Wadenkrämpfe

PRAKTISCHE KARDIOLOGIE
- JOURNAL BY FAX
IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BUNDESVERBAND NIEDERGELASSENER KARDIOLOGEN
Redaktion: D. JESINGHAUS, Saarbrücken; I. KRUCK, Ludwigsburg; F. SONNTAG, Henstedt-Ulzburg; N. WITTLICH, Mainz; R. ZIMMERMANN, Pforzheim
Für den BNK: N. SMETAK, Kirchheim (Erster Bundesvorsitzender); J.-H. WIRTZ, Dinslaken (Stellvertr. Bundesvorsitzender), F. de HAAN, Solingen
17. Jahrgang 2014; Nr. xx
Wadenkrämpfe
Kein Symptom einer Herzerkrankung, tritt es gleichwohl nicht
selten bei Patienten mit Herzinsuffizienz unter einer diuretischen
Therapie auf, so dass auch der Kardiologe immer wieder gefragt
wird: Können Sie mir etwas gegen diese schrecklichen Wadenkrämpfe verschreiben?
Sowohl in Bezug auf die Ursachen als auch Therapie ist dieses
Symptom zwar mit nicht wenigen, aber stets mit nur kleinen Studien erforscht, so dass der Evidenzgrad der Aussagen niedrig ist
und Unsicherheiten bleiben.
Als Ursachen werden in erster Linie genannt: Hypovolämie, bei
Sportlern Überanstrengung der Muskulatur, Elektrolytmangel,
Alkoholabusus und neurologische Erkrankungen (z. B. Polyneuropathie). Folgende Medikamente sind mögliche Auslöser: Eisen
i.v., Raloxifen, konj. Östrogene und Diuretika, Statine, neurologische Medikamente und Psychopharmaka.
Therapie
Dehnübungen werden von den Betroffenen akut zur Unterbrechung des Krampfes eingesetzt. Therapievorschläge zur Prophylaxe gibt es viele. Aber wie gut gesichert und wie effektiv sind diese Therapien?
Gymnastik: Dehnübungen untersuchte eine holländische Arbeitsgruppe: Über sechs Wochen machten die 40 Patienten der VerumGruppe abends vor dem Zubettgehen 3 Minuten lang mehrfach
hintereinander über 10 Sekunden Dehnübungen der Ober- und
Wadenmuskulatur. Häufigkeit und Intensität der Krämpfe ging moderat zurück (bei 3‒4 Krämpfen pro Woche wurde es 1 Krampf
weniger). Für die Durchführung gibt es reichlich Anleitungen im
Internet; es handelt sich hier um die Dehnübungen, die auch Jogger häufig machen.
Magnesium: Obwohl häufig eingesetzt, ist die Datenlage hierfür
dürftig. Sieben in einem Cochrane Review zusammengefasste
Studien brachten es auf nur 406 Patienten. Für schwangerschaftsassoziierte Krämpfe gab es einen möglichen positiven Effekt, für andere Patienten war kein Effekt feststellbar.
Chininsulfat: Als fiebersenkende Substanz ist dieses ursprünglich aus der Rinde des in den Anden beheimateten Chinabaumes
gewonnene Alkaloid schon seit dem 17. Jahrhundert eingesetzt
worden. Seit ca. 1820 war die Extraktion der Reinsubstanz mög-
lich, erst 1970 gelang die chemische Vollsynthese. Chinin, dessen
Diastereomer das Antiarrhythmicum Chinidin ist, wird in hoher Dosis von bis zu 2 g pro Tag als Malariamittel gegeben, als Bittermacher und zur Malariaprophylaxe in niedriger Dosis Getränken
zugegeben (60‒80 mg/l) und in einer Dosis von 200‒400 mg zur
Behandlung und Vorbeugung von Muskelkrämpfen ein-gesetzt.
Hilft es? Ja, es hilft! Ein Cochrane-Review identifizierte 23 Studien
mit knapp 1.600 Teilnehmern, in denen Chinin meist mit Placebo
verglichen wurde. Die Krampfhäufigkeit nahm um knapp ein Drittel
ab, die Krampfintensität um 10 % und die Krampftage gingen um
20 % zurück. Da die Studien strenge Anforderungen an das Design nicht erfüllten, wurde die Evidenz nur als moderat bewertet.
Chinin hilft also bei Wadenkrämpfen ‒ aber: es gibt fatale Hypersensitivitäts-Reaktionen, gastrointestinale Nebenwirkungen,
Thrombopenien und lebensbedrohliche Rhythmusstörungen (AVBlockierungen und QT-Zeit-Verlängerungen). In den USA wird
vom Einsatz des dort nur zur Malaria-Prophylaxe zugelassenen
Präparates Qualaquin bei Muskelkrämpfen rundweg abgeraten,
während es in europäischen Ländern hierfür eingesetzt wird und
in Deutschland sogar in Apotheken rezeptfrei erstanden werden
kann. Ob dies so bleibt, muss abgewartet werden.
Die Datenlage zu anderen bei Wadenkrämpfen eingesetzten Medikamenten (Diltiazem, Gabapentin, Carbamazepin, Levodopa/
Benserazid oder Baclofen) ist noch weitaus dürftiger, so dass man
die Frage, ob die Wirksamkeit dieser Mittel über einen Placeboeffekt hinausgeht, nicht zuverlässig beantworten kann.
Therapeutisches Vorgehen
Der Leidensdruck der Patienten ist groß, die Evidenz der möglichen Empfehlungen gering. Also bleibt nur ein pragmatisches
Vorgehen übrig. Ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr.
Vermeiden übermäßiger muskulärer Beanspruchung. Potentiell
Muskelkrämpfe auslösende Medikamente versuchsweise pausieren. Regelmäßige abendliche Dehnübungen als Prophylaxe.
Vermeiden der Spitzfußstellung beim Schlafen. Einen Therapieversuch mit erhöhter Magesiumzufuhr, sei es mit einem Magnesiumpräparat, sei es mit magnesiumhaltigen Lebensmitteln (1
Banane enthält 100‒150 mg, 100 g Cashew-Nüsse 250 mg Magnesium). Wegen des ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses
wird vom Einsatz von Chininsulfat abgeraten.
Peter Grooterhorst, Mülheim
Literatur: 1. N.N.: Gibt es eine wirksame Therapie bei Muskelkrämpfen in den Beinen? Der Arzneimittelbrief (2013) 47: 89-91 Stichwort: Dehnübungen Oberschenkel. Z. B.: HYPERLINK „http://www.fitnesserfolg.de/fitness/stretchingdehnung.php „http://www.fitnesserfolg.de/fitness/stretchingdehnung.php oder (fast schon zu umfangreich): HYPERLINK „http://www.phi-muenchen.de/downloads/Dehnuebungen-PHI.pdf „www.
phi-muenchen.de/downloads/Dehnuebungen-PHI.pdf Gleiche chemische Konstitution, aber unterschiedliche Konfiguration Daran muss insbesondere gedacht werden bei Einnahme anderer Medikamente, die dies ebenfalls verursachen können, z. B. Psychopharmaka, Makrolidantibiotika. Personen mit Glucose-6-Dehydrogenase-Mangel, Tinnitus. Optikusneuritis und Myasthenia gravis sollten auf die jegliche Einnahme
verzichten.
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