Auszug aus: „50 Jahre Marinegeschichte an der

Auszug aus:
„50 Jahre Marinegeschichte an der Flensburger Förde 1956 – 2006“
von Günter Thye 2006/2009
Den Schluss der Schilderungen überlasse ich einem der „jüngsten“ Zeitzeugen.
Matthias Thye, Jahrgang 1967, geboren in Cuxhaven und zwangsläufig mit der
Versetzung seines Vaters 1970 nach Glücksburg zum Flottenkommando, ein
Schleswig-Holsteiner werdend, bewarb sich nach seinem Abitur 1987 bei der
Marine. Aber.........das soll er selbst erzählen:
Es begab sich im Jahre des Herrn 1987 n. Chr. Ich besuchte in Flensburg das
Wirtschaftsgymnasium im 13. Jahrgang.
Auch auf Geheiß (oder war es ein Vorschlag?) meines Vaters, eines gestandenen Marinesoldaten, bewarb ich mich bei der Bundeswehr für die Laufbahn der
Truppenoffiziere.
Gegen Ende des Jahres, es dürfte der Monat November gewesen sein, konnte ich zur
Offiziersprüfzentrale nach Köln fahren. Schon mehrere Mitschüler aus meinem Jahrgang
hatten sich beworben und den Test bereits hinter sich. Allesamt waren sie durchgefallen und
erzählten mir, wie schwer dieser Test doch sei.
Mit nicht allzu großer Hoffnung fuhr ich nun zu dieser Prüfung. Keiner war wohl am Ende
mehr überrascht als ich, dass ich den Test bestanden hatte.
Nun kam aber der maritime Einfluss zum Tragen. Was erwartet man von jemandem, der
praktisch mit einem Fuß im Wasser aufgewachsen ist?
Hinzu kam ein Vater, der mit Leib und Seele Marinesoldat war. Selbstverständlich kam da für
mich nur eine Teilstreitkraft in Frage, die Marine.
Mit dem bestandenen Test erhielt ich eine Empfehlung für den Studiengang Elektrotechnik.
Mir wurde der Beginn meiner Laufbahn als Truppenoffizier ab Juli 1988 in der Teilstreitkraft
Heer oder Luftwaffe angeboten. Wahrscheinlich war mir dieser unerwartete Ausgang der
Prüfung so zu Kopf gestiegen, dass ich dieses Angebot ablehnte und auf eine Verwendung bei
der Marine bestand. Diese wollte oder konnte man mir allerdings nicht geben.
Da ich nach der Schule zur Bundeswehr musste, wollte ich hier wenigstens ein wenig Geld
verdienen. Die Wehrpflicht betrug in der Zeit noch 18 Monate. Was lag näher, als sich für
den „Wehrdienst de Luxe“ also Soldat auf Zeit für 2 Jahre zu entscheiden. Kurzerhand
bewarb ich mich für die Laufbahn als SaZ 2 bei der Marine.
Um meine Eignung für diese Laufbahn feststellen zu können, lud man mich sinnigerweise zu
einem Einstellungstest nach Wilhelmshaven ein. Ich wollte mir diesen Test ersparen und
erkundigte mich, ob hier nicht auch die bestandene Prüfung für die Laufbahn des Truppenoffiziers ausreichen würde. Dieser Meinung war man dann in Wilhelmshaven auch.
Somit durfte ich dann als SaZ 2 am 04.07.1988 meinen Dienst antreten. Als ich den Bescheid
bekam, dass ich für die Laufbahn „21“ vorgesehen sei, fragte ich als erstes meinen Vater,
„Was ist ein 21´er?“ Die Antwort erinnerte mich gleich wieder an meine Eignungs- und
Verwendungsprüfung (EVP). Mir wurde eines klar, dieses Gepiepse, was sich Tastfunk nennt,
fand ich schrecklich. Nun sollte ich Tastfunker werden. Merkwürdiger Weise habe ich mich
dann in der Lehrgruppe Grundausbildung der Marinefernmeldeschule in der Kaserne
Karlshöhe in Eckernförde sogar noch für die Laufbahn 22, den Tastfunkaufklärer,
entschieden. Eine Rolle dürfte hierbei die garantierte spätere Verwendung in Flensburg
gespielt haben.
Aus der Truppe heraus bewarb ich mich dann erneut für die Laufbahn der Truppenoffiziere
und durfte dann am 01.08.1989 bei der Crew 06/89 meine Ausbildung zum Truppenoffizier
der Marine als Obergefreiter OA aufnehmen.
Während meiner sechsjährigen Dienstzeit ist nun wirklich nicht alles glatt gelaufen. Auch war
ich nach Meinung einiger meiner Vorgesetzten zu unmilitärisch (zum Glück musste das Heer
auf mich verzichten). Irgendwie konnte ich auch nie einsehen, dass jemand Recht haben soll,
nur weil er mehr Streifen auf der Schulter hat.
Alles in allem erinnere ich mich aber doch gerne an meine Zeit bei der Marine zurück. Das
liegt vor allem daran, dass die Marine an Traditionen festhält und diese weiterhin lebt.
Gerade die Ausbildung an einer so traditionsreichen Stelle wie die der Marineschule Mürwik
prägt für den Rest seines Lebens. Ich hatte das große Glück bei der Marine beeindruckende
Führungspersönlichkeiten kennen zu lernen, die nach meinem Eindruck leider immer seltener
werden. Noch gerne erinnere ich mich an eine solche starke Persönlichkeit wie zum Beispiel
meinen Hörsaalleiter auf dem Marinesicherungs-Offiziers A-Lehrgang. Zu erwähnen wäre
hier auch noch unser Skipper, Fregattenkapitän Claus Nicolaus, auf der „Asta“ während
unseres 2.596 Seemeilen langen Törns der Kolumbus-Regatta im Juli und August 1992 von
Puerto Rico entlang der amerikanischen Ostküste bis Boston.
Mit seiner gewandten und weltoffenen Art schien es nichts zu geben, was unmöglich ist.
Wie kennen wir es aus der Werbung: Geht nicht, gibt’s nicht!
Crew VI / 89. Eigentlich eine Crew wie jede andere, oder? Auffallend war hier schon,
dass diese Crew im Juni eingezogen wurde. Oder sollte ich lieber sagen bereits im Juni ihr
Quartier in der Marineschule Mürwik beziehen durfte.
Da ich bereits seit Juli 1988 als SaZ 2 bei der Marine war, hatte ich die militärische
Grundausbildung bereits hinter mir. Eingesteuert in meine Crew VI / 89 wurde ich dann erst
zum 01.08.1989.
Auch wenn ich meinen Dienst noch auf einer anderen Dienststelle verrichtete, so war es
vermutlich nicht zu übersehen, dass diese Crew VI/89 bei der Marine die erste Crew seit
Bestehen der Bundeswehr war, in der Frauen zu Marineoffizieren ausgebildet wurden.
Die Presse hatte hier für ihr Sommerloch ein gutes Thema, das dann breit ausgeschlachtet
werden konnte. Die Unterbringung und Organisation machte, zumindest für mich, der ich die
ersten zwei Monate der Grundausbildung nicht dabei war, einen gut organisierten Eindruck.
Der noch besondere Status der Soldatinnen, oder heißt es richtig der weiblichen Soldaten,
war jedoch nicht zu übersehen. So sollen Kameraden bei einer Übung „gebeten“ worden
sein, die Waffen der Kameradinnen mit zu reinigen, da diese einen Termin hatten.
In der Crew erzählte man sich auch, dass die Beschaffung der Bekleidung nicht ganz
reibungslos von statten ging. So mussten die Kameradinnen bei der Einkleidung auf
Unterwäsche verzichten. Vermutlich wollte man ihnen dieses modische Feinripp nicht
zumuten. Als Ersatz soll es dann einen Geldbetrag für die Selbstbeschaffung gegeben haben.
Damit stand der Inspektionsleiter der 3. Inspektion der MSM vor der größten Herausforderung seiner Kariere. Ihm oblag es die Einkaufsbegleitung in den einschlägigen Geschäften
der Flensburger Innenstadt zu stellen – mit seiner Person.
Auf jeden Fall konnte ich feststellen, dass der Umgangston in meiner Grundausbildung an der
Marinefernmeldeschule ein Jahr zuvor doch ein anderer war.
Crew VI/89 Matthias Thye 3. Reihe von oben, 4. von rechts.
2.Reihe von unten die weiblichen Soldaten mit den ersten Marinemützen
Das offizielle Crew-Wappen und seine Erläuterung:
Crew VI/89:
1. Lehrgang an der Marineschule mit weiblichen Soldaten, daher sind
beide Symbole ♀ ♂ für die verschiedenen Geschlechter eingefügt.
Der Aesculap-Stab steht für die angehenden Mediziner in dieser
Crew.
Die Abbildung eines „Tornado“ weist auf die Vielzahl der
werdenden Marineflieger hin und der Turm der Marineschule und
das Segelschulschiff „Gorch Fock“ sind markante und bekannte
Symbole dieser Schule.
Wenn von einem offiziellen Wappen der Crew VI/89 die Rede ist, so
darf nicht verheimlicht werden, dass auch ein inoffizielles Wappen
existiert.
Einer Erläuterung hierzu bedarf es nicht. Der geneigte Leser wird
gebeten seiner Fantasie freien Lauf zu lassen.
Matthias Thye beendete seine Dienstzeit bei der Marine als Leutnant zur See
am 30.6.1994 (Marinefliegergeschwader 2 Tarp/Eggebek), um anschließend
in Schleswig-Holstein bei der Polizei in Kiel-Altenholz ein Studium
aufzunehmen. Er beendete sein Studium nach drei Jahren
als
Diplomverwaltungswirt FH.
Matthias Thye ist heute der Leiter der Polizeidienststelle Steinbergkirche
und wohnt mit seiner Familie in Sterup.
Fotos: Matthias Thye
Marineschule Flensburg-Mürwik