Gastrointestinale Nebenwirkungen bei

PRAKTISCHE KARDIOLOGIE
- JOURNAL BY FAX
IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM BUNDESVERBAND NIEDERGELASSENER KARDIOLOGEN
Redaktion: D. JESINGHAUS, Saarbrücken; I. KRUCK, Ludwigsburg; F. SONNTAG, Henstedt-Ulzburg; N. WITTLICH, Mainz; R. ZIMMERMANN, Pforzheim
Für den BNK: N. SMETAK, Kirchheim (Erster Bundesvorsitzender); F. de HAAN, Solingen, J.-H. WIRTZ, Dinslaken (Stellvertretende Bundesvorsitzende)
12. Jahrgang 2009; Nr. 30
Gastrointestinale Nebenwirkungen bei gerinnungshemmender Therapie und NSAR
Pathophysiologie von NSAR
Prostaglandine werden aus Arachidonsäure durch die Cyclooxygenase-1 und -2 gebildet. Die über COX-1 gebildeten
Prostaglandine vermitteln gastrointestinale Protektion, die
Plättchenhemmung und fördern die Nierendurchblutung. Der
COX-2-Weg führt zu Entzündung, Schmerzen und Fieber. Tierexperimente zeigten, dass für die GI-NW1 eine Hemmung von
COX-1 und COX-2 erfolgen muss. Die COX-2-Hemmer haben
deshalb nicht weniger GI-NW wegen ihrer selektiven COX-2Hemmung, sondern wegen ihrer fehlenden COX-1-Hemmung.
Verordnet man zusätzlich, um dem den COX-2-Hemmern
zugeschriebenen erhöhten kardiovaskulären Risiko zu begegnen, ASS 100, ist bzgl. der GI-NW nichts gewonnen, denn es
sind wieder beide COX- Isoformen gehemmt und die GI-NW
genauso häufig wie zuvor.2
Die auch unter Clopidogrel erhöhte Rate an GI-NW ist auf einen antiangiogenetischen Effekt und damit eine verzögerte
Abheilung von gastrointestinalen Läsionen zurückzuführen.
Häufigkeit des Gebrauchs und GI-Risiko
Der Gebrauch von NSAR3 und ASS ist insbesondere bei älteren Menschen sehr weit verbreitet. So berichteten 70 % der
über 65jährigen, dass sie mindestens einmal pro Woche ein
solches Präparat einnähmen.4 Das 1-Jahres-Risiko für ein
symptomatisches oder kompliziertes Ulcus im oberen Gastrointestinaltrakt liegt bei 2–4 %; jeder 7. ältere Anwender ist
betroffen, und 30 % aller Krankenhausaufenthalte deswegen
sind durch NSAID bedingt. Für niedrig dosiertes ASS ist die Bilanz günstiger (0,12 % pro Jahr), was einem 2-4fachen Risiko
entspricht. Aber bei 1 Million Anwendern kommen hier pro Jahr
auch immerhin 1.200 Fälle zusammen.
Erhöhung des Risikos bei Kombinationstherapie
Der Zusatz von Coumarin zur ASS-Therapie verdoppelte das
Risiko relevanter Blutungen auf etwa 4 % /Jahr,5 die Tripeltherapie führt sogar zu einer Rate von 7 %/Jahr, es gibt aber auch
Angaben von einer Rate von 10–15 %/Jahr.6 Die Blutungshäufigkeit korreliert eindeutig mit der Dauer der Tripeltherapie.
Während der ersten Wochen liegt sie nur bei ca. 2 %,2 d.h. eine
Tripeltherapie über 4 Wochen nach BMS ist unproblematisch,
eine über 6–12 Monate nach DES nicht, hier steigt das Risiko
auf die genannten hohen Zahlen an.
Schnell der Aufmerksamkeit entgangen im Alltag sind Medikamente, die das Risiko für GI-NW weiter um das 4–8fache erhöhen: Glukokortikoide, Serotoninwiederaufnahme-Hemmer,
NSAR oder Dipyridamol.7 Es heißt also: Aufgepasst! Die Medikamentenanamnese bleibt wichtig.
Was ist zu tun?
Effektiv zur Prävention von GI-NW sind Protonen-Pumpen-Inhibitoren (PPI). Misoprostol ist wegen der Nebenwirkungen,
H2-Rezeptorenblocker (z. B. Ranitidin) und Sucralfat sind wegen zu geringer Effektivität nicht zu empfehlen. Ein Wechsel
von ASS auf Clopidogrel ist zur Prophylaxe deutlich weniger
wirksam als die Kombination von ASS + PPI und ist deshalb
auch nicht angezeigt.
1. Ein PPI sollte bei Dauertherapie mit einem traditionellen
NSAR und/oder ASS verordnet werden, wenn einer oder mehrere der folgenden Risikofaktoren vorliegen: Alter > 65 Jahre,
männliches Geschlecht, Ulcus oder Ulcusblutung in der Vorgeschichte, Antikoagulation und duale Plättchenhemmung.9
2. Auch bei der Kombination von Cox-2-Inhibitoren und ASS
und bei Vorliegen von den genannten Risikofaktoren ist ein
PPI indiziert.
3. Bei einem Ulcus in der Vorgeschichte oder unter Therapie
mit ASS/NSAR wird eine Testung auf H. pylori und bei Nachweis eine Eradikationstherapie empfohlen. Eine alleinige Eradikationstherapie ohne PPI8 bei erhöhtem Risiko ist nicht ausreichend.
Zusammenfassung
Das GI-NW Risiko unter ASS 100 ist verhältnismäßig gering,
steigt aber bei Hinzutreten von Risikofaktoren (Alter > 65 J.,
Z. n.Ulcus) und bei Kombination mit NSAR, Clopidogrel, Antikoagulantien, SSRI und Glukokortikoiden rasch stark an. Bei
erhöhtem Risiko sind Protonenpumpen-Blocker Medikamente
der Wahl. Bei Z. n. Ulcus sollte auch nach Helicobacter pylori
gefahndet werden und ggf. eradiziert werden.
Peter Grooterhorst, Mülheim
Literatur: 1. gastrointestinale Nebenwirkungen 2. Bhatt DL et al. (2008) ACCF/ACG/AHA Expert consensus document on reducing the gastrointestinal risks of antiplatelet therapy and NSAID use. J Amer Coll Cardiol 52: 1502-1517 3. nicht-steroidale Antirheumatika, Acetysalizylsäure 4. s.
2 5. Francescone S, JL Halperin. (2008) „Triple therapy“ or triple threat? J Am Coll Cardiol 51: 826-7 6. Ruiz-Nodar JM et al. (2008) Antiocoagulant and antiplatelet therapy use in 426 Patients with atrial fibrillation undergoing percutaneous coronary intervention and stent implantation. J Am
Coll Cardiol 51: 818-25 7. Kandulski et al. NSAR – an der Schnittstelle gastrointestinaler Nebenwirkungen und kardiovaskulärer Risiken. Dtsch
Med Wochenschr 114; 134: 1635-40 8. s. 2 9. Fischbach W et al. (2009) Kurzfassung der S3-Leitlinie „Helicobacter pylori und gastroduodenale
Ulkuskrankheit der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Dtsch Med Wochenschr 134: 1830-34
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