EMEA 360° Boardroom Survey Prioritäten und

EMEA 360° Boardroom Survey
Prioritäten und Schwerpunkte der
Aufsichts- und Verwaltungsräte
Deutschland, Juli 2016
02
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Über diese Studie 04
Wesentliche Ergebnisse 05
Profil der Umfrageteilnehmer
06
Deutschland im Überblick 08
Die Entwicklung der Corporate-Governance-
Landschaft in der Region EMEA
12
Strategie und Risiko 20
Innovation
28
Cyber-Sicherheit 32
Vergütung 37
Nachfolgeplanung im Aufsichtsrat 40
Evaluierung des Aufsichtsrats 45
Entscheidungsfindung in Aufsichtsräten
deutscher Unternehmen 49
Fazit 52
Endnoten53
Deloitte Corporate-Governance-Experten
54
03
Über diese Studie
Deloitte freut sich, Ihnen die erste Ausgabe des EMEA
360° Boardroom Survey zu präsentieren, für den Aufsichts- und Verwaltungsratsmitglieder aus der EMEARegion (Europa, Naher Osten und Afrika) zu wichtigen
Aufsichtsratsthemen befragt wurden.
Die Studie enthält die Einschätzungen von
271 Aufsichts- und Verwaltungsratsmitgliedern („non-executive directors“) zu
Grundsätzen der Unternehmensführung
und Unternehmensüberwachung in 20
Ländern der EMEA-Region.1 Nachfolgend
wird vereinfachend von Aufsichtsräten
gesprochen. Die Studie zeigt auf, welchen
aktuellen und zukünftigen Herausforderungen Aufsichtsgremien gegenüberstehen.
Die Befragungen wurden im Februar und
März 2016 durchgeführt.2
Die Studie setzt sich mit den folgenden
Aspekten der Unternehmensüberwachung
auseinander:
•Aufsichtsratsagenda der vergangenen
12 Monate und der kommenden
12–24 Monate
• Strategie und Risiko
•Innovation
•Cyber-Sicherheit
• Vergütung für die Unternehmensleitung
• Nachfolgeplanung im Aufsichtsrat
• Evaluierung des Aufsichtsrats
•Entscheidungsverhalten in Aufsichtsräten
deutscher Unternehmen
04
Die Studie befasst sich nicht nur mit den
Einschätzungen der Umfrageteilnehmer in
der EMEA-Region, sondern arbeitet auch
die Besonderheiten bei Aufsichtsräten in
Deutschland heraus.3
Darüber hinaus werden auch die Unterschiede zwischen monistischen und dualistischen Führungssystemen aufgezeigt
– Anmerkungen zu solchen Unterschieden
werden in der gesamten Studie dargestellt.
Von den 20 Ländern, die an der Umfrage
teilnahmen, weisen 13 eine monistische
und drei (Deutschland, Österreich und
Polen) eine vorwiegend dualistische Führungsstruktur auf, während in den übrigen
vier (Frankreich, Italien, Niederlande und
Rumänien) beide oder andere Optionen
zur Verfügung stehen.4 Das Profil der Studienteilnehmer findet sich auf den Seiten
6 und 7.
Die gesonderten „EMEA 360° Boardroom
Survey Country Profiles“ geben einen Überblick über die rechtlichen Anforderungen
und Corporate-Governance-Vorschriften
in den einzelnen Teilnehmerländern. Das
Dokument ist auf der Internetseite des
Deloitte Center für Corporate Governance
in Deutschland (www.corpgov.deloitte.de)
verfügbar.
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Wesentliche
Ergebnisse
Die Ergebnisse unserer Studie liefern einen umfassenden Überblick über die sich stetig wandelnden Herausforderungen im Geschäftsumfeld von heute, vor die sich
Aufsichtsratsmitglieder gestellt sehen. Zudem zeigen die
Ergebnisse, wie sich diese Anforderungen über Länder
hinweg voneinander unterscheiden und welche Besonderheiten bei Aufsichtsräten in Deutschland bestehen.
Wesentliche Ergebnisse sind:
•Innovation ist ein Kernthema der Aufsichtsgremien in der gesamten Region
EMEA. Bezogen auf Branchen wird Innovation insbesondere in den Bereichen
Life Sciences sowie Technologie, Medien
und Telekommunikation als wichtig angesehen, während sie in der Bauwirtschaft
sowie im Energie- und Rohstoffsektor
eine eher untergeordnete Rolle spielt. In
Deutschland ist das Thema Innovation
durch die hohe Wettbewerbsintensität
sowie die Qualitätsführerschaft der
deutschen Wirtschaft von noch größerer
Bedeutung für die Aufsichtsratsagenda.
•Digitalisierung ist als neues Thema oben
auf der Aufsichtsratsagenda angekommen und eng verbunden mit digitaler
Innovation, die aktuelle als auch zukünftige Geschäftsmodelle beeinflusst. Im
Ländervergleich steht dieses Thema bei
Aufsichtsräten deutscher Unternehmen
höher auf der Agenda als bei Aufsichtsräten in der Region EMEA.
•Im Kontext der digitalen Wirtschaft beschäftigen sich Aufsichtsräte auch mit der
erhöhten Anfälligkeit gegenüber Cyber-Risiken. In Deutschland gibt es im Vergleich
zur Region EMEA weniger oft bestehende
Pläne zur Abwehr von Cyber-Risiken. Das
Bewusstsein für Cyber-Risiken scheint bei
Aufsichtsräten in Deutschland noch nicht
in vollem Maße entwickelt zu sein.
•Die Vergütung der Unternehmensleitung
und der Führungskräfte ist im Wesentlichen an die geschäftliche Performance
gekoppelt. Damit ist sie zahlen- und
vergangenheitsorientiert. Es ist jedoch
überraschend, dass die Vergütungsstruktur in Deutschland im Vergleich zur
EMEA-Region nicht umfassender an einer
zukunftsorientierten Unternehmensstrategie ausgerichtet ist.
Über die genannten Sachverhalte hinaus
betrachtet die Studie auch weitere zentrale
Corporate-Governance-Themen:
•Aufsichtsratsmitglieder beurteilen
Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit
kurz- bis mittelfristig optimistischer als
noch in jüngster Vergangenheit.
•Bei der Nachfolgeplanung für den Aufsichtsrat kommuniziert die Mehrheit der
Befragten aktiv mit Stakeholdern und
bezieht diese bereits in frühen Phasen in
die Nachfolgeplanung mit ein.
•Eine nicht unbedeutende Minderheit ist
der Auffassung, dass die Effizienzprüfung
des Aufsichtsrats zu wenig anerkannt
sei. Allerdings hält die Mehrheit der
Befragten diese Form der Beurteilung
in ihrem Unternehmen für fest etabliert.
Das Potenzial der Effizienzprüfungen wird
in Deutschland noch nicht voll ausgeschöpft.
•Als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise haben wir Aufsichtsräte
deutscher Unternehmen nach ihrer
Risikoneigung bei Entscheidungen befragt. Die Ergebnisse legen nahe, dass
Aufsichtsräte im Mittel ein ausbalanciertes Verhältnis zum Risiko haben
und der Aufsichtsrat eine die Unternehmensleitung begleitende Institution der
Unternehmensüberwachung ist, in der
weder „Spieler“ noch „Bedenkenträger“
die Oberhand haben.
Zusammenfassend zeigt sich, dass es um
das System der Corporate Governance
in Deutschland nicht schlecht bestellt ist.
Deutschland schneidet in vielen Bereichen
der Studie im Vergleich zur Region EMEA
überdurchschnittlich ab.
In deutschen Aufsichtsräten bestehen jedoch auch noch Verbesserungsmöglichkeiten, so bei der Nutzung des Potenzials der
Effizientprüfung oder einer stringenteren
Verknüpfung der Unternehmensstrategie
mit der Vergütung der Unternehmensleitung.
05
Profil der Umfrageteilnehmer
22
Finnland
13
23
Norwegen
Vereinigtes
Königreich
26
Irland
22
14
Deutschland
Polen
4
25
Niederlande
Österreich
12
15
18
Belgien
Rumänien
Frankreich
15
3
Türkei
Spanien
19
Schweiz
8
15
Zypern
Italien
7
Mittlerer Osten
(Saudi-Arabien,
Jordanien und
Kuwait)
10
Südafrika
Dualistisches System
Monistisches System
Auswahl zwischen monistischem
und dualistischem System
06
Börsennotiert
18%
Staatliches Unternehmen oder Unternehmen in staatlichem Eigentum
14%
Privates Unternehmen, aber in Familienbesitz
23%
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
9%
Sonstige
23%
Privates Unternehmen, nicht in Familienbesitz
Über
45%
Private Equity finanziert
5%
Branche
Eigentümerstruktur
Finanzdienstleistungen
68%
9%
9%
9%
0%
5%
Börsennotiert
Verarbeitende
Industrie
66%
22%
20%
Sonstige
10%
Staatliches Unternehmen oder Unternehmen in staatlichem Eigentum
Energie, Versorgung und Bergbau
Privates Unternehmen, in Familienbesitz
Technologie,
Medien und Telekommunikation
7%
Konsumgüter
45%
Sonstige
7%
Life Sciences
Privates Unternehmen, nicht in Familienbesitz
Bauwirtschaft
6%
Business
& Professional Services
Über
45% Private Equity finanziert
4%
Öffentlicher Sektor
Branche
22%
20%
14%
13%
Finanzdienstleistungen
Verarbeitende Industrie
Sonstige
Energie, Versorgung und Bergbau
Eigentümerstruktur
Technologie, Medien und Telekommunikation
10% Börsennotiert
18%
Konsumgüter
45%
9% Staatliches Unternehmen oder Unternehmen in staatlichem Eigentum
14%
Privates
Unternehmen, aber in Familienbesitz
Life Sciences
23%
Sonstige
Bauwirtschaft
9%
4%
Privates Unternehmen, nicht in Familienbesitz
23%
4%
Business & Professional Services
5%
Über Private Equity finanziert
3% 45%
Öffentlicher Sektor
Eigentümerstruktur
1%
Börsennotiert
18%
Staatliches Unternehmen oder Unternehmen in staatlichem Eigentum
Umsatz
13%
9%
20%
Unter 100 Millionen
Euro
Privates
Unternehmen,
aber in Familienbesitz
Sonstige
Zwischen 100 und 499 Millionen Euro
Privates Unternehmen, nicht in Familienbesitz
Zwischen 500 und 999 Millionen Euro
13% 45%
Über Private Equity finanziert
5%
1 Milliarde Euro und darüber
14%
23%
23%
55%
Anzahl der nicht-geschäftsführenden Mitglieder im Aufsichtsrat
1%
39%
33%
21%
3%
3%
0–3
4–7
8–11
12–15
16–19
>
oder gleich 20
45%
07
Deutschland
im Überblick
EMEA-weit zeigt sich auf der Aufsichtsratsagenda für die
kommenden ein bis zwei Jahre ein klarer Fokus auf Strategie, Wachstum und Leistungsfähigkeit der Unternehmen. Aufsichtsräte in Deutschland sehen ähnlich hierzu
den Fokus ihrer Gremienarbeit in den nächsten ein bis
zwei Jahren in den Bereichen Strategie, Wettbewerb und
Wachstum. Ebenso halten Digitalisierung und Innovation
sowie Kapitalmanagement verstärkt Einzug in die Agenda der Aufsichtsräte in Deutschland.
In Deutschland geben 95 Prozent der
Umfrageteilnehmer an, dass das Risikomanagement in die strategischen Entscheidungsprozesse des Aufsichtsrats gut integriert sei. Die notwendigen Informationen
dazu beziehen die Aufsichtsräte vorrangig
aus Business-Plänen, Finanzkennzahlen
und Management-Präsentationen. Die
Qualität des Informationsflusses zwischen
Unternehmensleitung und Aufsichtsrat ist
daher von großer Bedeutung. Es ist wichtig
für die Aufsichtsratstätigkeit, die hinter
den Informationen stehenden Annahmen
zu verstehen und hinterfragen zu können.
Die befragten Aufsichtsräte in Deutschland
zeigen sich mit einer sehr deutlichen
Mehrheit von 96 Prozent hinsichtlich Qualität, Aktualität und Fokus der erhaltenen
Informationen zufrieden.
Ethische Verstöße und fragwürdige
Geschäftspraktiken von Unternehmen
bleiben auch weiterhin ein viel beachtetes Thema in den Medien. Erleidet ein
Unternehmen einen gravierenden Reputationsschaden, kann es mehrere Jahre
dauern, bis es sich wieder davon erholt.
Die Zuständigkeit für Risikokontrollen in
diesem Zusammenhang sehen die Umfrageteilnehmer aus Deutschland in der
Zuständigkeit der Unternehmensleitung,
während innerhalb von EMEA diese auf
alle Ebenen der Organisation verteilt ist.
21 Prozent der Aufsichtsräte innerhalb
von EMEA gaben an, eine systematische
Prüfung des Reputationsrisikos durchzuführen. In Deutschland ist dieser Wert mit
45 Prozent deutlich höher. Bedeutsam ist,
dass 95 Prozent der Befragten in Deutschland angaben, dass das Risikomanagement
gut bzw. sehr gut in den Entscheidungsprozess eingebunden sei und alle Ebenen
des Unternehmens abdecke. Gerade die
Integration des Risikomanagements in die
Unternehmenskultur ist für eine erfolgreiche und nachhaltige Umsetzung bzw. die
Einhaltung der nationalen und internationalen Compliance-Regeln und unternehmensinternen Ethikgrundsätze von hoher
Bedeutung. Für die Unternehmenskultur
ist dabei das Verhalten der Führungsspitze
tonangebend.
EMEA-weit zeigt sich ein klares Bekenntnis
zu Innovation. 60 Prozent der Aufsichtsräte
08
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
in der Region EMEA geben an, dass Innovation einen (sehr) wichtigen Stellenwert in
ihrer Organisation für den Aufsichtsrat einnehme. In Deutschland messen 81 Prozent
der Aufsichtsräte dem Thema Innovation
eine noch bedeutendere Rolle bei. Digitale
Innovation (71 Prozent), Produktinnovation
(57 Prozent) und Prozessinnovation (52
Prozent) sind als Fokus der Innovationsbestrebungen in Deutschland besonders zu
nennen.
Obwohl Cyber-Sicherheit zunehmend
einen höheren Stellenwert auf der Aufsichtsratsagenda einnimmt, geben EMEAweit nur 48 Prozent der Aufsichtsräte an,
ein (sehr) ausgeprägtes Bewusstsein in
Bezug auf Cyber-Sicherheit zu haben. In
Deutschland zeigt sich ein leicht anderes
Bild. 32 Prozent attestieren ihrem Aufsichtsrat ein (sehr) hohes, 23 Prozent ein
(sehr) niedriges Bewusstsein in Bezug
auf das Thema. Die verbleibenden 45
Prozent bewerten es neutral. Damit ist das
Bewusstsein für mögliche Cyber-Risiken in
Deutschland schwächer ausgeprägt als in
der Region EMEA. Die Verantwortung wird
in Deutschland dabei klar (88 Prozent) bei
der Unternehmensleitung gesehen. Nur 29
Prozent der Befragten geben an, dass hierfür ein Ausschuss des Aufsichtsrats verantwortlich zeichnet. In Deutschland werden
ähnlich wie in anderen Ländern mit dualistischer Führungsstruktur Aktionspläne für
Cyber-Sicherheit in der Regel einmal pro
Jahr überprüft. Länder mit monistischen
Corporate-Governance-Strukturen zeigen
hier ein ausgewogeneres Verhältnis von
Ad-hoc-, vierteljährlicher und jährlicher
Prüfung.
09
10
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Übereinstimmend mit den Studienteilnehmern der Region EMEA sieht auch
die große Mehrheit der Aufsichtsräte in
Deutschland (95 Prozent) die Vergütung
der Unternehmensleitung eng an die
Performance der Unternehmen gebunden.
Dabei legen die befragten Aufsichtsräte
in Deutschland – noch mehr als ihre
Kollegen innerhalb der Region EMEA –
den Schwerpunkt bei der Festlegung der
Vergütung der Unternehmensleitung auf
die geschäftliche Performance (95 Prozent;
EMEA: 86 Prozent). Die Förderung der
Geschäftsstrategie wird hingegen nur von
weniger als der Hälfte (45 Prozent) der Befragten als Kriterium für die Festlegung der
Vergütung im deutschen Umfeld genannt.
Auf EMEA-Ebene wird darauf ein größeres
Augenmerk gelegt (55 Prozent).
Nach überwiegender Meinung der
befragten Aufsichtsräte in Deutschland
werden bei der Nachfolgeplanung des
Aufsichtsrats erforderliche Kompetenzen
hinreichend berücksichtigt. Einig sind sich
die Studienteilnehmer in Deutschland mit
ihren Kollegen innerhalb von EMEA auch
darüber, dass insbesondere Branchenkenntnis und das Verständnis der strategischen Ausrichtung der Organisation zu
den notwendigen Kompetenzen von Aufsichtsratsmitgliedern gehören. Hinsichtlich
Diversitätskriterien beruht die Zusammensetzung des Aufsichtsrats sowohl in
der Region EMEA als auch in Deutschland
vorrangig auf professioneller Qualifikation,
Geschlecht sowie Internationalisierung.
Weiterhin spielt das Alter für 45 Prozent
der Befragten in Deutschland eine Rolle für
die Zusammensetzung des Aufsichtsrats,
was aus den Anforderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex resultieren dürfte. Damit liegt Deutschland über
dem EMEA-Wert (21 Prozent). Hinsichtlich
Geschlechterdiversifizierung wurde von
68 Prozent der befragten Aufsichtsräte in
Deutschland eine entsprechende Richtlinie
eingeführt. Dieser Wert liegt deutlich über
jenem von EMEA mit 37 Prozent, ist aber
vermutlich durch die gesetzliche Regelung
einer Frauenquote beeinflusst.
Effizienzprüfungen des Aufsichtsrats
werden in Deutschland von 68 Prozent
der Befragten bereits seit längerer Zeit
durchgeführt und wurden von 18 Prozent
kürzlich eingeführt. Dies zeigt die hohe Bedeutung der Evaluierungen des Aufsichtsrats im nationalen Umfeld. Damit hebt sich
Deutschland von der Region EMEA positiv
ab. EMEA-weit gesehen geben nur 73
Prozent der Teilnehmer an, Evaluierungen
des Aufsichtsrats durchzuführen. Als
Grundlagen für die Leistungsbeurteilung
insgesamt dienen in Deutschland, wie
auch in der Region EMEA, vorrangig Strategie, Führungskompetenz, operationales
Management sowie finanzielle Kriterien.
Auch wenn bei 86 Prozent der Befragten
Aufsichtsratsevaluierungen durchgeführt
werden, sind nur 68 Prozent der Auffassung, dass die Ergebnisse der Evaluierung
zu zukünftigen Veränderungen herangezogen werden. Dieses Ergebnis lässt
darauf schließen, dass möglicherweise
das inhaltliche Potenzial von Effizienzprüfungen nicht vollständig zur Verbesserung
der Aufsichtsratstätigkeit genutzt wird,
sondern in einigen Fällen in einer rein
formellen Übung endet.
Um ein Bild über die Arbeit der Aufsichtsräte in deutschen Unternehmen zu erlangen, haben wir die Teilnehmer deutscher
Unternehmen zur Entscheidungsfindung
in ihren Gremien befragt. Die Ergebnisse
zeigen, dass Eigenständigkeit des Denkens
und Handelns und von Marktströmungen
losgelöstes Handeln eine große Rolle bei
den befragten Aufsichtsräten spielen. Konsistent hierzu ist, dass sich die deutschen
Studienteilnehmer nicht zu überhasteten
Entscheidungen drängen lassen und in der
Mehrheit keine Entscheidungen „aus dem
Bauch heraus“ treffen. Möglich ist diese
hohe Professionalität, da gut bzw. sehr
gut vorbereitete Entscheidungsvorlagen
zur Verfügung stehen, wie es auch in
der gesamten Region EMEA der Fall ist.
Abschließend ergab die Befragung, dass
Aufsichtsräte in Deutschland im Mittel
weder besonders risikoavers noch risikofreudig, sind.
11
Die Entwicklung der
Corporate-GovernanceLandschaft in der
Region EMEA
Aufsichtsräte werden derzeit mit einer
immer größer werdenden und sich stetig
verändernden Bandbreite von Themen
konfrontiert. Praktiken und Einstellungen
gegenüber der Unternehmensüberwachung sind von Land zu Land und Branche
zu Branche unterschiedlich und wandeln
sich im Laufe der Zeit. Welche Themen als
besonders bedeutsam empfunden werden,
ändert sich infolge von unternehmensspezifischen Ereignissen und Umständen.
Denn obwohl die Herausforderungen an
12
eine gute Unternehmensführung weltweit
mehr oder weniger gleich sind, gehen die
Unternehmen je nach Land und Region
anders mit ihnen um.
Diese Studie konzentriert sich auf die
EMEA-Region, in der Corporate-Governance-Fragen auch weiterhin auf großes
öffentliches Interesse stoßen, und zeigt die
wesentlichen Einschätzungen der befragten Aufsichtsratsmitglieder auf.
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Zentrale Herausforderungen an Aufsichtsräte
Wir befragten 271 Aufsichtsratsmitglieder
zu den fünf zentralen Herausforderungen, denen sich ihr Aufsichtsrat in den
vergangenen 12 Monaten stellen musste,
sowie nach den ihrer Ansicht nach fünf
wichtigsten Themen in den kommenden
12–24 Monaten. Unsere Absicht dabei war
es, spürbare Unterschiede aufzudecken
und zu untersuchen, aus welchen Gründen
sich die Einschätzung der Aufsichtsratsmitglieder in Zukunft ändern könnte. Die
Antworten der Teilnehmer und alle Unterschiede zwischen den beiden Zeiträumen
sind in Tabelle 1 dargestellt.
Tab. 1 – Zentrale Herausforderungen der Aufsichtsräte der vergangenen zwölf
und der kommenden 12–24 Monate
Zentrale Heraus­forderungen
EMEA
Rang der nächsten
12–24 Monate
Veränderung
Rang der letzten
12 Monate
Strategie
1
=
1
Wachstum
2
4
6
Leistung
3
2
5
Fusionen & Akquisitionen
4
-2
2
Innovation
5
5
10
Kapitalmanagement
6
-3
3
Wettbewerb
7
4
11
Risikomanagement
8
-1
7
Regulierung und Compliance
9
-1
8
Kostensenkung
10
-6
4
Shareholder Value/Investoren
11
1
12
Digitalisierung
12
7
19
Cyber-Sicherheit
13
10
23
Nachfolgemanagement
14
2
16
Operatives Management/
Infrastruktur
15
-2
13
Organisationsstruktur
16
-7
9
Politische/soziale Unsicherheiten
17
3
20
Globale Finanzkrise und Erholung
18
-4
14
IT/Technologie
19
-4
15
Talentmanagement
20
7
27
Governance
21
-4
17
Externe Faktoren
22
-4
18
Transformation
23
1
24
Refinanzierung
24
1
25
Globalisierung
25
4
29
Effektivität des Aufsichtsrats
27
-5
22
13
Zentrale Heraus­forderungen
EMEA
Rang der nächsten
12–24 Monate
Berichtswesen
28
2
30
Stakeholder Management
29
2
31
Nachhaltigkeit
30
2
32
Vergütung von Führungskräften
31
-10
21
Korruptions-/Betrugsbekämpfung
32
-4
28
Umwelt
33
=
33
Rohstoffe/Energie
34
=
34
Ethik
35
=
35
Diversität
36
3
39
Steuerrisiko
37
-1
36
Länderrisiko
38
-1
37
Gesundheit und Sicherheit
39
-1
38
Terrorismus
40
1
41
Globale Beschaffung
41
-1
40
Vergleicht man die zentralen Herausforderungen der beiden Zeiträume, ergibt sich
das folgende Bild:
•• Zunahme des Anteils der Befragten, die
Wachstum, Innovation und Wettbewerb
für zentrale Herausforderungen halten
•• Rückgang des Anteils der Teilnehmer, die
die Themen Kostensenkung und Kapitalmanagement für wichtig halten
•• Anhaltende Priorisierung von Strategie,
Performance, Risikomanagement, Regulierung und Compliance
•• Zunehmendes Bewusstsein für Digitalisierung und Cyber-Sicherheit
Diese Veränderungen sind nicht so entscheidend, dass sie auf einen wesentlichen
Sinneswandel der Aufsichtsräte schließen
lassen, zeigen aber dennoch (als Reaktion
auf bessere konjunkturelle Rahmenbedingungen) einen gewissen optimistischen
Stimmungsumschwung weg von Kostensenkungen und Kapitalmanagement hin zu
Vertrauen in Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Das stärker werdende Interesse
für Talent-Management ist ein weiterer
Aspekt dieser Verlagerung.
14
Veränderung
Rang der letzten
12 Monate
Die stärkste Veränderung um jeweils zehn
Plätze sehen die Aufsichtsräte bei den
Themen Cyber-Sicherheit – ein Thema, das
stark an Bedeutung gewonnen hat – und
Vergütung der Führungskräfte. Letztere hat
stark an Bedeutung verloren und rangiert
lediglich noch auf Platz 31.
Die Herauskristallisierung von Cyber-Sicherheit als zunehmend wichtiges Thema
liegt wahrscheinlich an einer prominenten
Medienberichterstattung und dem hohen
Reputationsrisiko, dem ein Unternehmen
nach einer erfolgreichen Cyber-Attacke
ausgesetzt ist. Ein unbefugter Zugriff auf
personenbezogene Daten birgt ebenfalls
Risiken für Unternehmen, insbesondere
in der Bankenbranche. Die Gefahr im
Bereich Cyber-Sicherheit liegt weniger in
einem einzelnen Ereignis, für das zu einem
bestimmten Zeitpunkt eine spezifische
Lösung gefunden werden kann. Das Risiko
entwickelt sich vielmehr ständig weiter und
Sicherheitsmaßnahmen müssen regelmäßig unternehmensweit angepasst und
aktualisiert werden. Das Thema geht weit
über den Aufgabenbereich der IT-Abteilung
hinaus und liegt in letzter Instanz in der
Verantwortung der Unternehmensleitung
sowie in der Überwachungsverantwortung
des Aufsichtstrats.
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Auch die Digitalisierung hat stark an Bedeutung gewonnen und ist in der Rangfolge
um sieben Plätze gestiegen. Dies lässt sich
durch ihre außergewöhnlich breitflächige
und immer weiter zunehmende Reichweite
erklären. Datenanalyse, das Internet of
Things, Robotik und andere Innovationen
bieten neue technologische Möglichkeiten,
die alle Branchen betreffen. In vielen
traditionellen Wirtschaftszweigen fordern
neue digitale Wettbewerber die alteingesessenen Unternehmen heraus. Diese
Kombination ist von enormer strategischer
Bedeutung, weshalb es bereits zu erwarten
war, dieses Thema auf der Tagesordnung
der Aufsichtsräte sehr weit oben zu finden.
Interessant ist indes, dass die befragten
Aufsichtsräte einigen gesellschaftlichen
Entwicklungen, über die in den letzten
Monaten viel berichtet wurde, keine besonders hohe Priorität beimessen. Dazu
zählen etwa Themen wie Besteuerung,
Terrorismus, Diversität, Ethik und Nachhaltigkeit.
Innovation wird oftmals durch die Digitalisierung von Produkten und Prozessen
vorangetrieben und angesichts der zunehmenden Bedeutung der Digitalisierung
dürfte auch mit einer steigenden Nachfrage nach (und potenziellen Knappheit von)
Führungskräften mit den erforderlichen
Kompetenzen für ein effektives Arbeiten in
einer digitalen Umgebung zu rechnen sein.
Digitale Innovation bleibt auch weiterhin
entscheidend für die Fähigkeit eines
Unternehmens, sich in einem zunehmend
wettbewerbsintensiven und schwierigen
Umfeld zu behaupten.
15
Zentrale Herausforderungen:
Länderanalyse
Tabelle 1 zeigt die Standpunkte der Aufsichtsräte in der gesamten EMEA-Region zu
den vergangenen und künftigen zentralen
Herausforderungen an Aufsichtsräte. Sie
unterscheiden sich von Land zu Land.
Einige dieser Länder sind in Tabelle 2
aufgeführt.
16
Tab. 2 – Zentrale Herausforderungen an Aufsichtsräte
Land
Befragungsergebnisse
Belgien
Fusionen und Akquisitionen waren in den letzten zwölf Monaten ein
bedeutender Aufgabenbereich. Man geht jedoch davon aus, dass dieses
Thema künftig eine weniger bedeutende Rolle spielen wird. Unsere Befragten
erwarten, dass Organisationsstruktur und Corporate Governance an
Bedeutung gewinnen.
Deutschland
Die Erwartungen Deutschlands in Bezug auf die hohe Bedeutung von
Strategie, Wettbewerb, Wachstum und Innovation und die nachlassende
Besorgnis über Kostensenkungsprogramme entsprechen dem Durchschnitt
der EMEA-Region. Für die Zukunft wurden Digitalisierung und CyberSicherheit als bedeutende Aufgaben genannt.
Finnland
Die Erwartungen Finnlands in Bezug auf die zunehmende Bedeutung
von Wettbewerb und Innovation und die nachlassende Besorgnis über
Kostensenkungsthemen entsprechen dem Durchschnitt der EMEA-Region.
Die Digitalisierung gilt als wichtiges Problem der Zukunft, und einige Befragte
nannten auch die politische und soziale Unsicherheit.
Frankreich
Die vorrangigen Aufgaben der letzten zwölf Monate konzentrieren sich
im Wesentlichen auf die Bereiche Strategie, Fusionen und Akquisitionen,
Performance und Risikomanagement; beim Ausblick in die Zukunft kommen
noch Wachstum und Risikomanagement hinzu.
Großbritannien
Die Hauptaufgaben, die von den Befragten genannt wurden, entsprechen
mehr oder weniger dem EMEA-Durchschnitt. Allerdings scheint man sich hier
der Bedeutung des Talentmanagement und der Nachfolgeplanung stärker
bewusst zu sein als in den meisten anderen EMEA-Ländern. Überraschend
wenige Befragte nannten die Vergütung als eine der Hauptaufgaben, obwohl
sie 2016 ein viel diskutiertes Thema in den britischen Wirtschaftsmedien war.
Die Befragung der Aufsichtsräte in Großbritannien wurde vor dem BrexitReferendum durchgeführt. Es ist daher anzunehmen, dass das Thema Brexit
und potenzielle Auswirkungen auf Unternehmen im Fokus der Diskussionen
im Aufsichtsgremium stehen werden.
Irland
Die Befragten in Irland gehen insgesamt davon aus, dass die
Aufgabenschwerpunkte in den kommenden 12-24 Monaten im Wesentlichen
dieselben sein werden wie in den zwölf Monaten zuvor. Cyber-Sicherheit,
Regulierung und Compliance werden weit oben auf der Tagesordnung
rangieren.
Italien
Die Besorgnis über Kapitalmanagement und Kostensenkungen in den
vergangenen zwölf Monaten kann auf das derzeitige Geschäftsklima in
Italien und die laufenden Reformmaßnahmen zurückzuführen sein. Der
Shareholder Value bleibt ein wichtiges Thema, und es wird erwartet,
dass Organisationsstruktur und Nachfolgeplanung auf Leitungsebene an
Bedeutung gewinnen.
Naher Osten
Während die Effektivität des Aufsichtsrats in den vergangenen zwölf
Monaten ein bedeutendes Thema darstellte, dürfte nun die Besorgnis über
die globale Konjunkturerholung in den Vordergrund treten. Diese spiegelt
sich erwartungsgemäß in der aktuellen und zukünftigen Entwicklung der
Ölindustrie wider. Auch die Verbesserung von Corporate-GovernanceStrukturen gilt als wichtiges Thema des Aufsichtsrats.
Norwegen
Die Hauptthemen des Aufsichtsrats in Norwegen sind ähnlich wie in
großen Teilen der übrigen EMEA-Region, u.a. Strategie, Performance,
Kapitalmanagement und Kostensenkung. Im Ausblick gehören
Kapitalmanagement und Kostensenkung nicht mehr zu den fünf
Hauptthemen. An ihre Stelle treten Organisationsstruktur und Innovation,
was auf die Verlagerung der Prioritäten von der Kostenkontrolle auf
Wachstum zurückzuführen sein dürfte. Die Befragten in Norwegen nannten
allerdings auch Korruption, Gesundheit und Sicherheit sowie Ethik als
bedeutende Themen der vergangenen zwölf Monate.
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Land
Befragungsergebnisse
Österreich
Die Befragten halten Kostensenkungen auch künftig noch für ebenso
wichtig wie in den letzten zwölf Monaten; Innovation, Wettbewerb und
operatives Management/Infrastruktur gewinnen an Bedeutung, ebenso wie
Digitalisierung und Cyber-Sicherheit. Corporate Governance gilt als wichtiges
Thema, mehr noch als in anderen Ländern.
Polen
Kostensenkung sowie Fusionen und Akquisitionen waren bedeutende
Themen der letzten zwölf Monate. Die Hauptaufgaben des Aufsichtsrats in
den nächsten zwei Jahren liegen den Erwartungen zufolge im Wachstum,
gefolgt von Innovation, Performance und politischer Ungewissheit.
Rumänien
Die Aufgabenschwerpunkte der vergangenen zwölf Monate waren
Organisationsstruktur, Effektivität des Aufsichtsrats und operatives
Management. Auch Korruption rangiert weit oben und einige Befragte
erwarten, dass dies auch künftig so bleiben wird.
Schweiz
Die wesentlichen Themen, die von den Befragten genannt wurden,
entsprechen mehr oder weniger dem EMEA-Durchschnitt. Einige Teilnehmer
gaben jedoch auch Korruption, Cyber-Risiken und Ethik als bedeutende
Themen in der Vergangenheit und Zukunft an.
Südafrika
Die Befragten nannten Kapitalmanagement und die globale Krise sowie
Wachstum als Hauptthemen der letzten zwölf Monate. Man erwartet, dass sie
künftig an Bedeutung verlieren und stattdessen Regulierung und Compliance
sowie die politische und soziale Ungewissheit in den Vordergrund treten.
Türkei
Bei der Unternehmensleitung dürften mehrere Bereiche an Bedeutung
gewinnen, darunter politische und soziale Ungewissheit, Regulierung und
Compliance sowie Cyber-Sicherheit.
Zypern
In den vergangenen zwölf Monaten waren Risikomanagement,
Kostensenkungen und politische Ungewissheit die wichtigsten
Themen. Für die kommenden zwölf Monate wird erwartet, dass
die politische Ungewissheit an Bedeutung verliert und anstelle von
Kostensenkungsprogrammen werden eher Wachstum und Strategie in den
Fokus der Unternehmen kommen.
17
Deutschland im Detail
EMEA-weit gesehen liegt für die kommenden ein bis zwei Jahre ein klarer Fokus auf
Strategie, Wachstum und Leistungsfähigkeit der Unternehmen. Mit einer ähnlichen
Ausrichtung sehen die Aufsichtsräte in
Deutschland den Fokus ihrer Aufsichtsratsarbeit in den kommenden ein bis zwei
Jahren in den Bereichen Strategie, Wettbewerb und Wachstum. Strategie wird von
der Hälfte der Studienteilnehmer als eine
der fünf zentralen Herausforderungen für
die kommenden zwölf bis vierundzwanzig
Monate genannt, gefolgt von Wettbewerb
und Wachstum (jeweils 41 Prozent) sowie
Kapitalmanagement (36 Prozent), Digitalisierung und Innovation (jeweils 32 Prozent).
Ein Vergleich der Hauptthemen der
kommenden ein bis zwei Jahre mit den
Hauptthemen der Aufsichtsräte der
vergangenen zwölf Monate zeigt, dass die
Aufsichtsratsagenda eine gewisse Konstanz
aufweist (siehe auch Tabelle 3). Strategie
(57 Prozent) war auch in den vergangenen
Jahren das wichtigste Thema der Aufsichtsräte. Kapitalmanagement (52 Prozent),
Wachstum und Innovation (jeweils 29 Prozent) fanden sich ebenfalls weit oben in der
Wichtigkeit für Aufsichtsräte. Bei Themen
wie M&A (43 Prozent) sowie Kostenreduktion (29 Prozent) ging die Bedeutung für die
zukünftige Agenda zurück, sie bleiben aber
weiterhin relevant.
spielen werden. In der Finanzdienstleistungsbranche bleiben etwa Regulierung
und Compliance weiterhin ein wesentliches
Thema, ähnlich wie Umweltfragen für den
Energie- und Rohstoffsektor.
Zentrale Herausforderungen:
Analyse nach Branchen
Die zentralen Herausforderungen der
Aufsichtsräte sind darüber hinaus auch von
Branche zu Branche verschieden.
Viele Befragte aus der Finanzdienstleistungs- und der Konsumgüterbranche
nannten Cyber-Sicherheit als wichtige
Aufgabe der Zukunft. Bei den Befragten
aus den Business & Professional Services
sowie den Energie- und Rohstoffsektoren
war ebenfalls ein stärkeres Bewusstsein für
Cyber-Sicherheit zu erkennen.
In den Sektoren Technologie, Medien und
Telekommunikation sowie produzierende
Industrie lagen Kostensenkung bzw. Fusionen und Übernahmen in den letzten zwölf
Monaten im Fokus, wobei künftig Innovation und Wettbewerb stärker in den Vordergrund treten dürften. Die Befragten in
den Sektoren Life Sciences und Gesundheit
gehen ebenfalls davon aus, dass Innovation
auch weiterhin ein zentrales Anliegen
bleiben wird, während Regulierung und
Compliance an Bedeutung zunehmen.
In einigen Sektoren erwartet man, dass die
zentralen Herausforderungen der vergangenen zwölf Monate auch in den kommenden zwei Jahren noch eine wichtige Rolle
Tab. 3 – Zentrale Herausforderungen für Aufsichtsräte: Deutschland
Zentrale Herausforderungen
Kommende 12–24 Monate
Vergangene 12 Monate
Strategie
1
1
Wettbewerb
2
7
Wachstum
2
4
Kapitalmanagement
4
2
Digitalisierung
5
14
Innovation
5
4
M&A
7
3
Entlohnung der Unternehmensleitung 8
7
IT/Technologie
8
14
Infrastruktur
8
7
Politische/soziale Unsicherheiten
8
-
Regulierung und Compliance
8
7
Nachfolgemanagement
8
11
18
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Länderbezogene CorporateGovernance-Themen
Die Ansichten unserer Befragten umspannen ein breites Spektrum an Themen, die
ihrer Meinung nach künftig Einfluss auf
ihre Tätigkeit haben werden. Wichtig ist
in diesem Zusammenhang aber auch ein
Verständnis der derzeitigen CorporateGovernance-Schwerpunkte.
Wir haben daher unsere hauseigenen
Corporate-Governance-Experten aus
allen Ländern, in denen wir Befragungen
durchführten, um ihre Meinung gebeten,
die sie auf Grundlage ihrer Erfahrungen mit
zahlreichen Führungskräften der jeweiligen
Länder erworben haben. Erwartungsgemäß fielen die Antworten entsprechend
den Verhältnissen in den jeweiligen
Ländern höchst unterschiedlich aus. Die
Antworten sind in Tabelle 4 dargestellt.
Insgesamt decken sich die Einschätzungen der Experten von Deloitte mit den
Ansichten der Aufsichtsräte in ihrem Land.
Aus Corporate-Governance-Perspektive
ergeben sich aus den Antworten unserer
Umfrageteilnehmer und der Corporate-Governance-Experten von Deloitte sechs
Bereiche von besonderem Interesse:
•• Strategie und Risiko
•• Innovation
•• Cyber-Sicherheit
•• Vergütung
•• Nachfolgeplanung im Aufsichtsrat
•• Evaluierung des Aufsichtsrats
In den folgenden Abschnitten dieses
Berichts werden die Antworten unserer
Befragten detailliert vorgestellt.
Tab. 4 – Aktuelle Corporate-Governance-Schwerpunktbereiche
Land
Befragungsergebnisse
Belgien
Strategie und Wachstum; Umbruch und Innovation; Cyber-Risiken
und Cyber-Sicherheit; Risikomanagement; Governance und
Unternehmensberichterstattung
Deutschland
Frauenquote im Aufsichtsrat; Professionalität der Arbeit des Aufsichtsrats;
Haftung der Mitglieder; Rotation der Prüfer und Pflichten des
Prüfungsausschusses; Digitalisierung
Finnland
Umsetzung der Veränderungen, die durch den Corporate-Governance-Kodex
von 2015 eingeführt wurden
Frankreich
Strategie und Wachstum; Risikomanagement und langfristige
Wirtschaftlichkeit; Antikorruptions- und Arbeitsgesetze; Einhaltung der
im Wandel befindlichen Regulierungsvorschriften; Zusammensetzung des
Aufsichtsrats unter Einhaltung der vorgeschriebenen Frauenquote von
40 Prozent im Verwaltungsrat bis 2017
Großbritannien
Risikomanagement und langfristige Wirtschaftlichkeit; Umwelt-, Sozialund Governance-Aspekte; Vergütung der Verwaltungsratsmitglieder,
Offenlegung von Bonuszahlungen und Abstimmung über Vergütungspolitik;
Umsetzung der EU-Verordnung und der Richtlinie über Abschlussprüfungen;
Minimierung der Compliance-Kosten; intensivere Kommunikation mit den
Interessengruppen; Unternehmenskultur; Nachfolgeplanung; Frauen im
Aufsichtsrat; Offenlegung von Dividenden – Politik und Praxis
Irland
Strategie; Cyber-Risik; Risikomanagement und langfristige Wirtschaftlichkeit;
Unternehmenskultur; Nachfolgeplanung; Zuständigkeiten der Ausschüsse
Italien
Integration des Risikomanagements in den strategischen Entscheidungs­
findungsprozess des Aufsichtsrats; langfristige Wertschöpfung; integriertes
internes Kontroll- und Risikomanagementsystem; Cyber-Risiko; effektive
Verwaltung und Überwachung
Naher Osten
Datensicherheit; Vergütung
Niederlande
Langfristige Wertschöpfung; Risikomanagement und interne Revision;
effektives Management und Aufsicht; Kultur; Vergütung; Anforderungen nach
dem Prinzip Einhaltung oder Erklärung; Diversität der Unternehmensleitung;
Kriterien für die Ernennung von Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern und
Maßnahmen gegen Übernahmen
Norwegen
Vergütung des Managements und Kopplung der Vergütung und
Bonuszahlungen an die langfristige Wertschöpfung
Österreich
Strategie; Risikomanagement; Organisationsstruktur; Cyber-Sicherheit;
Diversität der Unternehmensleitung
Polen
Unabhängige Aufsichtsratsmitglieder; politische Ungewissheit; Vergütung
Rumänien
Risikomanagement; Unternehmensführung; Strategie; Kostensenkung
Schweiz
Kaderlohnverordnung in börsennotierten Unternehmen; Diversität; CyberRisiken
Spanien
Compliance; Cyber-Risiken
Südafrika
Transformation; risikobasierte interne Revision; IT-Governance; Aktionäre
und Vergütung; Effizienzbeurteilung des Aufsichtsrats; Alternative Dispute
Resolution (ADR)
Türkei
Politische und soziale Unsicherheit
Zypern
Effektivität und Kompetenz des Aufsichtsrats
19
Strategie und Risiko
Tiefgreifende Umbrüche in Wirtschaft und
Handel schreiten rasant voran. Unternehmen müssen daher Strategien verfolgen,
die sich an Veränderungen innerhalb ihrer
Märkte anpassen lassen, dürfen dabei aber
gleichzeitig ihre langfristigen Shareholder-­
Value-Ziele nicht aus den Augen verlieren.
Strategische Pläne müssen flexibel sein.
Organisationen sind praktisch dazu gezwungen, innovativ zu sein, um sich dauerhafte
Wettbewerbsvorteile zu verschaffen und
den Ruf ihres Unternehmens und ihrer
Marke zu wahren. Die strategische Entscheidungsfindung ist jedoch mit dem Risiko
behaftet, dass Fehlentscheidungen getroffen werden können und man entweder zu
früh oder zu spät die Initiative ergreift. Die
Aufsichtsräte tragen die allgemeine Überwachungsverantwortung für Strategie und Risiko und übernehmen bei diesem kritischen
geschäftlichen Aspekt ihres Unternehmens
die abschließende Überwachungsaufgabe.
einzugehen. Aber auch Untätigkeit kann
riskant sein, wenn beispielsweise versäumt
wird, eine Strategie an äußere oder innere
Veränderungen anzupassen, die Einfluss auf
die Marktposition des Unternehmens haben
könnten.
Risiken werden allerdings unterschiedlich
eingeschätzt. Mit jeder strategischen Entscheidung oder Handlung sind stets Risiken
verbunden, sei es nun in Bezug auf Investitionen, Markterschließung, Wettbewerb im
Allgemeinen oder die generelle Bereitschaft
des Managements, überhaupt Risiken
Wir befragten unsere Gesprächspartner
zu der Qualität der Entscheidungsfindung
ihrer Aufsichtsräte im Bereich Strategie
und Risiko und zu ihrem Bewusstsein für
Gefährdungen der Unternehmensreputation. Unsere Fragen zu Strategie und Risiko
betrafen dabei drei Themenbereiche:
20
Wenn der Aufsichtsrat zu langsam auf
solche wechselnden Rahmenbedingungen
reagiert und das Unternehmen seine
Strategie nicht rechtzeitig ändert, endet
dies später geradezu zwangsläufig in überstürzten Reaktionen. Dies wiederum kann
einen Rückgang von Gewinnmargen nach
sich ziehen und damit letztendlich zu einem
weniger erfolgreichen Unternehmensergebnis führen. Jede unterlassene Handlung
birgt große Risiken, und der Aufsichtsrat
muss daher stets aufmerksam und
proaktiv handeln, um das Unternehmen
im Geschäftsumfeld heute und morgen
wettbewerbsfähig zu halten.
•• Integration des Risikomanagements in die
strategischen Entscheidungsprozesse des
Aufsichtsrats
•• Dem Aufsichtsrat vorgelegte Informationen zu Strategie und Risiko
•• Reputationsrisiko
Unterschiede zwischen monistischen
und dualistischen
Systemen
Es könnte erwartet werden, dass
die Antworten auf unsere Fragen
unterschiedlich ausfallen, je nachdem, ob es sich um eine monistische oder dualistische Führungsstruktur handelt. Diese Erwartung
hat sich allerdings nicht erfüllt; aus
den erhobenen Daten ergaben
sich keine signifikanten Unterschiede, die aus der unterschiedlichen Struktur der Unternehmensführung und -überwachung
resultieren könnten.
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Abb. 1 – Integration des Risikomanagements in die strategische
Entscheidungsfindung
Ist das Risikomanagement in die strategischen Entscheidungsprozesse
des Aufsichtsrats gut integriert?
8%
46%
59%
EMEA
4%
Deutschland
5%
Trifft voll und ganz zu
Trifft zu
Neutral
Trifft nicht zu
36%
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
42%
Integration des Risikomanagements in
die strategische Entscheidungsfindung
Unternehmen wird manchmal vorgeworfen, riskante Strategien zu verfolgen. Fest
steht, der Aufsichtsrat sollte das Risikoniveau festlegen, das sein Unternehmen
bei der Verfolgung strategischer Ziele in
Kauf nehmen darf (Risikobereitschaft). Wir
fragten daher unsere Gesprächspartner,
ob ihrer Ansicht nach bei strategischen
Entscheidungen das damit einhergehende
Risiko angemessen in Betracht gezogen
wurde.
Da unsere Befragten selbst zusammen
mit ihren Kolleginnen und Kollegen in den
Aufsichtsräten eine Rolle bei wichtigen
Unternehmensentscheidungen innehaben,
war zu erwarten, dass die Mehrheit der
Befragten mit dem Entscheidungsprozess
des Aufsichtsrats zufrieden ist. Dies scheint
auch allgemein der Fall zu sein: 88 Prozent
der Befragten hielten es für zutreffend bzw.
voll und ganz zutreffend, dass das Risikomanagement gut in den Entscheidungsprozess des Aufsichtsrats integriert sei (siehe
Abbildung 1).
Die Einschätzungen der befragten Aufsichtsratsmitglieder waren von Land zu
Land leicht unterschiedlich. In Belgien,
Deutschland, dem Nahen Osten, Polen und
Großbritannien bewerteten etwa gleich
viele Befragte diese Aussage jeweils mit
„trifft zu“ bzw. „trifft voll und ganz zu“. Dies
könnte darauf hindeuten, dass das Risiko
zwar zur Kenntnis genommen wird, Risikomanagement aber noch nicht konsequent
gehandhabt wird.
Dagegen antwortete die Mehrheit der Befragten in Frankreich, Finnland, Norwegen,
der Schweiz und der Türkei, diese Aussage
treffe „voll und ganz“ zu. In Südafrika, wo
alle Befragten mit „trifft zu“ bzw. „trifft voll
und ganz zu“ antworteten, wird einem
Risikoausschuss des Aufsichtsrats (oder
dem Prüfungsausschuss) die spezifische
Verantwortung für die Beaufsichtigung des
Risikomanagements übertragen und die
Einführung von Corporate-Governance-Regeln legt nahe, dass das Risikomanagement
durch ein integriertes Berichtswesen weiter
verbessert werden kann.
Nach Branchen aufgeschlüsselt, stammte
der größte Teil der Befragten, die diese
Aussage mit „trifft zu“ bzw. „trifft voll und
ganz zu“ bewerteten, aus der Finanzdienstleistungsbranche, die in vielen Ländern
gesetzlich verpflichtet ist, einen Risikoausschuss in den Aufsichtsräten einzurichten.
Ein weiterer großer Teil, der ebenfalls mit
„trifft zu“ bzw. „trifft voll und ganz zu“ antwortete, waren Befragte aus dem Energieund Rohstoffsektor.
Für Deutschland gaben 95 Prozent der Umfrageteilnehmer an, das Risikomanagement
sei in die strategischen Entscheidungsprozesse des Aufsichtsrats gut bzw. sehr gut
integriert.
Auf EMEA-Ebene waren die beiden Branchen, in denen die meisten Befragten die
Aussage mit „trifft nicht zu“ bzw. „trifft
überhaupt nicht zu“ bewerteten, die Bauwirtschaft und die verarbeitende Industrie.
Befragte, die mit der Qualität der Entscheidungsfindung nicht ganz zufrieden waren,
nannten als Begründung vor allem den Bedarf nach mehr Diskussion im Aufsichtsrat
auf Grundlage verlässlicher und aktueller
Informationen.
Unterschiede
zwischen
monistischen
und dualistischen
Systemen
Die Antworten zu Risikomanagement und strategischer Entscheidungsfindung wären möglicherweise anders ausgefallen, wenn
nicht nur Aufsichtsratsmitglieder,
sondern auch die Unternehmensleitung befragt worden wären.
Dennoch waren die Ansichten der
Aufsichtsratsmitglieder von monistisch und dualistisch geführten
Unternehmen recht ähnlich. Dies
legt nahe, dass die Corporate-Governance-Struktur bei der Integration des Risikos in die strategische
Entscheidungsfindung eine untergeordnete Rolle spielt.
21
Insgesamt lassen die Antworten auf
unsere Umfrage den Schluss zu, dass die
Aufsichtsräte zwei zentrale Punkte erkannt
haben: erstens, dass Strategien an die Veränderungen des internen oder externen
Unternehmensumfelds angepasst werden
müssen, um ein effektives Risikomanagement zu betreiben; und zweitens, dass
zumindest nach Ansicht der Aufsichtsratsmitglieder die Inhalte und Schwerpunkte
der Aufsichtsratssitzungen eine geeignete
Grundlage für fundierte Entscheidungen zu
Strategie und Risiko bilden.
22
Im Aufsichtsrat sollte jedes
Thema offen, sachlich
und aufgabenorientiert
diskutiert werden. Bis
dahin ist es jedoch noch
ein langer Weg. Es ist eine
Frage der Kultur.
Befragter aus der Türkei
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Abb. 2 – Effektivität der Informationen für die Risiko- und
Strategieentscheidungen auf Aufsichtsratsebene
Die Informationen, die in die Risiko- und Strategieentscheidungen
einfließen, sind hinsichtlich Qualität, Aktualität und Fokus effektiv.
10%
55%
82%
EMEA
4%
Deutschland
5%
14%
31%
Trifft voll und ganz zu
Trifft zu
Neutral
Trifft nicht zu
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Der Aufsichtsrat meines
Unternehmens pflegt eine
offene Diskussion sowohl
unter den Mitgliedern
des Aufsichtsrats als auch
mit der Geschäftsleitung.
Das Für und Wider
wird auf Grundlage von
Bewertungen abgewogen.
Die Mitglieder des
Aufsichtsrats verfügen
über breite Kenntnisse und
Kompetenzen, sodass wir
auch über den Tellerrand
hinaus schauen können.
Befragter aus Österreich
Versorgung der Aufsichtsräte mit den
erforderlichen Informationen zu Strategie und Risiko
Auf Grundlage ungeeigneter, missverständlicher oder unzureichender Informationen
werden mit hoher Wahrscheinlichkeit
schlechte Entscheidungen getroffen. Die
Entscheidungen von Aufsichtsräten basieren bisher vor allem auf Informationen der
Unternehmensleitung, von Wirtschaftsprüfern und aus anderen Quellen. Die
Befragten wurden um ihre Meinung zur
Effektivität der Informationen gebeten, die
sie zu Strategie- und Risikofragen erhielten.
In der Region EMEA hielten 86 Prozent der
Befragten es für zutreffend bzw. voll und
ganz zutreffend, dass die ihnen vorgelegten
Informationen in Bezug auf Qualität, Aktualität und Fokus effektiv seien.
In Deutschland kann bei einer Zustimmung
von 96 Prozent von einer generellen Zufriedenheit der Umfrageteilnehmer in Bezug
auf Qualität, Aktualität und Fokus der bereitgestellten Informationen ausgegangen
werden. Dieser Wert liegt sogar leicht über
dem EMEA-Durchschnitt. Die Aufsichtsräte
deutscher Unternehmen beziehen die
notwendigen Informationen vorrangig
aus Business-Plänen, Finanzkennzahlen
und Management-Präsentationen (siehe
Abbildung 3). Die Qualität des Informationsflusses zwischen Management und Aufsichtsrat ist daher von großer Bedeutung.
Gleichsam sind externe Prüfberichte eine
wesentliche Informationsquelle für Risikound Strategieentscheidungen.
Für die Region EMEA stimmen in der
Branchenbetrachtung alle Befragten im
Life-­Sciences-Sektor der Aussage zu, dass
die ihnen verfügbaren Informationen
effektiv seien, und überdurchschnittlich
viele Befragte aus der Finanzdienstleistungsbranche. Das überrascht nicht, denn
die Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank erwartet, dass die Gremien von
Banken angemessene Risikoinformationen
erhalten, damit sie genau beurteilen können, ob die Geschäftsentscheidungen den
festgelegten Risikobereitschaftsstandards
und -beschränkungen gerecht werden.
Datenqualität und die Fähigkeit zur unternehmensweiten Risikoaggregation sind
entscheidende Voraussetzungen für eine
gesunde, risikobasierte Entscheidungsfindung und damit auch für eine zweckmäßige
Risiko-Governance.5
23
Beschaffung von Informationen für die
Entscheidungsfindung
Die Quellen, aus denen die Aufsichtsräte
ihre Informationen beziehen, können sich
von Land zu Land unterscheiden. Dabei
kann es sich unter anderem um Business-Pläne, Management-Präsentationen,
Finanzkennzahlen, Prüfberichte, Unternehmensanalysen und Fortschrittsberichte
handeln (siehe Abbildung 3).
Die meisten Aufsichtsräte verlassen sich
dabei verstärkt auf Management-Präsentationen. So gaben neun von zehn Befragten
in Südafrika an, dass ihr Aufsichtsrat
interne und externe Prüfberichte und/oder
Geschäftspläne heranzieht und in allen Fällen wurden Management-Präsentationen
als Entscheidungsgrundlage verwendet. In
Finnland greifen viele Aufsichtsräte hingegen auf ein breiteres Spektrum an Quellen
zurück, etwa auf Wettbewerberanalysen
und Rückmeldungen der Mitarbeiter.
Es verwundert nicht, dass sich viele Aufsichtsgremien stark auf Präsentationen
der Unternehmensleitung verlassen. Auch
wenn sie sowohl externe als auch interne
Prüfberichte erhalten, die eigentlich eine
objektivere Informationsquelle darstellen,
verlassen sie sich zwangsläufig doch am
meisten auf die Informationen vonseiten
der Unternehmensführung. Die Qualität
des Informationsflusses zwischen Unternehmensleitung und Aufsichtsrat ist
daher von entscheidender Bedeutung für
eine effektive Entscheidungsfindung im
Aufsichtsrat und für eine gute Corporate
Governance. Die Aufsichtsräte müssen
allerdings die Hintergründe und Annahmen
dieser Informationen genau verstehen und
gegebenenfalls die Qualität der bereitgestellten Daten bei der Geschäftsführung
hinterfragen.
und mitunter auch vom aufsichtsrechtlichen Rahmen ab. Die Antworten auf
unsere Umfrage legen jedoch nahe, dass
Aufsichtsräte Risikomanagement als einen
Prozess betrachten, der sich grob in vier
Bereiche unterteilen lässt:
•• Erstellung und Genehmigung eines
Modells für das Risikomanagement (Risk
Map)
•• Erstellung von Ausgangsdaten für das
Modell, beispielsweise durch Festlegung
der Risikotoleranzen
•• Einrichtung eines Berichterstattungsprozesses mit Schwerpunkt auf das
Aufwärtspotenzial und die Abwärtsrisiken
unter Einbeziehung der wichtigsten Risikoindikatoren
•• Allgemeine Überwachung/Kontrolle des
Risikomanagementprozesses
Ein Risikomanagementsystem hängt vom
jeweiligen Unternehmen und seiner Kultur
Abb. 3 – Informationsquellen für Risiko- und Strategieentscheidungen
Welchen Input erhält der Aufsichtsrat für seine Risiko- und Strategieentscheidungen?
EMEA
Deutschland
90%
Business-Pläne
91%
81%
Management-Präsentationen/-Informationen
82%
73%
Finanzkennzahlen
86%
71%
Prüfungsberichte der internen Revision
64%
69%
Business Reviews
45%
66%
Externe Prüfungsberichte
73%
55%
Konkurrenzanalysen
55%
50%
Fortschrittsberichte
55%
49%
F&E-/Investitionspläne
41%
47%
Marktberichte
41%
40%
Anlegerinformationen
27%
31%
Feedback der Mitarbeiter
9%
21%
Sonstige
23%
Sonstige beinhaltet Risikoberichte (Risk Appetite
Statement, Risikorahmen, Risikostrategie), integriertes
Berichtswesen und den Strategieplan.
1 Quelle: Deloitte-Analyse 2016
24
1
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Abb. 4 – Beschäftigung des Aufsichtsrats mit Ethikfragen und Reputationsrisiko
Der Aufsichtsrat prüft regelmäßig alle Berichte in Bezug auf ethische Verstöße
(wie Täuschungsmanöver, Verstöße gegen die Menschenrechte, Geldstrafen etc.)
und wertet das damit verbundene Risiko für die Unternehmensreputation aus.
17%
12%
1%
10%
5%
EMEA
Deutschland
10%
48%
29%
37%
33%
Trifft voll und ganz zu
Trifft zu
Neutral
Trifft nicht zu
Trifft überhaupt nicht zu
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Ethikfragen und Reputationsrisiko
Ethische Verstöße und fragwürdige Geschäftspraktiken von Unternehmen bleiben
auch weiterhin ein viel beachtetes Thema
in den Medien. So wurden beispielsweise
Geldstrafen gegen Finanzinstitute wegen
Fehlverhaltens verhängt und auch der Ruf
einiger Unternehmen hatte darunter zu leiden, dass ihre Produkte in Wirklichkeit nicht
das leisteten, was sie in ihrer Werbung
versprochen hatten. Ein Reputationsschaden ist ein großes Risiko für Unternehmen,
denn er schreckt Kunden ab und schwächt
die Marktposition.
Erleidet ein Unternehmen einen gravierenden Reputationsschaden, kann es Jahre
dauern, bis es sich wieder davon erholt.
Auf die Frage, worin ihrer Ansicht nach die
Hauptgefahr für einen Reputationsschaden
liege, waren viele der Befragten der Ansicht, dass sich die Unternehmen zunächst
über die Folgen von Verstößen im Klaren
sein müssen, sei es nun gegen Regulierungsvorschriften oder die ethische Praxis.
Aufsichtsrats berücksichtigt wird. Nur 70
Prozent der Befragten in der EMEA-Region
bewerteten die Aussage, dass ihr Aufsichtsrat regelmäßig die Protokolle bzw.
die Berichterstattung für den Umgang mit
ethischen Verstößen prüft und das damit
verbundene Risiko für den Ruf des Unternehmens auswertet, mit „trifft zu“ bzw.
„trifft voll und ganz zu“. Ein geringer, aber
nicht unwesentlicher Teil der Befragten
(13 Prozent) bewertete diese Aussage mit
„trifft nicht zu“ oder „trifft überhaupt nicht
zu“; viele davon stammten aus Deutschland,
Österreich, dem Nahen Osten und Großbritannien.6 Die restlichen 17 Prozent antworteten mit „Neutral“ (siehe Abbildung 4).
In Deutschland ist die Sensibilität zu Reputationsfragen bei ethischen Verstößen
mit 77 Prozent höher als im EMEA-Durchschnitt.
Die Antworten auf diese Aussage fielen bei
den Aufsichtsratsmitgliedern verschiedener Branchen höchst unterschiedlich aus.
In den Sektoren Business & Professional
Services, Life Sciences und Finanzdienstleistungen antwortete ein großer Anteil
der Befragten zustimmend. Im öffentlichen
Sektor und in geringerem Maße in der Bauwirtschaft und der Konsumgüterbranche
hielt hingegen ein großer Teil der Befragten
diese Aussage für nicht zutreffend.7
Unsere Gesprächspartner wurden auch
dazu befragt, inwieweit ihrer Meinung
nach das Reputationsrisiko auf Ebene des
Viele Unternehmen verschwinden schlicht und einfach wegen
Reputationsproblemen. Das Markenbewusstsein muss
integraler Bestandteil der Organisation und der allgemeinen
Kommunikation sein. Die Reputation einer Marke steht oft in
Verbindung mit dem Firmenlogo, aber das Logo allein ist längst
nicht alles.
Befragter aus Belgien
25
Abb. 5 – Risikokontrollen im Zusammenhang mit Markenreputation
Wie schätzen Sie die gegenwärtigen Risikokontrollen im Zusammenhang mit der Unternehmensreputation ein?
EMEA
Deutschland
50%
Auf alle Ebenen der Organisation fokussiert
59%
41%
Auf das Management fokussiert
18%
36%
Vorfallsbasiert
23%
33%
In die Organisationskultur integriert
59%
21%
Systematisch
45%
Sonstige
0%
4%
1
in vorgegebenen Abständen durchgeführt
1
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Darüber hinaus traten ebenfalls gewisse
Unterschiede bei der Beantwortung der
Frage nach den Risikokontrollen im Zusammenhang mit der Markenreputation auf
(siehe Abbildung 5).
Hinter den Antworten in ihrer Gesamtheit
verbergen sich allerdings signifikante
Unterschiede in Praxis und Ausblick. In
Österreich etwa gab keiner der Befragten
an, dass das Bewusstsein für das Reputationsrisiko Bestandteil ihrer Unternehmenskultur sei. Bei den befragten Aufsichtsräten
aus Deutschland hingegen antworteten 59
Prozent der Teilnehmer, dass Reputationsrisiken ein Bestandteil der Unternehmenskultur seien. Die Aussage wurde in anderen
Ländern (z.B. in Zypern, Frankreich, Irland
und der Türkei) ebenfalls vielfach bejaht.
Man braucht ein Leben lang, um sich
einen guten Ruf aufzubauen, und eine
Nanosekunde, um ihn zu ruinieren.
Befragter aus Großbritannien
26
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Viele Befragte bezeichneten die Reaktion
ihres Aufsichtsrates auf Reputationsfragen
und -kontrollen als „vorfallsbasiert“, d.h.,
der Aufsichtsrat reagiert erst dann auf
Vorfälle, wenn sie eintreten. Dieser Anteil
betrug insgesamt 41 Prozent, war aber in
einigen Ländern wie Polen, Rumänien und
Südafrika höher. Generell lassen vorfallsbasierte Reaktionen auf Reputationsrisiken
darauf schließen, dass manche Aufsichtsräte diesem Thema vorab nicht genügend
Aufmerksamkeit widmen, sondern nur
reaktiv handeln.
Insgesamt gaben 21 Prozent der Befragten
an, dass sich ihr Aufsichtsrat in vorgegebenen Abständen mit den Themen Reputation und Reputationsrisiko befasse. Offenbar
steht dieser Komplex in Unternehmen in
Deutschland und Frankreich regelmäßig
auf der Tagesordnung; in Österreich, Belgien oder Irland hingegen nicht.8
Nach Branchen wiesen die Befragten in
den Sektoren Business & Professional
Services, Konsumgüter und Life Sciences
das stärkste Bewusstsein für Reputationsrisiken auf. In Ersterer gaben 71 Prozent
der Befragten an, dass Kontrollen bezüglich
des Markenreputationsrisikos Bestandteil
der Unternehmenskultur seien (gegenüber
56 Prozent in der Konsumgüterbranche).
Der Anteil der Umfrageteilnehmer, denen
zufolge systematische Prüfungen des
Reputationsrisikos durchgeführt wurden,
betrug in den Business & Professional Services 43 Prozent und in den Life Sciences
42 Prozent. Am wenigsten Berücksichtigung findet das Reputationsrisiko im öffentlichen Sektor und in der Bauwirtschaft.
Hier gab keiner der Befragten an, dass Kontrollen des Reputationsrisikos Bestandteil
der Unternehmenskultur seien oder systematische Prüfungen des Reputationsrisikos
stattfänden.9
Die meisten Befragten teilten die Ansicht,
dass der Aufsichtsrat besonderen Wert auf
den Umgang mit Reputationsrisiken legen
und den übrigen Mitarbeitern des Unternehmens mit gutem Beispiel vorangehen
müsse. Denn tonangebend für die Unternehmenskultur ist die Unternehmensspitze. Allerdings sahen nur 16 Prozent der
Befragten die Notwendigkeit, dass sich
der Aufsichtsrat der Folgen potenzieller
ethischer Verstöße und des Wertes aller
Maßnahmen und Kontrollen zur Risikobegrenzung bewusst sein müsse.
27
Innovation
Mitglieder von Aufsichtsräten wissen nur
zu gut um die strategische Bedeutung von
Innovation. Diese ist aber nicht nur mit
Forschung und Entwicklung gleichzusetzen – dank ihrer Tragweite und Wirkung
ermöglicht sie es einer Organisation, auch
langfristig Wert zu schaffen. Innovation sollte einerseits intern überwacht werden, um
Fortschritte in Bezug auf spezifische Projekte und Ziele sicherzustellen. Gleichzeitig
sollte eine externe Überprüfung erfolgen,
da Organisationen alle Möglichkeiten aus-
schöpfen sollten, um externen Störungen
entgegenzuwirken.10
Unsere Befragten waren mehrheitlich der
Auffassung, dass ihr Aufsichtsrat Innovation
hohe Wichtigkeit beimesse. 60 Prozent der
Teilnehmer aus der EMEA-Region vergaben
einen Wert von 4 oder 5 (auf einer Skala
von 1 bis 5 mit dem Höchstwert 5). Vergleichsweise groß war der Anteil hoher Bewertungen unter Befragten in Deutschland
(81 Prozent), Irland und Italien. In diesen
Ländern scheinen ausgeprägte staatliche
Innovationsanreize sowie eine gut etablierte Start-up- und Unternehmenskultur
generell vorhanden zu sein. Am anderen
Ende des Spektrums bewerteten 15 Prozent
der Befragten die Bedeutung von Innovation für ihren Aufsichtsrat mit lediglich 1 oder
2. Der Anteil der Teilnehmer, denen zufolge
Innovation für den Aufsichtsrat keine hohe
Priorität besitzt, war u.a. vergleichsweise
groß in Österreich, Rumänien, Südafrika
und der Schweiz (siehe Abbildung 6).
Abb. 6 – Wie wichtig ist Innovation für den Aufsichtsrat?
Wie wichtig ist Innovation in Ihrer Organisation für den Aufsichtsrat? (sehr wichtig 5 – unwichtig 1)
Land
81%
Land
Deutsch
lan
d
Naher O
ste
n
Italien
Spanie
n
Irland
Rumä
nie
n
80%
77%
EMEA
33%
29%
5
4
25%
3
43%
10%
2
1
33%
31%
5%
Sektor
Sektor
Deutschland
4
38%
10%
3
1
Energ
ie,
V
10%
2
Bauwirt
sch
aft
Sonstig
e
0%
rso
er
23%
Sehr wichtig
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Unwichtig
gun
g
n
28
Telekomm
u
und
nik
at
ien
io
ed
72%
ustrie
ind
er
üt
85%
43%
5
bau
erg
,B
92%
Life Scie
nce
s
Techno
log
ie,
M
Konsu
mg
26%
30%
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
38%
71%
14%
43%
52%
45%
57%
Abb. 7 – Schwerpunkte der Innovationspläne
Welche Schwerpunkte hat der Innovationsplan in Ihrer Organisation?
EMEA
0%
0%
0%
Deutschland
63%
Produktinnovation
57%
49%
Erneuerung des Geschäftsmodells
38%
48%
Prozessinnovation
52%
47%
Digitale Innovation
71%
39%
Organisatorische Innovation1
43%
29%
Marketing-Innovation
45%
14%
9%
Wir haben keinen Innovationsplan
0%
6%
Wir entwickeln gerade einen Aktionsplan
0%
Sonstige
0%
5%
inklusive Kompetenzen/Personal
1
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Nach Branchen betrachtet ordneten die
Befragten der Bereiche Life Sciences und
Technologie, Medien und Telekommunikation, gefolgt von Business & Professional
Services und Konsumgüterindustrie, dem
Thema Innovation die höchsten Werte zu.
Die schlechtesten Ergebnisse stammten
aus den Sektoren Bauwirtschaft sowie
Energie und Rohstoffe.11
Deutschland im Detail
EMEA-weit zeigt sich mit den genannten
60 Prozent ein klares Bekenntnis zu Innovation, wobei auch hier länderspezifische
Unterschiede zu beobachten sind. In Österreich bspw. geben 48 Prozent Aufsichtsräte
an, dass Innovation einen (sehr) hohen Stellenwert in ihrer Organisation bzw. für den
Aufsichtsrat einnimmt, wohingegen sogar
81 Prozent der befragten Aufsichtsräte in
Deutschland Innovation als wichtiges bzw.
sehr wichtiges Thema ansehen. Lediglich
20 Prozent der Aufsichtsräte aus Deutschland sehen das Thema im mittleren
Wichtigkeitsbereich und kein Aufsichtsrat
als unwichtig in ihrer Organisation bzw. in
ihrem Aufsichtsrat an.
Mögliche Anreize für den Aufsichtsrat,
sich auf Innovation zu fokussieren, sind
unter anderem die Notwendigkeit, die
Kosten zur Aufrechterhaltung der globalen
Wettbewerbsfähigkeit zu überwachen
und zu senken, das Vorhandensein einer
Start-up-Kultur, steuerliche Anreize oder
EU-Beihilfen für Programme zur Innovationsförderung.
Wie Abbildung 7 zeigt, nannten die meisten
Befragten mehr als einen Innovationsschwerpunkt in ihrer Organisation.
Unterschiede
zwischen
monistischen
und dualistischen
Systemen
Weder bei der Bedeutung von Innovation für den Aufsichtsrat noch
den Antworten auf die Frage, welcher Teil der Organisation für die
Überwachung der Innovationsfortschritte zuständig ist, zeigten
sich wesentliche Unterschiede
zwischen monistischen und dualistischen Führungsstrukturen.
29
Tab. 5 – Zentrale Themen in der Innovationsplanung: Branchenanalyse
Welche Schwerpunkte hat der Innovationsplan in Ihrer Organisation?
Branche
Fokus Innovationsplan
86%
Business and Professional Services
71%
72%
Konsumgüter
64%
40%
Bauwirtschaft
40%
57%
Energie und Rohstoffe
49%
64%
Finanzdienstleistungen
62%
83%
Life Sciences
45%
67%
87%
Verarbeitende Industrie
68%
75%
Öffentlicher Sektor
75%
81%
Technologie, Medien und Telekommunikation
63%
Kein Innovationsplan: 25% öffentlicher Sektor, 14% Energie und Ressourcen, 12% Finanzdienstleistungen
Digitale Innovation
Erneuerung des Geschäftsmodells
Produktinnovation
Zahlreiche Befragte in der Region EMEA
nannten in ihrer Antwort Produktinnovation. Die kundenseitige Wahrnehmung
dessen, was die Organisation leisten
kann, scheint etwas mehr Gewicht zu
besitzen als operative Effizienz, die auch
durch Innovation gesteigert werden kann.
Dies legt nahe, dass das Bedürfnis nach
unmittelbarer Wertschöpfung besteht und
die Unternehmen bestrebt sind, sich einen
Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen.
9 Prozent der Befragten erklärten, ihre
Organisation habe keinen Innovationsplan.
Weitere 6 Prozent antworteten, dass die
Entwicklung eines Innovationsplans noch
nicht abgeschlossen sei. Der Großteil
dieser Antworten stammte von Befragten
in Österreich, Rumänien und dem Nahen
Osten.
Wie Tabelle 5 zeigt, bestanden zwischen
den Schwerpunkten einzelner Branchen
gewisse Abweichungen.
30
Prozessinnovation
Organisatorische Innovation
Unerwartete Innovationen sind
das eine, doch unbeabsichtigte
Folgen von Innovation sind
genauso wichtig wie unerwartete
Innovationen selbst.
Befragter aus Frankreich
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Auf die Frage, welcher Teil der organisationsspezifischen Führungsstruktur für die
Überwachung des Innovationsfortschritts
zuständig sei, gaben die Befragten häufig
Antworten, die eine gewisse Überlappung
von Zuständigkeiten aufzeigten (siehe
Abbildung 8).
die Antworten von unseren Befragten, dass
sich die Zuständigkeiten häufig überlappen,
wobei jeweils das Management und der
Aufsichtsrat einen Teil dieser Zuständigkeit
besitzen (wie beispielsweise in Österreich
und Großbritannien).12 In Deutschland
zeigt sich klarer die Aufgabentrennung
im dualistischen System der Corporate
Governance. So äußerten 90 Prozent der
Befragten, dass die Unternehmensleitung
für die Überwachung von Innovationen
zuständig sei (EMEA: 61 Prozent Executive
Committee). Lediglich 38 Prozent der
Aufsichtsräte votierten für den Aufsichtsrat
als Kerngremium der Innovation (EMEA: 46
Prozent).
In bestimmten Ländern wie etwa Deutschland, Frankreich und Südafrika ist ein
geschäftsführender Ausschuss für die
Überwachung des Innovationsfortschritts
zuständig (in Deutschland ist dies der Vorstand). Auch wenn anzunehmen ist, dass
entweder die Unternehmensleitung oder
der Aufsichtsrat für die Überwachung von
Innovation zuständig sein sollten, zeigen
Es ist wenig überraschend, dass 57 Prozent der Befragten in der Region EMEA
erklärten, Diskussionen über die neuesten
Fortschritte erfolgten im Innovationsbereich im Rahmen normaler Sitzungen des
Gremiums. Der Aufsichtsrat sollte auf dem
Laufenden gehalten werden; selbst wenn
ihm nicht die primäre Überwachung von
Innovation obliegt, kann doch von ihm
erwartet werden, dass er eine Überwachungsfunktion wahrnimmt.
Abb. 8 – Verantwortung für die Überwachung der Innovationsfortschritte
Welchem Teil Ihrer Organsiation obliegt die Überwachung der Innovationsfortschritte?
EMEA
Deutschland
61%
Dem Vorstand
90%
46%
Dem Aufsichtsrat
38%
Sonstige
1
21%
10%
9%
Dem Strategieausschuss
5%
4%
Einem anderen Ausschuss des Aufsichtsrats
5%
„Sonstige“ ist eine Kombination von Ausschüssen zu
Innovation, Strategie und Forschung & Entwicklung.
1
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Ich bin der festen Überzeugung, dass Innovation für den
künftigen Erfolg europäischer Unternehmen ausschlaggebend
ist. Sie ist unsere größte Herausforderung. Ist Europa bereits
im Innovationsmodus? Europa muss Innovation fördern; das
ist meiner Meinung nach ein Thema, das uns auf jeden Fall
beschäftigen sollte, zumal Europa derzeit dazu neigt, Innovation
immer stiefmütterlicher zu behandeln.
Befragter aus Belgien
31
Cyber-Sicherheit
Risiken durch Cyber-Attacken auf IT-Systeme und die darin gespeicherten Daten
sind allgemein bekannt und es wird immer
wieder darüber berichtet. Die Fähigkeiten
von Hackern, sich über das Internet Zugang
zu Daten zu verschaffen, scheinen rasanter
zuzunehmen als das Tempo, mit dem
Organisationen wirksame Firewalls und
andere Vorrichtungen installieren können,
um derartige Angriffe abzuwehren. Das
offensichtliche Risiko besteht darin, dass
geschäftssensible Daten und persönliche
Informationen zu Kunden, Mitarbeitern
und anderen entwendet werden können,
was nicht zuletzt dem Ruf der Organisation
32
und dem Kundenvertrauen schadet.
Auch wenn die Zahl versuchter und
erfolgreicher Angriffe nicht bekannt ist,
kann mit großer Wahrscheinlichkeit davon
ausgegangen werden, dass Cyber-Attacken
viel häufiger vorkommen, als öffentlich
bekannt wird.
Wir befragten Aufsichtsratsmitglieder
dazu, wie ausgeprägt das Bewusstsein für
Cyber-Risiken und Cyber-Sicherheit in ihren
Gremien ist und welche Maßnahmen ihre
Unternehmen ergriffen haben, um diese
Herausforderung anzugehen.
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Bewusstsein des Aufsichtsrates in
Bezug auf Cyber-Risiken
Auf die Frage, wie ausgeprägt das Bewusstsein des Aufsichtsrates für Cyber-Risiken
sei (auf einer Skala von 1 bis 5), antworteten nur 48 Prozent mit einem hohen (4
oder 5) und 20 Prozent mit einem niedrigen
Wert (1 oder 2). Keiner unserer Befragten
hielt das eigene Unternehmen für immun
gegenüber solchen Risiken.
Das Bewusstsein für Cyber-Risiken im
Aufsichtsrat ist allerdings von Land zu Land
unterschiedlich ausgeprägt. Vergleichsweise hoch erscheint es in Irland, Italien,
Südafrika und Großbritannien, vergleichsweise niedrig in Deutschland, Belgien und
Österreich. Lediglich 32 Prozent der befragten Aufsichtsräte aus Deutschland sahen in
Cyber-Sicherheit ein Thema mit hoher bzw.
sehr hoher Relevanz. Da in Deutschland
das Thema Digitalisierung auf der Aufsichtsratsagenda einen prominenten Platz
einnimmt, legt dies den Schluss nahe, dass
sich Aufsichtsräte in Deutschland mit den
Chancen der Digitalisierung beschäftigen,
die möglichen Risiken der Cyber-Sicherheit
aber unterschätzen.
In der Region EMEA erklärten nur 38
Prozent unserer Befragten aus der verarbeitenden Industrie, dass der Aufsichtsrat
Cyber-Sicherheit einen hohen Stellenwert
beimesse. Obwohl im Life-Sciences-Sektor
die Hälfte der Befragten von einem sehr
ausgeprägten Bewusstsein sprach, maßen
gleichzeitig 33 Prozent in dieser Branche
dem Thema eine niedrige Relevanz bei. Da
die meisten Produktionsprozesse IT-gestützt sind, erscheint dieser vergleichsweise
niedrige Wert alarmierend, denn Cyber-Attacken beschränken sich nicht nur auf die
Finanzdienstleistungsbranche, sondern
zielen auch auf Produktionsstätten sowie
Forschungs- und Entwicklungszentren ab.
Bestimmte Abweichungen im Bewusstsein
dieser Risiken sind möglicherweise auf
die Konzentration von Branchen in den
einzelnen Ländern zurückzuführen. Die Befragten, die das am stärksten ausgeprägte
Bewusstsein für Cyber-Risiken nannten,
waren weitestgehend in den Bereichen
Technologie, Medien und Telekommunikation sowie Business & Professional
Services angesiedelt. Das Bewusstsein für
Cyber-Risiken ist auch in der Finanzdienstleistungsbranche besonders ausgeprägt.
Beispielsweise leistet die Europäische
Zentralbank Hilfestellung in Sachen „Cyber
Readiness“, während Standard & Poor’s
im September 2015 bekannt gab, dass
das Rating von Kreditgebern herabgestuft
werden könne, wenn sich Letztere nicht
ausreichend vor Cyber-Attacken schützten.
Generell kam es in den letzten Jahren zu
einer Zunahme von Rechtsvorschriften und
Regeln in den Bereichen Datenschutz und
Cyber-Risiken, die von nationalen Gesetzen
zur Cyber-Sicherheit bis hin zur allgemeinen
Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO)
der EU reichen.
Cyber-Sicherheit ist inzwischen
eine „Notwendigkeit“ und keine
„Spinnerei“ mehr.
Befragter aus der Türkei
33
Abb. 9 – Vorhandensein eines Aktionsplans für Cyber-Risiken
Verfügt die Organisation derzeit über einen Aktionsplan in Zusammenhang mit Cyber-Sicherheit?
EMEA
Deutschland
Ja – ein solcher Plan existiert
38%
Ja – nach einem Vorfall wird jetzt ein Plan entwickelt
0%
14%
Ja – ein Plan befindet sich in Entwicklung
29%
17%
Nein – dieser Plan ist in unseren allgemeinen Risikoplan integriert
19%
7%
Nein – wir sehen hier keine Priorität
0%
0%
Nein – unsere Organisation hat keine Cyber-Attacken zu befürchten
45%
0%
Sonstige
14%
46%
2%
12%
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Trotz der unterschiedlichen Antworten
unserer Befragten erklärten die meisten,
dass ihre Organisation über einen Plan
für Cyber-Sicherheit verfüge, gerade mit
der Entwicklung eines solchen befasst sei
oder Cyber-Risiken in einen allgemeineren
Risikoplan integriert habe. Nur 7 Prozent
der Befragten gaben an, dass in ihrem Unternehmen kein Plan für das Management
von Cyber-Risiken vorhanden sei, zumal ein
solcher nicht als Priorität betrachtet werde
(siehe Abbildung 9).
In Deutschland geben lediglich 38 Prozent
der befragten Aufsichtsräte an, ihre Organisation verfüge über einen Aktionsplan in
Zusammenhang mit Cyber-Sicherheit oder
aber das Thema sei im allgemeinen Risikoplan integriert (19 Prozent). Die Verantwortung dafür wird in Aufsichtsräten deutscher
34
Unternehmen dabei klar bei der Unternehmensleitung gesehen (88 Prozent). Nur 29
Prozent geben an, dass hier ein Ausschuss
des Aufsichtsrats verantwortlich zeichnet.
Unternehmen in den eher risikobewussten
Sektoren Technologie, Medien und Telekommunikation, Finanzdienstleistungen
und Business & Professional Services
verfügen offenbar häufiger über solche
Aktionspläne.
Unterschiede
zwischen
monistischen
und dualistischen
Systemen
In Unternehmen mit dualistischen
Führungsstrukturen werden Aktionspläne für Cyber-Sicherheit im
Allgemeinen einmal pro Jahr überprüft. Liegt dagegen eine monistische Führungsstruktur vor, zeigt
sich ein ausgewogenes Verhältnis
zwischen Ad-hoc-, vierteljährlichen
und jährlichen Überprüfungen.
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Abb. 10 – Zuständigkeit für Cyber-Sicherheit
Wurde im Aufsichtsrat ein Ansprechpartner für Cyber-Sicherheit ernannt?
EMEA
Deutschland
Ja – diese Funktion gab es schon immer
0%
Ja – diese Funktion gibt es seit Kurzem
0%
31%
Nein – wir tragen diese Verantwortung gemeinsam
36%
14%
Nein – für Fragen der Cyber-Sicherheit ist der Prüfungsausschuss zuständig
5%
9%
Nein – für Fragen der Cyber-Sicherheit ist der Risikoausschuss zuständig
5%
20%
Nein – Cyber-Sicherheit wird im Rahmen der Risikopläne behandelt
45%
23%
3%
Das weiß ich nicht
14%
Sonstige
18%
3%
2%
18%
1
Von jenen Befragten, die „Sonstige“ antworteten, gaben nur 4% an, einen eigenen Beauftragten für
Cyber Security zu haben, 13% gaben an, kein eigenes Aufsichtsratsmitglied dafür nominiert zu haben.
1
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Zuständigkeiten für Cyber-Risiken und
Cyber-Sicherheit
Die Zuständigkeiten für Cyber-Risiken und
Cyber-Sicherheit sind in den einzelnen
Unternehmen unterschiedlich (siehe Abbildung 10).
Sobald sich ein Aufsichtsrat der Bedeutung
eines bestimmten Themas – wie etwa Umwelt oder Nachhaltigkeit – bewusst wird,
kann ein bestimmtes Mitglied mit einer
entsprechenden Aufsicht beauftragt werden. Was den potenziellen Schweregrad
des Cyber-Risikos angeht, wäre unter Umständen zu erwarten, dass ein recht großer
Teil von Unternehmen einem Mitglied des
Aufsichtsrats eine besondere Zuständigkeit
überträgt. Ist der gesamte Aufsichtsrat
dafür zuständig bzw. ist das Thema Cyber-Sicherheit im Risikomanagementplan
des Aufsichtsrates enthalten, kann sich
diese fehlende besondere Zuständigkeit
stark auf Qualität, Tempo und Wirksamkeit
von Kontrollmaßnahmen auswirken.
Die Relevanz von Cyber-Sicherheit hat
zugenommen. Es gibt inzwischen mehr und
mehr Cyber-Attacken. Die zunehmende
Beliebtheit von digitalen Kanälen und die
höhere technologische Entwicklungsstufe
werden die Situation ohne Frage weiter
verschärfen.
Befragter aus Polen
35
Die Cyber-Sicherheit einer Organisation ist nur
so stark wie deren schwächster Mitarbeiter,
zumal Hacker auf unbedachte, ungelernte
oder ungeschulte Mitarbeiter aus sind, um
sich Zutritt zum Netzwerk ihres Arbeitgebers
zu verschaffen.
Aus dem Deloitte Directors' Alert 2016
Allerdings erklärten nur gerade einmal
5 Prozent der Befragten, dass ein einzelnes
Aufsichtsratsmitglied besondere Zuständigkeiten für Cyber-Sicherheit besitze und
dem Gremium des Aufsichtsrats entsprechende Sachverhalte melden müsse. Dies
könnte darauf zurückzuführen sein, dass
es in den Aufsichtsräten nur sehr wenige
IT-Experten gibt, der Aufsichtsrat seine
kollektive Zuständigkeit aktiv wahrnimmt
oder einem Ausschuss (wie dem Prüfungsausschuss oder dem Risikoausschuss des
Aufsichtsrats) die besondere Zuständigkeit
für dieses Risiko überträgt.
Häufig ist die Unternehmensleitung für
den Aktionsplan in Zusammenhang mit
Cyber-Risiken zuständig, insbesondere
in Deutschland, Belgien, Norwegen,
Österreich und der Schweiz. In anderen
36
Ländern kann die Zuständigkeit zwischen
der Geschäftsleitung und dem Aufsichtsrat
oder einem Ausschuss des Aufsichtsrats
aufgeteilt werden.
Die wenigen Befragten, denen zufolge
einem Mitglied des Aufsichtsrates eine besondere Zuständigkeit für Cyber-Sicherheit
obliegt, waren durchwegs im Finanzdienstleistungssektor tätig.
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Vergütung
Hinsichtlich der Vergütung der Mitglieder
der Unternehmensleitung bestehen in den
einzelnen Ländern unterschiedliche Vorbehalte. Als wesentliche Themen werden
die Schaffung einer Verzahnung zwischen
Vergütung und Performance und die hohe
Entlohnung des Managements genannt.
Die von uns gestellten Fragen konzentrierten sich auf die Verzahnung zwischen
Performance und Vergütung.
Die geschäftliche Performance lässt sich
anhand verschiedener Verfahren im finanziellen und nicht-finanziellen Bereich sowie
auf lange („Thema Nachhaltigkeit“) und
kurze Sicht ermitteln. Vergütungsregelungen für die Unternehmensleitung können
zudem Boni oder Aktienzuteilungen umfassen, die auf einer Reihe von verschiedenen
Performancezielen beruhen.
Die große Mehrheit unserer Befragten
in der Region EMEA (85 Prozent) hielt
die Aussage, dass die Vergütung für das
Management und die Mitglieder der Geschäftsleitung eng an die Performance und
die Wirtschaftlichkeit ihrer Organisation
gebunden ist, entweder für „zutreffend“
oder für „voll und ganz zutreffend“. Nur
9 Prozent der Befragten – darunter ein ver-
37
gleichsweise großer Anteil aus Norwegen
und der Türkei – hielten dies für nicht oder
überhaupt nicht zutreffend. Doch selbst in
diesen Ländern bezeichneten die meisten
Befragten die geschäftliche Performance
als Faktor, der bei Vergütungsentscheidungen herangezogen wird.
Über so gut wie alle Branchen hinweg gesehen halten es die meisten Befragten für
zutreffend, dass die Vergütung eng an die
Performance gebunden ist. Erwartungsgemäß ist dies einzig im öffentlichen Sektor
nicht der Fall.
Auf die Frage, welche Performanceaspekte
bei Vergütungsentscheidungen einbezogen
werden, wurden am häufigsten die geschäftliche Performance, die Förderung der
Unternehmensstrategie und die Ansichten
der Shareholder genannt (siehe Abbildung
11). Dies zeigt, dass finanziellen und nicht-finanziellen Indikatoren mehr Gewicht beigemessen wird als Charaktereigenschaften,
wie etwa der Fähigkeit von Individuen, sich
durchzusetzen und Führungskompetenz
unter Beweis zu stellen.
Abb. 11 – Vergütung und Verknüpfung mit Performanceaspekt
Wie wird die Vergütung für das Management und die Mitglieder der Unternehmensleitung ermittelt?
EMEA
Deutschland
86%
Geschäftliche Performance (einschließlich Finanzlage)
95%
55%
Förderung der Geschäftsstrategie
45%
38%
Ansichten der Aktionäre/Gesellschafter
32%
33%
Führungskompetenz
45%
33% Einheitlichkeit der Vergütungskonzepte für Unternehmensleitung und Mitarbeiter
24%
18%
23%
Nachhaltigkeit
55%
21%
Einfachheit und Klarheit der Vereinbarung
23%
19%
Innovation
23%
18%
Öffentliche Wahrnehmung der Vergütung von Führungskräften
18%
17%
Sonstige
14%
9%
1
Öffentliche Wahrnehmung der Organisation
„Sonstige“ bezieht sich unter anderem auf Branchenvergleich, Kundenzufriedenheit, Mitarbeitermotivation und allgemeine qualitative Kriterien.
1
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
38
45%
Marktposition
5%
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Die geschäftliche Performance lässt sich
allerdings mit einer Vielzahl von Verfahren
messen, und zwar sowohl auf kurz- als
auch langfristiger Basis. Entsprechend verwundert es nicht im Geringsten, dass die
meisten Befragten dies als Hauptfaktor für
Vergütungsentscheidungen nannten.
Unter den verschiedenen von unseren
Befragten identifizierten Vergütungskriterien sind einige Besonderheiten hervorzuheben. Ein großer Anteil der Befragten
in Südafrika nannte Führungskompetenz
als Kriterium, die meisten Befragten im
Nahen Osten hingegen die Förderung der
Geschäftsstrategie. Bei nahezu jedem
zweiten Befragten in Zypern zählte Innovation zu den wichtigsten Kriterien.
Die öffentliche Wahrnehmung der Vergütung höherer Führungskräfte zählt nicht
unbedingt zu den Kriterien, die die Vergütungspolitik beeinflussen – und das trotz
der in manchen Ländern (wie beispielsweise in Großbritannien) von den Medien
stark thematisierten Vorbehalte.
Insgesamt scheint allgemeine Einigkeit
darüber zu bestehen, dass die Vergütung
in gewisser Weise an die Performance
gebunden sein sollte. Dennoch stellten
wir keine Fragen zur Messung von Performancestufen oder zum Umfang von
Vergütungspaketen, da es auch unter
den Aufsichtsratsmitgliedern (von denen
viele geschäftsführende Aufgaben in
anderen Unternehmen wahrnehmen)
häufig ausgeprägte und divergierende
Auffassungen gibt.
Die große Mehrheit in Deutschland
(95 Prozent) sieht, übereinstimmend mit
den Aufsichtsräten der EMEA-Region, die
Vergütung der Unternehmensleitung eng
an die Performance und laufende Wirtschaftlichkeit gebunden. Dabei legen die
Aufsichtsräte in Deutschland, noch mehr
als ihre Kollegen innerhalb von EMEA, den
eindeutigen Schwerpunkt bei der Festlegung der Managementvergütung auf die
geschäftliche Performance (95 Prozent;
EMEA: 86 Prozent). Die Förderung der
Geschäftsstrategie wird hingegen nur von
45 Prozent der Aufsichtsräte deutscher
Unternehmen als Kriterium für die Festlegung der Vergütung genannt. Demgegenüber wird diesem Vergütungskriterium
in der Region EMEA mit 55 Prozent eine
höhere Bedeutung beigemessen. Einen
gewissen Einfluss auf Vergütungen haben
auch Führungskompetenz, Nachhaltigkeit
und die Einheitlichkeit der Vergütungssysteme zwischen Unternehmensleitung
und Mitarbeitern. Ein vergleichsweise
geringerer Wert wird auf die öffentliche
Wahrnehmung des Unternehmens als
auch der Vergütung der Führungskräfte
gelegt. Trotz der hohen Innovationskraft
der Unternehmen aus Deutschland ist
Innovation neben der Einfachheit der
Vergütungssysteme (jeweils 23 Prozent)
ein wenig bedeutender Faktor bei der
Vergütung.
Unterschiede
zwischen
monistischen
und dualistischen
Systemen
Bei den Antworten der Befragten
zu Vergütungsfragen zeigten sich
in unserer Umfrage keine signifikanten Unterschiede zwischen
monistischen und dualistischen
Systemen.
39
Nachfolgeplanung
im Aufsichtsrat
Eine ausgeprägte und wirksame Führungskompetenz
genießt bei den Aufsichtsräten einen hohen Stellenwert.
Technologie, Globalisierung und Bevölkerungsentwicklung werden auch in Zukunft die Strukturen von Organisationen beeinflussen.
Der Aufsichtsrat von morgen dürfte ohne
Frage eine andere Mischung aus Kompetenzen und Eigenschaften benötigen als
heute. Die Nachfolgeplanung für Mitglieder
der Unternehmensleitung und andere höhere Führungskräfte sollte im Aufsichtsrat
fortwährend Beachtung finden. Ähnliche
Überlegungen gelten zudem auch für
Aufsichtsratsmitglieder. Die erforderlichen
Kompetenzen und Erfahrungen sollten
zu einem allgemeinen Kompetenzgleichgewicht im Aufsichtsrat beitragen, damit
dieser effektiv arbeiten kann. Zu beachten
ist hier jedoch, dass die Nachfolgeplanung
in Leitungsgremien von Familienunternehmen von anderen Faktoren als Diversität
und Talent beeinflusst werden kann.
40
Wir wollten von unseren Befragten wissen,
wie sie über die Nachfolgeplanung im Aufsichtsrat denken. Die große Mehrheit (81
Prozent) hält es entweder für „zutreffend“
oder „voll und ganz zutreffend“, dass die
Zusammensetzung des Aufsichtsrats angemessen überprüft wird, um sicherzustellen,
dass die Mitglieder über die geeigneten
Kompetenzen verfügen. Starke Zustimmung äußerten die meisten Befragten in
Zypern, Finnland, Italien, Südafrika und
Großbritannien. In Irland, Norwegen, Polen
und der Schweiz halten es hingegen mehr
Studienteilnehmer für lediglich „zutreffend“
als für „voll und ganz zutreffend“.
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Abb. 12 – Faktoren, die bei der Entscheidung über zukünftige Anforderungen
an die Fähigkeiten der Aufsichtsratsmitglieder Berücksichtigung finden
Welche Faktoren werden bei der Entscheidung über zukünftige Anforderungen
an die Fähigkeiten des Aufsichtsrats berücksichtigt?
EMEA
Deutschland
87%
Branchenkenntnis
77%
69%
Strategische Ausrichtung der Organisation
73%
41%
Wachstumsziele
36%
41%
Internationale Entwicklungspläne
41%
29%
Risikowahrnehmung im Zusammenhang mit Nachfolgefragen
18%
19%
Sonstige
45%
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Nur 7 Prozent der Befragten halten es für
„nicht zutreffend“, dass die Zusammensetzung ihres Aufsichtsrats angemessen überprüft wird. Viele der Befragten, die dieser
Ansicht sind, sind im öffentlichen Sektor
sowie im Energie- und Rohstoffsektor tätig.
11 Prozent der Umfrageteilnehmer erklärten allerdings, ihre Organisation habe keinen Plan für die Nachfolge im Aufsichtsrat.
Diese Befragten verteilen sich auf mehrere
Länder und sind in erster Linie in den
Bereichen Finanzdienstleistungen sowie
Energie und Rohstoffe tätig.
Kompetenzen und Diversität
Auf die Frage, welche Faktoren Berücksichtigung finden, wenn über die zukünftigen
Anforderungen an die Fähigkeiten des
Aufsichtsrats entschieden wird, wurde eine
Reihe unterschiedlicher Antworten gegeben. Kenntnisse über die Branche und Faktoren, die mit den künftigen Entwicklungszielen der Organisation zusammenhängen,
wurden in den Antworten am häufigsten
genannt (siehe Abbildung 12).
Unterschiede
zwischen
monistischen
und dualistischen
Systemen
Befragte von Unternehmen mit
dualistischer Führungsstruktur
maßen Wachstumszielen und Plänen für eine internationale Entwicklung bei der Ermittlung zukünftiger Anforderungen weniger
Bedeutung bei. Dies kann auf Faktoren zurückzuführen sein, die
nicht mit der Struktur des Aufsichtsrats zusammenhängen.
41
21%
Alter
45%
55%
Geschlecht
77%
45%
Internationalisierung
68%
10%
Eine Diversitätspolitik wird nicht verfolgt
0%
Professionelle Qualifikation
91%
8%
Alle obigen Antworten treffen zu
0%
45%
6%
Keine der obigen Antworten trifft zu
70%
5%
Abb. 13 – Diversitätskriterien für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats beruht auf folgenden Diversitätskriterien.
EMEA
Deutschland
70%
Professionelle Qualifikation
91%
55%
Geschlecht
77%
45%
Internationalisierung
68%
10%
Alter
45%
8%
Alle obigen Antworten treffen zu
0%
6%
Keine der obigen Antworten trifft zu
45%
5%
10%
Eine Diversitätspolitik wird nicht verfolgt
0%
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Während die Anforderungen an die
Fähigkeiten der potenziellen Mitglieder im
Ermessen des Aufsichtsrats liegen, können
andere Kriterien für die Diversität entweder von Rechts wegen oder durch die Richtlinien eines Corporate-Governance-Kodex
vorgeschrieben sein (insbesondere im Hinblick auf die Geschlechterverteilung). Ein
Unternehmen kann Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder mithilfe einer formalen
Matrix für Kenntnisse und Fähigkeiten
festlegen und potenzielle neue Mitglieder
gemäß ihrer Positionierung innerhalb der
Matrix beurteilen. Auf die Frage, welche
Kriterien für die Auswahl von Aufsichtsratsmitgliedern herangezogen werden,
nannten zahlreiche Befragte professionelle
Qualifikationen, Geschlecht sowie die
Internationalisierung der Organisation und
die Zusammensetzung des Aufsichtsrats.
Diese Einschätzung findet sich auch in
Aufsichtsräten deutscher Unternehmen
wieder (siehe Abbildung 13).
Die meisten Teilnehmer, denen zufolge
Alter ein Faktor ist, der die Diversität des
Aufsichtsrats beeinflusst, sind Aufsichtsratsmitglieder in Deutschland, der Schweiz
und Südafrika. In bestimmten Fällen kann
dies direkt mit Anforderungen des lokalen
Kodex für Corporate Governance zusammenhängen – beispielsweise müssen Aufsichtsräte in Deutschland ihre Alterspolitik
offenlegen (auch wenn diese durch keine
Vorgabe näher definiert ist).
42
Das Alter spielt in Deutschland für 45 Prozent der befragten Aufsichtsräte eine Rolle
für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Damit liegt Deutschland über dem
EMEA-Wert (29 Prozent) und auch deutlich
vor Ländern wie Österreich (32 Prozent)
und der Schweiz (26 Prozent).
Bei der Zusammenstellung von Aufsichtsräten spielt das Geschlecht in solchen
Ländern eine bedeutendere Rolle, in
denen es gesetzliche Anforderungen für
Geschlechterdiversität gibt (wie etwa in
Großbritannien für größere börsennotierte
Unternehmen und in Deutschland mit
der Einführung einer Frauenquote für
Aufsichtsräte großer Unternehmen) oder
strenge Maßnahmen ergriffen wurden, um
die Geschlechterdiversität in börsennotierten Unternehmen zu fördern.
Die Befragten waren dabei mit großer
Mehrheit der Auffassung, dass Geschlechterdiversität bei der Ernennung von
Aufsichtsratsmitgliedern in Deutschland,
Italien, den Niederlanden, Norwegen und
in Großbritannien von Bedeutung sei. Die
Zahlen in Belgien und Frankreich waren
indes niedriger als allgemein erwartet.
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Unter den Ländern besitzen Deutschland,
Italien und Norwegen gesetzliche Verpflichtungen für Geschlechterquoten, während
die Niederlande in ihrem Corporate-Governance-Kodex eine Richtlinie verankert
haben, wonach eine Nichtkonformität zu
begründen ist („comply or explain“). Auch in
Belgien und Frankreich gibt es gesetzliche
Anforderungen in Bezug auf Geschlechterquoten, die in Belgien bis 2017 von
börsennotierten und bis 2019 von nicht
börsennotierten Unternehmen umgesetzt
sein müssen. In Frankreich müssen große
börsennotierte Unternehmen bis 2016
einen Frauenanteil von mindestens 40
Prozent umsetzen (bis Januar 2017 alle anderen Unternehmen). Auch wenn in Irland
und Südafrika keine Quotenanforderungen
gelten, ist das Geschlecht auch hier (im
Allgemeinen) ein wichtiges Kriterium für die
Ernennung von Aufsichtsratsmitgliedern.
Aufgrund dessen dürfte die Relevanz des
Geschlechts bei der Beurteilung von Kandidaten in allen diesen Ländern im Laufe der
nächsten Jahre zunehmen.
Darüber hinaus wurde auch die Frage
gestellt, ob der eigene Aufsichtsrat Richtlinien für Altersgrenzen, Geschlechter- und
Kompetenzdiversifizierung oder Amtszeitbegrenzungen eingeführt hat. Einige
Befragte erklärten, dass für alle dieser
Diversitätskriterien Richtlinien Anwendung
fänden (darunter auch eine Mehrheit in
Frankreich); allerdings gaben 27 Prozent an,
dass keinerlei Richtlinien in dieser Hinsicht
vom Aufsichtsrat befolgt würden. Die negativen Antworten stammten zum Großteil
von Befragten aus Österreich, Finnland,
Polen und Rumänien.
In der Region EMEA wurde hinsichtlich
Geschlechterdiversifizierung bei 37 Prozent
der befragten Aufsichtsräte eine entsprechende Richtlinie eingeführt. 73 Prozent
der Rückmeldungen aus Deutschland
hingegen verwiesen auf vorhandene Regelungen zur Geschlechterdiversifizierung auf
Aufsichtsratsebene.
In anderen Ländern sieht die Sachlage dagegen anders aus. Von den 10 Prozent der
Befragten, denen zufolge die eigene Organisation keine Diversitätspolitik verfolgt,
kamen viele aus Rumänien, Polen und dem
Nahen Osten. Rumänien und Polen haben
in Bezug auf Geschlechterquoten Bestimmungen gemäß dem Grundsatz „comply
or explain“ verabschiedet. In Zypern oder
dem Nahen Osten gibt es hingegen keine
Richtlinien oder Empfehlungen zur Gewährleistung einer Geschlechterdiversität in
Aufsichtsräten.
43
Abb. 14 – Einbindung der Stakeholder in die Nachfolgeplanung im Aufsichtsrat
Werden die wichtigsten Stakeholder frühzeitig in die Nachfolgeplanung eingebunden?
EMEA
Deutschland
55%
Ja – die Interessengruppen werden frühzeitig eingebunden
73%
18%
Ja – damit beginnen wir jetzt
0%
10%
Nein – wir binden Interessengruppen noch nicht frühzeitig ein
11%
Nein – wir verfügen über keinen Nachfolgeplan
14%
7%
Das weiß ich nicht
9%
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Einbindung der Stakeholder in die
Nachfolgeplanung
Die Mehrheit unserer Befragten erklärte,
ihre Organisation spreche sich mit ihren
Stakeholdern ab und beziehe diese bereits
in einer Frühphase des Prozesses in die
Nachfolgeplanung ein. In der EMEA-Region
verwiesen 55 Prozent der Befragten darauf,
dass ihre Organisation hiermit beginne.
Nur 10 Prozent antworteten, dass sich ihre
Organisation nicht bereits in der Frühphase
mit den Stakeholdern abspreche (siehe
Abbildung 14). Die wichtigsten Stakeholder
dürften Großaktionäre sein, obwohl dies je
nach Teilnehmer unterschiedlich sein kann.
Von den Befragten, denen zufolge das eigene Unternehmen keinen Nachfolgeplan besitzt und sich nicht bereits in der Frühphase mit den Interessengruppen abspricht,
stammte eine vergleichsweise hohe Zahl
aus Österreich, Belgien, Frankreich, Polen,
Rumänien und Großbritannien.
44
Zukunftsaussichten
Da sich Organisationen weiterentwickeln,
kann davon ausgegangen werden, dass sich
die Art der für den Aufsichtsrat erforderlichen Kompetenzen ebenfalls ändert. Allerdings erklärte ein vergleichsweise großer
Anteil aller Umfrageteilnehmer (27 Prozent)
auf die Frage, inwieweit sie kurzfristig mit
Änderungen des Kompetenzspektrums für
Aufsichtsräte rechnen, dass sie überhaupt
keine Veränderung erwarten. Wann immer
Änderungen genannt wurden, hingen diese
mit der Notwendigkeit zusammen, die
Zusammensetzung des Aufsichtsrates neu
auszurichten, um die Mischung aus Kompetenzen und Erfahrungen, internationalem
Know-how und Geschlechtern zu verbessern. Einige Befragte nannten ebenfalls
ausdrücklich die Notwendigkeit für mehr
Bewusstsein für IT- und Cyber-Sicherheit
auf Ebene des Aufsichtsrats.
5%
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Evaluierung des
Aufsichtsrats
Die Corporate-Governance-Kodizes mehrerer Länder
enthalten eine Vorschrift für die regelmäßige und formale Beurteilung der Leistung des Aufsichtsrats.
Jährliche Effizienzprüfungen des Aufsichtsrats sind laut den Corporate-Governance-­
Kodizes Frankreichs, der Niederlande
und Großbritanniens vorgesehen, wobei
mindestens alle drei Jahre eine externe
Beurteilung durchzuführen ist. Diese Effizienzprüfung sollte es Aufsichtsräten prinzipiell ermöglichen, eigene Schwächen zu
erkennen und Schulungen, Aktivitäten oder
ihre Zusammensetzung so anzupassen,
dass diesen Schwächen entgegengewirkt
werden kann.
In der Region EMEA erklärten 73 Prozent
unserer Befragten, ihre Organisation
beurteile die Leistung ihres Aufsichtsrats,
während dies lediglich 21 Prozent verneinten (von denen jedoch 4 Prozent derzeit
die Notwendigkeit hierzu prüften). Zu
den Ländern, in denen Evaluierungen des
Aufsichtsrats weniger üblich sind, gehören
Österreich, der Nahe Osten, Polen und die
Türkei. Im Vergleich dazu gaben über 90
Prozent der Befragten in Ländern wie Südafrika, Finnland, Frankreich, Irland, Italien
und Norwegen an, dass ihre Organisation
Beurteilungen durchführe. Zu den Ländern,
in denen Beurteilungen des Aufsichtsrats
weniger üblich sind, gehören Österreich (11
von 25 Befragten), der Nahe Osten (5 von
7), Polen (5 von 14) und die Türkei (8 von
15). Dagegen erklärten über 90 Prozent der
Befragten in Südafrika (10 von 10 Befragten), Finnland (21 von 22), Frankreich (14
von 15), Irland (24 von 26), Italien (14 von
15) und Norwegen (12 von 13), dass ihre Organisation Beurteilungen des Aufsichtsrats
vornehme.
In Deutschland wurden bei 68 Prozent der
Studienteilnehmer schon länger Effizienzprüfungen des Aufsichtsrats durchgeführt
und bei 18 Prozent der Befragten werden
derartige Beurteilungen gerade implementiert. Damit liegt Deutschland mit einem
Gesamtwert von 86 Prozent deutlich
über dem vergleichbaren EMEA-Wert von
73 Prozent. Deutlich geringere Zustimmungsraten zu bereits implementierten
Effizienzprüfungen finden sich bspw. in
Österreich (44 Prozent gaben an, keine
Beurteilung der Leistung des Aufsichtsrats
durchzuführen).
Von den Befragten, deren Unternehmen
Evaluierungen des Aufsichtsrats vornehmen, hielt die große Mehrheit (81 Prozent)
die Aussage, dass die Ergebnisse der
Beurteilung des Aufsichtsrats für künftige
Veränderungen herangezogen werden,
entweder für „zutreffend“ oder „voll und
ganz zutreffend“. In Österreich, Zypern,
Frankreich, Irland, Italien, dem Nahen Osten, Polen und Südafrika hielten dies sogar
zwischen 90 und 100 Prozent der Befragten für „zutreffend“. In Deutschland ergibt
sich ein gemischteres Bild, da lediglich 68
Prozent der befragten Aufsichtsräte mit hoher bzw. sehr hoher Zustimmung angeben,
Effizienzprüfungen seien Ausgangspunkt
für zukünftige Verbesserungen. Damit wird
in Deutschland das Potenzial der Effizienzprüfung des Aufsichtsrates offensichtlich
nicht voll ausgeschöpft.
Obwohl die Umfrageteilnehmer angaben,
dass die Beurteilungen im Allgemeinen für
Veränderungen herangezogen würden und
diese beeinflussen, verwiesen 74 Prozent
darauf, dass nur wenige bzw. überhaupt
keine Informationen über die Beurteilung
von Aufsichtsräten nach außen offengelegt
werden. Insofern eine externe Offenlegung
erfolgt, kann diese durchaus gemäß den
Anforderungen nationaler Kodizes für Corporate Governance vorgeschrieben sein.
90 Prozent der befragten Aufsichtsräte in
Deutschland erklärten, dass die Ergebnisse
einer Effizienzprüfung nicht offengelegt
werden.
Da es schwierig ist, sich
selbst zu bewerten, wird der
Evaluierungsprozess immer
wieder aufgeschoben.
Befragte aus der Schweiz
45
Abb. 15 – Durchführung von Effizienzprüfungen im Aufsichtsrat
Wie erfolgt die Beurteilung des Aufsichtsrats?
Deutschland
58%
Intern
Extern (unter Einbeziehung Dritter)
21%
Intern und extern kombiniert
21%
EMEA
52%
Intern
11%
Extern (unter Einbeziehung Dritter)
37%
Intern und extern kombiniert
100%
Rumän
ien
Finnla
nd
Deuts
ch
la
Frankre
ich
un
dI
rla
Norwe
gen
Italien
nd
en
ol
Naher O
ste
nu
nd
Zypern
P
UK
nd
80%
21%
76%
71%
47%
36%
58%
43%
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Die Evaluierungen werden in erste Linie
intern bzw. durch eine Kombination aus
internen und externen Prüfern durchgeführt. Über zwei Drittel der Befragten in
Finnland, Zypern und dem Nahen Osten
erklärten, ihre Organisation stütze sich
auf interne Beurteilungen, während sich
die Umfrageteilnehmer, die eine Kombination aus internen und externen Prüfern
nannten, im Allgemeinen in Frankreich,
Norwegen und Großbritannien befanden.
Einige wenige Befragte erklärten, Evaluierungen würden nur über externe Anbieter
durchgeführt; die Mehrheit von ihnen kam
aus Italien, Rumänien und Deutschland
(siehe Abbildung 15).
46
Eine Beurteilung, ob Effizienzprüfungen
zu Veränderungen herangezogen werden,
fällt für Außenstehende jedoch schwer,
da in Deutschland 90 Prozent (EMEA:
74 Prozent) der Befragten äußerten, dass
die Ergebnisse der Effizienzprüfung nur in
sehr geringem oder geringem Ausmaß an
Dritte weitergegeben werden.
Die Bedeutung von
Evaluierungen wird nicht
voll verstanden.
Befragter aus Polen
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Abb. 16 – Kriterien für die Effizienzprüfung des Aufsichtsrats
Auf welcher Grundlage wird die Leistung des Aufsichtsrats insgesamt beurteilt?
EMEA
Deutschland
69%
Strategie
78%
62%
Führungskompetenz
56%
51%
Finanzen
61%
48%
Operative Aspekte
53%
30%
Sonstige
33%
30%
Positionierung
35%
27%
Innovation
28%
1
„Sonstige“ bezieht sich auf die generelle Arbeitsweise , die Zusammensetzung , das
persönliche Engagement des Aufsichtsrats und die Kooperation mit dem Management.
1
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Kriterien für die Effizienzbeurteilung
des Aufsichtsrates
Die oben genannten Evaluierungen orientieren sich hauptsächlich an den Kriterien
Strategie, Führungskompetenz und finanzielle Kennzahlen, obwohl zwischen den
einzelnen Ländern gewisse Abweichungen
gegeben sind (siehe Abbildung 16).
In Deutschland dienen als Grundlagen für
die Leistungsbeurteilung des Aufsichtsrats
insgesamt vorrangig Strategie, finanzielle
Kennzahlen sowie Führungskompetenz
und operationale Aspekte.
Die wichtigsten drei Anforderungen an einen
effektiven Aufsichtsrat:
1. Z
ugang zu umfassenden Informationen über das
Unternehmen, damit der Aufsichtsrat die Lage
eines Unternehmens angemessen beurteilen
kann.
2. O
ffene und fortwährende Kommunikation
zwischen dem Aufsichtsrat und wichtigen
Personen im Unternehmen.
3. F
ähigkeit des Aufsichtsrats bzw. von dessen
Mitgliedern, rasch Entscheidungen zu treffen.
Darüber hinaus ist die Zusammensetzung des
Aufsichtsrats ein entscheidender Faktor. Hat
ein Unternehmen einen signifikanten Wandel
durchlaufen, kann es für den Aufsichtsrat unter
Umständen erforderlich sein, Personen mit
speziellen Kompetenzen, Kenntnissen und
Branchenerfahrungen einzubeziehen, die den
Transformationsprozess positiv beeinflussen
können.
Befragte aus Polen
47
Wir wollten von all unseren Befragten wissen, welche drei Anforderungen an einen
effektiven Aufsichtsrat ihres Erachtens
nach am wichtigsten sind. Den Begriff „effektiv“ definierten wir dabei nicht, sondern
überließen den Befragten die Auslegung. Es
ist nicht weiter verwunderlich, dass Erfahrung, Diversität und Wissen auf der Liste
ganz oben standen. Interessant ist jedoch,
dass Transparenz (auch in Verbindung mit
effektiver Kommunikation), Verbundenheit
mit der Organisation und Führungskompetenz ebenfalls eine wichtige Rolle spielen
(siehe Abbildung 17).
Ebenso bemerkenswert ist, dass Vision,
Vertrauen, Risikomanagement und die
Notwendigkeit, gut informiert zu sein, auf
der Liste recht weit unten stehen. Dem
Bedürfnis, die Unternehmensleitung und
die Ansichten anderer zu hinterfragen,
wird ebenfalls eine vergleichsweise geringe
Bedeutung beigemessen. Dies dürfte die
Frage aufwerfen, was genau von einem
effektiven Aufsichtsrat erwartet wird und
ob die Zusammensetzung zahlreicher Aufsichtsräte wirklich so ausgewogen ist, wie
sie sein sollte.
Die Aufsichtsräte deutscher Unternehmen
legten in unserer Befragung einen klaren
Fokus auf Kompetenz, Führungskompetenz gegenüber dem Vorstand sowie
eine offene Diskussionskultur. All diese
Punkte gründen auf Erfahrung und Wissen
der Aufsichtsräte. Zeitlicher Einsatz und
eine intensive Auseinandersetzung sind
theoretisch Grundvoraussetzungen für
Aufsichtsratsarbeit, jedoch wurden diese
Kriterien von den Aufsichtsratspraktikern
besonders betont.
Die Antworten der Befragten zeigen,
dass ein effektiver Aufsichtsrat nur nach
sorgfältiger Prüfung zusammengestellt
werden kann, wobei das erworbene Wissen
von Einzelpersonen sowie ihr Charakter
und ihre Fähigkeit, ihre Stärken mit jenen
anderer Mitglieder zusammenzubringen
und dabei ein gutes Ergebnis zu erzielen,
Berücksichtigung finden. Fachliche und
sachliche Kompetenz und Einsatz für das
Unternehmen können so ein Ganzes hervorbringen, das größer ist als die Summe
seiner Bestandteile.
48
Abb. 17 – Die wichtigsten drei Anforderungen an einen effektiven Aufsichtsrat
EMEA
Erfahrung
32%
Diversität
28%
Wissen
23%
Strategiefokussiert
22%
Transparenz
22%
Engagement
15%
Führungskompetenz
15%
Unabhängigkeit
12%
Zusammenarbeit
11%
Hinterfragung
9%
Professionalität
9%
Rollendefinition
9%
Deutschland
Kompetenz
32%
Führungskompetenz gegenüber und Umgang mit Vorstand
32%
Diskussionskultur
27%
Zeitlicher Einsatz
14%
Intensive Auseinandersetzung mit dem Unternehmen
14%
Strategiekenntnisse
14%
Branchenkenntnis
9%
Finanzwissen
9%
Erfahrung in der operativen Unternehmensleitung
9%
Internationalität
9%
Professionalität
9%
Denken aus verschiedenen Blickwinkeln
9%
Sonstige Kriterien für einen effektiven Aufsichtsrat umfassen under anderem die Kooperation mit dem Management, Risikomanagement, Compliance und Governance.
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Entscheidungsfindung in
Aufsichtsräten deutscher
Unternehmen
Neben der kontinuierlichen Eigenkontrolle durch Effizienzprüfungen spielt die Qualität der Entscheidungsfindung im Aufsichtsrat eine wesentliche Rolle bei der
Effektivität des Überwachungsgremiums.
Zur Entscheidungsfindung im Aufsichtsrat
liegen bisher wenige empirische Erkenntnisse vor. Vor diesem Hintergrund haben
wir ergänzend zu den für alle Teilnehmer
der Region EMEA gleichen Fragen die
Teilnehmer in Deutschland zur Entscheidungsfindung in Aufsichtsräten befragt.
Die Antworten sind vielschichtig und
interessant.
Die Aussagen unserer Befragten betonen
die Eigenständigkeit des Denkens der Aufsichtsräte. In Abbildung 18 zeigt sich, dass
82 Prozent der befragten Aufsichtsräte
nicht erst abwarten, bis sich Lösungen zu
drängenden Fragestellungen am Markt
bewährt haben. Mehrheitlich agieren
Aufsichtsräte unabhängig von Marktströmungen, um aktuelle Fragestellungen in
Unternehmen anzugehen. Das lässt den
Schluss zu, dass vermutlich die Einschätzungen der Aufsichtsräte dem eigenen
Selbstverständnis entsprechen. Damit
zeigt sich die Mehrheit der Befragten bei
ihren Entscheidungen unbeeinflusst von
„Modetrends“.
Abb. 18 – Auswahl der Maßnahmen zur Erfüllung der Überwachungspflichten
In unserem Aufsichtsrat warten wir in der Regel ab, welche
Maßnahmen sich zur Nachweiserbringung unserer Überwachungspflichten auf dem
Markt bewähren, ehe wir diese auch in Anspruch nehmen.
41%
Deutschland
5%
14%
5%
Trifft voll und ganz zu
Trifft zu
Neutral
Trifft nicht zu
Trifft überhaupt nicht zu
36%
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
49
50
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Abb. 19 – Prozess der Entscheidungsfindung
Oftmals treffe ich im Aufsichtsrat Entscheidungen „aus dem Bauch“ heraus.
27%
Deutschland
5%
14%
55%
Trifft voll und ganz zu
Trifft zu
Neutral
Trifft nicht zu
Trifft überhaupt nicht zu
Quelle: Deloitte-Analyse 2016
Zusammenhängen mag diese Beobachtung
zum potenziellen Einfluss von „Modetrends“ in der Aufsichtsratstätigkeit auch
mit den vorhandenen Informationen, die
Aufsichtsräte in Deutschland für ihre Entscheidungen heranziehen können. Unsere
Ergebnisse zeigen, dass alle befragten
Aufsichtsräte für ihre Gremientätigkeit
gut bzw. sehr gut vorbereitete Entscheidungsvorlagen zur Verfügung haben.
Dieses Ergebnis ist positiv zu würdigen und
konsistent mit den Ergebnissen der die
EMEA-Region betreffenden Fragen.
Diese gestiegene Professionalität der
Aufsichtsratstätigkeit zeigt sich auch
bei den Antworten auf die Frage, wie
Entscheidungen im Gremium getroffen
werden. Entscheidungen „aus dem Bauch
heraus“ sind für 82 Prozent der Befragten
nicht Mittel der Wahl (siehe Abbildung 19).
Manche Studienteilnehmer sehen jedoch
die Gefahr, dass Entscheidungen nicht
vollständig objektiv getroffen werden,
sondern Bauchentscheidungen eine Rolle
spielen können. Bei der Interpretation
dieser Ergebnisse ist zu beachten, dass die
Antworten möglicherweise verzerrt sind.
Es kann die Gefahr bestehen, dass manche
Aufsichtsräte Entscheidungen „aus dem
Bauch heraus“ treffen, dies aber nicht zugeben, da es einer von Dritten erwarteten
Antwort nicht entspricht.
Gefragt haben wir die Teilnehmer in
Deutschland auch, ob Entscheidungen situ-
ationsbasiert getroffen werden. 69 Prozent
der Befragten äußerten, dass sie sich als
Aufsichtsrat nicht zu vorschnellen Handlungen aufgrund eskalierender Berichte oder
Vorfälle drängen lassen. Dieses Ergebnis
darf nicht als generelles Zögern in schwierigen Situationen fehlinterpretiert werden,
sondern legt nahe, dass Aufsichtsräte in
schwierigen Situationen „einen kühlen Kopf
behalten“, bevor gehandelt wird.
Abschließend haben wir die Aufsichtsräte
nach ihrer Risikoneigung bei Entscheidungen befragt. Auf die Frage, ob ein Szenario
mit hohem Schadensausmaß tendenziell
als bedeutender bewertet werde, um Maßnahmen zur Abwendung des Risikos einzuleiten, antworteten jeweils 32 Prozent, dass
der Aufsichtsrat solche Szenarien höher
bzw. weniger hoch gewichtet. Die restlichen
36 Prozent antworteten mit „neutral“. Dieses Ergebnis legt nahe, dass Aufsichtsräte
ein ausbalanciertes Verhältnis zum Risiko
haben. Als eine Ursache der Finanzkrise
wurde in der öffentlichen Diskussion das
mangelnde Risikobewusstsein der Organe
der Unternehmensführung und Unternehmensüberwachung genannt. Mit den hier
vorliegenden Erkenntnissen zeigt sich eine
Bewegung hin zu Risikoneutralität der Unternehmensüberwachung. Der Aufsichtsrat
ist damit eine die Unternehmensleitung
begleitende Institution der Unternehmensüberwachung, in der weder „Spieler“ noch
„Bedenkenträger“ die Überhand haben.
51
Fazit
Die Aufsichtsratstätigkeit in einer komplexen Unternehmenswelt erfordert hohe fachliche Kompetenz sowie
großen zeitlichen Einsatz eines jeden Mitglieds. Kompetenz und Diskussionskultur sowie ein professioneller
Umgang mit dem Vorstand des Unternehmens sind
Kriterien erfolgreicher Aufsichtsratsarbeit. Die Zeiten
einer Vielzahl parallel ausgeführter Aufsichtsratsmitgliedschaften in einer Vielzahl verschiedener Unternehmen
scheinen angesichts des heutigen Anforderungskatalogs
der Aufsichtsratsarbeit vorbei zu sein. Für führende
Aufsichtsräte in Deutschland ist das Phänomen des
„over-boarding“ damit nicht mehr anzutreffen.
Die Anforderungen an Aufsichtsräte und
die Herausforderungen ihrer täglichen
Arbeit sind über Ländergrenzen hinweg
relativ ähnlich. Es zeigen sich aber auch
spezifische Besonderheiten, die sich aus
den Rahmenbedingungen eines Landes
ergeben. Ähnliche Herausforderungen
bedeuten aber nicht, dass es zu einer
vollständigen Angleichung des Aufsichtsratsumfelds innerhalb EMEA kommen wird.
Dies ist angesichts eines unterschiedlichen
institutionellen Umfelds auch nicht zu erwarten. Gemeinsame Nenner sind jedoch
die Fokussierung auf Themen, denen die
Unternehmen aktuell gegenüberstehen,
sowie die Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit bei Entscheidungsfindung, Vergütung der Unternehmensleitung,
Nachfolgeplanung und Evaluierung.
Die wesentlichen Ergebnisse der Studie für
die Aufsichtsratstätigkeit in Deutschland
sind:
•Die Themen Digitalisierung und
Innovation sind auf der Agenda von
Aufsichtsräten in Deutschland ganz oben
angekommen.
52
•Das Thema Cyber-Risiken wurde von Aufsichtsräten in Deutschland unterschätzt.
Es hat aber ein Aufholprozess eingesetzt.
•Aufsichtsräte deutscher Unternehmen
zeigen im Mittel ein ausgewogenes Verhältnis zum Risiko, weder „Spieler“ noch
„Bedenkenträger“ haben die Oberhand.
Die Aufsichtsräte halten damit offenbar
die Balance zwischen Beratung und
Überwachung der Unternehmensleitung.
•Die länderübergreifenden Ergebnisse
lassen die Schlussfolgerung zu, dass es
um Aufsichtsräte in Deutschland nicht
schlecht bestellt ist, da Deutschland in
vielen Bereichen der Studie im Vergleich
zur Region EMEA überdurchschnittlich
abschneidet.
•Festzuhalten ist aber auch, dass bei
Aufsichtsräten in Deutschland durchaus
noch Verbesserungspotenzial existiert.
So könnte das Potenzial der Effizienzprüfung des Aufsichtsrats besser gehoben
oder bei der Vergütung der Unternehmensleitung eine bessere Verknüpfung
mit der Unternehmensstrategie hergestellt werden.
EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
Endnoten
1.
Die in dieser Studie enthaltenen Ansichten und Meinungen stehen
stellvertretend für diejenigen der befragten Aufsichtsratsmitglieder und
entsprechen nicht unbedingt dem Standpunkt von Deloitte. Wir geben
keinerlei Zusicherungen oder Gewährleistungen für die Richtigkeit dieser
Angaben oder die Übereinstimmung der erhobenen Angaben mit der
tatsächlichen Effizienz realer Aufsichtsräte.
8. So waren es beispielsweise in Österreich nur 1 Befragter von 25, in Belgien
1 Befragter von 12 und in Irland 2 Befragte von 26 Aufsichtsratsmitgliedern,
die regelmäßig ihre Reputation überprüften – gegenüber 10 von 22 in
Deutschland und 6 von 15 in Frankreich.
9. Übersicht:
2. Die Studie bezieht quantitative und qualitative Daten auf Grundlage von
Befragungen mit ein. Die EMEA-Ergebnisse wurden keiner Normalisierung
oder Gewichtung unterzogen. Infolge von Rundungen ergeben die
Antwortoptionen nicht immer genau 100 Prozent. Alle Angaben der
Teilnehmer werden vertraulich behandelt und nur in aggregierter
Form wiedergegeben. Die Namen der einzelnen Teilnehmer oder ihrer
Unternehmen werden nicht offengelegt.
3. In dieser Studie verwenden wir aus Gründen der Einfachheit durchgängig
Begrifflichkeiten wie Aufsichtsrat und Verwaltungsratsmitglied. Dabei sind
stets gleichsam Frauen und Männer in entsprechenden Positionen gemeint.
4. Allerdings herrschen in Frankreich vorwiegend monistische und in den
Niederlanden und Rumänien vorwiegend dualistische Führungsstrukturen
vor.
5. Siehe EZB-Bankenaufsicht: SSM Priorities. Abrufbar unter:
www.bankingsupervision.europa.eu/ecb/pub/pdf/publication_supervisory_
priorities_2016.en.pdf
6. 3 von 22 Befragten in Deutschland, 4 von 25 Befragten in Österreich, 3 von
23 Befragten in Großbritannien, 2 von 15 Befragten in Frankreich und 5 von
7 Befragten im Nahen Osten.
7.
„Trifft zu“ oder „trifft voll und ganz zu“: 86 Prozent Geschäfts- und
Unternehmensdienstleistungen, 84 Prozent Life Sciences, 79 Prozent
Finanzdienstleistungsbranche. „Trifft nicht zu“ oder „trifft überhaupt nicht
zu“: 50 Prozent öffentlicher Sektor, 20 Prozent Bauwirtschaft, 16 Prozent
Konsumgüterindustrie.
•A
uf alle Organisationsebenen fokussiert: 25 Prozent öffentlicher Sektor,
60 Prozent Bauwirtschaft, 59 Prozent Finanzdienstleistungsbranche
•V
orfallsbasiert: 57 Prozent Business & Professional Services, 54 Prozent
Energie und Rohstoffe, 25 Prozent Life Sciences
• In die Organisationskultur integriert: 71 Prozent Business & Professional
Services, 56 Prozent Konsumgüterindustrie, 0 Prozent öffentlicher Sektor,
0 Prozent Bauwirtschaft
•S
ystematisch (in vorgegebenen Abständen durchgeführt): 43 Prozent
Business & Professional Services, 42 Prozent Life Sciences, 0 Prozent
Bauwirtschaft, 0 Prozent öffentlicher Sektor
10. Siehe den Deloitte-Bericht: 2016 Directors’ Alert: Ingredients for success:
Striking the right balance. 2016. Abrufbar unter:
www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/global/Documents/Risk/gxccg-directors-alert-2016.pdf
11. Übersicht:
• 5 [sehr wichtig]: 67 Prozent Life Sciences, 52 Prozent Technologie, Medien
und Telekommunikation (TMT)
• 4: 57 Prozent Business & Professional Services, 52 Prozent Konsumgüter
• 2: 20 Prozent Bauwirtschaft, 17 Prozent Finanzdienstleistungen
• 1 [unwichtig]: 11 Prozent Energie und Rohstoffe, 10 Prozent Bauwirtschaft
12. In Österreich antworteten 20 von 25 Befragten, dass der Vorstand für die
Überwachung von Innovation zuständig sei, während 14 von 25 Befragten
erklärten, dass dies dem Aufsichtsrat obliege. In Großbritannien nannten 15
von 23 Befragten das Management und 12 den Verwaltungsrat.
53
Deloitte CorporateGovernance-Experten
Austria
Dr. Bernhard Gröhs, LL.M
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Deloitte Austria
Tel: +43 (0)1 537 005500
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Belgium
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Cyprus
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Governance Lead
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54
Germany
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Governance Lead
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Deloitte Switzerland
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Development Programme Lead
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Governance Lead
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Dr. Alexander Börsch,
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Ulrike Erdélyi,
Tracy Gordon,
Kate McCarthy,
Louis McLean,
Ram Krishna Sahu,
Melissa Scully,
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Spain
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EMEA 360° Boardroom Survey |
Prioritäten und Schwerpunkte der Aufsichts- und Verwaltungsräte
55
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Christoph B. Schenk
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Deloitte bezieht sich auf Deloitte Touche Tohmatsu Limited („DTTL“), eine
„private company limited by guarantee“ (Gesellschaft mit beschränkter Haftung
nach britischem Recht), ihr Netzwerk von Mitgliedsunternehmen und ihre
verbundenen Unternehmen. DTTL und jedes ihrer Mitgliedsunternehmen sind
rechtlich selbstständig und unabhängig. DTTL (auch „Deloitte Global“ genannt)
erbringt selbst keine Leistungen gegenüber Mandanten. Eine detailliertere
Beschreibung von DTTL und ihren Mitgliedsunternehmen finden Sie auf
www.deloitte.com/de/UeberUns.
Deloitte erbringt Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung,
Steuerberatung, Financial Advisory und Consulting für Unternehmen
und Institutionen aus allen Wirtschaftszweigen; Rechtsberatung wird
in Deutschland von Deloitte Legal erbracht. Mit einem weltweiten
Netzwerk von Mitgliedsgesellschaften in mehr als 150 Ländern verbindet
Deloitte herausragende Kompetenz mit erstklassigen Leistungen und
unterstützt Kunden bei der Lösung ihrer komplexen unternehmerischen
Herausforderungen. Making an impact that matters – für mehr als 225.000
Mitarbeiter von Deloitte ist dies gemeinsames Leitbild und individueller
Anspruch zugleich.
Diese Veröffentlichung enthält ausschließlich allgemeine Informationen,
die nicht geeignet sind, den besonderen Umständen des Einzelfalls
gerecht zu werden, und ist nicht dazu bestimmt, Grundlage für
wirtschaftliche oder sonstige Entscheidungen zu sein. Weder die Deloitte
GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft noch Deloitte Touche Tohmatsu
Limited, noch ihre Mitgliedsunternehmen oder deren verbundene
Unternehmen (insgesamt das „Deloitte Netzwerk“) erbringen mittels dieser
Veröffentlichung professionelle Beratungs- oder Dienstleistungen. Keines der
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Stand 7/2016
Dr. Claus Buhleier
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