte und gehäufte Nahrungsaufnahme, vor allem die Unsitte des gesteigerten Flüssigkeitskonsums, angeregt durch zielbewußte
Werbung, als Antwort und Ausflucht vor der Monotonie von
Arbeitsvorgängen, aber auch gegenüber dem Streß der
ohne zeitliche Begrenzung verlaufenden Arbeit des Managertums, auf dem der Druck des Besitzstrebens der Massen liegt.
Denn die Masse ist nur in der Lage, dieses Streben anzumelden, allenfalls polemisch durchzusetzen, ohne selbst die
Fähigkeiten zu besitzen, das Gewünschte zu realisieren. Immer braucht es einen Moses, um ins gelobte Land zu kommen. Dieses ungesättigte Besitzstreben, eine triebhaft ungesteuertem Nahrungsverlangen entspringende Tendenz,
wird von den Oberschichten bis hin zum Werkmeister und
Vorarbeiter mit Gesundheit und verkürzter Lebenserwartung
bezahlt.
Schließlich gehören schwer pathologische Formen des Nahrungsverhaltens hierher, die Fettsucht als Ausdruck gestörren Geltungsbestrebens im weitesten Sinne und die Magersucht junger Mädchen, die der Unfähigkeit zur Übernahme
der Geschlechtsrolle entspringt.
Mit diesem weitverzweigten tiefverwurzelten Geschehen hat
es nun der Arzt zu tun, der die Ernährung einsetzen will. Bedenken wir noch, mit was für einem Schilderwald von Verboten das Kind und auch der Erwachsene umgeben sind.
Dann ist Jede Ernährungs-„Vorschrift" "mit ihrem „erlaubt"
und „verboten" schon zur Unwirksamkeit verurteilt. Man
sollte zweckmäßig von Verträglichkeit und Unbekömmlichkeit sprechen.
Damit richtet sich unser Appell nicht nur an das rationale
Denken. Das ist wichtig. Denn Nahrungsgewohnheiten haben
sich im Laufe ungezählter Generationen entwickelt. Sie gehören mit zur Lebensform der jeweiligen menschlichen Gesellschaft, verraten uns die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kulturkreis und sind Ausdruck des sozialen Verhaltens
der betreffenden Gruppe. Wir finden ein den natürlichen
Gegebenheiten, d. h. den Lebensgewohnheiten, den Arbeitsanforderungen und dem regionalen Nahrungsangebot angepaßtes Nahrungsverhalten heute lediglich noch bei Naturvölkern und bei überwiegen der agrarischen Lebensform.
Bei allen zivilisierten Völkern mit einem technischen Hochstand ist das Nahrungsverhalten nicht mehr einheitlich, den
Erfordernissen angemessen. Man kann es als weitgehend
denaturiert, vielfach pervertiert bezeichnen. Wir befinden uns
in einem gesellschaftlichen Umbruch, in dessen Verlauf noch
keine Geschlossenheit des Weltbildes erreicht worden ist.
Dementsprechend sind auch die sozialen Bezüge problematisch und damit auch die Ernährung, die sich ungeachtet
der veränderten Arbeitswelt noch aus der Erinnerung an
die agrarischen Lebens- und Wirtschaftsformen herleitet.
Die Nahrungsbeschaffung und ihre Kosten spielen nicht nur
im Einzelhaushalt eine große Rolle, sondern auch in allen
den Kreisen der Wirtschaft, die damit befaßt sind. In der
Konsumgesellschaft, die wir heute sind, hat das Konsum-
denken vor dem Gebiet der Ernährung nicht haltgemacht, so
daß unsere Ernährung in Wahrheit nicht gesundheitlichen
Prinzipien folgt, sondern von rührigen Produzenten aller Lager manipuliert wird. Man bedient sich dabei fleißig mehr
oder weniger wissenschaftlicher Begründungen, und niemand
von den Berufenen widerspricht, weder die ärztlichen Standesorganisationen oder wissenschaftliche Institute noch ein
Gesundheitsministerium.
„Milch, Quelle der Gesundheit" ist zum Slogan geworden,
der Milch einem Allheilmittel oder einem Lebenselixier gleichzustellen scheint. Dabei ist Milch nebenbei auch Flüssigkeif,
die manchem in den zugeführten Mengen nicht bekommt, und
enthält Wirkstoffe, die für manche katarrhalischen Erkrankungen der Luftwege oder etwa für Ekzematiker und Patienten mit Neurodermitis sehr unzuträglich sein können.
Wenn namhafte Ernährungsforscher davon sprechen, daß
das einzelne Lebensmittel für die Ernährung etwas mehr oder
weniger Zufälliges und allein entscheidend sei, daß durch
die Nahrung alle benötigten Nährstoffe in ausreichender
Menge und zweckmäßiger Proportion zugeführt werden, so
verkennt diese Auffassung sowohl die Rolle der Nahrung
als auch die Einstellung des Menschen, der seine Nahrung
nicht nur genießen, sondern in Zusammenstellung und Darreichung sein Brauchtum bekunden und in der Art der Entgegennahme Ehrfurcht bezeugen will vor den Mächten, die
ihm Nahrung spenden. Nicht einmal den täglichen Beobachiungen halten diese Behauptungen der Wissenschaft stand;
denn im Sommer wählen wir ganz andere Gerichte als im
Winter. Eisbein mit Sauerkraut „geht" eben nur in der kalten Jahreszeit, obwohl es das ganze Jahr auf der Karte
steht. Alle pflanzliche Nahrung schmeckt und bekommt am
besten in der Zeit, wo sie die für den Genuß erforderliche
Reife erreicht hat und in den Gegenden, wo sie wächst oder
wachsen kann. Um die Problematik, daß wir Tomaten oder
Äpfel, Spinat oder Blumenkohl heute nahezu das ganze Jahr
hindurch bekommen, kann sich eine so eingestellte Wissenschaft gar nicht kümmern. Das beglückende Gefühl geht verloren: Denken Sie an Ihre Kindheit! Die ersten Kirschen, die
ersten Erdbeeren des Jahres zu ihrer Zeit, wie mundeten
sie?
Wir verdanken der Ethnologie die Erkenntnis, daß der
Mensch die Welt nie mit unvoreingenommenen Blicken sieht.
Er sieht sie immer mit den Augen eines Wesens, das von
einem ganz bestimmten Bestand von Sitten und Einrichtungen und damit von bestimmten Denkweisen geprägt wurde.
Das gilt aber nicht nur für unsere Patienten, deren Nahrungsverhalten die Geschichte ihres Lebens aufzeigt, sondern
ebenso für Ärzte, deren Vorstellungen über Wert und Unwert einer Ernährungsform von dem System ihrer medizinischen Ausbildung getragen werden. Infolgedessen gehen die
Ernährungsvorschläge weitgehend von der Rolle aus, die das
betroffene Organ oder Organsystem im Stoffwechsel spielt,
dem Magen, der Galle, der Leber, den Nieren usw. Damit
bekommt die Ernährung die Aufgabe, das betroffene Organ
zu entlasten. Es sollen Schädigungen abgewehrt werden. Dabei zeigt uns die Psychologie im Rahmen der psychosomatischen Medizin, daß das pathologische Geschehen an diesen Organen das leibliche Substrat von Fehleinstellungen ist.
Wir sehen, daß die einzelnen Organe und Organsysteme
nicht nur ihre Aufgabe im Körperhaushalt haben, sondern
eine Seite des Menschen repräsentieren. So kann Medard
BOSS darauf hinweisen, daß Erkrankungen des Verdauungstraktes damit zu tun haben, daß die Weltbezüge des Anpackens, des Bewältigens, des Aneignens, des Integrierens,
des Behaltens oder Ausstoßens von ihrem normgerechten
Vollzug abgedrängt worden sind. Ähnliche Bedenken wie
gegen die Einseitigkeit einer Gallen- oder Nierenkost mit
ihrer tristen Monotonie gelten auch Ernährungssystemen wie
der vegetativen Ernährung, deren Forderung in ihrer „Reinheit" gipfelt, ohne die Wirkungen und Gegenwirkungen zusammen verabfolgter pflanzlicher Nahrungsmittel zu kennen.
Die Köstlichkeit reifer Früchte lockte die Menschen immer,
sie roh zu genießen. Ergänzt man das durch die zarten Salate und die verschiedenen von jeher roh genossenen Gewächse, etwa die Retticharten, so erwächst einige Skepsis
gegen eine allzu ausgedehnte Rohkost. Schließlich war die
Gewinnung des Feuers ein Fanal auf dem Wege der Entwicklung der Menschheit. Vor allen technischen Anwendungen diente es bis auf den heutigen Tag der Zubereitung der
Nahrung. Die Kunst der Küche gipfelte ungeachtet aller geschmacklichen Korrigentien in der Kochkunst.
Noch ein Wort zum Fasten. Auch hier ändert sich die Beziehung zur Welt, äußerlich gekennzeichnet durch das Nahrungsverhalten. Es kommt zu einem Übergewicht des Inneren, das sich mit starker Belebung vom Unbewußten her
äußert, mitunter bis zu einer Inflation des Ich und je nach
Persönlichkeitsstruktur von visionärem oder psychotischem
Charakter. Darin liegt auch die Bedeutung jedes rituellen
Fastens. Für den Arzt Grund genug, seine Fastertpatiertten
sorgfältig aufzuklären, ihnen ein aufmerksames Auge zu
schenken.
Dies alles sind nur Hinweise, aber sie genügen, erkennen
zu lassen, wie auch in der Ernährung sich die Erfahrungen
eines Lebens niederschlagen und wie die einzelnen Stationen dieses Weges entscheidend sind für ein natürliches Nahrungsverhalten oder für ein abweichendes Verhalten, das in
Krankheit endet. Auf diese Weise bekommen die Eßgewohnheiten eines Menschen außerordentliche praktische Bedeutung und geben uns sehr viel weitläufigere Informationen
über die Gesamtsituation eines Menschen, als wenn wir nur
die gestörte Organfunktion ins Auge fassen.
Anschrift des Verfassers: Dr. med. Joachim KAMINSKI, 318 Wolfsburg,
Porschestraße 56, Postfach 86.
Aus den Inneren Abteilungen der Städtischen Krankenanstalten Bremen-Nord (Chefarzt: Dr. med. Voikmar Schenck)
Zur Ausweitung der Milchdiät
Von G. Apel
Bei der Gestaltung von Diät neigt man stets dazu, einer an
die jeweiligen Gegebenheiten angepaßten Ernährungsweise
den Vorzug gegenüber einem dogmatisch starren D'iätschema
zu geben. Die praktische Erfahrung beweist, daß eine Variierung des Diätaufbaus im Rahmen der Therapie zweckmäßiger und für den Patienten angenehmer ist und daher sicherer zum Erfolg führt als ein Beharren auf vorgegebener Form.
Der Wechsel ist unerläßlich, wenn der Patient die Diät auch
über einen längeren Zeitraum oder sogar als Dauerkostform
einhalten soll.
Schwierigkeiten bei der Befolgung der Anweisungen für
Schonkost treten besonders bei den Formen der Milchdiät
auf, deren Eintönigkeit die Eßlust oftmals lähmt und eine
völlige Aversion gegen den Milchgenuß hervorrufen kann.
Bei der diätetischen Behandlung von Hepatopathien, von
Ulcus ventriculi und Ulcus duodeni, bei Gasfritiden, Pankreasaffektionen, bei Herzinsuffizienz und in anderen Fällen wurde
deswegen nach Möglichkeiten gesucht, die Diätgestaltung zu
verbessern und aufzulockern. Zu diesem Zweck wurde ein
kakaohaltiges Kräftigungsmittel, das hinsichtlich seines Aussehens, seines Geschmacks und seines Geruchs schokoladenpulverähniich ist, auf seine Eignung untersucht*].
Die Analyse dieses Produktes ergab die folgende Zusammensetzung:
Glucose
Saccharose
Stärke
Fett
Lezithin
. . . .
18,36
45,33
3,88
5,68
0,45
Protein
7,57
Sonstige stickstofffreie
Extraktivstoffe
.
8,23
Rohfaser
2,49
Theobromin . . . .
0,59
Asche
3,80
Feuchtigkeit . . . .
3,68
V i t a m i n Bi
. . 1 mg/100 g
Mineral bestand teile
in mg/100 g
K . . .
810
370
Na . .
200
Ca . .
190
Mg . .
Fe
. .
5
3
AI
. .
Si
. . . .
1,5
972
PO4 . .
SO4 . .
452
Cl
. .
131
*) Handelsübliche Bezeichnung: Kaba, Hersteller: HAG A G , Bremen.
224
Dieses Erzeugnis wurde auf Grund seiner Inhaltstoffe als oberflächenvergrößernder Stoff in Lösung von Milch bei Diätformen verwendet, die bei folgenden Erkrankungen angezeigt
waren:
1. allgemeine Ernährungsstörungen mit Appetitlosigkeit
2. Magenerkrankungen: Anazidität, Hyperaziditäf, Gastritis,
Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni
3. Cholezystopathien und Hepatopathien mit und ohne Pankreasaffektionen
4. Darmerkrankungen mit und ohne Obstipation
5. Herzinsuffizienz mit und ohne Hypertonie.
In einem Zeitraum von knapp drei Jahren wurden insgesamt
68 Personen, davon 44 Frauen und 24 Männer, klinisch untersucht. Es handelte sich dabei um Patienten mit folgenden
Symptomen:
Allgemeine Ernährungsstörungen und Appetitlosigkeit;
Magen-Darm-Erkrankungen, Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni,
Gastritis;
Leber- und Gallenblasenerkrankungen und Pankreasaffektionen;
Herzinsuffizienzen.
Der klinischen Untersuchung unterlagen Blutdruck (RR), Blutbild, Blutsenkung (BSG), Urin, Xanthoprotein, Blut- und Harnzucker, Cholesterinwerte, Diastasewerte, Serumbilirubin. Die
Werte für Cholesterin, Diastase und Serumbilirubin konnten
nicht in jedem Falle geprüft werden, da die Verweildauer
einiger Probanden im Krankenhaus nicht den Versuchsanforderungen entsprach, jedoch konnte ein Teil der Untersuchungen auch nach der Entlassung fortgesetzt werden. Allgemein
handelte es sich bei den stationär untersuchten Patienten um
Probanden, die frei von äußeren Einflüssen blieben und sich
in einer gleichartigen Reaktionslage befanden.
Für die Beurteilung waren neben diesen objektiven Kriterien
(den klinischen Befunden) auch subjektive Kriterien (Häufigkeit der Beschwerden, eventuelle Abneigung gegen Diätform,
allgemeine Speisenunverträglichkeir usw.) maßgebend.
Das kakaohaltige Getränk wurde nach der Zubereitungsanweisung mit 60 g Pulver auf 1 Liter Flüssigkeit (Milch, verdünnte Milch, Wasser) bereifet. In der Regel wurden davon
700 ml entsprechend 40 g des kakaohaltigen Kräftigungsmit-
tels jeweils vormittags bzw. nachmittags zu den gleichen Zeiten als Zwischenmahlzeit gegeben, und zwar in wechselnder
Reihenfolge in Milch, verdünnter Milch und heißem Wasser.
Dabei ergaben sich hinsichtlich Verträglichkeit, Geschmack,
Diäterfolg der verschiedenen Zubereitungsarten keine signifikanten Unterschiede. In wenigen Fällen wurde die Zubereitung mit Milch als einzig schmackhafte Form der Darreichung
bezeichnef.
Einzelne Fälle seien herausgegriffen:
1. Herr D., 53 Jahre. Herzinsuffizienz, Hypertonie, Adipositas. Unverträglichkeit gegenüber Reis-Obst- und Karell-Tagen
mit Milchdiät.
5V2 Wochen 6 Karell-Tage mit Versuchsmenge. Gute Verträglichkeit. Keine Obstipation. Gewicht von 90 kg auf 84 kg
reduziert.
2. Frau H., 62 Jahre. Herzinsuffizienz, Asthma bronchiafe,
Adipositas. Übelkeit, Beschwerden, Abneigung bei Milchgenuß während der Karell-Tage.
4V2 Wochen zweimal wöchentlich Karell-Tag mit Versuchsmenge. Gute Verträglichkeit. Keine Abneigung. Keine Obstipation.
3. Frl. Seh., 22 Jahre. Hepatitis epidemica. Sehr schweres
Krankheitsbild. Ausgeprägter, lang anhaltender Ikterus.
8 Wochen täglich Versuchsmenge. Gute VerfrägJidiker'f. Keine
Abneigung. Die Patientin empfand im Rahmen der ihr zu
faden Diät die tägliche Versuchsmenge als außerordentlich
angenehme Abwechslung.
4. Frl. K., 14 Jahre. Sehr schwere Hepatitis epidemica mit
ausgeprägtem Ikferus.
8 Wochen täglich Versuchsmenge. Gute Verträglichkeit. Keine
Obstipation. Keine Abneigung.
5. Frau H., 47 Jahre. Hochfieberhaffe akuter Schub einer
chronischen Hepatitis.
17 Wochen täglich Versuchsmenge zuzüglich jeden zweiten
Tag weitere 20 g mit entsprechender Milchmenge. Hier bestand der Eindruck, daß eine schon längere Zeit ausgeprägte
Fettunverträgüchkeit, die sonst therapieresistent geblieben
war, bei dieser Diät fast vollständig nachgelassen hatte.
Nachuntersuchung nach 1 Jahr. Diätform auf 80 g in entsprechender Milchmenge erhöht. Wohlbefinden wird auf dieses Getränk zurückgeführt. Leber-Schutzpräparate waren in
der Zeit angeblich nicht eingenommen worden.
6. Frau W., 45 Jahre. Cholelithiasis, Barbitursäureintoxikation,
Suicidversuch mit 25 Phanodorm-Tabletten, Diabetes mellitus.
Blutzucker um 130 mg/%. Harnzucker bis 18 g/die. Aceton
positiv. Täglich 2 Tabletten Rastinon seit 1 Jahr.
Patientin bekam in den ersten Tagen ausschließlich Versuchsmenge in Milch = 60 g/l. Dabei unter dem Nachklingen der
Intoxikation kein Entgleisen der diabetischen Stoffwechsel läge.
7. Herr M., 33 Jahre. Gastroduodenitis, Hyperazidität, Ulcus
ventriculi, hochgradige Nervosität.
Heilungsverlauf des Ulcus bei Verabfolgung von Versuchsmenge wie üblich, jedoch keine Änderung der Hyperazidität.
8. Frau W., 60 Jahre. Kailöses Ulcus ventriculi, Appetitlosigkeit und Erbrechen therapieresisfent.
2 Wochen Versuchsmenge. Zunahme des Appetits. Kein Erbrechen. Hyperazidifäf nicht beeinflußt. Diäfform abgesetzt,
da Aversion auftrat.
In diesen und in den anderen untersuchten Fällen wurde eine
allgemein gute Bekömmlichkeit des kakaohaltigen Kräftigungsmittels gefunden. Unerwünschte Nebenwirkungen traten
nicht auf. Von einigen jugendlichen Männern, die an starken
Nikotingenuß gewöhnt waren, wurde der Geschmack des
Präparates als zu wenig ausgeprägt beurteilt. Eine Abneigung traf nur in vereinzelten Fällen bei Jangdouernder täglicher Verabfolgung auf. Auch Diabetiker, sofern sie vorher
gut eingestellt waren, vertrugen die Versuchsmenge ohne
Veränderung der Harn- und Blutzuckerwerte. Ein Auftreten
der Glykosurie oder, soweit Zucker im Urin ausgeschieden
wurde, einer Vermehrung der Glykosurie wurde nicht gefunden. Es war dabei gleichgültig, ob die Patienten mit Rastinon
oder Insulin behandelt wurden.
Allgemein ergaben sich bei den untersuchten Patienten keine
Veränderungen von Blutdruck, Blutbild, BSG, Urin, Stickstoffgehalt des Blutes und des Xanthoprotein.
Eine Serie von acht fraktionierten Magensaftuntersuchungen,
bei denen statt der üblichen Coffein-Reizmahlzett eine entsprechende Versuchsmenge gegeben wurde, ergab keine mit
der üblichen Methodik meßbare Veränderung der Aziditätsverhälfnisse.
Eine mit Hilfe der Duodenalsonde eingeführte Menge des
Versuchspräparates (mit Milch, verdünnter Milch bzw. Wasser) ergab im Gallenfluß keine faßbaren quantitativen Veränderungen.
Im Heilungsverlauf von Ulcus ventriculi oder Ulcus duodeni
bei Hyperazidität war die gewählte Diätform wegen der
indifferenten chemischen Reaktion des Präparates besonders
positiv zu beurteilen.
Es ist aus den Beobachtungen zu folgern, daß die Verwendung des untersuchten kakaohaltigen Kräftigungsmittels, das
sich durch den Gehalt an Kohlehydraten, insbesondere an
Glukose, durch den Gehalt an Mineralbestandteilen und
durch den Gehalt an Vitamin B1 auszeichnet, eine klinisch zu
empfehlende Verbesserung der Milchdiät zugleich im Sinne
einer Diätauflockerung ergibt.
Zusammenfassung
Der Durchführung einer Milchdiät stehen häufig Schwierigkeiten entgegen. Viele Patienten reagieren gerade bei langdauernden Gaben mit Übelkeit, Verdauungsbeschwerden,
Essensunlust und Aversion bis zur Ablehnung. Die Ausweitung
der Milchdiät durch ein kakaohaltiges Kräftigungsmittel ergab in Versuchen, die während eines Zeitraums von drei
Jahren an 68 Probanden nach objektiven und subjektiven
Kriterien durchgeführt wurden, gute Erfolge. Wegen seiner
Zusammensetzung und seiner indifferenten chemischen Reaktion eignet sich das Präparat zur Verbesserung — und ebenso
als Geschmackskorrigens zur Auflockerung - der Milchdiät
(Karell-Diät, Magen-, Leber-Schonkost). Sowohl allgemeine
Ernährungsstörungen wie spezielle Erkrankungen von Magen
und Darm, von Leber und Gallenblase u. a. konnten durch
dieses Nahrungsmittel diätetisch günstig beeinflußt werden.
Anschrift des Verfassers: Dr. med. Gerhard APEL, Facharzt für innere
Krankheiten, 28 Bremen-St. Magnus, Auf dem hohen Ufer 119.
Berichtigung
Im Auftrage des Autors möchten wir unsere Leser darauf
hinweisen, daß es in dem Beitrag Faust, „über die Kurztherapie der vegetativen Dystonie, Neurose und Neuropathie
durch die aktive Entspannung" im Oktoberheft auf Seite 187
linke Spalte im 2. Absatz wie folgt heißen muß: „Es handelt
sich mithin um reine Überregtheits- und überspannungsunordnungsfunktionen."
Der 26. Kongreß für Naturheilverfahren findet vom
29. Februar bis 6. März 1964 in Freudenstadt statt.
Themen : „Der rheumatische Formenkreis" und
„Aktuelle Themen aus der Elekfromedizin".
Der 27. Kongreß für Naturheilverfahren findet vom
13. bis 20. September 1964 in Freudenstadt statt.
Themen : „Gastro-Enterologie" und
„Geburtenkontrolle".
Bericht über die Mitglieder-Versammlung des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren am Donnerstag,
dem 19. September 1963, um 20.00 Uhr in Freudenstadt.
Die Mitglieder-Versammlung war ordnungsgemäß einberufen
und wurde von Herrn Dr. HAFERKAMP mit dem Bericht zur
Lage eröffnet. Der Verband ist durch die hohen Kosten der
Frühjahrstagung in Bochum in erhebliche Schwierigkeiten
geraten. Durch Intensivierung der Arbeit des Vorstandes muß
versucht werden, die Bemühungen des Verbandes in noch
weiteren Kreisen der Ärzteschaft bekanntzumachen. Der Vorsitzende gedenkt der aufopferungsvollen Mitarbeit seines
verstorbenen Vorstandsmitgliedes Dr. TIEGEL, Mannheim.
Nach Ernennung [e zweier Kassenprüfer werden die Belege
des Kassenwartes sowie die Belege des Ausbildungsleiters
in Stichproben geprüft. Dem Vorstand und dem Ausbildungsleiter werden nach Anhören der Kassenprüfer Entlastung erteilt. Der Vorstand tritt zurück.
Zur Neuwahl des Vorstandes geht der Vorsitz an den Wahlleiter, Herrn Dr. VOSS, über. Unter Leitung von Dr. VOSS
wird im ersten Wahlgang Herr Dr. HAFERKAMP, Mainz,
wieder zum 1. Vorsitzenden gewählt.
Der 1. Vorsitzende übernimmt die weitere Leitung der Sitzung. Zum 2. Vorsitzenden wurde gewählt: Dr. Fritz OELZE,
Facharzt für Innere Medizin, Chefarzt der Abteilung für
Naturheilverfahren des Allgemeinen Krankenhauses Hamburg-Ochsenzoll.
Zum Schriftführer wurde gewählt: Dr. med. Albert CRAMER,
praktischer Arzt und Arzt für Naturheilverfahren, HamburgNienstedten, Ohnhorststraße 64.
Zum Kassenwart wurde wiedergewählt: Dr. med. J. DUMRESE, praktischer Arzt und Badearzt, Lüneburg, Haagestraße 2.
Die angeschlossenen Verbände berichteten über ihre Arbeit:
Herr Dr. H. F. VOSS berichtet für die „Internationale Gesellschaft für Neuraltherapie nach Huneke". Der Aufbau der
Arbeitsgemeinschaft schreitet fort. Zahlreiche Mitglieder aus
allen ärztlichen Fachrichtungen konnten interessiert und zur
Mitarbeit herangezogen werden. Neue Erkenntnisse hinsichtlich der Wirkungsweise der Neuraltherapie wurden erarbeitet.
Für die „Forschungsgemeinschaft für Arthrologie und Chirotherapie (FAC) e. V." berichtete Dr. A. CRAMER, Hamburg:
Die FAC blickt in diesen Tagen auf ihr lOjähriges Bestehen
zurück; sie wurde unter Leitung von Dr. A. CRAMER am
13. Dezember 1953 in Hamburg gegründet. Im Februar 1963
eröffnete die FAC ihre eigene „Klinik für manuelle Therapie"
in Hamm/Westf. Die Klinik verfügt über eine große nach
modernsten Gesichtspunkten eingerichtete Badeabteilung sowie über ein Röntgenforschungs-Institut. Die Klinik ist auf
ein halbes Jahr hinaus voll ausgebucht und läuft erwartungsgemäß gut.
Herr Dr. R. VOLL, Plochingen, berichtet über die „Internationale Gesellschaft für Elektroakupunktur e. V.". Die
Gesellschaft nähert sich einem Mitgliedssfand von rund
400 Kollegen des In- und Auslandes. Neue Erkenntnisse in
der Wirksamkeit elektrischer Kippschwingungen bei der
Heilung funktioneller Störungen wurden erarbeitet. Die Gesellschaft hat im Anschluß an die Tagung des Zentralverbandes ihre erste große eigene Tagung, die mit Rednern des
In- und Auslandes gut beschickt ist. Sonderbericht über diese
Tagung folgt.
Herr Dr. GRAF WITTGENSTEIN, München, konnte sich auf
den Hinweis auf sein seit Jahren gut bekanntes Psychotherapie-Seminar beschränken. Die Beliebtheit dieser Veranstaltung äußert sich in steigender Beteiligung. Eine weitere Aufgliederung der Tätigkeitsbereiche ist erfolgt.
Herr Dr. L. STRASSBURG berichtete über die Schwierigkeit der Nachwuchsbeschaffung für seine Klinik in Berlin.
Die „Ärztegesellschaft für Naturheilverfahren e. V.", Berlin,
richtet ihre Grüße an den ZÄN und wünscht ihm ein weiteres
Gedeihen in seiner Tätigkeit. Auf eine bessere Einschaltung
der Kollegen der Berliner Gesellschaft in die Arbeit des
ZÄN wird Wert gelegt.
Die „Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsvorsorge und Frühheilbehandlung" war auf der Mitgliederversammlung nicht
vertreten. Für diese Gesellschaft führte Herr Dr. GROH zusammen mit Herrn Dr. von NATHUSIUS einen Kurs für
Bewegungstherapie durch.
Die „Arbeitsgemeinschaft für Mikrobiologische Therapie" war
gleichfalls auf der Mitgliederversammlung nicht vertreten.
Auf die Beiträge dieser Arbeitsgemeinschaft in den Programmen wird verwiesen.
A. C.
Neue Bücher
P. B e c k m a n n , W . W a l i n s k i , Chr. d e W e r t h :
Internistische
Ü b u n g s b e h a n d l u n g (Technik und Organisation in speziellen Heilverfahren). 107 Seiten, 12 Bildseiten, kartoniert,
12,80 DM, Hippokrates-Verlag, Suttgart, 1961.
über Problem und Praxis der internistischen Übungsbehandlung geben BECKMANN und Mitarbeiter eine gute Einführung und Auslegung. Vor allem ist zu begrüßen, daß dem
Praktiker, dem in heutiger Zeit der frappanten industriellen
Entwicklung eine fast unübersehbare Zahl psycho-vegetativ
gestörter Patienten gegenübersteht, in knapper Form eine
ausreichend tiefgründige und kritische Studie zur Orientierung über das Gebiet des Frühheilverfahrens geboten wird.
Als sehr wesentlich für den Erfolg wird herausgestellt, daß
der Patient keiner p a s s i v e n Therapie untersteht, sondern
daß er a k t i v an sich arbeiten muß.
Als causale Indikation der internistischen Übungsbehandlung,
die eine umfassende Anwendung naturgemäßer Heilmethoden wie Hydrotherapie, Licht- und Luftbäder, Gymnastik in
jeder Form, Spaziergänge und Wanderungen mit einschließt,
wird die Initiativveränderung und der fehlerhafte innere
Rhythmus der Patienten angesehen. Daraus ergibt sich die
Notwendigkeit eines festen Tagesplanes als Grundlage der
Einzel- und Gruppenbehandlung. Der Rezensent ist der Meinung, daß im Rahmen der individuellen Indikationsbreite
der einzelnen Kurheime eine initiale Kostaufgliederung erfolgen sollte, um die notwendige Substitutionstherapie bei
226
intestinalen Mängeln wie u. a. Dysfermentie, Dyspepsie und
Leberfunktionsstörungen zu unterstützen, sowie eine „Entschlackung" und Gewichtsregulierung durchzuführen. Hierbei
ist auch abweichend von den Ohlstädter ortsgebundenen
Kurgegebenheiten eine Zusammenfassung der Unterkünfte in
einem Hause zur Überwachung der Diätmaßnahmen notwendig, womit auch gleichzeitig einem Nikotin- und Alkoholmißbrauch vorgebeugt wird, dessen Ausmaß oft unterschätzt
wird. Die Bedeutung einer allgemeinen psychagogischen Führung als Basis und Rahmen der Behandlung vegetativ und
auch organisch gestörter Berufstätiger braucht nicht gesondert betont werden.
Hinsichtlich der Ausführung von Atem- und Bewegungsübungen ist zuzustimmen, daß auf technische Hilfsmittel weitgehendst verzichtet wird und nur einfache Hilfen wie Stock,
Ball, Bank und Bürste verwandt werden, bei weitgehender
Verlegung der Übungsbehandlung ins Freie, um der Entwicklung eines „Zimmermenschen" entgegenzuarbeiten. Der Einsatz des ärztlichen und Hilfspersonals (Arzt als Übungspartner) im Rahmen des gesamten Kurplanes ist aber auch weitgehend von den örtlichen Raum- und Kurmittelgegebenheiten
abhängig. Kulturelle und freizeiHiche Betreuung der Kurpatienten verbindet letzlich erst die physische Rehabilitation
mit der Person des Heilungsuchenden und bedarf feinfühliger
und individueller Lenkung. Auch für das Frühheilverfahren
gilt das nil nocere - es darf nicht Hilfestellung für eine
traumhafte Selbstgenügsamkeit, Egoismus und Einzelgängertum leisten, sondern soll die Verbindung des Menschen mit
seiner Umwelt, ohne Verhaftung an Süchte, Reizmittel und
Medikamente, wieder herstellen. Das vorliegende Buch wird
den Zielseizungen des FrühheiWerfahrens in konsequenter
Weise gerecht.
H. L. HOFFMANN, Badenweiler
Sedlacek, H e i l m a s s a g e b e i i n t e r n e n E r k r a n k u n g e n .
44 Abb. auf Kunstdruckpapier, 143 S., mehrf. Umschlag, kart.
16,80 DM.
Es handelt sich um eine gut lesbare und lesenswerte Zusammenfassung der Heilmassage, ganz besonders zum Ein- und
Ausarbeiten für Fortgeschrittene geeignet. Verf. beschreibt
eine eigene überzeugend gewählte Kombination von Massagegriffen, deren Bedeutung anhand umfangreicher Literaturangaben und eigener Erfahrungen belegt und begründet
wird. Die Kenntnis eingeführter Schulen, etwa von RUHMANN, CORNELIUS, KOHLRAUSCH, VOGLER, LEUBE, auch
DICKE wird weitgehend vorausgesetzt. Eingebaut sind besonders die Methoden von F. X. MAYER und DICKE. Physiologische Wirkungen, Besonderheiten für einzelne Organe und
Erkrankungen (Herz- und Gefäßkrankheiten, Atmungsorgane,
Verdauungsapparat, Diabetes, Fettsucht, Nervensystem, Muskulatur, Bindegewebe, Gelenke) sowie ihre Gegenanzeigen
sind berücksichtigt. Ausführliches Literaturverzeichnis.
Gh
Priv.-Doz. Dr. Jentschura (Heidelberg): „ B e s c h ä f t i g u n g s t h e r a p i e " . Unter Mitarbeit von H. Gardemin, F. Hillers,
H. W. Janz, G. Jentschura, G. Langer. E. M. Rudel, W. Wigand. Georg Thieme Verlag, 1963, Stuttgart, 298 S., 125 Abb.,
45,- DM.
Im allgemeinen, praktischen Teil werden die nach internationaler Convention üblichen praktischen Arbeitsgänge der Beschäftigungstherapeutin
abgehandelt: Weben, Flechten,
Knüpfen, Basteln, Klöppeln, Filieren, Occhi, Papparbeiten,
Buchbinden, Töpferei, Lederarbeiten, Tischlern, Knochen- und
Metallarbeiten; schließlich Sfoffdrucken und Anpassung der
Hausarbeit an Körperbehinderungen. Im speziellen Teil wird
der Einsatz dieser verschiedenen Betätigungen in Orthopädie
und Unfallheilkunde, bei der Tbc-Behandlung und in der
Psychiatrie besprochen.
Der Stoff ist damit knapp und klar gegliedert. Wertvoll ist
der Beitrag von GARDEMIN über allgemeine Grundlagen
der funktioneüen Anatomie hinsichtlich der Beschäftigungstherapie und ihrer funktionellen Anwendung. Werkarbeit im
Behandlungsplan ist in Deutschland seit Jahrzehnten vor
allem in den Landesheilanstalten kultiviert worden. Jede Anstalt entwickelte aber ihr eigenes System - wie z. B. Bethel das schlecht übertragbar war. So ist es kein Zweifel, daß das
Annostfft in Hannover zusammen mit Uten zur Keimzeile der
deutschen Beschäftigungstherapie nach dem Kriege wurde.
Die neue Berufsausbildung richtete sieht stark an ausländischen Vorbildern (England, Amerika, Skandinavien) aus. Jedoch konnte die traditionelle „Arbeitstherapie" der Landesheilanstalten und der Krüppelfürsorge nicht ganz abgeschüttelt werden. So geht die deutsche Beschäftigungstherapie von
Anfang an einen eigenen Weg, und die in ihr liegenden
Möglichkeiten werden - vor allem in der Psychiatrie - nicht
so voll genutzt, wie im Ausland, wo keine traditionelle Tendenz zu „effektiver Arbeitsleistung" diesem Therapieprinzip
entgegensteht. Denn gerade zur Arbeit soll die Beschäftigungstherapie nicht dienen, sondern zur Entfaltung individueller Talente, für deren Entwicklung die Beschäftigungstherapie nur Beispiele bereithält, an denen das Prinzipielle
der Talenfentfaltung geübt werden kann. Es ist deshalb auch
nicht Ziel einer beschäftigungstherapeutischen Abteilung, daß
sie sich selbst aus der Produktion erhält, weil die Produktion
nicht ihr Ziel ist (im Gegensatz zur Arbeitstherapie!). Vielmehr dient sie vornehmlich der emotionellen Umsteuerung,
der intentioneilen Konzentration und der Persönlichkeitsentfaltung Kranker und Körperbehinderter. Es war notwendig,
diese Dinge einmal klar auszudrücken und im Zusammenhang darzustellen, wie es im vorliegenden Leitfaden geschehen ist. Wer einmal eine der wenigen bereits in Betrieb befindlichen Abteilungen dieser Art besichtigt hat, begreift
schnell deren großen, therapeutischen Wert.
Dr. med. A. Cramer, Hamburg
W. Heesen: „ I c h k o m m e s o f o r t " . Ersthilfe in der täglichen Praxis für akute Krankheiten. Schlütersche Verlagsanstalt Hannover, 4. Auflage, 207 Seiten, 9,80 DM.
Das sehr handliche, 207 Seiten umfassende Rocktaschenbüchlein ist vom Verfasser als schnell orientierendes Nachschlagwerk für die Ersttherapie in der täglichen Praxis gedacht.
Dieses Anliegen ist in vollkommener Weise gelungen, was
auch die 4. Auflage innerhalb von 2 Jahren beweist.
Das alphabetische Krankenverzeichnis, unabhängig vom Fachgebiet, ermöglicht schnelle Orientierung und vermeidet Wiederholungen. Es werden weitgehendst alle akuten Krankheiten, die dem praktischen Arzt begegnen, abgehandelt. Eine
besonders begrüßenswerte Hilfe ist die Therapie der Vergiftungen. Sie kommen in der Praxis zwar nicht häufig vor,
weshalb auch ihre Behandlung nicht immer gegenwärtig ist;
M e h r Blut, besseres Blut durch
Zur Blutbildung und Blutregeneration.
Bei Schwäche und Funktionsstörungen.
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hier hilft das Buchlein schnell und gezielt über die Lücke hinweg.
Bei manchen Krankheiten sind kurze differentialdiagnostische
Hinweise angeführt, die dem beschäftigten Arzt schnell Fingerzeige geben und ihn vor gedanklichen Unterlassungen bei
der Diagnosestellung bewahren sollen
Die Therapieangaben selbst sind ganz nach dem Wunsche
eines aufgeschlossenen Prakmatikers, der die Schulmedizin
und die vielen, in der freien Praxis bewahrten, Verfahren zu
verbinden weiß Selbstverständlich finden die Sulfonamide
und Antibiotika ihre breite Anwendung, aber auch die unspezifische Reiztherapie, die erfolgreiche ASCHNERsche
Konstitutionstherapie, auch homöopathische Mittel finden im
gegebenen Fall ihre Erwähnung Wenn notig wird sogar auf
die Prophylaxe hingewiesen (Milzbrand)
So wird nicht nur gerade eben der Notfall behandelt, son-
dern in knappster Form manche Anregung gegeben oder
Vergessenes wieder in Erinnerung gebracht
Vielleicht darf kritisch angemerkt werden, daß der Hinweis
s o (siehe oben) möglichst nicht angewendet wird, da man
schnellste Orientierung wünscht, ist die Suche nach der Hinweisstelle Zeitverlust Eventuell konnte man die Krankheiten
numerieren, so daß der Hinweis lauten wurde siehe Nr.
Ein kleiner Druckfehlei ist Seite 52, Zeile 2 „Aristamid" Bei
Herzinfarkt können ebenfalls Novocain-(lmpletol)-Quaddeln
im Segment gesetzt werden Auch die Analfisur konnte noch
aufgenommen werden
Aber diese wenigen kritischen Anmerkungen sind unbedeutend gegenüber der praktischen, schnellen und vielseitigen
Hilfe, die das handliche Büchlein dem praktischen Arzt in
vollkommener Weise vermittelt
Dr med A HARTMANN Mainz Gonsenheim
Referate
Eric de Winter (Paris): „ M a s s a g e R e f l e x o g e n e et
r e a n i m a t i o n m a n u e l l e a s i a t i q u e " La vie medicale,
44 (1963), S 125-139
Darstellung einer Art von Reflexzonen-Nervenpunktmassage
Die Handhabung wird bildlich und textlich erläutert. Die
Hauptstellungen der Hand sind Daumendruck, Fingerknocheldruck, Fingerspitzendruck mit gegeneinandergelegten Händen,
— scfi/ieß/icfi Doppeikonfakf z B rnrf Daumen und
Zeigefingerspitze Die Angriffspunkte für diese Massageart
sind teils den Meridianpunkten der Akupunktur entlehnt, teils
aber liegen sie auch über den Stammarterien, wo diese sich
der Hautoberflache nahern (Leistenbeuge, Kniekehle, Ellenbogen usw) Diese „algetischen und reflektorischen" Punkte
werden also manuell beeinflußt Die Indikationen dafür werden kurz besprochen Das ausgiebige Literaturverzeichnis vermittelt einen guten Überblick für den derzeitigen Stand der
Reflexmassage
Dr med A CRAMER, Hamburg
der zugehörigen Kraftentfaltung und Aktivität, und von
asiatischem Meridian-Denken, Beeinflussung durch Fernwirkung und Synergistik Neben der intensiven Knetung
des Leibes findet man die Beeinflussungsmoglichkeiten auf
den Darm von der Nase her, oder durch percuttierende
Schlage auf die Fußsohlen Das ganze ist zugig geschrieben,
mit schmissigen Faustskizzen illustriert und praktikabel gemacht Da es sich im ganzen um eine antalgesierende Massage handeln soll, werden die typischen Schmerz-Kufminationspunkte behandelt Kreuzregion Skapularand, Hinterkopfrand usw Aber die angegebene Massage wird nicht nur für
die üblichen myoneuralgischen Beschwerden empfohlen, sondern auch fui posttraumische Beschwerden Wer sich einmal
die Muhe gemacht hat, den praktischen Empfehlungen der
Verf zu folgen, wird das nach einer gewissen Einarbeitung
gar nicht mehr so abwegig finden Schließlich weiß heute
|eder Hochleistungssportler, daß er mit seinen Sehnenzerrungen, Hamatomen und Prellungen bei seinem Masseur am
besten aufgehoben ist
Dr med A Cramer Hamburg
C l a u d e R e n o u l d e t Eric d e W i n t e r (Paris): , T e c h n i q u e d e s
men i p u l a t i o n s o s t e o - a rt i cu I a i res du Systeme
l u m b o - p e l v i e n " La vie medicale, 42, (1961), 115-126
Verf versuchen, die Mechanik der llio-lumbo-sacral-Verbindung aus der Entwicklungsgeschichte zu erklaren und illustrieren ihre Vorstellungen mit einprägsamen Skizzen Interessant ist die Darstellung der verschiedenen Formen von Ihosakralgelenken bei verschiedenen Vierfüßern in verschiedenen Stadien des Überganges zum Aufrecfifgang (Affen') Die
eigentliche Mechanik der lliosakralgelenke berücksichtigt für
den Menschen die Convergenzverhaltnisse nicht genügend, so
daß die Interpretation im Ansatz steckenbleibt Im Literaturverzeichnis findet man neben manchen hier bekannten Namen viele, auf deren Arbeiten der Interessierte zurückkommen wird
Dr med A Cramer Hamburg
Eric d e W i n t e r , C l a u d e Renoult,
Louis Seyot
(Paris): „ R e a n i -
m a t i o n et M a s s a g e s A n t a l g i q u e s " La vie medicale
43 (1962), 97-118
Eine verdienstvolle Darstellung der leider zu selten besprochenen Technik der Abdommalmassage nebst deren Querverbindungen zu Rippenbogen und Beckengurtel (Kreuzbein)
Man ist es bei den Verf gewohnt, starke Einflüsse der Vorstellungen Souhe de MORANT's zu finden, der die Akupunktur in die franzosische Medizin einführte. So erhalt der Leser
ein inniges Gemisch von europaischer Massagetechnik mit
228
W. M. Hasslinger: P s y c h o h y g i e n e auf dem G e b i e t e
d e r C h i r u r g i e Gesundheitswesen 28 (1962), 1157-1161
„Wenngleich in Augenblicken hoher und größter Gefahr dieser oder |ener vorbereitenden Maßnahme eine besonders
gewichtige Rolle zukommt, so demonstriert uns Ärzten der
berufliche Alltag - sei es in der Sprechstunde, am Krankenbett oder im Operationssaal - , welch große Unterstützung
unser chirurgisches Handeln insgesamt durch eine zielbewußte psychische Hygiene erfahrt" „Oft genügt schon eine
ganz kurze Unterredung und Beratung mit dem Patienten, um
die besten psychohygiemschen Voraussetzungen zu schaffen "
Die zu übende Psychohygiene betrifft auch die Angehörigen
„Ihre Mitarbeit, ihre Überzeugung können von größtem Einfluß sein " Die suggestive Kraft des Wortes entfaltet sich
besonders bei Behandlung des alternden Menschen Gute
seelische Einstellung mindert Gefahrenrisiko der Operation
und den Schmerz Hoffnung und Zuversicht fordern die Genesung und Heilung Schwestern und Pfleger sollen ängstliche
Besorgnisse zerstreuen und Beruhigung vermitteln Gleichkranke sind zusammenzulegen- der Kranke findet sich unter
Gleichkranken besser zurecht Aber auch das Kind ist individuell zu behandeln, die Mutter ist zu beruhigen Vor besonders schwierige Aufgaben ist der Arzt bei Behandlung
Krebskranker im Endstadium gestellt Auch hier gilt es, die
individuelle Problematik zu beachten, gilt es auch zu bedenken, daß im Wesen des Menschen ein Sinn liegt, der über die
körperliche Existenz hinausreicht (H K FIERZ)
Thoma
Centradorm,
Centricor ®
Asthenex ®
das giftfreie Sedativum
gegen Kreislaufstörungen
steigert die Lebenskraft'
M AHA-Arzneimittel
fA. Hausig o. H.G. - Hamburg-Wandsbek
P. W . Schneider (Hannover-L): „ E n t w i c k I u n g <;s t o r u n- A. Peter: D i e b i o l o g i s c h e B e d e u t u n g k ö r p e r e i g e g e n am A x i s w i r b e l " Arch. orth Unf. Chirg 55, {1963), ner M i k r o o r g a n i s m e n f ü r M e n s c h u n d T i e r Ge13-19
sundheitswesen 41 (1962), 1775-1782
Die Verknocherungskerne des 2 Halswirbelkorpers (Axis)
stehen z Z sehr im Vordergrund des Interesses, weil die zeitlichen Verschiebungen in der Verknocherung sowie die Kernaberationen, Kernverdoppelungen und die Kern-aplasieen zu
folgenreichen Entwicklungsstorungen in der wichtigen Atlanto occipitalen Gelenkverbindung fuhren Hier werden Entwicklungsstorungen gezeigt, die auf verzögerte Verknocherung der beiden Kerne an der Densbasis zurückgehen und
als Densfraktur fehlgedeutet werden konnten Ferner wird
eine Densaplasie (Fehlen der Verknocherungskerne an der
Densbasis) gezeigt
Dr med A Cramer Hamburg
A, Cramer und M. Ladendorf (Hamburg): „ E n t w i c k I u n g s s t o r u n g e n am Dens e p i s t r o p h e i " Fschr Ro-Str Nukl
Med 99 (1963), 2, 250-251
„Nach STRASSBURGER scheidet der Mensch je Tag allem etwa
85 Billionen Keime mit den Faeces aus Dies sind etwa ebensoviel Mikrobenzellen wie der menschliche Makroorganismus
Zellen besitzt, dessen Zellzahl man auf 65 Billionen schätzt."
Auf Grund eines umfangreichen Schrifttums kommt Verf zu
der Feststellung, daß selbst darüber, ob die Darmflora für
den Menschen überhaupt von Bedeutung ist, die Meinungen
noch geteilt sind Die Coliflora unterhält sehr innige Beziehungen zum Makroorganismus sie fordert die Resistenz
gegenüber Infektionen, vermindert aber die Resistenz gegen
über Endotoxmen Es erscheint möglich, daß Colikeime die
im Darm quantitativ dominierende Laktobazillenflora fordern
und so indirekt von Bedeutung sind Salzsauremangel fuhrt
zu einer Abnahme der Laktobazillen Die Zahnkanes ist auf
eine Veränderung der Speichelflora infolge der Mineralienarmut der Zivilisationskost zurückzuführen
Thoma
Wahrend die vorgenannte Arbeit die Verknocherungskerne
an dei Densbasis zum Thema hatte, zeigt diese Arbeit die
Verdoppelung oder die Wachstumsverzogerung des Ver- G. Friedrich: P r a k t i s c h e r A r z t u n d EKG Gesundheitsknocherungskernes der Densspitze (Proatlas) Je nach dem
wesen 27 (1962), 1126-1130
entwickelt sich ein „Dens bicomis" oder ein os apicis dentis
Soll der praktische Arzt etwas vom EKG verstehen oder
Im letzteren Fall wird die Zentrierung des cervicalen Mark
nicht2 Die Meinungen der verschiedenen Autoren reichen vom
raumes auf das Occipitalforamen (Ligg alaria) labilisiert
krassen „Nein" bis zum leidenschaftlichen „Ja" Aur Grund
Dr med A Cramer Hamburg
einer zwanzig|ahngen Tätigkeit als praktischer Arzt, wobei ei
in den letzten 10 Jahren 14000 EKG von seinen und den Patienten von 5 Nachbarkollegen ausgewertet hat, ist Verf der
O e h m i s c h u n d G . P. W i l d n e r : D i e K r e b s e r k r a n k u n g s Meinung, daß der praktische Arzt etwas vom EKG verstehen
und - S t e r b e e r w a r t u n g der B e v ö l k e r u n g der Deutmuß Im großen und ganzen v/ird der praktische Arzt selbs c h e n D e m o k r a t i s c h e n R e p u b l i k Gesundheitswesen
ständig den EKG-Befund sinnvoll in seine klinische Diagno41 (1962), 1782-1786
stik einbauen können Wie von vielen Autoren immer wieder
betont wird, besteht [edoch bei einem Teil der Arzte und bei
Nach begründeten Schätzungen erkranken |ahrlich mehr als
50 000 Menschen in der DDR an Krebs Der Anteil der g e - der überwiegenden Mehrzahl der Patienten mehr die Gefahr
der Über- als die der Unterbewertung des EKG-Befundes
heilten" beim weiblichen Geschlecht ist etwa doppelt so groß
Verf berichtet am Schluß seiner Arbeit über ein kleines Erwie beim männlichen- wegen der prognostisch ungunstigen
lebnis Eine alte Frau, bei der vor einigen Wochen ein EKG
Krebslokalisation am Magen, an den Lungen und an der Vorgemacht worden war, bat ihn- , Herr Doktor, kann ich heute
steherdruse beim männlichen Geschlecht Die häufigsten
nochmal die Herzmaschine verordnet bekommen2 Die hat
Krebslokahsationen (an der Gebarmutter und an den Brustmir nämlich das letzte Mal so gut getan und hat mir so wundrusen) beim weiblichen Geschlecht sind für die diagnostiderbar geholfen Ich hab' gar keine Tropfen mehr emxunehschen und therapeutischen Maßnahmen wesentlich gunstiger
zugänglich Es besteht eine Erkrankungserwartung an bös- men brauchen und hab' bis heute keine Herzbeschwerden
1
artigen Neoplasmen bis zum Alter von 90 Jahren von 17% mehr gehabt " Dieses kleine Erlebnis ist nicht nur amüsant,
es
ist
auch
lehrreich,
denn viel zu wenig wird die Kraft des
bei den männlichen und 18,5% bei den weiblichen Personen
Glaubens bei unseren therapeutischen Maßnahmen beachtet
Das heißt, dieser Prozentsatz der Neugeborenen erkrankt bis
und benutzt — angefangen schon beim ärztlichen Wort
zu seinem Tode an Krebs
Thoma
AMOL
Thoma
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Schreiber: A p o p l e x i e o d e r H y p o g l y k ä m i e . Mü. Med.
Wschr. 43/1962, 2046.
Sechs Kranke wurden mit Halbseit-enlähmung durch Schlaganfall stationär eingewiesen. Auch die anderen bekannten
Hauptsyrnptome der Apoplexie, Sprachstörung und Benommenheit, waren vorhanden, jedoch fehlten Pyramidenzeichen.
Der Blutzucker war durchweg niedrig, in einem Fall 24 m g % !
Nach intravenösen und peroralen Traubenzuckergaben bildeten sich alle neurologischen Ausfälle innerhalb einer
Stunde völiig zurück.
Verf. ruft eindringlich dazu auf, bei Halbseitenlähmung und
unklarer Bewußtseinstrübung an die Hypoglykämie zu denken, auch in der Praxis. Selbst wenn man den Blutzucker
nicht bestimmen kann, sollte man, falls ein Coma diabeticum
auf Grund der Anamnese ausscheidet, intravenös Traubenzucker injizieren. Im Falle einer Apoplexie wirkt er entquellend, im Falle einer Hypoglykämie lebensrettend, zumindest
verhütet er dann irreparable Hirnschäden, wie sie zuweilen
auch nach Insulinüberdosierung vorkommen.
Dr. Oelze, Hamburg
D. E. H u g h e s a n d W . L. N y b o r g : „ C e l l
Disruption
by
U l t r a s o u n d " („Zellzerreißung durch Ultraschall"). Science
138/3537 (1962), 708.
Nach bisherigen Vorstellungen über die schädlichen Nebenwirkungen des Ultraschalles spielt die Cavitation die Hauptrolle. Da jedoch die Cavitationswirkung mit den Beobachtungen über Ultraschaliwirkung an lebendem Gewebe oft
schlecht in Übereinstimmung steht, untersuchten die Verfasser
lebende Kulturen unter Ultraschallfeldern verschiedener Frequenz und Intensität im Ultramikroskop und filmten die Vorgänge mit der Zeitlupe (bis 3000 Bilder/Sek.). Als Ergebnis
dieser Untersuchungen müssen die Vorstellungen vom Mechanismus der Ultraschallschädigung revidiert werden. Nicht
Cavitationsvorgänge führen die Zellzerstörungen herbei, sondern im Schallfeld auftretende Massenbeschleunigungen von
Zellen gegen ihre Nachbarn, — Beschleunigung von Zellteilen
(Ausläufern) gegen den Zellkörper und schließlich Kettenmoleküle (Polypeptidketten) gegeneinander und in sich.
Polypeptidketten können in ihrer Länge in ein Wellental geraten und so zerbrechen, wie ein Schiff auf hoher See zwischen zwei Wellenbergen. Die rein mechanischen Beschleunigungsvorgänge führen also zu den Zellzerreißungserscheinungen, die bisher als Folge von Cavitationswirkungen des
Ultraschalles angesehen wurden. Diese Vorgänge spielen sich
bereits bei Frequenzen ab, die weit unterhalb der heute
therapeutisch üblichen liegen. Die Hitzewirkung an Grenzflächen spielt demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle.
Die Zerstörungswirkung ist wesentlich stärker von der Amplitude abhängig als von Frequenz und zugeführter Energie.
Lindner: D i e f r ü h z e i t i g e D i a g n o s e b e g i n n e n d e r
Leberschäden durch V e r g i f t u n g mit Kohlenwass e r s t o f f en. Mü. Med. Wschr. 44/1962,2097.
Halogenierte Kohlenwasserstoffe sind zunehmend im Haushalt und in vielen Branchen in Gebrauch. Durch Undichtwerden von Kühlschränken (Methylchlorid), durch Anwendung
von Reinigungsmitteln im Haushalt (Tetrachlorkohlenstoff,
Trichloräthylen, Tetrachloräthylen) kommt es zu Vergiftungen.
Auch viele Schädlingsbekämpfungsmittel sowie ein Großfeil
der Lösungsmittel für Kunst- und Naturharze sind ausgesprochene Lebergifte. Einmalige Einatmung größerer Mengen
dieser Stoffe macht ein narkoseartiges Bild, ein bis zwei Tage
später Magen-Darmstörungen, Erbrechen, Durchfälle, Fieber
und kolikartige Schmerzen. Irrtümlich wird meist eine fieberhafte Enteritis oder eine Cholecystitis angenommen. Klinisch
besfehf meisf eine schmerzhafte Leberschwellung, Gelbsucht,
pathologisch veränderte Serumlabilitätsproben, insbesondere
eine extreme Steigerung der Enzymaktivität im Serum
(SGOT, SGPT).
Verf. berichtet über vier eigene Beobachtungen solcher Vergiftungsfälle, die als Hepatitis eingewiesen wurden. In jedem
Fall konnte die toxische Leberschädigung nachgewiesen werden. Die Serumlabilitätsproben zeigten nichts, wohl aber die
Transaminasebestimmung und die Leberbiopsie mittels Menghini-Nadel. Verf. fordert, Personen, die sich berufsbedingt
solchen Schädigungsmöglichkeiten aussetzen müssen, regelmäßig zu untersuchen und obligatorisch die Fermentaktivität
in der Leber zu bestimmen, um eine bessere Heilungschance
zu geben.
Dr. Oelze, Hamburg
Robert-Charles Behrend, Köln-Mehrheim: „ E i n e
neue neu-
r o l o g i s c h e W i s s e n s c h a f t : Die , G e o n e u r o l o g i e ' " .
Mitteilungen aus der Max-Planck-Gesellschaft 3/1963; Seite
145-154.
Geoneurologie befaßt sich mit neurologischen Krankheitsbildern in bestimmten räumlichen und zeitlichen Konstellationen.
Sie vermittelt qualitative und quantitative, statistische Vergleichszahlen pathogenetischer Faktoren und deckt klinisch
nicht erfaßbare Analogieen auf. Als z. B. die Frage auftauchte, ob metaluische Erkrankungen (Tabes, progr. Paralyse)
Folge der modernen Luesbehandlung seien, reiste eine „geoneuroiogische" Expedition in ein Luisch durchseuchtes Gebiet fern jeglicher moderner therapeutischer Möglichkeiten.
Statistische Erhebungen über die dort auftretende Häufigkeit
metaluischer Erkrankungen ergab die Unhaltbarkeit der Behauptung, unsere moderne Luestherapie sei Ursache metaluischer Erkrankungen.
Dr. med. A. Cramer, Hamburg
Dr. med. A. Cramer, Hamburg
Der coffeinhaltige
Idee-Kaffee
IDEE stützt Herz und Kreislauf
KAFFEE
230
und schont auch Magen, Leber und Galle.
Für viele Patienten eine wichtige Diäterleichterung!
J.J.Darboven Hamburg 1 Ärztedienst (vergl.»Grüne üsfe« 1960 S.S7)
In der Schriftenreihe des Zentralverbandes
der Ärzte für Naturheilverfahren e.V.
sind bisher folgende Bände erschienen
Band 1
Natürliche Ernährung für gesunde und
kranke Menschen
DM 9,80
Band 2
Zivilisationsschäden
Band 3
Prießnitz, Grundlagen des klassischen
Naturheilverfahrens
DM 9,80
DM 9,80
Band 4
Das heilende Fasten, Biologie und
Metabiologie
DM 7,80
Band 5
Die Nachbehandlung der Krebsoperierten
DM 9,80
Band 6
Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation
in der Praxis
DM 9,80
Band 7
Der heutige Stand der Elektroakupunktur
DM 20,00
Band 8
Arbeitsschäden am Bewegungsapparat
DM 12,80
Band 9
Die Elektroakupunktur in der täglichen Praxis
Folgende Bände sind in
Vorbereitung
Band 10
Herzinfarkt in der täglichen Praxis
Band 11
Umweltschäden in industriellen
Ballungsräumen
ML-Verlag Medizinisch-Literarischer Verlag Dr. Blume & Co.
2 Hamburg lsestraße 115
Fernruf 474434
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XVII
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von D. Seelmann, Deutsche Luftbild K.G.
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Auslieferung für Deutschland: Hamburger Kommissionsbuchhandlung, 2 Hamburg36, Libri-Haus; für Berlin: Günther
Donath, 1 Berlin-Charlottenburg, Dernburgstraße 4; für Österreich: Lechner & Sohn, Wien I, Seiierstätte 5; für die
Schweiz: Mathias Ettlin, Villnachern bei Brugg, Haus zur Neumühle.
XVIII
Schüppert: H e i l g e r ä f e a l s G e g e n s t a n d des K u r p f u s c h e r t u m s. Mü. Med. Wschr. 43/1962,2068.
Erstmals berichtet Verf. mit Bildern von solchen „Heilgeräten", die von gewissenlosen Geschäftemachern vertrauensseligen und kritiklosen Kranken zu hohen Preisen aufgeschwatzt werden.
Erdsfrahlen soll das „Phylax-Standardgerät" abschirmen, ein
Bakelitkästchen mit etwas Klingeldraht und einem Widerstand, Preis 120,- DM. Der „Mafu-Absorber" soll laut Werbeprospekt nicht nur gegen Erdstrahlen „abschirmen", sondern
auch „die menschlichen Ausstrahlungen normalisieren". Das
„Neo-Schallgerät" sollte laut Werbung bei fast allen Krankheiten heilend wirken. Aus Luxemburg stammt das „Medico"Gerät, das „natürliche Abhilfe" u. a. auch bei Leberleiden
und Leukämie leisten soll. Der angepriesene „Ozonomat"
konnte, wie ein Gutachten feststellte, gar nicht die versprochene bakterizide Wirkung haben, weil die Ozonkonzentration, die er erzeugte, viel zu niedrig war. Eine bakterizid
wirkende Konzentration hätte dagegen schon deutliche Reizungen an Augenbindehaut und Luftwegen verursacht. Unter
Namen wie „Rexor" oder „Vent-ex" wurden gewöhnliche
Darmrohre aus Kunststoff zum Preise von 22,- DM je Stück
vertrieben. Für einen Irrigator wurde geworben durch die
Behauptung, mittels eines Zusatzes zur Spülflüssigkeit könnte
Krebs verhindert werden.
Die Werbung für derartige Geräte verstößt gegen die Vorschriften über Arzneimittelwerbung und ist strafbar. In den
USA wurden im Jahre 1961 schätzungsweise für eine Milliarde
Dollar Waren im Dienste der Kurpfuscherei umgesetzt.
Dr. Oelze, Hamburg
Carrie: A n t i m y k o t i s c h e A u s r ü s t u n g v o n S t r ü m p f e n und S c h u h e n . Mü. Med. Wschr. 28 (1963), 1417.
Unter den zur Begutachtung untersuchten Menschen im großen Einzugsgebiet der Klinik des Verf. haben die Fußpilzerkrankungen von 1 0 % im Jahre 1938 auf 7 2 % im Jahre
1954 zugenommen.
Häufigste Infektionsquelle sind die Strümpfe, weil sie durchweg aus nicht kochbarem Gewebe bestehen, die Pilze aber
erst beim Erhitzen über 100 Grad Celsius getötet werden.
Daran änderte es auch nichts, wenn zum Waschen Waschmittel benutzt wurden, die pilztötende Eigenschaften haben
sollten.
Die Industrie hat deswegen die Gewebe antimykotisch „ausgerüstet", d. h. mit pilzfeindlichen Lösungen imprägniert. Leider verlieren aber die Gewebe diese Eigenschaft bereits nach
einmaligem Waschen wieder. Antimykotische Gummistiefel
oder Pantoffel behalten zwar diese Eigenschaft, aber sie
verursachen wegen dieser antimykotischen Beimengung häufiger Ekzeme oder allergische Reaktionen bei dem Träger.
Verf. empfiehlt der Industrie, kochbares Material zur Strumpfherstellung zu verwenden, weil nur dadurch die Strümpfe
durch Kochen pilzfrei gemacht und eine immer sich wiederholende Reinfektion von Pilzträgern an ihren eigenen Strümpfen verhindert werden kann.
Dr. Oelze, Hamburg
Schmähl: W e r t u n d U n w e r t der K re bs-Ch e m o th e rap i e . Dt. Med. Wschr. 30 (1963), 1463.
H. Unger: S t a t i k u n d K o n s t i t u t i o n . Beifr. Orthop, u.
Traumatolg. 10, 273-278, 1963 (Leipzig).
Phylogenetische Anpassung in der Embryonalentwicklung
und Bewegung als primäre, organismische Grundfunktion
formen das Skelett der Anthropoiden. Die verschiedenen
Körperbautypen entstehen durch den modifizierenden Einfluß
von Geschlecht und die drei pelvi-axialen Funktionstypen:
Endomorpher (Pykniker) Mesomorph (Athlet) und Zerebrotoniker (Ektomorph-Leptosomer). Die Kenntnis der einschlägigen russischen und europäisch-amerikanischen Literatur verhilft dem Verf. zu umfassender Konzeption.
Verf. spricht von „in letzter Zeit sich mehrenden Hinweisen
dafür, daß der Körper gewisse, im einzelnen noch unbekannte ,Abwehrleistungen' gegen die wachsende Geschwulst
aufbringen kann." Er untersucht nun die naheliegende Frage,
ob die in neuester Zeit immer mehr angewandte Chemotherapie bei Krebs nicht diese Abwehrleistungen schädigen
oder völlig zerstören kann.
Durch Injektion kanzerogener Substanzen erzeugte Verf. bei
Ratten Leberkrebs. Danach erhielt eine Gruppe eine einmalige Dosis von Endoxan®, eine andere ein solche von
Trenimon® injiziert, andere erhielten drei Gaben des ersten,
wieder andere Tiere drei Gaben des zweiten Präparates. Die
Behandlung wurde begonnen, wenn die Tumoren von außen
tastbar, d. h. etwa bohnengroß waren. Beim Vergleich der
Überlebenszeit der behandelten Tiere mit unbehandelten
Kontrolltieren zeigte sich keine Verlängerung der Oberlebenszeit bei Trenimon®, jedoch eine deutliche nach Endoxan® durch
die einmalige Dosis. Nach dreimaliger Behandlung verkürzte
sich die Überlebenszeit gegenüber den unbehandelten Tieren
erheblich. Lungenmetastasen waren gleich häufig in allen
Gruppen, nur die mit einmaliger Trenimondosis hatte auffällig viele Lungenmetastasen.
Durch Hormonfütterung bekamen andere Ratten Plattenepithelkrebs des Gehörgangs, der sich gegenüber Endoxan®
als refraktär erwies. Die Überlebensdauer der damit behandelten Tiere war wesentlich geringer als die der unbehandelten Kontrolltiere. Verf. schließt daraus, daß Endoxan® die
„Resistenz des Organismus gegen die wachsenden Tumorzellen" so beeinträchtigt, daß die Tumorzellen sich bei den
behandelten Tieren schneller vermehren konnten als bei den
unbehandelten.
Versuche mit „Impftumoren" (Yoshida-Ascites-Sarkom) ergaben, daß nur am ersten Tag nach einmaliger Vorbehandlung
mit Endoxan® intravenös 20% der Impfungen „angingen",
d. h. die Tiere bekamen ihr Sarkom. Bei den unbehandelt
bleibenden Kontrolltieren war die Angehrate 47%, wurden
die Tumorzellen aber am 4. oder am 14. Tag nach der einmaligen Endoxandosis subcutan eingeimpft, so bekamen
9 2 % bzw. 9 5 % der Tiere den Tumor, also mehr als doppelt
so viele, wie in der unbehandelten Kontrollgruppe. Bei den
vorbehandelten Tieren wurde der Tumor auch durchschnittlich vier bis sechs Tage früher tastbar, auch fanden sich in
bestimmten Organen mehr Metastasen als bei den unbehandelten Tieren.
Dr. med. A. Cramer, Hamburg
Dr. Oelze, Hamburg
Mürfz: N u t z e n u n d G e f a h r e n d e r
Sauerstoffa t m u n g. Dt. Med. Wschr. 48/1962, 2470.
Wird reiner Sauerstoff längere Zeit überdosiert, so treten
Vergiftungserscheinungen in Form von Parästhesien, Tracheobronchitis, Hustenreiz, Schmerzen hinter dem Brustbein, Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Übelkeit auf. Setzt man die
künstliche Sauerstoffzufuhr höchstens 24 bis 48 Stunden fort,
so verschwinden diese Symptome wieder. Längere Beatmung
mit reinem Sauerstoff führt zu Bronchopneumonien, Herzerweiterung und Schädigung des ZNS, bei Überdruckatmung
auch noch zu Krämpfen und Zuckungen.
Traurige Beispiele: Direkte toxische Sauerstoffwirkung sind
Augenschäden bei Frühgeborenen, die im Inkubator zu lange
unter zu hoher Sauerstoffkonzentration gepflegt worden sind.
Leider kommt es dabei nicht selten zur Erblindung. Die toxische Dosis liegt für Sauerstoff schon beim dreifachen Luftsauerstoffgehalt, die Toleranzbreite für den Menschen ist also
viel geringer als bei vielen Medikamenten.
Entscheidend ist, ob die arterielle Sauerstoffzufuhr gestört
ist: dann soll man der Einatmungsluft 30-40% Sauerstoff
beimischen. Liegt die Störung im venösen Bereich, so kann
nur 100%ige Sauerstoffzufuhr, also reine Sauerstoffatmung,
wirksam helfen. Dafür gelten aber die obigen Vorbehalte.
Bei Emphysematikern mit respiratorischer Insuffizienz kann
die Sauerstoffzufuhr einen paradoxen Effekt haben, weil sie
zum Anstieg der Kohlensäurespannung im Blut führt: Die
Cyanose nimmt ab, trotzdem wird der Kranke verwirrt,
schläfrig und krampft. Bei solchen Kranken ist es zweckmäßig, nur zwei bis drei Minuten mit 30-40% Sauerstoffbeimengung zu beatmen, dann jedoch eine Pause von zwei
bis vier Minuten Dauer folgen zu lassen.
Dr. Oelze, Hamburg
231
K. J . M ü n z e n b e r g und G . G a f t o w :
Röntgenographische
U n t e r s u c h u n g e n d e r D u p ui t re n seh en K o n t r a k t u r
und des m u s k u l ä r e n S c h i e f h a l s e s . Arch. orth. Unf.
Chirg. 55, 139-153 (1963).
Noch bis vor wenigen Jahren war man geneigt, den muskulären Schiefhais und die Dupuitrensche Konfraktur als Erkrankungen einheitlicher Genese zu betrachten. Durch
röntgenspektografische Untersuchungen konnten die Verf.
nun eindeutig und zweifelsfrei nachweisen, daß die primäre
Schädigung beim muskulären Schiefhals in der Fasersubstanz
liegt, hingegen beim Dupuitren in der Kittsubstanz zu suchen
ist. Die beiden Krankheitsbilder haben also weder morphologisch noch ätiologisch etwas miteinander gemein.
Dr. med. A. Cramer, Hamburg
Das Stomatoskop und einige seiner Anwendungsbereiche
K u r t e , D. (Münster), Dt. Zahnärzteblatt, 3 (62), 70.
Es ist von großer Bedeutung, mit welcher Genauigkeit klinisch-pathologische Veränderungen an der Mundschleimhaut
erkannt und dokumentiert werden können. Begriffe wie Rötung oder Schwellung und Größenvergleiche irgendwelcher
Art reichen oft nicht aus, um pathologischen Zustand und
krankhaften Verlauf genau zu fixieren. Ein Gerät, welches
bei der Untersuchung, speziell bei der Inspektion mit dem
Auge, die Beobachtung bei mehrfacher Vergrößerung ermöglicht, mit dem gleichzeitig ein vergrößertes farbiges Zustandsbild des beobachteten Abschnittes gemacht werden
kann, ist dann eine große Hilfe. In der Gynäkologie wurde
die Frage durch das Kolposkop und die Kolposkopie gelöst, und zwar schon im Jahre 1924. Aber erst in den letzten
Jahren wurde das Kolposkop auch zur Beobachtung der
Mundschleimhaut eingesetzt, zuerst von Morgenroth. So begegnen wir zwei neuen Begriffen, dem Stomatoskop und die
Stomatoskopie.
Schon bei sechsfacher Vergrößerung sieht man erheblich
mehr als bei normaler Besichtigung der Schleimhaut. Durch
photographische Einrichtung ist das Stomatoskop in der
Lage, jeweilige Zustandsbilder im Büd festzuhalten.
Mit diesem Gerät kann man zweifellos genauer untersuchen, besser differenzieren auf Grund verschiedener Lichtbrechung und Lichtreflektion, z. B. kann die mehr oder
minder gesteigerte Durchblutung von der Quantität und
Qualität der im U-V-Licht gut sichtbaren und sonst kaum
erkennbaren Gefäße genau festgestellt werden. Schuppen,
Krusten und Borkenbildung z. B. bei herpes labialis oder der
Liehen ruber planus mit seiner typischen weißen Netzzeichnung und besonders die Leukoplakien, deren genaue Diagnostik nur durch die Differenzierung der Morphe einzelner
Stadien der Erkrankung möglich ist, lassen sich sehr gut beobachten. So ist durch Steigerung der Genauigkeit zwangsläufig eine genauere Diagnose-Stellung im Mundschleimhautbereich möglich.
Hans Tiegel
„Studies in Sponfaneous Atlas Dislocations" (Untersuchungen
über die spontanen Atlasverschiebungen)
S. W e r n e r , Act. Orthop. Scand. Suppl. 23 (1957).
Ausführliche klinische, pathologische und anatomische Studie
mit sieben eigenen Fällen sowie Zusammenstellung der 205
bisher im Weltschrifttum veröffentlichten Fälle von spontanen Verschiebungen Atlas gegen Axis. Die Möglichkeiten
der entzündlichen oder degenerativen Veränderungen am
Bandapparat - insbesondere dem Lig. Transversum — werden
diskutiert.
Faßt man den Eindruck aus fünf bisher vorliegenden Arbeiten zusammen, so drängt sich der Gedanke auf, daß es
mit dem Ligamentum transversum Atlantis eine eigene Bewandtnis haben muß, die neue, histo-pathologische Studien
rechtfertigt. Ist doch bisher nicht einmal bekannt, ob es ähnlich dem Lig. flavum- kontraktile Elemente enthält. Seine
offensichtliche Reaktion auf toxische Noxen räumt ihm mindestens eine Sonderstellung im Rahmen der „Tendopathien"
ein. (Ref.)
A. Cramer
232
Allergische Reaktionen bei zahnärztlichen Werkstoffen und
Lokalanästhetika
Hohenstein, H. (Höxter/Weser) Zahnärztl.-Welt-Reform, 14
(1962), 493.
Bei Verdacht auf Werkstoffallergie ist zunächst zu prüfen, ob
die Krankheitserscheinungen auf einer direkten chemischen
Wirkung beruhen. Auch an mechanisch ungünstige Einwirkungen der Prothesen auf die Schleimhautoberfläche muß gedacht werden. Bei der eigentlichen Werkstoffallergie handelt
es sich meistens um eine allergische Wirkung des monomeren
Anteiles der Methakrylate. Begünstigend können bereits bestehende Entzündungen der Mundschleimhaut, besonders der
Parodontose, wirken. Bei Metallen sind meistens elektrolytische Lösungsvorgänge Ursache aller allergischen Erscheinung.
Die novokainhaltigen Betäubungsmittel können eine Allergie
auslösen, für die die aromatische Aminogruppe verantwortlich gemacht wird. Die Dosis spielt bei der Allergie im
Gegensatz zu den Vergiftungen keine Rolle.
Ganz kurz wird auf die Behandlungsmöglichkeiten eingegangen, es werden Antihistamenica, Adrenalin, Cortison, ACTH
und die spezifische Desensibilisierung sowie die Karenzprobe
empfohlen.
Hans Tiegel
Verhängnisvolle Fehlangaben auf Kuranträgen
H. LACHMANN, Gesundheitswesen 15 (1962), 615-619.
Noch heute gilt, was Weber-Meyer in ihrem Lehrbuch für
Klimatotherapie und Balneotherapie schon 1907 geschrieben
haben, daß für die Badefähigkeit nicht die anatomische
Diagnose einer Herzkrankheit maßgebend sei, „ausschlaggebend sind nur die Leistungsfähigkeit des Herzmuskels und
die Anpassungsfähigkeit des gesamten Zirkulationsapparates". Für kardial Dekompensierte ist die Digitoxin- oder intravenöse Strophanthinbehandlung wesentlich wirksamer als
die Bäderbehandlung. Schon die Fahrt in den Kurort ist für
sie zu anstrengend. Die Angaben der einweisenden Ärzte
auf den Kuranträgen sind bisweilen ungenügend, ja mangelhaft. Auch kommt es vor, daß einweisende Ärzte den Kurantrag nur deswegen steilen, damit „der immer wieder unzufriedene Kranke endlich einmal wegkommt". Bei rheumatischen Krankheiten soll der erste Stundenwert der BSG
möglichst 30 mm nicht überschreiten, um Kurfähigkeit anerkennen zu können. Ausnahmen bilden die primär-chronische
Polyarthritis und der Morbus Bechterew. Beachtenswert ist,
daß die BSG durch die Fahrt in den Kurort sich erhöht! In
einem Falle: vor der Fahrt 8/20, nach Ankunft im Kurort,
nachdem der Kranke mindestens eine Nacht geruht hat, 35/60!
Ähnliches gilt für Blutdruckwerte und Leukozitenzahlen. Bei
vielen, kompensierten Herzkrankheiten ist die BSG nicht erhöht. Oft sind es Zweitkrankheiten, die die Senkungsbeschleunigung verursachen, wobei dann zu beurteilen ist, ob
dieselben eine Gegenindikation gegen eine Herzbadekur
bedingen. Andererseits kann auch eine Myokardose und allgemeine Arteriosklerose eine Senkungsbeschleunigung verursachen, die dann eine Gegenindikation gegen eine Herzbadekur darstellen. „Alle erfahrenen Baineologen fordern
heute Kurorte, in denen die Menschen in Stille und freundlicher Umwelt wieder zur Besinnung kommen können, weil
sich nur in einem solchen Milieu heilende Regulationsvorgänge gestalten können."
Thäma
Haut und Physikalisch-diätetische Therapie
Heft Mai-Juni 1963 des „Archiv für Physikalische Therapie"
ist ein Sonderheft über Haut und Physikalisch-diätetische
Therapie. Es enthält Beiträge von FISCHER, DREXEL und DIRNAGEL, KAMMER, SEROVY, TELLER, BOMMER und KRAUSS.
Rehabilitation
Heft 2 der Zeitschrift „Rehabilitation" (internationale Zeitschrift für Physikalische Medizin) bringt einen Beitrag von
PETER (aus dem Landesbad der Landesversicherungsanstalt
Rheinland in Bad Aachen) zum Thema: Aufgaben des Arztes
bei der Rehabilitation chronisch-rheumatisch Erkrankter.
Gh.
Die darmschonende, zuverlässige
Wirkung in hartnäckigen Fällen
wird von Arzt und Patient besonders geschätzt
BUCOPA- BUBENIK & CO • FABRIK PHARMAZ. PRÄPARATE • MÜNCHENPASING
G. Teichmann: Zur k l i n i s c h e n E i n t e i l u n g und K l a s s i f i k a t i o n der H y p e r t o n i e . Gesundheitswesen 40 (1962),
1712-1715.
Einteilung nach MJASNIKOW: 1. Symptomatische Hypertonien
a. renale, b. endokrine, c. hämodynamische, d. Hypertonien
bei organischen Affektionen des zentralen Nervensystems.
2. Hypertoniekrankheit (essentielle Hypertonie). Einteilung der
Hypertonie nach EMMRICH: A. Essentielle Hypertonie: 1. gutartig, ohne Organbeteiligung, 2. gutartig, mit Organbeteiligung (Koronarsklerose, Nephrosklerose, Zerebralsklerose,
obliterierende Arteriosklerose), 3. maligne Verlaufsform,
meist fixiert. B. Sekundäre Hypertonie. (Nicht berücksichtigt
ist bei allen Einteilungen die heute häufig anzutreffende
Blutdruckerhöhung bei vegetativer Dystonie. D. Ref.).
Thoma
Schuppli: Ü b e r d e n Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n P e n i c i l l i n - A l l e r g i e n u n d P i l z i n f e k t i o n e n . Dt. Med.
W s c h r . 7/1962, 333.
Allergien nach Penicillin können auch schon ohne vorherigen
Kontakt mit P. entstehen, sie sind häufig, betragen nämlich
ein Dritte] aller Arzneimittel-Allergien. Klinisch findet sich
eine Dyshidrosis, ein bläschenförmiger Ausschlag an Fingern
und Handtellern. Wegen der Ähnlichkeit dieses Bildes mit
dem bei chronischen Pilzinfekten wurden schon länger Zusammenhänge vermutet, zumal die Hautpilze und die Schimmelpilze, von denen das Penicillin gebildet wird, nahe verwandt sind. Verf. konnte eine enge Allergengemeinschaft
nachweisen.
Vierjährige Untersuchungen im Bürgerspital in Basel ergaben,
daß der Penicillinverbrauch das Jahr über annähernd konstant war, die frisch zur Behandlung kommenden Fußpilzerkrankungen im Sommer ausgesprochen häufig waren. Zur
gleichen Zeit erreichten auch die Penicillin-Allergien ihren
Höchststand. Durch Hautfestungen und Tierversuche wurden
diese Beobachtungen bestätigt. Wenn das Penicillin allein
maßgebend an der Penicillin-Allergie beteiligt wäre, müßten
das ganze Jahr über gleichviel Penicillin-Allergien auftreten,
da sie jedoch nur gleichzeitig mit den akuten Mykosen gehäuft auftreten, ist der Zusammenhang unverkennbar. Konsequenz: Kranke mit Fußpilzen sollten nur im Notfall, solche
mit einem Mykid (einer Uberempfindlichkeitsreaktion der
Haut nach Eindringen von Hautpilzen In das Blut) überhaupt
nicht mit Penicillin behandelt werden. Verordnung von Antihistaminicum — Penicillin - vermeidet zwar die schweren
anaphylaktischen Frühreaktionen, nicht aber die allergischen
Spätmanifestationen. Die üblichen dermatologischen Testmethoden wie Skariflkation und Läppchenprobe sagen nichts
über eine zu erwartende Penicillin-Allergie, deswegen sollte
man sich besser an die obengenannten Regeln halten.
Dr. Oelze, Hamburg
.der
Gesundheit
zuliebe
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untergäriger Bierhefe, durch Hydrolyse gewonnen.
Normal salzhaltig.
Dosierung: Nach Geschmack den Speisen zusetzen; als Brotaufstrich dünn aufstreichen.
100 g 2 - DM, 250 g 4,50 DM, 500 g 8,50 DM, 1000 g
16,- DM n.
Extractum Faecis spissum salzarm „Zyma"
Zieler & Co., Nußmühle, Hamburg 13
Zusammensetzung: Eingedickter Hefeextrakt aus entbitterter
untergäriger Bierhefe, durch Hydrolyse gewonnen.
Kochsalzgehalt unter 0,5 Prozent.
Dosierung: Nach Geschmack den Speisen zusetzen; als Brotaufstrich dünn auf die Butter aufstreichen.
Preis: 100 g 2,80 DM n; 250 g 6,10 DM n; 500 g
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Studt-Vollkornbrot (Original Felke-Brot)
STUDT-Graham-Haus KG, Bad Kreuznach/Nahe
Zusammensetzung: Frischer, ungeschälter, gewaschener Roggen (2A) und Weizen ['/s) im Quellverfahren aufgeschlossen; säurearme Kohlenhydrate etwa 47 Prozent. In Spezialfertigung: Mit dem Konzentrat der
Kreuznacher Heilquellen (kein Kochsalz) gewürzt.
Dosierung: Diabetes: Dauemahrung 25 g = 1 BE.
P.: Ganzbrot 1000 g, Schnittbrot 500-g-Packung.
Der Arzt, welcher die Bedeutung der Diät erkannt hat, weist immer wieder auf die einfachen Wege zur
Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse hin. Er empfiehlt den Einbau von VITAM-R, dieses vitaminreichen Hefe-Extraktes als lebenswichtigen Bestandteil wertvoller Nähr- und Wirkstoffe in die Alltagsnahrung. VITAM-R (für spezielle Didtformen auch ohne jeden Kochsalzzusatz) zeichnet sich durch Wohlgeschmack und Würzigkeit für alle Gerichte -auch auf Brot- cms.
233
Aus dem Verbandsleben
BEIlHGEnHiniUEIS!
Ein Halbtageskurs in Periostbehandlung nach Professor
Vogler, Berlin, findet unter Leitung von Herrn Dr. DIEKMEIER, Facharzt für innere Krankheiten, vom 2. bis 8. Dezember 1963 im Kliniksanatorium, „Haus auf dem Leitenfeld", Garmisch-Partenkirchen, Karwendelstraße 15, statt.
Einzelheiten werden auf Anfrage umgehend mitgeteilt. Unterkunft und Verpflegung sind im Hause in beschranktem
Umfang möglich.
In diesem Heft erscheinen Beilagen der Firmen
Johann Georg Fink, Fabrik naturreiner Heil- und
Ndhrmifel, 7032 Sindelfingen,
Walter Rau, Teutoburger Margarinewerke
4501 Hilter a.T.W., Landkreis Osnabrück,
Ab Juni 1963 ist die Tochter unseres verstorbenen Mitgliedes
Dr. Malten, Frau Dr. med. C. BRANOViC-MALTEN in Dr.
Maltens Anstalt für Kreislauf- und Stoffwechselkranke in Baden-Baden eingetreten. Damit wird dieses bekannte Institut
nunmehr in der dritten Generation weitergeführt.
Für die Bader- und Massageabteilung des Kreiskrankenhauses Aalen (Württ.) wird auf 1. 4. 1964
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gesucht.
Bezahlung nach Tarif, gerege/fe Arbeitszeit, hohe
soziale Leistungen.
Bewerbungen werden mit den üblichen Unterlagen
an die Krankenhausverwaltung Aalen erbeten.
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des Zentralverbandes der Ärzte für Naturheilverfahren
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in physikalisch-diätetischer Therapie
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Herausgeber:
Ärztegesellschaften im Zentralverband
Forschungsgemeinschaft für Arthrologie und Chirotherapie (FAC) e V.
Leiter' Dr med A Cramer, Hamburg-Nienstedten
Internationale Gesellschaft für Elektroakupunktur
Leiter Dr med R Voll, Plochingen
Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsvorsorge und Fruhheilbehandlung
Leiter OMR Dr med W Groh, Badenweiler
Gesellschaft für Homotoxikologie und antihomotoxische Therapie e. V ,
Baden-Baden
Korrespondenz an den Schriftführer Apotheker Fuhry, Baden-Baden,
Bertholdstraße 7
Arbeitegemeinschaft für Mikrobiologische Therapie
Leiter Prof Dr med Mommsen, Frankfurt, Baseler Straße 21
Arztegesellschaft für Naturheilverfahren e V Berlin
Leiter Chefarzt Dr L Straßburg, Berlin SW 61, Wartenburgstraße 1.
Internationale Gesellschaft für Neuraltherapie nach Huneke
Leiter^ Dr med H F Voß, Heidenheim a d Brenz
Arbeitsgemeinschaft Psychotherapie Seminare
Leiter Dr med J Kaminski, Wolfsburg, Porschestraße 56
Medizinisch-Biologische Arbeits- und Fortbildungsgemeinschaft Deutscher
Zahnarzte e V , Leiter Dr Paul Neuhausser, Grafelfing bei München,
Akilindastraße 52a
Zenfralverband der Ärzte für Naturheilverfahren e V.
Schnffleitung Schriftführer Dr med A Cramer, 2000 Hamburg-Nienstedten,
Ohnhorsfsfraße 64, Tel 82 0276
1 Vorsitzender Dr med H Haferkamp, 6500 Mainz, Adam-Karrillon-Str 13,
Tel 06131/24363
2 Vorsitzender Dr med F Oelze, 2000 Hamburg-Ochsenzoll, Allgem Krankenhaus, Tel 570181
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Haferkamp, Referate, Nachrichten, Verbandsangelegenhesten an Dr Cramer
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234